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Mitteilungsvorlage (Armutsbericht Pulheim)

Daten

Kommune
Pulheim
Größe
26 kB
Datum
30.06.2009
Erstellt
25.09.09, 21:27
Aktualisiert
25.09.09, 21:27

Inhalt der Datei

Stadt Pulheim Der Bürgermeister V o r l a g e Nr: Zur Beratung/Beschlussfassung an: Gremium Haupt- und Finanzausschuss Rat II/501 Termin 16.06.2009 30.06.2009 Herr Darius / Herr Abs (Verfasser/in) (Amt/Aktenzeichen) ö. S. X X 194/2009 nö. S. TOP 21.1 30.1 06.05.2009 (Datum) BETREFF: Armutsbericht Pulheim MITTEILUNG: I. Vorwort Mit Schreiben vom 20.10.2008 beantragt die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen die jährliche Erstellung eines Armutsberichtes für die Stadt Pulheim. Am 02.12.2008 empfiehlt der HFA als Sozialausschuss dem Rat, das im Antragsschreiben aufgeführte Datenmaterial dem HFA / Rat zur Verfügung zu stellen. Am 16.12.2008 beschließt der Rat diese Empfehlung. Mit dem Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen zur Vorlage eines Sachstandsberichtes zur Kinderarmut in Pulheim vom 14.10.2008 befasst sich am 22.11.2008 erstmals der Jugendhilfeausschuss. Die vom Sozialamt ermittelten Daten fließen in den vom Jugendamt erstellten Sachstandsbericht zur Kinderarmut (Vorlage Nr. 77/2009, vorgestellt in der Sitzung des JHA am 05.03.2009) ein. (als Anlage 3 beigefügt) Der JHA nimmt den Sachstandsbericht zur Kenntnis und beschließt, zur Sitzung am 28.05.2009 einen Referenten einzuladen mit den Schwerpunkten - Grundaussagen zur Kinderarmut in Deutschland und deren Folgen - Entwicklung kommunaler Handlungsansätze -1- Zusätzlich wurden die örtlichen Akteure der freien und öffentlichen Träger, der Schulen sowie des Rates und der im Jugendamt Dormagen für diesen Themenkomplex zuständige Mitarbeiter zur Sitzung am 28.05.2009 eingeladen. Da es bislang keine allgemein verbindlichen Standards für die Erarbeitung eines Armutsberichtes gibt und eine detaillierte Betrachtung und Analyse bis hin zu konkreten Schlussfolgerungen eine personell und zeitlich aufwendige Angelegenheit ist, kann der hier vorgelegte Bericht nur eine erste Einführung in die Thematik bieten. II. Einleitung Das Sozialstaatsprinzip der Bundesrepublik Deutschland sichert jedem Bürger ein menschenwürdiges Dasein, das im Recht auf Sozialhilfe konkretisiert ist. Daher muss durch die Sozialhilfe in Form - von Regelsätzen - und der Übernahme von angemessenen Mietkosten sichergestellt werden, dass die Befriedigung elementarer Bedürfnisse des Einzelnen erfolgt. Dies hat allerdings zur Folge, dass fast ausschließlich Bedürfnisse im Sinne einer Grundsicherung seitens der Sozialhilfe befriedigt werden können. Die darüber hinausgehende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben kann nur in minnimalem Umfang gewährleistet werden. III. Definitionen Absolute Armut Unter absoluter Armut wird ein Zustand verstanden, bei dem es dem Betroffenen an lebensnotwendigen Dingen fehlt und dadurch unmittelbar die physische Existenz bedroht ist. Relative Armut In der Sozialberichtserstattung des Bundes und des Landes wird Armut bezeichnet als eine „Situation des wirschaftlichen Mangels, die verhindert, ein angemessenes Leben zu führen“.* Durch die sozialen Sicherungssysteme sind die Menschen in Deutschland weitesgehend vor absoluter Armut bewahrt. Nach dem Begriff der relativen Armut gehen die Sozialberichte des Landes und des Bundes, sowie die Empfehlungen des Europäischen Rates von folgenden Armutsstufen aus. *Quelle: Armutsbericht der Bundesregierung 2008 -2- Eine Person ist von Armut bedroht, die weniger als ca. 60% des mittleren Nettoeinkommens zur Verfügung hat. Personen mit 50% des durchschnittlichen Einkommens leben am “soziokulturellen Existenzminimum“. Personen mit nur 40% leben in „strenger Armut“. Von Armut bedroht sind auch Menschen, deren Einkommen bis auf die Höhe der Pfändungsfreigrenze gepfändet wird (in Unterhaltsschuldenfällen sogar noch darunter), sowie Personen, die überschuldet sind. Damit kommt den Schuldnerberatungsstellen eine wichtige Funktion bei dem Bemühen einer Armutsgefährdung entgegenzuwirken zu.Eine fachliche Begleitung im Insolvenzverfahren ist darüber hinaus sinnvoll, da Wege aus der Armut aufgezeigt werden können. Armut lässt sich aber nicht nur an der Einkommenssituation festmachen und definieren, sondern sie zeigt sich auch als soziokulturelle Verarmung. Gemeint ist ein allgemeiner Mangel an Patizipation am sozialen und kulturellen Leben. Was bedeutet das durchschnittliche Nettoeinkommen ? Das durchschnittliche Nettoeinkommen liegt nach Angaben des statistischen Bundesamtes bei 1.300,- € monatlich und ist ein Median-Wert, was bedeutet, die Hälfte der Bevölkerung hat ein höheres Einkommen, die andere Hälfte ein geringeres zur Verfügung. Daraus errechnen die Statistiker das Äquivalenz-Einkommen. Dies ist eine rein statistische Rechengröße und berücksichtigt zum Beispiel, dass Familien gewisse Einspareffekte durch die gemeinsame Wohnung und die gemeinsame Lebensführung haben. Zu dem Einkommen zählen alle Einkünfte, auch Sozialleistungen wie Kindergeld und Arbeitslosengeld. IV. Bereits erstellte Sozialberichte zum Thema Armut und Reichtum -3- Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung Die Bundesregierung hat im Jahr 2008 ihren 228 Seiten starken 3. Armuts- und Reichtumsbericht vorgelegt. Der Bericht bietet eine Darstellung und Analyse der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland seit dem Jahr 2003. Neben den von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung werden die Entwicklung von Einkommen und Vermögen untersucht und die Instrumente der Mindestsicherung beschrieben. Darüber hinaus erfolgt die Darstellung einzelner Lebenslagen, wie Bildung, Erwerbstätigkeit, Familie, Gesundheit, Wohnen, Überschuldung, Menschen mit Migrationshintergrund, Behinderte und Obdachlose. Es wird gefragt, inwiefern Unterschiede auf ungleiche Chancen zurückzuführen sind und welche Faktoren die unterschiedliche Wahrnehmung eröffneter Chancen beeinflussen. Armut wird gleichbedeutend mit einem Mangel an Verwirklichungschancen gesehen. Der Armuts- und Reichtumsbericht der Landes NRW Im Rahmen der Sozialberichtserstattung des Landes hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Jahre 2007 einen Armuts- und Reichtumsbericht vorgelegt. Im Wesentlichen werden alle Aspekte des Berichtes der Bundesregierung behandelt. Vertiefungsthemen sind z.B.: nicht standardisierte Erwerbsformen, Einbeziehung der kommunalen Perspektive und ein Berichtsteil der freien Wohlfahrtsverbände. Es wird ein Kooperationsprozess zwischen kommunaler und Landesberichterstattung angestrebt. Daher wurden kreisfreie Städte, wie Bielefeld, Bochum, Essen und Oberhausen gebeten, eigene Berichtsteile zu erstellen, die Einblicke in das Armutspotenzial aus kommunaler Sicht liefern. Die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in NRW hat ebenfalls einen eigenen Teil erstellt, in dem anhand von zahlreichen Fallbeispielen aus der Sicht der Betroffenen sowie Sozialarbeiter/Innen Problemlagen einkommensarmer und ausgegrenzter Personen geschildert wird. Armutsberichte der Kommunen In NRW haben ca. 30 Kommunen und einige Kreise Sozialberichte erstellt, die sich mit dieser Thematik befassen. Während die Berichterstattungen des Bundes und der Länder in erster Linie -4- darauf abzielen, das Verständnis von der Entstehung von Armutsrisiken und Ungleichheit zu ergründen, dienen die kommunalen Untersuchungen stärker dem sozialpolitischen Steuerungsinteresse. Es wird untersucht, welche wirklich auch kommunal beeinflussbaren Faktoren mit welchem Ausmaß an der Entwicklung von Ungleichheit beteiligt sind. Das Ziel liegt in der Entwicklung kommunaler Handlungsstrategien. Leider gibt es, wie bereits erwähnt, bis heute kein einheitliches methodisches Vorgehen bei der Erstellung der Berichte. Die einzelnen Fragestellungen und die methodischen Ansätze sind zu unterschiedlich, so dass die vorliegenden Berichte untereinander schwer vergleichbar sind. Auch kann bei der Entwicklung der Ansätze nicht einfach auf die Berichterstattung der Länder oder des Bundes zurückgegriffen werden, da die Aufgabenstellungen sich von den überregionalen Armutsberichten unterscheiden. Grundsätzlich kann der kommunale Sozial- oder Armutsbericht eine Analysefunktion ausüben und klären, wo, wann und wie sozialpolitischer Handlungsbedarf besteht. Gleichzeitig wird bei einer gewissen Regelmäßigkeit auch eine Kontrolle über die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen erreicht. Das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, das sich im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit dem Thema beschäftigt, schreibt in seiner Infobörse: „Einschränkend muss festgehalten werden, dass sowohl der hohe Anspruch an sozialplanerische Aktivitäten als auch die Wirksamkeit der Berichte in der Realität auf zahlreiche Umsetzungsschwierigkeiten stößt. Diese liegen zum Einen in den oft engen finanziellen Rahmenbedingungen der Kommunen, die den Aufbau kontinuierlicher Berichtssysteme verhindern. Zum Anderen können Interessenkonflikte zwischen, aber auch innerhalb der einzelnen Zielgruppen eine gemeinsame Zieldefinition verhindern und so zu erheblichen Planungsschwierigkeiten führen. . .“ „Trotz dieser praktischen Umsetzungsschwierigkeiten trägt eine offene Berichterstattung und darauf beruhende Sozialplanung zur Aktivierung der Bürgerinnen und Bürger (Förderung bürgerschaftlichen Engagements ) bei und verpflichtet die kommunalen Entscheidungsträger auf eine transparente Planungs- und Verteilungspolitik der kommunalen Ressourcen“. III. Armutsbericht Pulheim -5- Die nachfolgende Tabelle stellt die Äquivalenz-Einkommen* in den oben genannte 60, 50 und 40 Prozent Kategorien dar. Faktor Einzelperson Haushaltsangehöriger über 14 Jahren Haushaltsangehöriger unter 14 Jahrne durchschnittl. Nettoeink. Äquivalenz-Einkommen Summe bei Summe bei 60% 50% Summe bei 40% 1 1.300 € 780 € 650 € 520 € 0,5 650 € 390 € 325 € 260 € 0,3 390 € 234 € 195 € 156 € Hieraus lassen sich nun die Äquivalenzeinkommen für alle denkbaren Familienkonstellationen errechnen. Dem Äquivalenzeinkommen werden die Regelsätze der Sozialhilfe gegenübergestellt. Beispiele: Regelsätze SGB II / SGBXII inkl.maximalen Mietkosten Einzelperson Alleinerziehende mit einem Kind unter 14 Jahren Ehepaar 780,00 € 751,50 € 1.014,00 € 920,67 € 1.170,00 € 1.177,00 € 1.404,00 € 1.515,50 € 1.638,00 € 1.854,00 € 1.950,00 € 1.994,00 € 1.872,00 € 2.192,00 € Familie mit einem Kind unter 14 Jahren Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren Familie mit zwei Kindern über 14 Jahren Familie mit drei Kindern unter 14 Jahren Danach liegen die Familienkonstellationen, wie Ehepaare, Alleinerziehende und Einzelpersonen mit den Regelsätzen unter der 60 % Grenze und müssen als von Armut bedroht bezeichnet werden. Die Folgen hiervon können beispielsweise sein, dass notwendige medizinische Maßnahmen wegen Zuzahlungspflichten nicht eingeleitet werden oder dass Freizeit- und kulturelle Veranstaltungen, auch bei reduzierten Gebühren, nicht wahrgenommen werden. -6- * Quelle: Sozialbericht NRW 2007 Wieviele Haushaltsgemeinschaften bzw. Personen sind in der Stadt Pulheim betroffen ? In der Stadt Pulheim beziehen: 3,9 % der Bevölkerung SGB II Leistungen 0,5 % Leistungen nach dem SGB XII und 0,1 % nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Demnach sind in der Stadt Pulheim somit 4,5 % der Bevölkerung von Armut bedroht. Nach dem Landesbericht liegt die Armutsrisikoquote in NRW bei 15,3 % Die Dunkelziffer der Personen, die trotz fehlender Finanzmittel auf Sozialleistungen verzichten, sei es aus Scham oder Unkenntnis, ist nicht ermittelbar. Die nachfolgende Übersicht zeigt die Aufschlüsselung nach Leistungsart, Personen und Haushalten sowie die Anzahl der Einpersonen-Haushalte in der Stadt Pulheim. Leistungsart SGB II Haushaltsgemeinschaften Personen davon Einpersonen-Haushalte 2.072 1.012 499 SGB XII 252 224 166 AsylBlG 64 39 22 Gesamt 2.388 1.275 687 Diese Übersicht beantwortet die Anregung von Herrn Kauth um Überprüfung der im Kölner Stadtanzeiger veröffentlichen Zahlen hinsichtlich der bedürftigen Menschen in Pulheim. Die folgende Tabelle zeigt die Verteilung aller Leistungsbezieher nach Altersgruppen Aufschlüsselung nach Altersgruppen unter 18 Jahren bis 65 Jahre über 65 Jahre Gesamt 757 Personen 1.495 Personen 136 Personen 2.388 Personen Um zu spezifischen Analysen zu gelangen, bedarf es einer weiteren Aufschlüsselung der vorhandenen Daten. Dies ist leider mit der zur Verfügung stehenden Software nicht zu leisten. -7- Ein kommunaler Armutsbericht sollte eine möglichst kleinräumige Betrachtung gewährleisten. Das bedeutet, dass umfängliches Datenmaterial zu sammeln wäre. Altersarmut Im Stadtgebiet beziehen 136 Personen über 65 Jahre Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Dies bedeutet, dass 0,25 % der Pulheimer Bevölkerung über 65 Jahre alt ist und gleichzeitig Leistungen der Gundsicherung erhält. Betrachtet man die Relation unter den über 65-Jährigen, ergibt sich folgendes Bild: 1,2 % aller über 65-Jährigen erhält diese Leistungen. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 2,4 %. Allerdings wird das Risiko im Rahmen der demographischen Entwicklung in den nächsten Jahren steigen. Bei einer angenommenen Angleichung an den Bundesdurchschnitt würde die Anzahl in Pulheim um über 150 % auf ca. 345 Personen steigen. Zu bedenken ist, dass durch eine zunehmende Anzahl an problematischen Erwerbsbiographien und eine Verbreitung des Niedriglohnsektors zukünftig immer weniger Menschen in der Lage sein werden, den Lebensunterhalt aus der eigenen Rente zu bestreiten. Thesen des DPWV zur Entwicklung der Altersarmut 2008 „Der Paritätische Gesamtverband erwartet bis zum Jahr 2025 einen Anstieg auf 10 % Grundsicherungsbeziehern aller über 65-Jährigen.“ Aus dem Armutsbericht der Bundesregierung 2008 „Die Dunkelziffer der von Altersarmut Betroffenen ist höher anzunehmen als die Anzahl der Grundsicherungsbezieher, da die Grundsicherungsleistung Hilfebedüftigkeit der Person voraussetzt.“ „Altersarmut ist ein permanenter Zustand und führt zur Abkoppelung vom allgemeinen Lebensstandard und zu eingeschränkten Teilhabechancen.“ „Aufgrund sich verändernden Familienstrukturen ( Tendenz zu Single-Haushalten ) steigt der Anteil der vollstationär versorgten Pflegebedürftigen stetig ( um 5 % pro Jahr ).“ -8- Perspektiven Die Verwaltung schlägt vor, das Ergebnis der Beratungen im JHA abzuwarten, um dann gegebenenfalls weitere Diskussionen zum Thema Armutsgefährdung im HFA / Rat zu führen. Der Seniorenbeirat hat in seiner Sitzung am 20.04.09 das Thema Altersarmut behandelt. Er bittet den HFA / Rat, sich ebenfalls damit auseinanderzusetzen und über Vergünstigungen für Grundsicherungsempfänger zu entscheiden. Denkbar wären Vergünstigungen, wie sie der Familienpass bietet. Ebenfalls bittet der Seniorenbeirat beispielhaft um eine Bezuschussung des Möbellagers und die Unterstützung der Pulheimer Tafel als örtliche Angebote. Quellentexte und Daten: - Sachstandsbericht zur Kinderarmut in Pulheim vom 16.02.09 - 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, Juli 2008 - Sozialbericht NRW 2007, Armuts- und Reichtumsbericht, Zusammenfassung des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik - Auswertung der BA, Leistungen nach dem SGB II, Stand 08 / 2008 - Auswertung des Sozialamtes, Leistungen nach dem SGB XII, Stand 12 / 2008 -9-