Daten
Kommune
Pulheim
Größe
14 kB
Datum
25.11.2008
Erstellt
13.03.09, 23:18
Aktualisiert
13.03.09, 23:18
Stichworte
Inhalt der Datei
Stadt Pulheim
Der Bürgermeister
V o r l a g e Nr:
Zur Beratung/Beschlussfassung an:
Gremium
Ausschuss für Bildung, Kultur, Sport und Freizeit
II/410
(Amt/Aktenzeichen)
Termin
25.11.2008
ö. S.
X
Schallenberg
(Verfasserin)
132/2008
nö. S. TOP
07.11.2008
(Datum)
BETREFF:
Sachstandsbericht zum Projektforum "Kultur und Alter" in Dortmund
VERANLASSER:
CDU-Fraktion (s. Anlage 1)
MITTEILUNG:
Der Anteil älterer Menschen in der Gesellschaft wächst beständig. Den Auswirkungen des
demografischen Wandels auf die Kultur trägt das Wuppertaler Kultursekretariat NRW bereits
seit 2004 Rechnung; u. a. mit dem „Projektforum Kultur und Alter“ in Dortmund am 25. September 2008 (Anlage 2).
Die Vortragsfolge des Projektforums spricht eine große Bandbreite verwandter Fragestellungen an: Neben ausschließlich seniorenspezifischen Initiativen und Maßnahmen (Seniorentheatergruppen, Senioren-Computer-Club, Museumsführungen für Ältere, „Demenz im
Medium der Kunst“, altersspezifisches Raumangebot in Bibliotheken) ging es in ebenso vielen Beiträgen um Generationen überschreitende und interkulturelle Fragestellungen: um
Kunst-, Theater-, Tanz- oder Videoworkshops für ältere und jüngere Teilnehmer oder beispielsweise eine „theatralische Bestandaufnahme der ersten türkischen Einwanderergeneration“.
Das Wuppertaler Projektforum ordnet damit die Fragestellung „Kultur und Alter“ zunächst
eindeutig in den Kontext der älteren Sozio-Kultur ein: Nach über dreißigjähriger Praxis lässt
sich diese heute offenbar schlagwortartig vereinfacht als Zielgruppen- und WorkshopLaienkulturbewegung charakterisieren. In jüngerer Vergangenheit stand dabei zunächst die
Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt und wird als solche im Rahmen der
regionalen Kulturpolitik gefördert.
In Pulheim hat die Kulturabteilung schon immer einen Teil ihrer Veranstaltungen auf Zielgruppen ausgerichtet, häufig in Zusammenarbeit mit anderen Fachabteilungen. Seit über 20
Jahren wird – jenseits gelegentlichen Kindertheaters – ein Angebot speziell für Kinder und
Jugendliche erarbeitet. Hier sei an zahlreiche Aktivitäten in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt erinnert, wie die Schultheaterwochen Ende der 80er Jahre, dann folgend der (an
mangelndem Interesse gescheiterte) Versuch, dezentrale Kindertheaterveranstaltungen in
allen Ortsteilen zu etablieren. Mitte der 90er folgte mit finanzieller Unterstützung durch die
regionale Kulturpolitik die langjährige Zusammenarbeit mit der Tanzcompanie „mind the
gap“, in Form eines Schul-Tanz-Projektes. Die Verstetigung dieses Modells scheiterte an
unzureichender finanzieller Unterstützung. Weitere bzw. neue Projekte der regionalen Kulturpolitik sind das Kinder- und Jugendtheaterfestival „Spielarten“ und „Miteinander leben“ letzteres wählt den workshop als den Königsweg, Kinder / Jugendliche durch den Kontakt
mit professionellen Künstlern für Kunst und Kultur zu interessieren.
Neben der Schwerpunktbildung durch die regionale Kulturpolitik laufen zahlreiche Initiativen
auf städtischer Ebene, wie zum Beispiel die Schulklassen-Führungen im Zusammenhang
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der Pulheimer Kunstprojekte, oder der immer wieder neu formulierte Versuch, Schulklassen
an zeitgenössische Musik heranzuführen. (Besuche von Musikern in Schulklassen im Rahmen der „Raumklänge“ oder die Zusammenarbeit von Musikkursen und professionellen Musikern an „Aura Christinae“ in 2004).
Workshop- und Zielgruppenkultur sollte jedoch aus Sicht der Kulturabteilung immer über
sich selbst hinaus, auf die professionelle Kultur verweisen: Sie sollte bei jungen, kulturell
unerfahrenen Teilnehmern Interesse wecken; eine Ahnung von zeitgenössischen Formen
kulturellen Ausdrucks vermitteln. Workshop- und Zielgruppenkultur, die Selbstzweck ist, läuft
Gefahr, zur bloßen Beschäftigungstherapie zu verkommen.
Mit dem Über-Sich-Hinaus-Weisen der Workshop- und Zielgruppenkultur verbindet sich
auch der Anspruch gesellschaftlicher Integration: „Kultur für alle“ sollte oberster Leitsatz
sein, bleiben oder werden; alle kulturelle Tätigkeit sollte Offenheit, Durchlässigkeit und gesellschaftliche Begegnung anstreben statt der Separierung in unterschiedliche Teilöffentlichkeiten und Alterssegmente.
Anders als sehr junge Menschen haben Ältere – heute noch – in aller Regel kulturelle Erfahrung, auch gefestigte Interessen, - allerdings muss sich das nicht zwangsläufig als selber
Theater-Spielen, Malen oder Singen manifestieren. Anhand einiger Beobachtungen in der
alltäglichen Kulturpraxis sollen – unter besonderer Berücksichtigung der Pulheimer Situation
– fürs Erste stichwortartig einige Thesen formuliert werden.
Jenseits des aktiven Berufslebens besteht die Gefahr, dass sich soziale Kontakte verringern. Die Kultur kann dem entgegenwirken, wenn sie Möglichkeiten der Begegnung und des
Austauschs miteinander und anderen Altersgruppen eröffnet. Sinnvoll und in der Praxis nicht
unüblich ist deshalb zum Beispiel die Anbindung von Seniorenensembles (Theater, Tanz,
Radio) an bestehende Institutionen – beziehungsweise deren Gründung aus bestehenden
Kulturinstitutionen heraus. Das in Düsseldorf existierende Senioren- Ensembles (SETA) ist
bezeichnenderweise an einem freien Theater beheimatet, das ansonsten seinen Schwerpunkt in der Kinder- und Jugendkultur hat (als JUTA). Auch auf der Dortmunder Tagung
stellten sich das Theater der Generationen am Schauspiel Dortmund vor und das Seniorenprojekt des Kinder- und Jugendfilmzentrums.
Pulheim verfügt über eine nur geringe Zahl eigenständiger kultureller Institutionen, dennoch
wurden auch ohne deren Mithilfe bereits eine Reihe von Maßnahmen und Projekten initiiert,
die den Aspekt der Begegnung und Kommunikation großschreiben. So wurde der Bibliotheksneubau ausdrücklich nicht nur als Bücherei, sondern als Begegnungsstätte errichtet.
Der Begegnungscharakter von Kultur kommt insbesondere in zwei Pulheim-spezifischen
Veranstaltungen zum Tragen: Die Reihe der Kulturfrühstücke „Butter auf Brot“ verknüpft
Begegnung, Austausch, Gespräch mit einem kulturellen Anlass und ermöglicht den Kontakt
mit anderen Interessierten, meist sogar mit dem Künstler. Ausstellungseröffnungen sind
generell eine gute Gelegenheit, anderen Menschen zu begegnen. Besonders ist dies der
Reihe „Stadtbild. Intervention“ immanent. Die Beteiligung der BürgerInnen in unterschiedlichsten Formen – von Diskussion und Gespräch bis hin zur gemeinsamen Pflanzenaussaat
– ist hier Programm. Es geht nicht zuletzt um die Frage nach der städtischen Identität, um
eine Selbstverständigung, die nur von und mit den BürgerInnen geleistet werden kann.
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Die Vielzahl Pulheimer Chöre bietet generationen-übergreifend reiche Gelegenheit zu kultureller Praxis und Begegnung.
Die Koordinierungsstelle für Seniorenfragen hat schon vor über 10 Jahren ein umfangreiches Angebot ins Leben gerufen, das auf Austausch und gesellschaftlicher Integration beruht. Als mustergültig kann „FUKS: Forschen, Unterrichten, Kennenlernen, Staunen“ gelten.
Jung und Alt unterrichten sich gegenseitig in allen möglichen Disziplinen; die Interessen und
Fähigkeiten der TeilnehmerInnen (derzeit rund 60 SchülerInnen, 70-80 SeniorInnen)
bestimmen die Inhalte. Ebenso funktioniert die „Pulheimer Wissens- und Hobbybörse“ nach
dem Prinzip des Austauschs (von Wissen und Erfahrung) und Begegnung; u. a. wird ein
Börsenbrief herausgegeben, es wird ein monatliches Börsenfrühstück mit selbst gewähltem
Vortrag und regelmäßigen Ausflügen organisiert.
Wenig erfolgreich war dagegen ein früheres Veranstaltungsangebot von Koordinierungsstelle und Kulturabteilung: spezielle Seniorentheater für ein Pulheimer Seniorenpublikum im
Köster-Saal spielen zu lassen. Aus den angesprochenen Heimen wurden einige Gruppen in
Bussen entsandt, jedoch gab es keine zusätzlichen Besucher aus dem freien Kartenverkauf.
Offenbar fühlte sich eine breite Mehrheit von SeniorInnen nicht angesprochen, mied sie sogar bewusst. Die ketzerische Frage könnte lauten: Möchten SeniorInnen so eindimensional
über ihr Alter definiert und angesprochen werden? Spielen Senioren nur für Senioren oder
warum sollten Senioren nur Senioren auf der Bühne sehen? Im kulturellen Alltagsgeschäft
lässt sich jedoch ein anderes Phänomen beobachten. In den ganz normalen offenen Veranstaltungen, – Theater wie Musik – besteht das Publikum fast nur noch aus SeniorInnen.
Das „normale“ Pulheimer Publikum dürfte mittlerweile einen Altersdurchschnitt zwischen 60
und 70 haben. Das heißt zunächst, dass SeniorInnen sich vom Pulheimer Kulturangebot
angesprochen und repräsentiert fühlen. Gleichzeitig steht damit steht jedoch die Frage im
Raum: Hat der klassische Kulturbegriff überhaupt noch eine Überlebenschance? Hat die
bürgerliche Kultur ein jüngeres Publikum an die Konsum- und Eventkultur verloren und stirbt
sie deshalb in absehbarer Zukunft aus? (Der verstärkte Versuch, über die Workshop- und
Sozio-Kultur junge Besucher heranzuziehen, ist in diesem Zusammenhang zu verstehen, ist
dringend geboten.)
Was in den Vorträgen in Dortmund offenbar ausgespart wurde: Die abnehmende Mobilität
älterer Menschen könnte in Städten ohne gut ausgebauten Nahverkehr zum Problem werden – gerade in Hinblick auf Kultur. In einer Flächengemeinde wie Pulheim könnte es entscheidend sein, einer älteren Bevölkerung durch die Einrichtung von Zubringerdiensten, ggf.
Extra-Bussen zum Theater, Ausweitung des AST-Dienste o. ä. größere Mobilität und damit
weiterhin den Zugang zum kulturellen und damit auch sozialem Leben zu ermöglichen.
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