Daten
Kommune
Erftstadt
Größe
22 kB
Datum
01.04.2008
Erstellt
01.01.70, 00:00
Aktualisiert
01.01.70, 00:00
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Erklärung von Barcelona
Die Stadt und die Behinderten
ERKLÄRUNG
Anlässlich des Europäischen Kongresses «Die Stadt und die Behinderten» am 23.
und 24. März 1995 in Barcelona, Spanien, haben sich die unterzeichnenden Städte
darauf verständigt,
1. dass die Würde und der Wert einer Person ureigene Privilegien sind, die allen
Menschen innewohnen, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Rasse, ihrem
Alter und ihrer Begabung;
2. dass Schwächen und Behinderungen in Anlehnung an das WeltAktionsprogramm der Vereinigten Nationen für Menschen mit Behinderungen
die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit berühren und nicht ausschließlich
Einzelpersonen und ihre Familien;
3. dass das Wort «Behinderung» ein dynamischer Begriff ist, das Ergebnis der
Interaktion zwischen individueller Begabung und umweltbedingten Einflüssen,
die wiederum diese Begabung prägen. Folglich sind das Gemeinwesen und
das Sozialwesen dafür verantwortlich, dass sich die Entwicklung der
Bürgerinnen und Bürger zu den bestmöglichen Konditionen vollzieht, was
wiederum bedeutet, dass alle Ursachen vermieden bzw. beseitigt werden, die
dieser Entwicklung im Wege stehen oder sie verhindern;
4. dass die Stadt als weit verbreitete Gesellschaftsform in allen Kulturkreisen auf
unserem Planeten eine Verpflichtung hat, die nötigen Mittel und Ressourcen
für Chancengleichheit, Wohlstand und Mitbestimmung aller ihrer Bürgerinnen
und Bürger bereitzustellen;
5. dass die Grenzen zwischen Normalität und Behinderung so gut wie nicht
begrifflich festgelegt sind, und deshalb die Unterschiede zwischen den
Bürgerinnen und Bürgern als Teil der Vielfalt verstanden werden müssen, die
die Gesellschaft ausmacht, und entsprechen die Strukturen und
Dienstleistungen so zu begreifen sind, dass sie von der ganzen Bevölkerung
genützt werden können, was in den meisten Fällen die Existenz einer
spezifischen Terminologie für Behinderte überflüssig macht.
Aus all den vorgenannten Gründen beschließen die unterzeichnenden Städte die
Vereinbarungen, die von nun Erklärung «Die Stadt und die Behinderten» heißen
sollen, und verpflichten sich,
a. die Erklärung «Die Stadt und die Behinderten» auf nationaler und
internationaler Ebene publik zu machen mit dem Ziel, dass ihre Grundsätze
und Postulate größtmögliche Zustimmung erfahren;
b. Prozesse der Zusammenarbeit auf der Basis vollständiger Anwendung der in
der Erklärung «Die Stadt und die Behinderten» enthaltenen Vereinbarungen in
Gang zu setzen und dabei die notwendige Unterstützung der übergeordneten
Gebietskörperschaften einzufordern;
c. In den Städten und Gemeinden Kommunikationsnetze aufzubauen, die die
Bemühungen vorantreiben bzw. verstärken, die Gleichbehandlung ihrer
behinderten Mitbürgerinnen und Mitbürger zu fördern und die sich für die
Vereinheitlichung des Sprachgebrauchs im Hinblick auf die Verwendung
bestimmter Zeichen und Symbole einsetzen und allgemein die Sensibilität der
Kommunalpolitik für die Belange der behinderten Mitbürgerinnen und
Mitbürger erhöhen.
Folglich erklären sie:
PRÄAMBEL
dass die Behinderten natürliche Mitglieder der Gemeinschaften sind, in denen sie leben,
und dass ihre besondere Situation in den unterschiedlichen internationalen Abkommen
berücksichtigt wird, besonders in der Allgemeinen Erklärung der Menschen-rechte der
Vereinten Nationen, dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte, im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, in der Konvention
über die Rechte des Kindes, der Erklärung über die Rechte von Behinderten und der
Erklärung über die Rechte von geistig Behinderten.
Dass die Menschen mit Behinderungen ein Anrecht auf technische und soziale Beihilfen
haben, durch die die Folgen ihrer Behinderung weitgehend eingedämmt werden können,
und ein Anrecht darauf haben, dass die Politik und die Politiker sich für die
Gleichbehandlung Behinderter einsetzen, die als Recht in der Resolution 48/96 vom 4.
März 1994 der Generalversammlung der Vereinten Nationen über «Einheitliche Normen
zur Gleichbehandlung Behinderter» festgeschrieben ist.
Dass die Behinderten ein Recht auf Gleichbehandlung als Bürgerinnen und Bürger haben
in einer pluralistischen Gesellschaft, die die Verschiedenheit und Unterschiedlichkeit der
Individuen, aus denen sie sich zusammensetzt, respektiert, ein Recht darauf, an der
sozialen Dynamik der Gemeinschaft ohne Einschränkung teilzuhaben, sowie darauf, sich
an dem Wohlstand zu erfreuen, den die Entwicklung dieser Gemeinschaft hervorgebracht
hat.
VEREINBARUNGEN
I.
Die Kommunen setzen sich dafür ein, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr
Verständnis für Menschen mit Behinderungen, ihre Rechte, Bedürfnisse sowie
ihre Möglichkeiten der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft entwickeln.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
XII.
Die Kommunen sichern im Rahmen ihrer Befugnisse das Recht auf die
besondere Situation von Menschen mit Behinderungen und damit das Recht
dieser Personen auf individuelle Zuwendung entsprechend ihren Bedürfnissen.
Die Kommunen lancieren und unterstützen Informationskampagnen, die ein
wahrheitsgetreues Bild von Menschen mit Behinderungen propagieren, frei
von Klischees und Vorurteilen, und allgemein ihre Integration und zur
Normalisierung ihrer physischen und persönlichen Lebensumstände beitragen
und sie so befähigen, sich bestmöglich damit zu arrangieren.
Die Kommunen etablieren im Rahmen ihrer Befugnisse Maßnahmenkataloge,
die behinderten Mitbürgerinnen und Mitbürgern auf effiziente Weise für sie
relevante Informationen vermitteln und sie über ihre Rechte und Pflichten
sowie über bewährte Einrichtungen aufklären, die ihre Gleichbehandlung
unterstützen, indem sie von der notwendigen Koordination zwischen den
verschiedenen Bereich der öffentlichen Verwaltung Gebrauch machen und so
die Wirkung der jeweiligen Maßnahmen verstärken.
Die Kommunen ermöglichen Personen mit Behinderungen Zugang zu allen,
allgemein ausgedrückt, Informationen über die städtische Gemeinschaft und
das Gemeinwesen.
Die Kommunen ermöglichen im Rahmen ihrer Befugnisse den Zugang von
Behinderten zu Kultur-, Sport- und Freizeitangeboten und allgemein zur
Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in der Gemeinde.
Die Kommunen ermöglichen Personen mit Behinderungen den Zugang zu
allgemeinen und ggf. zu besonderen Dienstleistungen in den Bereichen
Gesundheit, Rehabilitation, Aus- und Weiterbildung, Arbeit und soziale
Dienste, insofern diese in den Rahmen ihrer Befugnisse fallen. Sie setzen sich
dafür ein, dass dieser Grundsatz auch dann beherzigt wird, wenn andere,
öffentliche oder private Einrichtungen derartige Dienste anbieten.
Die Kommunen richten Hilfsdienste für die alltäglichen Bedürfnisse von
Behinderten ein, um ihnen zu ermöglichen, in ihrem eigenen Heim und in ihrer
gewohnten Umgebung zu bleiben und auf diese Weise eine permanente
Unterbringung in Behinderten-Einrichtungen zu umgehen. Die Bereitstellung
dieser Dienste basiert auf den persönlichen Entscheidungen und dem Recht
auf Wahrung der Intimsphäre der- und desjenigen, die bzw. der sie in
Anspruch nimmt.
Die Kommunen schaffen Maßnahmen für behinderungsgerechtes Wohnen in
Anlehnung an die persönliche und wirtschaftliche Situation der/des
Betroffenen.
Die Kommunen ergreifen im Rahmen ihrer Befugnisse Maßnahmen zur
Umgestaltung von öffentlichen Plätzen und Gebäuden und Dienstleistungen
aller Art sowie zum Abbau von Sprachbarrieren dahingehend, dass sie von
behinderten Personen in vollem Umfang geltend gemacht werden können.
Die Kommunen ergreifen die erforderlichen Maßnahmen dafür, dass sich
Personen mit Behinderungen ohne Einschränkung ihrer Mobilität in der Stadt
bewegen können. Das besondere Augenmerk gilt dabei der Nutzung von
öffentlichen Verkehrsmitteln. Hier sollen Personen, die aufgrund von
Behinderungen von der Nutzung ausgeschlossen sind, alternative Leistungen
und spezielle Vergünstigungen erhalten, die ihre Mobilität vor dem gleichen
Hintergrund gewährleisten, wie sie dem Rest der Bevölkerung zugute kommt.
Die Kommunen stellen Mittel für die Realisierung von Forschungsprojekten
bereit, die neue Impulse für die Verbesserung der Lebensqualität von
Menschen mit Behinderungen geben und die Entwicklung von
Vorsorgeprogrammen sowie diagnostischen Verfahren zu Erkennung und
Früherkennung vorantreiben.
XIII.
XIV.
XV.
XVI.
XVII.
Die Kommunen ermöglichen und fördern im Rahmen ihrer Befugnisse die
Partizipation von behinderten Bürgerinnen und Bürgern und ihrer
repräsentativen Organe an Entscheidungsprozessen bei Themenstellungen,
von denen sie im allgemeinen oder im besonderen selbst betroffen sind.
Die Kommunen erzielen Einigung über Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit
den Behindertenverbänden und -organisationen vor Ort mit dem Ziel, die
Aktivitäten auf- und miteinander abzustimmen und eine gemeinsame Strategie
für eine globale und nachhaltige Aktion zu entwickeln.
Die Kommunen sorgen für ständige Fortbildungs- und
Qualifizierungsmöglichkeiten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um ein
bestmögliches Verständnis und Hilfestellung für Menschen mit Behinderungen
zu gewährleisten.
Die Kommunen erarbeiten im Rahmen ihrer Befugnisse und in
Zusammenarbeit mit den Behindertenvertretungen vor Ort Aktionspläne, die
mit dieser Deklaration übereinstimmen und entsprechende Fristen bezüglich
der Durchführung und Bewertung beinhalten müssen.
Die Kommunen setzen Maßnahmen um, die der Vereinheitlichung und
Verallgemeinerung von Reglements und Vorschriften sowie der Verbreitung
von Zeichen und Symbolen und anderen Informationsträgern für jeden
Behinderungstyp dienen, um so die Integration von Menschen mit
Behinderungen zu erleichtern und ihnen die gleichen Chancen einzuräumen,
wie sie Nicht-Behinderte haben. Um bezüglich dieser Vereinbarungen
voranzukommen, setzen sich die unterzeichnenden Kommunen über ihre
internationalen Vertretungsorgane für die Ratifizierung der Vorschriften durch
die zuständige europäischen Interessenorganisationen ein, die das Minimum
an Vorschriften, Programmen und Budgets festlegen, zu deren Umsetzung die
Kommunen verpflichtet sind, was allein eine Verwirklichung der in dieser
Erklärung getroffenen Vereinbarungen innerhalb eines angemessenen
Zeitraums möglich macht.
Barcelona, 24. März 1995