Daten
Kommune
Kerpen
Größe
17 kB
Datum
07.12.2006
Erstellt
06.08.08, 01:15
Aktualisiert
06.08.08, 01:15
Stichworte
Inhalt der Datei
STADT KERPEN
DIE BÜRGERMEISTERIN
Amt/Abteilung: 23.1 / Erzieherische Hilfen
Az.:
TOP
Drs.-Nr.: 175.06
Datum :
Beratungsfolge
Jugendhilfeausschuss
X
Termin
07.12.2006
09.11.2006
Bemerkungen
Öffentlicher Teil
Nichtöffentlicher Teil
Schutzauftrag der Jugendhilfe bei Kindeswohlgefährdung,
Installierung eines Präventionskonzeptes
Durch die Vorlage entstehen keine haushaltsrelevanten Kosten
X
Durch die zu beschließende Maßnahme entstehen Kosten in zurzeit nicht bezifferbarer
Höhe, die mit der Entscheidung über das Präventionskonzept dargelegt werden.
Mittel stehen haushaltsrechtlich zur Verfügung;
Haushaltsansatz im Haushaltsjahr :
HhSt.:
Mittel müssen über- außerplanmäßig bereitgestellt werden;
Im Haushaltsjahr :
HhSt.:
Deckung:
Mittel sollen im/in folgenden Haushaltsjahr/en veranschlagt werden:
Beschlussentwurf:
1. Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zum Schutzauftrag der
Jugendhilfe bei Kindeswohlgefährdung zur Kenntnis.
2. Der Jugendhilfeausschuss beauftragt die Verwaltung, ein Präventionskonzept mit
Finanzierungskosten zu erstellen und dem Jugendhilfeausschuss zur nächsten Sitzung
vorzulegen.
Beschlussausfertigung soll erhalten:
Sachbearb
eiter/in
Abteilungsleiter/in
Amtsleiter/in
Zuständiger
Dezernent
Mitzeichnung
Amt 20
Erster
Beigeordne
ter und
Kämmerer
Bürgermeisterin Büro des
Rates
Begründung:
Am 01.10.2005 trat das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe in Kraft. In
diesem Zusammenhang wurde der „Schutzauftrag“ der Kinder- und Jugendhilfe bei Gefährdung
des Kindeswohls verstärkt. Ein effektiver Schutz des Kindeswohls soll u. a. durch
−
−
die Konrektisierung des Schutzauftrages des Jugendamtes und der Träger von Einrichtungen
und Diensten (§ 8 a SGB VIII) (Anlage 1),
die verschärfte Prüfung von Personen mit bestimmten Vorstrafen (§ 72 a SGB VIII)
(Anlage 1)
erreicht werden.
Auch wenn der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung keineswegs neu für die Kinder- und
Jugendhilfe ist, so führen die neuen Regelungen zur Konkretisierung des bereits in § 1 Abs. 3
Nr. 3 SGB VIII normierten Handlungsauftrages (Anlage 1) im Ergebnis auch zu einer neuen
Qualität in der Praxis des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung. Der im novellierten
Sozialgesetzbuch VIII im Jahre 2005 neu aufgenommene § 8 a konkretisiert diesen allgemeinen
staatlichen Schutzauftrag als Aufgabe der Jugendämter, verdeutlicht die Beteiligung der freien
Träger an dieser Aufgabe und beschreibt Verantwortlichkeiten der beteiligten Fachkräfte der
Jugendhilfe.
Die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den öffentliche und freien Trägern zählt zu den
wesentlichen Strukturmerkmalen der Kinder- und Jugendhilfe. Wichtige Arbeitsbereiche werden in
weit überwiegendem Maße und fachlich qualifiziert von freien Trägern erbracht. Leistungen durch
Einrichtungen und Dienste von Trägern, mit denen die Sicherstellung des Schutzauftrages nach
fachlichen Standards nicht vereinbart werden kann, werden jedoch durch die Jugendämter künftig
nicht mehr in Anspruch genommen werden dürfen.
In der konrekten Umsetzung dieses nunmehr gesetzlich detaillierten bestimmten Schutzauftrages
sind die Jugendämter gehalten,
1. durch interne aufbau- und ablauforganisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass dem
Schutzauftrag im unmittelbar eigenen Verantwortungsbereich jederzeit ausreichend Rechnung
getragen wird und
2. durch den Abschluss von Vereinbarungen mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten,
deren Leistungen das Jugendamt in der Wahrnehmung seiner Verpflichtungen in Anspruch
nimmt, sicherzustellen, dass dort der in § 8 a Abs. 1 SGB VIII genannte Standard des
Schutzauftrages in entsprechender Weise zur Geltung kommt.
Dem Schutzauftrag zur Sicherung des Kindes- und Jugendwohls wurde auch bereits vor
Inkrafttreten des § 8 a in Kerpen ein hoher Stellenwert zuerkannt. Hinweisen auf Vernachlässigung
oder Kindesmisshandlung wurde stets umgehend nachgegangen und evtl. wurden
Jugendhilfeleistungen gewährt.
Im Dezember 2005 wurde den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abteilung Erzieherische Hilfen
durch den Abteilungsleiter per Dienstanweisung eine standardisierte Vorgehensweise zum § 8 a
SGB VIII vorgegeben, welche im Vorfeld gemeinsam mit allen Mitarbeitern erarbeitet werden
konnte (vgl. Anlage 2).
Nunmehr sind die Vereinbarungen mit den freien Trägern abzuschließen (vgl. Anlage 3 a und
Anlage 3 b).
Bei diesen beiden Anlagen wird deutlich, dass eine Differenzierung vorgenommen werden muss
zwischen der Kindertagesbetreuung und Jugendarbeit und den übrigen Trägern.
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Hintergrund ist eine unterschiedliche sachbezogene Qualifizierung und Verantwortlichkeit der
einzelnen Träger.
Sowohl die Dienstanweisung als auch die Vereinbarungen mit den freien Trägern werden dazu
beitragen, dass noch klarer als bisher geregelt ist, was bei der Wahrnehmung gewichtiger
Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen von welcher Stelle
zu tun ist.
Neben diesen unverzichtbaren Vereinbarungen und Regelungen ist die Erarbeitung und
Umsetzung eines Präventivkonzeptes, eines sogenannten sozialen Frühwarnsystems
vordringlich.
Derzeit gelingt die Früherkennung von riskanten Entwicklungen bei Kindern und ihren Familien
häufig unzureichend und viele Familien erhalten oder nehmen erst dann Hilfe und Unterstützung in
Anspruch, wenn die Probleme sich bereits verfestigt haben. Kommt es dann zu einer Eskalation
der Probleme, wird rückblickend oftmals deutlich, welche Entwicklung in vielen kleinen Schritten
stattgefunden hat und wie viele Warnhinweise im Vorfeld gegeben waren, ohne dass jedoch ein
Hilfesystem aktiv geworden ist.
Nach dem Motto – „Zuvorkommen ist besser als Zuspätkommen“ –
können präventive Maßnahmen bezüglich
− einer frühen Präsenz mit niedrigschwelligem, nicht stigmatisierendem Einstieg und einer
adäquaten Palette weiterführender Hilfen,
− einer gezielten Aufklärung,
− einer kompetenten Früherkennung,
die Zugänge von chronifizierten, mehrdimensionalen Problemfällen im Bereich der „Erzieherischen
Hilfen“ mittel- bis langfristig abschwächen.
Diesbezügliche Präventionsansätze gibt es in der Sozialarbeit viele; alle ernst zu nehmenden
Ansätze sind mit Personal- und Budgetkosten verbunden.
Fakt ist:
− Im ersten Lebensjahr sterben mehr Kinder in der Folge von Vernachlässigung und
Misshandlung als in jedem späteren Alter.
− 77 % aller misshandlungsbedingten Todesfälle ereignen sich in den ersten 48 Lebensmonaten.
− Vernachlässigte und misshandelte Kinder zeigen später verstärkt
− Verhaltensprobleme und Probleme der Emotionsregulation (Aggression, fehlendes
Einfühlungsvermögen, Selbstwertprobleme),
− kognitive Entwicklungsverzögerungen,
− ein erhöhtes Risiko, auch von anderen Misshandlungsformen betroffen zu sein,
− ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung psychiatrischer Störungsbilder.
Der diesbezüglich erforderliche präventive Ansatz kann von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
der Verwaltung des Jugendamtes Kerpen mit dem derzeitigen Personalbestand nicht geleistet
werden, da durch eine qualitativ und quantitativ steigende Anzahl von hoch brisanten Einzelfällen
und ihrer Bearbeitung im originären Bereich die Leistungskapazität bereits heute mehr als
überschritten ist. Demzufolge sollte ein Präventionsteam „Frühe Hilfe“ installiert werden, welches
konzeptionell entliehen wurde dem Schutzengel-Projekt des Fördervereines Schutzengel e. V. aus
Flensburg.
Kooperationspartner:
Als möglicher Kooperationspartner bietet sich das Sozialpädagogische Zentrum in Kerpen-Horrem
an (Trägerverbund Diakonie Köln und Region, Arbeiterwohlfahrt, Paritätischer Wohlfahrtsverband).
Präventives Zielthema:
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Sozialraumorientierte Gesundheitsfürsorge; Prävention von Fehlentwicklungen in der frühen
Kindheit; Erhöhung von Erziehungskompetenz und Stärkung des Selbstwertgefühls der Eltern;
Stressbewältigung; Abbau sozialer Isolation.
Kurzskizzierung des Hilfeangebotes:
Das Präventivangebot für sozial benachteiligte Eltern setzt sich aus mehreren Bausteinen
zusammen: Begleitung durch eine Familienhebamme, Unterstützung durch eine Hausbetreuerin,
heilpädagogische Frühförderung.
Baustein 1:
Einsatz einer Familienhebamme, denn sie hat meist als erste und manchmal auch als einzige
Zugang zu den Familien. Sie begleitet die Familie von der Schwangerschaft bis zum Ende des
ersten Lebensjahres. Ihre Hauptaufgabe ist, den schwangeren und jungen Müttern die Scheu
davor zu nehmen, anderswo um Hilfe zu bitten, insbesondere auch die üblichen
Hebammenbetreuungen und ärztlichen Untersuchungen, auf die sie Anspruch haben.
Baustein 2:
Einsatz einer Hausbetreuerin, denn zwischen Erkenntnis und Tun liegen oft erhebliche alltägliche
Barrieren. Sie unterstützt bei der Haushaltsführung, begleitet zu Ärzten und Ämtern und gibt Tipps
für die praktische Lebensgestaltung bzw. vermittelt an weitergehende Hilfen.
Baustein 3:
Einsatz einer heilpädagogischen Fachkraft, denn Früherkennung ist der beste Schutz vor
Spätfolgen. Sie achtet auf die Wahrnehmung, Bewegung und Sprachentwicklung der Kinder und
fördert diese individuell oder auch durch Gruppenaktivitäten.
Das o. g. Team soll im Jugendzentrum Sindorf (ehemaliges Stadtteilbüro Sindorf) verortet werden
und zeigt Präsenz in den Kindertagesstätten (zukünftige Familienzentren).
Hierdurch und durch die Vermittlung der niedergelassenen Kinderärzte wäre ein früher, nicht
stigmatisierender Einstieg in die Hilfe möglich.
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