Daten
Kommune
Erkelenz
Dateiname
45594.pdf
Größe
1,2 MB
Erstellt
17.11.15, 12:00
Aktualisiert
08.05.17, 10:49
Stichworte
Inhalt der Datei
Beschlussvorlage
Federführend:
Planungsamt
Vorlage-Nr:
Status:
AZ:
Datum:
Verfasser:
A 61/339/2015
öffentlich
19.11.2015
Amt 61 Thomas Balzhäuser
Stellungnahme der Stadt Erkelenz zum Entwurf der Leitentscheidung
für das Rheinische Braunkohlenrevier
hier: Beschluss zur Stellungnahme
Beratungsfolge:
Datum
Gremium
01.12.2015
08.12.2015
be
10.12.2015
16.12.2015
Braunkohlenausschuss
Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen, Wirtschaftsförderung und BetrieHauptausschuss
Rat der Stadt Erkelenz
Tatbestand:
Die energiepolitischen und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und damit auch in Nordrhein-Westfalen haben sich gegenüber den Leitentscheidungen in 1987 und 1991 grundlegend geändert. Entscheidende neue Rahmenbedingungen sind der zunehmende Ausbau der erneuerbaren Energien, der vollständige Ausstieg aus der Kernenergie, die Klimaschutzziele des Landes, des Bundes und
der EU und die Liberalisierung der Energiemärkte. U. a. aus diesen Gründen wird die
Landesregierung im nächsten Jahr eine neue Leitentscheidung zum Braunkohleabbau im Rheinischen Revier verkünden.
Dazu liegt aktuell ein Entwurf der Landesregierung mit Kabinettsbeschluss vom
22.09.2015 vor, zu welchem in einem Beteiligungsverfahren bis zum 08.12.2015
Stellungnahmen abgegeben werden können. Die Stadt Erkelenz hat auf Grundlage
des Ratsbeschlusses vom 24.09.2014 zur Leitentscheidung eine Stellungnahme erarbeitet und durch Anregungen aus der Sitzung der AG Tagebaurand vom
16.11.2015 ergänzt.
Beschlussentwurf (als Empfehlung an den Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen,
Wirtschaftsförderung und Betriebe, Hauptausschuss und Rat):
„Die Stellungnahme der Stadt Erkelenz zum Entwurf der Leitentscheidung für das
Rheinische Braunkohlenrevier wird beschlossen. Die Verwaltung wird beauftragt, die
Stellungnahme der Stadt Erkelenz an die Landesregierung zu übermitteln.“
Finanzielle Auswirkungen:
Keine.
Anlagen:
1)
Stellungnahme der Stadt Erkelenz zur Leitentscheidung zum Braunkohleabbau im Rheinischen Revier
2)
Entwurf der Leitentscheidung zum Braunkohleabbau im Rheinischen Revier
Vorlage A 61/339/2015 der Stadt Erkelenz
Seite: 2/2
Stadt Erkelenz
Johannismarkt 17
41812 Erkelenz
Land Nordrhein-Westfalen
Staatskanzlei des Landes NRW, Abt. III
Stadttor 1
40219 Düsseldorf
Stellungnahme der Stadt Erkelenz zum Entwurf der Leitentscheidung für das Rheinische
Braunkohlenrevier
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Zustimmung des Braunkohlenausschuss in der Sitzung vom 01.12.2015 sowie vorbehaltlich der
Zustimmung des Rates der Stadt Erkelenz in der Sitzung vom 16.12.2015 gibt die Stadt Erkelenz
hiermit ihre Stellungnahme zum Entwurf der Leitentscheidung ab. Die Stellungnahme lautet wie
folgt:
Vorwort:
Grundsätzlich lehnt die Stadt Erkelenz den Tagebau Garzweiler II weiterhin ab. Dennoch werden im
Folgenden, mit dem Ziel einer konstruktiven Beteiligung am Prozess der Leitentscheidung, zu den
einzelnen Entscheidungssätzen Stellungnahmen abgegeben. Generell erwartet die Stadt Erkelenz,
dass alle mit dem fortschreitenden Tagebau, den Infrastrukturmaßnahmen sowie der Umsetzung des
Restsees in Zusammenhang stehenden Planungen auf der Grundlage und unter Heranziehung
aktueller wissenschaftlicher Gutachten und Erkenntnisse erfolgen.
Es ist mit der anstehenden Leitentscheidung dafür Sorge zu tragen, dass alle damit
zusammenhängenden Auswirkungen auf die Infrastruktur, wie Tagebaurandstraße, Entwicklung des
Konzeptes für die Tagebaurandgestaltung und Flächennutzungen sowie alle nötigen Maßnahmen zur
Vermeidung von Lärm und Staub zeitgleich mit entschieden werden und frühzeitig – bestenfalls
sofort – mit der Umsetzung begonnen wird, so dass diesbezüglich für die betroffenen Randorte
später nicht nochmals Veränderungen anstehen.
1
1. Entscheidungssatz 1 (Erfordernisse einer langfristige Energieversorgung):
„Braunkohlenabbau ist im rheinischen Revier weiterhin erforderlich, dabei bleiben die Abbaugrenzen
der Tagebaue Inden und Hambach unverändert und der Tagebau Garzweiler II wird so verkleinert,
dass die Ortschaft Holzweiler, die Siedlung Dackweiler und der Hauerhof nicht umgesiedelt werden.“
Die Stadt Erkelenz begrüßt die Entscheidung der Landesregierung, die Verkleinerung des Tagebaus
Garzweiler II und den daraus resultierenden Verzicht auf die Umsiedlung der Ortschaft Holzweiler,
der Siedlung Dackweiler und dem Hauerhof in den Entscheidungssatz 1 der Leitentscheidung
aufzunehmen.
Gleichzeitig fordert die Stadt Erkelenz, zur Wahrung der lokalen Identität und zur Sicherung der
Ortslage Holzweiler mit ihrem historisch gewachsenen Umfeld und den entsprechenden
sozioökonomischen Zusammenhängen ebenfalls auf die bergbauliche Inanspruchnahme und die
damit verbundene Umsiedlung des Eggeratherhof, des Roitzerhof als auch des Weyerhof zu
verzichten. Diese Forderung steht im wesentlichen Zusammenhang mit der Berücksichtigung der
Schutzbedürfnisse der Bevölkerung sowie der Wahrung zukünftiger Entwicklungsmöglichkeiten der
Ortslage und den damit verbundenen Chancen zum Werterhalt unter immobilienwirtschaftlichen als
auch naherholungsrelevanten und ökologischen Aspekten.
Weiterhin erwartet die Stadt Erkelenz hinsichtlich der Erfordernisse einer langfristigen
Energieversorgung, die entsprechende energiepolitische Notwendigkeit des Tagebaus in
regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Diese Prüfung findet bisher im Rahmen anstehender
Umsiedlungen statt. Da es im Rahmen des Tagebaus Garzweiler II nun neben der Umsiedlung von
Keyenberg, Kuckum, Unter-/ Oberwestrich und Berverath keine weiteren Umsiedlungen geben wird,
wäre die Überprüfung der energiepolitischen Notwendigkeit des Tagebaus nicht mehr notwendig.
Dies lehnt die Stadt Erkelenz ab – auch aufgrund stattfindender technologischer
Entwicklungsprozesse und nicht zuletzt im Rahmen der Erreichung von Zielen des Klimaschutzes
muss die Leitentscheidung hier Vorsorge treffen.
2. Entscheidungssatz 2 (Umwelt: Wasserwirtschaft (Restsee), Naturschutz, Geologie, Boden):
„Der Restsee ist westlich einer A 61 neu, angrenzend an das unverritzte Gebirge und ohne Kontakt zu
ungekalkten Kippenbereichen unter Wahrung einer naturnahen Gestaltung, zu planen. Der Restsee ist
dabei in kompakter Form und mit möglichst großer Tiefe zu planen.
Die Tagebauböschungen einschließlich der Restseeböschungen sind dauerhaft standsicher zu
dimensionieren und zu gestalten.“
Die Stadt Erkelenz fordert im Rahmen der zu aktualisierenden Restseeplanung Studien zu
Machbarkeit und Nutzbarkeit auf Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse
heranzuziehen. Ziel muss neben der Einhaltung aller wasserwirtschaftlichen und
sicherheitsrelevanten Belange die Ausrichtung der Restseeplanung als Bestandteil einer
zukunftsfähigen Raumentwicklung sein. Dazu zählt u.a. eine Berücksichtigung der Erfordernisse und
Ansprüche der Anrainerkommunen mit den entsprechenden Partizipationsmöglichkeiten.
2
Zudem findet im kommenden Jahr ein Masterplanungsprozess des informellen Planungsverbands
statt, der sich u. a. mit Zwischennutzung, Ufergestaltung, Ufernutzungen des Restsees befassen wird.
Wie im 4. Entscheidungssatz beschrieben, besteht bei der Landesregierung die Absicht, „solche
regionalen Entwicklungskonzepte (…) in der Regionalplanung wie Fachbeiträge zu berücksichtigen“.
Eine entsprechende Anmerkung ist unter dem 2. Entscheidungssatz zu ergänzen.
Darüber hinaus muss es Ziel sein, dass die Wasserqualität des zukünftigen Restsees den
Anforderungen an Freizeit- bzw. Naherholungsnutzungen genügt (s. RICHTLINIE 2006/7/EG DES
EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 15. Februar 2006 über die Qualität der
Badegewässer und deren Bewirtschaftung) und dies im Rahmen geeigneter Monitoringkonzepte
nachgewiesen werden kann.
Weiterhin fordert die Stadt Erkelenz die zuständigen Landesdienststellen auf, im Rahmen der
Genehmigung von der nach dem Bundesberggesetz bestehenden Möglichkeit der Forderung von
Sicherheitsleistungen Gebrauch zu machen, damit bis zum Schluss der Rekultivierungsmaßnahmen
tatsächlich ausreichend finanzielle Mittel des Bergbautreibenden zur Verfügung stehen.
3. Entscheidungssatz 3 (Holzweiler lebenswert erhalten):
„Um eine positive Entwicklung von Holzweiler zu gewährleisten, ist der Abbaubereich des Tagebaus
Garzweiler II so zu verkleinern, dass der Tagebau an Holzweiler nur von zwei Ortsseiten heranrückt
und eine Insellage vermieden wird. Dabei ist eine Sicherheitslinie so festzulegen, dass ein
Mindestabstand von 400 m zur Abbaugrenze gewährleistet wird.
Eine direkte Anbindung an Kückhoven und Erkelenz ist zu gewährleisten, soweit möglich soll die L 19
erhalten bleiben.
Der Uferbereich des Restsees ist so zu modellieren, dass eine Zwischennutzung des Sees während des
Füllvorgangs möglich ist.
Bei den vom Abbau betroffenen Höfen ist die Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe zu erhalten.“
Die Stellungnahme der Stadt Erkelenz versteht sich als Mindestforderung für Holzweiler, um ein
Leben im Ort ohne weitere Einschränkung der Weiterentwicklung des gesellschaftlichen Lebens zu
ermöglichen. Die Stadt Erkelenz bekräftigt in diesem Sinne daher auch ihre Forderung nach einem
Mindestabstand zur nächsten Wohnbebauung aller Tagebaurandorte (Venrath, Kaulhausen,
Kückhoven, Katzem) von 500 m zum Tagebaurand (Sicherheitslinie).
Im Sinne der beabsichtigten positiven Entwicklung der Ortslage Holzweiler sowie aller durch die
Tagebaurandlage betroffenen Orte und den damit verbundenen Entwicklungshemmnissen erwartet
die Stadt Erkelenz eine besondere finanzielle Förderung des Landes Nordrhein-Westfalen. Darüber
hinaus muss sichergestellt werden, dass durch die landesplanerischen Vorgaben keine weiteren
Entwicklungshemmnisse in den Tagebaurandorten geschaffen werden.
In Ergänzung der Stellungnahme zum Leitsatz 1 und der darin enthaltenen Forderung nach Erhalt des
Eggeratherhof, des Roitzerhof und des Weyerhof fordert die Stadt Erkelenz den Erhalt des aktuellen
Verlaufs der L19 als direkte Anbindung an Kückhoven und Erkelenz sowie deren Anschluss an eine
3
„Tagebaurandstraße“ in Form der Verlängerung der L354n von Venrath nach Kückhoven. Dies ist
auch unter Gesichtspunkten des Immissionsschutzes zu sehen. Ein Heranrückens des Tagebaus an
Holzweiler von Westen her ist mit erheblichen zusätzlichen Belastungen durch Staub und Lärm
verbunden. In diesem Zusammenhang fordert die Stadt Erkelenz auch, dass ein weiteres
Heranrücken des Bandsammelpunktes an die Ortschaft Holzweiler zu vermeiden ist. Darüber hinaus
würde ein Fortschreiten des Tagebaus in den Raum zwischen Holzweiler, Katzem und Kückhoven der
im Entscheidungssatz 2 formulierten Intention einer kompakten Restseeplanung widersprechen.
4. Entscheidungssatz 4 (Strukturwandel im Rheinischen Revier in örtlicher und regionaler
Zusammenarbeit):
„Entwicklungsperspektiven für das Rheinische Revier sind ausgehend von der örtlichen und regionalen
Ebene gemeinsam zu erarbeiten. Das Land wird den Strukturwandel im Rheinischen Revier weiter
begleiten.“
Grundsätzlich begrüßt die Stadt Erkelenz die Begleitung des Strukturwandels durch das Land sowie
die beabsichtigte Berücksichtigung regionaler Entwicklungskonzepte in der Regionalplanung. Darüber
hinaus erwartet die Stadt Erkelenz aufgrund der erheblichen Betroffenheit durch den Tagebau eine
besondere Berücksichtigung der Orte und Räume am Tagebaurand und eine damit verbundene
Prüfung der Sozialverträglichkeit der Randlage für die betroffenen Ortschaften. Es wurde schon im
Schreiben an Frau Ministerpräsidentin Kraft vom 29.05.2015 dargestellt, dass die Leitentscheidung
und das folgende Braunkohlenplanverfahren eine explizite Betrachtung der Tagebaurandsituation
und der dadurch betroffenen Gemeinden außen vor lassen.
Wie im damaligen Schreiben bereits erläutert, haben die von Garzweiler II betroffenen Kommunen
weniger das Problem, durch den Rückgang des Bergbaus Arbeitsplätze und industriellen Umbau
bewältigen zu müssen, sondern sie leiden unter der Vielfalt der Schäden und Belastungen/
Entwicklungshemmnissen des aktiven Tagebaus bis hin zu Ewigkeitslasten, die sich z. B. aus
Geländesenkungen oder dem Austritt sulfathaltigen Kippenwassers sowie der Zuführung von
Rheinwasser ergeben. Die Stadt fordert deshalb in den Leitentscheidungen - und detaillierter im
kommenden Braunkohlenplanverfahren - eine explizite Mitbetrachtung/ (Neu-)Bewertung der
Tagebaurandgemeinden in Bezug auf
− Ausgleich für den Eingriff in die Planungs- und Entwicklungsmöglichkeiten,
− den wirtschaftlichen, wasserwirtschaftlichen und naturräumlichen Schaden
− sowie eine Bewertung der Sozialverträglichkeit des Vorhabens insbesondere für die
direkten Tagebauanrainer, und fordert hier Regelungen, die für Ausgleich sorgen. Mit Hilfe der
Masterplanung des informellen Planungsverbands und seine Integration in den
Braunkohlenplanprozess soll eine strukturentwicklerische Perspektive geschaffen werden. Der
Entscheidungssatz 4 ist in diesem Sinne zu erweitern.
4
Sonstiges
Verkehr
Die Verkehrsanbindungen an das regionale als auch überregionale Verkehrsnetz spielen für die
Entwicklung der Stadt Erkelenz eine herausragende Rolle. Daher fordert die Stadt Erkelenz im
Rahmen der Leitentscheidung eine Aussage zur Kompensation des mit dem Tagebau einhergehenden
Verlusts von Verkehrsverbindungen sowie Untersuchungen zu den damit einhergehenden Folgen,
u.a. in verkehrstechnischer und ökonomischer Hinsicht.
In diesem Zusammenhang sowie zur Aufrechterhaltung der Verkehrsbeziehungen, der allgemeinen
Strukturverbesserung und dem Erhalt der dörflichen Lebensqualität der zukünftigen
Tagebauranddörfer fordert die Stadt Erkelenz die Planung einer „Tagebaurandstraße“, zunächst in
Form des Lückenschluss zwischen der L19 bei Kückhoven und der geplanten L354n bei Kaulhausen.
Langfristig ist in Abstimmungen mit den Anrainerkommunen die Erschließung des zukünftigen
Tagebaurandes sowie des Restsees zu planen.
5
Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Leitentscheidung der Landesregierung
von Nordrhein-Westfalen zur Zukunft
des Rheinischen Braunkohlereviers /
Garzweiler II
Eine nachhaltige Perspektive für das
Rheinische Revier
1
Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
2
Stand: 23.09.2015
Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Grundlagen der neuen Leitentscheidung
Die bisherigen Leitentscheidungen der Landesregierung
Die Landesregierung hat bereits in der Vergangenheit in zwei Leitentscheidungen
Vorgaben für den Braunkohlenabbau im Rheinischen Revier beschlossen. In
Leitentscheidungen werden die Erfordernisse der Raumordnung für eine langfristige
Energieversorgung und die Erfordernisse der sozialen Belange der vom
Braunkohlentagebau Betroffenen und des Umweltschutzes festgelegt. Gemäß § 29
Abs. 2 Landesplanungsgesetz sind Leitentscheidungen landesplanerische Vorgaben
für die Braunkohlenplanung. Der Braunkohlenausschuss bei der Bezirksregierung
Köln, der Träger der Braunkohlenplanung, erarbeitet auf der Grundlage der
Leitentscheidungen die Braunkohlenpläne für die Tagebaue und die Umsiedlungen.
Übersichtskarte Rheinisches Revier, Quelle: RWE
Die Landesregierung hatte Leitentscheidungen in 1987 und 1991 beschlossen. Die
Grundannahmen dieser beiden Leitentscheidungen haben die Braunkohle als
sicheren, kostengünstigen und verfügbaren Rohstoff bewertet und den
energiewirtschaftlich und energiepolitisch erforderlichen Einsatz festgestellt. Beide
Leitentscheidungen haben die Braunkohle als volkswirtschaftlich günstigsten
3
Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Energieträger hervorgehoben. Alternativen in der Stromerzeugung wurden in erster
Linie durch Erdgas gesehen.
In der Leitentscheidung aus dem Jahr 1991 wurden auch bereits die mit der
Braunkohleverstromung verbundenen CO2-Emissionen und ein Ausbau der
erneuerbaren Energien diskutiert. Es war zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht
absehbar, dass einerseits die erneuerbare Energien den heutigen signifikanten
Beitrag zur Stromversorgung leisten würden und andererseits der subventionierte
Steinkohlenbergbau in Deutschland bereits bis 2018 beendet wird. Braunkohle ist
damit der einzige heimische fossile Rohstoff für die Stromerzeugung.
Die energiepolitischen und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen in
Deutschland und auch in Nordrhein-Westfalen haben sich gegenüber den
Leitentscheidungen in 1987 und 1991 grundlegend geändert. Entscheidende neue
Rahmenbedingungen sind der zunehmende Ausbau der erneuerbaren Energien, der
vollständige Ausstieg aus der Kernenergie im Jahr 2022, die Klimaschutzziele der
EU, des Bundes und des Landes und die Liberalisierung der Energiemärkte. Das
Ergebnis sind erhebliche Änderungen in der Energiewirtschaft und damit
Verschiebungen des Anteils der einzelnen Energieträger an der Stromversorgung.
Energiewirtschaftliche Notwendigkeit für eine neue Leitentscheidung
Zur fachlichen Vorbereitung dieser Leitentscheidung ist eine Auswertung von Studien
zur langfristigen Energieversorgung in Deutschland/Nordrhein-Westfalen (siehe
Anlage) erstellt worden. Diese Untersuchung aktueller Energiestudien verschafft
einen Überblick über die Spannweite möglicher bzw. wahrscheinlicher Entwicklungen
zur Zukunft des komplexen Themas Energiemarkt. Die Auswertung berücksichtigt
ausgewählte Studien unterschiedlicher Art mit sowohl prognostischen als auch auf
Szenarien gestützten Ansätzen. Szenarien und Prognosen geben einen
Orientierungsrahmen vor und zeigen mögliche Entwicklungskorridore auf. Sie dienen
dazu, politische Handlungsalternativen zu bewerten. Mit den Erkenntnissen –
insbesondere zum zukünftigen Beitrag einzelner Energieträger zur Deckung der
Energie- und Stromversorgung – soll die energiepolitische Entscheidung der
Landesregierung Nordrhein-Westfalens im Sinne von „Abwägungsmaterial“ auf eine
breite Datenbasis gestellt werden. Die Studienauswertung bildet damit die fachliche
Grundlage für die energiepolitische Bewertung und Entscheidung der
Landesregierung in dieser Leitentscheidung.
Vor diesem Hintergrund wurden neun Studien ausgewertet, die sich mit der
Energieversorgung bis in die 2050er Jahre auseinandersetzen und als Grundlage für
die Leitentscheidung zur Zukunft des Rheinischen Reviers / Garzweiler II dienen:
4
Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Studie (1):
Stand: 23.09.2015
„Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der erneuerbaren
Energien in Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in
Europa und global“ (Veröffentlichung: März 2012; Auftraggeber:
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, jetzt
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit;
Auftragnehmer: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V., Fraunhofer-Institut
für Windenergie und Energiesystemtechnik, Ingenieurbüro für neue Energien)
Studie (2):
„Integration der erneuerbaren Energien in den deutschen /
europäischen Strommarkt“ (Veröffentlichung: August 2012; Auftraggeber: RWE
AG; Auftragnehmer: Deutsche Energie-Agentur GmbH)
Studie (3):
„Bedeutung der thermischen Kraftwerke für die Energiewende“
(Veröffentlichung: November 2012; Auftraggeber: Verein der Kohlenimporteure e.V.;
Auftragnehmer: Prognos AG)
Studie (4):
„Positionspapier zur Vorbereitung von Initialgesprächen mit der
energieintensiven Wirtschaft“ (Veröffentlichung: Februar 2013; Auftraggeber:
Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz
des Landes Nordrhein-Westfalen; Auftragnehmer: Prognos AG)
Studie (5):
„Effizientes Regime für den Ausbau der EE, Weiterentwicklung des
Energy-Only-Marktes und Erhaltung des EU-ETS“ (Veröffentlichung: April
2013; Auftraggeber: RWE AG; Auftragnehmer: Frontier Economics Ltd, r2b energy
consulting GmbH)
Studie (6):
Klimaschutzplan NRW: „Zusammenfassung der Szenarioberechnungen
des Beteiligungsverfahrens“ (Veröffentlichung: Januar 2014; Auftraggeber:
Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz
des Landes Nordrhein-Westfalen; Auftragnehmer: Wuppertal Institut für Klima,
Umwelt, Energie gGmbH)
Studie (7):
„Entwicklung der Energiemärkte – Energiereferenzprognose“
(Veröffentlichung: Juni 2014; Auftraggeber: Bundesministerium für Wirtschaft und
Energie; Auftragnehmer: Prognos AG, Energiewirtschaftliches Institut an der
Universität zu Köln, Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung mbH)
Studie (8):
„Klimaschutzszenario 2050“ (Veröffentlichung: August 2014; Auftraggeber:
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit;
Auftragnehmer: Öko-Institut e.V., Fraunhofer Institut für System- und
Innovationsforschung)
Studie (9):
„Zukünftige Rolle der Braunkohle in Energiemix – Energiewirtschaftliche
Bedeutung der Braunkohle nach 2030“ (Veröffentlichung: Mai 2015;
Auftraggeber: RWE Power AG; Auftragnehmer: Institut für Energiewirtschaft und
Rationelle Energieanwendung, Universität Stuttgart)
Die vorgenommene Studienauswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit,
bildet aber ein möglichst breites Bild der möglichen zukünftigen Energieversorgung
ab. Die Studien untersuchen i.d.R. eine Vielzahl von Szenarien- bzw.
5
Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Prognosevarianten. Exemplarisch wurden im Rahmen der vorliegenden
Untersuchung jeweils die Szenarien / Prognosen einer jeden Studie detailliert
analysiert, deren Parameter Werte annehmen, die die größte Übereinstimmung mit
den „Energiewende-Zielen“ der Bundesregierung aufweisen.
Zur weiteren Eingrenzung wurden nur die Studien berücksichtigt, deren
Veröffentlichung nicht weiter als bis 2012 zurückgeht und damit das Energiepaket
der Bundesregierung zur Energiewende aus 2010 sowie den Kernenergieausstieg
aus 2011 beinhalten. Um die Ergebnisse der Auswertung durch "Dopplungen" nicht
zu verfälschen, wurden zudem keine Studien berücksichtigt, die sich der bereits
untersuchten Studien als Grundlage bedienen.
Einen Überblick über die Auswertung der einzelnen Studien gibt die folgende aus der
Auswertung der Energiestudien entnommene Tabelle1
Tab. 26: Überblick der Studienergebnisse zur Stromerzeugung aus Braunkohle von 2020-2050
in Deutschland
Braunkohlestromerzeugung & Stromverbrauch in TWh (Anteil Stromerzeugung an Verbrauch)
Jahr
Studie / Szenario
(1)
Szenario 2011 A
(2)
Keine Varianten
(3)
Retrofit-Szenario
(4)
Referenzszenario
(5)
Szenario Positiv
realistisch mit CCS
(6)
Szenario C
(7)
Referenzprognose
und Trendszenario
(8)
Klimaschutzszenario
80
(9)
Referenz-Szenario
2020
2030
2040
2050
75 brutto (13 %)
564 brutto
86 brutto (14 %)
607 brutto
126 netto (22 %)
569 brutto
84 (15 %)
569 brutto
35 brutto (6 %)
548 brutto
56 brutto (9 %)
607 brutto
72 netto (13 %)
556 brutto
49 (9 %)
556 brutto
14 brutto (3 %)
562 brutto
34 brutto (6 %)
607 brutto
42 netto (7 %)
562 brutto
- - - (- - -)
562 brutto
0 (0)
574 brutto
11 brutto (2 %)
607 brutto
18 netto (3 %)
555 brutto
21 (4 %)
555 brutto
123 (22 %)
558
152 (27 %)
558
151 (27 %)
558
149 (27 %)
558
129 netto (22 %)
596 brutto
156 brutto
(27 %)
577 brutto
92 netto (16 %)
576 brutto
140 brutto
(25 %)
559 brutto
72 netto (12 %)
601 brutto
104 brutto
(19 %)
546 brutto
26 netto (4 %)
641 brutto
31 brutto
(6 %)
554 brutto
95 netto (18 %)
544 brutto
61 netto (12 %)
518 brutto
44 netto (8 %)
549 brutto
16 netto (3 %)
584 brutto
136 netto (- - -)
---
145 netto (29 %)
496 netto
127 netto (- - -)
---
125 netto (28 %)
443 netto
Diese Tabelle liefert einen Überblick über die erwartete Entwicklung der
Braunkohleverstromung von 2020 bis 2050 in Deutschland. Dabei wird deutlich, dass
die ausgewählten Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen bzw. Spannbreiten
bezüglich der Einschätzung des Anteils der Braunkohle an der zukünftigen
Stromerzeugung kommen.
1
Siehe in der Anlage die Auswertung von Studien zur langfristigen Energieversorgung in
Deutschland/Nordrhein-Westfalen, Seite 39
6
Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Die Auswertung der Energiestudien kommt jedoch insgesamt zu folgenden zentralen
Schlussfolgerungen2:
„Vor diesem Hintergrund kann festgehalten werden, dass
1. die oben dargestellten Studienergebnisse, die bis in das Jahr 2050 reichen,
für die Leitentscheidung Garzweiler II zwar grundsätzlich mit größeren
Unsicherheiten verbunden sind als vergleichbare Berechnungen für das Jahr
2030 (z.B. in Bezug auf Preis- oder Technologieentwicklungen). Gleichzeitig
haben sie aber eine wesentliche Bedeutung, da sie einen
Orientierungsrahmen vorgeben und mögliche Entwicklungskorridore
aufzeigen. Szenarien und Prognosen können damit helfen, politische
Handlungsalternativen zu bewerten.
2. die Ergebnisse der Studien also vorrangig Folge unterschiedlicher Vorgehensweisen, Annahmen bzw. Bedingungen und Zielsetzungen sind. Dieser
Hintergrund ist bei ihrer Interpretation, dem Vergleich der Studienergebnisse
und ihrer energiepolitischen Bewertung zu berücksichtigen. Die
Zusammenhänge im Energiemarkt und die Bedingungen seiner weiteren
Entwicklung sind höchst komplex und unterliegen – wie die Ergebnisse der
Studien – Unsicherheiten.
3. Der Studienvergleich zeigt, dass die Braunkohleverstromung bis 2050 – wenn
auch in unterschiedlichem Ausmaß – kontinuierlich zurückgeht. Dies gilt für
alle Studien über alle Jahrzehnte hinweg.“
Planerische Begründung für eine neue Leitentscheidung
Die erheblichen Änderungen der energiepolitischen und energiewirtschaftlichen
Rahmenbedingungen erfordern eine Überprüfung der bisherigen Leitentscheidung
von 1991 und der Braunkohleplanung. Die gesetzliche Grundlage findet sich im § 30
Landesplanungsgesetz. Danach muss ein Braunkohlenplan überprüft und
erforderlichenfalls geändert werden, wenn die Grundannahmen für den
Braunkohlenplan sich wesentlich ändern.
In der Genehmigung des Braunkohlenplans Garzweiler II wird diese Voraussetzung
für eine Planänderung erläutert:
„Die Planung geht von der grundlegenden Annahme aus, dass die Gewinnung der
Braunkohle zur Sicherstellung der Energieversorgung und ganz überwiegend zur
Verstromung erforderlich ist. Es gehört zu den Besonderheiten der
Braunkohlenplanung, dass diese langfristig verlässlich und verbindlich sein muss.
Dieses entspricht nicht nur der notwendigen Investitionssicherheit für die betroffenen
2
Siehe in der Anlage Auswertung von Studien zur langfristigen Energieversorgung in
Deutschland/Nordrhein-Westfalen, Seite 42.
7
Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Unternehmen, sondern auch den Grundsätzen der allgemeinen Energievorsorge, die
ebenfalls einem längerfristigen Beurteilungshorizont entsprechen muss. Und
schließlich bedarf die Lebensplanung der betroffenen Bürger einer verlässlichen
Perspektive.
Die Genehmigung eines Braunkohlenplans geht somit davon aus, dass dieser
langfristig Bestand hat. Die Genehmigung begründet damit einen umfassenden
Vertrauensschutz. Weder unterliegt sie einer regelmäßigen, noch einer beliebigen
Änderbarkeit. Für eine solche Überprüfung muss eine bedeutende Entwicklung
eingetreten sein, die die dem Braunkohlenplan zugrundeliegenden Annahmen in
einem Maße verändert haben, dass das öffentliche Interesse an einer Umplanung
höher zu gewichten ist als der Vertrauensschutz des Bergbautreibenden.
Der Gesetzgeber hat für diese Änderbarkeit bewusst hohe Maßstäbe gesetzt.
Anderseits werden mit einer Genehmigung keine Festschreibungen vorgenommen,
die auf Dauer irreversibel bzw. unveränderlich sind. Die Änderbarkeit muss möglich
bleiben, je langfristiger eine Planung ist, je konsequenter das System der
begleitenden Umweltkontrollen wird und je wahrscheinlicher zukunftsweisende
Entwicklungen im Bereich der Energietechnologie sind.
Die im Planverfahren verschiedentlich von Dritten geäußerte Annahme, mit der
Genehmigung sei auf Dauer die Festschreibung einer umweltbelastenden
Technologie verbunden, widerspricht dem tatsächlichen Sachzusammenhang. Die
heutige, der Genehmigung zugrundeliegende energiewirtschaftliche Einschätzung
stellt eine Grundannahme dar, deren wesentliche Änderungen unzweifelhaft zu einer
Planüberprüfung führen.
Die Landesregierung wird auch nach der Genehmigung des Braunkohlenplans die
energiewirtschaftliche Entwicklung beobachten. Über gravierende Änderungen der
energiepolitischen und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere
über ihre Auswirkungen auf die Braunkohlennutzung, wird die Landesregierung
berichten. Das bedeutet, dass die Genehmigung von Teilplänen, die zu gegebener
Zeit die Umsiedlungen weiterer Ortschaften (über Otzenrath, Spenrath und Holz
hinaus) regeln, mit dem energiewirtschaftlichen und energiepolitischen Erfordernis
des Braunkohlenbergbaus im Einklang stehen muss.“3
Erforderlichkeit einer neuen Leitentscheidung
3
Genehmigung des Braunkohlenplans Garzweiler II vom 31. März 1995, Az.: VI A 3 – 92.32.09.11.abgedruckt im
Braunkohlenplan Garzweiler II, vergleiche auch Braunkohlenplan Garzweiler II, Kapitel 0.2 (18) Überprüfung und
Änderung.
8
Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Die Landesregierung hatte mit den beiden Leitentscheidungen von 1985 und 1991
die energiepolitische und energiewirtschaftliche Erforderlichkeit des
Braunkohlenabbaus in den Tagebauen im Rheinischen Revier grundlegend
begründet.
In den beiden Leitentscheidungen erfolgte aber noch keine abschließende
Entscheidung über die Erforderlichkeit aller Umsiedlungen von Ortschaften oder
Siedlungen in den Tagebauen. Im Hinblick auf die lange Laufzeit der Tagebaue
erfolgt diese Entscheidung erst anlässlich der Braunkohlenplanverfahren für die
Umsiedlung dieser Ortschaften oder Siedlungen. Damit ist sichergestellt, dass die
Entscheidung der Landesregierung über die Erforderlichkeit einer Umsiedlung
zeitnah zur geplanten bergbaulichen Inanspruchnahme erfolgt, nur mit dem durch die
erforderlichen Planverfahren geschuldeten Vorlauf.
Für die geplante gemeinsame Umsiedlung der Ortschaften Keyenberg, Kuckum,
Ober- und Unterwestrich und Berverath im nördlichen Bereich des Tagebaus
Garzweiler II hat die Landesregierung diese Prüfung aktuell vorgenommen. Im
Ergebnis wird dafür die Erforderlichkeit des Braunkohlenabbaus und der
Verstromung bestätigt:
„In Deutschland und in Nordrhein-Westfalen steht, neben den Erneuerbaren
Energien, längerfristig nur die Braunkohle als heimischer, sicher verfügbarer und
importunabhängiger Energieträger zur Verfügung. Erdgas und Steinkohle werden
weitüberwiegend importiert. Die inländische Gewinnung und Verwendung der
Braunkohle leistet bislang einen wesentlichen Beitrag für eine gesicherte und
preisgünstige Energieversorgung von Industrie und Haushalten. Aufgrund ihrer
Bedeutung für die Versorgungssicherheit (gesicherte Verfügbarkeit des
Energieträgers selbst und hoher Beitrag der Braunkohlenkraftwerke zur gesicherten
Leistung) und zur Preisstabilität (andere fossile Energieträger wie Erdgas und
Steinkohle weisen gegenüber der Braunkohle deutliche Kostennachteile auf) bleibt
die Braunkohle in Nordrhein-Westfalen unter Auswertung der vorliegenden
Erkenntnisse und nach energiewirtschaftlicher und energiepolitischer Einschätzung
der Landesregierung trotz der von ihr ausgehenden Umweltbelastungen auch für den
hier betrachteten Zeitraum (2020iger Jahre) ein wesentlicher Bestandteil des
Energiemixes und damit noch erforderlich.
Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen ist die Umsiedlung der
Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich sowie Berverath
notwendig, um im Betrachtungszeitraum den erforderlichen Braunkohlenabbau im
Tagebau Garzweiler II fortzuführen und über eine gesicherte und ausreichende
Rohstoffversorgung von Braunkohlenkraftwerken einen wesentlichen Beitrag zur
gesicherten Energieversorgung zu gewährleisten. Durch die Gewinnung und
Verstromung von Braunkohle aus Garzweiler II wurde bisher ein wesentlicher Beitrag
zum Energiemix des Landes Nordrhein-Westfalen, aber auch der gesamten
Bundesrepublik Deutschland geleistet.
9
Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Im Hinblick auf die Umsiedlung der o.g. Erkelenzer Ortschaften ist die
Landesregierung der Auffassung, dass die weitere Gewinnung von Braunkohle im
Tagebau Garzweiler II aus heutiger Sicht mit dem energiewirtschaftlichen und
energiepolitischen Erfordernis einer langfristigen Energieversorgung im Einklang
steht und damit die Notwendigkeit zur bergbaulichen Inanspruchnahme der o.g.
Erkelenzer Ortschaften weiterhin gegeben ist.“4
Das Braunkohlenplanverfahren zur Umsiedlung der Ortschaften Keyenberg, Kuckum,
Ober- und Unterwestrich und Berverath hat der Braunkohlenausschuss am 22. Juni
2015 aufgestellt.
In den Tagebauen im Rheinischen Revier wäre zeitlich folgend dann nur noch eine
Umsiedlung erforderlich. Im Tagebau Garzweiler II war bisher nach dem
Braunkohlenplan Garzweiler II die bergbauliche Inanspruchnahme der Ortschaft
Holzweiler, der Siedlung Dackweiler und dem Hauerhof ca. 2029 geplant.
Umsiedlungen werden mit einem zeitlichen Vorlauf von ca. 15 Jahren geplant
(Planung und Erschließung des Umsiedlungsstandortes ca. 6 Jahre, tatsächliche
Umsiedlung ca. 9 Jahre). Daran gemessen, hätte ein Braunkohlenplanverfahren
„Umsiedlung Holzweiler“ zeitnah erarbeitet werden müssen. Für die Ortschaft
Holzweiler und die dort lebenden Menschen hätte das bedeutet, dass die ersten
Vorarbeiten für eine spätere Umsiedlung nun begonnen hätten.
Die Landesregierung ist damit aktuell aufgefordert, eine energiepolitische und
energiewirtschaftliche Entscheidung zum Braunkohleabbau und zur Umsiedlung der
Ortschaft und der Siedlungen für die Zukunft zu treffen.
4
Stellungnahme der Landesregierung zum Braunkohlenplan Umsiedlung Keyenberg, Kuckum, Ober- und
Unterwestrich und Berverath vom 29. April 2015, abgedruckt als Kapitel 1.2 im Braunkohlenplan Umsiedlung
Keyenberg, Kuckum, ober- und Unterwestrich und Berverath.
10
Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Leitentscheidung der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen
zur Zukunft von Garzweiler II
Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier
Einleitung
Die wesentlichen Änderungen der energiepolitischen und energiewirtschaftlichen
Rahmenbedingungen und damit auch die wesentliche Änderung der
Grundannahmen der bisherigen Leitentscheidungen machen eine neue
Leitentscheidung der Landesregierung für das Rheinische Revier erforderlich.
In Vorbereitung dieser neuen Leitentscheidung sind u. a. Expertengespräche mit den
in der Region maßgeblichen Akteuren geführt worden. Die Expertengespräche
wurden zu den Themen „Energie“, „Geologie und Restsee / Wasserwirtschaft“ sowie
„Kommunale Planungen und weitere Planverfahren“ geführt (siehe
https://land.nrw/de/thema/landesplanung).
In den Expertengesprächen sind die Fragestellungen herausgearbeitet worden, zu
denen Vorgaben der Landesregierung für die nachfolgenden Planverfahren
erforderlich sind:
Langfristige Energieversorgung Nordrhein-Westfalens
Umwelt: Wasserwirtschaft (Restsee), Naturschutz, Geologie, Boden
Holzweiler lebenswert erhalten
Strukturwandel im Rheinischen Revier in örtlicher und regionaler
Zusammenarbeit
Hierzu trifft die Landesregierung mit den nachfolgenden Entscheidungssätzen und
Erläuterungen die politische Leitentscheidung für eine nachhaltige Perspektive für
das gesamte Rheinische Revier und zur Verkleinerung zu Garzweiler II
11
Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Erfordernisse einer langfristige Energieversorgung
Entscheidungssatz 1:
Braunkohlenabbau ist im rheinischen Revier weiterhin erforderlich, dabei
bleiben die Abbaugrenzen der Tagebaue Inden und Hambach unverändert und
der Tagebau Garzweiler II wird so verkleinert, dass die Ortschaft Holzweiler, die
Siedlung Dackweiler und der Hauerhof nicht umgesiedelt werden.
Die energiepolitischen und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen in
Deutschland und damit auch in Nordrhein-Westfalen haben sich gegenüber den
Leitentscheidungen der Landesregierung in 1987 und 1991 wesentlich geändert.
Insbesondere verschieben sich die Anteile der verschiedenen Energieträger an der
Stromversorgung. Diese energiewirtschaftlichen Änderungen betreffen die
Grundannahmen der bisherigen Leitentscheidungen und der Braunkohlenplanung.
Nach § 30 LPlG wird damit eine Überprüfung mit dieser neuen Leitentscheidung
erforderlich.
Nordrhein-Westfalen ist das Land mit der größten Stromproduktion Deutschlands. Mit
der Abschaltung aller Kernkraftwerke ist klar, dass bis zur vollständigen Deckung des
Strombedarfs durch die erneuerbaren Energien noch fossile Kraftwerke benötigt
werden. Mit dem fortschreitenden Zubau volatiler erneuerbarer Energien entwickelt
sich der Strommarkt dahin, dass fossile Grundlast zunehmend weniger nachgefragt
wird. Folglich wird auch der Bedarf an hochflexiblen und -effizienten fossilen
Kraftwerken zunehmen. Dabei wird Braunkohle auch weiterhin zur Stromerzeugung –
wenn auch in abnehmendem Maße - gebraucht.
Nordrhein-Westfalen kommt eine Schlüsselrolle zu, um in Deutschland die
Versorgungssicherheit zu gewährleisten, nicht von Stromimporten abhängig zu
werden und die Klimaschutzziele auch tatsächlich zu erreichen. Nordrhein-Westfalen
spielt eine besondere Rolle in der Energiewende. Hier stehen umfangreiche
Kraftwerkskapazitäten. Auch für die heimische energieintensive Industrie sind eine
hohe Versorgungssicherheit und -qualität sowie ein moderater Strompreis für die
Wettbewerbsfähigkeit und den wirtschaftlichen Fortbestand von zentraler Bedeutung.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat sich mit dem Klimaschutzgesetz des
Landes eigene ambitionierte Ziele zum Klimaschutz gesetzt. Der dafür erforderliche
Transformationsprozess zu einer weitgehend durch regenerative Energien geprägten
Stromversorgung ist so zu gestalten, dass Versorgungssicherheit jederzeit
gewährleistet werden kann.
12
Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Die Auswertung verschiedener Studien zur Entwicklung der langfristigen
Energieversorgung in Deutschland und Nordrhein-Westfalen (Anlage 1) zeigt, dass
Braunkohle jedenfalls bis zum Anfang der 2020er Jahre auf heutigem Niveau und
damit mittelfristig ein bedeutender Bestandteil des Energiemixes bleibt. In den
2020er Jahren sind Änderungen zu erwarten. Braunkohle wird auch noch
voraussichtlich nach 2030 verstromt. Diese Auswertung zeigt aber auch, dass die
Braunkohleverstromung voraussichtlich ab den 2020er Jahren bis 2050 kontinuierlich
zurückgeht, während parallel von einem stetig steigenden Anteil erneuerbarer
Energien in der Stromversorgung auszugehen ist. Die langfristig zu erwartende
Stromerzeugung aus Braunkohle wird dabei von den verschiedenen Gutachtern in
einem weiten Spektrum unterschiedlich prognostiziert. Dieses breite Spektrum ist mit
Blick auf den langen Prognosezeitraum und die von Studie zu Studie
unterschiedlichen Annahmen nicht überraschend. Dem zurückgehenden Bedarf an
Braunkohle kann deshalb keine zahlenmäßig fixierte Braunkohlenmenge mit
hinreichender Genauigkeit zugeordnet werden. Dies ist für die energiepolitische
Bewertung der Notwendigkeit der weiteren Braunkohlegewinnung und -verstromung
auch nicht erforderlich.
Die Leitentscheidungen von 1987 und 1991 haben die Braunkohle als sicheren,
heimisch verfügbaren und preiswerten Rohstoff bewertet. Diese Bewertung gilt
weiterhin. Damit bleibt Braunkohlenabbau in den Tagebauen Garzweiler II,
Hambach und Inden in Nordrhein-Westfalen zur langfristigen Energieversorgung
weiter erforderlich. Gleichzeitig erfordert der erkennbare Rückgang der
Braunkohleverstromung eine Neubewertung der Notwendigkeit der Umsiedlung der
im bisherigen Braunkohlenplangebiet des Tagebaus Garzweiler II liegenden
Ortschaft Holzweiler.
Nach 2030 wird im Rheinischen Braunkohlenrevier Braunkohle voraussichtlich nur
noch in den Tagebauen Garzweiler II und Hambach abgebaut werden. Der Tagebau
Inden ist voraussichtlich 2030 planmäßig ausgekohlt. Als letzte Umsiedlung wären
nach den Leitentscheidungen von 1987 und 1991 noch die der Ortschaft Holzweiler,
die Siedlung Dackweiler und der Hauerhof im Tagebau Garzweiler II zu planen.
Die Umsiedlung ist ein schwerer Eingriff in das soziale Gefüge und das
verfassungsrechtlich garantierte Eigentum der unmittelbar betroffenen Menschen.
Sie ist nur gerechtfertigt, wenn die Sicherung der langfristigen Energieversorgung die
Umsiedlung erforderlich macht.
In der Abwägung werden dieser zurückgehende Bedarf an Braunkohle und die
erheblichen materiellen und immateriellen Auswirkungen der Umsiedlung auf den
Einzelnen und die Dorfgemeinschaft dem Vertrauensschutz des Bergbautreibenden
und der übrigen Beteiligten auf den Fortbestand der genehmigten Braunkohlenpläne
gegenüber gestellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung einen
deutlich in der Zukunft liegenden Sachverhalt betrifft. Die bergbauliche
Inanspruchnahme der Ortschaft Holzweiler sollte nach den derzeitigen Plänen ca.
2029 erfolgen, die erforderlichen Planverfahren hätten aktuell begonnen werden
13
Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
müssen. Mit dieser Leitentscheidung können sich der Bergbautreibenden und die
übrigen Beteiligten mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf auf eine Änderung
einstellen. Zudem weist der Braunkohlenplan Garzweiler II und seine Genehmigung
von 1995 ausdrücklich darauf hin, dass über die energiepolitische und
energiewirtschaftliche Erforderlichkeit der bergbaulichen Inanspruchnahme einzelner
Ortschaften oder Siedlungen erst anlässlich der einzelnen Braunkohlenplanverfahren
für die Umsiedlung entschieden wird.
Als Ergebnis dieser Abwägung beurteilt die Landesregierung die Umsiedlung der
Ortschaft Holzweiler, der Siedlung Dackweiler und des Hauerhofs als nicht mehr
erforderlich. Der Tagebau Garzweiler II ist daher so zu verkleinern, dass die
Ortschaft, die Siedlung und der Hof nicht umgesiedelt werden. Die in den
genehmigten Braunkohlenplänen und zugelassenen Betriebsplänen festgelegten
Abbaugrenzen der Tagebaue Inden und Hambach bleiben unverändert.
Die Leitentscheidung gibt eine räumliche Begrenzung der Abbaufläche vor, es geht
nicht um eine zeitliche Begrenzung des Braunkohlenabbaus im Rheinischen Revier.
Die räumliche Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler II reduziert die
Kohlefördermenge im Rheinischen Revier und senkt damit absolut die CO2Emissionen aus der Braunkohlenverstromung.
Für die Gesamtbewertung der klimapolitischen Auswirkungen der Braunkohlenutzung
im rheinischen Revier sind neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien in
Deutschland insbesondere die weitere Entwicklung des europäischen
Emissionshandels und die bundespolitische Diskussion um die Überführung alter,
ineffizienter Braunkohlekraftwerke im Zusammenhang mit den Klimaschutzzielen auf
Bundesebene mit in den Blick zu nehmen.
Der Weiterentwicklung des Emissionshandels mit einer sich ab 2020 verschärfenden
jährlichen Degression führt zu einer Mengensteuerung an CO2-Zertifikaten, die zu
einem gesicherten Beitrag der Energiewirtschaft zur Erreichung der europäischen
Klimaschutzziele führt. Darüber hinaus werden aufgrund der auf Bundesebene
beschlossenen Einführung einer temporären Kapazitätsreserve bereits innerhalb der
nächsten Jahre deutschlandweit stufenweise 2,7 Gigawatt
Braunkohlekraftwerkskapazität zunächst in eine Reserve überführt und nach 4
Jahren endgültig stillgelegt.
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Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Umwelt: Wasserwirtschaft (Restsee), Naturschutz, Geologie, Boden
Entscheidungssatz 2:
Der Restsee ist westlich einer A 61 neu, angrenzend an das unverritzte Gebirge
und ohne Kontakt zu ungekalkten Kippenbereichen unter Wahrung einer
naturnahen Gestaltung, zu planen.
Der Restsee ist dabei in kompakter Form und mit möglichst großer Tiefe zu
planen.
Die Tagebauböschungen einschließlich der Restseeböschungen sind
dauerhaft standsicher zu dimensionieren und zu gestalten.
Der Restsee ist westlich einer A 61 neu, angrenzend an das unverritzte
Gebirge, ohne Kontakt zu ungekalkten Kippenbereichen unter Wahrung einer
naturnahen Gestaltung, zu planen. Der Restsee ist dabei in kompakter Form
und mit möglichst großer Tiefe zu planen.
Entscheidend für die zukünftige Gestaltung und Lage des Restsees in einem
verkleinerten Tagebau Garzweiler II sind die Anforderungen für einen dauerhaft
wasserwirtschaftlich und ökologisch günstigen Zustand dieses Sees sowie die
dauerhaft standsichere Gestaltung der Tagebauböschung.
Dabei gelten für den Restsee folgende Vorgaben:
-
Der Restsee hat in möglichst großem Umfang an unverritztes Gelände zu
grenzen, um den Zufluss von Kippenwasser in den Restsee zu Gunsten der
Wasserqualität soweit wie möglich zu reduzieren.
-
Die Seelage ist so zu planen, dass ein ausreichender Abstand zu den
östlichen ungekalkten Kippenbereichen entsteht, um damit einer langfristigen
Versauerung des Seewassers entgegen zu wirken.
-
Der zusammenhängende Restsee soll westlich einer neu zu führenden A 61
entstehen.
-
Um eine stabile, chemische Schichtung des Restsees zu unterstützen, sollte
der Restsee eine kompakte Form und insbesondere eine möglichst große
Tiefe aufweisen, die durch die großen Abbautiefen im Nordwesten des
Tagebaus Garzweiler II erreicht wird.
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Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
-
Der Restsee soll mit Rheinwasser befüllt werden, um die Füllzeit für den See
und den Grundwasserkörper zu verkürzen.
-
Der Abfluss des Restsees in die Niers ist dauerhaft zu sichern.
-
Süd-östlich der Ortschaft Holzweiler ist, auch aus wasserwirtschaftlichen
Gründen, ein Abbau und eine Wiederanfüllung zu vermeiden.
Der Restsee soll in dem nach Abschluss des Braunkohlenabbaus verbleibende
Restloch angelegt werden. Das Volumen des Restlochs wird durch die fehlenden
Massen im Tagebau Garzweiler II und seinen Vorgängern, den Tagebauen
Garzweiler I (Frimmersdorf I und II) bestimmt. Das Massendefizit entsteht durch den
erstmaligen Aufschluss der Tagebaue und die abgebauten Kohleflöze. Eine
Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler II reduziert daher das nach den bisherigen
Planungen entstehende Restloch und damit auch das Restseevolumen um die
Masse der dann nicht abgebauten Kohleflöze. Das bedeutet, dass sich der Restsee
bei einer Verkleinerung des Tagebaus nicht in gleichem Umfang wie die
Tagebaureduzierung verkleinern wird. Das bedeutet auch, dass die veränderte
Restseelage zu einer veränderten Abbauplanung des Bergbautreibenden und damit
insbesondere auch zu einer veränderten Lage des künftigen Bandsammelpunktes
führen muss.
Die konkrete Restseeplanung bleibt dem nachfolgenden Braunkohlenplanverfahren
vorbehalten. Nach dem derzeitigen Planungsstand im geltenden Braunkohlenplan,
beträgt die Restseefläche ca. 23 km². Auch bei einer Verkleinerung des Tagebaus,
muss noch eine Restseefläche von ca. 20 km² berücksichtigt werden.
Dabei haben die in den bisherigen Leitentscheidungen festgeschriebenen Ziele zum
Schutz von Wasser- und Naturhaushalt in ihren grundsätzlichen Aussagen Bestand
und sind im Detail an die Veränderungen durch die Tagebauverkleinerung von
Garzweiler II anzupassen.
Das wasserwirtschaftlich-ökologische Monitoring ist im vollen Umfang fortzuführen.
Die durch die Leitentscheidung von 1991 und im Braunkohlenplan Garzweiler II
getroffenen Aussagen zum Schutz und zum Erhalt der vom Tagebau beeinflussten
schützenswerten Feuchtbiotope insbesondere im Schwalm-Nette-Gebiet sind
weiterhin im vollen Umfang gültig und notwendig.
Seit der Leitentscheidung von 1991 haben sich neue gesetzliche Vorgaben
entwickelt, die zu berücksichtigen sind: Zwischen 1999 und 2004 wurden im Bereich
der Feuchtbiotope des Nordraumes acht FFH-Gebiete und das Vogelschutzgebiet
Schwalm-Nette-Platte mit Grenzwald und Meinweg bei der EU-Kommission
gemeldet. Im Rahmen der veränderten Braunkohlenplanung sind entsprechend der
Planungsebene FFH-Verträglichkeitsprüfungen im Hinblick auf erhebliche
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Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Beeinträchtigungen des Erhaltungszustandes der maßgeblichen Bestandteile (Arten
und Lebensräume) durchzuführen.
Vergleichbar der FFH-Verträglichkeitsprüfung sind Artenschutzprüfungen
entsprechend der Planungsebene zu Braunkohlenplänen durchzuführen.
Die Tagebauböschungen einschließlich der Restseeböschungen sind
dauerhaft standsicher zu dimensionieren und zu gestalten.
Im Rahmen der nachfolgenden Verfahren wie Braunkohlenplan- und
Rahmenbetriebsplanverfahren werden alle geologischen Faktoren wie mögliche
Erdbeben oder tektonische verlaufende Sprünge im Raum Holzweiler bei der
Dimensionierung des Böschungssystems angemessen berücksichtigt, sodass
Tagebaurand- und endböschungen einschließlich der Restseeböschungen dauerhaft
standsicher dimensioniert und gestaltet werden.
Die ökologischen Bodenfunktionen sind wieder herzustellen.
Die durch den Tagebau in Anspruch genommenen Lößböden zeichnen sich durch
eine außerordentlich hohe natürliche Bodenfruchtbarkeit und Ertragssicherheit aus.
Dank der sehr großen Lößvorkommen im Abbaugebiet, sind die günstigen
Voraussetzungen gegeben, im Zuge der Rekultivierung wertvolle Lössstandorte mit
hoher Bodenfruchtbarkeit wiederherzustellen.
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Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Abbildung Tagebau Garzweiler II, Schematische Zeichnung, zum Entscheidungssatz 3
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Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Holzweiler lebenswert erhalten
Entscheidungssatz 3 (siehe dazu Abbildung Tagebau Garzweiler II)
Um eine positive Entwicklung von Holzweiler zu gewährleisten, ist der
Abbaubereich des Tagebaus Garzweiler II so zu verkleinern, dass der Tagebau
an Holzweiler nur von zwei Ortsseiten heranrückt und eine Insellage vermieden
wird. Dabei ist eine Sicherheitslinie so festzulegen, dass ein Mindestabstand
von 400 m zur Abbaugrenze gewährleistet wird.
Eine direkte Anbindung an Kückhoven und Erkelenz ist zu gewährleisten,
soweit möglich soll die L 19 erhalten bleiben.
Der Uferbereich des Restsees ist so zu modellieren, dass eine
Zwischennutzung des Sees während des Füllvorgangs möglich ist.
Bei den vom Abbau betroffenen Höfen ist die Existenz der landwirtschaftlichen
Betriebe zu erhalten.
Um eine positive Entwicklung von Holzweiler zu gewährleisten, ist der Abbaubereich des Tagebaus Garzweiler II so zu verkleinern, dass der Tagebau an
Holzweiler nur von zwei Ortsseiten heranrückt und eine Insellage vermieden
wird. Dabei ist eine Sicherheitslinie so festzulegen, dass ein Mindestabstand
von 400 m zur Abbaugrenze gewährleistet wird.
Die Menschen in der Ortschaft Holzweiler, der Siedlung Dackweiler und dem
Hauerhof mussten bisher davon ausgehen, umgesiedelt zu werden. Dies gilt nun
nicht mehr. Diese neue Situation ändert die Lebensperspektive der Bewohnerinnen
und Bewohner, die sich zuvor auf ein Leben an einem neuen Ort vorbereitet
mussten. Die individuelle Bewertung dieser geänderten Lebensperspektive wird sehr
unterschiedlich ausfallen und kann durchaus auch als eine neue Belastung
empfunden werden.
Die Ortschaft Holzweiler wird zudem zukünftig in Tagebaurandlage liegen. Eine
Tagebaurandlage bedeutet eine viele Jahrzehnte dauernde Belastung für die dort
wohnenden Menschen. Auch bei Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen
Immissionswerte und bei zusätzlichen Schutzmaßnahmen durch den
Bergbautreibenden verbleibt dennoch eine individuell unterschiedliche
Beeinträchtigung oder Störung durch den Tagebau.
Entscheidende Rahmenbedingungen für eine positive Entwicklung von Holzweiler
schafft daher vor allem ein sozialverträglicher Abstand des Ortsrandes zum Tagebau.
Dies zeigen die Erfahrungen aus den bisherigen Braunkohlenplanverfahren, aber
auch die Diskussion im dritten Expertengespräch „Kommunale Planung und
Fachplanung“ zur Vorbereitung dieser Leitentscheidung.
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Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Der Abstand des Ortsrandes zur Abbaukante wird durch die Lage der in der
Braunkohlenplanung festzulegenden Sicherheitslinie und die Breite der Zone
zwischen Sicherheitslinie und Abbaugrenze bestimmt (Sicherheitszone). Die
Sicherheitszone hat neben ihrer Bedeutung zur Gefahrenabwehr zugleich als
Pufferzone die Aufgabe, die Bergbautätigkeit mit den außerhalb der Sicherheitszone
angrenzenden Nutzungen verträglich zu machen. Die Pufferzone bietet zudem nach
Beendigung des Bergbaus dem Ort Entwicklungsoptionen. Deshalb ist die
Sicherheitszone so zu bemessen, dass dort die Maßnahmen zum Schutz
angrenzender Nutzungen – insbesondere vor Immissionen – vorgenommen werden
können. Insbesondere bereits vor dem Abbau errichtete und begrünte Schutzwälle
gewähren effektiven Immissionsschutz für die dahinter liegende Wohnbebauung. Es
ist davon auszugehen, dass es in Verbindung mit dem gewählten Abstand
grundsätzlich möglich sein wird, die Werte der TA Lärm einzuhalten.
Entscheidend ist zudem die Dauer der Betriebsphase des Tagebaus. Um den
Menschen in Holzweiler auch während der Betriebsphase des Tagebaus akzeptable
Lebensbedingungen zu sichern, ist der Abbaubereich so zu begrenzen, dass die
Ortslage Holzweiler lediglich maximal an zwei Ortsseiten – von Osten und Norden –
und mit einem Mindestabstand von 400m an den Abbaubereich grenzt. Eine darüber
hinaus gehende Weiterführung des Tagebaus in süd-westlicher Richtung würde den
Bewohnern von Holzweiler eine übermäßige Belastung zumuten, die bislang keiner
am Tagebaurand liegenden Ortschaft zugemutet wurde.
Eine direkte Anbindung an Kückhoven und Erkelenz gewährleisten, soweit
möglich soll die L 19 erhalten bleiben.
Entscheidend für die städtebauliche Entwicklungsperspektive der Ortslage Holzweiler
ist eine direkte Anbindung (L 19) an das benachbarte Kückhoven und den Hauptort
Erkelenz. Kückhoven ist Nahversorgungszentrum und Grundschulstandort für
Holzweiler. Die Stadt Erkelenz ist Mittelzentrum und gewährleistet die Versorgung mit
Gütern des mittelfristigen Bedarfs. Im Expertengespräch „Kommunale Planung und
Fachplanung“ wurde die Bedeutung dieser Verbindung von Bürgerinnen und Bürgern
aus Holzweiler und von der Stadt deutlich herausgestellt. Danach würde eine durch
den Tagebau nur über Umwege gewährleistete Anbindung an diese beiden Zentren
Holzweiler zu einem isoliert liegenden Wohnstandort machen und einer nachhaltigen
Stärkung der Ortslage deutlich entgegenwirken.
Eine direkte Anbindung zwischen Holzweiler und Kückhoven gewährleistet derzeit
die L 19.Im Braunkohlenplanverfahren wird zu prüfen sein, ob diese Straße bestehen
bleiben kann oder ob die neue Restseeplanung eine Verlegung erforderlich macht.
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Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Der Uferbereich des Restsees ist so zu modellieren, dass eine
Zwischennutzung des Sees während des Füllvorgangs möglich ist.
Holzweiler wird zukünftig See-Anrainer sein. Die Befüllung des Sees erfolgt mit
Rheinwasser, eine uneingeschränkte Nutzung des Sees wird erst ca. 40 Jahre nach
Ende der Auskohlung möglich sein. Um vielfältige Wassernutzungen zu ermöglichen,
muss der Restsee sowohl während der Befüllung als auch in seinem Endzustand
eine gute Wasserqualität aufweisen. Bereits während der aus heutiger Perspektive
lang andauernden Befüllzeit sind wasserwirtschaftlich verträgliche Nutzungen am
Seeufer zu ermöglichen. Hierfür ist das Seeufer durch Anschüttungen so zu
modellieren, dass ein ständiger Wasserzugang eingerichtet werden kann und
Uferbereiche für die Erholungsnutzung und für Ökologische Zwecke hergerichtet
werden können.
Bei den vom Abbau betroffenen Höfen ist die Existenz der landwirtschaftlichen
Betriebe zu erhalten.
In Holzweiler und Umgebung wirtschaften verschiedene landwirtschaftliche Betriebe,
deren Existenz zu erhalten ist. Die nordwestlich von Holzweiler liegenden Betriebe
werden mit ihren Hofstellen vom Abbau erfasst. Bei anderen Betrieben werden
Betriebsflächen in unterschiedlichem Maß durch den Abbau und die damit
verbundenen Maßnahmen in Anspruch genommen. In den nachfolgenden Verfahren
sind Regelungen zur Verlagerung der Hofstellen und zu Ersatzflächen in Absprache
mit den Betroffenen zu erarbeiten.
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Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Strukturwandel im Rheinischen Revier in örtlicher und regionaler
Zusammenarbeit
Entscheidungssatz 4:
Entwicklungsperspektiven für das Rheinische Revier sind ausgehend von der
örtlichen und regionalen Ebene gemeinsam zu erarbeiten. Das Land wird den
Strukturwandel im Rheinischen Revier weiter begleiten.
Entwicklungsperspektiven für das Rheinische Revier sind ausgehend von der
örtlichen und regionalen Ebene gemeinsam zu erarbeiten. Das Land wird den
Strukturwandel im Rheinischen Revier weiter begleiten.
Die Braunkohle hat im Gebiet zwischen Aachen, Düsseldorf, Köln und Bonn – und
damit für Nordrhein-Westfalen insgesamt – eine enorm wichtige Rolle für Wirtschaft
und Beschäftigung. Heute steht sie unmittelbar für rund 11.000 Arbeitsplätze. Mit der
Branche sind in der Region noch deutlich mehr Arbeitsplätze verbunden.
Der Braunkohlenabbau und die Braunkohleverstromung werden in einigen
Jahrzehnten auslaufen. Damit ist ein tiefgreifender Strukturwandel im Rheinischen
Revier absehbar und infolgedessen auch planbar.
Dieser anstehende Wandel trifft eine Region, die heute vergleichsweise ökonomisch
stark ist. In der Region arbeiten insgesamt mehr als 600.000
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Als starke Branchen sind insbesondere die
Chemieindustrie und Biotechnologie, Handel und Logistik, aber auch der
Maschinenbau vertreten. Von herausragender Bedeutung für die weitere Entwicklung
dieser Region sind u.a. die RWTH Aachen, mit ihrem technologischen und
anwendungsorientierten Schwerpunkt und der Exzellenzinitiative und das ebenfalls
anwendungsorientierte Forschungszentrum in Jülich sowie die Universität zu Köln
und die Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Diese Ausgangslage gilt es zu
nutzen.
Die Enquetekommission des Landtags „Zukunft der chemischen Industrie in
Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf nachhaltige Rohstoffbasen, Produkte und
Produktionsverfahren“ (Ergebnisbericht vom April 20155) hat eine stoffliche Nutzung
der Braunkohle untersucht. Die Enquetekommission empfiehlt die weitere Prüfung
und zu diesem Zweck die Schaffung eines verfahrenstechnischen Lehrstuhls für
Kohlechemie und die Förderung einer Demonstrationsanlage.
5
Abschlussbericht der Enquetekommission zur Zukunft der chemischen Industrie in NordrheinWestfalen im Hinblick auf nachhaltige Rohstoffbasen, Produkte und Produktionsverfahren
(Enquetekommission II) zu dem Auftrag des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 04. Dezember 2012
Drucksache 16/1630 (Neudruck), Stand 17.04.2015.
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Leitentscheidung „Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier“
Stand: 23.09.2015
Zukunftschancen für die Region entstehen auch bereits begleitend zu den
Tagebauen durch die Neugestaltung des Raums durch die großräumige
Rekultivierungsplanung des Braunkohlenausschusses. Besondere touristische
Chancen bieten insbesondere die geplanten Restseen, die einen einzigartigen
Erholungsraum im Rheinischen Revier entstehen lassen. Der Braunkohlenabbau
selbst hinterlässt keine Industriebrachen. Allerdings wird für die vier
Kraftwerkstandorte mittel- bis langfristig eine neue Nutzung zu planen sein.
Die Landesregierung steht zu Ihrer industriepolitischen Verantwortung. Der
Strukturwandel im Rheinischen Revier ist ohne soziale und ökonomische Brüche zu
gestalten. Im Sinne einer vorausschauenden Wirtschaftspolitik hat die
Landesregierung 2011 mit der Innovationsregion Rheinisches Revier (IRR) wichtige
Vorarbeit geleistet. Die IRR soll die unterschiedlichen Player aus Wissenschaft und
Technologieentwicklung mit Unternehmen und Gewerkschaften zusammenbringen
und Entwicklungsperspektiven anhand konkreter Projekte aufzeigen.
Diese Entwicklungsperspektiven für das Rheinische Revier sind von den regional
Handelnden insbesondere von unten („Bottom up“) und gemeinsam zu entwickeln.
Zur Bewältigung des absehbaren Strukturwandels ist es notwendig, dass öffentliche
Akteure untereinander und mit Privaten kooperieren und sich strategisch vernetzen.
Benachbarte Gemeinden, die räumlich und funktional durch den Tagebau verflochten
sind, können Ausgangspunkte für regionale Kooperationen bilden, die beispielhaft
Lösungsansätze für den Strukturwandel entwickeln. Solche regionalen
Entwicklungskonzepte sind in der Regionalplanung wie Fachbeiträge zu
berücksichtigen.
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