Daten
Kommune
Weilerswist
Größe
332 kB
Datum
15.12.2016
Erstellt
20.09.16, 18:01
Aktualisiert
06.12.16, 18:01
Stichworte
Inhalt der Datei
GEMEINDE WEILERSWIST
DIE BÜRGERMEISTERIN
BESCHLUSSVORLAGE
Drucksachen Nr.
V_50/2016
Geschäftszeichen
AZ.:
BO
Betreff
Beanstandung des Ratsbeschlusses vom 25.08.2016 (TOP 4 - Änderung der Zuständigkeitsordnung)
Adressat
Rat der Gemeinde Weilerswist
Beratungsfolge
Rat der Gemeinde Weilerswist
29.09.2016
Rat der Gemeinde Weilerswist
17.11.2016
Rat der Gemeinde Weilerswist
15.12.2016
(X) öffentliche Sitzung
() nichtöffentliche Sitzung
() Anlage(n)
BESCHLUSSVORSCHLAG:
Der Gemeinderat hebt seinen Beschluss vom 25.08.2016 über die Änderung des § 9 der Zuständigkeitsordnung vom 08.07.2016 (TOP 4; s. auch A_33/2016) auf.
Abstimmergebnis:
PROBLEMBESCHREIBUNG/BEGRÜNDUNG:
Mit Schreiben vom 11.08.2016 beantragen die Fraktionen der CDU, SPD und FDP eine Änderung
der Zuständigkeitsordnung hinsichtlich der Kompetenzen der Bürgermeisterin (§ 9 der Zuständigkeitsordnung vom 08.07.2016).
Der Rat hat daraufhin in seiner Sitzung am 11.08.2016 mit 16 Ja-Stimmen, 7 Enthaltungen und 5
Nein-Stimmen beschlossen, den § 9 der Zuständigkeitsordnung wie folgt neu zu fassen:
§ 9 Bürgermeisterin
1.
2.
3.
4.
5.
6.
die Zustimmungen der Gemeinde nach baurechtlichen Vorschriften,
den Erlass von Geldforderungen bis zu 1.000 €,
die An- oder Verpachtung von Grundstücken mit einer jährlichen Pacht bis zu 1.000 €,
Begründung von Erbbaurechten mit einem jährlichen Entgelt bis zu 1.000 €,
Vergaben und den Abschluss von sonstigen Rechtsgeschäften bis zu 1.000 €,
alle Vergaben an den Mindestfordernden, wenn der Rat oder ein Ausschuss die Planung für
das Vorhaben genehmigt hat, entsprechende Haushaltmittel hierfür bereitgestellt wurden und
zuvor eine Ausschreibung nach vergaberechtlichen Vorschriften stattgefunden hat. Den zuständigen Ausschüssen ist vierteljährlich über die erfolgten Vergaben über 1.000 € schriftlich
zu berichten,
7. Kosten für Öffentlichkeitsarbeit bis zu 50,00 €.
Beanstandung des Ratsbeschlusses vom 25.08.2016 (TOP 4 - Änderung der Zuständigkeitsordnung)
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Mit Schreiben vom 15.08.2016 hat die Bürgermeisterin diesem Beschluss gem. § 54 Abs. 1 der
Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) widersprochen, weil sie der Auffassung ist, dass der Beschluss das Wohl der Gemeinde gefährdet. Zur Begründung dieser Auffassung wird auf die Beschlussvorlage A_33/2016 1. Ergänzung verwiesen.
Der Rat hat sich in seiner Sitzung am 25.08.2016 erneut mit der Thematik befasst und hat mit 20
Ja-Stimmen, 1 Enthaltung und 8 Nein-Stimmen seinen Beschluss vom 11.08.2016 nicht geändert.
In der Ratssitzung am 25.08.2016 hatte die Bürgermeisterin bereits angekündigt, dass sie den
Beschluss sodann gem. § 54 Abs. 2 GO NRW beanstanden werde, weil sie der Auffassung ist,
dass er geltendes Recht verletzt.
Der Beschluss des Rates vom 25.08.2016 zur Änderung des § 9 der Zuständigkeitsordnung
vom 08.07.2016 wird hiermit gem. § 54 Abs. 2 GO NRW beanstandet.
Der Städte- und Gemeindebund NRW (StGB NRW) wurde gebeten, die Frage der Rechtswidrigkeit
des v.g. Ratsbeschlusses zu beurteilen.
Mit beigefügtem Schreiben vom 21.09.2016 nimmt der StGB NRW hierzu Stellung und kommt zu
dem Ergebnis, dass der Ratsbeschluss vom 25.08.2016 zur Änderung des § 9 der Zuständigkeitsordnung vom 08.07.2016 als rechtswidrig einzustufen und damit zu beanstanden ist.
Zur Begründung führt der StGB NRW aus:
1. „Eine Absenkung auf 1.000 Euro erscheint aus unserer Sicht nicht mehr zulässig zu sein. Die
Tatsache, dass der Bürgermeisterin durch § 41 Abs. 3 GO NRW die Geschäfte der laufenden
Verwaltung zugewiesen sind, zeigt auch die grundsätzliche Systematik auf: die Bürgermeisterin ist die demokratisch legitimierte hauptamtliche Leiterin der Verwaltung und damit auch
überwiegend für die Geschäfte der laufenden Verwaltung zuständig (…). Daher ist es nach unserer Einschätzung nicht möglich, dass die Wertgrenze für alle Geschäfte derart gesenkt wird,
dass es faktisch dazu kommt, dass die Bürgermeisterin die Geschäfte der laufenden Verwaltung nicht mehr alleine ausführen kann.“
2. „Eine Reduzierung von 10.000 auf 1.000 Euro würde unserer Einschätzung nach auch dem
Grundsatz der Organtreue widersprechen. Dieser für das Grundgesetz entwickelte Grundsatz,
der auch für die Gemeindeordnung gilt, besagt, dass sich die Kommunalverfassungsorgane im
Verhältnis zueinander so zu verhalten haben, dass sie ihre kommunalverfassungsrechtlichen
Zuständigkeiten verantwortlich und gewissenhaft ausüben können. Vielmehr müssen Rat und
Bürgermeisterin so gegenseitig Rücksicht aufeinander nehmen, dass jedes Organ seine eigenen Aufgaben noch hinreichend wahrnehmen kann (…). So obliegt der Bürgermeisterin als Leiterin der Verwaltung die Leitung und Beaufsichtigung des Geschäftsgangs nach § 62 Abs. 1
Satz 2 GO NRW sowie die Leitung und Verteilung der Geschäfte nach § 62 Abs. 1 Satz 3 GO
NRW, die ihr auch nicht entzogen werden kann.“
Zum Grundsatz der „Organtreue“ 1:
Zu den wesentlichen Akteuren in der Gemeinde gehören in erster Linie die bei den Kommunalwahlen unmittelbar gewählten Organe. Nach dem Demokratieprinzip sind diese unmittelbar demokratisch legitimiert und
müssen daher auch entsprechend hervorgehobene Kompetenzen haben. Es handelt sich hierbei primär um
den Rat und die Bürgermeisterin.
In § 40 Abs. 2 S. 1 GO NRW ist deshalb konsequenterweise auch formuliert: „Die Bürgerschaft wird durch
den Rat und die Bürgermeisterin vertreten.“ Man spricht insoweit von einem Zwei-Säulen-Modell in der
nordrhein-westfälischen Gemeindeverfassung, d.h. dass der Gesetzgeber neben dem Rat mit der direkt gewählten Bürgermeisterin eine zweite gleichwertige Säule demokratisch legitimierter Repräsentanz der Bürgerschaft errichtet hat.
1
Frank Bätge: Kommunalrecht NRW, 4. Auflage, 2016, S. 104 ff.
Beanstandung des Ratsbeschlusses vom 25.08.2016 (TOP 4 - Änderung der Zuständigkeitsordnung)
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Die Bürgermeisterin hat innerhalb der Gemeinde eine Doppelstellung. Zum einen ist sie Mitglied und Vorsitzende des Rates und zum anderen Chefin der Verwaltung (§§ 62 ff. GO NRW). Als Vorsitzende des Rates
leitet sie die Sitzungen und vertritt den Rat nach außen. Da sie auch Mitglied kraft Gesetzes ist, hat sie -außer
in den Fällen des § 40 Abs. 2 S. 6 GO NRW- im Rat Stimmrecht. Als Chefin der Verwaltung ist sie insbesondere Dienstvorgesetzte des Verwaltungspersonals, leitet und verteilt die Geschäfte und ist gesetzliche
Vertreterin der Gemeinde.
Die gemeindlichen Organe unterliegen bei der Ausübung ihrer Kompetenzen untereinander dem Grundsatz
der Organtreue. Die Pflicht zur Organtreue wurzelt in dem verfassungsrechtlichen Gebot der gegenseitigen
Rücksichtnahme sowie in dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben. Sie
kann aber weder zu einem Verstoß noch zu einer Verdrängung von gesetzlich eingeräumten Kompetenzen
führen.
Aus dem Grundsatz der Organtreue folgt die Unzulässigkeit rechtsmissbräuchlichen Handelns und die
Pflicht zur Berücksichtigung der Auffassung des anderen Organs bei der eigenen Entscheidungsfindung.
Umgekehrt sind Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Verfahrensgestaltung eines Gemeindeorgans von
dem dadurch betroffenen Organ in der verfahrensrechtlich gebotenen Form geltend zu machen.
Zudem weist der StGB NRW darauf hin, dass es dem Rat seiner „Einschätzung nach bei einer
derart großen Anzahl von Fällen, die im Bereich zwischen 1.000 und 10.000 Euro liegen, faktisch
gar nicht möglich sein wird, sich inhaltlich mit all den Vorgängen angemessen zu befassen.“
Eine Auswertung der Buchhaltung des Jahres 2015 hat gezeigt, dass sich der Rat mit etwa 300
zusätzlichen Entscheidungen befassen müsste.
Verwaltungsseitig müsste zu jeder Entscheidung eine Beschlussvorlage gefertigt werden. Bei einer
mittleren Bearbeitungszeit von zwei Stunden je Beschlussvorlage und einem durchschnittlichen
Personalkostenstundensatz von 61,30 Euro2 würden damit zusätzliche Kosten in Höhe von rd.
37.000 Euro pro Jahr entstehen. Das würde einem Personalmehrbedarf von 37% einer Vollzeitstelle entsprechen.
Ebenso würden Kosten für die zusätzlich notwendigen Ratssitzungen anfallen. Unterstellt in jeder
turnusmäßigen und jeder zusätzlichen Ratssitzung würden 10 durch die Absenkung der Wertgrenzen bedingten Entscheidungen getroffen, müssten durchschnittlich 24 Ratssitzungen zusätzlich
stattfinden. Die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung einer Ratssitzung kostet rd. 3.000
Euro. Somit würden für die zusätzlich notwendigen Ratssitzungen Kosten in Höhe von 72.000 Euro
pro Jahr entstehen.
Damit dürfte auch ein Verstoß gegen den in § 75 Abs. 1 GO NRW kodifizierten Grundsatz der wirtschaftlichen, effizienten und sparsamen Haushaltsführung vorliegen. Denn letztlich liegt es im Ermessen des Rates, durch eine Veränderung der Wertgrenzen finanziellen Zusatzaufwand zu vermeiden und effizientes Verwaltungshandeln zu fördern.
Weiteres Verfahren:
Die Beanstandung der Bürgermeisterin hat hinsichtlich der Pflicht zur Durchführung des Ratsbeschlusses vom 25.08.2016 aufschiebende Wirkung (§ 54 Abs. 2 S. 2 GO NRW). Das bedeutet, dass zunächst die Regelungen der Zuständigkeitsordnung vom 08.07.2016 wieder Gültigkeit haben.
2
Beschließt der Rat die Aufhebung seines Beschlusses vom 25.08.2016, ist das Beanstandungsverfahren beendet und die Zuständigkeitsordnung vom 08.07.2016 gilt weiter fort.
Quelle: KGSt-Bericht Nr 16/2016 (Kosten eines Arbeitsplatzes 2015/2016)
Beanstandung des Ratsbeschlusses vom 25.08.2016 (TOP 4 - Änderung der Zuständigkeitsordnung)
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Verbleibt der Rat trotz der Beanstandung bei seinem Beschluss vom 25.08.2016, so hat die
Bürgermeisterin zu dieser Frage unverzüglich die Entscheidung der Aufsichtsbehörde einzuholen (§ 54 Abs. 2 S. 4 GO NRW). Die aufschiebende Wirkung der Beanstandung bleibt in diesem Fall bestehen, bis die Entscheidung der Aufsichtsbehörde der Bürgermeisterin vorliegt.
Dem folgt, dass solange die Regelungen der Zuständigkeitsordnung vom 08.07.2016 gelten.
Die Aufsichtsbehörde muss innerhalb einer angemessenen Frist über die Beanstandung entscheiden.
Hebt die Aufsichtsbehörde den Ratsbeschluss vom 25.08.2016 auf, so gilt die Zuständigkeitsordnung vom 08.07.2016 unverändert fort. Der Rat kann im Namen der Gemeinde gegen die
Aufhebungsverfügung Rechtsmittel einlegen. Die aufschiebende Wirkung der Beanstandung
dauert in diesem Fall fort.
Hebt die Aufsichtsbehörde den Ratsbeschluss vom 25.08.2016 nicht auf, sondern bestätigt
diesen, so endet das Beanstandungsverfahren und die aufschiebende Wirkung der Beanstandung entfällt.
Die Bürgermeisterin ist nunmehr zur Durchführung des Beschlusses verpflichtet. Das würde
bedeuten, dass die Zuständigkeitsordnung in der Fassung des Ratsbeschlusses vom
25.08.2016 gültig und anzuwenden wäre.
Der Bürgermeisterin steht dann kein Recht zu, die Entscheidung der Aufsichtsbehörde gerichtlich überprüfen zu lassen, denn die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit des Beschlusses
liegt nach der Entscheidung bei der Aufsichtsbehörde selbst.
Beanstandung des Ratsbeschlusses vom 25.08.2016 (TOP 4 - Änderung der Zuständigkeitsordnung)
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HAUSHALTSWIRTSCHAFTLICHE AUSWIRKUNGEN:
Der Beschluss hat haushaltswirtschaftliche Auswirkungen:
wenn ja:
ja
nein
€
Finanzierungsbedarf gesamt:
davon:
im Haushalt des laufenden Jahres
€
in den Haushalten der folgenden Jahre
- erstes Folgejahr
€
- zweites Folgejahr
€
- drittes Folgejahr
€
Die Mittel stehen haushaltsrechtlich zur Verfügung:
wenn ja:
Produkt / Kostenstelle / Sachkonto:
wenn nein:
Finanzierungsvorschlag:
Demografie-Check
durchgeführt
ja
nein
nicht relevant
53919 Weilerswist, den 26.09.2016
Aufgestellt
Mitunterzeichner
Bürgermeisterin
Beigeordneter
Kämmerer
(wenn Beschluss haushaltsrechtlich relevant)