Daten
Kommune
Kreis Euskirchen
Größe
105 kB
Datum
16.11.2017
Erstellt
22.02.18, 11:02
Aktualisiert
22.02.18, 11:02
Stichworte
Inhalt der Datei
BESCHLUSS
über das Ergebnis der Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit am
16.11.2017 im Sitzungssaal 2 des Kreishauses in Euskirchen, Jülicher Ring 32
TOP 4
Feststellungsverfahren nach dem Schwerbehindertenrecht
hier: Anfrage der Fraktion DIE LINKE
Herr Bell, Die LINKE, bedankt sich bei der Verwaltung für die
Beantwortung der Fragen, stellt allerdings fest, dass auch diese
Antworten aus seiner Sicht nicht abschließend zufriedenstellend
ausgefallen sind. Es sei insbesondere bedauerlich, dass ein
interkommunaler Vergleich hinsichtlich der Widerspruchszahlen im
Schwerbehindertenrecht nicht möglich sei.
Herr Bell führt weiter aus, dass die Zahl der erhobenen Widersprüche
zwar rückläufig, insgesamt aber noch zu hoch erscheine. Die hohe
Anzahl an begründeten Widersprüchen (Abhilfen) deute zudem darauf
hin, dass zuvor eine zu hohe Anzahl berechtigter Anträge abgelehnt
worden sei.
Er bedauert, dass weder Zahlen über erfolgreiche Widerspruchs- und
Klageverfahren vorgelegt, noch Angaben zu den jeweiligen
Ablehnungsgründen gemacht werden können. Zudem kritisiert er den in
der Beantwortung der Verwaltung verwendeten Begriff der
„Feststellungsquote“, die es nach dem landesweiten BenchmarkingBericht zu „erfüllen“ gilt. Dieser Begriff verkenne, dass hinter den
Einzelfällen menschliche Schicksale stehen.
Herr Poth führt hierzu aus, dass es sich bei dem Verwaltungsverfahren
zur Feststellung von Schwerbehinderung um ein Massengeschäft
handelt und die Gesamtsituation auch von der Verwaltung als nicht
zufriedenstellend empfunden wird. Insbesondere personelle Engpässe
haben in der Vergangenheit zu längeren Bearbeitungszeiten geführt und
die Vielzahl der eingehenden Anträge erschwere die angemessene
Würdigung von Einzelschicksalen.
Die Probleme sind der Verwaltung jedoch bekannt und werden
durchgängig beobachtet. Durch Nachsteuern soll die Qualität und
Quantität der Bearbeitung erhöht werden. Hierbei werde auch die
personelle Ausstattung auf den Prüfstand gestellt.
Meist führten fehlende materielle Voraussetzungen (fehlende
gesundheitliche Beeinträchtigungen) zu Ablehnungen; formale Gründe
(fehlende Mitwirkung) spielten dagegen kaum eine Rolle.
Frau Topf, Teamkoordinatorin der Schwerbehindertenstelle, weist
darauf hin, dass die Erfassung von Ablehnungsgründen systemseitig
nicht möglich sei und eine Auswertung auf Grund der vielfältigen
Ablehnungsgründe möglicherweise auch dann nicht aussagekräftig sein
würde, wenn die technischen Voraussetzungen vorliegen würden.
Frau Topf führt zudem aus, dass sich die Zahl der Widersprüche auf alle
Verfahren, d.h. sowohl Erst- als auch Änderungsanträge und Bescheide
F 39/2017
in Nachprüfungsverfahren beziehe.
Die Zahl an abgeholfenen Widersprüchen ist insbesondere deshalb so
hoch, weil in zahlreichen Verfahren gesundheitliche Einschränkungen
erst nach Erlass eines Ablehnungsbescheides bekannt gegeben werden.
Da somit entscheidungserhebliche ärztliche Befunde erst im
Widerspruchsverfahren berücksichtigt werden können, entstehe eine
hohe Anzahl an Abhilfen.
Zudem handelt es sich bei der mitgeteilten Anzahl an Abhilfen nicht
immer um „Vollabhilfen“ sondern vielfach lediglich auch um teilweise
Abhilfen (insbesondere Erhöhung des Grades der Behinderung).
Da sich die Anfrage der Fraktion der LINKEN nicht auf Zahlen zu
gerichtlichen Klageverfahren im Schwerbehindertenrecht bezog, enthielt
die Antwort der Verwaltung hierzu keine Angaben.
Die entsprechenden Zahlen zu den Klagen werden in dieser
Niederschrift nachstehend nachgereicht:
Klagen:
Die Zahl der Klagen bezieht sich auf alle durch Widerspruchsbescheid
abgeschlossenen Verfahren.
erhobene Klagen
erledigte Klagen
davon durch
Vergleich/
Anerkenntnis
davon durch
Verurteilung
2014
190
134
60,45 %
2015
177
187
64,17 %
2016
103
147
62,90 %
5,22 %
2,14 %
0,68 %
Unter Verurteilung werden Klagen erfasst, in denen die Kreisverwaltung
durch Urteil zum Erlass eines neuen Bescheides verpflichtet wird.
Beim Abschluss durch Vergleich/Anerkenntnis wird die Klage nicht
durch ein Urteil abgeschlossen. Hier sind auch Verfahren erfasst, in
denen das ursprüngliche Klagebegehren höher war, als die Feststellung,
die aufgrund des Vergleiches/Anerkenntnisses getroffen wird.
Herr Vermöhlen merkt an, dass die vorgelegten Zahlen zu
Änderungsanträgen aus dem Jahr 2015, die sich auf die Anerkennung
eines Grades der Behinderung größer/gleich 50% beziehen nicht
plausibel sind.
Es wird hierzu festgestellt, dass die vorgelegte Fallzahlenübersicht an
dieser Stelle fehlerhaft ist und eine korrigierte Fassung der Niederschrift
beigefügt wird (s. Anlage).
Zur besseren Vergleichbarkeit wünscht sich Herr Heller, SPD,
entsprechende Auswertungen aus anderen Kreisen, die allerdings von
der Verwaltung nicht vorgelegt werden können.
Herr Fiebrich, Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, bemängelt, dass die Zahlen
zum Schwerbehindertenrecht keine Differenzierung nach
Krankheitsbildern, insbesondere psychische Erkrankungen, enthalten.
Herr Poth teilt hierzu mit, dass weitergehende Differenzierungen dieser
Zahlen aus technischen Gründen nicht möglich sind. Zudem vertrete er
den Standpunkt, dass den Anliegen der betroffenen Bürger eher durch
die Bearbeitung von Anträgen als durch die Erstellung umfangreicher
Statistiken entsprochen werde.
Herr Dr. Ziemer, Abteilungsleiter Gesundheit, stellt klar, dass die
Tätigkeit der Gutachter nach bestem Wissen erfolge und keineswegs in
der vorrangigen Absicht, Anträge abzulehnen. Die Auslastung der
Gutachter hänge in erster Linie von der Anzahl der gestellten Anträge
ab. Hierbei könne es auch durch Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt
zu Belastungsspitzen kommen (Beispiel: Schließung des OPEL-Werks
Bochum). Darüber hinaus wird die gutachterliche Tätigkeit dadurch
erschwert, dass vielfach Befunde nicht vorliegen und daher
Begutachtungen durchgeführt werden müssen. Schließlich bestehe im
Schwerbehindertenrecht die Schwierigkeit, dass sich das festzustellende
Ergebnis nicht nach den vorliegenden Diagnosen sondern allein nach
den tatsächlich bestehenden Beeinträchtigungen bestimmt. Dieser
Umstand sei betroffenen Personen nicht immer ohne weiteres
vermittelbar. Demnach können Personen mit der gleichen Diagnose
unterschiedliche Einschränkungen und somit auch einen voneinander
abweichenden Grad der Behinderung haben.
Herr Vermöhlen teilt diese Einschätzung, merkt aber an, dass mehr
Antragsteller begutachtet werden müssten, gerade weil sich gleiche
Diagnosen unterschiedlich auswirken. Zudem sei es für betroffene
Menschen oft nicht nachvollziehbar, warum nach den
versorgungsmedizinischen Vorgaben so streng zu begutachten ist.
Herr Ziemer entgegnet hierauf, dass eine Ausweitung der persönlichen
Begutachtungen aus personellen Gründen nicht zu leisten ist, da diese
sehr zeitaufwändig sind. Zudem würde auch eine höhere Anzahl an
Begutachtungen das Problem vereinzelt subjektiv empfundener
Ungerechtigkeit nicht beheben können.
Herr Fiebrich erkundigt sich danach, ob es für die im
Schwerbehindertenrecht tätigen Mitarbeiter auch Hilfsangebote zur
Gesunderhaltung (z.B. Supervision) gebe.
Herr Dr. Ziemer teilt hierzu mit, dass entsprechende Angebote für
die Belegschaft jederzeit bestehen. Allerdings existiere ein guter
interpersoneller Austausch, so dass ein speziell aus der Tätigkeit
im Schwerbehindertenrecht resultierender Bedarf bislang nicht
festgestellt werden konnte.