Daten
Kommune
Weilerswist
Größe
158 kB
Datum
26.04.2018
Erstellt
17.04.18, 18:01
Aktualisiert
17.04.18, 18:01
Stichworte
Inhalt der Datei
GEMEINDE WEILERSWIST
DIE BÜRGERMEISTERIN
MITTEILUNGSVORLAGE
Drucksachen Nr.
A_15/2018 1. Ergänzung
Geschäftszeichen
AZ.:
FB 3
40 10 00
Betreff
Gender Mainstreaming in der Schule
Adressat
Ausschuss für Bildung, Jugend und Soziales
Beratungsfolge
Ausschuss für Bildung, Jugend und Soziales
(X) öffentliche Sitzung
() nichtöffentliche Sitzung
26.04.2018
(1) Anlage
Der Ausschuss für Bildung, Jugend und Soziales nimmt die nachfolgenden Ausführungen zur
Kenntnis.
SACHVERHALT:
Mit Schreiben vom 22.03.2018 beantragte die Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Rat der Gemeinde Weilerswist, das Thema „Gender-Mainstreaming“ in der Schule vorzustellen und wie es im Unterricht Anwendung findet.
Zur Erläuterung des Begriffs und weiteren Hintergrundinformationen verweist die Bürgermeisterin
auf die nachfolgenden Ausführungen:
Gender-Mainstreaming, auch Gender Mainstreaming geschrieben, ist eine Strategie zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter. Gender-Mainstreaming bedeutet, die unterschiedlichen
Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern bei allen Entscheidungen auf allen
gesellschaftlichen Ebenen zu berücksichtigen, um so die Gleichstellung durchzusetzen. Der Begriff
wurde erstmals 1985 auf der 3. UN-Weltfrauenkonferenz in Nairobi diskutiert und zehn Jahre später auf der 4. UN-Weltfrauenkonferenz in Peking weiterentwickelt. Katalysator für die wiederholte
Beschäftigung der UN mit der Frage der Geschlechtergerechtigkeit war nicht zuletzt das gestiegene Problemverständnis innerhalb der Weltgemeinschaft angesichts der Massenvergewaltigungen
während des Jugoslawienkrieges und im Zuge des Genozids in Ruanda. Seit dem Vertrag von
Amsterdam von 1997/1999 ist Gender-Mainstreaming zudem ein erklärtes Ziel der Europäischen
Union. Gender-Mainstreaming unterscheidet sich von Frauenpolitik dadurch, dass sie eine umfassendere und präventive Strategie ist, um Ungleichbehandlungen von Frauen und Männern von
vornherein in allen Bereichen zu verhindern, während die Frauen- bzw. Gleichstellungspolitik als
Strategie überwiegend korrektiv eingesetzt wird, um bestehenden Benachteiligungen entgegenzuwirken. Ein weiterer Unterschied ist, dass für die Umsetzung von Frauen- bzw. Gleichstellungspolitik wenige, speziell damit beauftragte Personen zuständig sind (z. B. die Gleichstellungsbeauftragten in einem Unternehmen), wohingegen Gender-Mainstreaming sich als Aufgabe an alle Beteiligten (z. B. in einem Unternehmen) richtet. Gender-Mainstreaming wird meist in öffentlichen Einrichtungen, z. B. in Bibliotheken, eingesetzt, während in der Privatwirtschaft Diversity Management als
Konzept zur Umsetzung von Chancengleichheit verwendet wird. Der Aspekt Gender im Diversity
Management wird auch als Gender Diversity bezeichnet.
Gender Mainstreaming in der Schule
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Worterklärung und Übersetzung
Der englische Ausdruck gender bezeichnet das soziale oder psychologische Geschlecht einer
Person im Unterschied zu ihrem biologischen Geschlecht (engl. sex), eine Unterscheidung, die
heute auch im Deutschen gängig ist. Gender wird mithin als durch Menschen gemachte, soziale
Realität gesehen und nicht als natürlich gegebenes Faktum. Diese Form der Geschlechtlichkeit
entsteht und verändert sich gesellschaftlich, also in der Interaktion zwischen Individuum, Gruppe
und Gesellschaft. „Mainstreaming“ (von engl. mainstream „Hauptströmung“) bezeichnet die Strategie, ein Thema in den „Hauptstrom“ der Politik zu bringen. Konkret bedeutet GenderMainstreaming nach der Definition der Vereinten Nationen, bei jeder staatlichen Aktion grundsätzlich auch die geschlechtsspezifischen Folgen abzuschätzen und zu bewerten. Die Strategie zielt
auf eine Gleichstellung der Geschlechter in allen gesellschaftlichen Bereichen, um so dem Fortbestehen von Geschlechterungleichheit entgegenzuwirken. Entsprechend wird GenderMainstreaming auch als Querschnittsaufgabe verstanden, die nicht nur einen bestimmten Bereich
in einer Organisation anbelangt, etwa eine Gleichstellungsbeauftragte, sondern sich an alle Menschen in dieser Organisation richtet. Gender-Mainstreaming wird oft mit „durchgängige Gleichstellungsorientierung“ übersetzt. Bei den Behörden der Europäischen Union werden für die Übersetzungen auch folgende Formulierungen verwendet: „geschlechtersensible Folgenabschätzung“,
„gleichstellungsorientierte Politik“ oder einfach „Gleichstellungspolitik“. Mit Bezug auf die zentrale
Formel der Pekinger Weltfrauenkonferenz von 1995 – „mainstreaming a gender perspective in all
policies and programmes“ - kann Gender-Mainstreaming auch mit „umfassender Implementierung
einer Gender-Perspektive“ übersetzt werden.
Aufgaben
Von der These ausgehend, dass es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gebe, ist GenderMainstreaming gemäß einer Broschüre des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend der Bundesrepublik Deutschland (2002) ein Auftrag an die Spitze einer Verwaltung, einer
Organisation, eines Unternehmens und an alle Beschäftigten, die unterschiedlichen Interessen und
Lebenssituationen von Frauen und Männern in der Struktur, in der Gestaltung von Prozessen und
Arbeitsabläufen, in den Ergebnissen und Produkten, in der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit und in der Steuerung (Controlling) von vornherein zu berücksichtigen, um das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern effektiv verwirklichen zu können. Zu den von der EU als Strategie für die Jahre 2010 bis 2015 definierten Aufgaben des Gender-Mainstreamings gehört es, die
Hindernisse zu beseitigen, die dazu führen, „dass die Wirtschaft ihr Potenzial nicht ausschöpfen
kann und wertvolle Begabungen [der Frauen] ungenutzt bleiben“. So besteht die Aufgabe des
Gender-Mainstreaming darin, den Blick weg von „den Frauen“ - also sogenannten „frauenspezifischen“ Problemen oder Politikfeldern - auf „die Geschlechter“ allgemein zu richten, damit eine geschlechtersensible Perspektive in alle sozio-politischen und wirtschaftlichen Bereiche integriert und
somit eine Gleichstellung der Geschlechter von allen in allen Bereichen gefordert werden kann.
Rechtliche Grundlagen
Situation in Deutschland
Sowohl im Recht der Europäischen Union als auch im nationalen Verfassungsrecht und in Bundesgesetzen in Deutschland ist aktive Gleichstellungspolitik verankert, die im Sinne des GenderMainstreaming interpretiert wird. Die Umsetzung des konzeptionell eher schwachen Instruments
des Gender-Mainstreaming bleibt aber trotz seiner Festschreibung in der Europäischen Union weiterhin nationale Aufgabe, so dass die Implementierung von Gender-Mainstreaming international
erhebliche Unterschiede aufzeigt. Die normativen gleichstellungspolitischen Standards und juristischen Regelungen gegen die Geschlechterdiskriminierung und für die Gleichstellung der Geschlechter sind in der gesamten EU in vielen Bereichen zwar weitreichend und verbindlich, aber
die Umsetzung liegt oftmals weit hinter den rechtlichen Standards und ist stark vom politischen
Willen der Regierungen sowie der politischen Kultur der einzelnen Länder abhängig.
Gender Mainstreaming in der Schule
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Zu den Rechtsgrundlagen zählen:
Artikel 2 des Amsterdamer Vertrags, in Kraft getreten am 01.Mai 1999:
„Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer
Wirtschafts- und Währungsunion sowie durch die Durchführung der in den Artikeln 3 und 4 genannten gemeinsamen Politiken und Maßnahmen in der ganzen Gemeinschaft […] die Gleichstellung von Männern und Frauen […] zu fördern.“ Dies bedeutet in der Praxis eine erhöhte Integration
von Frauen in den europäischen Arbeitsmarkt.
Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz:
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der
Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile
hin.“ Mit Satz 2 dieses Absatzes, der 1994 hinzugefügt wurde, wird der Staat ausdrücklich in die
Pflicht genommen, aktiv tätig zu werden.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Mitteilung der Kommission „Einbindung der
Chancengleichheit in sämtliche politischen Konzepte und Maßnahmen der Gemeinschaft“ (PDF).
KOM (96) 67. Brüssel, 21. Februar 1996
„Hierbei geht es darum, die Bemühungen um das Vorantreiben der Chancengleichheit nicht auf die
Durchführung von Sondermaßnahmen für Frauen zu beschränken, sondern zur Verwirklichung der
Gleichberechtigung ausdrücklich sämtliche allgemeinen politischen Konzepte und Maßnahmen
einzuspannen, indem nämlich die etwaigen Auswirkungen auf die Situation der Frauen bzw. der
Männer bereits in der Konzeptionsphase aktiv und erkennbar integriert werden („gender perspective“). Dies setzt voraus, dass diese politischen Konzepte und Maßnahmen systematisch hinterfragt
und die etwaigen Auswirkungen bei der Festlegung und Umsetzung berücksichtigt werden.“
Methoden
In einer Expertise der Politikberaterin Barbara Stiegler aus dem Jahre 2000 werden einige Verfahren vorgestellt, wie Gender-Mainstreaming realisiert werden kann, und zwar durch:
Aufstellung geschlechtsspezifischer Statistiken
Kosten-Nutzen-Analysen nach Geschlecht und Geschlechterrollen
Erarbeitung von Gender-Analysen
Checklisten
Die 3-R-Methode: Unter den drei Kategorien Repräsentation, Ressourcen und Realität wird jede
politische Maßnahme geprüft.
Das Gleichstellungs-Controlling als betriebswirtschaftliches Instrument des GenderMainstreaming.
Schwierigkeiten bei der Umsetzung
Es wird erwartet, dass die konsequente Umsetzung des Gender-Mainstreaming-Gedankens in
Europa noch einige Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird, da die Integration des Gleichstellungsziels in ganz normale Arbeitsroutinen anspruchsvoll sei: Es bedürfe der institutionellen Verankerung von Gender-Mainstreaming, um die Umsetzung zu organisieren, es bedürfe der Genderkompetenz sowohl der Leitung als auch der Mitarbeiter in einer Organisation und es bedürfe geschlechtsdifferenzierter Daten. Der Blick auf die Berücksichtigung aller Gender bei allen Maßnahmen und Programmen müsse zunächst geübt werden und auch bei den Fällen, bei denen unter
Umständen gender-spezifische Ausgangsbedingungen nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind,
zum Ausgangspunkt der Entscheidungen gemacht werden. Ohne einführende Schulung und ohne
genderdifferenzierte Daten, so die Bundesministerien, würden Gender-Mainstreaming-Instrumente
die Gefahr bergen, dass die Anwender Geschlechterverhältnisse nicht gründlich hinterfragen und
analysieren, sondern stattdessen Stereotype und traditionelle Rollenerwartungen festgeschrieben
werden. Statt der Gleichstellungsziele „Freiheit von Diskriminierung“, „gleiche Teilhabe“ und „echte
Wahlfreiheit“ würden dann geschlechtliche Zuschreibungen festgeschrieben. Mit Blick auf die realpolitische Ebene wird des Weiteren bemängelt, dass es sich bei der Verankerung von Gender-
Gender Mainstreaming in der Schule
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Mainstreaming in Gesetzes- oder Verfassungstexten meist lediglich um soft laws handelt, die im
Gegensatz zu zielgerichteten Frauen-/Gleichstellungspolitiken konzeptionell unklar blieben und
meist keine einklagbaren Leitlinien seien. So ließen sich trotz der Festschreibung von GenderMainstreaming als Leitlinie der EU-Politik in allen Ländern Diskrepanzen zwischen Theorie und
Praxis, zwischen den Rechtsnormen und der Realität erkennen. So stelle die Frage der Umsetzung der europäischen Gleichstellungsstandards für die wenig vernetzten europäischen Frauenorganisationen und frauen- und geschlechterpolitischen Akteure in Wissenschaft, Wirtschaft, Parteien und Zivilgesellschaft eine große Herausforderung dar.
Mit E-Mail vom 12.04.2018 verwies der Leiter des Grundschulverbunds Erft-Swist im Namen aller
Grundschulleitungen auf das bestehende Konzept des Schulministeriums zum GenderMainstreaming und teilte mit, dass alle Schulen nach diesen Richtlinien arbeiten und dabei die
Einzigartigkeit, die Individualität aller Mädchen und Jungen in ihrer Verschiedenheit wertschätzen.
Ebenso fördern alle Schulen das Aufbrechen der Beschränkung der traditionellen Rollenerwartung
an die Kinder. Das Gleiche gilt nach telefonischer Auskunft auch für die Gesamtschule. Das Konzept des Schulministeriums ist als Anlage beigefügt.
53919 Weilerswist, den 12.04.2018
Aufgestellt
gez. Lukes
Mitunterzeichner
gez. Horst
Bürgermeisterin
gez. Strotkötter
Beigeordneter
Kämmerer
(wenn Beschluss haushaltsrechtlich relevant)