Daten
Kommune
Erftstadt
Größe
161 kB
Datum
04.07.2018
Erstellt
21.06.18, 15:03
Aktualisiert
21.06.18, 15:03
Stichworte
Inhalt der Datei
.
Stadtverwaltung Postfach 2565 50359 Erftstadt
Stadtverwaltung Holzdamm 10 50374 Erftstadt
Herrn StV
Bernd Bohlen
Lambertusstraße 69
50374 Erftstadt
.
nachrichtlich
allen Stadtverordneten
Dienststelle
Telefax 02235/409-505
Ansprechpartner/-in
Telefon-Durchwahl
Amt für Soziales, Wohnen, Integration und Senioren
Holzdamm 10
0 22 35 / 409-115
Mein Zeichen
Ihr Zeichen
Fr. Röttgen
18.05.2018
gez. Erner, Bürgermeister
BM / Dezernent
Amtsleiter
Ihre Anfrage vom 24.05.2018
Rat
Betrifft:
Datum
öffentlich
F 273/2018
04.07.2018
Anfrage bzgl. Sicherheit in den Flüchtlingsunterkünften
Sehr geehrter Herr Bohlen,
Ihre Anfrage beantworte ich wie folgt:
1. Was genau ist passiert?
Am 08.05.2018 gegen 12:00 Uhr hat ein geduldeter und ausreisepflichtiger Bewohner aus Guinea
in der Gemeinschaftsunterkunft Brabanter Weg 1 einen ebenfalls aus Guinea stammenden Asylbewerber, während er schlief mit einem Messer attackiert und mehrere Schnitt- und Stichverletzungen am Oberkörper, beigebracht. Der Geschädigte wurde im Krankenhaus versorgt und konnte
bereits am nächsten Tag entlassen werden. Der Beschuldigte wurde am 08.05.2018 von der Polizei in Gewahrsam genommen. Es wurde Anzeige wegen Körperverletzung durch den Geschädigten erstattet. Nach erfolgter Gefährderansprache wurde er am nächsten Tag entlassen. Da der
Fachdienst Migration und die Polizei starke Bedenken hatten, dass es zu einem erneuten Übergriff
oder Racheakt kommen könnte, erfolgte eine räumliche Trennung der Kontrahenten. Der Geschädigte wurde in die Gemeinschaftsunterkunft Radmacherstr. untergebracht. Der Beschuldigte verblieb im Brabanter Weg. Er ist dort seit dem Vorfall allein in einem Raum untergebracht. Der Container wird täglich durch die Schicht-Einrichtungsbetreuer kontrolliert. Am 11.05.2018 kam es zwischen den beiden Kontrahenten erneut zu einem Übergriff. Die diensthabende SchichtEinrichtungsbetreuerin informierte uns, dass der Geschädigte den Beschuldigten in Lechenich
angetroffen hat und ihn mit einem Messer verfolgt hat. Dieser konnte Zuflucht bei der Polizeiwache
in Lechenich finden und hat dort Anzeige erstattet. Aufgrund dessen wurde am 16.05.2018 in Abstimmung mit der Polizei in Kerpen und der Ausländerbehörde eine Ordnungsverfügung bzgl. einer
Umzugsauflage für den Beschädigten erwirkt, da er sich noch im Asylverfahren befindet. Mit der
Unterstützung der Stadt Hürth, die sich dankenswerter Weise bereit erklärt hat den Geschädigten
aufzunehmen, wurde dieser am 18.05.2018 vorübergehend nach Hürth zugewiesen und dort in
einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht. Die Ausländerbehörde bemüht sich aktuell über die
zuständige Bezirksregierung eine endgültige Umverteilung des Beschädigten in eine weiter entfernt liegende Gemeinde zu erwirken.
2. Welche Maßnahmen hat die Stadt Erftstadt als Betreiber dieser Flüchtlingsunterkünfte im
Vorfeld, aber auch im Nachhinein, getroffen, um Streitigkeiten mit Körperverletzung zu vermeiden?
Seit der Einstellung der drei Einrichtungsbetreuer im Schichtdienst hat sich in den Abendstunden
und an den Wochenenden die Präsenz des städtischen Personals in den Anlagen erhöht. Es finden täglich gemeinsame Kontrollen in den Großanlagen vom Schicht-Hausmeister und SchichtEinrichtungsbetreuer statt. Die Bewohner haben in den drei Schicht-Einrichtungsbetreuern in der
Zeit von 15:30 Uhr bis 00:00 Uhr und ganztägig an Wochenenden und Feiertagen, stets einen
kompetenten Ansprechpartner an den sie sich mit ihren Problemen wenden können und der bei
auftretenden Problemen deeskalierend interveniert.
Generell lässt sich feststellen, dass durch die Präsenz der Schicht-Einrichtungsbetreuer die Sicherheitslage sowie das Sicherheitsgefühl bei den Bewohnerinnen und Bewohner der Großanlagen erheblich verbessert wurde.
Im Rahmen der Gewaltschutzinitiative zum Schutz von Frauen und Kinder in den Anlagen wird
aktuell im Brabanter Weg, als Modellanlage, ein Gewaltschutzkonzept entwickelt und Mindeststandards formuliert. Das Konzept wird bis Ende des Jahres fertiggestellt und den entsprechenden
Ratsgremien vorgestellt. Die Stadt Erftstadt hatte sich für das Modellprojekt beworben und den
Zuschlag erhalten. Die Stelle der Gewaltschutzkoordinatorin, die dieses Konzept z.Z. entwickelt
läuft Ende 2018 aus. Sie wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziert. Beabsichtigt ist, das entwickelte Gewaltschutzkonzept dann an alle städtischen
Gemeinschaftsunterkünfte zu übertragen.
Die persönlichen Probleme der Flüchtlinge (Traumatisierungen, psychische und körperliche Erkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, Suchtprobleme) sowie die integrationsbedingten Aspekte
(Schule, Ausbildung, Arbeit) erfordern eine Belegungsplanung die Rücksicht auf die Belange der
Flüchtlinge nimmt. Aus sicherheitsrelevanten Aspekten ist es unumgänglich, je länger die Verweildauer in den Gemeinschaftsunterkünften dauert, dass die Belegung großzügiger gehandhabt
werden muss. Das Unterbringungskonzept der Stadt Erftstadt sieht hierfür einen 25% -igen Abzug von der Gesamtbelegungskapazität vor, z.B. für traumatisierte Flüchtlinge, für Flüchtlinge die
arbeiten, in einer Ausbildung sind oder eine Schule besuchen, aber auch für Flüchtlinge die aufgrund ihrer Persönlichkeit (z.B. aggressiv) sozial nicht kompatibel sind.
Der Fachdienst Migration und Integration versucht soweit es die Kapazität der Gemeinschaftsunterkunft zulässt, den o.a. Kreis der Flüchtlinge einzeln in den Räumlichkeiten unterzubringen. Die
aktuelle beengte Unterbringungssituation lässt vereinzelt nicht zu, dass Rücksicht auf alle Belange
genommen werden kann.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versuchen immer wieder durch Einzel- oder Gruppengespräche schon im Vorfeld, unumgängliche Konflikte unter den Bewohnern zu begegnen. Notfalls werden zur Vermeidung der Gewalteskalation auch Umzüge organisiert, um absehbare Konflikte zu
entschärfen.
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Eine gänzliche Vermeidung von Streitigkeiten mit oder ohne Körperverletzung ist nicht möglich.
3. Welche Maßnahmen hat die Stadtverwaltung im Vorfeld und im Nachhinein zum Schutz
der im Auftrag der Stadt in der Einrichtung Brabanter Weg, aber auch in sonstigen Einrichtungen, arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der ehrenamtlichen Helferinnen
und Helfer bisher durchgeführt?
2017 wurde eine Gefährdungsbeurteilung für den Fachdienst Migration und Integration erstellt.
Unter anderem wurde ermittelt, dass neben den ansteckenden Erkrankungen z.B. Hepatitis, die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gefahr ausgesetzt sind psychische Belastung zu erleiden und
oder in Gewaltsituationen geraten können, welche die körperliche Unversehrtheit gefährden können.
Die Abteilungsleitung des Fachdienstes arbeitet eng mit der zuständigen Fachkraft für Arbeitssicherheit der Stadt Erftstadt zusammen. Hierzu finden bzgl. der Arbeitssicherheit jährliche Unterweisungen der Mitarbeiter statt, die u.a. auch das Thema Deeskalation behandeln.
Im Rahmen der Gewaltschutzkonzeption sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fachdienstes Migration und Integration bei der Entwicklung beteiligt und haben aktiv das Konzept mitentwickelt. Es fanden hierzu bereits zwei zweitägige Inhouse Schulungen statt.
Darüber hinaus nehmen die Einrichtungsbetreuer an Schulungen und Fortbildungsmaßnahmen
bzgl. Deeskalation teil.
Die zwei festangestellten Einrichtungsbetreuer haben nach der Festeinstellung an einer einjährigen begleitenden Fortbildung teilgenommen, die verstärkt auch auf das Thema Deeskalation und
Einschätzung und Vermeidung von Gefahrensituationen eingehen. Die Kosten hierfür hat das
Sozialamt der Stadt Erftstadt getragen.
Bisher ist dem Fachdienst kein Vorfall bekannt, an dem ehrenamtliche Helfer bedroht oder Gewalt
ausgesetzt waren. Dazu trägt sicherlich auch die hervorragende Arbeit der Ehrenamtskoordinatorin, Frau Pratsch-Kleber bei, die etliche Fortbildungen für die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern im Flüchtlingsbereich organisiert. Unter anderem stellt sie auch ein persönliches Beratungsangebot für Probleme der Ehrenamtlichen in ihre alltägliche Arbeit bereit .
4. Bleibt die Stadtverwaltung angesichts der jüngsten Erfahrung bei ihrer Haltung, dass ein
professioneller Wachdienst weder am Tag noch in der Nacht erforderlich ist?
Vereinzelte Gewaltsituationen können weder vorhergesagt noch gänzlich ausgeschlossen werden.
Solange es dabei bleibt, dass Gewaltsituationen vereinzelt auftreten und ausreichendes und qualifiziertes Personal für die Betreuung der Bewohner sowie ausreichende Kapazitäten für die Unterbringung der Flüchtlinge vorhanden sind, bleibt die Stadtverwaltung bei Ihrer Haltung, dass die
Hinzuziehung eines professionellen Wachdienstes nicht erforderlich ist.
Sollte jedoch, trotz vorhandenen Personals, die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner oder
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter massiv gefährdet sein, schließt die Stadtverwaltung den temporären Einsatz eines professionellen Wachdienstes nicht aus, bis sich eine solche Situation wieder entspannt hat.
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Aktuell ist z.B. aufgrund der speziellen Situation in der Notunterkunft in Erp der Hochstr. 1 (ehemaliges Allianz Gebäude) die ergänzende Heranziehung eines professionellen Wachdienstes, täglich
in der Zeit 22:00bis 01:00 erfolgt.
Die Gefahrenlage wird wöchentlich in der Teamsitzung des Fachdienstes Migration und Integration besprochen, an denen auch die Kolleginnen und Kollegen der Arbeiterwohlfahrt teilnehmen.
In der Vergangenheit ist es vor der Einstellung der drei Schicht-Einrichtungsbetreuer bisher lediglich zwei Mal vorgekommen, dass in der Großanlage Brabanter Weg 1, aufgrund der Sicherheitslage, ein professioneller Wachdienst hinzugezogen werden musste.
In Vertretung
(Breetzmann)
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