Daten
Kommune
Aachen
Dateiname
309511.pdf
Größe
1,3 MB
Erstellt
20.08.18, 12:00
Aktualisiert
30.08.18, 10:23
Stichworte
Inhalt der Datei
Der Oberbürgermeister
Vorlage
Federführende Dienststelle:
Fachbereich Kinder, Jugend und Schule
Beteiligte Dienststelle/n:
Vorlage-Nr:
Status:
AZ:
Datum:
Verfasser:
FB 45/0535/WP17
öffentlich
20.08.2018
FB 45/300
Sachstandsbericht Bezirkssozialarbeit der freien Träger
Beratungsfolge:
Datum
Gremium
Zuständigkeit
11.09.2018
Kinder- und Jugendausschuss
Kenntnisnahme
Beschlussvorschlag:
Der Kinder- und Jugendausschuss nimmt den Bericht der Wohlfahrtsverbände zur Bezirkssozialarbeit
zustimmend zur Kenntnis.
Vorlage FB 45/0535/WP17 der Stadt Aachen
Ausdruck vom: 20.08.2018
Seite: 1/3
Finanzielle Auswirkungen
JA
NEIN
x
Investive
Ansatz
Auswirkungen
20xx
Fortgeschriebener Ansatz
Fortgeschriebe-
Ansatz
ner Ansatz
20xx ff.
20xx
Gesamt-
Gesamtbedarf (alt)
20xx ff.
bedarf
(neu)
Einzahlungen
0
0
0
0
0
0
Auszahlungen
0
0
0
0
0
0
Ergebnis
0
0
0
0
0
0
+ Verbesserung /
0
0
Deckung ist gegeben/ keine
Deckung ist gegeben/ keine
ausreichende Deckung
ausreichende Deckung
vorhanden
vorhanden
- Verschlechterung
konsumtive
Ansatz
Auswirkungen
20xx
Ertrag
Fortgeschriebener Ansatz
Fortgeschriebe-
Ansatz
ner Ansatz
20xx ff.
20xx
20xx ff.
Folgekos-
Folgekos-
ten (alt)
ten (neu)
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Abschreibungen
0
0
0
0
0
0
Ergebnis
0
0
0
0
0
0
Personal-/
Sachaufwand
+ Verbesserung /
- Verschlechterung
0
0
Deckung ist gegeben/ keine
Deckung ist gegeben/ keine
ausreichende Deckung
ausreichende Deckung
vorhanden
vorhanden
Vorlage FB 45/0535/WP17 der Stadt Aachen
Ausdruck vom: 20.08.2018
Seite: 2/3
Erläuterungen:
In der Stadt Aachen halten die Wohlfahrtsverbände Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Aachen - Stadt e.
V. (AWO), Diakonisches Werk im Kirchenkreis Aachen e. V. (DW), Katholischer Verein für soziale
Dienste in Aachen e. V. (SKM) und der Sozialdienst katholischer Frauen e. V. (SkF) einen
Allgemeinen Sozialen Dienst vor.
Dieses Angebot gehört schon seit Jahrzehnten als ein fester Bestandteil zur kommunalen sozialen
Infrastruktur. Zunächst in der administrativen Zuständigkeit des Fachbereiches Kinder, Jugend und
Schule (Jugendamt), später, nach Auflösung der Globalfinanzierung, im Rahmen getrennter
Leistungsvereinbarungen als Allgemeine Sozialberatung in der Zuständigkeit des Fachbereiches
Soziales und Integration und als Bezirkssozialarbeit in der Verantwortung des Fachbereiches Kinder,
Jugend und Schule.
Im Bereich der Jugendhilfe nehmen die Wohlfahrtsverbände Aufgaben gem. den §§ 16, 17 und 18
SGB VIII wahr. Die Bezirkssozialarbeit der vier Wohlfahrtsverbände ist somit auch Teil der
Gewährleistung des Wunsch- und Wahlrechts gem. § 5 SGB VIII.
Die Leistungsbeschreibung regelt u.a., dass die hoheitlichen Aufgaben vom öffentlichen Träger der
Jugendhilfe, den Sozialraumteams, wahrgenommen werden.
Der in der Anlage beigefügte Jahresbericht der Wohlfahrtsverbände für den Zeitraum 2016-2017 gibt
einen ausführlichen Überblick über die hier geleistete Arbeit.
Vertreter der Verbände werden in der Sitzung darüber hinausgehende Fragen beantworten.
Anlage/n:
Bericht der Wohlfahrtsverbände
Vorlage FB 45/0535/WP17 der Stadt Aachen
Ausdruck vom: 20.08.2018
Seite: 3/3
Allgemeine Sozialdienste (ASD)
der Freien Wohlfahrtsverbände
in der Stadt Aachen
Jahr 2016/17
1
2
Einleitung
In der Stadt Aachen halten die Wohlfahrtsverbände Arbeiterwohlfahrt Kreisverband
Aachen-Stadt e.V. (AWO), Diakonisches Werk im Kirchenkreis Aachen e.V. (DW),
SKM - Katholischer Verein für soziale Dienste in Aachen e.V. und der Sozialdienst
katholischer Frauen e.V. (SkF) einen Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) vor.
Dieses Angebot ist seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der kommunalen
sozialpflegerischen Infrastruktur. Teilweise werden durch die Beschäftigten Familien
bereits in der dritten Generation begleitet.
Das Angebot basiert auf einer integrierten Leistungsbeschreibung, die in enger
Abstimmung mit den Fachbereichen 45 und 56 der Stadt Aachen erstellt wurde.
Der Dienst fußt auf einem ganzheitlichen und übergreifenden Verständnis von
Beratung für alle Menschen der Stadt Aachen und fokussiert hierbei insbesondere
Menschen mit sozialen Schwierigkeiten sowie Menschen, die im Kontext von Familie,
Erziehung und Bildung Unterstützung und Rat suchen.
Gleichzeitig verknüpft er individuelle Hilfen mit den Aspekten der
Sozialraumgestaltung zur nachhaltigen Verbesserung der Lebensräume in den
Quartieren.
Grundsätze und Standards
Der ASD ist Ansprechpartner für alle Menschen in der Stadt Aachen mit sozialen
Problemen jeglicher Art.
Die Beratung/Hilfe erfolgt unbürokratisch und kostenfrei.
Bezugspunkt der Hilfen ist die individuelle Situation von Menschen und deren
Familien in ihrem Lebensumfeld: Die komplexe Realität der Ratsuchenden findet
individuell Berücksichtigung.1
Die Hilfe setzt an Stärken und Selbsthilfepotentialen der Menschen an und fördert
diese mit dem Ziel, dass Ratsuchende zukünftig nachhaltig selbstständig agieren
können.
Die Hilfe des ASD ist niedrigschwellig erreichbar. Es werden offene Sprechstunden,
terminierte Beratungen und Hausbesuche angeboten. Die offenen Sprechstunden
finden in den jeweiligen Einrichtungen der Leistungsanbieter und im Sozialraum statt
(siehe auch S. 6).
Der ASD engagiert sich für die Menschen im Sozialraum. Er wirkt in den
wesentlichen sozialräumlichen Gremien, wie z.B. Stadtteil- oder
Sozialraumkonferenzen mit.
Der ASD ist auf Prävention ausgerichtet, grenzt niemanden aus, setzt sich für
Integration ein und fördert soziale Teilhabe.
1
Siehe auch Ausführungen zum systemischen Beratungsansatz auf S. 10
3
Strukturqualitative Angaben
Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD)
Träger
AWO
AWO/SKM
DW
SKF
SKF/SKM
SKM
(14)
(4)
(42)
(68)
(3)
(30)
Abbildung 1: Wirkungsgebiete auf Grundlage der sozialräumlichen Zuordnung2
2
Quelle: Stadt Aachen
4
Personalstruktur nach Kostenträgern und Leistungserbringern
Sozialamt
Jugendamt
Summe BU*
Wochenstunden*
SKM AC
1,5
1,3
2,8
109,2
Diakonie
1,5
1
2,5
97,5
SkF AC
2
1
3,0
117
AWO
1,5
0,5
2,0
78
Summe
6,5
3,8
10,3
401,7
in %
63,1
36,9
*Summe BU = Summe der vorgehaltenen Beschäftigungsumfänge je Freier Verband
*Wochenstunden = Summe der wöchentlichen Bruttoarbeitszeit je Freier Verband
Verteilung Arbeitsinhalte in %
Gremien/
Stadteilarbeit
7%
Feb/Mär 2015
Themenspezifische Arbeit
20%
Fallarbeit
61%
Kurzkontakte
12%
Abbildung 2: Durchschnittliche Verteilung der Arbeitsinhalte je Mitarbeiterin in %
Erläuterungen zum Kreisdiagramm
Fallarbeit = Kontaktanzahl mit den zu Beratenden: mindestens drei oder mehr
pro Jahr
Weitere Anmerkung: Die Beratung von Klient*innen erfolgt insgesamt über 16
verschiedene Standorte, die im gesamten Wirkungsgebiet eine gute
Erreichbarkeit sicherstellen und strukturell einen optimalen Quartiersbezug
gewährleisten; bei Bedarf erfolgen darüber hinaus Beratungen in Form von
Hausbesuchen
Kurzkontakte = Zu Beratende in Sprechstundenzeiten inkl. in den
Quartierbüros (max. 1 bis 2 Kontakte pro Jahr)
Gremien und Stadtteilarbeit
Alle Verbände sind in Stadtteilkonferenzen vertreten, beraten und unterstützen
sozialräumliche Arbeitsgemeinschaften und Initiativen und beteiligten sich
somit impulsgebend an der sozialstrukturellen Entwicklung der Quartiere
(siehe auch Statistikauswertung 2016/17)
Themenspezifische Inhalte = Fortbildungen, Dienstbesprechungen,
Teamsitzungen, Qualitätsmanagement / -zirkel, Supervision etc.
5
Sozialstrukturelle Angaben zur Zielgruppe
Die nachfolgende Grafik differenziert, in welchen Haushaltsformen die beratenen
Personen leben:
Die Gruppe der Alleinerziehenden stellt in 2016 und 2017 mit 34 % die größte
Gruppe der Hilfesuchenden dar (2017: 33,6 %). Diese Zielgruppe
charakterisiert sich u.a. durch ihr signifikant hohes Armutsrisiko: Die
Armutsgefährdungsquote in NRW liegt durchschnittlich in 2016 bei 17,8 %
(zum Vergleich 2006: 13,9 %)3. Demgegenüber sind 45,2 % der Ein-ElternHaushalte in NRW in 2016 armutsgefährdet.4 Zur Veranschaulichung: Die
Armutsschwelle liegt in NRW im Jahre 2016 bei Alleinerziehenden mit zwei
Kindern bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.514 EUR.
Paare mit Haushalt lebenden Kindern stellen in 2016 mit 31,3 % die
zweitgrößte Gruppe dar. In 2017 sinkt ihr Anteil auf 29,5 % und erreicht damit
in etwa eine vergleichbare Dimension wie die Singlehaushalte
Singlehaushalte stellen in 2016 mit 29,1 % die drittgrößte Gruppe dar. In 2017
nimmt diese Gruppe mit 30 % der Beratungen nach Haushaltsformen die
Rangziffer 2 ein.
Die kleinste Gruppe mit 5,3 % (2016) bzw. 6,9 % (2017) sind Menschen, die in
Paargemeinschaften leben.
Abbildung 3: Beratungen nach Haushaltsformen
Alleinerziehende, Paare mit Kindern und Menschen, die in Singlehaushalten
leben, sind zentrale Kundengruppen der Allgemeinen Sozialen Diensten. In ca. 2/3
der Haushalte der rat- und hilfesuchenden Menschen leben Kinder.
3
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Soziales/Sozialberichterstattung/Tabellen/Armutsg
efaehrungsquoteBundeslaender.html ; abgerufen am 19.07.2018
4
https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2017/08/PD17_298_122.html; abgerufen
am 19.07.2018
6
Zu bemerken ist im Jahresvergleich 2016/17 ein leichter Rückgang der Anfragen
durch Haushalte mit Kindern zu Gunsten von Haushaltsformen ohne Kinder
Die folgende Grafik veranschaulicht, dass der ASD zur Unterstützung und Hilfe von
„Fallsystemen“ beiträgt, in denen 1.132 (2016) bzw. 1.257 (2017) Kinder und
Jugendliche bzw. junge Erwachsene leben.
Trotz eines leichten Rückgangs der Beratungen von Menschen, die in
Haushaltsformen mit Kindern leben, steigt die absolute Anzahl der
Kinder/Jugendlichen in den Fallsystemen um 110 Personen bzw. + 9,6 %. Dies kann
in erster Linie dadurch erklärt werden, dass die absolute Zahl der Beratungen von
2016 zu 2017 von 928 auf 968 (+ 4,3 %) Beratungs“fälle“ steigt. Gleichwohl ist in
diesem Kontext die steigende Anzahl von Kindern und Jugendlichen
überproportional. Erfahrungsberichte der Beschäftigten zeigen auf, dass die Anzahl
der Mehr-Kind-Familien in den letzten Jahren angestiegen ist. „Familien mit vier bis
sechs Kinder kommen mittlerweile sehr häufig in unsere Beratungen; hinzukommt,
dass die Anzahl der Familien mit Fluchthintergrund zugenommen hat.“ (Zitat
Beschäftigte ASD des SKM Aachen e.V.)
Mit steigender Anzahl von Kindern in einer Familie steigt auch das Armutsrisiko
signifikant. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus Februar 2018 belegt dies:
Armutsgefährdet seien demnach 13 Prozent der Paare mit einem Kind, 16 Prozent
mit zwei und 18 Prozent mit drei Kindern.5
Des Weiteren berichten die Beschäftigten, dass eine neue Regelung zum Antrag auf
Unterhaltsvorschuss dazu führe, dass mehr Familien mit Kindern resp.
Alleinerziehende die Beratung der ASD in Anspruch nehmen müssen, weil die
Ratsuchenden Unterstützung bei der Antragstellung benötigen.
Abbildung 4: Anzahl Minderjährige / junge Erwachsene in den Fallsystemen
5
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/arm-und-reich/armutsrisiko-kind-bertelsmann-studie-zeigt-gruende15436454.html; abgerufen am 25.07.2018
7
Abbildung 5: Einkommensarten bei beendeten Beratungen
Abbildung 5 veranschaulicht, mit welchen Anteilen welche Einkommensarten bei den
in 2016 insgesamt 722 beendeten Beratungen (2017: 730) zu Grunde liegen
(Mehrfachnennungen möglich, daher n=911 Nennungen): Mit 58 % beziehen deutlich
mehr als die Hälfte aller Klient*innen staatliche Transferleistungen in Form von
Grundsicherung, ALG I6, ALG II7 oder ergänzende Leistungen8. Mit 33,5 % ist die
Gruppe der ALG II Empfänger*innen hierbei die größte.
In 2017 sank der Anteil der Transferleistungsbezieher*innen leicht auf 55,3 %.
Besonders rückläufig ist dabei der Anteil der ALG I Empfänger*innen. Dies korreliert
mit einer weiterhin guten konjunkturellen Gesamtlage in der Bundesrepublik, die sich
auch in den regionalen Entwicklungen spiegelt: Die Zahl der Arbeitslosen sinkt.
Jedoch lag die AL-Quote in 2016 bei 8,2 % in der Stadt Aachen9, womit sie deutlich
über dem Bundesdurchschnitt mit 6,1 % liegt.10
Ebenfalls leicht rückläufig ist die Anzahl der Empfänger*innen von Grundsicherung.
Auffällig ist weiterhin ein Anstieg der ALG II Empfänger*innen sowie der
Empfänger*innen von ergänzenden Leistungen.
In 2016 geben die übrigen 42 % (44,7 % in 2017) der unterstützten Personen an,
dass sie über Erwerbseinkommen, Renten oder sonstige Einkommensquellen
verfügen.
Insgesamt zeigt die Erhebung, dass die Zielgruppe nach wie vor wesentlich von
Einkommensarmut betroffen ist. Erfahrungsberichte der Mitarbeiter*innen der ASD
ergänzen weiterhin, dass die überwiegende Mehrheit der Erwerbseinkommensbezieher*innen und Renter*innen lediglich über sehr geringe Einkommen verfügen.
Einkommensarmut wiederum begründet wesentlich komplexe Problemlagen. In
6
ALG I wird nach Eintritt in Arbeitslosigkeit bis zu einem Jahr gezahlt, bei älteren Arbeitslosen ggfs.
auch bis zu 2 Jahren.
7
ALG II: Grundsicherungsleistungen für Erwerbsfähige und deren Bedarfsgemeinschaften („Hartz IV“)
8
Kinderzuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz; Anspruch, wenn Einkommen und das zum
Lebensunterhalt verwendbare Vermögen dem ALG II Bedarf für die erwachsene Person der
Bedarfsgemeinschaft entspricht, jedoch nicht den Bedarf der ganzen Familie deckt.
9
http://www.aachen.de/DE/stadt_buerger/pdfs_stadtbuerger/pdf_statistik/statistisches_jahrbuch_2016.pdf; S. 54;
abgerufen am 19.07.2018
10
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1224/umfrage/arbeitslosenquote-in-deutschland-seit-1995/;
abgerufen am 19.07.2018
8
Folge sind die Betroffenen auf möglichst niedrigschwellige und kostenfreie
institutionelle Hilfen angewiesen.
Ergebnis- und wirkungsorientierte Angaben
Abbildung 6: Zugang/Vermittlung zur Beratung
Die vorangestellte Abbildung zeigt auf, welche Zugangswege die Hilfesuchenden
zum Angebot der ASD nutzen: Die größte Gruppe sind in 2016 mit 57 %
Selbstmelder (2017: 58,3 %). Die weiteren Zugangswege stellen mit ungefähr
gleichen Anteilen die Fachbereiche 56 „Wohnen, Soziales und Integration“ sowie 45
„Kinder, Jugend und Schule“, Bildungseinrichtungen und sonstige Behörden sowie
sonstige Zuweiser. Im Jahresvergleich zeichnen sich unwesentliche Verschiebungen
unter diesen Zuweisergruppen ab.
Die Auswertung veranschaulicht, dass das Angebot auf Grund der deutlich
überwiegenden Anzahl von Selbstmeldern, die im Jahresvergleich von 2016 zu 2017
tendenziell steigen, einen hohen Zugang zur Zielgruppe besitzt. Das Angebot bietet
mit seiner sozialräumlichen Orientierung in dezentralen Strukturen eine
niedrigschwellige und bevölkerungsnahe Ausrichtung. Dies ist vor dem Hintergrund
des Phänomens der verdeckten oder auch sogenannten verschämten Armut umso
bedeutender: Verdeckte Armut liegt vor, wenn ein gesetzlicher Anspruch auf
Mindestsicherungsleistungen nicht geltend gemacht wird. Die Zahl der Betroffenen ist
groß: Laut sozialwissenschaftlicher Studien11 aus dem Jahre 2016 sind bspw. 68 %
der über 65 – jährigen und zwischen 54-63 % der Erwerbstätigen hiervon betroffen.
11
Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Sozialbericht 2016.
Armuts- und Reichtumsbericht, Düsseldorf 2016, Seite 189f.
9
Abbildung 7: Anzahl aller Beratungen nach Beratungsformen
Die vorangestellte Auswertung veranschaulicht, dass im Jahre 2016 insgesamt 8.544
Beratungseinheiten durchgeführt wurden. Nach 2017 stieg dieser Wert auf 8.608
Einheiten (+ 64 / + 0,8%) Beratungseinheiten. Differenziert wird diese Angabe
weiterführend nach den Beratungsformen. Es zeigt sich, dass die Beratungen in den
Sozialraumbüros/Dienststellen der Träger die meist genutzte Anlaufstelle der
Ratsuchenden ist. Gleichfalls zentral ist das Element der telefonischen Beratung,
obschon es im Jahresvergleich eine rückläufige Relevanz besitzt. Weiterhin auf
Grund von Erfahrungsberichten durch betroffene Klient*innen als sehr hilfreich
bewertet ist die aufsuchende Beratung in Form von Hausbesuchen. Im
Jahresvergleich steigt diese tendenziell an. Dieses Beratungselement fördert
wesentlich den barrierefreien Zugang zur Dienstleistung und wird insbesondere von
in ihrer Mobilität eingeschränkten Menschen genutzt. Diese Form der aufsuchenden
Sozialarbeit ist Teil des Selbstverständnisses und Konzeptes der ASD.
In 2016 stellen 2.206 Beratungseinheiten einen Kontakt der Sozialarbeiter*innen zu
Dritten dar, um die Anliegen der Betroffenen zielgerichtet bearbeiten zu können
(2017: 2.343). Dies veranschaulicht den hohen Grad der notwendigen Vernetzung
des Dienstes mit anderen Institutionen und relevanten Akteur*innen innerhalb des
Quartiers / der Hilfesysteme. Der im Jahresvergleich deutliche Anstieg dieser
Beratungsform unterstreicht ihre Relevanz.
Mit rund 5 % stellt die EDV gestützte Beratung via Email aktuell einen eher geringen
Anteil dar. Gleichwohl stellt der gesellschaftliche Trend zur Digitalisierung auch einen
potentiellen zukünftigen Sozialraum dar, in dem es gilt, Klient*innen adäquate
Angebote zu machen. Erste Impulse hierzu werden in Form von Seminarangeboten
insbesondere durch die Spitzenverbände der Träger initiiert.
10
Abbildung 8: Themenfelder der Allgemeinen Sozialen Dienste
Die dargestellten Themenfelder der Allgemeinen Sozialen Dienste sind Ergebnis der
Bildung von Clustern auf der Grundlage der in den Erhebungen gewonnen Daten.
Die Analyse ermittelt sechs zentrale Themenfelder, die unter Bezug auf ihre
Ausprägung im Jahr 2017 aufsteigend nach den jeweils erhobenen Aspekten
dargestellt werden:
1. Lebenspraktische Themen (2017: 28,5 %) Anträge und Bescheide/Umgang mit
Behörden, allgemeine Themen, Haushaltsführung; migrationsspezifische Themen; es
fällt eine tendenziell steigende Bedeutung des Themenfeldes im Jahresvergleich auf.
2. Sozioökonomische Themen (2017: 25,2 %): Wirtschaftliche Probleme; Finanzielle
Absicherung; Schulden; Arbeit(-slosigkeit), Wohnen; es fällt eine tendenziell
steigende Bedeutung des Themenfeldes im Jahresvergleich auf.
3. Familie, Erziehung, Bildung (2017: 17,7 %): Beziehungsprobleme; Häusliche
Gewalt; allgemeine Probleme des Zusammenlebens; Aufsichtspflichtverletzung;
Begleiteter Umgang; Einschränkung, Förderung und Bildung; Erziehungsprobleme;
Schulprobleme;
Es fällt ein tendenziell deutlicher Rückgang der Beratungen zum Themenfeld im
Jahresvergleich auf. Aus Sicht der Beschäftigten kann das unter anderem damit
erklärt werden, dass Schulsozialarbeit strukturell als Regelangebot implementiert
wurde und sich sukzessive etabliert hat; Familienzentren bildeten sich in den letzten
Jahren zunehmend aus und kooperieren meist mit Erziehungsberatungen, wodurch
der Weg zum ASD nicht mehr notwendig wird. Im Rahmen der Antragsberatung auf
Unterstützung durch das Bildungs- und Teilhabepaket etablierten sich ferner
zunehmend ebenfalls Familienzentren und Schulen. Zudem ist eine zunehmende
Verarmung der Hilfesuchenden zu verzeichnen, was dazu führt, dass die Abwendung
von ökonomischer bzw. existentieller Not im Rahmen der Hilfen deutlich im
Vordergrund steht. Themen um Familie, Erziehung und Bildung werden folglich eher
nachrangig angegangen.
4. Gesundheit/Krankheit (2017: 24,7 %): Alter, Pflegebedürftigkeit; allgemeine
gesundheitl. Probleme, psychische Erkrankungen, Schwangerschaft, somatische
Erkrankungen, Körperbehinderung, Sucht, Drogen; es fällt eine tendenziell steigende
Bedeutung des Themenfeldes im Jahresvergleich auf. Insbesondere Beratungen im
11
Bereich des SGB XI (Pflegeversicherung) steigen an und es ist eine Zunahme von
Menschen mit psychischen Erkrankungen zu verzeichnen.
5. Sonstiges (2017: 2,8 %; 2016: 5,6 %)
6. Kriminalität (2017: 1,0%; 2016: 0,8 %): Delinquenz, (sex.) Misshandlung
In den meisten Situationen ist die Beratung multithematisch orientiert: Die beratenen
Personen weisen bspw. neben Unterstützungsbedarfen im Cluster „Familie,
Erziehung, Bildung“ auch Hilfebedarfe im Cluster „Sozioökonomische Themen“ auf.
Dies entspricht der Grundkonzeption des Angebotes der Allgemeinen Sozialen
Dienste als systemische Hilfeleistung: Die systemische Perspektive rückt die
dynamische Wechselwirkung zwischen den biologischen und psychischen
Eigenschaften einerseits und den sozialen Bedingungen des Lebens andererseits ins
Zentrum der Betrachtung, um das Individuum und seine Störungen angemessen
verstehen zu können und auf dieser Basis passgenaue Hilfeleistungen anzubieten.
Es gibt keine abschließende Definition für den Terminus „Soziales Problem“. Die
Bestimmung eines sozialen Problems ist stets Resultat eines sozial- bzw.
gesellschaftspolitischen Diskurses. Soziale Probleme sind Zustände, die durch
Öffentlichkeit kollektiv als veränderungsbedürftig definiert werden.12
Gleichwohl ist festzustellen, dass gewisse Bevölkerungsgruppen von bestimmten
sozialen Problemen und Lebensrisiken überproportional betroffen sind. Hierzu zählen
nach Reiners insbesondere Gruppen, die auf Grund ihrer Berufs-, Einkommens-,
Bildungs- und / oder Gesundheitssituation über geringe Bewältigungspotentiale
verfügen. 13
12
13
Vgl. Albert Scherr: Soziale Probleme, Soziale Arbeit und menschliche Würde; in: SozialExtra 7/2002
Vgl. Reiners, Andreas: Vorlesung Sozialpolitik SoSe2014, Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen
12
Der zweite Sozialentwicklungsplan der Stadt Aachen (SEP) wurde im November
201514 veröffentlicht. Die hierin veröffentlichten Sozialdaten der Stadt Aachen
veranschaulichen, wie sich zentrale soziale Problemlagen regional darstellen.
Problemlage
(Jahr)
Arbeitslosenquote
(2014)
SGB II
Empfänger*innen
(Hartz VI) (2013)
Sozialgeldempfänger*innen
(Indikator
Kinderarmut) (2013)
SGB XII
Empfänger*innen
(Indikator
Altersarmut) (2013)
Öffentl. geförderte
Wohnungen (2013)
Bildung:
Kinder mit
Förderbedarf bei
Einschulung (2007 –
2013)
Eltern mit geringer
Bildung (2007 –
2013)
Stichprobe
Alle 15
bis 64 jährigen
Alle 15
bis 64 jährigen
Ausprägung
absol.
Ausprägung
in % v.H.
Entwicklungstendenz
11.755
6,6
Leicht steigend
17.915
10,2
Leicht fallend
Alle < 15
- jährige
6.522
22,9
Leicht fallend
Alle > 64
-jährigen
2.883
6,4
Stark steigend
143.039
9.576
6,7
Stark fallend
7.715
Eingeschulte
776
10,1
Leicht fallend
/
k. A.
22
k. A.
Die aufgezeigten zentralen Themenfelder der Allgemeinen Sozialen Dienste zeigen
eine hohe Übereinstimmung zwischen den durch die Klient*innen einerseits
artikulierten Hilfebedarfe und den anderseits durch den Sozialplan identifizierten
gesellschaftlichen Herausforderungen. Das Angebot bietet folglich eine
bedarfsgerechte inhaltliche Ausrichtung.
14
Stadt Aachen (2015): Zweiter Sozialentwicklungsplan Aachen, Demografische, sozio-ökonomische und
soziale Entwicklung und Perspektiven für die Aachener Quartiere, Stadt Aachen, der Oberbürgermeister,
Eigenverlag
13
Abbildung 9: Gründe zur Beendigung der Beratung
Die vorangestellte Grafik stellt die Gründe zur Beendigung einer Beratung dar. Setzt
man voraus, dass die Aspekte „Problemlösung“, „Einleitung HzE-Maßnahme15“ und
„Vermittlung in andere Hilfsangebote“ als erfolgreicher Beratungsabschluss zu
bewerten sind, lässt sich hieraus eine Erfolgsquote für 2016 von 83 % (n=599)
ableiten. In 2017 steigt diese Quote auf 629 erfolgreiche Beratungen (= 86,16 %).
Dieses Ergebnis ist insgesamt als erfolgreich zu bewerten.
15
HzE-Maßnahme = Hilfe zur Erziehung
14
Zukünftige sozialpolitische Handlungsbedarfe und
Herausforderungen
Das Angebot der ASD in der Stadt Aachen ist passgenau und bedarfsorientiert. Die
ASD unterstützen Menschen in unterschiedlichsten Problemlagen individuell und
einzelfallorientiert. Durch ihre Mitwirkung, Beratung und Begleitung von
Stadtteilkonferenzen, örtlichen Arbeitsgemeinschaften und Initiativen fördern sie
ferner wesentlich eine sozialräumliche Entwicklung, die wiederum positiv auf die
gesellschaftlichen Entwicklungen im Quartier ausstrahlt.
Die ASD können als Seismographen der regionalen gesellschaftlichen
Entwicklungen interpretiert werden: So ist z.B. an den Erhebungen abzulesen, dass
viele Alleinerziehende einen Beratungsbedarf haben. Sie sind in besonderem Maße
armutsgefährdet und in der Folge von gesellschaftlicher Exklusion betroffen.
Weiterhin zeigte sich beispielhaft bei der Erhebung der Einkommensarten, dass viele
Ratsuchende von Einkommensarmut betroffen sind. Einkommensarmut wiederum
begründet wesentlich komplexe Problemlagen. In Folge sind die Betroffenen auf
möglichst niedrigschwellige und kostenfreie institutionelle Hilfen angewiesen.
Erfahrungswerte unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Allgemeinen
Sozialen Diensten zeigen weiterhin, dass es einen zunehmenden Anstieg von
insbesondere weiblicher Altersarmut gibt, der von den Betroffenen meist über einen
langen Zeitraum verdeckt wird, indem Ansprüche auf Sozialleistungen nicht bzw.
nicht umfassend geltend gemacht werden.
Weitere aktuelle Themen sind Leistungsberatungen im Kontext der
Pflegeversicherung, die Suche nach bezahlbarem Wohnraum und Fragen rund um
den Themenkomplex Migration und Ausländerrecht.
Zunehmend beobachten unser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zudem psychische
Probleme und Erkrankungen bei den Ratsuchenden, die zu instabilen
Lebenssituationen führen und die einer Vermittlung in spezialisierte Hilfeformen
bedürfen.
Die ASD stellen für all diese Menschen einen elementaren, sozialräumlich
orientierten und niedrigschwelligen Baustein in ihrer psychosozialen
Grundversorgung in der Stadt Aachen dar.
Die Darstellung aktueller und prognostizierter gesellschaftlicher Entwicklungen und
Herausforderungen veranschaulicht den weiterhin bestehenden Bedarf dieser
Dienstleistungen nachdrücklich.
Für den Bericht
Torsten Nyhsen (SKM Aachen e.V.)
Ursula Braun-Kurzmann (SkF Aachen e.V.)
Armin Carduck (DW Aachen)
Christof Ant (AWO Aachen)
15