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Vorlage-Sammeldokument

Daten

Kommune
Aachen
Dateiname
275636.pdf
Größe
821 kB
Erstellt
30.10.17, 12:00
Aktualisiert
17.01.18, 09:05

Inhalt der Datei

Der Oberbürgermeister Vorlage Federführende Dienststelle: Aachener Stadtbetrieb Beteiligte Dienststelle/n: E 18/0103/WP17 öffentlich Vorlage-Nr: Status: AZ: Datum: Verfasser: 30.10.2017 Einführung eines Mehrwegbechersystems für "coffee to go" in Aachen Antrag der GRÜNE-Fraktion vom 06.02.2017 Beratungsfolge: Datum Gremium Zuständigkeit 07.12.2017 Betriebsausschuss Aachener Stadtbetrieb Kenntnisnahme Beschlussvorschlag: Der Betriebsausschuss Aachener Stadtbetrieb nimmt die Ausführungen der Betriebsleitung zur Kenntnis und beauftragt die Verwaltung, die Einführung eines Mehrwegsystems, wie das der Firma cupforcup, zu unterstützen. Der Antrag der GRÜNE-Fraktion gilt somit als behandelt. Vorlage E 18/0103/WP17 der Stadt Aachen Ausdruck vom: 13.12.2017 Seite: 1/6 Erläuterungen: 1. Ausgangslage Aufgrund des Ratsantrages der Grünen vom Februar 2017 zum Thema Coffee to go hat sich der Aachener Stadtbetrieb intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Neben umfangreichen Internetrecherchen, Gesprächen mit anderen Kommunen sowie unterschiedlichen Systemanbietern, fand ebenso ein Termin mit der Bäcker- und Konditor - Innung der Stadt Aachen zu diesem Thema statt. Ein Artikel vom 03.09.2017 aus „Der Zeit“ gibt einen gelungenen Einstieg in das grundsätzliche Problem sowie die vorhandenen Lösungsansätze. Dieser Artikel, der von Saskia Gerhard und Anna Schughart verfasst wurde, ist dieser Vorlage als Anlage beigefügt. 2. Ergebnisse der eigenen Analyse 2.1 Freiburg: Wie bereits im Ratsantrag vom 06.02.2017 erläutert, hat die Stadt Freiburg seit November 2016 ein eigenes Mehrwegsystem für Coffee to go Mehrwegbecher aufgebaut. Dieses Projekt wird administrativ und finanziell vollständig von der Stadt Freiburg bzw. der Freiburger Abfallwirtschaft und Stadtreinigung (ASF) getragen. Bei diesem System kann der sog. Freiburgcup beim Kauf eines Kaffeegetränkes an Stelle des Einwegbechers gegen ein Pfand von einem Euro erworben werden. Der Mehrwegbecher kann nach dem Verzehr des Kaffees bei einem beliebigen Teilnehmer z.B. Bäckereien, Cafés etc. zurückgegeben werden und der Kunde erhält das Pfand zurück. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es ca. 94 Teilnehmer, die sich in der Stadt Freiburg diesem System angeschlossen haben. Den Kunden ist es jedoch weiterhin freigestellt, ob diese einen Mehrwegbecher oder einen Einwegbecher für ihr gekauftes Kaffeegetränk verwenden. Alle Teilnehmer bieten den Freiburgcup als Alternative neben ihrem jeweiligen Sortiment an. Bei beiden Varianten ist der Deckel weiterhin ein Einwegprodukt. Zum Start des Freiburgcups wurde dieser von den Teilnehmern und Bürgerinnen und Bürgern sehr gut angenommen. Diese Anfangseuphorie flachte zum Frühjahr 2017 auf beiden Seiten ab und musste durch umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit wieder gesteigert werden. Es wurden neue Designs auf die Becher gedruckt u.a. mit einem QR Code der direkt auf die Internetseite des Freiburgcups verweist, welche ebenfalls nur für diesen Zweig neu eingerichtet wurde. Neue Teilnehmer melden sich immer wieder bei der ASF, die sich 100 Teilnehmer bis zum 1 jährigen Jubiläum des Bechers erhoffen. Zum jetzigen Zeitpunkt wird keine dauerhafte oder regelmäßige Werbung für den Freiburgcup durchgeführt. Die Gesamtkosten für dieses System belaufen sich bereits auf ca. 42.000 Euro (Stand Oktober 2017). In diesen Kosten sind noch keine Kosten bzgl. Marketing, Öffentlichkeitsarbeit oder Mitarbeiterkosten beinhaltet. Ein Becher kostet der ASF ca. 1,35 Euro (netto) in der Produktion. Bis heute sind rund 26.000 Freiburgcups von der ASF an die Teilnehmer herausgegeben worden. Für die teilnehmenden Bäckereien etc. entstehen keine Kosten. Eine Verrechnung des Pfandgeldes erfolgt in Freiburg nicht. Vorlage E 18/0103/WP17 der Stadt Aachen Ausdruck vom: 13.12.2017 Seite: 2/6 Weder der ASF noch die Teilnehmer untereinander regeln die evtl. Differenzen bzgl. der Einnahmen / Ausgaben des Pfandes. Größere Beschwerden der Teilnehmer bleiben aber bis heute über dieses Thema aus. Mehrere Mitarbeiter sind vollumfänglich oder teilweise mit dem Freiburgcup beschäftigt. Ein Mitarbeiter der Öffentlichkeitsarbeit organisiert das gesamte Geschehen rund um den Freiburgcup, welches oftmals die meiste Zeit seiner Arbeitszeit in Anspruch nimmt. Mitarbeiter aus der Stadtreinigung übernehmen die Auslieferung der Becher. Der ASF berichtete von der Problematik, dass die Mehrwegbecher für einen Euro Pfand oft nicht zurückgegeben werden. Es bestünde ein gewisser Becherschwund, der nicht genau bezifferbar ist. Generell kann die ASF keine Aussagen über die Anzahl der Becher machen die über das Pfand zurückgegeben werden und so im Umlauf des Systems bleiben. Dass der Becher ein beliebtes kostengünstiges Souvenir für Touristen aber auch Bürger der Stadt Freiburg ist, ist der ASF wohl bekannt. Auch das Problem, dass die Becher zu Hause vergessen werden und beim nächsten Café Besuch doch wieder die Einwegvariante gewählt wird, ist der ASF wohl bekannt. Bisher ist in den Straßenpapierkörben kein erhöhtes Aufkommen der Becher, welches ein Wegwerfen des Bechers impliziert, zu beobachten. Teilnehmende Bäckereien etc. können die Rücknahme des Freiburgcups auch verweigern wenn dieser beschädigt oder aber nicht augenscheinlich sauber ist. Dies bedeutet, dass der Kaffeetrinker den Becher vor Rückgabe evtl. selber ausspülen sollte oder aber zumindest keine Reste des Kaffeegetränkes im Becher lassen sollte. Größere Unternehmen mit mehreren Filialen oder aber auch internationale Unternehmen nehmen nicht an der Aktion des Freiburgcups teil. Die Teilnahme beschränkt sich bis heute primär auf die Innenstadt und angrenzende kleinere Bereiche. Ob der Freiburgcup weiterhin in öffentlicher Hand bleibt ist noch ungeklärt. 2.2 Studierendenwerk Aachen: Das Studierendenwerk Aachen bietet seit Mai 2016 den sog. Mensa Cup an. Dies ist ein Mehrwegbecher, mit verschiedenen Designs, der für einen Preis von fünf Euro erworben werden kann. Dieser kann in allen Kantinen, Cafés etc. des Studierendenwerks wieder befüllt werden. Gleichzeitig ist der Preis für ein Kaffeegetränk, welche in Einwegbechern ausgegeben werden, um 0,10 Euro gestiegen. Laut Auskunft des Studierendenwerkes ist der Mensa Cup ein großer Erfolg. Ein Jahr nach Einführung des Systems konnte das Studierendwerk einen Rückgang von ca. 40 % der Einwegbecher verzeichnen. Die Befüllung des Bechers erfolgt jedoch nach strengen Regeln, die durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) festgelegt sind. Der Becher darf die sog. Hygienebarriere (die Theke) nicht überschreiten. Die Befüllung des Bechers muss daher mit Hilfe von Portionierungsbestecken oder Messgefäßen durchgeführt werden, welche den Becher nicht berühren dürfen. Da die Kantinen und Cafés nicht mit Kaffeevollautomaten ausgestattet sind, kann das Studierendenwerk diese Vorschriften, ohne großen zusätzlichen Aufwand, einhalten. Vorlage E 18/0103/WP17 der Stadt Aachen Ausdruck vom: 13.12.2017 Seite: 3/6 2.3 Bäckerei Nobis: Die Bäckerei Nobis bietet seit Aschermittwoch 2017 einen eigenen Mehrwegbecher an, der für einen Preis von 4,95 Euro in jeder Nobis Bäckerei Filiale erworben werden kann. Dieser kann in allen Nobis Filialen wieder befüllt werden und der Kunde erhält dabei einen Rabatt über 0,10 Euro auf sein Getränk. Auf Nachfrage im Mai 2017 war jedoch noch nicht genau klar, ob das System in dieser Art und Weise beibehalten werden kann, da insbesondere hinsichtlich der Hygienevorschriften des LANUV noch Klärungsbedarf besteht. Die Bäckerei Nobis hat wegen der Einhaltung der besonders strengen Hygienevorschriften in NRW das LANUV, das Amt für Verbraucherschutz, Tierschutz und Veterinärwesen der Stadt Aachen bzw. der Städteregion nochmals um eine weitere Stellungnahme gebeten. Diese steht dem Einvernehmen nach noch aus. 3. Aachener Austausch Mit Unterstützung der Klimaschutzbeauftragten der Stadt Aachen, Frau Dr. Vankann, organisierte der Aachener Stadtbetrieb einen Termin mit der Bäcker- und Konditor-Innung der Stadt Aachen. Alle Mitglieder der Innung wurden angeschrieben und zum Termin eingeladen, um gemeinsam über eine Lösung bzw. die Möglichkeiten eines Mehrwegsystems o.ä innerhalb der Stadt Aachen zu sprechen. An diesem Termin nahmen fünf Mitglieder der Innung (u.a. Herr Schumacher als stellvertretender Obermeister der Innung), zwei Vertreter des Amtes für Verbraucherschutz, eine Vertreterin des Studierendenwerkes Aachen sowie ein unabhängiges Café teil. Nach Erläuterungen des Studierendenwerkes Aachen, der Bäckerei Nobis und einer Präsentation des Aachener Stadtbetriebes zum Thema Coffee to go wurde über die verschiedenen Systeme und Möglichkeiten, mit Hinblick auf die Anwendung innerhalb der Stadt Aachen, diskutiert. Für alle Teilnehmer stand fest, dass die Handlungsempfehlung bzw. Hygienevorschrift des LANUVs zum Befüllen von Mehrwegbechern die größte Hürde darstellt, die vor allem von kleineren Betrieben wegen des Aufwandes und der räumlichen Gegebenheiten nicht eingehalten werden kann. Ein Mehrwegsystem, wie es in Freiburg angewandt wird, wurde zu diesem Zeitpunkt (Mai 2017) auf Grund dessen und des evtl. entstehenden Aufwandes für die Bäckereien und Cafés abgelehnt. Die Hygienevorschriften für die Stadt Freiburg bzw. für das Bundesland Baden-Württemberg sind nach unseren Recherchen nicht so streng wie in NRW. Eine kleinere Lösung wird aber gerne von den Bäckereien etc. unterstützt. Diese könnte Flyer, Plakate o.ä. beinhalten mit Informationen zum Thema Mehrweg. Filialen, die Mehrwegbecher befühlen, können z.B. mit einem Aufkleber unterstützt werden, der den Kunden signalisiert, dass diese Filiale mitgebrachte Mehrwegbecher befüllt. Herr Schumacher als stellv. Obermeister der Bäcker- und Konditor-Innung der Stadt Aachen hat in Folge des oben genannten Termins alle Mitglieder über die Ergebnisse informiert und gleichzeitig die Bereitschaft zur Mitwirkung abgefragt. Bei der Nachfrage zum aktuellen Stand, im August diesen Jahres, wurde dem Aachener Stadtbetrieb mitgeteilt, dass dieses Thema mit in die Innungssitzung (September 2017) und in die Vorstandssitzung (Oktober 2017) aufgenommen wird. Nach Rückmeldung aus der Innung wurde uns mitgeteilt, dass der Vorstand der Bäcker- und KonditorInnung Aachen keine Empfehlung bzgl. eines festen Systems an die jeweiligen Betriebe aussprechen Vorlage E 18/0103/WP17 der Stadt Aachen Ausdruck vom: 13.12.2017 Seite: 4/6 wird. Grund dafür sei u.a. die unterschiedlichen Anforderungen, räumlichen Bedingungen und betriebliche Größe, der jeweiligen Betriebe der Innung. Der Aachener Stadtbetrieb hat dieses Jahr bereits eine City Cards Kampagne mit dem Thema Coffee to go herausgegeben. Diese Postkarten waren zwei Wochen lang in über 50 Lokalen in der Stadt Aachen kostenlos ausgelegt. . 4. Private Unternehmen Auch zahlreiche private Unternehmen sind bereits auf dem Markt ansässig, die in verschiedenen Varianten ein Mehrwegsystem bzw. deren Organisation anbieten. Viele dieser Unternehmen stecken jedoch noch in ihren Anfängen. Manche dieser Unternehmen bieten einen vollumfänglichen Service an. Dieser beinhaltet u.a. Produktion und Verteilung der Becher, Organisation unterhalb der Teilnehmer bzgl. Becherausgabe oder Pfandabrechnung. Eine Zusammenarbeit mit der jeweiligen Stadt sehen fast alle Unternehmen dahingehend, dass die jeweilige Stadt die Öffentlichkeitsarbeit und die Kosten der Becher, Verteilung und Unterhaltung des Systems tragen. Andere Unternehmen erheben eine sog. Servicegebühr pro Teilnehmer für die verschiedenen Aufgaben, die dann wiederum evtl. von der Stadt getragen werden könnte um die Teilnahme für Cafés etc. interessanter zu gestalten. Die Firma cupforcup hat ihr System dem Aachener Stadtbetrieb, in einem Termin am 09.11.2017, genau vorgestellt, mit folgendem Ergebnis. Die Firma cupforcup, ansässig in Düsseldorf, bietet ein Pfandsystem für Mehrwegbecher an. Bei diesem System zahlt der Kunde einen Euro Pfand und erhält dafür sein Getränk in einem Mehrwegbecher, dem sog. „Good Cup“. Diesen kann er bei jedem anderen am System angeschlossenen Teilnehmer (Cafés, Bäckereien etc.) entweder gegen Erstattung des Pfandes abgeben oder beim Kauf eines weiteren Getränkes gegen einen sauberen Becher tauschen. Die Becher können mit Hilfe einer handelsüblichen Industriespülmaschine von jedem teilnehmenden Betrieb selbst gereinigt werden. Es bedarf keiner externen Spülleistung, soweit eine Spülmaschine vorhanden ist. Die Becher sind in verschiedenen Farben und in 2 Größen (0,2 Liter und 0,3 Liter) erhältlich. Die Becher werden in Solingen produziert und sind zu 100% recyclingfähig. Aus Hygienegründen sind bei diesen Bechern bzw. diesem System weiterhin die gewohnten und bekannten Einwegdeckel zu nutzen. Die Kosten der Becher liegen für den jeweiligen Teilnehmer bei ca. einem Euro pro Becher. Wie viele Becher jeweils bestellt werden, kann von jedem Teilnehmer individuell bestimmt werden. In der Regel sind die Becher nicht bedruckt und erhalten so auch keine spezifische Werbung. Die Firma cupforcup übernimmt die gesamte Organisation des Systems. Einkauf und Verteilung der Becher, Verwaltung des Pfandgeldes inkl. Clearing oder aber das Bereitstellen von Informationsmaterialien, wie Flyer, Aufkleber und kleine Aufsteller, sind Bestandteil der Leistungen. Die namentliche Erwähnung der Teilnehmer und Verlinkung auf die individuelle Internetpräsents Vorlage E 18/0103/WP17 der Stadt Aachen Ausdruck vom: 13.12.2017 Seite: 5/6 erfolgt über die Internetseite der Firma cupforcup u.a. mit Hilfe einer Karte in der alle Teilnehmer zu sehen sind. Für all diese Leistungen erhebt cupforcup eine Servicegebühr die von jedem Teilnehmer pro Monat zu entrichten ist. Diese Gebühr, in der Regel in Höhe von 15 bis 20 Euro je Filiale, unterliegt einem abgestuften Preissystem, bei dem unter bestimmten Voraussetzungen, die Gebühr individuell verringert werden kann. Momentan betreut cupforcup mit ihrem System, welches im Frühjahr 2017 startete, knapp 100 Teilnehmer u.a. in Städten wie Düsseldorf, Köln oder Essen. 5. Fazit Eine große und einheitliche Lösung, welche das Ziel der Abfallvermeidung unter Wahrung unternehmerischer Individualität, betrieblicher Prozesse, kaufmännischer Interessen sowie der vorhandenen rechtlichen Hygienevorschriften ausreichend abdeckt, ist derzeit nicht vorhanden und vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Akteure, die bereits eigene Anstrengungen unternehmen, wahrscheinlich auch nicht erstrebenswert. Es ist jedoch unbestritten, dass die bislang kontaktierten Interessengruppen eine Sensibilität für das Thema "Einweg / Mehrweg" entwickelt und die Problemlage erkannt haben. Ebenso ist die Bereitschaft vorhanden, den ökologischen Auswirkungen der Einweg-Produkte zu begegnen – auch wenn die Ursache vornehmlich in der „to-go-Mentalität“ der Kunden begründet liegt. Mit dem von der Firma cupforcup vorgeschlagenen System scheint es jedoch möglich, den Mehrweganteil nennenswert zu erhöhen. Daher schlägt die Verwaltung vor die Einführung dieses Angebotes aktiv zu unterstützen, sei es beispielsweise durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit oder aber indem der Firma geholfen wird, den Kontakt zu den lokalen Akteuren aufzunehmen Anlage/n: Ratsantrag der GRÜNE-Fraktion Artikel aus der Zeit Vorlage E 18/0103/WP17 der Stadt Aachen Ausdruck vom: 13.12.2017 Seite: 6/6 Kaffeebecher: Greenwashing to go? | ZEIT ONLINE Seite 1 von 6 Kaffeebecher Greenwashing to go? An Bahnhöfen, in Fußgängerzonen und Parks quellen sie aus den Mülleimern: Kaffeebecher. Pfandsysteme sollen das ändern. Wie umweltfreundlich die wirklich sind Von Saskia Gerhard und Anna Schughart 3. September 2017, 15:27 Uhr 331 Kommentare Recup – so heißt eines der Unternehmen, die Pfandkaffeebecher populär machen wollen. © Jan Hillebrecht/ZEIT ONLINE Coffee to go verursacht Müll. Wie viel genau, weiß zwar niemand. Trotzdem haben zahlreiche Städte und Startups den Wegwerfbechern den Kampf angesagt. Funktionieren solche Pfandsysteme? Und sind Mehrwegbecher aus Plastik wirklich besser für die Umwelt? Im Berliner Café MadaMe gibt es seit neuestem gar keine Wegwerfbecher mehr. Die Betreiberin Karin Lücker-Aleman hat sich für die radikale Umstellung entschieden. Sie macht mit bei der Aktion Recup [https://recup.de/]: Wer bei ihr einen Kaffee zum Mitnehmen bestellt, bekommt den im mintgrünen oder braunen Becher aus recyceltem Kunststoff. Der kostet einen Euro Pfand und kann wieder abgegeben werden, auch ungespült. Und zwar nicht nur im MadaMe sondern auch in 50 anderen Berliner Cafés und Geschäften, die an der Recup [https://recup.de/]-Aktion teilnehmen. Die meisten bieten Mehrweg- und Einwegbecher nun parallel an. Dahinter steckt ein neu gegründetes Unternehmen, das mittlerweile auch in München, Oldenburg und anderen Städten Café-Besitzer überzeugt hat. Dies ist nur eines von vielen Pfandsystemen, die derzeit ausprobiert werden, darunter Cup For http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2017-08/kaffeebecher-pfand-nachhaltigkeit-umwel... 04.09.2017 Kaffeebecher: Greenwashing to go? | ZEIT ONLINE Seite 2 von 6 Cup [http://cupforcup.de/], Just Swap It [https://justswapit.de/] und stadteigene Projekte wie FreiburgCup [https://freiburgcup.de/] oder Hannoccino [http://www.hannoccino.de/] in Hannover. Warum werden Pappbecher nicht recycelt? Sie alle treffen den Nerv der Zeit. Nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbandes wird nämlich jede vierte Tasse Kaffee außer Haus getrunken [https://www.kaffeeverband.de/de/presse/kaffeewissen-in-theorie-und-praxisdeutscher-kaffeeverband-veroeffentlicht-]. Bei einem Pro-Kopf-Verbrauch von 162 Litern würde das rund 40 Litern Coffee to go pro Jahr und Person entsprechen. Viele davon gehen in Einwegbechern über den Tresen. Da die meist aussehen, als seien sie aus reiner Pappe – und zudem oft draufsteht, sie seien verwertbar – denken viele Kaffeetrinker, die Becher würden im Altpapier landen und wiederverwertet. Doch das stimmt nicht. Die meisten Becher sehen nur aus, als seien sie zu 100 Prozent aus Pappe, sind auf der Innenseite aber mit einer feinen Plastikschicht überzogen. Zwar macht das nur fünf Prozent des Materials aus – doch das reicht für ein gewaltiges Entsorgungsdilemma. Diese Papp-Plastik-Mischung sei "praktisch nicht recyclebar", bestätigt ein Sprecher der Berliner Stadtreinigung. Außerdem landeten die Becher unterwegs fast immer in Straßenmülleimern, deren Inhalt ohnehin untrennbar sei. Was vom Coffee to go übrig bleibt, endet also nicht in der Recycling-, sondern in der Verbrennungsanlage. In anderen Städten läuft es ähnlich. Kann Plastik umweltfreundlicher sein? Eine wiederverwertbare Alternative ist zunächst also eine gute Idee. Doch sind die bisherigen Projekte allesamt noch nicht ausgereift. Zunächst ist da das Material der Mehrwegbecher: Fast immer sind sie ganz oder zum Teil aus Kunststoff. Zwar gibt es auch Varianten aus Naturstoffen wie Bambus, aber der Deckel besteht dann trotzdem aus Silikon oder ist ein üblicher nur einmal verwendbarer Plastikdeckel. Andere sind komplett aus Polypropylen gefertigt, wie viele Lebensmittelverpackungen. Dieser Kunststoff hat sich als gesundheitlich unbedenklich erwiesen, ist hitzebeständig und langlebig: ideal also für einen Kaffeebecher. Richtig nachhaltig ist der Pfandbecher auch nicht http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2017-08/kaffeebecher-pfand-nachhaltigkeit-umwel... 04.09.2017 Kaffeebecher: Greenwashing to go? | ZEIT ONLINE Seite 3 von 6 Über den gelben Sack entsorgt, ist Polypropylen gut recyclebar. Achtlos in die Umwelt geworfen, verrottet es dagegen nicht. Das Material zersetzt sich allenfalls, wenn UV-Strahlung auf es einwirkt und im Kontakt mit Luft und Wasser – aber auch nur in kleinere nichtabbaubare Partikel. Angenommen, niemand wirft seinen Mehrwegbecher in die Natur, bleibt die Frage, was es an Energie kostet, ihn immer wieder zu reinigen. Und wie oft muss man ihn benutzen, damit sich die Herstellung lohnt? Mehrweg lohnt sich nach zwei Monaten So einen Becher einmal zu kaufen und dann nie wieder zu verwenden, bringt jedenfalls nichts. Melanie Speck vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie hat das mit Kollegen durchgerechnet. "Würden Sie jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit einen typischen Coffee-to-go-Becher kaufen und wegwerfen, lohnt sich der Mehrwegbecher nach spätestens zwei Monaten", sagt Speck. Ab dann sei es ökologischer, ihn aufzufüllen, statt einen weiteren Einwegbecher zu benutzen. Speck ist dabei allerdings von der Produktion eines hochwertigen Mehrwegbechers aus Kunststoff und Edelstahl ausgegangen. Fraglich ist auch, ob sich das Pfandsystem durchsetzen kann. Recup beispielsweise hat rund 45.000 Becher deutschlandweit im Umlauf, die meisten in München und Berlin. Doch wie oft die Kaffeetrinker einen dieser Pfandbecher wählen, kann Mitgründer Florian Pachaly nicht sagen. In den meisten Geschäften gibt es die nicht exklusiv, sondern zusätzlich noch die alte Einwegvariante. Die Stadt Freiburg hat schon erste Zahlen erhoben: Die Aktion FreiburgCup startete in 15 Geschäften, mittlerweile sind es 90. Der Anteil der in Pfandbechern verkauften Kaffees in den Uni-Cafeterien liege bei bis zu 32 Prozent. In den Bäckereien erreiche man Quoten von maximal zehn Prozent. Das sei nicht beeindruckend viel, gibt Dieter Bootz von der Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Freiburg zu, doch er hofft, dass der Anteil noch steigen wird: "Jedes Mehrwegsystem braucht Zeit, um sich zu etablieren." Die Servicekräfte könnten viel zum Erfolg beitragen. Sie sollten Kunden auf die Pfandbecher aufmerksam machen. Viele Becher kommen nicht zurück "Oft lässt sich das nicht umsetzen, man will den Coffee to go ja schnell mitnehmen", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Peter Kenning, Professor für Marketing an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Im Alltag eines Kaffeeladens sei kaum Zeit, um Kunden zum Pfandbecher zu raten. In Freiburg, wo der Becher zwei Euro Pfand kostet, zeigt sich noch ein Problem. Der dortige Becher hat sich zu einem beliebten und günstigen Souvenir entwickelt. Die http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2017-08/kaffeebecher-pfand-nachhaltigkeit-umwel... 04.09.2017 Kaffeebecher: Greenwashing to go? | ZEIT ONLINE Seite 4 von 6 Becher, die aus der Stadt verschwinden, werden wohl kein zweites Mal in einem Freiburger Café aufgefüllt. Außerdem würden viele Leute ihren Becher "schlicht zuhause vergessen", sagt Peter Kenning. "Beim nächsten Kaffeekauf greifen sie dann wieder zum Wegwerfmodell, weil sie nicht noch mal Pfand ausgeben wollen." Das Müllproblem durch Kaffeebecher ist gar nicht so groß Ein Euro oder mehr sei vielleicht manchen zu viel Pfand, sagt die Verbraucherökonomin Lucia Reisch. "Andererseits ist der Anreiz, den Becher zurückzubringen, mit Sicherheit zu niedrig, wenn der Pfand weniger kostet." Wie groß das Müllproblem durch Einwegkaffeebecher tatsächlich ist – auch das ist alles andere als klar. 320.000 Becher pro Stunde, rund 2,8 Milliarden pro Jahr würden in Deutschland verbraucht, hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) errechnet. Das entspräche ungefähr 40.000 Tonnen Einwegbechermüll jährlich. Das klingt dramatisch – doch die Hochrechnung hat einige Tücken: So geht sie bei 162 Litern Kaffee pro Jahr und Person von 15 Prozent Unterwegsverzehr aus, von denen wiederum knapp ein Drittel im Einwegbecher erfolge. Bei durchschnittlich 0,22 Litern Kaffee pro Becher – die Milch herausgerechnet – käme man so auf 34 Becher pro Nase im Jahr. Allerdings werden hier Schätzungen des Deutschen Kaffeeverbandes, Ergebnisse einer Aral-Umfrage und einer Marktforschungsuntersuchung vermischt, die schwer vergleichbar sind. Und kein Kaffeeladen führt genau darüber Buch, wie viele Latte Macchiatos, Cappucinos, Espressos und Americanos in Einwegbechern über seine Ladentheke gehen und wie groß dabei der Milchanteil war. Unser Müllproblem ist ein ganz anderes Dem gegenüber stehen Zahlen des Umweltbundesamtes, die allerdings schon älter sind. Für 2012 hat die Behörde aus Daten von Verbänden, der Abfallwirtschaft und Umweltstatistiken ermittelt, dass 106.000 Tonnen Wegwerfbecher in Deutschland verbraucht worden sind. Darin schließt die Behörde allerdings nicht nur Kaffeebecher, sondern auch solche für Kaltgetränke sowie die kleinen Rührstäbchen aus Plastik ein. Angenommen, auf Kaffeebecher entfielen tatsächlich mehrere Zehntausend Tonnen, wie die DUH angibt, ist das nicht wenig. Im Vergleich zu den 16,6 Millionen Tonnen Verpackungsmüll sowie den 45 Millionen Tonnen Haushaltsund Siedlungsabfällen ist die Zahl dennoch eher gering. Plastikverschlüsse von Flaschen kamen im Jahr 2012 etwa auf 203.000 Tonnen, also fast die doppelte Menge. Ausgerechnet das Müllproblem durch Kaffeebecher anzugehen, hält Wolfgang Rotard für irrelevant, verglichen mit dem Gesamtaufkommen an Kunststoffen in http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2017-08/kaffeebecher-pfand-nachhaltigkeit-umwel... 04.09.2017 Kaffeebecher: Greenwashing to go? | ZEIT ONLINE Seite 5 von 6 Deutschland. "Da zeigt sich typischerweise die Kleinkariertheit in Sachen Umweltschutz", sagt der Umweltchemiker von der Technischen Universität Berlin. "Gleichwohl kann man ja nichts gegen eine Reduzierung von Verpackungsmüll einwenden – Mehrweg ist meist besser als Einweg." Experten sind pessimistisch Der Pfandbecher könnte die Abfallwirtschaft immerhin zu einem kleinen Teil entlasten. Und Recup-Mitbegründer Florian Palachy hat Recht, wenn er sagt, dass es nicht sinnvoll ist, ein Produkt für 15 Minuten Gebrauch zu produzieren. Doch solange das Pfandsystem nicht ausgereift und weit genug verbreitet ist, werden sich die Mehrwegbecher in Büroküchen stapeln oder als Behälter in Haushalten verschwinden. Denn im Vergleich zu Plastikbechern im Verkauf sind sie für einen bis zwei Euro günstig. Also am besten den eigenen Thermobecher auffüllen lassen? Würde es jeder so machen, wäre das wohl die beste Lösung. So ein Behälter hält das Getränk zudem lange warm und mit einem verschließbaren Deckel läuft der Kaffee auch nicht über die Hand, wenn man zur Bahn rennt. Pfand ließe sich ebenfalls sparen. Besser noch: Viele Geschäfte geben inzwischen Rabatt, wenn der Kunde seinen eigenen Becher mitbringt. Diese Idee muss sich aus Forschersicht aber erst noch etablieren. "Ich finde die Projekte sehr gut und sie sind es wert, gefördert zu werden. Aber wie lange hat es allein gedauert, bis Leute regelmäßig ihre Einkäufe in Stoffbeuteln verstaut haben? Jahrzehnte!", sagt Wirtschaftswissenschaftlerin Lucia Reisch. Und auch Peter Kenning sagt: "Generell nehmen Menschen ein Konzept schneller an, wenn sie den damit verbundenen Nutzen sofort erkennen." Es sei aber sehr aufwändig, den Becher ständig mit sich herumzutragen und ihn unterwegs wieder sauber zu machen, bevor der nächste Kaffee hineingegossen wird. "Das Mehrwegsystem für Kaffee zum Mitnehmen ist wünschenswert", sagt Kenning. "Aber angesichts all dieser Faktoren glaube ich, es wird erst mal bei einzelnen Projekten bleiben." Wir stellen Forschern Ihre Fragen. Was ist Zeit? http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2017-08/kaffeebecher-pfand-nachhaltigkeit-umwel... 04.09.2017 Kaffeebecher: Greenwashing to go? | ZEIT ONLINE Seite 6 von 6 Wo endet das Universum? Was ist Leben? Was beschäftigt Sie? Ihre Frage Mi tm a ch en » http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2017-08/kaffeebecher-pfand-nachhaltigkeit-umwel... 04.09.2017