Daten
Kommune
Aachen
Dateiname
155393.pdf
Größe
7,1 MB
Erstellt
05.10.15, 12:00
Aktualisiert
06.09.18, 22:31
Stichworte
Inhalt der Datei
Der Oberbürgermeister
Vorlage
Federführende Dienststelle:
Fachbereich Wirtschaftsförderung / Europäische
Angelegenheiten
Beteiligte Dienststelle/n:
Vorlage-Nr:
Status:
AZ:
Datum:
Verfasser:
FB 02/0031/WP17
öffentlich
05.10.2015
FB 02/2
Machbarkeitsstudie grenzüberschreitender elektromobiler ÖPNV "CharlemagnEbus"
Beratungsfolge:
TOP:__
Datum
Gremium
Kompetenz
03.12.2015
MA
Entscheidung
Beschlussvorschlag:
Der Mobilitätsausschuss nimmt den Bericht des Gutachters und der Verwaltung zur Kenntnis.
Vorlage FB 02/0031/WP17 der Stadt Aachen
Ausdruck vom: 02.12.2015
Seite: 1/3
Erläuterungen:
Hintergrund
Die Charlemagne Grenzregion ist eine Kooperation der grenzanliegenden Kommunen: Parkstad
Limburg, Heerlen, Vaals, Stadt Aachen, Städteregion Aachen und der Deutschsprachigen
Gemeinschaft Belgiens. Die Initiative ist 2009 durch die örtlichen HVBs gegründet worden mit dem
Ziel der Stärkung eines gemeinsamen grenzüberschreitenden Wirtschaftsraums. Hauptthemenfelder
sind die Bereiche Arbeit, Wirtschaft und Infrastruktur.
Gerade im Bereich der Infrastruktur gibt es grenzüberschreitend große Herausforderungen. Bereits
2013 ist dieses Thema vor dem Hintergrund der elektromobilen Entwicklung in den drei
Nachbarstaaten im Vorstand behandelt worden. Vorderstes Ziel ist es, eine Entwicklung im Bereich
des e-mobilen ÖPNV zu verhindern, die sich nachteilig auf die Grenzüberschreitung auswirken
könnte, bspw. unterschiedliche Ladesysteme. Gerade an den Grenzen ist es daher von Bedeutung
sich frühzeitig mit den unterschiedlichen Ladesystemen und neuer Technologie auseinander zu
setzen. Die Entwicklung darf an diesen Schnittstellen nicht auseinanderdriften.
Vor diesem Hintergrund soll vorliegende Untersuchung klären,
unter welchen Voraussetzungen,
auf welchen Korridoren und Verbindungen,
mit welchen Prozess- und Projektstrukturen und
mit welchen finanziellen Konsequenzen
der zeitnahe Einstieg in die Elektrifizierung der grenzüberschreitenden Busverkehre in der
Charlemagne Grenzregion möglich und sinnig ist.
Aufgrund des beschränkten Umfanges einerseits und der Vielzahl zu beachtender Aspekte
andererseits kann die vorliegende Untersuchung nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einem
elektrifizierten Busverkehr über die Grenzen in der Charlemagne Grenzregion sein. Sie ist daher als
Basis für einen zeitnahen Grundsatzbeschluss der politischen Entscheidungsträger in den Gremien
der Charlemagne Region pro/contra grenzüberschreitende Elektrobusse zu sehen und (noch) nicht als
Implementierungsgrundlage.
Auch ist die vorliegende Untersuchung nicht als Konkurrenz, sondern vielmehr als
grenzüberschreitende Ergänzung der zeitgleich für ausgewählte Aachener Innenstadtlinien
durchgeführten Untersuchung des Fraunhofer IVI Dresden zu betrachten, die sich stärker an den
vorhandenen Betriebsabläufen (Linienführungen, Fahr- und Umlaufpläne) orientiert und diesbezüglich
weiter in die Tiefe geht.
Beiden Untersuchungen ist gemein, dass sie Wege aufzeigen, wie die Bürger in der Charlemagne
Grenzregion in Zukunft umweltfreundlich und effizient unterwegs sein können – und nebenbei eine in
Aachen entwickelte Technologie vor Ort in die Praxis umgesetzt werden kann.
Vorlage FB 02/0031/WP17 der Stadt Aachen
Ausdruck vom: 02.12.2015
Seite: 2/3
Herangehensweise
Derzeit existiert (noch) keine „Standardlösung“ für die Elektrifizierung des Bus-ÖPNV, die sowohl in
technischer, betrieblicher als auch finanzieller Hinsicht eine optimale Variante darstellt. Dazu ist auch
in näherer Zukunft sowohl in technologischer (v. a. Größe, Gewicht und Kapazität der Batterien,
Energieverbrauch der Fahrzeuge) als auch finanzieller Hinsicht (v. a. Preise für Fahrzeuge und
Infrastrukturen) noch zu viel in Bewegung.
Jedoch ist bereits heute absehbar, dass auch in Zukunft die Elektrifizierung von Busverkehren
besondere Anforderungen an die Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen stellen wird, um die
Vorteile des elektrischen Antriebes optimal zu nutzen und den Systemwechsel und anschließenden
Betrieb überhaupt wirtschaftlich darstellbar zu machen – oder kurz gesagt: Bestehende, auf
Dieselbetrieb basierende Liniennetze und Betriebsmodelle lassen sich nicht 1 zu 1 für den
elektrischen Betrieb übernehmen.
Es ist daher angebracht, vor einer weitreichenden Entscheidung für den Einstieg in den E-BusVerkehr – neben dem zu wählenden technischen System und der Selektion geeigneter
Achsen/Verbindungen – alle übrigen unmittelbar und mittelbar damit zusammenhängenden Aspekte
zu betrachten und in die Entscheidungsfindung einfließen zu lassen – begonnen bei der Struktur und
derzeitigen Situation bei den diversen Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen im belgischen,
niederländischen und deutschen Teil der Charlemagne Region über die vertraglichen und finanziellen
Randbedingungen bis hin zu den Möglichkeiten der Herangehensweise an das Thema E-Mobilität.
Vorlage FB 02/0031/WP17 der Stadt Aachen
Ausdruck vom: 02.12.2015
Seite: 3/3
Stadtwerke Münster/stellwerk bv
QUICKSCANMACHBARKEITSSTUDIE ZU EINER
GRENZÜBERSCHREITENDEN
E-BUSVERBINDUNG IN DER
CHARLEMAGNE GRENZREGION
Im Auftrag von:
Charlemagne Grenzregion,
Aachen,
Luise Clemens
Erstellt von:
stellwerk bv,
Heerlen,
Thomas Clemens &
Lars Vervoort
Version:
22.09.2015
Status:
definitiv
INHALT
1. Hintergrund und Einführung
3
2. Ausgangslage und grundsätzliche Erwägungen
2.1. Aufgabenträger
2.2. Verkehrsunternehmen
2.3. Vertragliche und finanzielle Situation und Perspektiven
2.4. Herangehensweise zur Einführung von E-Mobilität
2.4.1. Netzbezug oder Technologiebezug?
2.4.2. On-top oder integriert?
2.4.3. Finanzieller Bewertungshorizont
2.4.4. Sachstand in den einzelnen Regionen/Ländern
6
6
8
9
11
11
12
13
13
3. Herangehensweise im Untersuchungsfall
3.1. Festlegung der Technologie
3.2. Das „Aachener“ Schnellladesystem
3.3. Integration in bestehende Systeme
15
15
17
19
4. Auswahl geeigneter Linien/Verbindungen
4.1. Derzeitige und perspektivisch geplante grenzüberschreitende
Buslinien
4.2. Linienbewertung und Auswahl
4.2.1. Bewertungskriterien
4.2.2. Ergebnisse
4.2.3. Linienauswahl für das Umsetzungskonzept
20
5. Technische und betriebliche Aspekte und Erfordernisse
5.1. Benötigte (Lade-)infrastruktur
5.2. Benötigte Busse
5.3. Ladezeiten
5.4.Strombezug
38
38
39
41
42
6. Finanzielle Auswirkungen und Fördermöglichkeiten
6.1. Invest und Betriebskosten
6.2. Betreibermodelle
6.3. Fördermöglichkeiten
44
44
45
46
7. Erfordernisse und Vorschläge für die Prozess- und Projektstruktur
48
8. Zusammenfassung und Empfehlungen
50
QuickScan CharlemagneBus
20
25
27
32
34
2
1. HINTERGRUND UND EINFÚHRUNG
Die Mobilität in der Charlemagne Grenzregion – und dort besonders in den
urbanen Gebieten – befindet sich seit einiger Zeit in einem tiefgreifenden
Wandel: weg vom privaten PKW für alle Fahrten, hin zu einer flexibleren,
effizienteren und letztlich auch umweltschonenden und kostenoptimierten
Gestaltung der individuellen Mobilitätsbedürfnisse der Bürger und
Unternehmen. Dies zeigt sich inbesondere an der zunehmenden Bedeutung
des CarSharings, den seit Jahren wachsenden Fahrgastzahlen im ÖV, aber
auch am Boom bei den E-Bikes, welche die Nutzung des Fahrrades auf
längeren Strecken – z.B. zur Arbeitsstätte – auch weniger trainierten
Zeitgenossen ermöglichen.
Während der Durchbruch der E-Mobilität bei den Zweirädern wohl
geschafft ist, im Bereich der Privat-PKW dahingegen aus verschiedenen
Gründen jedoch noch länger auf sich warten lässt, gewinnt das Thema im
ÖV mehr und mehr an Bedeutung. Im Schienenverkehr werden nach und
nach heute noch durch Dieselzüge befahrene Strecken (z. B. große Teile
des euregio bahn-Netzes und auch die grenzüberschreitende Strecke
Herzogenrath – Landgraaf) elektrifiziert und auch im Busverkehr ist
zumindest in vielen städtischen Gebieten in Deutschland eine klare Tendenz
in Richtung elektrischer Antriebe erkennbar. Immer mehr Hersteller bieten
elektrische Busse in unterschiedlichen Ausführungen an, zahlreiche
Verkehrsunternehmen testen die am Markt erhältlichen Fahrzeuge oder
betreiben Eigenentwicklungen, um erste Erfahrungen auf dem Gebiet der
E-Mobilität zu erlangen (z. B. die ASEAG). In einzelnen Pilotprojekten, wie z.
B. in Münster, Dresden, Oberhausen und Berlin werden auch bereits
komplette Linien elektrisch betrieben.
Auf der anderen Seite darf nicht vernachlässigt werden, dass einerseits v.a.
im Hinblick auf die Batterietechnologie derzeit und auch in der näheren
Zukunft noch vieles buchstäblich in Bewegung ist und andererseits das
Preisniveau der heute erhältlichen Fahrzeuge z. T. noch sehr deutlich über
dem vergleichbarer Euro-6-Dieselbusse liegt. Darüber hinaus entstehen
Kosten für die (Lade-)infrastrukturen, die – abhängig von der Netzgröße
und dem gewählten System – recht erheblich sein können. Ein wichtiger
Punkt ist zudem, dass die Elektrifizierung von Busverkehren besondere
Anforderungen an das Betriebskonzept stellt und somit längst nicht jede
bestehende Buslinie künftig in unveränderter Form elektrisch betrieben
werden kann. Grundlegende Eingriffe in die vorhandene Netz-, Linien- und
Betriebsstruktur im Rahmen einer ganzheitlichen Herangehensweise
scheinen dadurch nur in wenigen Fällen vermeidbar.
Eine Entscheidung für oder gegen die Elektrifizierung von einzelnen
Verbindungen, Teilnetzen oder kompletten Stadt- und Regionalnetzen ist
somit eine komplexe Angelegenheit, bei welcher viele Aspekte im
Zusammenhang betrachtet und abgewogen und laufende Entwicklungen
berücksichtigt werden sollten. Im grenzüberschreitenden Verkehr, der in
der Charlemagne Grenzregion – auf mehreren Achsen – von
herausragender Bedeutung ist, kommen noch die „üblichen“ Unterschiede
hinsichtlich der Aufgabenträger- und Finanzierungsstrukturen,
QuickScan CharlemagneBus
3
verschiedenen Konzessionsmodelle und -laufzeiten und anderen politischen
und unternehmerischen Rahmenbedingungen hinzu, wodurch die
Umsetzung einer Elektrifizierung noch herausfordernder wird.
Trotz dieser erschwerenden Bedingungen erscheint die Einbeziehung
grenzüberschreitender Verbindungen bei der Elektrifizierung der
Busverkehre in der hiesigen Grenzregion von Beginn an jedoch
alternativlos, da ansonsten droht, dass in den belgischen, niederländischen
und deutschen Teilen der Region jeweils stark unterschiedliche Systeme zu
Anwendung kommen, deren nachträgliche grenzüberschreitende
Installation wahrscheinlich wesentlich teurer käme als eine gemeinsame
Entscheidung für ein grenzüberschreitendes System. Die Alternative wäre,
dass auch bis auf Weiteres grenzüberschreitend nur mit – perspektivisch
sehr teurem und luftbelastendem – Dieselbetrieb gefahren werden könnte
oder die entsprechenden Linien nur noch bis zur Grenze verkehren könnten.
Hinzu käme u. U. ein Imageschaden für eine Region, die sich die
grenzüberschreitende Kooperation auf die Fahnen geschrieben hat und an
ihren Hochschulen über ein weltweit beachtetes technologisches Potenzial
verfügt.
Dass ein solches Szenario nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt die Situation
im grenzüberschreitenden Schienenpersonennahverkehr in der Region.
Aufgrund des Umstandes, dass sich in Belgien, den Niederlanden und
Deutschland unterschiedliche Oberleitungsspannungssysteme (und
Sicherungssysteme) entwickelt haben, war es trotz jahrzehntelanger
Bemühungen dies- und jenseits der Grenze bisher nicht gelungen,
beispielsweise eine direkte Bahnverbindung zwischen Aachen und
Maastricht auf die Schiene zu setzen. Erst die Entscheidung der Provinz
Limburg, bei der in 2014/15 stattgefundenen Ausschreibung der neuen ÖVKonzession 2016-2031 die Anschaffung teurer Dreisystemzüge für den
grenzüberschreitenden Verkehr verpflichtend zu machen, hat hier endlich
zu einem Durchbruch geführt. Auf der Achse Lüttich – Aachen ist
grenzüberschreitender SPNV nur möglich, weil der Aachener Hauptbahnhof
derzeit noch ein Zweisystembahnhof ist. Mit der fest eingeplanten
Verlegung der Systemwechselstelle auf die Grenze wird die
Interoperabilitätsproblematik bzw. das Thema „Finanzierung von
Mehrsystemfahrzeugen“ in einigen Jahren wieder auf der Tagesordnung
stehen.
Vor diesem Hintergrund soll vorliegende Untersuchung klären,
• unter welchen Voraussetzungen,
• auf welchen Korridoren und Verbindungen,
• mit welchen Prozess- und Projektstrukturen und
• mit welchen finanziellen Konsequenzen
der zeitnahe Einstieg in die Elektrifizierung der grenzüberschreitenden
Busverkehre in der Charlemagne Grenzregion möglich und sinnig ist.
Im folgenden Kapitel wird dafür zunächst die Ausgangslage auf Seiten der
verschiedenen Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen sowie die
zugehörige vertragliche und finanzielle Situation beleuchtet und
grundsätzliche Erwägungen zur Herangehensweise bei der
Implementierung von E-Mobilität im Busverkehr angestellt.
QuickScan CharlemagneBus
4
Kapitel 3 stellt die Herangehensweise in Bezug auf Technologie und
Systemintegration im konkreten Untersuchungsfall dar.
In Kapitel 4 erfolgt schließlich auf Basis festgelegter Kriterien die Auswahl
der Linien, die in einer ersten Phase elektrifiziert werden könnten. Auch
werden auf Basis der Bewertungsergebnisse erste Vorschläge für eine
mögliche Ausweitung auf weitere Verbindungen in einer zweiten Phase
unterbreitet.
In Kapitel 5 liegt der Fokus auf den technischen und betrieblichen Aspekten
und Erfordernissen bei der Elektrifizierung der ausgewählten Linien –
begonnen bei den benötigten Bussen und Ladeinfrastrukturen über die
mögliche Anpassung von Fahrplänen, Linienführungen und Umläufen zur
Schaffung ausreichender Wendezeiten zur Nachladung der Batterien bis hin
zum Strombezug an den Stationen.
Kapitel 6 widmet sich den finanziellen Auswirkungen einer möglichen
Elektrifizierung – vom anfänglichen Invest in Material und Infrastruktur über
die Betriebskosten und möglichen Vorteile von Betreibermodellen unter
Einbeziehung des kommunalen Energieversorgers bis hin zu Möglichkeiten
der finanziellen Förderung der Umsetzung.
In Kapitel 7 werden Vorschläge unterbreitet, wie eine schrittweise
Umsetzung der Elektrifizierung des grenzüberschreitenden Busverkehrs vor
dem Hintergrund der komplexen Materie und der spezifischen
grenzüberschreitenden Herausforderungen sowohl auf Projekt- als auch
Prozessebene strukturiert werden könnte.
In Kapitel 8 werden die Erkenntnisse der vorangegangen Abschnitte
zusammengefasst und auf deren Basis Empfehlungen für die nächsten
Schritte auf dem Weg zu einer möglichen Realisierung gegeben.
Aufgrund des beschränkten Umfanges einerseits und der Vielzahl zu
beachtender Aspekte andererseits kann die vorliegende Untersuchung nur
ein erster Schritt auf dem Weg zu einem elektrifizierten Busverkehr über
die Grenzen in der Charlemagne Grenzregion sein. Sie ist daher als Basis für
einen zeitnahen Grundsatzbeschluss der politischen Entscheidungsträger in
den Gremien der Charlemagne Region pro/contra grenzüberschreitende
Elektrobusse zu sehen und (noch) nicht als Implementierungsgrundlage.
Auch ist die vorliegende Untersuchung nicht als Konkurrenz, sondern
vielmehr als grenzüberschreitende Ergänzung der zeitgleich für
ausgewählte Aachener Innenstadtlinien durchgeführten Untersuchung des
Fraunhofer IVI Dresden zu betrachten, die sich stärker an den vorhandenen
Betriebsabläufen (Linienführungen, Fahr- und Umlaufpläne) orientiert und
diesbezüglich weiter in die Tiefe geht.
Beiden Untersuchungen ist gemein, dass sie Wege aufzeigen, wie die
Bürger in der Charlemagne Grenzregion in Zukunft umweltfreundlich und
effizient unterwegs sein können – und nebenbei eine in Aachen entwickelte
Technologie vor Ort in die Praxis umgesetzt werden kann.
QuickScan CharlemagneBus
5
2. AUSGANGSLAGE UND GRUNDSÄTZLICHE ERWÁGUNGEN
Wie bereits in der Einführung angeklungen, existiert derzeit (noch) keine
„Standardlösung“ für die Elektrifizierung des Bus-ÖPNV, die sowohl in
technischer, betrieblicher als auch finanzieller Hinsicht eine optimale
Variante darstellt. Dazu ist auch in näherer Zukunft sowohl in
technologischer (v. a. Größe, Gewicht und Kapazität der Batterien,
Energieverbrauch der Fahrzeuge) als auch finanzieller Hinsicht (v. a. Preise
für Fahrzeuge und Infrastrukturen) noch zu viel in Bewegung.
Jedoch ist bereits heute absehbar, dass auch in Zukunft die Elektrifizierung
von Busverkehren besondere Anforderungen an die Aufgabenträger und
Verkehrsunternehmen stellen wird, um die Vorteile des elektrischen
Antriebes optimal zu nutzen und den Systemwechsel und anschließenden
Betrieb überhaupt wirtschaftlich darstellbar zu machen – oder kurz gesagt:
Bestehende, auf Dieselbetrieb basierende Liniennetze und Betriebsmodelle
lassen sich nicht 1 zu 1 für den elektrischen Betrieb übernehmen.
Es ist daher angebracht, vor einer weitreichenden Entscheidung für den
Einstieg in den E-Bus-Verkehr – neben dem zu wählenden technischen
System und der Selektion geeigneter Achsen/Verbindungen – alle übrigen
unmittelbar und mittelbar damit zusammenhängenden Aspekte zu
betrachten und in die Entscheidungsfindung einfließen zu lassen –
begonnen bei der Struktur und derzeitigen Situation bei den diversen
Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen im belgischen,
niederländischen und deutschen Teil der Charlemagne Region über die
vertraglichen und finanziellen Randbedingungen bis hin zu den
Möglichkeiten der Herangehensweise an das Thema E-Mobilität. Im
Folgenden werden diese verschiedenen Aspekte beleuchtet.
2.1 Aufgabenträger
Im Gebiet der Charlemagne Grenzregion stoßen drei sehr unterschiedliche
Aufgabenträgerstrukturen und Philosophien aufeinander. Der deutsche Teil
liegt im Gebiet des Aachener Verkehrsverbundes (AVV), welcher
insbesondere als Aufgabenträger für die
verkehrsunternehmensübergreifenden Verbundtarife, die Koordination der
Bus- und Bahnverkehre insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext
und verbundweites ÖV-Marketing zuständig ist sowie als Dienstleister von
Kommunen und Verkehrsunternehmen fungiert. Offizieller Aufgabenträger
und damit Auftraggeber für den Bus- und Schienenverkehr ist jedoch nicht
der AVV, sondern im Schienenverkehr der „Nahverkehr Rheinland“ (NVR)
und im Busverkehr (im Untersuchungsgebiet) die Stadt Aachen sowie die
StädteRegion Aachen (die beide wiederum als Gebietskörperschaften auch
Teil des AVV sind).
Während im Schienenverkehr durch den NVR alle Leistungen und Netze
sukzessive ausgeschrieben werden, findet im Busverkehr auch bis auf
Weiteres kein Wettbewerb statt, da sowohl die Netze in Stadt und
StädteRegion Aachen als auch den übrigen Gebieten im AVV auch künftig
QuickScan CharlemagneBus
6
an die heutigen Verkehrsunternehmen im Zuge einer Betrauung vergeben
werden sollen (siehe auch 2.3).
Erscheint diese Struktur hinsichtlich der Verteilung der Zuständigkeiten
auch ziemlich kompliziert, so ist sie doch v. a. aufgrund der umfangreichen
Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten von Seiten der lokalen
Gebietskörperschaften sehr geeignet, um das Thema Elektrifizierung des
Busverkehrs anzugehen und umzusetzen. Dazu passt, dass sich sowohl der
AVV als auch die Stadt Aachen mittlerweile deutlich in diese Richtung
positioniert haben (und im Falle der Stadt Aachen bereits konkrete
Förderprojekte angestoßen wurden) und damit die Randbedingungen auf
deutscher Seite als sehr günstig bezeichnet werden können.
Im niederländischen Teil wurde die Aufgabenträgerschaft für den lokalen
und regionalen Bus- und Bahnverkehr seit Mitte der 2000er Jahre sukzessiv
auf die Provinz Limburg übertragen, die damit heute mit Ausnahme des
Intercity-Verkehrs auf der Schiene, der weiterhin im Rahmen einer
landesweiten Konzession durch NS betrieben wird, für den gesamten ÖV im
Provinzgebiet zuständig ist. Im Jahr 2006 wurde im Rahmen einer ersten
Ausschreibung der Verkehr für die Jahre 2006-2016 vergeben (an Veolia),
in 2014/2015 im Zuge einer zweiten Ausschreibung für die anstehende
Konzessionsperiode 2016-2031 (siehe auch 2.3).
Auch wenn die Struktur der Aufgabenträgerschaft weniger dezentral
ausgerichtet ist als auf der deutschen Seite, ist die Provinz Limburg doch
„klein“ genug, um genügend Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten der
lokalen Gebietskörperschaften zu gewährleisten. Darüber hinaus hat sich
die Provinz Limburg im Rahmen der o.g. Ausschreibung bereits sehr
deutlich in Richtung Zero-Emission-ÖV positioniert und als Option darin
sogar den Baustein „Emissionsfreies Stadtbusnetz“ Maastricht
aufgenommen. Von daher können die Randbedingungen auf
niederländischer Seite ebenfalls als sehr günstig bezeichnet werden.
Die belgische Seite der Charlemagne Grenzregion weist im Hinblick auf die
ÖV-Aufgabenträgerschaft die am stärksten zentralisierte Struktur auf. Im
Schienenpersonenverkehr erbringt die belgische Staatsbahn SNCB/NMBS
im Auftrag der Föderalregierung im Rahmen eines öffentlichen
Dienstleistungsauftrages alle Verkehre, im Busverkehr ist dies im Gebiet
und im Auftrag der Wallonischen Region ebenfalls auf Basis eines
öffentlichen Dienstleistungsauftrages das Unternehmen TEC. Sowohl im
Bahn- als auch im Busverkehr haben die Verkehrsunternehmen dabei weit
reichende Befugnisse, was sowohl die Verkehrsleistungen als auch die
Struktur von Tarifen anbetrifft. Aufgrund der eher zurückhaltenden
Ausübung der Aufgabenträgerschaft seitens der Wallonischen Region hat
das Unternehmen TEC damit praktisch freie Hand bei der Gestaltung ihrer
Verkehre.
In Kombination mit den fehlenden offiziellen Zuständigkeiten bei den
lokalen und regionalen Gebietskörperschaften (im Falle der Charlemagne
Grenzregion ist dies die Deutschsprachige Gemeinschaft) führt dies zu
einer – zumindest zum heutigen Zeitpunkt – weniger günstigen
Ausgangslage als auf niederländischer und deutscher Seite, da eine
QuickScan CharlemagneBus
7
Realisierung immer zwingend eine positive Haltung und Mitarbeit von
Seiten des Unternehmens TEC erfordert.
2.2 Verkehrsunternehmen
Auf deutscher Seite der Charlemagne Grenzregion (Stadt und
StädteRegion Aachen) ist im Busverkehr v. a. das kommunale Unternehmen
ASEAG (Eigentümerin via EVA-Holding: Stadt Aachen) unterwegs. Weitere
Unternehmen wie Taeter und RVE sind aufgrund der geringen
Verkehrsleistungen sowie der nicht vorhandenen Relevanz für den
grenzüberschreitenden Verkehr an dieser Stelle zu vernachlässigen.
Die ASEAG ist traditionell im grenzüberschreitenden Verkehr sowohl in die
Niederlande (als alleiniger Konzessionär oder – derzeit – in Kooperation mit
Veolia Transport Limburg) als auch nach Belgien (in Kooperation mit TEC
und dem belgischen Subunternehmer SADAR) aktiv und ist daher mit den
jeweiligen Verhältnissen und lokalen Randbedingungen in den
Nachbarländern bestens vertraut. Hinzu kommt, dass die ASEAG als
kommunales Unternehmen a) ausschließlich lokalen Bezug aufweist und b)
der Eigentümerin Stadt Aachen untersteht und damit direkt mit der
Ausführung von Projekten seitens der Stadt beauftragt werden kann. Hinzu
kommt, dass die ASEAG der Einführung des elektrischen Antriebes in Ihrem
Netz grundsätzlich positiv gegenübersteht, was das Projekt „Umbau eines
Hybridbusses zu einem Elektrobus“ zeigt. Auch wenn dieses - aufgrund des
Einzelstückcharakters und damit fehlenden Marktperspektive des
Fahrzeugs – eher als singulärer Test denn als ernsthafter Einstieg zu werten
ist, können die Randbedingungen an deutscher Seite als günstig bezeichnet
werden – zumal mit der anberaumten Betrauung der ASEAG eine
langfristige Kontinuität gewährleistet ist und aufgrund der kommunalen
Struktur weitere Synergien möglich erscheinen (siehe 2.3 und 6.2).
Auf niederländischer Seite stellt sich die Situation grundlegend anders dar.
Im Gebiet des Aufgabenträgers Provinz Limburg existieren seit 2001 (mit
dem Verkauf von Stadsbus Maastricht an Veolia) keine kommunalen
Verkehrsunternehmen mehr und die Provinz Limburg hat im Zuge der
schrittweisen Übernahme der Aufgabenträgerschaft des Bus- und
Bahnverkehrs eine konsequente und integrale Ausschreibungspolitik
verfolgt, wodurch sämtliche regionalen Verkehre in der Provinz in die
Hände eines Verkehrsunternehmens gelegt wurden. In der laufenden
Konzession bis Dezember 2016 ist dies Veolia Transport Nederland, ab
Dezember 2016 bis Dezember 2031 mit hoher Wahrscheinlichkeit (wenn die
Vergabebeschwerde seitens Veolia abgewiesen wird) Arriva Nederland,
eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn.
Aufgrund der endenden Konzession einerseits und der nötigen
Investitionen in Fahrzeuge andererseits erscheint ein möglicher Pilotbetrieb
unter Beteiligung von Veolia nicht realistisch, wohingegen ein konstruktives
Engagement seitens Arriva für einen möglichst zeitnahen Pilotbetrieb nach
erfolgter rechtsgültiger Vergabe und Start der Konzession in 2016 als
hochwahrscheinlich einzustufen ist, da Arriva im Zuge der Ausschreibung
für die Konzession Limburg a) die Option „Emissionsfreier Stadtbusverkehr
QuickScan CharlemagneBus
8
Maastricht“ angeboten hat und b) darüber hinaus angegeben hat, bis 2026
den gesamten Busverkehr innerhalb Limburgs emissionsfrei zu betreiben.
Vor diesem Hintergrund können die Randbedingungen auch auf
niederländischer Seite als günstig eingestuft werden.
Im Gebiet der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens ist im Busverkehr
(Subunternehmer ausgenommen) ausschließlich das Unternehmen TEC
unterwegs, im grenzüberschreitenden Verkehr nach Deutschland in
Kooperation mit der ASEAG, in die Niederlande (auf der Linie 396 nach
Vaals) in Eigenregie. Wie auch für die ASEAG ist der grenzüberschreitende
Verkehr dabei für TEC ein traditioneller Bestandteil des Betriebes, so dass
die jeweiligen Randbedingungen in den Nachbarländern bekannt sind und
sich (im Falle der Verbindung nach Aachen) die Kooperation mit den
Kollegen jenseits der Grenze über Jahrzehnte eingespielt hat, was als
günstige Voraussetzung bezeichnet werden kann.
Andererseits verfügt die TEC bislang über keine Erfahrungen im Bereich
rein elektrischer Antriebe (in jüngerer Vergangenheit wurden lediglich ein
Hybridbus sowie drei Bioethanol-Busse getestet) und es ist derzeit auch
kein Projekt zum Linienbetrieb von Elektrobussen oder gar der
Elektrifizierung von Linien oder Teilnetzen geplant. Dieser Umstand passt
zu der auch in der Vergangenheit eher konservativen Ausrichtung des
Unternehmens, was den Lokal- und Regionalbusverkehr anbetrifft, so dass
zusammengefasst hier – verglichen mit der niederländischen und deutschen
Seite – von etwas weniger günstigen Randbedingungen gesprochen
werden kann
2.3 Vertragliche und finanzielle Situation und Perspektiven
Wie bereits weiter oben angesprochen, befindet sich auch im vertraglichen
Verhältnis zwischen Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen zumindest
auf niederländischer und deutscher Seite zur Zeit Einiges in Bewegung, da
sowohl in der Provinz Limburg als auch in Stadt und StädteRegion Aachen
neue Verträge mit den künftig in der Region tätigen Verkehrsunternehmen
anstehen.
Im Falle der Provinz Limburg ist dies – wie berichtet – höchstwahrscheinlich
das Unternehmen Arriva Nederland, welches sich nach einer teils sehr
turbulent verlaufenen europaweiten Ausschreibung die multimodale
Konzession 2016-2031 sichern konnte. Auf deutscher Seite steht die
Betrauung der ASEAG mit den Verkehren für den Zeitraum 2017-2027 an.
Während sich also die gewählten Wege (europaweite öffentliche
Ausschreibung vs. Betrauung des eigenen kommunalen Unternehmens)
deutlich unterscheiden, ist beiden Sachverhalten jedoch gemein, dass sie
einen optimalen Zeitpunkt darstellen, um von Seiten des jeweiligen
Aufgabenträgers bzw. ggf. in Kooperation der Aufgabenträger dies- und
jenseits der Grenze das Thema Elektrifizierung des
(grenzüberschreitenden) Busverkehrs verbindlich in den vertraglichen
Vereinbarungen mit den Verkehrsunternehmen zu verankern.
QuickScan CharlemagneBus
9
So sind nach der rechtsgültigen Vergabe der Limburger Konzession, d. h.
nach einer Abweisung der Vergabebeschwerde seitens Veolia, recht
kurzfristig die ersten Sitzungen der sog. „Ontwikkelteams“ geplant, in
welchen das künftige Verkehrsunternehmen, Vertreter der Provinz sowie
Vertreter von Kommunen und anderer Träger öffentlicher Belange
zusammenkommen werden und die Überführung der im Rahmen der
Ausschreibung abgegebenen Offerte in das konkrete künftige Liniennetz
und Verkehrsangebot abstimmen.
Auf deutscher Seite (Stadt Aachen) sind die Vorbereitungen zur Betrauung
der ASEAG zwar bereits recht weit gediehen, aber noch nicht
abgeschlossen, so dass die Elektrifizierung des Busverkehrs grundsätzlich
auch hier noch mit aufgenommen und verankert werden kann, um ihr
seitens des Aufgabenträgers einen verbindlichen Status zu verleihen und
damit eine Basis für die nächsten Realisierungsschritte zu legen (siehe auch
7.).
Die unterschiedlichen Vertragsstrukturen bzw. Verhältnisse
Aufgabenträger-Verkehrsunternehmen zeigen sich auch recht deutlich an
der finanziellen Komponente. Der jährliche Zuschuss an das künftige
Verkehrsunternehmen für das Erbringen aller Leistungen im Rahmen der
neuen Konzession in Limburg ist seitens der Provinz Limburg auf 55,5 Mio. €
gedeckelt. Das künftige Verkehrsunternehmen muss demnach auch die
Anschaffung von Elektrobussen und deren Betrieb hieraus bestreiten.
Aufgrund der Ankündigung seitens Arriva, bereits in 2026 den Busverkehr
in Limburg komplett emissionsfrei zu betreiben, kann abgeleitet werden,
dass das Unternehmen dies bereits in Gänze in das abgegebene – und
schlussendlich siegreiche – Angebot eingepreist hat.
Auf deutscher Seite wird der finanzielle Verlust der ASEAG – derzeit und
vsl. auch in den nächsten Jahren ca. 25 Mio. € - nach Verrechnung mit den
Gewinnen der STAWAG im Rahmen eines Ergebnisübernahmevertrages
unter dem Dach der städtischen Energie- und Verkehrsgesellschaft durch
die Stadt Aachen aufgefangen. Aufgrund der – im Gegensatz zur
finanziellen Situation der Provinz Limburg – auch perspektivisch
angespannten Lage des städtischen Haushaltes erscheint eine Erhöhung
des finanziellen Defizits der ASEAG durch die Elektrifizierung von
Busverkehren als schwierig bis unrealistisch. Vor diesem Hintergrund sind
a) sorgfältige und kosteneffiziente Konzepte zur Elektrifizierung des
Busverkehrs sowie die kreative Nutzung vorhandener Synergien (siehe 6.)
gefragt und b) zusätzliche Fördermittel von Dritten zumindest für die
investiven Aufwendungen nötig.
Auf belgischer Seite läuft der aktuelle öffentliche Dienstleistungsauftrag
zwischen der Wallonischen Region und dem Verkehrsunternehmen TEC bis
zum Jahre 2017. Im Rahmen dessen erhält TEC zur Erbringung aller
Verkehrs- und sonstigen Leistungen einen jährlichen Zuschuss, der für die
TEC-Abteilung Liège-Verviers, unter welche der belgische Teil der
Charlemagne Region fällt, derzeit rund 120 Mio. € beträgt. Es ist als
hochwahrscheinlich einzuschätzen, dass für die folgende Periode wieder ein
vergleichbarer Auftrag seitens der Wallonischen Region an TEC erfolgen
wird, in dessen Rahmen wiederum Zuschüsse für die Erbringung der
QuickScan CharlemagneBus
10
Leistungen gezahlt werden. Ob es diesbezüglich zu strukturellen
Änderungen der Vertragsinhalte und/oder finanziellen Zuwendungen
kommen wird, ist derzeit noch nicht bekannt. Darüber hinaus gilt jedoch
wie für die niederländische und deutsche Seite, dass die Vorbereitung und
inhaltliche wie vertragliche Ausgestaltung einer neuen Konzessions- bzw.
Vertragsperiode den optimalen Zeitpunkt darstellt, um Themen und
Projekte verbindlich zwischen Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen
abzustimmen und zu verankern.
2.4 Herangehensweise zur Einführung von E-Mobilität
Die Entscheidung zur Elektrifizierung des Busverkehrs ist immer auch ein
strategischer Beschluss mit sehr großer Tragweite – finanziell, technisch
und betrieblich. Denn die umfassende Elektrifizierung ganzer regionaler
Netze und Busflotten bedeutet nach vielen Jahrzehnten des reinen
Dieselbusbetriebs nicht weniger als einen revolutionären Wechsel nicht nur
der Antriebstechnologie, sondern auch der damit verbundenen
Randbedingungen, Anforderungen und Konsequenzen – begonnen bei den
Fahrzeugen und der nötigen (Lade-)Infrastruktur über die Einrichtung der
Werkstätten und Ausbildung des Fahr- und Werkstattpersonals bis hin zum
Netz- und Fahrplan sowie der Umlauf- und Dienstplanung.
Aufgrund dessen sollte eine Entscheidung für die Elektrifizierung – auch vor
dem Hintergrund der laufenden technologischen Weiterentwicklungen und
angesichts der zu tätigenden Investitionen – niemals nur auf Basis eines
definierten Status Quo und der kurzfristig anfallenden Kosten gefällt
werden, sondern nach einer sorgfältigen und ganzheitlichen Abwägung
aller Aspekte und Randbedingungen und einer langfristigen finanziellen
Bewertung – schließlich ist die Entscheidung zur Elektrifizierung auch eine
sehr langfristige.
In den folgenden Kapiteln werden die verschiedenen Möglichkeiten der
Herangehensweise erläutert und bewertet.
2.4.1 Netzbezug oder Technologiebezug?
Ungeachtet der gewählten technischen Systemlösung (siehe Kapitel 3.1)
existieren zwei grundsätzliche Möglichkeiten zur Elektrifizierung des
Busverkehrs – zum einen die schrittweise Elektrifizierung bestehender
Netze unter möglichst weitgehender Beibehaltung der zugehörigen
Betriebskonzepte (Netzbezug) und zum anderen die konsequente
Anpassung der Netze und Betriebskonzepte an die Erfordernisse der
gewählten elektrischen Traktionsvariante (Technologiebezug).
Erstere Variante hat auf den ersten Blick den Vorteil, dass betriebliche
Optimierungen, welche bei Dieselflotten einen möglichst (kosten-)
effizienten Betrieb zur Folge haben, scheinbar erhalten bleiben. Beispiele
hierfür sind sog. Linienwechsler („fährt weiter als Linie...“) oder minimierte
Wendezeiten an den Linienenden, um die vorhandenen Fahrzeug- und
Personalkapazitäten maximal zu nutzen.
QuickScan CharlemagneBus
11
Letztere Variante dahingegen erfordert nicht nur mitunter eine aufwändige
Umarrangierung von Teil- oder gar gesamten Netzen und daher eine
diesbezügliche Bereitschaft, teils über Jahrzehnte gewachsene Strukturen
aufzugeben. Sie ist zudem dadurch gekennzeichnet, dass neben den
Aufwendungen für die anfänglichen Investitionen auch – aufgrund des
vermeintlich „weniger effizienten“ Betriebs – kurzfristig höhere operative
Kosten entstehen können.
Vor diesem Hintergrund erscheint eine Favorisierung der ersten Variante,
insbesondere in Städten und Regionen mit stark betrieblich optimierten
Netzen wie z. B. in Aachen, zunächst nachvollziehbar.
Bei einer näheren Beschäftigung mit den Anforderungen des elektrischen
Betriebs, z. B. der Notwendigkeit, batteriebetriebene Busse mit einer
deutlich geringeren Reichweite als Dieselbusse regelmäßig nachladen zu
müssen, wird jedoch schnell deutlich, dass „optimaler“ Betrieb in
Dieselnetzen anders aussieht als in elektrischen Netzen und demzufolge
Dieselnetze in den allermeisten Fällen – v. a. unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten – nicht 1 zu 1 elektrifiziert werden können.
Vereinfacht dargestellt lässt sich sagen: Je stärker ein bestehendes
Netz/Betriebskonzept „durchoptimiert“ ist und je weniger Freiheiten und
Pufferzeiten dieses aufweist, desto weniger ist es geeignet, um ohne
größere Anpassungen wirtschaftlich verantwortbar elektrifiziert zu werden.
Umgekehrt bedeutet dies: Je konsequenter Verkehrsunternehmen und
Aufgabenträger versuchen, die betreffenden Verbindungen und Netze auf
die Erfordernisse des elektrischen Betriebes abzustimmen (z. B. durch
linientreuen Betrieb und mehr Stillstands- bzw. Pufferzeiten), desto
effizienter lassen sich die Vorteile der elektrischen Traktion (v.a. geringerer
Energieverbrauch und damit zusammenhängend z. T. deutliche geringere
Betriebskosten) ausnutzen und desto günstiger ist langfristig der Betrieb.
Daher gilt: Ist seitens eines Verkehrsunternehmens und/oder
Aufgabenträgers die schrittweise oder gleichzeitige Elektrifizierung von
Busnetzen geplant, so ist abhängig von der Struktur des bestehenden
Netzes eine – zumindest teilweise – Überplanung und Anpassung dessen
notwendig, um eine langfristige betriebswirtschaftliche Darstellbarkeit zu
erhalten. Eine Elektrifizierung rein auf Basis bestehender Umlaufplanungen
ist nicht zielführend und sollte daher vermieden werden.
2.4.2 On-Top oder integriert?
Eine theoretische weitere Möglichkeit bestünde darin, erste elektrische
Linien zusätzlich zum bestehenden Angebot zu betreiben, um einerseits
dessen Betriebskonzept nicht antasten zu müssen und andererseits bereits
von Beginn an effizienten „Elektrobetrieb“ fahren zu können.
Ein solches Parallelkonzept ist jedoch nicht zu empfehlen, da es für den
Zeitraum des Betriebes erhebliche Zusatzkosten zur Folge hat, durch die
vorhandene Fahrgastnachfrage i.d.R. nicht gerechtfertigt werden kann und
gleichzeitig die bestehenden Netze nicht in Richtung der E-Mobilität
QuickScan CharlemagneBus
12
entwickelt. Die genannten Gründe könnten zudem dazu führen, dass die
öffentliche Rezeption eines solchen Projektes von Beginn an negativ
geprägt ist.
Von daher sollte eine Elektrifizierung in jedem Falle eingebettet in
lokale/regionale Liniennetze stattfinden.
2.4.3 Finanzieller Bewertungshorizont
Einer der Schlüsselbegriffe eines jeden Elektrifizierungsvorhabens ist das
sog. „Total Cost of Ownership“, kurz TCO, das für sämtliche Kosten eines
Fahrzeuges (bzw. einer Fahrzeugflotte) während der gesamten Zeit des
Besitzes und Einsatzes auf Seiten des Verkehrsunternehmens steht. Mittels
dieser Kalkulation lässt sich die finanzielle Darstellbarkeit eines
Elektrifizierungsvorhabens für das betreffende Verkehrsunternehmen
und/oder den zuständigen Aufgabenträger errechnen und vergleichende
Betrachtungen mit dem Einsatz von EURO 6-Dieselbussen anstellen.
Zentraler Vorteil einer solchen TCO-Betrachtung ist, dass nicht nur die
kurzfristig entstehenden (Investitions-)Kosten, z. B. für die Anschaffung von
Fahrzeugen und (Lade-)Infrastruktur, beurteilt werden. Würden allein diese
herangezogen, wären Elektrifizierungsvorhaben heute und auch
perspektivisch schwierig umsetzbar, da die Anschaffungspreise für
Elektrobusse noch immer deutlich über denen von EURO 6-Dieselbussen
liegen (je nach Fabrikat und Ausstattung mit einem Verhältnis von 2-1,7 zu
1) und der heute schon große Vorteil der Elektrobusse, deutliche niedrigere
Betriebs- und Wartungskosten, in Summe erst nach mehreren Jahren eine
vollständige Kompensation ermöglicht.
Bei sorgfältiger Netz- und Betriebsplanung der elektrifizierten Linien
erscheint bereits heute ein – auf die gesamte Einsatzzeit der Busse (10+
Jahre) bezogen – günstigerer Betrieb als mit EURO 6-Dieselbussen möglich
(siehe hierzu auch Kapitel 3.1 und 6.1).
2.4.4 Sachstand in den einzelnen Regionen/Ländern
Wie bereits weiter oben erwähnt, sind nahezu überall in (West-)Europa
mehr und mehr elektrische Busse unterschiedlicher Hersteller, Größe und
Systemvariante im Testbetrieb unterwegs – sowohl mit induktiver als auch
konduktiver Stromversorgung, mit kleiner und großer Batterie und
Reichweite, Unterwegs- und Übernachtnachladung.
Neben dem reinen Testbetrieb als vereinzelte „Mitläufer“ auf bestehenden
Linien sind auch bereits in diversen Städten Pilotbetriebe auf einzelnen
Linien gestartet worden, wie z. B. in Münster, Dresden, Berlin, Oberhausen
und in Kürze auch in Köln.
Es fällt jedoch auf, dass eine (teil-)netzweite Elektrifizierung „im großen
Stil“ bislang noch nirgends stattgefunden hat. Erklärbar ist dies v. a. mit
dem Umstand, dass sich bis heute noch keine elektrische Systemlösung als
Vorzugsvariante durchgesetzt und selbst innerhalb der verschiedenen
QuickScan CharlemagneBus
13
grundsätzlichen Varianten (z. B. bei den Schnellladesystemen, siehe auch
Kapitel 3.1) noch keine Standardisierung stattgefunden hat.
Im Gebiet der Charlemagne Grenzregion ist derzeit allein die ASEAG
testweise mit Elektrobussen unterschiedlicher Hersteller und
Spezifikationen unterwegs. Darüber hinaus wurde von der ASEAG ein
Hybridbus angeschafft und in Kooperation mit einem Aachener
Unternehmen zu einem Elektrobus umgebaut, der jedoch lediglich
Einzelstückcharakter aufweist und als reiner Versuchsträger zur Sammlung
von Erfahrungen betrachtet werden sollte.
Für die nahe Zukunft sind jedoch sowohl auf deutscher als auch
niederländischer Seite bedeutende Schritte zum Einstieg in eine weit
reichende Elektrifizierung vorgesehen. So hat der Mobilitätsausschuss der
Stadt Aachen in seiner Sitzung am 10.9.2015 auf Basis der Ergebnisses des
in der Einleitung bereits erwähnten Gutachtens der Fraunhofer Gesellschaft,
welches kürzlich für die innerstädtischen Aachener Linien erstellt wurde,
beschlossen, dass die weiteren konzeptionellen Vorbereitungen für eine
Elektrifizierung mehrerer Linien vorangetrieben werden sollen. Auf
niederländischer Seite startet im Dezember 2016 die neue ÖV-Konzession
in Limburg, in welcher aller Voraussicht nach auch von Beginn an das
Maastrichter Stadtbusnetz elektrisch betrieben wird und daran
anschließend sukzessive bis 2026 sämtliche Buslinien im gesamten
Provinzgebiet (mit ca. 250 Bussen) elektrifiziert werden sollen.
Vor diesem Hintergrund wird dringend empfohlen, neben möglichen
grenzüberschreitenden Pilotlinien, die in der vorliegenden Untersuchung
betrachtet werden, auch die übrigen Elektrifizierungsplanungen an beiden
Seiten der Grenze durch eine enge Kooperation der konzessionierten
Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger auf einander abzustimmen und
zu harmonisieren – um auf diese Weise nicht nur die Interoperabilität von
Beginn an zu gewährleisten und damit eine europaweite Vorbildfunktion
einzunehmen, sondern auch mögliche weitere Vorteile wie z.B.
Kosteneinsparungen durch größere (gemeinsame) Fahrzeugbestellungen,
Kooperation bei Wartung und Unterhalt sowie bei Ladeinfrastrukturen zu
erreichen.
QuickScan CharlemagneBus
14
3. HERANGEHENSWEISE IM UNTERSUCHUNGSFALL
3.1 Festlegung der Technologie
Zur Zeit sind sowohl induktive (Ladung ohne physischen Kontakt) als auch
konduktive (Ladung mit physischem Kontakt, z. B. über Stecker) Systeme
in den unterschiedlichsten Ausführungen, die je nach Hersteller z. T. stark
variieren, erhältlich. Auch die Batteriegröße und damit Gewicht,
Fahrgastkapazität und Reichweite schwanken erheblich – als grundsätzliche
Kategorien unterscheidet man hier die sog. „Overnight-Charger“
(Batteriebusse mit großer Batterie, die nach dem Einsatz im Betriebshof
über mehrere Stunden geladen werden) auf der einen und die sog.
„Opportunity-Charger“ (Batteriebusse mit kleiner Batterie, die i.d.R. an den
Endpunkten der Linie innerhalb der Wendezeit mit hoher Ladeleistung nur
wenige Minuten geladen werden) auf der anderen Seite. Daneben sind
weiterhin klassische Trolleybusse mit Pantograph (ohne Energiespeicher)
erhältlich, die über Oberleitungen kontinuierlich mit Strom versorgt werden.
In jüngerer Vergangenheit wurden diese ergänzt durch hybride Varianten,
die zusätzlich zum Pantograph mit einer kleinen Batterie ausgestattet sind
und damit begrenzte Strecken ohne Oberleitung befahren können und
danach die Batterie wieder über die Oberleitung aufladen.
Wie bereits im vorangegangenen Kapitel angedeutet, hat sich bis zum
heutigen Zeitpunkt noch keine der verschiedenen angebotenen
Systemlösungen im Bereich der elektrischen Busse entscheidend
durchgesetzt. Auch werden nahezu alle verschiedenen erhältlichen Systeme
derzeit und wahrscheinlich auch perspektivisch noch weiterentwickelt, so
dass zum heutigen Zeitpunkt keine eindeutige Aussage getroffen werden
kann, wie sich der Markt und die angebotenen Systemlösungen in einigen
Jahren darstellen werden.
Tendenziell absehbar ist jedoch, dass sich – jedenfalls im ÖPNV auf kurzen
bis mittleren Distanzen und in eher städtisch geprägten Regionen – die
„Opportunity-Charger“-Variante zur weit verbreiteten Anwendungslösung
entwickeln dürfte. Die kleine, leichte und im Vergleich zu den „OvernightChargern“ günstigere Batterie hat einen geringeren Energieverbrauch
(aufgrund der geringeren Achslast des Fahrzeuges) sowie eine höhere
Fahrgastkapazität zur Folge. Zusammen mit dem Umstand, dass
„Opportunity-Charger“ anders als „Overnight-Charger“ über den gesamten
Betriebstag eingesetzt werden können und nicht nach maximal rund 200
km für mehrere Stunden aufgeladen und daher durch ein anderes, voll
geladenes Fahrzeug ersetzt werden müssen, sind für diese Variante bei
sorgfältiger Netz- und Betriebsplanung und –abstimmung wesentlich
günstigere TCO-Werte erreichbar als bei den „Overnight-Chargern“ (siehe
Abbildung auf der folgenden Seite), was insbesondere bei engen
finanziellen Spielräumen auf Seiten der Verkehrsunternehmen und/oder
Aufgabenträger von großer Bedeutung sein kann.
Innerhalb der „Opportunity-Charger“-Lösungen besteht wiederum die Wahl
zwischen den konduktiven und induktiven Ladesystemen. Aufgrund der
Tatsache, dass sich bei induktiven Systemen Ladeleistungen von „lediglich“
QuickScan CharlemagneBus
15
200 kW realisieren lassen (z. B. Bombardier Primove), bei konduktiven
(Schnelllade-)Systemen jedoch – nach heutigem Entwicklungsstand – bis zu
500 kW und damit erhebliche kürzere Ladezeiten möglich bzw. weniger
Ladevorgänge nötig sind, sind letztere als deutlich flexibler einzustufen.
Diesel-Busse
Overnight-Charger
Opportunity-Charger
Abbildung 1: vergleichende TCO-Analyse für Diesel-, Overnight-Charger- und Opportunity-Charger-Busse auf
Basis eines TCO-Tools des finnischen Forschungsinstitutes VTT, Stand: 2014
(Quelle: http://www.vtt.fi/inf/julkaisut/muut/2014/OA-Fully-Electric.pdf, Bearbeitung: stellwerk bv)
Bei den konduktiven (Schnell-)Ladesystemen ist schließlich noch die Wahl
zwischen den verschiedenen Stromübertragungslösungen zu treffen. In
diesem Zusammenhang sind weniger die (zu vernachlässigenden)
technischen Unterschiede als vielmehr die städtebauliche Eignung
ausschlaggebend für die letztliche Wahl. Während ausfahrbare
Pantographensysteme an den Ladestationen deutlich sichtbare Ausleger in
einer Höhe von mehreren Metern erfordern, sind seitliche
Konnektorensysteme nahezu unsichtbar in die Umgebung integrierbar.
Eines dieser Systeme wurde von den RWTH Aachen-Instituten ISEA
(Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe) und IFAS
(Institut für fluidtechnische Antriebe und Steuerungen) in Kooperation mit
diversen mittelständischen Betrieben entwickelt und wird derzeit in
Münster von den Stadtwerken Münster im Rahmen des europäischen
Pilotprojektes ZeEUS (www.zeeus.eu) im Linienbetrieb gestestet. Dieses
System vereint alle (v.a. finanziellen) Vorteile der „Overnight-Charger“Technologie mit einer hervorragenden städtebaulichen Verträglichkeit.
Hinzu kommt dass das System maßgeblich in Aachen entwickelt wurde und
daher das know-how zur Implementierung und zukünftigen
QuickScan CharlemagneBus
16
Weiterentwicklung vor Ort vorhanden ist. Aus diesen Gründen fällt die
Technologiewahl für die vorliegende Untersuchung auf dieses System.
3.2 Das Aachener Schnellladesystem
Das gewählte „Aachener“ Schnellladesystem, über welches sehr hohe
Ladeleistungen bis zu 500 kW erreichbar sind, besteht aus drei Teilen:
a) der busseitigen Technik: Ladebuchse seitlich auf dem Dach,
Leitungen, Batteriepaket und Antrieb
b) der haltestellenseitigen Technik: automatischer Konnektor inkl.
Motorisierung auf dem Dach der Haltestelle sowie Zuleitung
c) der Ladeelektronik: redundant ausgeführte Ladegeräte (4 Module),
Transformator, Kühlung, Leitungen; diese Elemente sind in einer ca.
TEU-großen Behausung in direkter Nähe der Haltestelle
untergebracht und über Leitungen mit dem Konnektor auf dem Dach
der Haltestelle verbunden
Neben den beiden RWTH Instituten waren an der Entwicklung diverse
große und mittelständische Unternehmen aus Deutschland sowie als
Busherstellerpartner das Unternehmen VDL aus den Niederlanden
(Eindhoven) beteiligt. Die Struktur der Kooperation zeigt untenstehende
Abbildung:
Abbildung 2: Struktur und Zuständigkeiten der Kooperationspartner bei der Entwicklung des „Aachener
Schnellladesystems (Quelle: ISEA RWTH Aachen)
Die verschiedenen Komponenten in der Praxis in Münster zeigen folgende
Abbildungen:
QuickScan CharlemagneBus
17
Abbildungen 3 und 4: Behausung für die verschiedenen Ladekomponenten; Leitungskanal am Wartehäuschen
einer Haltestelle (Quelle: stellwerk bv)
Abbildung 5: Konnektor-Verbindung zwischen Haltestellendach und Bus während des Ladevorganges (Quelle:
Stadtwerke Münster)
Im derzeitigen Praxisbetrieb in Münster werden die Batterien in den Bussen
an den Endhaltestellen in der vorhandenen Wendezeit innerhalb weniger
Minuten wieder aufgeladen.
Dazu fährt der Busfahrer bis zu einer leicht sichtbaren Markierung im
Haltestellenbereich, stoppt das Fahrzeug und betätigt eine Taste im
Armaturenbereich. Daraufhin fährt der Konnektor, welcher in alle
Richtungen beweglich ist und einen Toleranzbereich von 40 cm im Hinblick
auf den Fahrzeugstandort aufweist, automatisch an die seitliche Buchse auf
QuickScan CharlemagneBus
18
dem Fahrzeugdach heran und verbindet sich mit ihr, um dann den
Ladevorgang zu starten. Nach Erreichen des gewünschten Ladestatus
koppelt sich der Konnektor wiederum automatisch ab, so dass die nächste
Linienfahrt des Busses starten kann.
Über ein Online-Tool sind alle relevanten Daten des Busses (Ladestatus,
Reichweite, Batterietemperatur etc., aber auch möglich Störungen) in
Echtzeit in der Betriebsleitstelle abrufbar, so dass eine sehr effiziente
Betriebssteuerung möglich ist.
3.3 Integration in bestehende Systeme
Lokale und regionale ÖPNV-Netze sind – ungeachtet, ob mit Diesel- oder
Elektrobussen betrieben – in aller Regel bis heute nicht kostendeckend zu
betreiben, so dass die entstehenden Verluste durch die öffentlichen
Aufgabenträger (direkt oder mittelbar) aufgefangen werden müssen.
Diese sind selbstverständlich bestrebt, die Verluste des Betriebs so klein
wie möglich zu halten bzw. zumindest nicht größer werden zu lassen. Dies
gilt insbesondere für die deutsche Seite der Charlemagne Grenzregion, auf
welcher die Finanzlage der öffentlichen Haushalte nach wie vor als sehr
angespannt bezeichnet werden kann.
Ein kurzfristiger grenzüberschreitender Pilotbetrieb, welcher bereits vor
einer größeren Anpassung des vorhandenen Liniennetzes und zugehörigen
Betriebes auf die Erfordernisse elektrischer Traktion stattfinden soll, kann
daher realistisch ausschließlich auf Linien, deren Betrieb bereits durch
bestehende Verträge/Konzessionen finanziert ist, umgesetzt werden.
Darüber hinaus sollten diese Linien bereits so ausgestaltet sein, dass durch
eventuell notwendige Anpassungen weder mehr Personal und Fahrzeuge
eingesetzt werden müssen, noch die verkehrlichen Funktionen der Linien
eingeschränkt werden oder gar verloren gehen.
Vor diesem Hintergrund werden daher mittels verschiedener Kriterien in
unterschiedlichen Bereichen im folgenden Kapitel die bestehenden
grenzüberschreitenden Buslinien auf ihre Eignung hin überprüft.
Eine schlechte Bewertung auf Basis des Schemas bedeutet daher nicht,
dass eine technische Machbarkeit der Elektrifizierung nicht gegeben ist,
sondern die entsprechende Linie im Ergebnis aller bewerteten Kriterien
derzeit (v.a. wirtschaftlich) wenig geeignet erscheint.
QuickScan CharlemagneBus
19
4. AUSWAHL GEEIGNETER LINIEN/VERBINDUNGEN
4.1 Derzeitige und perspektivisch geplante grenzüberschreitende
Buslinien
Das derzeitige Netz grenzüberschreitender Buslinien im Gebiet der
Charlemagne Grenzregion, insgesamt 12 an der Zahl, basiert zum Teil noch
auf ehemaligen Straßenbahnlinien (z. B. Linie 14 Eupen – Aachen oder Linie
25 Vaals – Aachen – Stolberg) und hat sich in den vergangenen 15 Jahren
mit Ausnahme der Anbindung des binationalen Gewerbegebietes Avantis
von beiden Seiten der Grenze praktisch nicht verändert. Es wird momentan
und nach derzeitiger Planung auch auf absehbare Zukunft von drei
Unternehmen betrieben: der deutschen ASEAG, TEC in Belgien und auf
niederländischer Seite bis Ende 2016 Veolia und ab Ende 2016 vsl. Arriva.
Die Linien werden teils in Gemeinschaftskonzession (z. B. Linie 14 von
TEC/ASEAG) und teils nur durch ein Unternehmen betrieben (z. B. Linie 50
von Veolia). Auch diese Struktur ist historisch gewachsen und hat sich in
jüngerer Vergangenheit nicht mehr geändert.
Die momentan betriebenen grenzüberschreitenden Linien im Gebiet der
Charlemagne Region werden im Folgenden kurz dargestellt:
-
Niederlande – Deutschland
o Linie 25 (ASEAG): Vaals Busstation – Stolberg Mühlener Bf
Linienlänge: 22,7 km (davon in NL 0,5 km, in DE: 22,2 km)
Anzahl Haltestellen: 52
Anzahl Fahrten/Tag/Richtung: 35
Liniencharakter: Hochfrequentierte, dicht getaktete StadtUmlandlinie (30’) mit hohem Gelenkbusanteil und
anspruchsvoller Topografie
à geht aufgrund der eingeschränkten grenzüberschreitenden
Funktion und Berücksichtigung in der aktuellen FraunhoferUntersuchung der Aachener Innenstadtlinien nicht in die
Bewertung mit ein
o Linie 27 (Veolia): Kerkrade Parkstad Stadion – Avantis
Linienlänge: 8,2 km (davon in NL: 5,4 km, in DE: 2,8 km)
Anzahl Haltestellen: 11
Fahrten/Tag/ Richtung: 24
Liniencharakter: reine Zubringerlinie zu den Gewerbegebieten
Avantis und Trilandis, wenig frequentiert, jedoch auf Basis
optimierter Umläufe dicht getaktet (30’), betrieben mit
Kleinbussen
o Linie 30 (Veolia): Kerkrade Busstation – Herzogenrath Bf
Linienlänge: 4,3 km (davon in NL: 2 km, in DE: 2,3 km)
QuickScan CharlemagneBus
20
Anzahl Haltestellen: 11
Fahrten/Tag/ Richtung: 29
Liniencharakter: Kurze Stadt-Stadt-Verbindung zwischen den
ÖV-Hauptverknüpfungspunkten beider Städte, (derzeit)
geringe Nachfrage, daher betrieben mit Kleinbussen, durch
optimierte Umläufe jedoch dichter Takt (30’) möglich
o Linie 33 (ASEAG): Vaals Flats – Aachen Fuchserde
Linienlänge: 18 km (davon in NL: 3,6 km, in DE: 14,4 km)
Anzahl Haltestellen: 45
Fahrten/Tag/ Richtung: 37
Liniencharakter: sehr stark frequentierte, relativ lange Aachener
Stadtbuslinie mit (beschränkter) Erschließungsfunktion in Vaals,
v.a. bedeutsam für die RWTH Campusbereiche Melaten und
Hörn, dichter Takt (grenzüberschreitend 30’, ab Uniklinik 15’),
enge Haltestellenfolge, sehr hohe Gelenkbusdichte, wechselnde
Endpunkte in Vaals
à geht aufgrund der eingeschränkten grenzüberschreitenden
Funktion und Berücksichtigung in der aktuellen FraunhoferUntersuchung der Aachener Innenstadtlinien nicht in die
Bewertung mit ein
o Linie 34 (ASEAG): Kerkrade Busstation – Aachen Brand
Linienlänge: 24,9 km (davon in NL: 3,2 km, in DE: 21,7 km)
Anzahl Haltestellen: 55
Fahrten/Tag/ Richtung: 13
Liniencharakter: sehr lange Stadt-Umlandverbindung mit sehr
vielen Haltestellen, jedoch momentan nur wenigen,
grenzüberschreitenden Fahrten von/nach Kerkrade (keine
durchgehende Vertaktung), häufig wechselnde Endpunkte,
keine einheitliche Linienführung
o Linie 44 (Veolia/ASEAG): Heerlen Station – Aachen Hbf
Linienlänge: 20,7 km (davon in NL: 9,2 km, in DE: 11,5 km)
Anzahl Haltestellen: 34
Fahrten/Tag/ Richtung: 32
Liniencharakter: relativ direkte und verhältnismäßig schnelle
Stadt-Stadt-Linie zwischen den beiden Hauptbahnhöfen, dicht
getaktet (30’) und gut nachgefragt, gemeinschaftlich von
Veolia und ASEAG betrieben
o Linie 50 (Veolia): Maastricht Station – Aachen Theater
Linienlänge: 32 km (davon in NL: 27,4 km, in DE: 4,6 km)
Anzahl Haltestellen: 37
Fahrten/Tag/ Richtung: 58
Liniencharakter: sehr stark frequentierte, sehr lange und
ziemlich langsame Stadt-Stadt-Verbindung zwischen den
Hauptbahnhöfen und Innenstädten beider Städte, dichtester
QuickScan CharlemagneBus
21
Takt (15’) aller grenzüberschreitenden Buslinien in der
Charlemagne Region
o Linie 74 (ASEAG): Avantis – Aachen Hbf
Linienlänge: 14,1 km (davon in NL: 2,1 km, in DE: 12 km)
Anzahl Haltestellen: 13
Fahrten/Tag/ Richtung: 6 (davon 4 im Bedarfsverkehr)
Liniencharakter: reiner Zubringerverkehr zum Gewerbegebiet
Avantis via A4/A76, nur zwei feste Linienfahrten, ansonsten
Bedarfsverkehr, geringe Nachfrage, daher Betrieb mit Kleinbus
-
Belgien – Deutschland
o Linie 14 (TEC/ASEAG): Eupen Bushof – Aachen Bushof
Linienlänge: 19 km (davon in BE: 11,1 km, in DE: 7,9 km)
Anzahl Haltestellen: 40
Fahrten/Tag/ Richtung: 30
Liniencharakter: gut nachgefragte, relativ lange und
verhältnismäßig schnelle Stadt-Stadt-Verbindung zwischen den
Hauptverknüpfungspunkten, dicht getaktet (30’) und
gemeinschaftlich betrieben
o Linie 24 (ASEAG): Kelmis Bruch – Aachen Rahe im Ring
Linienlänge: 16,2 km (davon in BE: 2,6 km, in DE: 13,6 km)
Anzahl Haltestellen: 42
Fahrten/Tag/ Richtung: 34
Liniencharakter: stark frequentierte Aachener Stadtbuslinie mit
zusätzlicher grenzüberschreitender Erschließungsfunktion im
Vorort Kelmis, dichter Takt (30’), enge Haltestellenfolge,
wechselnde Endpunkte an deutscher Seite, betriebliche
Kooperation mit belgischem Unternehmen SADAR
o Linie 385 (TEC/RVE): Eupen Bushof – Kalterherberg Bf
Linienlänge: 28,5 km (davon in BE: 15 km, in DE: 13,5 km)
Anzahl Haltestellen: 31
Fahrten/Tag/ Richtung: 4 (Betrieb nur am Wochenende!)
Liniencharakter: reine Freizeitverkehrslinie ins Hohe Venn, keine
Werktagsbedienung, sehr eingeschränkte Fahrtenzahl (120’Takt), gemeinschaftlicher Betrieb von TEC und RVE
-
Niederlande – Belgien
o Linie 396 (TEC): Vaals Bushof – Eupen Bushof
Linienlänge: 21 km (davon in NL: 3,7 km, in BE: 17,3 km)
Anzahl Haltestellen: 48
QuickScan CharlemagneBus
22
Fahrten/Tag/ Richtung: 15
Liniencharakter: belgische Regionallinie mit zusätzlicher
grenzüberschreitender Anschlussfunktion nach Vaals, sehr viele
Haltestellen, relativ geringe Nachfrage, sehr anspruchsvolle
Topographie, Stundentakt
QuickScan CharlemagneBus
23
Abbildung 6 (Quelle: stellwerk bv/openstreetmap.org (ODbL))
QuickScan CharlemagneBus
24
Für die nähere Zukunft ist – abgesehen von einer möglichen Anpassung auf
elektrischen Betrieb – nicht damit zu rechnen, dass sich die o. g., aus
nachvollziehbaren Gründen auf die Stadt Aachen ausgerichtete Struktur
tiefgreifend ändern wird.
Im Rahmen der neuen Konzession in der niederländischen Provinz Limburg
ab Dezember 2016 sind jedoch folgende kleinere Änderungen für den
grenzüberschreitenden Verkehr vorgesehen/möglich:
-
Linien 27 und 30
Beide Linien waren in der Ausschreibung für die Konzession Limburg
klassifiziert als „Zoekgebiedslijnen“, also Verbindungen, die aufgrund
der derzeit geringen Nachfrage mit alternativen Konzepten und
Linienführungen angeboten werden können. Änderungen der
Linienführungen und Bedienungskonzepte sind demnach
möglich/gewünscht. Dies wird im weiteren Verlauf dieser
Ausarbeitung bereits berücksichtigt.
-
Linie 44
In der Ausschreibung wurde bereits ein veränderter Linienweg
vorgegeben, welcher der heutigen und perspektivischen Nachfrage
besser Rechnung trägt. Künftig wird demnach auch das Heerlener
Krankenhaus (Zuyderland) und der Hochschulcampus (u.a. Zuyd
Hogeschool) direkt von Aachen aus erreichbar sein, was zu
steigenden Fahrgastzahlen auf der Linie führen dürfte. Auch diese
Änderung wird im Folgenden berücksichtigt.
-
Linie 50
Die heutige Linie wird ab dem Start der neuen Konzession geteilt, so
dass neben der bestehenden Linienführung ab Dezember 2016 eine
weitere Linie zwischen Maastricht und Aachen verkehren wird, die
jedoch in Maastricht auch weitere Bereiche der Innenstadt erschließt
und in Aachen auch über die Uniklinik verkehren wird. Beide Linien
werden dann im 30’-Takt betrieben, so dass sich überlagert ein
annähernder 15’-Takt (wie im heutigen Fahrplan) ergeben wird.
4.2 Linienbewertung und -auswahl
Obige Inventarisierung liefert ein vielgestaltiges Bild im Hinblick auf die
Struktur und Eigenschaften der verschiedenen grenzüberschreitenden
Linien im Ist-Zustand (Fahrplan 2015). Einziges einendes Element ist – mit
Ausnahme der Linien 27, 30 und 396 – die Ausrichtung auf die Stadt
Aachen.
Ansonsten finden sich nahezu alle verschiedenen Typen und Funktionen im
Buslinienverkehr – von der langlaufenden Stadt-Umland-Verbindung über
reine Zubringer- und Touristikverkehre bis hin zu sehr stark nachgefragten
Stadtbuslinien.
QuickScan CharlemagneBus
25
Auch die grenzüberschreitende Komponente ist unterschiedlich
ausgeprägt. Während auf mancher Linie der grenzüberschreitende
Abschnitt nur sehr kurz (z.B. Linie 25) und/oder die grenzüberschreitende
Fahrtenzahl im Gegensatz zu binnenländischen Kurzläufern gering ist (z.B.
Linie 34), weisen andere Linien eine gleichmäßige Verteilung der jeweiligen
Linienlängen und Haltestellenzahlen dies- und jenseits der Grenze auf und
verkehren ganztägig im dichten Takt.
In den vorangegangenen Kapiteln wurde bereits darauf hingewiesen und
erläutert, dass und warum ein optimal auf die Vorteile der elektrischen
Traktion abgestimmtes Netz nicht deckungsgleich mit den heutigen, von
den betrieblichen Spezifikationen und Möglichkeiten der Dieseltraktion
geprägten Netz- und Betriebsstrukturen in den einzelnen Gebieten der
Charlemagne Grenzregion sein kann und daher eine konsequent betriebene
Elektrifizierung von Linien oder (Teil-)Netzen immer zwingend eine
ganzheitliche Herangehensweise und die Möglichkeit zur Restrukturierung
erfordert.
Da dies jedoch bereits in lokalem und regionalem Kontext aufgrund der
teils über Jahrzehnte gewachsenen Netz- und Linienstrukturen und darauf
aufbauenden Denk- und Planungsmustern nicht ohne weiteres möglich ist
und der grenzüberschreitende Kontext die Komplexität noch erhöht,
erscheint es angebracht, den Einstieg in die Elektrifizierung des
grenzüberschreitenden Busverkehrs soweit wie möglich auf vorhandenen
Linien vorzunehmen und die antriebskonzeptinduzierten Eingriffe in Fahrund Umlaufpläne gering zu halten.
Dies wiederum erfordert jedoch eine Prüfung der vorhandenen Linien auf
Ihre grundsätzliche Eignung zur Elektrifizierung anhand diverser Kriterien.
So können auch ohne kostenintensive Mess- und Untersuchungsläufe in
ihrer heutigen Form ungeeignete Linien identifiziert und ausgeschlossen
und damit unangenehme und letztlich kostenintensive Überraschungen
vermieden werden.
Während einige Charakteristika wenig bis keinen Einfluss auf die Eignung
zur Elektrifizierung haben, können andere Eigenschaften bereits von
vornherein als – zumindest finanzielles – Crash-Kriterium bezeichnet
werden.
Bevor die Bewertung der Eignung der heutigen grenzüberschreitenden
Linien und schließlich die Auswahl der Linien für ein Einstiegskonzept in
den elektrischen grenzüberschreitenden Busverkehr vorgenommen wird,
erfolgt zunächst eine kurze Erläuterung der verwendeten Kriterien für die
Prüfung. Dabei ist zu beachten, dass dieser Kriterienkatalog auf die
zugrunde gelegte Schnelllade-Technologie abgestimmt ist. Andere noch
am Markt erhältliche elektrische Antriebs- und/oder Batteriekonzepte wie z.
B. Overnight-Charging oder (Hybrid-)Trolleybetrieb erfordern ggf. ein
angepasstes Bewertungsschema.
Die beiden Aachener Stadtbuslinien mit nur sehr kurzen
grenzüberschreitenden Abschnitten, die Linien 25 und 33, werden in dieser
Untersuchung nicht bewertet, da sie bereits in der FraunhoferUntersuchung der Aachener Innenstadtlinien berücksichtigt werden.
QuickScan CharlemagneBus
26
4.2.1 Bewertungskriterien
Die technischen Kriterien:
-
Linienlänge
Da bei der Schnellladetechnologie die Nachladung normalerweise an
den Endpunkten der jeweiligen Linie erfolgt, können die Batterien
i.d.R. klein dimensioniert werden, was weniger Gewicht, geringeren
Stromverbrauch, eine höhere Fahrgastkapazität und damit –
zusammengefasst – eine hohe Effizienz in finanzieller und auch
ökologischer Hinsicht zur Folge hat.
Mit zunehmender Linienlänge steigt logischerweise auch der Energieund damit batterieseitige Kapazitätsbedarf. Ab einer gewissen Länge
(ca. 20 km, abhängig von Topographie und weiteren Spezifikationen)
wirkt sich die einhergehende Gewichtszunahme und der größere
Platzbedarf zunehmend negativ aus, so dass sehr langlaufende Linien
zwar technisch machbar, jedoch – nach heutigem Stand der
Batterietechnologie – finanziell wenig darstellbar sind.
Für die vorliegende Bewertung wird folgende Einteilung verwendet:
o
o
o
o
-
0-15 km:
15,1-20 km:
20,1-22,5 km:
ab 22,5 km:
sehr geeignet
geeignet
bedingt geeignet
(derzeit) ungeeignet
Anzahl Haltestellen
Der höchste Energieverbrauch tritt beim Beschleunigen auf – ergo:
eine zunehmende Anzahl an Haltestellen führt (in Kombination mit
u.a. der Topographie, der Besetzung des Fahrzeuges und der
Liniencharakteristik) zu einem höheren Energieverbrauch. Zwar
besteht bei der elektrischen Traktion im Gegensatz zum Dieselbetrieb
die Möglichkeit der Energierückgewinnung, diese kann jedoch den
erhöhten Verbrauch beim Anfahren nicht kompensieren und ist
zudem abhängig von den entsprechenden Fähigkeiten und
Gewohnheiten des Busfahrers.
Für die vorliegende Bewertung wird folgende Einteilung verwendet:
o
o
o
o
-
0-20 Haltestellen:
21-30 Haltestellen:
31-40 Haltestellen:
ab 40 Haltestellen:
sehr geeignet
geeignet
bedingt geeignet
(derzeit) ungeeignet
Topographie
Wiederholte starke Steigungen wirken sich (in Kombination mit
weiteren o.g. Linieneigenschaften) ebenfalls auf den
QuickScan CharlemagneBus
27
Energieverbrauch und damit die Reichweite aus und erhöhen die
benötigte Batteriekapazität und die damit verbundenen negativen
Effekte.
Da eine detaillierte Erfassung der Topografie und Kalkulation der
Auswirkungen auf den Energieverbrauch den Umfang der
vorliegenden Untersuchung sprengen würde, werden hier Annahmen
getätigt, die auf der Sichtprüfung der jeweiligen Linientopographie
beruhen. Für den nächsten Realisierungsschritt der auszuwählenden
Linien wird jedoch eine genaue Berücksichtigung der Topographie
bei der Kalkulation angeraten.
-
Fahrgastnachfrage/Fahrzeuggrößen
Ein weiterer Einflussfaktor beim Energieverbrauch (und damit
schlussendlich bei den Kosten) ist die durchschnittliche Besetzung
des Busses und die damit verbundene notwendige Fahrzeuggröße.
Ein gut ausgelasteter Standardlinienbus (Sitzplätze belegt, keine
stehenden Fahrgäste) weist hier signifikant andere Werte auf als ein
„rappelvoller“ Gelenkbus, bei dem auch nahezu alle Stehplätze belegt
sind.
Da ohnehin zur Zeit der Markt für Elektrogelenkbusse (noch) klein
und die derzeitige Batterietechnologie noch nicht optimal auf sehr
hohe Fahrgast- und Energiebedarfe abgestimmt ist, nimmt mit
zunehmender/m Fahrgastnachfrage/Gelenkbuseinsatz die Eignung
zur Elektrifizierung ab. Hierbei sollte jedoch beachtet werden, dass
dies mit zunehmendem technologischen Fortschritt in einigen Jahren
nicht mehr der Fall sein könnte.
Da eine detaillierte Erfassung der Fahrgastströme und der
Fahrzeugeinsatzplanung den Umfang sprengen würde, werden auch
hier Annahmen getätigt, die auf der Sichtprüfung der jeweiligen
Linien beruhen.
Für die vorliegende Bewertung wird folgende Einteilung verwendet:
o geringe Nachfrage/kein Gelenkbuseinsatz:
sehr geeignet
o durchschnittliche Nachfrage/Gelenkbuseinsatz nur in
Ausnahmefällen: geeignet
o starke Nachfrage/Gelenkbuseinsatz in Spitzenzeiten:
bedingt geeignet
o sehr starke/r Nachfrage/Gelenkbuseinsatz:
(derzeit) ungeeignet
Die finanziellen Kriterien:
-
Anzahl Busse im Umlauf
Je länger und dichter getaktet eine Buslinie ist, desto mehr Busse
müssen eingesetzt werden, um den Betrieb durchzuführen. Im Falle
der Elektrifizierung einer Linie steigt demnach die Anzahl der
anzuschaffenden Elektrobusse, was zu steigenden absoluten
QuickScan CharlemagneBus
28
Investitionskosten zu Beginn der Elektrifizierung führt. Andererseits
führt die gleichzeige Abnahme größerer Stückzahlen von Bussen zu
sinkenden relativen Investitionskosten und auch die Vorteile
geringerer Betriebskosten bei Elektrobussen gegenüber Dieselbussen
wirken sich natürlich bei einer höheren Zahl an Elektrobussen stärker
aus.
Da jedoch für die vorliegende Untersuchung – u.a. aufgrund der auch
perspektivisch schwierigen Haushaltslage der Stadt Aachen auf
deutscher Seite – davon ausgegangen wird, dass der Einstieg in die
Elektrifizierung idealer Weise mit minimalen Investitionskosten
verbunden sein sollte, wird für die Bewertung folgende Einteilung
verwendet (betriebsnotwendige Fahrzeuge bei linienreinem Betrieb,
ohne Reserve):
o
o
o
o
-
1-2 Busse:
3-4 Busse:
5-6 Busse:
mehr als 6 Busse:
sehr geeignet
geeignet
bedingt geeignet
(derzeit) ungeeignet
Lage der Ladestationen
Davon ausgehend, dass die notwendigen Schnelladestationen für die
Nachladung an den Endhaltestellen der jeweiligen Linien ca. 200.000
bis 250.000 € kosten, ist eine periphere Platzierung und
einhergehend eine exklusive Bedienung nur durch eine einzige Linie
unter finanziellen Aspekten nicht wünschenswert.
Von daher ist entweder eine – auch aus weiteren Gründen sinnvolle grundlegende Überplanung und Anpassung des ÖV-Netzes an die
elektrische Traktion oder die alleinige Elektrifizierung von Linien,
deren Endpunkte bereits heute Endpunkte anderer Linien sind,
angebracht. Da Ersteres eine kurzfristige Realisierung eines
Pilotbetriebes konterkarieren würde, wird im vorliegendem Falle
letzteres als Kriterium herangezogen und für die Bewertung der Lage
der Ladestationen folgende Einteilung verwendet (Voraussetzung:
Linie endet immer an der gleichen Haltestelle, alternierende
Endstationen führen zur Abwertung):
o
o
o
o
Bedienung
Bedienung
Bedienung
Bedienung
durch
durch
durch
durch
mehr als 3 andere Linien: sehr geeignet
2-3 andere Linien:
geeignet
1 andere Linie:
bedingt geeignet
keine anderen Linien: (derzeit) ungeeignet
Die betrieblichen Kriterien:
-
Einheitlichkeit der Route und Fahrten
Nicht unerheblich für die Eignung zur Elektrifizierung ist insbesondere
die Frage, ob alle Fahrten an derselben Endhaltestelle enden, da dort
nachgeladen werden muss. Linien, auf denen häufiger oder
regelmäßig sog. Kurzläufer nicht den gesamten Linienweg
QuickScan CharlemagneBus
29
zurücklegen, sind ungeeignet, da Investitionen für zusätzliche
Ladestationen nötig wären. Auch regelmäßig befahrene verschiedene
und verschieden lange Linienwege zwischen den Endhaltestellen
verringern die Eignung.
Für die vorliegende Bewertung wird folgende Einteilung verwendet:
o
o
o
o
-
Einheitliche Route und Endhaltestellen:
Einzelne Routenvariationen:
vereinzelt abweichende Endhaltestellen:
regelmäßig wechselnde Endhaltestellen:
sehr geeignet
geeignet
bedingt geeignet
(derzeit) ungeeignet
Anzahl Fahrten/Tag
Ein großer Vorteil der elektrischen Traktion, der bereits heute zum
Tragen kommt, ist der verglichen mit dem Dieselantrieb deutlich
geringere Energieverbrauch und damit auch geringere
Betriebskosten, die den höheren Investitionskosten für Elektrobusse
(und die zugehörige Infrastruktur) gegenüberstehen.
Dieser Vorteil wird umso größer, je häufiger und länger das Fahrzeug
pro (Werk-)Tag unterwegs ist. Dicht getaktete Linien mit vielen
Fahrten und einer langen Betriebszeit sind – unter finanziellen
Gesichtspunkten – demnach besser für eine Elektrifizierung geeignet.
Linien, auf denen keine Werktagsbedienung stattfindet, sollten
derzeit nicht prioritär elektrifiziert werden.
Für die vorliegende Bewertung wird folgende Einteilung verwendet:
o
o
o
o
-
mehr als 31 Fahrten/Tag:
21-30 Fahrten/Tag:
11-20 Fahrten/Tag:
0-10 Fahrten/Tag:
sehr geeignet
geeignet
bedingt geeignet
(derzeit) ungeeignet
Linienreiner Betrieb
In stark umlaufoptimierten Dieselnetzen wie beispielsweise im
Aachener Busnetz finden sich sehr häufig sog. Linienwechsler, d. h.
Fahrzeuge, die nach dem Befahren eines Kurses einer bestimmten
Linie ab der Endhaltestelle auf eine andere Linie wechseln („fährt
weiter als Linie...“) und deren nächste planmäßige Fahrt übernehmen.
Dem Vorteil eines solchen Betriebskonzeptes, ein Dieselnetz finanziell
optimiert betreiben können, steht jedoch eine große
Störungsanfälligkeit (Verspätungen werden schnell auf andere Linien
übertragen) und eine schlechte Eignung für den elektrischen Betrieb
gegenüber – es sei denn, alle Linien, auf denen ein Fahrzeug verkehrt,
werden bzw. sind elektrifiziert.
Von daher erscheint es angebracht, stark umlaufoptimierte Netze
einer grundsätzlichen Überplanung zu unterziehen, bevor eine
systematische Elektrifizierung stattfindet. Anderenfalls droht ein
ineffizienter Betrieb sowie unverhältnismäßig hohe Kosten für
QuickScan CharlemagneBus
30
Infrastrukturen, die bei optimierter Planung nicht benötigt würden.
Für die vorliegende Bewertung wird folgende Einteilung verwendet:
o
o
o
o
-
linienreiner Betrieb:
vereinzelte Linienwechsler:
mehrere Linienwechsler:
häufige Linienwechsler:
sehr geeignet
geeignet
bedingt geeignet
(derzeit) ungeeignet
Wendezeiten
Ein weiteres Charakteristikum umlaufoptimierter Dieselnetze sind
häufig geringe Wendezeiten an den Endpunkten der Linien. Hierdurch
können die (Diesel-)Fahrzeug- und Personalkapazitäten unter
finanziellen Gesichtspunkten optimal ausgenutzt werden. Ähnlich wie
im Falle der Linienwechsler führt dies jedoch zu einer deutlich
erhöhten Störungsanfälligkeit (Verspätungen können nur
unzureichend aufgefangen werden) und zu einer schlechten Eignung
für eine Elektrifizierung, da in den Wendezeiten die Batterien
nachgeladen werden. Sehr kurze Wendezeiten sind daher in
elektrifizierten Netzen unbedingt zu vermeiden, auch wenn dies in
vergleichbaren Dieselnetzen zu effizienterem Betrieb führen würde.
Für die vorliegende Bewertung wird folgende Einteilung verwendet
(ein möglicher Ausgleich stark unterschiedlicher Wendezeiten an
beiden Linienenden wird hierbei berücksichtigt):
o
o
o
o
mehr als 10 Minuten Wendezeit:
7-10 Minuten Wendezeit:
5-6 Minuten Wendezeit:
unter 5 Minuten Wendezeit:
sehr geeignet
geeignet
bedingt geeignet
(derzeit) ungeeignet
Sonstige Kriterien:
-
Linienlängenverhältnis / Vermarktungspotenzial /
Fördermittelperspektiven
Diese Kriterien beziehen sich weniger auf die Elektrifizierung an sich,
sondern den grenzüberschreitenden Charakter der Linien und die sich
daraus ergebenden Potenziale. Eine Linie mit vorrangig
grenzüberschreitender Verkehrsfunktion, gleichmäßigerer Verteilung
der Linienlänge an beiden Seiten der Grenze und bereits bestehender
Betriebskooperation ist diesbezüglich als günstiger einzustufen als
eine Linie mit vorrangig binnenländischer Erschließung und nur
kurzem Abschnitt im Nachbarland.
QuickScan CharlemagneBus
31
-
Effekt auf die Luftqualität in Aachen
Während der Erstellung der vorliegenden Untersuchung ist das
Thema „Umweltzone“ in Aachen ein heiß diskutiertes. Aufgrund der
zu geringen Effekte bisheriger Maßnahmen zur Luftreinhaltung hat
die zuständige Bezirksregierung Köln die Einführung der Umweltzone
zum 01.02.2016 in Aachen beschlossen. .Da die Aachener Busflotte
bislang ausschließlich mit Diesel betrieben wird, spielt der Busverkehr
in der Stadt hinsichtlich der Luftbelastung eine nicht unwichtige
Rolle.
Die Einführung emissionsfreier Elektrobusse kann hier zu einer
deutlichen Entspannung der Situation führen. Von daher wird der
mögliche Effekt der Elektrifizierung als Kriterium mit berücksichtigt –
allerdings ohne in die Bewertung mit einzugehen, da das
Hauptaugenmerk auf dem grenzüberschreitenden Aspekt liegt.
Aufgrund des beschränkten Umfanges der Untersuchung werden die
Effekte nicht auf Basis kalkulierter Emissionseinsparungen beurteilt,
sondern im Vergleich der Linien untereinander (Linienlänge in der
Innenstadt, Anzahl Fahrten etc.). Von daher können die Ergebnisse
lediglich als erste Einschätzungen betrachtet werden.
-
Strukturelle Randbedingungen
Hiermit ist der aufgabenträgerseitige, vertragliche und finanzielle
Rahmen gemeint. Auch die bisherigen Anstrengungen und die
Haltung der jeweiligen (derzeitigen und künftig verantwortlichen)
Verkehrsunternehmen hinsichtlich der Elektrifizierung des
Busverkehrs gehen in die Bewertung mit ein.
Für dieses Kriterium ist von großer Bedeutung, ob lokale und/oder
regionale Aufgabenträgerstrukturen vorliegen und kurzfristig neue
Konzessionen oder öffentliche Dienstleistungsaufträge starten.
4.2.2 Ergebnisse
Auf der folgenden Seite sind die Bewertungsmatrix für die
grenzüberschreitenden Linien und sämtliche Kriterien wiedergegeben.
Dabei fällt auf, dass mit Ausnahme zweier ziemlich kurzer und mit kleinen
Fahrzeugen betriebenen Verbindungen (Linien 27 und 30) keine Linie als
„sehr geeignet“ für eine kurzfristige Elektrifizierung erscheint.
Demgegenüber ist z. B. die als wichtige Verbindung im (inner-)städtischen
Aachener Verkehr zu bezeichnende, stark nachgefragte und dichtgetaktete
Linie 34 und die lange Stadt-Stadt-Verbindung Maastricht – Aachen (50) in
ihrer heutigen Form und betrieblichen Ausprägung „(derzeit) ungeeignet“.
Sind es auch – je nach Linie – verschiedene Kriterien bzw. Kriterienkombinationen, die zu einer beschränkten Eignung führen, so kann
aufgrund der ähnlichen bzw. vergleichbaren Funktionen von Verbindungen
und ihrer Stellvertreterrolle für weitere Linien v.a. im städtischen Aachener
Bereich doch angenommen werden, dass die Ergebnisse die Einschätzung,
dass das Aachener (Diesel-)Busnetz in seiner heutigen Ausprägung für eine
QuickScan CharlemagneBus
32
QuickScan CharlemagneBus
33
(finanziell verantwortbare und verkehrlich sinnvolle) weitreichende oder
gar Vollelektrifizierung nur bedingt geeignet und im Zuge der anstehenden
Umgestaltung des Netzes – Stichwort: Y-Konzept – eine Abstimmung auf
die Randbedingungen und Erfordernisse des elektrischen Betriebs
angeraten ist.
Die Ergebnisse im Einzelnen (Status Quo 2015):
-
Niederlande – Deutschland
o Linie 27 (Veolia): Kerkrade Parkstad Stadion – Avantis
sehr geeignet
o Linie 30 (Veolia): Kerkrade Busstation – Herzogenrath Bf
sehr geeignet
o Linie 34 (ASEAG): Kerkrade Busstation – Aachen Brand
(derzeit) ungeeignet
o Linie 44 (Veolia/ASEAG): Heerlen Station – Aachen Hbf
geeignet
o Linie 50 (Veolia): Maastricht Station – Aachen Theater
(derzeit) ungeeignet
o Linie 74 (ASEAG): Aachen Hbf – Avantis
geeignet
-
Belgien – Deutschland
o Linie 14 (TEC/ASEAG): Eupen Bushof – Aachen Bushof
geeignet
o Linie 24 (TEC/ASEAG): Kelmis Bruch – Aachen Rahe im Ring
bedingt geeignet
o Linie 385 (TEC/RVE): Eupen Bushof – Kalterherberg Bf
(derzeit) ungeeignet
-
Niederlande – Belgien
o Linie 396 (TEC): Vaals Busstation – Eupen Bushof
(derzeit) ungeeignet
4.2.3 Linienauswahl für das Umsetzungskonzept
In den vorangegangenen Ausführungen wurde bereits angedeutet, dass ein
Inselpilotbetrieb auf nur einer Linie zwar nicht ausgeschlossen ist, jedoch
ein Korridoransatz zielführender erscheint, da hierdurch perspektivisch
QuickScan CharlemagneBus
34
niedrigere Kosten (u. a. durch Nutzung der Ladeinfrastruktur durch mehrere
Linien) sowie effizientere Netzstrukturen schneller erreicht und ggf. auch
Möglichkeiten multimodaler Konzeptweiterentwicklungen gegeben sind.
Die Eignung des Korridors Aachen/Herzogenrath – Heerlen wurde in
diesem Zusammenhang bereits im Vorfeld dieser Untersuchung
angesprochen, sind doch dort im Bereich der Elektromobilität bereits
weitere Projekte anberaumt (E-Bike-Verleihsystem sowie Radschnellwege)
und stellt der beiderseits der Grenze anstehende Start einer neuen
Konzession einen idealen Zeitpunkt für ein grenzüberschreitendes
Pilotprojekt dar.
Die Bewertung der bestehenden grenzüberschreitenden Buslinien (unter
Berücksichtigung der bereits heute feststehenden Änderungen in der
Zukunft) hat 2 „sehr geeignete“ (27 und 30) und 2 „geeignete“ Linien (44
und 74) auf dem o.g. Korridor ergeben. Demgegenüber steht 1 „geeignete“
Linie auf dem Korridor Aachen – Eupen (14).
Auf Basis dieser Ergebnisse und Randbedingungen wird hiermit
vorgeschlagen, im Falle einer positiven Grundsatzentscheidung zur
Elektrifizierung im grenzüberschreitenden Busverkehr („CharlemagneBus“)
in einem ersten Schritt auf dem Korridor Aachen/Herzogenrath – Heerlen
die heutigen Linien 44 (Heerlen – Aachen, im Folgenden „C1“), 30 (Kerkrade
– Herzogenrath, im Folgenden „C2“) und 27/74 (als zusammengefügte Linie
Parkstad Stadion – Avantis – Aachen, im Folgenden „C3“) zu elektrifizieren
(siehe Netzgrafik auf der nächsten Seite). Die damit verbundenen
konkreten technischen, betrieblichen, finanziellen und prozessualen
Erfordernisse und Konsequenzen werden in den folgenden Kapiteln als
Basis einer – im nächsten Schritt notwendigen – detaillierten Kalkulation
näher erläutert.
Nichtsdestotrotz soll an dieser Stelle bereits eine mögliche 2. Ausbaustufe
der Elektrifizierung skizziert werden (siehe Netzgrafik auf der übernächsten
Seite), die im Falle eines erfolgreichen und zuverlässigen Betriebes der 1.
Stufe und verfügbaren Finanzierungsmitteln umgesetzt werden könnte und
zwei Maßnahmen umfasst:
a) die Elektrifizierung der Linie 14 (als „geeignet“ bewertet) und
b) im Falle der Reaktivierung des Streckenabschnittes Kerkrade
Centrum – Spekholzerheide für den SPNV die Umlegung der Linie C3
von Parkstad-Stadion zum möglichen neuen Bus-BahnVerknüpfungspunkt Spekholzerheide und von dort bis zur Busstation
Kerkrade.
Damit entstünde ein zusammenhängendes Elektrobusnetz in der
Charlemagne Grenzregion, welches gleichsam in binnenländische Netze
integriert werden bzw. als Nukleus für den jeweiligen binnenländischen
Ausbau fungieren könnte.
QuickScan CharlemagneBus
35
Abbildung 7 (Quelle: stellwerk bv/openstreetmap.org (ODbL))
QuickScan CharlemagneBus
36
Abbildung 8 (Quelle: stellwerk bv/openstreetmap.org (ODbL))
QuickScan CharlemagneBus
37
5. TECHNISCHE UND BETRIEBLICHE ASPEKTE UND
ERFORDERNISSE
In diesem Kapitel wird kurz auf die notwendigen Infrastrukturen, Fahrzeuge,
Anforderungen an das Leitungsnetz und die benötigten bzw. sinnvollen
Änderungen von Betriebskonzepten/Fahrplänen/Wendezeiten der
ausgewählten Linien eingegangen.
Städtebauliche Aspekte sowie bauliche Anpassungen an den
Endhaltestellen und in den Werkstätten der Betriebshöfe sind aufgrund des
beschränkten Umfanges ebenso wenig Teil der vorliegenden Ausarbeitung
wie eine detaillierte Kalkulation der nötigen Batteriekapazitäten.
5.1 Benötigte (Lade-)infrastruktur
Die Nachladung der Busse erfolgt an einer Ladestation, wie sie derzeit
bereits in Münster im Rahmen des Pilotprojektes „ZeEUS“ (www.zeeus.org)
zum Einsatz kommt. Diese besteht aus einer Behausung in der Größe eines
TEU-Containers, in welchem die verschiedenen Komponenten
(Transformator, Ladegerät(e), Kühlung etc.) untergebracht sind, einer
Verbindungsleitung zum Fahrgastunterstand sowie der Kopplungstechnik
auf dem Dach des Fahrgastunterstandes.
Wie viele Ladestationen für den Betrieb einer Linie benötigt werden, hängt
von mehreren Parametern ab. Dies sind u.a. die Linienlänge, die
Batteriekapazität, die Größe des eingesetzten Fahrzeugs und die erwartete
Fahrgastnachfrage (aufgrund der Gewichtsunterschiede).
Für die im vorangegangenen Kapitel ausgewählten bzw. kombinierten
Linien wird auf Basis der jeweiligen Liniencharakteristika folgende
Ladeinfrastruktur vorgeschlagen (vorbehaltlich des örtlichen Anschlusses
an das Mittelspannungsnetz, siehe auch 5.4):
-
Linie C1: Heerlen Station – Aachen Hbf
2 Ladestationen (Endhalte); da es sich bei beiden Endhalten um
zentrale ÖV-Verknüpfungspunkte handelt, ist eine künftige
Mitbenutzung durch weitere zu elektrifizierende Linien möglich; im
Bereich beider Endhalte steht nach erster Prüfung genügend freier
Raum zur Platzierung der Ladestationskomponenten zur Verfügung.
-
Linie C2: Kerkrade Busstation – Herzogenrath
1 Ladestation (Kerkrade Busstation); da es sich bei beiden Endhalten
um zentrale ÖV-Verknüpfungspunkte handelt und eine künftige
Mitbenutzung durch weitere zu elektrifizierende Linien möglich wäre,
sind beide Standorte grundsätzlich geeignet; die Empfehlung fällt
jedoch zugunsten der Busstation in Kerkrade aus, da hier die
Platzverhältnisse günstiger sind und im Falle der Realisierung der 2.
Ausbaustufe des CharlemagneBus-Netzes dort auch die verlängerte
QuickScan CharlemagneBus
38
Linie C3 aufgeladen werden könnte.
-
Linie C3: Kerkrade Parkstad Stadion – Avantis – Aachen Hbf
2 Ladestationen (Endhalte); die Ladestation am Aachener Hbf wird
mit der Linie C1 geteilt und kann künftig auch von möglichen weiteren
E-Linien angesteuert werden; die Ladestation am ÖVVerknüpfungspunkt Parkstad Stadion kann bei fortschreitender
Elektrifizierung ebenfalls von anderen, dort endenden Linien
mitgenutzt werden; im Falle der Umsetzung der 2. Ausbaustufe und
der mit einer Reaktivierung der Bahnstrecke Kerkrade Centrum –
Spekholzerheide möglicherweise verbundenen Neuordnung des
lokalen Busnetzes könnte die Ladestation am Halt Parkstad Station
obsolet werden und mit geringem Aufwand an eine andere Stelle
versetzt werden (z. B. nach Aachen Bushof oder Eupen Bushof),
wodurch die Kosten eines weiteren Ausbaus des
grenzüberschreitenden E-Bus-Netzes (siehe Netzgrafik auf Seite 29)
minimiert werden könnten.
Darüber hinaus erscheint es aus betrieblichen Gründen sinnig, auch auf den
beiden Betriebshöfen (in NL und DE) der beiden in der ersten Ausbaustufe
beteiligten Verkehrsunternehmen Ladestationen zu errichten.
Insgesamt werden somit für die erste Ausbaustufe 4 Ladestationen an
Endhaltestellen sowie 2 in den Betriebshöfen benötigt. Wird auch die
zweite Phase komplett umgesetzt, sind zwei zusätzliche Ladestationen an
Haltestellen (Aachen Bushof und Eupen Bushof) sowie eine am Eupener
Busdepot nötig.
5.2 Benötigte Busse
Die Anzahl und der Typ (Kapazität) der benötigten Fahrzeuge ist – wie im
Falle der Ladeinfrastrukturen – von mehreren Parametern abhängig, wie z.
B. Taktung, Linienlänge, Fahrgastnachfrage etc.
Dabei wird für den reinen Betrieb der ausgewählten Linien die im
Folgenden beschriebene Flotte benötigt. Reservefahrzeuge sind darin noch
nicht enthalten. Ob und in welchem Ausmaß solche von Beginn an
mitangeschafft werden, hängt in erster Linie von finanziellen Abwägungen
ab. Vorläufig könnte bei ggf. auftretenden Defekten oder sonstigen
Problemen mit einem der E-Busse auch ein Dieselfahrzeug aus dem
vorhandenen Bestand des jeweiligen Verkehrsunternehmens einen (zeitlich
begrenzten) Ersatzbetrieb übernehmen.
-
Linie C1: Heerlen Station – Aachen Hbf
Die Linie wird – auf Basis der Vorgaben der Ausschreibung für die
Konzession Limburg – auch weiterhin im 30-Minuten-Takt betrieben
und die möglichen Änderungen der Linienführung dürfen nicht zu
einer Fahrzeug- und Personalmehrung führen, so dass weiterhin für
den (werktäglichen) Umlauf 4 Fahrzeuge (12 m Standardlinienbusse,
davon zwei auf Seiten der ASEAG und 2 auf Seiten des neuen
QuickScan CharlemagneBus
39
Verkehrsunternehmens in der Provinz Limburg (vsl. Arriva) benötigt
werden. Da heute in den Spitzenzeiten aufgrund höherer
Fahrgastnachfrage vereinzelt Gelenkbusse auf Seiten der ASEAG zum
Einsatz kommen und künftig auch die Zuyd Hogeschool angefahren
werden soll, ist im weiteren Planungs- und Realisierungsprozess zu
diskutieren, wie hiermit umgegangen werden soll. Möglichkeiten
wären a) der vorläufige Einsatz von vorhandenen Dieselgelenkbussen
auf den einzelnen Kursen, b) die Anschaffung eines/mehrerer
Elektrogelenkbusse oder c) das Angebot zusätzlicher Fahrten in
Spitzenzeiten mit entweder vorhandenen Dieselstandardlinienbussen
oder einem zusätzlichen Elektro-Standardlinienbus, der ansonsten als
Reservefahrzeug fungieren würde..
-
Linie C2: Kerkrade Busstation – Herzogenrath
Diese Linie wird heute (als Linie 30) mit einem einzigen Fahrzeug
betrieben. Aufgrund der bislang recht geringen Nachfrage kommt
dabei ein Kleinbus (Sprinter) zum Einsatz. Da auch für die absehbare
Zukunft nicht mit einem sehr erheblichen Fahrgastzuwachs zu
rechnen ist, sollte aus wirtschaftlichen (Material und Personalkosten)
Gründen auch bei elektrischem Betrieb nur ein Fahrzeug im Umlauf
sein. Zu Grunde gelegt wird daher hier ein elektrisch angetriebener
Sprinter. Sollte dieser eine zu geringe Kapazität aufweisen, kann auch
ein Midibus zum Einsatz kommen. Welche betrieblichen Anpassungen
im Hinblick auf die Beschränkung auf ein Fahrzeug im Umlauf nötig
bzw. möglich sind, wird in 5.3 beschrieben.
-
Linie C3: Kerkrade Parkstad Stadion – Avantis – Aachen Hbf
Hierbei handelt es sich um eine in dieser Form neue Linie, die aus den
zusammengefügten heutigen Linien 27 (Veolia) und 74 (ASEAG)
hervorgeht. Aufgrund der noch überschaubaren Nachfrage, die
jedoch perspektivisch (mit der weiteren Entwicklung von Avantis und
besonders im Falle der Umsetzung der 2. Ausbaustufe nach Kerkrade
Busstation) deutlich steigen dürfte, sollte es aus finanziellen
Erwägungen vorläufig nicht zu einer Fahrzeugmehrung kommen,
weswegen hier im Falle eines 60-Minuten-Taktes 2 Fahrzeuge
(aufgrund des perspektivischen Fahrgastzuwachses
Standardlinienbusse) nötig wären. Für einen 30-Minuten-Takt wären
4 Fahrzeuge nötig. Sollte es wie im Falle der Linie 44 zu einer
niederländisch-deutschen Gemeinschaftskonzession und
Betriebskooperation kommen, was zu befürworten wäre, könnte der
Fahrzeugeinsatz 50/50 erfolgen.
Insgesamt werden somit für die 1. Ausbaustufe minimal 7 Busse (ohne
Reservefahrzeuge) benötigt, davon 6 Standardlinienbusse und 1 Kleinbus
(Sprinter). Soll die Linie C3 auch im 30-Minuten-Takt betrieben werden, was
derzeit jedoch schwierig begründbar wäre, kämen nochmals 2
Standardlinienbusse hinzu.
QuickScan CharlemagneBus
40
Im Falle einer vollständigen Realisierung der 2. Ausbaustufe würden
zusätzlich 4 Busse für die heutige Linie 14 (in der vorliegenden
Ausarbeitung C4) benötigt. Ob zusätzliche Busse für die Verlängerung der
Linie C3 nötig wären hängt von der genauen Route, der Taktung und den
erreichbaren Fahrzeiten ab.
5.3 Taktung, Linienführung und Wendezeiten
Um die ausgewählten Linien nach der Elektrifizierung effizient und
zuverlässig betreiben zu können, sind diverse kleinere Anpassungen
angeraten, welche v. a. die zur Verfügung stehenden Ladezeiten verlängern.
-
Linie C1: Heerlen Station – Aachen Hbf
Wie bereits angegeben, wird sich im Rahmen der neuen Konzession
Limburg nicht die Taktung, dafür jedoch vsl. der Linienverlauf ändern.
Die wenig attraktive Schleifenfahrt durch das Wohngebiet
Spekholzerheide entfällt, dafür soll der Heerlener Onderwijsboulevard
(mit der Zuyd Hogeschool) in den Linienverlauf mit aufgenommen
werden. Dies hat auf die Linienlänge keinen signifikanten Einfluss,
jedoch sinkt die Zahl der Haltestellen um vier, was zu einer
geringfügigen Beschleunigung führen dürfte. In Kombination mit der
im heutigen Fahrplan an beiden Linienenden vorhandenen Wendezeit
von jeweils 7 Minuten würde so ein ausreichender Zeitpuffer für die
Ladevorgänge in Heerlen und Aachen vorhanden sein.
Um den Betrieb jedoch noch zuverlässiger zu machen und auch
Störungen/Verspätungen besser auffangen zu können, wird (für die
2. Ausbaustufe) vorgeschlagen, in Heerlen eine noch direktere Route
über die Stadtautobahn (N281) zwischen den Halten Parkstad Stadion
und Ziekenhuis zu befahren. Dadurch würden mindestens 5 weitere
Halte entfallen und ein Zeitgewinn von minimal 2 Minuten je Richtung
wäre möglich. Darüber hinaus könnte der Linie damit – im Gegensatz
zur heutigen, wenig attraktiven Situation – echter
Schnellbuscharakter verliehen werden.
-
Linie C2: Kerkrade Busstation – Herzogenrath
Der auf der Linie derzeit angebotene 30-Minuten-Takt ist weniger auf
eine hohe Fahrgastnachfrage, sondern vielmehr auf den optimierten
Umlauf des einzigen eingesetzten Fahrzeuges zurückzuführen. So
wird im Herzogenrather Bahnhof eine 0-Minuten-Wende gefahren, in
Kerkrade Busstation verbleiben jeweils 2 Minuten bis zum Start der
nächsten Fahrt. Da jedoch aufgrund der Kürze der Linie und des
geringen Gewichts des Fahrzeuges (Sprinter) aller Voraussicht nach
nur eine Nachladung je Betriebsstunde nötig sein dürfte, stünden
theoretisch heute hierfür in Summe 4 Minuten pro Stunde zur
Verfügung, was jedoch noch immer als zu kurz bezeichnet werden
kann – auch ohne Berücksichtigung von Pufferzeiten zum Auffangen
von Verspätungen.
Von daher wird vorgeschlagen, die Linienführung an zwei Stellen
anzupassen. In Herzogenrath würde nicht mehr der äußere Bogen
QuickScan CharlemagneBus
41
über Schütz-van-Rode-, Damm- und Bicherouxstr. befahren, sondern
der direkte Weg durch die Innenstadt, was neben einer Verkürzung
des Linienweges und einer besseren, da direkten Erreichbarkeit der
Innenstadt per Bus auch eine Reduzierung der zu passierenden
Ampelkreuzungen um vier bedeuten würde. In Kombination mit einer
künftigen Führung der Linie über die Aachener Str./Holzstraat sind
nach erster Einschätzung 2 Minuten Fahrzeitgewinn je
Fahrt/Richtung möglich, was hochgerechnet zu insgesamt 12 Minuten
Stillstandszeit (8 + 4) pro Stunde führen würde. Da die Linie heute
keinen einzigen Anschluss an eine der in Herzogenrath verkehrenden
Bahnlinien herstellt, sollten die Fahrpläne ohnehin überarbeitet
werden. Im Zuge dessen kann dann in Kerkrade Busstation eine
komfortable Stillstandszeit für die Nachladung eingeplant werden,
ohne dass mehr Fahrzeuge oder Personal als im Ist-Zustand benötigt
würden.
-
Linie C3: Kerkrade Parkstad Stadion – Avantis – Aachen Hbf
Die aus der Verschmelzung der heutigen Linien 27 (Veolia) und 74
(ASEAG) hervorgehende neue Linie weist einen an drei Stellen leicht
veränderten Linienweg auf. In Aachen wird der Anschluss des
Campus Melaten über die Haltestelle Hörn Brücke hergestellt, was
gegenüber der heutigen Linienführung eine minimale Verlängerung
bedeutet. Im Gewerbegebiet Avantis wird keine Wendeschleife mehr
gefahren, was in Summe für beide Linien eine geringe Verkürzung
des Linienweges bedeutet. Im Bereich Parkstad Stadion wird die
heutige, wenig sinnvolle Runde um das Stadion nicht mehr bedient.
Auch hierdurch verkürzt sich die Linienlänge geringfügig. Insgesamt
kann so – 60-Minuten-Takt, 2 eingesetzte Fahrzeuge sowie eine
Nachladung an beiden Linienenden vorausgesetzt – eine sehr
komfortable Wendezeit an den Haltestellen Parkstad Stadion und
Aachen Hbf von jeweils mindestens 15 Minuten erreicht werden.
Da ein 30-Minuten-Takt auf der Gesamtverbindung – zumindest,
solange die 2. Ausbaustufe mit einer Weiterführung bis nach
Kerkrade Busstation noch nicht umgesetzt ist – angesichts des
derzeitigen Fahrgastpotenzials und der dann zusätzlich
anzuschaffenden Busse nicht wirtschaftlich verantwortbar erscheint,
andererseits von niederländischer Seite möglicherweise jedoch eine
dichtere Anbindung der Gewerbegebiete gewünscht werden könnte,
sollte für diesen Fall darüber nachgedacht werden, eine andere Linie
auf niederländischer Seite über Parkstad Stadion hinaus im 60Minuten-Takt bis nach Avantis hinaus zu verlängern und auf diese
Weise auch vor einer Umsetzung der 2. Ausbaustufe einen 30Minuten-Takt sicher zu stellen.
5.4 Strombezug
Um die oben genannten Linien künftig in der angegeben Form elektrisch
betreiben und die Schnellladungen mit Ladeleistungen von bis zu 500 kW
an den Haltestellen durchführen zu können, ist jeweils ein Anschluss an das
Mittelspannungsnetz notwendig. Aufgrund der Lage der ausgewählten
QuickScan CharlemagneBus
42
Linien, die sich ausschließlich in dicht besiedeltem städtischen Gebiet
befinden, wird davon ausgegangen, dass an allen Standorten der
Ladestationen (Heerlen Station, Kerkrade Busstation, Kerkrade Parkstad
Stadion und Aachen Hbf) diese Anschlüsse ohne größeren Aufwand
hergestellt und die nötigen Strommengen für die Nachladung problemlos
zur Verfügung gestellt werden können.
Sollte bei einer zukünftigen Netzausweitung, die über die hier vorgestellte
2. Ausbaustufe hinausgeht, ein Endpunkt in ländlicherem Bereich
hinzukommen, an dem ausschließlich ein Anschluss an das
Niederspannungsnetz möglich ist, muss zusätzlich zu den übrigen
Komponenten einer Ladestation ein stationärer Speicher einkalkuliert
werden.
QuickScan CharlemagneBus
43
6. FINANZIELLE AUSWIRKUNGEN UND
FÖRDERMÖGLICHKEITEN
6.1 Invest und Betriebskosten
Das in den meisten Fällen wichtigste Kriterium bei einer unternehmerischen
wie politischen Entscheidung für oder gegen die Elektrifizierung von
Busverkehren im ÖPNV ist die kurzfristige finanzielle Darstellbarkeit.
Aufgrund der niedrigeren Betriebs- und Wartungskosten der elektrischen
Traktion gegenüber der Dieseltraktion (siehe Abbildung 1, Seite 16) sind die
während des Einsatzes über die Jahre anfallenden Kosten kein Problem,
sondern vielmehr eine Chance zur Reduzierung des betrieblichen Defizits
des jeweiligen Verkehrsunternehmens. Auch bei Betrachtung der
Gesamtkosten bei Zugrundelegung der gesamten Einsatzzeit (TCO) von 1012 Jahren sind Elektrobusse (Opportunity-Charger) bei optimalem Einsatz
bereits heute gegenüber EURO 6-Dieselbussen konkurrenzfähig.
Problematisch sind jedoch die initialen Investitionen in Fahrzeuge und
Ladeinfrastrukturen, die gegenüber vergleichbarem Dieselbetrieb zur Zeit
ein Verhältnis von bis zu 2:1 (je nach Fahrzeugausstattung) aufweisen –
insbesondere bei knappen öffentlichen Kassen wie zur Zeit (und
perspektivisch) im Falle der Stadt Aachen.
Entscheidend wird daher u. U. sein, ob und wie die einmaligen
Investitionskosten gestemmt bzw. verringert werden können. Bevor in den
nächsten Abschnitten hierzu Vorschläge unterbreitet werden, werden im
Folgenden zunächst die Kosten (für die 1. Ausbaustufe) ermittelt.
-
Anschaffung der Busse
Für den Einsatz auf den vorgeschlagenen Linien werden (für den
reinen Betrieb, ohne Reserve) 6 Standardlinienbusse (12 m) à ca.
400.000 €/Stück sowie 1 Kleinbus à ca. 150.000 €/Stück benötigt,
wodurch eine Investition von ca. 2.550.000 € entsteht. Verteilt auf die
beiden Länder ergeben sich folgende anteilige Investitionen:
Deutsche Seite: 3 Standardlinienbusse (12 m) = ca. 1.200.000 €,
Niederländische Seite: 3 Standardlinienbusse (12 m) + 1 Kleinbus = ca.
1.350.000 €
(Quelle Preisangaben: civitas.eu/Stadtwerke Münster)
-
Bau der Ladestationen
Insgesamt werden 4 Ladestationen à ca. 250.000 €/Stück an den
Endhaltestellen sowie 2 in den jeweiligen Betriebshöfen benötigt, die
Investition beträgt somit 1.500.000 €. Verteilt auf die beiden Länder
ergeben sich folgende anteilige Investitionen:
Deutsche Seite: 2 Ladestationen = ca. 500.000 €,
Niederländische Seite: 4 Ladestationen = ca. 1.000.000 €
(Quelle Preisangaben: ISEA/Stadtwerke Münster)
QuickScan CharlemagneBus
44
Es ergibt sich somit ein Gesamtinvest von ca. 4.050.000 €, wobei ca.
1.700.000 € auf die deutsche Seite und 2.350.000 € auf die niederländische
Seite entfallen.
Abhängig von der gewählten Fahrzeugausstattung (u. a. Dimensionierung
der Batterie) sowie der Ausgestaltung der Ladestationen sowie der
Preisentwicklung für elektrische Busse in den kommenden Monaten und
Jahren, können je nach Zeitpunkt der Umsetzung diese Beträge
selbstverständlich nach oben und unten abweichen und stellen daher hier
nur eine Richtmarke dar. Im Rahmen der Konkretisierung des Projektes
sollte hier eine vertiefte Kalkulation stattfinden.
6.2 Betreibermodelle
Ein erheblicher Kostenfaktor beim Invest im Falle der Anwendung des
Opportunity-Charger-Systems ist – siehe oben – die Ladeinfrastruktur. Je
nach Netzstruktur, Linienlängen, Taktung und Flottengröße müssen in die
benötigten Ladestationen schnell Millionenbeträge investiert werden.
Bisher wird i. d. R. im Rahmen von Elektrifizierungsprojekten davon
ausgegangen, dass die Ladeinfrastrukturen als Teil der “Total Cost of
Ownership” (TCO) auf Seiten des konzessionierten Verkehrsunternehmens
liegen und daher die betriebliche Kostenbetrachtung negativ beeinflussen.
Vorgeschlagen wird daher, für ein konkretes Elektrifizierungsprojekt auf
Basis der Ergebnisse dieser Untersuchung zu prüfen, ob die
Ladeinfrastrukturen für die entsprechenden Linien aus der Verantwortung
des/der Verkehrsunternehmens herausgelöst werden können und durch die
lokalen/regionalen Energieversorger/Infrastrukturbetreiber, welche ohnehin
den Strom für den Betrieb der Busse liefern und damit Einnahmen
generieren würden, betreiben zu lassen. Bereits dadurch ließe sich der TCO
zugunsten der elektrischen Traktion deutlich verbessern (siehe Abbildung 1
auf Seite 16).
Zumindest im Falle der Stadt Aachen böten sich weitere handfeste Vorteile
einer Kooperation mit dem Stromlieferanten/Infrabetreiber. Da sowohl die
ASEAG als Verkehrsunternehmen als auch die STAWAG/Infrawest als
Energielieferant/Infrastrukturbetreiber unter dem Dach der EVA
Konzernschwestern in kommunaler Hand sind, würden die auf Seiten der
ASEAG entstehenden Kosten für den Ladestrom (zunächst) im Konzern
verbleiben und nicht – wie derzeit – zugunsten von Mineralölhändlern
abfliessen.
Die Kosten für den Ladestrom könnten – durch die Anwendung des
Opportunity-Charger-Systems – u. U. zudem erheblich gesenkt werden.
Aufgrund der Tatsache, dass die Nachladungen im Gegensatz zum
Overnight-Charger-System nahezu ausschließlich über Tag erfolgen, wenn
das Stromangebot (in Deutschland) wegen der massiven Einspeisung von
Solar- und Windenergie häufig die Nachfrage übersteigt und daher die
Preise am Spotmarkt extrem niedrig liegen, könnte theoretisch seitens der
STAWAG der Ladestrom ausschließlich über den Spotmarkt (und nicht
QuickScan CharlemagneBus
45
über langfristige Großkontingente) eingekauft werden und dem/den
Verkehrsunternehmen zu sehr günstigen Preisen zur Verfügung gestellt
werden.
Eine weitere Möglichkeit, wie die Ladeinfrastrukturen so wirtschaftlich wie
möglich betrieben werden könnten, ist die Öffnung der Stationen für
weitere Modalitäten wie z. B. e-Bikes, e-CarSharing und e-Taxen. Mit dieser
– technisch machbaren – Erweiterung, die in ähnlicher Form bereits im nicht
weiterverfolgten CampusBahn-Projekt in Aachen vorgesehen war – ließen
sich zusätzliche Einnahmen für den Betreiber/Energielieferanten
generieren.
Bei einer optimalen Ausnutzung der o. g. Möglichkeiten erscheint eine
deutliche Verringerung des TCO und damit der Wirtschaftlichkeit des
elektrischen Busbetriebes erreichbar. Von daher sollten die genannten
Optionen im Rahmen der weiteren Konkretisierung des Projekts ernsthaft
geprüft bzw. daraus konkrete Konzepte für die Implementierung erarbeitet
werden.
6.3 Fördermöglichkeiten
Neben den systembezogenen Möglichkeiten der Kostenreduzierung bzw.
Verbesserung des TCO existieren diverse grundsätzliche Optionen, über –
nationale und europäische – Förderprogramme vor allem an der
Investitionsseite zu einer deutlichen Verbesserung finanziellen
Darstellbarkeit zu gelangen.
Dabei kommen in erster Linie folgende Programme/Förderlinien, in welchen
das Thema Elektromobilität im ÖPNV platzierbar ist, in Frage:
-
EU-Ebene:
o Interreg V-A EMR
(Prioritätsachse 4: Territoriale Entwicklung)
o Interreg V-B NWE
(Priorität 2: Low Carbon)
o Horizon 2020
(Smart, Green and Integrated Transport, Work Programme
2016-2017)
-
Landes- bzw. regionale Förderung:
o § 13-Förderung seitens des Nahverkehr Rheinland
(“Neue Technologien”)
o “klassische” Fahrzeugförderung des Aachener
Verkehrsverbundes
(auf Basis der in 2013 novellierten Richtlinie)
-
Themenspezifische Förderprojekte:
o IBA Parkstad
(als gelabeltes, grenzübschreitendes Projekt der IBA)
o E-Mobilitätsförderlinien auf unterschiedlichen Ebene
QuickScan CharlemagneBus
46
Aufgrund des beschränkten Umfanges der vorliegenden Untersuchung und
der z. T. noch nicht endgültig beschlossenen bzw. veröffentlichten
Programme einzelner o. g. Förderlinien sind verbindliche Aussagen zu
möglichen Förderhöhen an dieser Stelle noch nicht möglich und es wird
daher empfohlen, im Rahmen der weiteren Konkretisierung des Projektes
alle genannten Möglichkeiten detailliert zu prüfen und anschließend
entsprechende Förderanträge zu erarbeiten.
Auf Basis zur Verfügung stehender Informationen und Erfahrungen mit
verschiedenen Förderprogrammen in den vergangenen Jahren sowie der
Tatsache, dass bislang keine anderen grenzüberschreitenden
Elektrobuslinien bekannt sind und daher von einem europäischen
Vorbildprojekt gesprochen werden könnte, kann jedoch die Einschätzung
getätigt werden, dass ein 50%-iger Fördersatz für die investiven
Maßnahmen – zumindest der vorgeschlagenen 1. Ausbaustufe – durchaus
realistisch erscheint.
Verbunden mit dem Umstand, dass im Zuge des Starts der neuen ÖVKonzession in Niederländisch-Limburg Ende 2016 ohnehin die gesamte
Busflotte auf Seiten des niederländischen Verkehrsunternehmens erneuert
werden muss und daher dort im Falle einer zeitgleichen Implementierung
der ersten grenzüberschreitenden Linien “nur” die zusätzlichen Kosten des
elektrischen Antriebs anfallen, ergeben sich somit günstige finanzielle
Voraussetzungen für die Realisierung der vorgeschlagenen 1. Ausbaustufe.
QuickScan CharlemagneBus
47
7. ERFORDERNISSE UND VORSCHLÁGE FÚR DIE PROZESSUND PROJEKTSTRUKTUR
In den vorangegangenen Ausführungen wurde u. a. verdeutlicht, dass der
Prozess der Elektrifizierung von Busverkehren (begonnen bei einzelnen
Linien bis hin zu ganzen Netzen) eine komplexe Angelegenheit ist, die eine
ganzheitliche Auseinandersetzung mit der Thematik und die sorgfältige
Abwägung zahlreicher Aspekte erfordert, um eine fundierte und
zukunftsgerechte Entscheidung zu treffen, die sowohl den Ansprüchen der
Kunden und Interessen der Verkehrsunternehmen genügt als auch auf die
finanziellen Spielräume der zuständigen Aufgabenträger abgestimmt ist.
Dieses bereits bei rein lokalem Umfang in einem der drei Länder der
Charlemagne Grenzregion potenziell schwierige Unterfangen
verkompliziert sich durch die grenzüberschreitende Dimension noch
zusehends, da hierdurch mehr und anders strukturierte Aufgabenträger und
Verkehrsunternehmen mit an Bord kommen, die jeweils ihren nationalen
Hintergrund haben.
Dies erfordert im Hinblick auf eine zielgerichtete Durchführung eines
Elektrifizierungs-Pilotprojektes im grenzüberschreitenden Verkehr eine
stringente und konsequente Prozess- und Projektplanung, um nicht bereits
bei den ersten Schritten zu unnötigen Reibungsverlusten zu kommen.
Aufgrund der Tatsache, dass durch den zwingend grenzüberschreitenden
Zuschnitt eines künftigen Elektrifizierungsprojektes mehrere
Verkehrsunternehmen beteiligt sein werden, die – ungeachtet ihrer
Unternehmensstruktur und Einflussmöglichkeiten seitens der
Aufgabenträger – ihre eigenen Ziele und Belange verfolgen, wird angeraten,
vor einer formellen Beteiligung der entsprechenden Verkehrsunternehmen
zunächst einen Grundsatzbeschluss auf bzw. unter Einbezug der
Aufgabenträgerebene zu fassen, in welchem die sukzessive Elektrifizierung
der grenzüberschreitenden Verkehre mit einem gemeinsamen technischen
System verankert wird.
Im Anschluss sollte die Gunst des Moments – sowohl im niederländischen
als auch deutschen Teil der Region steht die verbindliche Beauftragung der
jeweiligen Verkehrsunternehmen (Betrauung in DE bzw. Konzessionsvergabe in NL) für die nächste lange Vertragsperiode an – genutzt werden,
um auch die Elektrifizierung der grenzüberschreitenden Verkehre auf Basis
des o.g. Grundsatzbeschlusses seitens der Aufgabenträger verbindlich in
den künftigen vertraglichen Vereinbarungen mit den Verkehrsunternehmen aufzunehmen und parallel dazu das vorgeschlagene
Umsetzungskonzept konkretisieren zu lassen sowie kurzfristige
Fördermöglichkeiten auszuloten (und in Anspruch zu nehmen).
Dies wiederum bietet die Basis für die Realisierung eines Pilotprojekts,
welches durch die beteiligten Aufgabenträger definiert und die
konzessionierten Verkehrsunternehmen (je nach Verbindung in
Kooperation oder alleine) durchgeführt wird. Um den Erfordernissen der
grenzüberschreitenden Dimension Rechnung zu tragen, sollten die
QuickScan CharlemagneBus
48
Aufgabenträger auch im Zuge des Realisierungsprozesses zur Vermeidung
von Reibungsverlusten maßgeblich beteiligt sein – auf deutscher Seite der
AVV in seiner Rolle als Euregionale Koordinierungsstelle sowie die Stadt
Aachen, auf niederländischer Seite die Provinz Limburg.
Abhängig von der schlussendlichen Dimensionierung des Projekts und der
möglichen Teilnahme an einem oder mehreren (EU-)Förderprojekten wird
folgende Struktur für die Umsetzung vorgeschlagen:
-
Steuerungsgruppe
bestehend aus Entscheidungsträgern der beteiligten lokalen und
regionalen Aufgabenträger (AVV, Stadt Aachen und Provinz
Limburg), einem Vertreter des Vorstandes der AG Charlemagne
sowie Vertretern der Geschäftsführung der beauftragten
Verkehrsunternehmen,
-
Arbeitsgruppe
bestehend aus Vertretern der Fachebene der beteiligten lokalen und
regionalen Aufgabenträger, einem Verwaltungsvertreter aus jeder
der beteiligten Kommunen/Institutionen der AG Charlemagne sowie
den Projektmitarbeitern der beteiligten Verkehrsunternehmen.
Vertreter der Arbeitsgruppe berichten in der Steuerungsgruppe sowie – je
nach Bedarf – auch in anderen lokalen und regionalen Entscheidungsgremien auf allen Seiten der Grenze.
Die Steuerungsgruppe sollte in einem festen Turnus zusammenkommen, die
Arbeitsgruppe je nach Bedarf. Sollten weitere Untergruppen zur
Abstimmung spezifischer technischer Fragenstellungen oder sonstiger
Einzelaspekte nötig sein, können diese von der Arbeitsgruppe eingesetzt
werden.
Im Rahmen der Projektdefinition sollte zudem ein für alle Seiten
verbindlicher „Fahr-“ und Zeitplan bis einschließlich der Aufnahme des
elektrischen Betriebs der gewählten Linien vereinbart werden, um eine
konsequente Umsetzung zu fördern.
QuickScan CharlemagneBus
49
8. ZUSAMMENFASSUNG UND EMPFEHLUNGEN
Die Elektrifizierung des ÖV wird in den nächsten Jahren deutlich an Fahrt
gewinnen, sowohl im Schienen- als auch – insbesondere – im Busverkehr.
Immer mehr Fahrzeugersteller drängen mit elektrischen Bussen
unterschiedlicher Größe, Kapazität und Antriebs- bzw. Batteriephilosophie
auf den Markt, Verkehrsunternehmen testen die Fahrzeuge ausgiebig und in
zahlreichen Städten werden bereits Pilotlinien betrieben bzw. stehen kurz
vor der Betriebsaufnahme. Aufgabenträger entdecken das Thema ebenfalls
und integrieren die Elektrifizierung in laufende Ausschreibungen bzw.
Betrauungen, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der notwendigen
Verbesserung der Luftqualität in Innenstadtbereichen.
Gleichzeitig befinden sich jedoch nahezu alle derzeit am Markt
angebotenen elektrischen Systemlösungen noch in der Weiterentwicklung
und sind in der Anschaffung (Fahrzeuge und Infrastrukturen) z. T. noch
deutlich teurer als vergleichbare EURO 6-Dieselbusse.
Entscheidungen zur Elektrifizierung einzelner Buslinien oder ganzer Netze
erfordern daher immer eine sorgfältige Abwägung aller direkt und indirekt
damit verbundenen Aspekte – kurz-, mittel- und langfristig. Auch muss den
beteiligten Akteuren sowohl auf Seiten der Verkehrsunternehmen als auch
der Aufgabenträger klar sein, dass eine 1zu1-Elektrifizierung bestehender
Dieselnetze insbesondere bei starker betrieblicher Optimierung wie im
Aachener Netz – unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten – faktisch
unmöglich ist und bleibt und daher eine zumindest teilweise Anpassung an
die Erfordernisse elektrischen Betriebes unausweichlich ist.
Während also bereits im lokalen oder regionalen Kontext
Elektrifizierungsentscheidungen diffizile Unterfangen sind, nimmt die
Komplexität durch die Hinzunahme der grenzüberschreitenden Dimension
aufgrund der zusätzlichen Akteure und aufeinandertreffenden Unterschiede
bei Aufgabenträger-, Verkehrsunternehmens- und Finanzierungsstrukturen
weiter zu.
Trotzdem ist gerade die Berücksichtigung der grenzüberschreitenden
Verkehre bei der Elektrifizierung alternativlos, um letztlich sehr teure und
unsinnige Parallel- bzw. gegensätzliche Entwicklungen an den jeweiligen
Seiten der Grenze in der Region zu vermeiden und damit eine Situation wie
auf der Schiene (unterschiedliche Oberleitungsspannungen und
Sicherheitssysteme in Belgien, Deutschland und den Niederlanden), die bis
heute den Ausbau der grenzüberschreitenden Bahnverbindungen blockiert,
zu verhindern.
Darum ist – angesichts der sehr günstigen strukturellen Randbedingungen
zumindest auf deutscher (anstehende Betrauung der ASEAG) und
niederländischer Seite (anstehende Vergabe der neuen ÖV-Konzession
Limburg mit starkem Elektromobilitätsbaustein) – derzeit ein sehr
geeigneter Zeitpunkt für den Start der Elektrifizierung des
grenzüberschreitenden Verkehrs.
QuickScan CharlemagneBus
50
Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden die bestehenden
grenzüberschreitenden Linien auf dem Gebiet der Charlemagne
Grenzregion auf Ihre Eignung für einen solchen Pilotbetrieb hin untersucht.
Systembasis für die Bewertung war die Wahl des „Opportunity-Charger“Prinzips (Busse mit kleiner und leichter Batterie und daher hoher
Fahrgastkapazität, die an Ladestationen an den Linienenden in sehr kurzer
Zeit mit hoher Ladeleistung nachgeladen werden: Schnellladesystem), da es
gegenüber den übrigen am Markt erhältlichen Systemen sowohl in
finanzieller (TCO-Bewertung) als auch betrieblicher Hinsicht Vorteile bietet
und tendenziell daher zumindest in städtisch geprägten Regionen das sich
durchsetzende System werden dürfte.
Eines der verschiedenen Schnellladesysteme – eine Standardisierung hat bis
heute nicht stattgefunden und ist auch perspektivisch noch nicht absehbar
– wurde von den RWTH Instituten ISEA und IFAS in Kooperation mit
diversen renommierten deutschen Technologieunternehmen sowie dem
niederländischen Bushersteller VDL entwickelt und wird derzeit von den
Stadtwerken Münster als erstem Verkehrsunternehmen im Rahmen eines
EU-Projektes im Linienbetrieb eingesetzt. Aufgrund des lokalen Knowhows, der potenziell extrem hohen Ladeleistung von bis zu 500 kW und der
Möglichkeit zur Systemanpassung (z. B. zukünftige Berücksichtigung von
brennstoffzellenbasierten Range-Extendern für längere Linien nach
Fertigstellung der Aachener Wasserstofftankstelle) wird in der
vorliegenden Untersuchung dieses System zu Grunde gelegt.
Im Ergebnis der auf technischen, finanziellen, betrieblichen und
strukturellen Kriterien beruhenden Bewertung stellen sich mehrere der
bestehenden grenzüberschreitenden Verbindungen – besonders auf dem
Korridor Aachen – NL-Limburg als „geeignet“ oder sogar „sehr geeignet“
für eine kurzfristige Elektrifizierung dar, lediglich geringe Anpassungen sind
zum Teil nötig bzw. angeraten.
Auf Basis dessen wird ein zweistufiges Umsetzungskonzept namens
„CharlemagneBus“ vorgeschlagen, welches in der 1. Ausbaustufe die
Elektrifizierung der bestehenden Linien 44 (Heerlen – Aachen) und 30
(Kerkrade – Herzogenrath) sowie der aus zwei zusammengefügten Linien
entstehenden neuen Linie Kerkrade – Avantis – Aachen vorsieht, die in der
2. Ausbaustufe um die Elektrifizierung der Linie 14 (Aachen – Eupen)
ergänzt wird.
Für die 1. Ausbaustufe wurde eine anfängliche Investition von ca. 4.050.000
€ für Fahrzeuge und Ladestationen ermittelt, wovon 1.700.000 € auf die
deutsche sowie 2.350.000 € auf die niederländische Seite entfallen.
Aufgrund der Tatsache, dass die Betriebs- und Wartungskosten bei
elektrischem Betrieb deutlich niedriger ausfallen als bei vergleichbarem
Betrieb mit EURO 6-Dieselbussen, erscheint bei einer TCO-Betrachtung
über die komplette Einsatzzeit der jeweiligen Busse bis zur Ausmusterung
(10-12 Jahre) bereits heute eine langfristige Kostenneutralität bzw. sogar
ein Kostenvorteil beim elektrischen Betrieb möglich. Durch intelligente
Betreibermodelle für die Ladestationen (auf deutscher Seite unter Einbezug
von STAWAG/Infrawest) und den Strombezug (Möglichkeiten am Spot-
QuickScan CharlemagneBus
51
Markt) kann die Kostenneutralität bzw. Kostenvorteile möglicherweise
deutlich früher erreicht werden.
Gelingt es zudem, aus EU-, nationalen oder regionalen Förderprogrammen
oder –linien entsprechende Mittel zur Reduzierung der anfänglichen
Investitionen zu akquirieren, gestaltet sich ein kurzfristiger Start eines
Projekts zur Elektrifizierung der grenzüberschreitenden Buslinien in der
Charlemagne Grenzregion nicht nur machbar, sondern wäre für alle
beteiligten Akteure hochattraktiv.
Daher wird empfohlen, zunächst in einem Grundsatzbeschluss im Vorstand
der AG Charlemagne unter Beteiligung der Aufgabenträger Provinz
Limburg und AVV die schrittweise Elektrifizierung im
grenzüberschreitenden Verkehr zu verankern, anschließend das Projekt auf
Basis der in der vorliegenden Untersuchung unterbreiteten Vorschläge und
unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Fraunhofer-Untersuchung zur
Elektrifizierung des innerstädtischen Aachener Busverkehrs zu
konkretisieren bzw. konkretisieren zu lassen und parallel Förderanträge
vorzubereiten sowie eine Prozessstruktur mit gemeinsamer
grenzüberschreitender Steuerungs- und Arbeitsgruppe einzusetzen.
Bei einem kurzfristigen Projektstart sowie einer konsequenten Umsetzung
erscheint die Betriebsaufnahme der ersten elektrischen Linie zum Start der
neuen Konzession in der niederländischen Provinz Limburg im Dezember
2016 möglich.
QuickScan CharlemagneBus
52