Daten
Kommune
Aachen
Dateiname
114993.pdf
Größe
287 kB
Erstellt
28.05.13, 12:00
Aktualisiert
06.09.18, 21:13
Stichworte
Inhalt der Datei
Der Oberbürgermeister
Vorlage
Federführende Dienststelle:
Aachener Stadtbetrieb
Beteiligte Dienststelle/n:
Vorlage-Nr:
Status:
AZ:
Datum:
Verfasser:
E 18/0119/WP16
öffentlich
28.05.2013
Antrag der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Aachen vom 12.03.2013
hier: Einsatz von auftauenden Streustoffen auf Gehwegen
Beratungsfolge:
TOP:__
Datum
Gremium
Kompetenz
25.06.2013
03.07.2013
BAASt
Rat
Anhörung/Empfehlung
Entscheidung
Beschlussvorschlag:
Der Betriebsausschuss Aachener Stadtbetrieb nimmt die Ausführungen des Aachener Stadtbetriebes
zur Kenntnis und empfiehlt dem Rat der Stadt, keine generelle Salzanwendung auf Gehwegen
zuzulassen und den § 4 der Straßenreinigungs- und Gebührensatzung der Stadt Aachen dahingehend
auch nicht zu ändern.
Der Rat der Stadt beschließt auf Vorschlag des Aachener Stadtbetriebes und Empfehlung seines
Betriebsausschusses, keine generelle Salzanwendung auf Gehwegen zuzulassen und den § 4 der
Straßenreinigungs- und Gebührensatzung der Stadt Aachen dahingehend auch nicht zu ändern.
Vorlage E 18/0119/WP16 der Stadt Aachen
Ausdruck vom: 29.07.2013
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Erläuterungen:
Mit dem als Anlage beigefügten Antrag der SPD-Fraktion vom 12.03.2013 wurde die Verwaltung
beauftragt, eine Überarbeitung des § 4 der Straßenreinigungs- und Gebührensatzung zur
Beschlussfassung vorzulegen, der eine den tatsächlichen Übungen entsprechende Regelung
bezüglich der Winterwartung der Gehwege mittels auftauender Streustoffe (Streusalz) vorsieht.
Zu diesem Antrag nimmt der Aachener Stadtbetrieb wie folgt Stellung:
Nach der Straßenreinigungs- und Gebührensatzung der Stadt Aachen ist der Winterdienst auf
Gehwegen im gesamten Stadtgebiet auf die angrenzenden Grundstückseigentümer übertragen.
Gem. § 4 Abs. 1 der Satzung sind die Gehwege grundsätzlich in einer für den
Fußgängerverkehr erforderlichen Breite von 1,5 m von Schnee freizuhalten und bei Glätte mit
abstumpfenden Stoffen zu bestreuen. Auftauende und für die Umwelt gefährliche Stoffe dürfen
nicht verwandt werden. Ausnahmen von dieser Regelung sind nur erlaubt, wenn der Einsatz
von abstumpfenden Streustoffen nicht ausreicht, keine Wirkung erzielt und dadurch eine
Gefahr für die Gesundheit der Fußgänger gegeben ist (z.B. bei Eisglätte, Eisregen, bei
Treppenaufgängen, starkem Gefälle bzw. Steigungen).
Bei der Frage, welches Streumittel das Richtige ist, ist zunächst festzuhalten, dass weder die
einschlägigen gesetzlichen Vorschriften noch die Rechtsprechung dem Streupflichtigen ein konkretes
Streumittel vorschreibt.
Es genügt zunächst, dass das Streugut überhaupt etwas gegen die winterlichen Gefahren bewirkt.
Diese Anforderungen erfüllen verschiedene Streustoffe. Somit besteht ein Auswahlermessen, welcher
Streustoff benutzt wird bzw. werden soll. Bei der Ausübung dieses Auswahlermessens müssen
fehlerfrei Vor- und Nachteile der Streumittel abgewogen und die Witterung sowie die
Straßenverhältnisse berücksichtigt werden. Weiterhin können die Anforderungen des Umweltschutzes
sowie der Verkehrssicherung das Ermessen reduzieren. Dabei kommt es allein auf die Sicherheit,
nicht hingegen auf die Leichtigkeit des Verkehrs an.
Die Sicherheit des Verkehrs ist berührt, wenn sich die Verkehrsteilnehmer trotz aller Sorgfalt nicht
mehr selbst helfen können und deswegen Leib, Leben, Gesundheit oder Sachgüter ernsthaft
gefährdet sind.
Erst und nur dann kann zur Sicherheit des Verkehrs, aber eben gerade nicht wegen der Leichtigkeit,
ein Streusalzeinsatz gerechtfertigt sein.
Für Kommunen sind allein diese rechtlichen Grundlagen der Streumittelwahl maßgeblich.
Gegen Winterglätte können auftauende oder abstumpfende Streustoffe eingesetzt werden.
Auftauende Streustoffe erhöhen die Griffigkeit winterglatter Flächen auf physikalisch-chemischem
Wege, abstumpfende Streustoffe auf mechanischem Wege.
Der Rat der Stadt hat am 28.11.1984 entschieden, dass die Verwendung von auftauenden
Streumitteln im Winterdienst eingeschränkt und nur zur Fahrbahnbehandlung auf Ausfallstraßen,
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äußeren Ringstraßen, Gefällstrecken, großen Straßenkreuzungen und Unfallbrennpunkten eingesetzt
werden soll.
Alle übrigen Fahrbahnen innerhalb des Stadtgebietes sollen mit abstumpfenden Mitteln (Granulat,
Splitt, Sand) abgestreut werden.
Dieser Grundsatzbeschluss wurde vom Umweltausschuss in seinen Sitzungen am 05.05.1987,
15.12.1987 und 28.11.1989 bestätigt.
Die Stadt Aachen erbringt ihre Winterdienstverpflichtungen in Form eines differenzierten
Winterdienstes. Ein differenzierter Winterdienst ist ein Winterdienst, der versucht, den bestmöglichen
Kompromiss zwischen Verkehrssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz zu erreichen.
Differenzierung heißt dabei, dass nicht in allen Bereichen und bei jeder Wetterlage die gleiche
Strategie angewendet wird. Die Verwendung der Streustoffe wird vielmehr nach der
Verkehrsbedeutung der Straßen, deren Trassierung und topographischen Lage sowie dem Einsatzfall
unterschieden. Ziel ist dabei, die Verwendung von Tausalz auf das notwendige Mindestmaß zu
beschränken. Die Abwägung über den Streustoffeinsatz muss allerdings in jedem Einzelfall aufgrund
der speziellen Verhältnisse vor Ort erfolgen.
Streusalz (Natriumchlorid) ist das bekannteste Auftaumittel zur Schnee- und Eisglättebekämpfung und
kann bei unsachgemäßer Ausbringung Schäden an Pflanzen und Bäumen verursachen. Die
Schädigungen betreffen sowohl den Wasserhaushalt der Pflanzen, das Wurzelwachstum, als auch die
Verfügbarkeit der Nährstoffe.
Natriumchlorid wird nicht abgebaut, sondern reichert sich je nach Witterungsverlauf im Boden an, so
dass die Gefahr einer Schädigung der Pflanzen von Jahr zu Jahr steigt.
Beim Winterdienst auf Gehwegen muss i.d.R. kein Streusalz eingesetzt werden, um die
Verkehrssicherheit zu gewährleisten.
Angesichts der schädlichen Wirkungen von Salz für die Böden und Vegetation am Rand der Gehwege
sollte es auch weiterhin auf Gehwegen nicht verwendet werden. Das Argument für Salz auf stark
befahrenden Straßen, dass abstumpfende Stoffe durch den Verkehr schnell an den Fahrbahnrand
geschleudert würden und damit ihre Wirkung einbüssten, trifft bei Gehwegen nicht zu.
Darüber hinaus lässt Streusalz den Schnee schnell antauen, so dass das Wasser dann durch die
Fugen unter die Gehwegplatten läuft und dort nachts wieder gefriert. Die Gehwegplatten werden
angehoben und es entstehen oftmals gefährliche Stolperkanten. Der Gebrauch von Streusalz steigert
also die Unfallgefahr eher, statt sie zu senken.
Gerade die Staatszielbestimmung zum Umweltschutz (Art. 20 a GG) bewirkt einen Abwägungsvorrang
für den Umweltschutz. Im Zielkonflikt zwischen Umweltschutz und Straßenverkehr ist die Sicherheit
des Verkehrs, und damit ein Salzeinsatz, nur bei gefährlichen und verkehrswichtigen Stellen auf
Hauptverkehrsstrassen sowie bei extremer Witterung vorrangig.
Auch wenn ein Vollzugsdefizit bei der Kontrolle des Streusalzeinsatzes auf Gehwegen vorhanden ist,
sollte dies aus den o.g. Gründen nicht dazu führen, durch eine Änderung des § 4 der Satzung eine
generelle Salzanwendung auf Gehwegen zu legalisieren. Vielmehr sollte auch weiterhin durch gezielte
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Öffentlichkeitsarbeit auf die bestehenden Satzungsregelungen hinsichtlich der Streustoffanwendung
auf Gehwegen hingewiesen werden und dadurch mittel- und langfristig auf eine Veränderung der
tatsächlichen Gegebenheiten hingewirkt werden. In besonderen Fällen sollte darüber hinaus verstärkt
mit ordnungsbehördlichen Maßnahmen das Streusalzverbot intensiver überwacht und ggf. sanktioniert
werden.
Exkurs: Salzeinsatz auf Fahrbahnen
Der Salzeinsatz auf Fahrbahnen konnte in den letzten Jahren durch moderne Räum- und
Streufahrzeuge immer weiter optimiert und reduziert werden.
Splitt ist weder wirtschaftlich noch ökologisch für kommunale Straßen eine Alternative zu Auftausalz.
Für die Herstellung und Ausbringung von abstumpfenden Streumitteln benötigt man für den gleichen
Einsatzzweck einen dreifach höheren Energieaufwand als für Auftausalz. Hinzu kommt noch ein
erheblicher Entsorgungsaufwand. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Hydrotox GmbH und
des Öko-Instituts e.V. im Rahmen eines ökologischen Systemvergleiches verschiedener Streumittel.
Die im Auftrag des Umweltbundesamtes durchgeführte Studie bewertet den ökologischen und
wirtschaftlichen Nutzen von chemischen Auftaumitteln auf Formiat-Basis im Vergleich zu
herkömmlichem Auftausalz sowie abstumpfenden Streumitteln im kommunalen Winterdienst. Im
ökologischen Vergleich der Streu- und Enteisungsmittel wurde auch eine orientierende Ökobilanz
berücksichtigt.
Organische Auftaumittel und abstumpfende Streumittel im Straßenwinterdienst weisen hinsichtlich
Primärenergieverbrauch, Treibhauspotential und Kosteneffizienz deutliche Nachteile gegenüber
Auftausalz auf.
Bei Eis- und Reifglätte sind abstumpfende Stoffe wirkungslos. Unfallanalysen bestätigen, dass mit
abstumpfenden Streustoffen nicht das Maß an Verkehrssicherheit erreicht werden kann wie mit
Auftausalz. Im Gegensatz zu Auftausalz beseitigen abstumpfende Stoffe die Glätte nicht, sondern
vermindern die Glätte lediglich vorübergehend. Der für den Bremsweg und die Fahrstabilität
maßgebende Kraftschluss zwischen Fahrzeugrad und Fahrbahn wird damit nur geringfügig
verbessert.
Zu den Problemen mit abstumpfenden Streustoffen zählen der hohe Streustoffbedarf, etwa zehn- bis
zwanzigfache Menge, die Umweltgefährdung durch Ablagerung von Streumaterial in Grünbereichen,
die Aufhöhung von Seitenstreifen und dadurch erschwerter Wasserabfluss, Glasbruch und
Lackschäden durch hoch gewirbeltes Grobkorn, vorzeitiger Verschleiß der Fahrbahnmarkierungen
durch schmirgelnde Wirkung, das Verstopfen von Entwässerungsanlagen, Einlaufschächten und
Rohrleitungen (Kanalisation), hoher Reinigungs- und Entsorgungsaufwand, Staubentwicklung mit
Gesundheitsgefährdung, Schwermetallgehalte sowie Entsorgungsprobleme (Sondermüll).
Die benötigte Menge pro Flächeneinheit ist bei abstumpfenden Stoffen im Vergleich zu Auftausalz um
mehr als das zehn- bis fünfzehnfache größer.
Hinzu kommen eventuell erforderliche Nachstreuungen, da der Splitt nach Fahrzeugüberfahrten aus
der Rollspur geschleudert wird. Entsprechend höher ist der finanzielle Aufwand für Kauf, Transport,
Lagerung und Streuung sowie der personelle Aufwand bei der Ausbringung und Wiederaufnahme,
denn letztlich müssen die abstumpfenden Mittel auch wieder aufgekehrt und entsorgt werden.
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Die erstellte Ökobilanz hat gezeigt, dass die Salzstreuung mit Blick auf die ökobilanzrelevanten
Belastungen (Energie- und Wasserbedarf, Luft- und Wasseremissionen, Abfallmengen) deutlich
besser als die Splittstreuung abschneidet.
Der Winterdienst der Stadt Aachen wägt den Einsatz von Streusalz und Splitt sehr genau ab und geht
mit beiden Mitteln sehr verantwortungsvoll um.
Anlage/n:
Ratsantrag der SPD - Fraktion
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