Daten
Kommune
Aachen
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111160.pdf
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364 kB
Erstellt
26.02.13, 12:00
Aktualisiert
06.09.18, 21:04
Stichworte
Inhalt der Datei
Der Oberbürgermeister
Vorlage
Federführende Dienststelle:
Sicherheit und Ordnung
Beteiligte Dienststelle/n:
Vorlage-Nr:
Status:
AZ:
Datum:
Verfasser:
FB 32/0022/WP16
öffentlich
26.02.2013
Handlungskonzept Antoniusstrasse
Antrag der CDU, SPD, Grüne und Linke Fraktionen im Rat der
Stadt Aachen vom 23.04.2012
Beratungsfolge:
TOP:__
Datum
Gremium
Kompetenz
06.03.2013
HA
Entscheidung
Beschlussvorschlag:
Der Hauptausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zustimmend zur Kenntnis.
Philipp
Oberbürgermeister
Vorlage FB 32/0022/WP16 der Stadt Aachen
Ausdruck vom: 12.03.2013
Seite: 1/6
finanzielle Auswirkungen: unbestimmt
Investive
Ansatz
Auswirkungen
20xx
Fortgeschriebener Ansatz
Fortgeschriebe-
Ansatz
ner Ansatz
20xx ff.
20xx
Gesamtbedarf (alt)
20xx ff.
Gesamtbedarf
(neu)
Einzahlungen
0
0
0
0
0
0
Auszahlungen
0
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0
0
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Ergebnis
0
0
0
0
0
0
+ Verbesserung /
-
0
0
Deckung ist gegeben/ keine
Deckung ist gegeben/ keine
ausrechende Deckung
ausrechende Deckung
vorhanden
vorhanden
Verschlechterun
g
konsumtive
Ansatz
Auswirkungen
20xx
Ertrag
Fortgeschriebener Ansatz
Fortgeschriebe-
Ansatz
ner Ansatz
20xx ff.
20xx
20xx ff.
Folgekos-
Folgekos-
ten (alt)
ten (neu)
0
0
0
0
0
0
0
0
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Abschreibungen
0
0
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0
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0
Ergebnis
0
0
0
0
0
0
Personal-/
Sachaufwand
+ Verbesserung /
Verschlechterun
0
0
Deckung ist gegeben/ keine
Deckung ist gegeben/ keine
ausrechende Deckung
ausrechende Deckung
vorhanden
vorhanden
g
Vorlage FB 32/0022/WP16 der Stadt Aachen
Ausdruck vom: 12.03.2013
Seite: 2/6
Erläuterungen:
Mit dem o.a. Antrag begehren die Antragsteller die Erstellung eines Handlungskonzepts Antoniusstraße, welches die
aktuelle Lage der Antoniusstraße beschreibt, Problemlagen ausweist und konkrete Handlungsvorschläge aus
ordnungsrechtlicher, baurechtlicher, planungspolitischer und sozialpolitischer Sicht ausweist. Ziel dieses Konzeptes soll die
Entwicklung greifbarer Maßnahmen sein, die die Betreiber von Bordelleinrichtungen in Aachen, speziell in der
Antoniusstraße, veranlassen, Mindeststandards bezüglich Hygiene, baulicher Standards, Sicherheit und Arbeitsrecht für die
dort tätigen Frauen bzw. die Kunden, zu installieren und einzuhalten.
Im Folgenden benennt der Antrag verschiedene Maßnahmeschritte, die im Rahmen der weiteren Darstellung bewertet
werden.
Unzweifelhaft sind die allgemeinen Zustände innerhalb der Antoniusstrasse mehr als kritikwürdig und genügen auch nicht
den gemeinhin mindestens auch im Bereich der Prostitution anzusetzenden Anforderungen – weder aus Sicht der
Prostituierten noch aus Sicht der „Kunden“, auch wenn die Nachfrage offensichtlich Anderes suggeriert. Eine Folge der nicht
nur durch Solwodi öffentlich dargestellten Mängel und Problemlagen war die Einrichtung eines runden Tisches „Runder
Tisch – Prostitution in Aachen“, an dem sich auch Ordnungsbehörde und Polizei beteiligen. Gescheitert ist allerdings bislang
der Versuch Bordellbetreiber und Prostituierte an diesem runden Tisch zu beteiligen.
Auch hier waren Ansatzpunkte die in dem Antrag bereits benannten Punkte und Problemlagen:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
mangelnde Hygiene
fehlende gesundheitliche Betreuung der Prostituierten
bauliche Defizite
Zwangssituation der Frauen
Verstöße Jugendschutz
und illegale Prostitution bzw. erzwungene Prostitution bzw. Menschenhandel mit all seinen
Begleiterscheinungen.
Die ebenfalls seit Antragstellung erfolgten polizeilichen Razzien in der Antoniusstraße haben insbesondere diese kriminelle
Seite der Prostitution bestätigt. Menschenhandel ist ebenso festzustellen wie, wenn man dies nicht ohnehin gleichsetzen
muss, erzwungene Prostitution. Eine im Beisein einer städtischen Mitarbeiterin durchgeführte Razzia am 25.10.2012 hat
allerdings ergeben, dass die Gebäude bis auf eine Hinterhausnutzung weitgehend den derzeitigen Anforderungen
insbesondere des Brandschutzes genügen. Hier festgestellte Mängel wurden aufgegriffen.
Die weitere Entwicklung der Antoniusstraße war auch aus stadtentwicklungspolitischer Sicht in den letzten Jahren bereits
mehrfach in der Diskussion. Zur Diskussion gestellt wurde die Erweiterung des Sperrbezirks um zumindest im
Eingangsbereich eine Aufwertung der Straße herzustellen und die Prostitution einzugrenzen. Verschiedentlich wurden
Ankäufe von Immobilien durch die Stadt erörtert und vorgeschlagen, um über die Eigentumsposition weitergehenden
Einfluss zu gewinnen.
Was aus stadtentwicklungspolitischer Sicht wünschenswert schien, war aus sozialpolitischer Sicht nicht akzeptabel. Die
Erweiterung des Sperrbezirks mit der daran geknüpften Forderung der Bezirksregierung, Ersatzfläche zu schaffen, wurde als
Gefahr gesehen, die tätigen Frauen zu vertreiben und sie noch weitergehend in die Anonymität etwa der
Wohnungsprostitution zu treiben, die noch weniger einer Kontrolle zugänglich wäre.
Vorlage FB 32/0022/WP16 der Stadt Aachen
Ausdruck vom: 12.03.2013
Seite: 3/6
Faktisch hat sich seit Beginn der Diskussion keine Veränderung der Situation in der Antoniusstraße ergeben. Seit Jahren
wird die Lage der betroffenen Frauen diskutiert und verfolgt, ohne aber zu wirksamen Gegensteuerungsmaßnahmen zu
finden. Auch die Diskussionen am Runden Tisch haben im Wesentlichen mehr zur Analyse beigetragen, ein noch
detailliertes Bild auf die Lage der Frauen eröffnet und einige Handlungsempfehlungen gegeben (s. Anlage).
Wirksame Handlungsmechanismen fehlen dennoch in der Konsequenz nach wie vor. Zumal vor dem Hintergrund einer
bislang fehlenden eindeutigen Positionierung, ob die Prostitution in der Antoniusstraße eingedämmt oder gar teilweise
unterbunden werden soll oder alternativ gefestigt und gar als klare „Bordellstraße“ festgeschrieben werden soll. Die unter Zif.
7 des Antrags genannte Prüfung einer Eingrenzung bei gleichzeitiger Aufwertung durch den Neubau eines Laufhauses
würde klar in die zweite Richtung weisen.
Ein sog. Laufhaus mit qualitativ entsprechenden Anforderungen und einer klaren Bordellnutzung würde ein zusätzliches
Angebot schaffen, das aufgrund der Wettbewerbssituation zum qualitativen Nachziehen der im Übrigen anzutreffenden
Prostitution führen könnte. Es könnte aber auch nur eine zurückhaltende Auswirkung haben, da höchst wahrscheinlich, wenn
man das so formulieren kann, lediglich unterschiedliche Zielgruppen betroffen wären. Wenn überhaupt dürfte nur ein
allmählicher Prozess der Besserung dadurch erreicht werden. Die stadtentwicklungspolitisch gesehene Unumkehrbarkeit
des Vorgehens auf ebenso lange Sicht dürfte dabei jedenfalls auf der Hand liegen.
Unter Abwägung aller in einem derartigen Prozess relevanten Argumente hat sich in den diversen Gesprächsrunden und
interfraktionellen Abstimmungen genau diese Zielrichtung gefestigt.
Demzufolge wird der Planungsausschuss in seiner Sitzung am 28.2.2013 sowohl über Aufstellung eines Bebauungsplanes
im Bereich Antoniusstrasse/Mefferdatisstrasse als auch über die Durchführung vorbereitender Untersuchungen im Hinblick
auf eine Sanierungssatzung für diesen Bereich beraten, bei der die stadtentwicklungspolitische Perspektive dieses
Lösungsweges mit erörtert wird.
Über die Ergebnisse kann in der Hauptausschusssitzung mündlich berichtet werden.
Dennoch fehlen eindeutige Vergleichsfälle, an Hand derer ein solcher Entwicklungsprozess nachhaltig prognostizierbar sein
könnte..
Handlungsmechanismen fehlen des Weiteren, weil der ordnungsbehördliche Rahmen des Einschreitens begrenzt ist.
Faktisch sind bei der jetzigen Art der Prostitutionsausübung bzw. der Förderung der Prostitutionsausübung aus
ordnungsbehördlicher Sicht grundsätzlich keine Sanktionsmöglichkeiten, wie sie etwa im Antrag unter Zif. 8 erfragt sind,
gegeben. Auch im Übrigen sind die rechtlichen Grundlagen eben nicht in dem Sinne eröffnet, wie dies offensichtlich
gewünscht und wohl auch geboten wäre.
So hat etwa das Prostitutionsgesetz aus dem Jahre 2001 nicht die grundsätzliche Regelung getroffen, Prostitution sei ein
Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung. Dieses Gesetz beschränkt sich vielmehr auf die Regelung zivilrechtlicher und
strafrechtlicher Sachverhalte. Der Bund-Länder-Ausschuss „Gewerberecht“ hat in diesem Sinne ausdrücklich festgestellt,
dass die Gewerbeordnung kein geeignetes Instrument darstelle, um den Schutz der Prostituierten zu verbessern.
Hinsichtlich des Gaststättenrechts ist zu bedenken, dass dieses schon vor Jahren eine deutliche Liberalisierung erfahren
hat. Eine gaststättenrechtliche Erlaubnis ist ohnehin nur erforderlich, wenn alkoholische Getränke ausgeschenkt werden.
Darüber hinaus ist es höchst problematisch, im Zweifel den Nachweis zu führen, dass es sich bei den Bordellen überhaupt
um Gaststätten im Sinne des § 1 des Gaststättengesetzes handelt. Von Seiten der Betreiber wird argumentiert, es gehe
lediglich „um die Versorgung der Gäste der dort tätigen Prostituierten“.
Vorlage FB 32/0022/WP16 der Stadt Aachen
Ausdruck vom: 12.03.2013
Seite: 4/6
Die gerne als Beispiel genannte Verfahrensweise Dortmund hat den großen Vorteil, dass hier insgesamt eine anders
organisierte Struktur anzutreffen ist, die in Clubs und Bordellen eine andere Kontroll- und auch Sanktionsmöglichkeit
eröffnet.
Selbst hier hat aber auch nur ein Vorgehen Erfolg zeigen können, das in hohem Maße personalintensiv die Verknüpfung der
ordnungsbehördlichen und sozial- sowie gesundheitspolitischen Stellen zielgenau schafft und zum Einsatz bringt. Dennoch
ist dieses Beispiel bundesweit nach wie vor ein absolutes Unikat.
Letztlich ergibt sich die Situation der Antoniusstraße aus einem Gemisch von kriminellem Vorgehen bei der Organisation der
Prostitution einerseits, den damit verbundenen Missachtungen geringster Anforderungen der Bedürfnisse der Frauen und
der Hilflosigkeit der Frauen andererseits, die als Opfer zugleich nicht in der Lage sind, Helfer zu finden oder Helfer als Helfer
zu erkennen. Dies gilt naturgemäß in Ansehung der Frauen, die über keinen gesicherten Aufenthaltstatus verfügen und
schlicht ausgeliefert sind.
Kriminalität und vertrauensvolle Kontakte schließen einander aus – in jede Richtung.
Dass nur Frauen mit gesichertem Aufenthaltsstatus der Prostitution nachgehen dürfen (Antrag Ziff. 2), versteht sich von
selbst ebenso wie etwa die Vorgabe, dass es keine Prostitution minderjähriger Mädchen geben darf. Dass auch kranke
Frauen nicht als Prostituierte tätig werden dürfen, versteht sich ebenso von selbst, die Situation zu schaffen, dass sie nicht
„abtauchen“ müssen, wäre ebenso zwingend.
All dies ist nichts, was einer „Vereinbarung“ zugänglich sein kann, sondern selbstredend.
Gemeint sein kann lediglich, dass die Betreiber und Zuhälter durch das aktive Vorgehen in ihrer „Wirtschaftlichkeit“ getroffen
werden. Anders formuliert, die Präsenz von Behörden aller Art müsste den Kunden abschrecken und so die Prostitution
eingrenzen, wohl wissend, dass es nicht um die konkrete Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit oder eines kriminellen Tuns
geht. Gleichzeitig wäre es von Nöten, den eigenen Vertrauensschirm der Sozial- und Gesundheitsbehörde – etwa im Sinne
Solwodis – aufzubauen, um als direkter Ansprechpartner der Frauen agieren zu können.
Dies würde zweifelsohne – in einem noch näher auszuarbeitenden Konzept auch zwischen Polizei und Stadt – einen
verstärkten Personaleinsatz erfordern, der auch weit über die üblichen Präsenzzeiten städtischer Mitarbeiter hinausgeht.
Die Einbringung und Beschlussfassung über die Aufstellung eines Bebauungsplanes sowie die Durchführung vorbereitender
Untersuchungen im Hinblick auf eine Sanierungssatzung könnten zudem die Grundlage bilden, auf Betreiber- und
Nutzerseite einzuwirken, notwendige bauliche Sanierungsmaßnahmen vorzunehmen um auch durch die bauliche
Aufwertung insgesamt verbesserte Rahmenbedingungen zu schaffen
Ein weiterer Schritt liegt in der formalen Klärung der Frage, ob die Bezirksregierung Köln der Sperrbezirkserweiterung auch
dann zustimmen würde, wenn die Errichtung eines Laufhauses innerhalb der – dann als Bordellstrasse verkürzten –
Antoniusstr. läge.
Vorlage FB 32/0022/WP16 der Stadt Aachen
Ausdruck vom: 12.03.2013
Seite: 5/6
Ein informelles Vorgespräch der Ordnungsbehörde mit der Bezirksregierung Köln lässt hierzu eine begründete Hoffnung zu.
Darüber hinaus gilt es sicherlich, gfls. mögliche Beratungs- und auch Betreuungsangebote zu stärken.
In diesem Zusammenhang ist auf das Handlungskonzeptes des „Runden Tisches“ hinzuweisen. Hier beginnt die politische
Beratung am 21.03.2013 im Ausschuss für Soziale, Integration und Demografie.
Anlage/n:
-
Antrag der CDU, SPD, Grüne und Linke Fraktionen im Rat der Stadt Aachen vom 23.04.2012
-
Handlungskonzept des Runden Tisches Prostitution in Aachen
Vorlage FB 32/0022/WP16 der Stadt Aachen
Ausdruck vom: 12.03.2013
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Aachen, 12/2012
Handlungskonzept des Runden Tisches Prostitution in Aachen
Die Anfänge
Der Ausschuss für Soziales, Integration und Demographie hat in seiner Sitzung am 06.10.2010
einstimmig beschlossen:
Die Verwaltung wird beauftragt einen kontinuierlich tagenden Runden Tisch einzurichten, um die
Probleme im Bereich der Prostitution aufzugreifen und dem Sozialausschuss entsprechende
Lösungsansätze vorzulegen. Dieser Runde Tisch soll sich zusammensetzen aus VertreterInnen aus
dem Fachbereich Soziales, dem Gesundheitsamt, der StädteRegion Aachen, dem Fachbereich
Sicherheit und Ordnung, dem Ausländeramt der StädteRegion Aachen, dem Gleichstellungsbüro, dem
Arbeitskreis „Prostitution und Frauenhandel“ des Frauennetzwerkes, der Polizei sowie Prostituierten
und Bordellbetreibern. Je nach Thema können weitere Personen geladen werden, wie z. B.
VertreterInnen der Staatsanwaltschaft, des Finanzamtes, der Sozialverbände, von Institutionen aus der
Region usw.
Der Runde Tisch hat sich nach verwaltungsinternen vorbereitenden Abstimmungsgesprächen erstmalig
am 18.03.2011 zusammengefunden. In der Folgezeit wurden Experten aus dem Versicherungswesen,
von der Krankenversicherung und des Ordnungsamtes Dortmund eingeladen. Leider ist es bislang nicht
gelungen, die Bordellbetreiber zu einer Teilnahme am Runden Tisch zu bewegen. Dies gilt auch für die
Prostituierten.
Der Ausschuss hat weiter beschlossen:
Auf dem Expertenhearing am 06.10.2010 wurde vom Leiter des Ordnungsamtes Dortmund das
„Dortmunder Modell“ vorgestellt. Entsprechend dieses Modells soll in Aachen ebenfalls ein
Ordnungsrahmen geschaffen werden, mit dem Gewerbeanzeigen eingefordert und überprüft werden
können. Damit soll gewährleistet werden, dass Arbeitsplätze in Bordellen zumutbare Bedingungen
erfüllen.
Perspektivisch soll ein niederschwelliges Beratungsangebot für Prostituierte geschaffen werden mit dem
Ziel, die Frauen in den verschiedenen Lebens- und Arbeitsbereichen (medizinisch, psychosozial,
juristisch, verwaltungstechnisch usw.) zu unterstützen. Ausstiegswillige sollen ebenfalls adäquat
begleitet werden.
Am 15.01.2011 hat SOLWODI eine Beratungsstelle in der Jakobstraße 7 in Aachen eröffnet. Im
Rahmen des „Projektes Stella“ werden Frauen in der Prostitution von den Mitarbeiterinnen der
Beratungsstelle beraten und begleitet. Das Projekt richtet sich insbesondere an Frauen, die Opfer von
Menschenhandel geworden sind oder sich in der Prostitution in einer Zwangssituation befinden.
1
Situationsbeschreibung in der Antoniusstraße
Gemäß der Verordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes für den Bereich der
Stadt Aachen vom 29.04.2009 ist im gesamten Innenstadtbereich mit Ausnahme der Antoniusstraße die
Straßenprostitution verboten. Am 25.10.2012 wurden bei einer polizeilichen Kontrolle 126 Prostituierte
in der Antoniusstraße angetroffen. Die Frauen hatten folgende Nationalitäten:
rumänisch
albanisch
thailändisch
nigerianisch
deutsch
bulgarisch
niederländisch
ungarisch
litauisch
griechisch
dominikanisch
spanisch
kolumbianisch
brasilianisch
sudanesisch
serbisch
bosnisch
57
22
9
7
6
5
3
3
3
2
2
2
1
1
1
1
1
Die Mitglieder des Runden Tisches mit ihren Aufgaben
FB Soziales und Integration
Der Fachbereich Soziales und Integration hat die Geschäftsführung des
Runden Tisches, bereitet Vorlagen für Ausschüsse und den Rat vor, stellt die
Netzwerkarbeit innerhalb der Verwaltung sicher und vertritt den Runden Tisch
nach außen.
Ausländeramt
Die Ausländerbehörde berät den Runden Tisch in ausländerrechtlichen
Fragen und Angelegenheiten.
Gleichstellungsbüro
Das Gleichstellungsbüro der Stadt Aachen stellt die Querverbindung
zwischen dem Arbeitskreis Zwangsprostitution / Menschenhandel und dem
Fachausschuss Gewalt gegen Frauen (beide Frauennetzwerk Aachen e.V.)
sowie die Netzwerkarbeit außerhalb der Verwaltung sicher.
Fachbereich Sicherheit und
Ordnung
Frauenseelsorge der
Bistumsregion Aachen-Stadt
Arbeitskreis Prostitution
Der Fachbereich Sicherheit und Ordnung berät den Runden Tisch in gewerbeund ordnungsrechtlichen Angelegenheiten.
Die Frauenseelsorge der Bistumsregion Aachen-Stadt engagiert sich für
Frauen (für Menschen) die in Aachen ihren Lebensunterhalt durch
Prostitution verdienen - durch Mitwirkung beim RT, durch Lobbyarbeit im
kirchlichen Raum und durch Seelsorge.
(Vertreterin nimmt seit 10/2012 auf eigenen Wunsch nicht mehr teil)
Der Arbeitskreis Zwangsprostitution / Menschenhandel setzt sich aus
Mitgliedern des Frauennetzwerkes, Vertreterinnen aller Fraktionen und dem
Gleichstellungsbüro zusammen und versteht sich als Bindeglied zur Politik und
den lokalen und überregionalen Institutionen.
2
SOLWODI
Die Beratungsstelle SOLWODI identifiziert aufgrund ihres Praxisbezuges zur
Zielgruppe die Belange der betroffenen Frauen und sorgt für einen
Informationsfluss zwischen den Mitgliedern des Runden Tisches und der
Zielgruppe.
Polizei
Die Polizei berät den Runden Tisch in Fragen und Angelegenheiten der
Verhütung und Verfolgung von Straftaten.
Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft dient allen beteiligten Fachbereichen als
Ansprechpartner für Fragen des materiellen und strafprozessualen Strafrechts.
Jobcenter
Das Jobcenter StädteRegion Aachen berät den Runden Tisch zu SGB IIrechtlichen Fragen und Angelegenheiten.
Gesundheitsamt
Das Gesundheitsamt berät in Fragen zu sexuell übertragbaren Erkrankungen.
Dazu werden in Sprechstunden anonyme Testungen angeboten.
Bauaufsicht
Die Bauaufsicht berät den Runden Tisch in allen bauordnungsrechtlichen
Fragen.
Die Intention des Runden Tisches
Auf Grund der Beschlusslage im Ausschuss für Soziales, Integration und Demographie sowie den im
ersten Jahr des Bestehens gewonnenen Erkenntnissen sieht der Runde Tisch Prostitution in Aachen für
sich folgende Handlungsfelder:
I.
II.
III.
Die Arbeits- und Lebensbedingungen der Prostituierten
Der Weg der Prostituierten aus der Anonymität und der Isolation mit der Schaffung eines
rechtssicheren Rahmens
Der Ausstieg aus der Prostitution
Zielgruppe sind in erster Linie die Prostituierten in den Bordellen der Antoniusstrasse. Die übrigen
Erscheinungsformen der Prostitution, wie die Straßenprostitution und die Wohnungsprostitution werden
dabei im Blick behalten.
Aus den Handlungsfeldern wurden folgende Ziele formuliert:
1. Der Runde Tisch Prostitution setzt sich ein für die Verbesserung der Arbeits- und
Lebensbedingungen der Prostituierten.
2. Der Runde Tisch Prostitution eröffnet und fördert alternative Lebens- und Erwerbsmöglichkeiten
für die Prostituierten.
3. Der Runde Tisch Prostitution prüft die Sinnhaftigkeit der Anwendung des „Dortmunder Modells“
in Aachen.
3
Geplante Maßnahmen zu den og. Zielen
1.1
Die dauerhafte Einrichtung eines niederschwelligen Beratungsangebotes und die Erstellung
einer Informationsbroschüre:
Durch die Möglichkeit von Beratungsangeboten in den Räumen der Fachberatungsstelle und durch
aufsuchende Arbeit im Milieu, nehmen die Mitarbeiterinnen von SOLWODI Kontakt zu den Frauen auf
mit dem Ziel, über präventive, gesundheitliche Maßnahmen, rechtliche Rahmenbedingungen,
Krankenversicherungssystem, Aufenthaltsstatus, Sprachkurse, Ausstiegsmöglichkeiten und
Hilfsangebote zu informieren. Die Beratung ist anonym und kostenlos.
Die mehrsprachige Informationsbroschüre soll Informationen zu
- präventive gesundheitliche Maßnahmen
- rechtliche Rahmenbedingungen für Frauen in der Prostitution
- Krankenversicherungssystem
- Aufenthaltsrecht
- Sprachförderung zur Alltagsorientierung
- Ausstiegsmöglichkeiten
und Adressen relevanter Institution und Behörden enthalten. Im Rahmen der aufsuchenden Arbeit von
SOLWODI- Mitarbeiterinnen im Milieu soll diese verteilt werden.
Das Projekt „Stella“ von SOLWODI wird von der Aktion Mensch für die Dauer von 3 Jahren bis zum
31.12.2013 finanziert. Die Beratungsräume in der Jakobstraße wurden SOLWODI vom Bistum
kostenlos zur Verfügung gestellt. Das Bistum hat sich bereit erklärt, auch über den 31.12.2013 hinaus
die Räume kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Um die Leistungen der Beratungsstelle von SOLWODI weiterhin anbieten zu können, werden Mittel für
die Finanzierung von 1,5 Personalstellen benötigt.
1.2
Die Verbesserung der medizinischen Versorgung
1. durch Krankenversicherungsschutz:
Für die Annahme eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses reicht es aus, dass
faktisch eine abhängige Tätigkeit ausgeübt wird. Ist die Prostituierte selbständig tätig, gelten für sie alle
sozialversicherungsrechtlichen Regelungen, die sich auf selbständig Tätige erstrecken. Für die
Aufnahme in eine der Mitgliedskassen gelten die Versicherungspflichtigkeit nach § 5 SGB V oder
Versicherungsberechtigung nach § 9 SGB V. In der Praxis scheitert für viele Prostituierte die freiwillige
Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung an fehlenden Vorversicherungszeiten. Wenn
eine Prostituierte die Aufnahme in eine Krankenversicherung wünscht, sollte ihr Beratung und
Begleitung angeboten werden. Eventuell kann in Zusammenarbeit mit der AOK eine geeignete
Informationsbroschüre erstellt werden.
2. durch alternative Beratungs- und Behandlungsangebote:
Es ist Aufgabe des Gesundheitsamtes sich im Bereich der Prävention sexuell übertragbarer
Krankheiten zu engagieren. Dabei bilden das Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst und das
Infektionsschutzgesetz die Rechtsgrundlage. Im Gesundheitsamt werden Blutuntersuchungen auf HIV
und Syphilis kostenlos und anonym zu unterschiedlichen Sprechzeiten für Bürger aus der
StädteRegion angeboten. Der Zugang zu den angebotenen Sprechstunden ist niedrigschwellig
angelegt, d.h., keine Voranmeldung erforderlich, kostenfrei und anonymisiert.
Zur Abklärung und Einschätzung des Risikoverhaltens gehört eine umfassende Beratung, die alle
sexuell übertragbare Erkrankungen mit einbezieht.
4
Die Mitarbeiterinnen der Organisation „SOLWODI“ halten Beratungsangebote in den Räumen der
Fachberatungsstelle und durch aufsuchende Sozialarbeit in der Antoniusstraße vor. Ziele sind u.a.
über präventive gesundheitliche Maßnahmen, rechtliche Rahmenbedingungen, Krankenversicherungsschutz, Aufenthaltsstatus, Sprachkurse, Ausstiegsmöglichkeiten und generelle Hilfsangebote zu
informieren. Dies geschieht in Kooperation mit dem Gesundheitsamt und der AIDS-Hilfe.
SOLWODI bietet Frauen in Notlage an, sie zu einem Arzt zu begleiten, der möglichst kostenlos
behandelt.
Um den Frauen zu helfen, die nicht in einer Krankenversicherung aufgenommen werden können oder
sich eine Krankenversicherung nicht leisten können, sollte eine ärztliche Grundversorgung angeboten
werden. Es sollte geprüft werden, ob es möglich ist, ein Angebot auf ärztliche Behandlung für
Prostituierte zu schaffen und wie ein solches Angebot finanziert werden kann.
1.3
Die Verbesserung von Schutz und Sicherheit
Selbst wenn Frauen freiwillig der Prostitution nachgehen, erscheint die Tätigkeit anrüchig und ist je
nach Aufenthaltsstatus, Beschäftigungsform und Alter auch illegal. Ziel muss es daher sein,
selbstbestimmte Prostitution aus der vermeintlichen Illegalität herauszuholen. Die Bereitschaft, illegale
Machenschaften anzuzeigen ist naturgemäß größer, wenn sich die Betroffene selbst in der Legalität
befindet und ihr das auch bewusst ist. Die Abwehr illegaler Angriffe auf das eigene Geschäft mit
legalen Mitteln ist sozialverträglicher als die Abwehr mit illegalen Mitteln.
Auf der Grundlage der geforderten Situationsbeschreibung sind zielgerichtet Aktivitäten zu entfalten.
So trägt beispielsweise die Schaffung entsprechender menschenwürdiger Infrastrukturen maßgeblich
dazu bei, das Schmuddelimage zu reduzieren. Ansätze hierfür bietet das Dortmunder Modell, das
bekannt ist und daher hier nicht weiter betrachtet werden soll, insbesondere hinsichtlich der
Gesundheitsvorsorge. Nebenher können möglicherweise die Vorschriften des Energieeinsparungsgesetzes und der EnergieeinsparungsVO dazu beitragen, einen Immobilienbesitzer zur Verbesserung
der Infrastruktur in der Antoniusstraße zu animieren.
Der Übergang von der Illegalität in die Legalität trägt erheblich dazu bei, Schutz und Sicherheit zu
verbessern. Hierzu sind die zuständigen Dienststellen der Stadt und der Städteregion im Rahmen der
rechtlichen Möglichkeiten gefordert, die als Teil der Ordnungsverwaltung, z. T. als besser wirksame
Sonderordnungsbehörden, Berührung mit den Eigenarten der Antoniusstraße haben können. Das
beträfe beispielsweise die Bereiche allgemeines Ordnungsrecht, Melderecht, Ausländerwesen,
Bauordnungsrecht, Gesundheits- und Sozialvorsorge, Steuerrecht sowie die Verhütung und
Verfolgung von Straftaten im Rahmen der polizeilichen Aufgabenwahrnehmung. Begleitet werden
muss dies mit einem entsprechenden Beratungsangebot durch die Beratungsstellen. Dabei ist es
wichtig, die Betroffenen über die Hintergründe der Maßnahmen zu informieren und hiervon zu
überzeugen. Das Vertrauen der Betroffenen in staatliche Institutionen muss kontinuierlich gesteigert
werden, um die Bereitschaft zur Kooperation zu erhöhen.
Die Einhaltung eines noch zu schaffenden legalen Raumes ist von Anfang an dauerhaft zu
überwachen und die Nichteinhaltung zu sanktionieren. Es bedarf daher regelmäßiger Kontrollen der
jeweils zuständigen Dienststellen. Dies muss ebenfalls einhergehen mit einer stetigen Kommunikation
zu den Betroffenen. Hierbei kommt es entscheidend auf eine gute Zusammenarbeit zwischen den
kommunalen Dienststellen, der Polizei und den Beratungsstellen an. In den Fällen, in denen
besonders sozialschädliches Verhalten strafrechtlich sanktioniert werden muss, wie z.B. bei der so
genannten Zwangsprostitution, setzt die Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft ein. Besteht der
Anfangsverdacht, dass Strafgesetze verletzt wurden, so werden entsprechende Ermittlungsverfahren
eingeleitet.
Die Verbesserung von Schutz und Sicherheit der in der Antoniusstraße tätigen Frauen lässt sich auf
5
der Grundlage des geltenden allgemeinen Ordnungs- und Gewerberechts in der vorangehend
beschriebenen Form jedoch nicht realisieren.
Das Prostitutionsgesetz beschränkt sich auf die Regelung zivilrechtlicher und strafrechtlicher
Sachverhalte. Der Bund-Länder-Ausschuss „Gewerberecht“ hat in diesem Sinne ausdrücklich
festgestellt, dass die Gewerbeordnung kein geeignetes Instrument darstellt, um den Schutz der
Prostituierten zu verbessern. Auch bietet das Gaststättengesetz keine geeignete Grundlage für
ordnungsbehördliches Eingreifen, da bei einem Bordellbetrieb der Nachweis, dass es sich um eine
Gaststätte im Sinne des § 1 des Gaststättengesetztes handelt, schwierig zu erbringen ist.
Der Bundesrat hat mit Beschluss vom 11.02.2011 die Bundesregierung aufgefordert, in einem
Gesetzentwurf den Schutz der Prostituierten zu verbessern und u.a. eine Erlaubnispflicht für
Bordellbetriebe und eine Anzeigepflicht für außerhalb solcher Betriebe tätigen Prostituierten
festzulegen. Bis zum Erlass einer derartigen Gesetzesbestimmung besteht keine ordnungsrechtliche
Handhabe für Kontrollen und Sanktionierungen.
Selbstverständlich gelten auch in der Antoniusstraße die generell zu beachtenden Gesetze. Bei
Verstößen werden sowohl seitens der Polizei als auch der Ordnungsbehörde die notwendigen
Maßnahmen ergriffen. Bei dem Verdacht des Vorliegens strafrechtlicher Delikte (Zwangsprostitution,
Menschenhandel, illegaler Aufenthalt) wird die Polizei bzw. die Ausländerbehörde Ermittlungen
einleiten.
1.4
Einen besseren Zugang zu Bildung, insbesondere Sprache und Alphabetisierung:
Die niederschwelligen Sprachkurse, die von der Stabsstelle Integration angeboten werden oder die
Sprachkurse der VHS setzen eine dauerhafte und regelmäßige Teilnahme voraus. Angesichts der
Strukturen in der Antoniusstraße ist davon auszugehen, dass den Prostituierten dies nicht möglich ist.
Eine weitere Möglichkeit, die Kenntnisse der deutschen Sprache zu verbessern, ist die Initiierung eines
Gesprächskreises ‚Deutsch’ unter Leitung einer Fachkraft. In dieser Gruppe könnten dann auch
wechselnde oder unregelmäßig erscheinende Teilnehmerinnen aufgefangen werden. Eine
Finanzierung ist durch die Stadt Aachen zu prüfen. Teilnehmerinnen des Gesprächskreise, die eine
weitergehende Schulung wünschen, könnten dann bei der Aufnahme eines regulären Sprachkurses
unterstützt werden.
1.5
Die Schaffung von Öffentlichkeit und Lobby sowie zielgruppenspezifische Aufklärungsarbeit:
Öffentlichkeit ist ein wesentliches Element, wenn die Situation der betroffenen Frauen (und Männer)
verbessert werden soll. Sie bietet den Prostituierten insoweit Schutz, da die Täter bei illegalen/
strafbaren Handlungen nicht unbedingt davon ausgehen können, dass ihre Taten unentdeckt bleiben.
Gleichzeitig wird die Kundschaft sensibilisiert. Informierte Freier können ggf. Anzeichen für
Zwangsprostitution oder/und Straftaten erkennen und sind eventuell bereit, dies auch entsprechend
weiterzugeben. Es ist durchaus auch denkbar, dass informierte Freier gezielt Frauen aufsuchen, die
sie nicht mit Zwangsprostitution in Verbindung bringen.
Mögliche Maßnahmen
- Vorstellung der bisherigen Ergebnisse des Runden Tisches bei der Politik
- Aufzeigen der Handlungsgrenzen
1.
auf Grund fehlender gesetzlicher Grundlagen
2.
auf Grund fehlender kommunaler/regionaler Strukturen
mit entsprechenden Empfehlungen (z.B. Bildung einer „Schnellen-Eingreif-Gruppe“
Ordnungs-, Bau-, Gesundheitsbehörde und Polizei in konkreten Bedarfsfällen)
- Kontakt herstellen und pflegen zu
6
1.
2.
3.
-
1.6
Landtagsabgeordneten mit Wahlkreis in der Region
dem Runden Tisch Prostitution des Landes
lokalen Medien; das Thema Zwangsprostitution sollte kontinuierlich (mit
wechselnden Schwerpunkten) im Focus sein
ggf. Durchführung von Fachveranstaltungen für bestimmte Zielgruppen (evtl. auch durch
Arbeitskreis oder in Kooperation)
Durch die Aufklärungs- und Präventionsarbeit an Schulen sollen insbesondere junge Männer, da
sie die potentiellen Freier sind, aber auch junge Mädchen, die zur Risikogruppe gehören, für die
Themenbereiche Prostitution, Zwangsprostitution und Menschenhandel sensibilisiert werden.
Mit gezielten Öffentlichkeitskampagnen (z.B. Bierdeckelaktion) sollen insbesondere Freier für die
Notlagen von Frauen in der Prostitution aufmerksam gemacht werden.
Prüfung der bauordnungsrechtlichen Legalität der Bordellbetriebe in der Antoniusstraße
Am 25.10.2012 fand im Rahmen einer Razzia der Polizei in der Antoniusstraße eine Ortsbesichtigung
durch die Bauaufsicht statt. Im Zuge der Razzia konnten ca. 15 Objekte besichtigt und ein erster
Eindruck zur Nutzung und Sicherheit gewonnen werden.
Als summarisches Ergebnis kann festgestellt werden, dass bei der überwiegenden Mehrzahl der
Objekte keine gravierende Gefahrensituation vorliegt.
Vereinzelt ist jedoch die Erreichbarkeit von Hinterhäusern und einer Wohnung im Dachgeschoss näher
zu prüfen, hier sind bauliche Maßnahmen erforderlich. In diesen konkreten Fällen wird die Bauaufsicht
als Gefahrenabwehrbehörde tätig werden.
Nach überschlägiger Sichtung der Bestandsakten kann ferner festgestellt werden, dass die Gebäude
in der Antoniusstraße überwiegend zu Wohnzwecken genehmigt sind. Die Genehmigungen gehen
teilweise auf das Jahr 1901 zurück und genießen noch heute Bestandschutz.
Es ist jedoch zu unterstellen, dass allen beteiligten Behörden seit mehr als 100 Jahren bekannt ist,
dass in der Antoniusstrasse massiv Prostitution betrieben wird. Rechtlich betrachtet könnte dies als
stillschweigende Duldung gewertet werden.
Trotzdem dürften auch die längerfristig praktizierten Duldungen bei der überwiegenden Zahl der
Objekte zumindest theoretisch ein bauaufsichtliches Handeln nicht ausschließen. Dies ist jedoch mit
erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden, wobei das Ergebnis einer gerichtlichen Nachprüfung
nicht mit absoluter Sicherheit vorweggenommen werden kann.
Schließlich bedarf es der Erörterung und Zielvorgabe im politischen Raum, ob und mit welchem
angestrebten Ergebnis ein bauaufsichtliches Eingreifen erfolgen soll. Es wird seitens FB 63
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Einschreiten oder eine Duldung aufgrund des
Gleichbehandlungsgrundsatzes nur für alle Objekte gleich gelagert behandelt werden kann. Es ist nicht
möglich einzelne Objekte differenziert anzugehen.
2.1
Umfassende Beratung und Begleitung von Ausstiegswilligen:
Die Fachberatungsstelle SOLWODI unterstützt die Frauen aktiv durch psychosoziale Begleitung beim
Ausstieg und dabei, neue berufliche Perspektiven zu erarbeiten. Dies erfolgt durch Abklärung der
arbeits- und aufenthaltsrechtlichen Situation, durch Angebote und Vermittlung zu Deutschkursen,
durch Unterstützung bei der Arbeits- und Wohnungssuche und durch Vermittlung von
Ausstiegspatinnen.
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Die Unterstützung ist eingebunden in ein Netzwerk verschiedener Akteure und Institutionen in der
Städteregion Aachen.
Es muss geprüft werden, ob die dauerhafte Einrichtung einer Beratungsstelle erforderlich ist und wie
diese ggf. finanziert werden kann. Alternativ könnten auch anderweitige, zielgruppenspezifische
Beratungsangebote geschaffen werden.
2.2
Verbesserung der Möglichkeiten zum Wechsel in alternative Erwerbsmöglichkeiten im Netzwerk
der Akteure am Arbeitsmarkt
Handlungsfelder der BA:
Das Beratungsangebot der BA richtet sich an Jugendliche und an Erwachsene, Arbeitsuchende,
Ausbildungsplatzsuchende, in Beschäftigung stehende oder arbeitslose Menschen,
Berufsrückkehrende sowie an behinderte Menschen zu Fragen der Teilhabe am Arbeitsleben.
Gesetzestext: § 29 Sozialgesetzbuch III:
§ 29 Beratungsangebot
(1) Die Agentur für Arbeit hat jungen Menschen und Erwachsenen, die am Arbeitsleben teilnehmen
oder teilnehmen wollen, Berufsberatung und Arbeitgebern Arbeitsmarktberatung anzubieten.
(2) Art und Umfang der Beratung richten sich nach dem Beratungsbedarf der oder des Ratsuchenden.
(3) Die Agentur für Arbeit soll bei der Beratung die Kenntnisse über den Arbeitsmarkt des
europäischen Wirtschaftsraumes und die Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit den
Arbeitsverwaltungen anderer Staaten nutzen.
Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen zur Beschäftigungsaufnahme
Ausländische Arbeitnehmer dürfen eine Beschäftigung nur ausüben, wenn ihnen dies - durch Gesetz,
Rechtsverordnung oder Aufenthaltstitel (oder Arbeitsgenehmigung-EU) - erlaubt ist (vgl. § 4 Abs. 2, 3
AufenthG).
Keine Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung benötigen:
- grundsätzlich Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der EU/des EWR; für neue EUMitgliedsstaaten sind Ausnahmen zu beachten
- Staatsangehörige der Schweiz und
- Heimatlose Ausländer
Es ist nicht davon auszugehen, dass die Frauen einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben.
Handlungsfeld des Jobcenters:
Die Frauen haben die Möglichkeit im Rahmen des Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) passive
Leistungen zu beziehen und erhalten individuelle Unterstützung um ihren Lebensunterhalt zukünftig
selbständig sicherstellen zu können. Die Leistungsbezieherinnen erhalten durch die
Integrationsfachkräfte des Jobcenters passendes Unterstützungs- bzw. Hilfsangebote, wie z.B.
sozialintegrative Leistungen nach § 16 a SGB II, Einzelfallhilfen, Aktivierungsmaßnahmen,
Arbeitsgelegenheiten, Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung, um Integrationsfortschritte zu
erzielen bzw. in den 1. Arbeitsmarkt integriert zu werden.
Voraussetzung ist allerdings, dass sie berechtigt sind, Leistungen nach dem SGB II zu beziehen. Bei
den meisten Betroffenen handelt es sich um ausländische Staatsbürgerinnen. Hier ist zu prüfen, ob
Betroffene von den Leistungen nach dem SGB II aufgrund der besonderen Regelungen für Ausländer
ausgeschlossen sind. Dies ist grundsätzlich der Fall
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a. für die ersten drei Monate des Aufenthalts (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II)
b. für die Zeit nach den ersten drei Monaten des Aufenthalts, wenn sich das Recht auf
Aufenthalt allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Dies liegt im Kontext SGB II in der
Regel vor, wenn der Betroffene keine abhängige oder selbstständige
Beschäftigung ausübt (Ausschluss betrifft auch Familienangehörige eines Betroffenen) (§ 7
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II)
c. wenn die Aufnahme einer Beschäftigung nicht erlaubt ist und auch nicht erlaubt
werden könnte (§ 8 Abs. 2 SGB II).
Ausnahmen vom Ausschluss der Leistungen bestehen im Wesentlichen,
zu a und b
wenn der Antragsteller in Deutschland entweder abhängig beschäftigt /
selbständig tätig ist (Status kann in folgenden Zeiten unverschuldeter Erwerbslosigkeit
fortbestehen),
wenn ein Recht auf Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder
politischen Gründen besteht oder
wenn (i.d.R. nach langer Zeit) ein Recht auf dauerhaften Aufenthalt gegeben ist
Die meisten Frauen sind rumänischer, albanischer oder afrikanischer Herkunft und besitzen in der
Regel keinen Aufenthaltsstatus, der zu einem Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II berechtigt.
Frauen aus allen EU-Ländern können sich in den ersten drei Monaten im Bundesgebiet ohne
Anmeldung aufhalten. Spätestens nach drei Monaten muss die Anmeldung beim Einwohnermeldeamt
erfolgt sein. Für Rumänien und Bulgarien gibt es noch keinen freien Zugang zum Arbeitsmarkt, so dass
für die Ausübung einer Beschäftigung eine Arbeitserlaubnis EU erforderlich ist, die durch den EUBürger selbständig bei der ZAV Bonn zu beantragen ist. Dort wird nach einer Prüfung entschieden, ob
die beantragende Person die Arbeitsstelle antreten darf. Sobald entsprechende Nachweise
(Arbeitsvertrag; Arbeitserlaubnis) vorliegen, kann eine Freizügigkeitsbescheinigung ausgestellt werden.
Eine Prüfung durch die ZAB entfällt, wenn es sich um eine Saisonarbeit handelt.
Der effektivste Weg, die Frauen in Arbeit zu vermitteln, ist die Kontaktaufnahme zu Arbeitgebern mit
einem niedrigschwelligem Arbeitsangebot, am besten noch als Saisonarbeit (wie z.B. Lindt und
Sprüngli). SOLWODI hat bereits Kontakt zu Picco Bella aufgenommen. Es bleibt zu prüfen, in welcher
Form eine Unterstützung bei der Kontaktaufnahme zu potentiellen Arbeitgebern durch den Runden
Tisch erfolgen kann. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, dass die
Frauen bei der Aufnahme der Erwerbstätigkeit und der Bewältigung des Alltags begleitet werden.
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