Daten
Kommune
Wesseling
Größe
133 kB
Datum
27.11.2018
Erstellt
12.11.18, 17:16
Aktualisiert
12.11.18, 17:16
Stichworte
Inhalt der Datei
Sitzungsvorlage Nr.:
230/2018
Federführender Bereich
Beteiligte Bereiche
Stadtplanung
- 60 -
Vorlage für
Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz
Betrifft:
(ggf. Anlagen bezeichnen)
Bebauungsplan Nr. 1/134 "Innerer Planungsbereich - Humboldtstraße"
hier: Aufstellungsbeschluss gemäß §§ 1 Abs. 3,2 Abs. 1 BauGB
Namenszeichen des federführenden Bereichs
Sachbearbeiter/in
Leiter/in
Datum
Namenszeichen Beteiligte Bereiche
- 60 -
29.10.2018
Namenszeichen
I/10
Bearbeitungsvermerk
Fachdezernent
Kämmerer
Bürgermeister
STADT WESSELING
Vorlagen-Nr.: 230/2018
Der Bürgermeister
Sachbearbeiter/in:
Datum:
Svetlana Braun
29.10.2018
X
öffentlich
nichtöffentlich
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz
Betreff:
Bebauungsplan Nr. 1/134 "Innerer Planungsbereich - Humboldtstraße"
hier: Aufstellungsbeschluss gemäß §§ 1 Abs. 3,2 Abs. 1 BauGB
Beschlussentwurf:
Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz beschließt, das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 1/134 „Innerer Planungsbereich - Humboldtstraße“ gemäß §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 BauGB
einzuleiten.
Sachdarstellung:
1. Problem
Für zwei Grundstücke in der Humboldtstraße 6-10 wurde am 20.09.2018 eine Bauvoranfrage zur Errichtung
eines Mehrfamilienhauses mit 5 Wohneinheiten gestellt. Das Vorhaben befindet sich im Südwesten des
zentralen Ortsteils Wesseling im Nahbereich des Raffineriestandortes der Firma Shell Deutschland Oil
GmbH. Derzeit werden diese Grundstücke baulich nicht genutzt und stellen eine klassische Baulücke dar.
Das beantragte Vorhaben liegt im Geltungsbereich des seit 14.04.1966 rechtskräftigen Bebauungsplanes
Nr. 1/13. Der Bebauungsplan setzt in diesem Bereich ein „Reines Wohngebiet“, eine zweigeschossige, offene Bauweise, eine Grundflächenzahl (GRZ) von 0,4 und eine Geschossflächenzahl (GFZ) von 0,7 fest. Entlang der öffentlichen Verkehrsfläche ist eine private Grünfläche (Vorgarten) festgesetzt. Die überbaubaren
Grundstücksflächen sind über die neue Baulinie in Verbindung mit der neuen Baugrenze definiert. Planungsrechtlich widerspricht das Vorhaben zunächst nicht den Festsetzungen des Bebauungsplanes.
Gleichzeitig liegen die beiden Grundstücke innerhalb der „angemessenen Sicherheitsabstände“ von Störfallbetriebsbereichen im Sinne des § 3 Abs. 5a Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) und der Seveso-IIIRichtlinie.
Es handelt sich dabei um die Anlagen der Firma Shell Deutschland Oil GmbH. Der in einem gesamtstädtischen, vom TÜV-Nord erstellten Gutachten ermittelte angemessene Sicherheitsabstand zum Störfallbetriebsbereich des Unternehmens Shell beträgt ca. 200 m (resultierend aus einer möglichen Druckwelle bei
der Explosion von leicht entzündlichen Flüssigkeiten). Der angemessene Sicherheitsabstand zu den Anlagen der Firma Shell wird durch das angefragte Grundstück deutlich unterschritten; der tatsächliche Abstand
beträgt nur ca. 150 m.
Nach Artikel 13 der europäischen Seveso-III-Richtlinie sorgen die Mitgliedsstaaten dafür, dass das Ziel,
schwere Unfälle zu verhüten und ihre Folgen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu begrenzen,
in ihren Politiken der Flächenausweisung oder Flächennutzung Berücksichtigung findet. Langfristig ist dem
Erfordernis Rechnung zu tragen, dass zwischen den unter diese Richtlinie fallenden Betriebsbereichen einerseits und schutzbedürftigen Gebieten, wie z. B. Wohngebieten, öffentlich genutzten Gebäuden und Gebieten, Freizeitgebieten andererseits, ein angemessener Sicherheitsabstand gewahrt bleibt. Die Stadt Wesseling, Bereich Stadtplanung erarbeitet derzeit eine gesamtstädtische Konzeption zum Umgang mit der Seveso-Thematik in der Stadtentwicklung, Bauleitplanung und Baugenehmigungspraxis.
Der erste Entwurf des städtebaulichen Entwicklungskonzeptes zur Seveso-III-Richtlinie wurde bereits im
Frühjahr 2017 der Öffentlichkeit vorgestellt. Danach fand eine umfangreiche Überarbeitung des Konzeptes
statt. Der überarbeitete Entwurf des städtebaulichen Entwicklungskonzeptes zur Seveso-III-Richtlinie (Fassung 2018) wurde analog zu § 3 BauGB in der Zeit vom 1. Juni 2018 bis einschließlich 6. Juli 2018 erneut
offengelegt.
Das geplante Vorhaben – ein Mehrfamilienhaus mit 5 Wohneinheiten - wird gemäß dem städtebaulichen
Entwicklungskonzept der Schutzstufe 2 „normaler Schutzstatus“ zugeordnet und ist entsprechend dem städtebaulichen Entwicklungskonzept als eine schutzbedürftige Nutzung im Sinne der Seveso-III-Richtlinie zu
bewerten.
Das angefragte Vorhaben liegt aufgrund der Nähe zum Betriebsbereich der Firma Shell Deutschland Oil
GmbH innerhalb des als „innerer Bereich“ festgelegten Bereiches. Die Abgrenzung des inneren Planungsbereichs wurde zum einen durch die sogenannte „Nichtheranrückenslinie“, zum anderem durch den angemessenen Sicherheitsabstand „Explosionsgefahr“ (in der Regel 200 m Entfernung zu Betriebsbereichen) definiert, so dass damit mögliche Gefahrenpotenziale durch die Folgen eines Explosionsereignisses berücksichtigt werden. Dem Entwicklungskonzept nach sollen innerhalb des „inneren Bereiches“ keine neuen schutzbedürftigen Nutzungen bzw. zusätzlichen schutzbedürftigen Vorhaben zugelassen werden. Die bereits vorhandenen schutzbedürftigen Nutzungen genießen Bestandsschutz.
Aufgrund der Nähe zu einem Störfallbetriebsbereich und der Unterschreitung des gutachterlich ermittelten
angemessenen Sicherheitsabstandes ist nicht auszuschließen, dass das geplante Vorhaben das Risiko eines schweren Unfalls potenziell vergrößern oder die Folgen eines solchen Unfalls verschlimmern wird. Da
der für das Vorhaben einschlägige Bebauungsplan Nr. 1/13 diesen Aspekt aufgrund seines Alters nicht berücksichtigt und die Vorgaben der Seveso-III-Richtlinie nicht in die Abwägung zum Bebauungsplan eingeflossen sind, besteht aus Sicht der Planungsbehörde Handlungsbedarf. Im Einzelfall ist eine sogenannte
„nachvollziehende Abwägung“ gemäß § 15 Baunutzungsverordnung (BauNVO) im Rahmen eines konkreten
Baugenehmigungsantrages möglich. „Eine Problemlösung über § 15 BauNVO ist nur möglich, soweit der
Bebauungsplan eine Frage bewusst oder unbewusst offen gelassen hat und eine Entscheidung im Rahmen
des bauaufsichtlichen Vollzugs nicht auf eine Korrektur der planerischen Entscheidung hinausläuft, der Plan
für eine Problemlösung also noch „offen“ ist (Fachkommission Städtebau der Bauministerkonferenz, Arbeitshilfe, Berücksichtigung des neuen nationalen Störfallrechts zur Umsetzung des Art. 13 Seveso-III-Richtlinie
im baurechtlichen Genehmigungsverfahren in der Umgebung von Störfallbetrieben 18.04.2018, S. 15)“. Der
heute vorliegende Kenntnisstand auf Grundlage des TÜV-Gutachtens und das hieraus abgeleitete städtebauliche Entwicklungskonzept der Stadt Wesseling zur Seveso-III-Richtlinie (Entwurf 2018) hätten zu einer
anderen planerischen Konzeption im beantragten Bereich geführt, als der ursprüngliche Bebauungsplan
Nr. 1/13 sie verfolgt. Da eine nachträgliche Konfliktbewältigung i. S. v. § 15 BauNVO somit ausscheidet,
besteht das Erfordernis zur Aufstellung eines neuen Bebauungsplanes, der den geänderten Voraussetzungen in dem betroffenen Bereich und den geänderten städtebaulichen Zielvorstellungen der Stadt Wesseling
Rechnung trägt.
2. Lösung
Es ist geplant, einen Bebauungsplan gemäß § 9 Abs. 2c BauGB aufzustellen, der als Instrument für die
Vermeidung möglicher Folgen von Störfällen im Rahmen der Novellierung des BauGB in der Fassung vom
03.11.2017 (BGBl. I S. 3634) eingeführt wurde. Mit diesem Instrument werden Steuerungsmöglichkeiten für
die Ansiedlung von Nutzungen bzw. Gebäuden in der Nähe von Störfallbetrieben geschaffen.
Um eine klare Regelung für den Nahbereich zum bestehenden Gewerbegebiet südlich der Innenstadt treffen
zu können, soll in den Geltungsbereich des Bebauungsplanes der Gesamtbereich zwischen der Luziastraße
einschließlich Sioniter Hof im Westen, der Max-Planck-Straße und der Werksgrenze der Firma Shell
Deutschland GmbH im Osten, der Willy-Brandt-Straße im Südwesten und dem Rhein im Norden einbezogen
werden.
Die Zielsetzung des Bebauungsplanes ist es, für den Bereich innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstandes sowie für den anschließenden Bereich zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen
für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen festzusetzen, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur
ausnahmsweise zulässig sind. Dabei sollen die gemäß dem städtebaulichen Entwicklungskonzept zur Seveso-III-Richtlinie der Stadt Wesseling (Entwurf 2018) als schutzbedürftig definierten Nutzungen innerhalb
des „inneren Bereiches“ entsprechend eingeschränkt werden. Die Konkretisierung dieser Regelung erfolgt
im weiteren Planverfahren. Die Stadt Wesseling verfolgt mit diesem Bebauungsplan das Ziel, abgewogene
und angemessene Regelungen zur Berücksichtigung der sevesorechtlichen Anforderungen zu treffen.
Mit diesem Bebauungsplan wird die europäische Seveso-III-Richtlinie auf Grundlage der Vorgaben der nationalen Gesetzgebung und der aktuellen Rechtsprechung in eine örtliche Satzung umgesetzt.
Auf der Grundlage des Aufstellungsbeschlusses soll das beantragte Vorhaben gemäß § 15 BauGB für einen
Zeitraum von 12 Monaten zurückgestellt werden.
3. Alternativen
Keine
4. Finanzielle Auswirkungen
Der Bebauungsplan wird vom Bereich Stadtplanung/ 61 in Eigenleistung erarbeitet. Auf die Stadt Wesseling
können ggf. im Rahmen des Verfahrens folgende Kosten zukommen:
- erforderliche Gutachten
- Vermessungsarbeiten zur Bestimmung des angemessenen Sicherheitsabstandes
- Rechtsberatung
- Gerichtskosten im Falle einer Klage gegen die Zurückstellung des Bauvorhaben und einer Normenkontrolle
Anlagen:
-
Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 1/134 „Innerer Planungsbereich - Humboldtstraße“
Ausschnitt aus dem städtebaulichen Entwicklungskonzept zur Seveso-III-Richtlinie (Entwurf 2018)
Tabelle 2 „Typisierung und Einstufung schutzbedürftiger bzw. nicht schutzbedürftiger Nutzungen
i.S.d. Seveso-III-Richtlinie“ aus dem Städtebaulichen Entwicklungskonzept zur Seveso-III-Richtlinie
(Entwurf 2018)