Daten
Kommune
Aachen
Dateiname
320662.pdf
Größe
9,1 MB
Erstellt
13.11.18, 12:00
Aktualisiert
22.11.18, 03:40
Stichworte
Inhalt der Datei
Der Oberbürgermeister
Vorlage
Federführende Dienststelle:
Fachbereich Wirtschaft, Wissenschaft und Europa
Beteiligte Dienststelle/n:
Vorlage-Nr:
Status:
AZ:
Datum:
Verfasser:
FB 02/0154/WP17
öffentlich
13.11.2018
FB 02
Bedarfe und Beiträge der Stadt Aachen im Rahmen eines
Strukturprogramms Rheinisches Revier
hier: Gemeinsamer Tagesordnungsantrag der Fraktionen von CDU
und SPD vom 08.11.2018
Beratungsfolge:
Datum
Gremium
Zuständigkeit
05.12.2018
Hauptausschuss
Entscheidung
Beschlussvorschlag:
Der Hauptausschuss beauftragt die Verwaltung, sich aktiv in die Strukturen und Entwicklungen des
Rheinischen Reviers einzubringen und konkrete Maßnahmen und Projekte auszuwählen, an denen
sich die Stadt Aachen unmittelbar beteiligt, um so einen deutlichen Beitrag zum Strukturwandel in
unserer Region zu leisten. Der Ausschuss ist kontinuierlich zu beteiligen.
Philipp
Oberbürgermeister
Vorlage FB 02/0154/WP17 der Stadt Aachen
Ausdruck vom: 20.11.2018
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Sofortprogramm ‘DAS RHEINISCHE REVIER‘
Die Situation
Das Rheinische Revier ist mit etwa 55 Milliarden Tonnen nicht nur die größte zusammenhängende
Braunkohlelagerstätte, sondern auch in ihrem Charakter und in ihrer gewaltigen räumlichen
Ausdehnung einzigartig für ganz Europa. Seit Jahrzehnten vollziehen sich hier im Zuge der
Braunkohletätigkeit und anschließenden Rekultivierung tiefgreifende räumliche
Umstrukturierungsprozesse, die zu großen Landschafts- und Raumveränderungen führen.
Rund 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hier in der Braunkohlewirtschaft unmittelbar tätig.
740 Mio. EUR Bruttolohn und Gehaltssumme pro Jahr und 735 Mio. EUR Auftragsvolumen pro Jahr
bei den Zulieferern der Braunkohleunternehmen führen durch Multiplikatoreffekte zu weiteren 10.000
Beschäftigten, die in der Region von der Braunkohlewirtschaft profitieren. Die anstehende Aufgabe
des Braunkohletagebaus wird zu nachhaltigen strukturellen Veränderungen führen.
Vor dem Hintergrund des anstehenden Strukturwandels, der gesetzten Klimaschutzziele, der
Energiewende und der gemeinsamen Aufgabe, diesen Wandel vorausschauend zu gestalten, gewinnt
dieser räumliche Transformationsprozess zusätzlich an Bedeutung. Dabei führen die gewaltigen
Veränderungen im Rheinischen Revier nicht nur zu großen Herausforderungen für die zukünftige
Entwicklung. Sie implizieren auch die Möglichkeit einer zukunftsfähigen Neuordnung des Raumes.
Die Kohlekommission
Zusätzlichen Schub hat dieser Transformationsprozess durch die von der Bundesregierung
eingesetzte Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung erhalten, die bis zum
Jahresende konkrete Empfehlungen zum Ausstieg aus der Kohleverstromung erarbeiten soll, die
zugleich die sozialen und strukturpolitischen Entwicklungsmöglichkeiten der betroffenen Regionen
Rheinisches Revier, Mitteldeutsches Revier, Lausitzer Revier zu berücksichtigen haben. (vgl.
Zwischenbericht zu möglichen Maßnahmen zur sozialen und strukturpolitischen Entwicklung der
Braunkohleregionen, Anlage 1)
Zum Auftrag der Kommission gehört insbesondere die Erarbeitung eines Aktionsprogrammes mit
folgenden Schwerpunkten:
1. Schaffung einer konkreten Perspektive für neue, zukunftssichere Arbeitsplätze in den
betroffenen Regionen im Zusammenwirken zwischen Bund, Ländern, Kommunen und
wirtschaftlichen Akteuren (z.B. im Bereich Verkehrsinfrastrukturen, Fachkräfteentwicklung,
unternehmerische Entwicklung, Ansiedlung von Forschungseinrichtungen, langfristige
Strukturentwicklung).
2. Entwicklung eines Instrumentenmixes, der wirtschaftliche Entwicklung, Strukturwandel,
Sozialverträglichkeit, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Klimaschutz zusammenbringt und
zugleich Perspektiven für zukunftsfähige Energieregionen im Rahmen der Energiewende
eröffnet.
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3. Dazu gehören auch notwendige Investitionen in den vom Strukturwandel betroffenen
Regionen und Wirtschaftsbereichen, für die bestehende Förderinstrumente von Bund und EU
effektiv, zielgerichtet und prioritär in den betroffenen Regionen eingesetzt werden und für die
ergänzend ein Fonds für Strukturwandel, insbesondere aus Mitteln des Bundes, eingesetzt
wird.
4. Maßnahmen, die das 2030-er Ziel für den Energiesektor zuverlässig erreichen, einschließlich
einer umfassenden Folgenabschätzung. Aus dem Klimaschutzplan ergibt sich hierfür die
Vorgabe zur Verringerung der Emissionen aus der Energiewirtschaft um 61 bis 62 Prozent im
Jahr 2030 gegenüber dem Jahr 1990. Für den Beitrag der Kohleverstromung soll die
Kommission geeignete Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030 der
Energiewirtschaft, die in das Maßnahmenprogramm 2030 zur Umsetzung des
Klimaschutzplans einfließen sollen, vorschlagen.
5. Darüber hinaus ein Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der
Kohleverstromung, einschließlich eines Abschlussdatums und der notwendigen rechtlichen,
wirtschaftlichen, sozialen, renaturierungs- und strukturpolitischen Begleitmaßnahmen.
6. Ebenso Maßnahmen zum Beitrag der Energiewirtschaft, um die Lücke zur Erreichung des
40%-Reduktionsziels so weit wie möglich zu reduzieren. Hierzu wird die Bundesregierung
eine aktuelle Schätzung zur Größe der zu erwartenden Lücke im Rahmen des
Klimaschutzberichtes 2017 veröffentlichen.
Mit besonderem Augenmerk wird darauf gewartet, welches Datum für den sogenannten Kohleausstieg
die Kommission definiert. Bis 2021 sollen seitens des Bundes zunächst 1,5 Mrd. € für ein
Sofortprogramm bereit gestellt werden.
Das Rheinische Revier
Mit Blick auf den anstehenden Wandel und die daraus resultierende gewaltige strukturpolitische
Aufgabe stellt sich auch unsere Region seit geraumer Zeit auf. So haben die Zukunftsagentur
Rheinisches Revier ‘Eckpunkte eines Wirtschafts- und Strukturprogramms‘ (Anlage 2) formuliert und
der Region Aachen Zweckverband ‘Leitlinien für einen erfolgreichen Strukturwandel‘ (Anlage 3)
erarbeitet. Darüber hinaus sind weitere Initiativen gebildet worden, die einen eigenen Beitrag für den
Strukturwandel leisten, zeitgleich aber auch an den zusätzlichen Strukturmitteln partizipieren möchten.
Als Beispiel sei der Zweckverband Tagebaufolge(n)landschaften genannt, den Erkelenz, Titz, Jüchen
und Mönchengladbach gegründet haben.
Das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW
(MWIDE)
Das MWIDE ist einerseits konkret an der Zukunftsagentur Rheinisches Revier beteiligt, andererseits
versucht das Ministerium die verschiedenen Handlungsprogramme, Roadmaps und Positionspapiere
der verschiedenen Teilregionen im Rheinland zu bündeln. Dabei ist vor allem eine
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Schwerpunktsetzung und Maßnahmenpriorisierung erforderlich, da über die vielen beteiligten und
betroffenen Strukturen hinweg zunächst eine heterogenere, bunte aber zu umfangreiche Projektvielfalt
entstanden ist. So hat das MWIDE fokussierte Vorschläge für ein Sofortprogramm auf Basis der
vorliegenden Eckpunktepapiere zusammengestellt.
In dem Sofortprogramm wurden folgende Zukunftsfelder definiert:
Zukunftsfeld Raum und Infrastruktur
Zukunftsfeld Energie und Industrie
Zukunftsfeld Innovation und Bildung
Zukunftsfeld Ressource und Agrobusiness
Für diese Zukunftsfelder hat das MWIDE aus den eingegangenen und benannten
Maßnahmenvorschlägen eine Auswahl extrahiert und sogenannte Leitprojekte definiert. Aus dieser
Auswahl werden nachfolgend verschiedene Beispiele für Projekte und Initiativen vorgestellt wird
hierzu eine Auswahl an Beispielen widergespiegelt. Diese sind nicht vollständig – ohnehin sind
Ergänzungen und Modifikationen im laufenden Verfahren möglich - , jedoch stellt die Auswahl
vorrangig Projektansätze mit einem Bezug zu Aachen dar.
Zukunftsfeld Raum und Infrastruktur
‘Rheinisches Zukunftsrevier‘
-
Leitprojekt 1: Internationale Bau- und Technologieausstellung „Rheinisches Revier“
-
Leitprojekt 2: TH Köln Campus Rhein-Erft
-
10 Orte der Zukunft (z. B. Dörfer der Zukunft, Smart City, Green City etc.)
-
Gewerbeflächen als Kompetenzareale (z. B. Forschungsflugplatz Merzbrück, Campus
Aldenhoven etc.)
-
Flächendeckender Glasfaser- und 5G-Ausbau
-
Optimierung der verkehrlichen Erreichbarkeit (z. B. 3 Gleis Aachen-Köln, IC-Verbindung
Aachen-Heerlen, Regio Tram, Bahnradweg Aachen-Jülich)
-
Mobilitätsrevier der Zukunft (z. B. Mobilitätsstationen, Ladeinfrastruktur)
Zukunftsfeld Energie und Industrie
‘Energierevier der Zukunft‘
-
Leitprojekt 3: Reallabor StoreToPower Wäremespeicher-Kraftwerk
-
Leitprojekt 4: DLR-Institut für Hochtemperatur-Wärmepumpen
-
Leitprojekt 5: Ansiedlung einer Batteriezellproduktion
-
Fraunhofer Zentrum für Digitale Energie
-
CO²-freies Energieversorgungssystem Campus Melaten
-
Institutsverband Low Carbon Technologien am RWTH Aachen Campus
Zukunftsfeld Innovation und Bildung
‘Innovation Valley Rheinland‘
-
Leitprojekt 6: Einrichtung eines Block Chain Instituts
-
Exzellenz Start-up Center plus
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-
New Business Factory
-
Reallabor und Testzentrum 5G
Zukunftsfeld Ressource und Agrobusiness
-
Zukunftsinitiative Kohlenstoff NRW
-
Tourismusverbund Rheinisches Revier
Die Stadt Aachen
Da kommunale Mitglieder der Zukunftsagentur Rheinisches Revier Tagebaurandkommunen und –
gebietskörperschaften sind, ist die Stadt hier bislang nur mittelbar über den Region Aachen
Zweckverband bzw. die StädteRegion beteiligt. Bei den Aktivitäten des Zweckverbandes selbst ist die
Stadt seit kurzem direkt und konkret in einer Task Force eingebunden. Diese hat bislang einige Male
getagt. Darüber hinaus steht die Stadt Aachen selbst in unmittelbarer und tragfähiger Abstimmung mit
dem MWIDE zum Strukturwandel im Rheinischen Revier.
Grundsätzlich gilt jedoch, dass in erster Linie die zentral betroffenen Tagebaurandkommunen von den
Strukturmitteln profitieren sollen. Projektansätze aus Aachen sind nur dann förderfähig, wenn sie
mindestens eine Ausstrahlung in das eigentliche Revier versprechen, besser noch mit den dortigen
Kommunen gemeinsam entwickelt und realisiert werden.
Die Stadt Aachen hat sich hierzu bereits aufgestellt und sich zu einer Reihe der beschriebenen
Projektansätze aktiv und initiativ eingebracht. Zu nennen sind hier etwa die beschriebenen
Verkehrsprojekte, vor allem die Mobilitätsüberlegungen, der Smart City-Ansatz, der
Forschungsflugplatz Merzbrück, der Glasfaser- und 5G-Ausbau, die verschiedenen RWTH-CampusAnsätze und die New Business Factory, um nur einige Beispiele zu nennen.
Gleichzeitig bestehen weitere Kooperationsmöglichkeiten, um einen effektiven Beitrag zur
Zukunftssicherung unserer Region zu leisten und parallel Mehrwerte auch für Aachen zu generieren.
Um die Handlungsansätze auszubauen hat FB 02 ein Projektteam gebildet, das die Starterprojekte
systematisch auf Relevanz und Beteiligungsmöglichkeiten prüft. Parallel wird der diesbezügliche
Kontakt zu den Aachener Hochschulen und weiteren Einrichtungen sowie zu regionalen Partnern
intensiviert. Schließlich befindet sich in Klärung, welche weiteren neuen Projektideen in den
Strukturwandelprozess ab 2019 eingebracht werden können. Verwaltungsintern wurden zudem
weitere Fachbereiche eingebunden. Der Ausschuss wird fortlaufend informiert und beteiligt.
Anlage/n:
1.) ‘Zwischenbericht zu möglichen Maßnahmen zur sozialen und strukturpolitischen Entwicklung
der Braunkohleregionen‘
2.) ‘Eckpunkte eines Wirtschafts- und Strukturprogramms‘
3.) ‘Leitlinien für einen erfolgreichen Strukturwandel‘
4.) Tagesordnungsantrag von CDU und SPD vom 08.11.2018
Vorlage FB 02/0154/WP17 der Stadt Aachen
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Kommission „Wachstum, Strukturentwicklung und Beschäftigung“
Zwischenbericht
zu möglichen Maßnahmen zur
sozialen und strukturpolitischen Entwicklung der Braunkohleregionen
Beschluss vom 25.10.2018
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1. Einleitung
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Mit dem Einsetzungsbeschluss vom 6. Juni 2018 hat die Bundesregierung der Kommission „Wachstum,
Strukturwandel und Beschäftigung“ einen konkret formulierten Auftrag erteilt und einen Zeitplan vorgegeben. Im Einsetzungsbeschluss heißt es:
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„Die Bundesregierung bekennt sich zu den national, europäisch und im Rahmen des Pariser Klimaabkommens vereinbarten Klimaschutzzielen bis zum Jahre 2050. Der Klimaschutzplan der Bundesregierung aus dem Jahre 2016 beschreibt hierzu den schrittweisen Weg in Richtung einer weitgehend
treibhausgasneutralen Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland bis Mitte des Jahrhunderts.“
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„Mit der Umsetzung des Klimaschutzplanes wird sich der Strukturwandel in vielen Regionen und Wirtschaftsbereichen beschleunigen, insbesondere im Sektor der Energieerzeugung. Die damit einhergehenden Veränderungen dürfen nicht einseitig zu Lasten der kohlestromerzeugenden Regionen gehen,
müssen vielmehr Chancen für eine nachhaltige wirtschaftliche Dynamik mit qualitativ hochwertiger
Beschäftigung eröffnen. Diese wollen wir aktiv nutzen und so Strukturbrüche sowie Einschränkungen
der internationalen Wettbewerbsfähigkeit vermeiden.“
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Um diesem Auftrag gerecht zu werden, legt die Kommission hiermit den Zwischenbericht zur Strukturentwicklung vor. Mit diesem Zwischenbericht soll den Menschen vor Ort in den betroffenen Strukturentwicklungsregionen frühzeitig eine Perspektive aufgezeigt werden.
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Die Energiewende beschreibt einen Pfad einer politisch getriebenen, strukturellen Veränderung des
Energiesystems. Diese durch klimapolitische Weichenstellungen im nationalen, europäischen und internationalen Rahmen, aber auch im Rahmen eines rapiden technologischen Wandels entstehenden Veränderungen betreffen Technologien jeglicher Art. Darüber hinaus sind ökonomische, Unternehmensund Beschäftigungsstrukturen sowie die grundlegende räumliche Entwicklung tangiert.
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Der Erfolg der Energiewende im Kontext der globalen Herausforderungen wird sich vor diesem Hintergrund nicht nur an der Frage entscheiden, ob und wie die großen Chancen durch neue Technologien,
und Geschäftsmodelle genutzt werden, sondern auch an der Frage, ob Entwicklungen wie der beschleunigte Ausstieg aus der Kohleverstromung fair und ohne unbeherrschbare Strukturbrüche vollzogen werden kann.
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Die Beschäftigten der Kohlewirtschaft haben historisch maßgeblich zum Aufbau Deutschlands als
Industrienation beigetragen und leisten noch heute einen substanziellen Beitrag für den Wohlstand
unserer Gesellschaft und eine sichere Energieversorgung. Dies schafft die Grundlage dafür, unsere
Industriegesellschaft nachhaltig umzubauen und einen adäquaten, an den Klimazielen orientierten
Umbaupfad zu gestalten.
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Der Strukturwandel in den Braunkohlerevieren hat zum Teil bereits begonnen. In den ostdeutschen
Bundesländern ist zudem der flächendeckende Strukturwandel nach der deutschen Wiedervereinigung
noch immer nicht abgeschlossen. Die Braunkohlereviere stehen vor der Herausforderung, bestehende
Wertschöpfungsketten zu sichern und neue Wertschöpfungsketten aufzubauen, und gleichzeitig vor der
Chance, den anstehenden Strukturwandel durch Innovationen zukunftsfähig zu gestalten.
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Der Zusammenbruch großer Teile der ostdeutschen Industrie nach der Deutschen Einheit hat Wunden
hinterlassen. Betriebliche Umstrukturierungen in der Energiewirtschaft in den folgenden Jahren haben
zudem einen weiteren starken Abbau der Beschäftigung jenseits öffentlicher Aufmerksamkeit zur Folge
gehabt. Strukturpolitische Maßnahmen müssen deshalb in besonderer Weise die Erfahrungen der Menschen in den ostdeutschen Bundesländern aufgreifen.
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Der Kommission ist bewusst, dass eine erfolgreiche Strukturentwicklung ein andauernder Prozess ist.
Auch Jahrzehnte nach dem Beginn des Endes des Kohlebergbaus liegt beispielsweise im Ruhrgebiet die
Wirtschaftskraft weiter deutlich hinter der gesamtdeutschen Entwicklung zurück. Das Beispiel zeigt
exemplarisch, dass eine reaktive Strukturpolitik nicht ausreichend ist. Dies darf sich in den Braunkohlerevieren nicht wiederholen. Vielmehr benötigen die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen eine
proaktive Strukturentwicklung. Dafür gibt es bereits vielfältige Ansätze und Initiativen von Wirtschaft
und Wissenschaft, Gebietskörperschaften und Zivilgesellschaft, um diese Herausforderungen nachhaltig
und innovativ, aber auch sozial gerecht zu gestalten. Um diese Entwicklung selbst zu gestalten, brauchen
Einwohner, Beschäftigte, Kommunen und Unternehmen einerseits eine breite gesamtgesellschaftliche
und staatliche Unterstützung von EU, Bund und Ländern mit verlässlichen, langfristig wirksamen Rahmenbedingungen sowie andererseits möglichst breit verankerte regionale Perspektiven für die zukünftigen Entwicklungen.
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Die Beschleunigung der Energiewende, im Falle einer politischen Entscheidung für einen schnelleren
Ausstieg aus der Kohleverstromung, begründet auch eine politische Verantwortung für die damit verbundenen Folgen. Eine politische Verantwortung ergibt sich nicht nur für Deutschland, sondern auch im
europäischen und internationalen Kontext, zum Beispiel aus dem völkerrechtlich verbindlichen Abkommen von Paris. Der Erfolg der Energiewende hat damit nicht nur eine energie-, klima- und industriepolitische Dimension, sondern ist auch mit Blick auf regionalen Strukturwandel und gute Arbeit zu bewerten.
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Ziel ist die Schaffung neuer, zukunftssicherer Arbeitsplätze in den verschiedenen Regionen mindestens
in einem Umfang, in dem diese Regionen durch den Wegfall von Arbeitsplätzen in der Kohleindustrie
betroffen sind. Der Strukturwandel erfasst dabei nicht nur die Energiewirtschaft, sondern in besonderem Maße auch die energieintensive Industrie. Ein besonderes Augenmerk muss dafür auf den Erhalt
der internationalen Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Branchen und auf der Gestaltung der dafür
erforderlichen industriepolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland liegen. In den weiteren Berichten der Kommission werden zudem die Folgen eines Kohleausstiegs auf die industriellen Wertschöpfungsketten abgeschätzt und Voraussetzungen für den Erhalt energieintensiver Branchen in Deutschland
definiert.
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Die Kommission ist der Überzeugung, dass die konkreten Maßnahmen für eine erfolgreiche Strukturentwicklung intensiv im Zusammenhang mit den klima- und energiepolitischen Empfehlungen diskutiert werden müssen. Die Inhalte des Zwischenberichts werden deshalb im Abschlussbericht im Lichte
der weiteren Beratungen konkretisiert und angepasst werden. Das Ziel dieses Zwischenberichtes ist es
vor allem, die komplexen Fragen von Strukturwandel und Beschäftigung im Kontext des Auslaufens der
Kohleverstromung in Deutschland zu strukturieren. Dies betrifft einerseits die Ausgangslage und die
Rahmenbedingungen sowie die Beschreibung der Problem- und Handlungsfelder. Die Kommission wird
sich in ihren weiteren Berichten mit einer Vielzahl von konkreten Maßnahmen zur Flankierung des
Struktur- und Beschäftigungswandels beschäftigen. Vielfältige Detailvorschläge aus der Mitte der Kommission sind noch nicht abschließend beraten worden. Im Endbericht der Kommission soll auch der großen Detailtiefe und Bandbreite der Vorschläge, die der Kommission vorgelegt worden sind, Rechnung
getragen werden. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der Tatsache zu verstehen, dass eine ganze
Reihe dieser Maßnahmen nur im engen Zusammenhang mit den angestrebten bzw. erwartbaren Entwicklungen im Bereich der Kohleverstromung belastbar diskutiert werden können. Die Kommission wird
in ihrem Abschlussbericht die Perspektiven mit Empfehlungen für konkrete Maßnahmen unterlegen.
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Die Arbeit der Kommission umfasst die gesamte Kohleverstromung, das heißt sowohl Braun- als auch
Steinkohle. Laut Einsetzungsbeschluss vom 6. Juni 2018 fokussiert der Zwischenbericht zum Struktur3
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wandel auf die Braunkohlereviere. Die Kommission ist sich jedoch einig darüber, dass die mit der Steinkohleverstromung verknüpften Themenfelder im Rahmen der anstehenden Beratungen und bei der
Erstellung der weiteren Berichte vertieft diskutiert und adressiert werden müssen. Dies umfasst sowohl
die klima- und energiepolitische Dimension als auch die beschäftigungs- und strukturpolitischen Aspekte.
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Alle Mitglieder der Kommission sind sich ihrer gemeinsamen Verantwortung für die historische Aufgabe
bewusst. Die Ergebnisse der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ müssen diese
einmalige Chance nutzen, ambitionierten Klimaschutz mit einem nachhaltigen, industriellen Aufbruch in
den von der Kohle geprägten Regionen und an den entsprechenden Standorten zu verbinden. Das Potential der betroffenen Regionen, zu Vorreitern für einen gelungenen Strukturwandel zu werden und
beispielgebend für den Transformationsprozess in Europa hin zu einer klimaneutralen Industriegesellschaft zu sein, muss genutzt werden.
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2. Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung
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Einsetzungsbeschluss und Auftrag
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2.2.
Zusammensetzung
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Beratungsverlauf und Sachverständige
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2.4.
Bewertungsmaßstäbe der Kommission WSB
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•
Energiepolitisches Zieldreieck (Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit)
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Strukturentwicklung, Vermeidung von Strukturbrüchen, Sicherung der Wertschöpfung,
neue Perspektiven für Innovation, neue Geschäftsmodelle und sozialer Zusammenhalt
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Aus Sicht der Kommission zeichnen die folgenden Kriterien einen erfolgreichen Strukturentwicklungsprozess aus. Dabei stellt die Reihenfolge der Nennung keine Priorisierung dar. Aus Sicht der Kommission sind
alle Punkte gleichrangig:
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• Strukturbrüche in den Braunkohlerevieren und ggf. im Bereich der Steinkohleverstromung müssen
vermieden werden.
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• Eine gelungene Strukturentwicklung leistet einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der freiheitlich
demokratischen Grundordnung.
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• Strukturentwicklung ist vorausschauend und richtet sich gleichermaßen an den Zielen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, Umwelt- und Klimaschutz, sozialem Zusammenhalt, kultureller Identität
und der Lebensqualität in den Regionen für alle Menschen aus.
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• Die Menschen und Akteure in den betroffenen Regionen gestalten den Strukturwandel in ihrer Heimat durch ihr Engagement und ihre Ideen. Die Politik unterstützt diese Entwicklung und belässt die
notwendigen Freiräume.
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• Strukturentwicklung ist eine langfristige gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen sowie den Sozialpartnern, Unternehmen
und Menschen vor Ort und wird von diesen gemeinsam gestaltet und getragen.
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• Strukturentwicklung erfolgt sozialverträglich. Sie sichert bestehende, hochwertige, mitbestimmte
Arbeitsplätze oder schafft neue, hochwertige, und zukunftssichere Arbeitsplätzen. Langfristig gebraucht werden Arbeitsplätze aller Qualifikationsstufen. Damit wird eine positive Beschäftigungsbilanz sichergestellt.
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• Strukturentwicklung macht die Regionen zukunftsfähig und eröffnet ihnen neue Perspektiven. Sie
unterstützt die Regionen dabei, sich für die Zukunft neu aufzustellen und sich bietende Chancen zu
nutzen. Die Regionen werden damit zu Vorreitern für einen gelungenen Strukturwandel und beispielgebend für den Transformationsprozess in Europa hin zu einer weitgehend klimaneutralen Industriegesellschaft.
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• Betriebsbedingte Kündigungen werden verhindert und den Beschäftigten entstehen keine unbilligen
sozialen und ökonomischen Nachteile.
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• Die mit einem Ausstieg aus der Kohleverstromung verbundenen Effekte auf den Wirtschaftsstandort
Deutschland, beispielsweise mit Blick auf die Verbundindustrien und vor Ort bestehende Wertschöp5
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fungsketten, sollen so weit wie möglich vermieden und ansonsten kompensiert werden. Die wirtschaftliche Weiterentwicklung soll auf den bestehenden Industriekernen aufbauen.
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• Parallel zur Weiterentwicklung bestehender Wertschöpfungsketten werden neue aufgebaut, wobei
auf in den Revieren bestehende Stärken aufgebaut und die Entwicklung neuer Wertschöpfungsketten
gefördert wird. Die Chancen, neue und innovative Wertschöpfungsketten aufzubauen, werden genutzt.
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• Investitionen in eine moderne Infrastruktur dürfen nicht allein bestehende Lücken zum bundesdeutschen Durchschnitt schließen, sondern setzen auch neue Standards. Attraktive infrastrukturelle Bedingungen sind Grundvoraussetzung für private Investitionen.
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• Soziale wie kulturelle Infrastrukturen werden im Strukturwandel gesichert und weiterentwickelt.
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• Strukturentwicklung muss auf die Besonderheiten der Regionen eingehen. Sie berücksichtigt die unterschiedlichen Ausgangslagen und Perspektiven der Reviere und folgt revierspezifischen Strategien.
Strukturentwicklung unterstützt und stärkt die kulturelle Identität der Regionen. Die kurz-, mittelund langfristigen Dimensionen der Strukturentwicklung sind ausgewogen zu berücksichtigen.
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• Der Prozess des Strukturwandels selbst schafft Vertrauen in Veränderung und neue Identifikation.
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• Monitoring und professionelle Steuerung ermöglichen Anpassungen im Prozess des Strukturwandels.
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• Die Gestaltung des Strukturwandels erfordert gleichermaßen Respekt vor den Motiven, die der Energiewende zugrunde liegen, und auch Respekt vor den Menschen und den Lebensleistungen der Menschen, die vom Strukturwandel in besonderer Weise betroffen sind.
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• Die bestehenden strukturpolitischen Instrumente dienen insbesondere der Angleichung strukturschwacher Regionen an strukturstarke Regionen und leisten einen Beitrag zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Ein klimapolitisch forcierter Strukturwandel erfordert deshalb nennenswerte zusätzliche strukturpolitische Fördermaßnahmen. Diese müssen bedarfsgerecht finanziert werden. Neben öffentlichen Investitionen etwa in die soziale, kulturelle und nachhaltige Verkehrsinfrastruktur sind prioritär zielgerichtete Anreize für private, industrielle Investitionen in den
Revieren und an Kraftwerksstandorten notwendig.
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• Die finanzielle Absicherung des Strukturwandels muss die klimapolitisch veranlassten Eingriffe in die
Energieerzeugung angemessen berücksichtigen.
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• Ziel der strukturpolitischen Maßnahmen muss die nachhaltige Weiterentwicklung der industriellen
Wertschöpfungsketten in Deutschland sein. Es muss das Ziel sein, für die sinkende bzw. wegfallende
Wertschöpfung aus der Kohle adäquaten Ersatz bei Wertschöpfung und Beschäftigung in den Revieren zu schaffen. Ziel ist die nachhaltige Modernisierung des Industrielandes Deutschland, die Sicherung und Schaffung tarifvertraglich abgesicherter, mitbestimmter Arbeit und eine weitgehend treibhausgasneutrale Gesellschaft im Jahr 2050.
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Die Kommission legt ihrer Arbeit folgende Revierabgrenzung zugrunde:
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Die 2017 zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und den betroffenen Ländern abgestimmte
geographische Abgrenzung der vier Braunkohlereviere wird übernommen. Die Kommission hat sich
somit bewusst für eine breite Abgrenzung der Reviere entschieden, um auch solche Gebiete zu erfassen, die eine enge Verflechtung zur Braunkohlewirtschaft haben. Innerhalb der Reviere kann
noch nach tatsächlicher Betroffenheit und überregionalen Auswirkungen des Strukturwandels differenziert werden.
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Darüber hinaus war sich die Kommission einig, dass im Ausnahmefall auch Projekte in die Förderung aufgenommen werden oder andere Unterstützungsmaßnahmen erhalten können, die nicht im
Revier selbst liegen, aber für die Entwicklung im Revier hohe Bedeutung haben.
Region des Lausitzer Reviers
Region des Mitteldeutschen Reviers
Brandenburg:
Sachsen:
Kreis Dahme-Spreewald
Stadt Leipzig
Kreis Elbe-Elster
Kreis Leipzig
Kreis Oberspreewald-Lausitz
Kreis Nordsachsen
Kreis Spree-Neiße
Stadt Cottbus
Sachsen-Anhalt:
Burgenlandkreis
Sachsen:
Saalekreis
Kreis Bautzen
Stadt Halle
Kreis Görlitz
Kreis Mansfeld-Südharz
Kreis Anhalt-Bitterfeld
Thüringen:
Kreis Altenburger Land
Region des Helmstedter Reviers
Region des Rheinischen Reviers
Niedersachsen:
Nordrhein-Westfalen:
Stadt Braunschweig
Rhein-Kreis Neuss
Kreis Helmstedt
Kreis Düren
Kreis Wolfenbüttel
Rhein-Erft-Kreis
Stadt Wolfsburg
Städteregion Aachen
Kreis Heinsberg
Kreis Euskirchen
Stadt Mönchengladbach
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In den Betrachtungshorizont einer Förderung müssen auch solche Gebiete fallen, in denen eine
Häufung von Steinkohleverstromungskraftwerken einen relevanten Beitrag zur Wertschöpfung leistet.
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3. Ausgangslage (inkl. bisherige Entwicklung und zukünftige Referenzentwicklung)
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3.1.
Klimapolitische Ausgangslage
• Globale Entwicklung und völkerrechtliche Einordnung
• Europäische Entwicklung und Emissionshandel
• Nationale Ziele
3.2.
Energiewirtschaftliche Ausgangslage
• Europäische Rahmenbedingungen
• Energiemärkte
• Strompreise und Stromkosten
• Versorgungssicherheit
• Revierpläne
3.3.
Ausgangslage Wachstum und Beschäftigung und Innovationspotenziale
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Deutschland zeichnet sich durch eine stabile gesamtwirtschaftliche Ausgangslage aus. So stellte das Bundeswirtschaftsministerium vor kurzem fest: „Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem stetigen und
breit angelegten Aufschwung mit einem soliden binnenwirtschaftlichen Fundament. Die Kapazitäten sind
gut ausgelastet, die Beschäftigung ist auf Rekordniveau und die Verbraucherpreise sind stabil.“1
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207
Seit dem Ende der Finanzkrise befindet sich Deutschland in einem Wirtschaftsaufschwung. In den vergangenen Jahren verzeichnete Deutschland ein stetiges und anhaltendes Wirtschaftswachstum von zuletzt 2,2%
im Jahr 2017.2
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211
Allerdings trübt sich das weltwirtschaftliche Klima derzeit ein, u.a. wegen der sich verschärfenden weltweiten
Handelskonflikte. Dies beeinträchtigt die deutsche Konjunkturentwicklung. Vor diesem Hintergrund hat die
Bundesregierung ihre Wachstumsprognose für 2018 von 2,3% auf 1,8% und für 2019 Jahr von 2,1% auf 1,8%
gesenkt. 3
212
213
214
215
216
Getragen vom Wirtschaftswachstum hat sich auch die Lage am Arbeitsmarkt positiv entwickelt. Bundesweit
sank die Arbeitslosenquote in den letzten Jahren und lag im Durchschnitt des letzten Jahres bei 5,7%.4 Aktuell (Oktober 2018) beträgt sie 4,9%. Bei zugleich verhaltener demographischer Entwicklung wächst in
einigen Branchen und Regionen die Zahl der unbesetzten Stellen, zumeist verbunden mit einem Mangel an
qualifizierten Fachkräften.
217
218
219
Dieser Fachkräftemangel wird immer mehr zu einem Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung.5 Weitere
Probleme des Standorts Deutschland sind Investitionsschwächen und langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren.
220
Bedeutung der Industrie für Wachstum und Wohlstand
221
222
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224
In der Bundesrepublik erwirtschaftet die Industrie fast ein Viertel des Bruttoinlandsproduktes – mehr als in
den meisten anderen Ländern. Der industrielle Kern bildet dabei den Ausgangspunkt für die enge Verflechtung von Produzenten, Zulieferern und Dienstleistern und ist eine wichtige Voraussetzung für Innovation,
Wachstum und Beschäftigung in Deutschland. Deutschland hat die Herausforderungen der Finanzkrise
1
Herbstprojektion der Bundesregierung von Oktober 2018.
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Jahreswirtschaftsbericht 2018.
3
Herbstprojektion der Bundesregierung von Oktober 2018.
4
Ebenda.
5
DIHK-Konjunkturumfrage Herbst 2018.
2
8
225
226
227
2008 auch deshalb besser als andere Länder gestemmt, weil es einen im internationalen Vergleich der
OECD-Staaten hohen Industrialisierungsgrad hat. Der Beitrag der Industrie zur volkswirtschaftlichen Wertschöpfung in Deutschland lag 2017 bei 22,9%.6
228
229
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231
232
Ein zentraler Standortfaktor für die deutsche Industrie ist das Vorhandensein vollständiger industrieller
Wertschöpfungsketten. Das Fundament dieser Wertschöpfungsketten bilden die energieintensiven Industrien, die die Grund- und Werkstoffe herstellen, auf denen die weiteren Fertigungsprozesse aufbauen. Sie
stehen in einem internationalen Wettbewerb und sind daher in besonderem Maße abhängig von einer
wettbewerbsfähigen, preisgünstigen und sicheren Energieversorgung.
233
Entwicklung energieintensive Industrien
234
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240
Trotz positiver wirtschaftlicher Entwicklung muss festgehalten werden, dass Deutschland zumindest in den
energieintensiven Branchen vor besonderen Herausforderungen steht und teilweise von der Substanz lebt.
Hintergrund dieser Entwicklung ist, dass private Investitionen generell am Standort Deutschland nur zurückhaltend getätigt werden.7 Exemplarisch dafür stehen die nominalen Nettoanlageinvestitionen der
energieintensiven Branchen – das sind die Bruttoanlageinvestitionen abzüglich der Abschreibungen. Diese
sind im Schnitt der vergangenen Jahre (2000 bis 2014) deutlich negativ. Nur in den Jahren 2000 und 2008
hatten diese Branchen positive Nettoinvestitionen.8
241
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244
Auch der Strukturwandel der energieintensiven Industriebranchen, die als Hersteller von Grundstoffen
vielfach Ausgangspunkt langer industrieller Wertschöpfungsketten sind, hat bereits begonnen. Einer schleichenden De-Industrialisierung muss entgegengewirkt werden. Weitere Kostensteigerungen durch die Abschaltung von Kohlekraftwerken drohen diesen Prozess zu beschleunigen.
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251
Gerade aufgrund der engen Verknüpfung mit der Grundstoffindustrie drohen in den betroffenen Regionen
erhebliche negative Effekte durch Strukturbrüche, wenn es nicht gelingt, die bestehenden Wertschöpfungsketten und Industrieverbunde zwischen Energie und Industrie zu erhalten. Wie oben aufgezeigt, ist
das reale Nettoanlagevermögen in allen energieintensiven Sektoren (Papier-, Chemie-, Baustoffindustrie,
Metallerzeugung) fast durchgängig jedes Jahr gesunken. Die Gesamtindustrie verzeichnet hingegen ein
kleines Plus. Der Rückgang ist umso gravierender, da auch die aktivierten Ausgaben für Forschung und
Entwicklung der jeweiligen Branchen umfasst sind.9
252
Innovationspotenziale
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258
Der größte Anteil der Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung wird in Deutschland durch die Industrie bereitgestellt.10 Dadurch entwickelt sie innovative Technologien, effiziente Verfahren und markiert
die Basis von Wertschöpfungsketten. Sie trägt damit auch zur Lösung von Umweltproblemen und zum
nachhaltigen Umgang mit Ressourcen bei. Ihre gute Marktstellung und umfassende Kompetenz prädestinierten deutsche Unternehmen als Entwickler, Anbieter und Leitanwender von neuen Technologien wie
der Sektorkopplung, der zirkulären Wirtschaft, nachhaltiger Mobilität, nachhaltiger, digitalisierter Wert-
6
Vergleiche auch Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2016: Unsere Industrie: Intelligent. Innovativ. International. Zahlen für 2017 aktualisiert.
7
Fratzscher-Kommission 2015: Stärkung von Investitionen in Deutschland.
8
Statistisches Bundesamt 2017, Energieintensive Branchen: Papier, Chemie, Glas/Keramik, sowie Metallerzeugung
und -bearbeitung.
9
IW 2017: Energiepolitische Unsicherheit verzögert Investitionen in Deutschland. IW policy paper 13/2017.
10
Stifterverband 2016: Wissenschaftsstatistik des Stifterverbandes, Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft.
9
259
260
schöpfungssysteme und Industrie 4.0. Sie benötigen für die Umsetzung allerdings langfristig stabile und
berechenbare Rahmenbedingungen, vor allem Planungs- und Investitionssicherheit.
261
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263
Von besonderer Bedeutung ist dabei die Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft, sowohl mit Hochschulen, universitären wie außer-universitären Forschungseinrichtungen. In dieser Art investierte Mittel
induzieren Innovation und leisten einen erheblichen Beitrag zur Steigerung des Bruttoinlandsproduktes.11
264
Regionale Wirtschaftsentwicklung
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270
Die positive gesamtwirtschaftliche Entwicklung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass erhebliche regionale Unterschiede beim Wirtschaftswachstum bestehen. So ist das Wachstum der Bundesländer, in denen
sich die Braunkohlereviere befinden, seit 2010 meist unterdurchschnittlich im Vergleich zum nationalen
Durchschnitt, was auch den Strukturwandel in den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen in diesen Ländern erschwert. In Nordrhein-Westfalen lag das Wirtschaftswachstum sogar in allen Jahren seit 2010 unter
dem deutschen Durchschnitt.12
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Es bestehen weiterhin deutliche Unterschiede der wirtschaftlichen Entwicklung innerhalb Deutschlands.
Seit 1990 befinden sich die ostdeutschen Länder flächendeckend in einem wirtschaftlichen Strukturentwicklungsprozess mit dem Ziel, hinsichtlich der Wirtschaftskraft an das westdeutsche Niveau aufzuschließen. So erreichte die Wirtschaftskraft in Ostdeutschland im Jahr 2017 nur 73,2% des westdeutschen Niveaus.13 Auch andere ökonomische Größen wie Kaufkraft, Bruttowertschöpfung, Forschungs- und Entwicklungstätigkeit der Privatwirtschaft, Exportorientierung, Unternehmensgrößen oder Lohnniveau weisen auf
einen nach wie vor bestehenden Nachholbedarf hin.14
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282
Der aktuelle Deutschland Report der Prognos AG bestätigt diesen Trend und prognostiziert, dass die Wirtschaftskraft bis 2045 auf zwei Drittel des Durchschnitts der westdeutschen Bundesländer absinkt – auf das
Niveau zur Jahrtausendwende.15 Insbesondere eine ungünstige demographische Entwicklung der ostdeutschen Flächenländer sowie die dort relativ geringen privaten FuE-Aktivitäten belasten die wirtschaftliche
Entwicklung.
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287
Zudem befinden sich die Standorte der Braunkohleindustrie überwiegend in Regionen, die bereits in der
Vergangenheit teilweise tiefgreifende Strukturwandelprozesse durchlaufen haben. Vor dem Hintergrund
dieser Ausgangslage werden die Überlegungen in der Kommission daher von der Auffassung getragen, dass
erneute Strukturbrüche sowie soziale und demographische Verwerfungen für die Menschen in allen Revieren dringend zu vermeiden sind und Wertschöpfungsketten vor Ort erhalten bleiben müssen.
288
11
So induziert zum Beispiel die Zusammenarbeit von Unternehmen mit Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft einen
Anstieg des Umsatzwachstums von 21% sowie des Produktivitätswachstums von 11%. Aus makroökonomischer Sicht
führt jeder Euro an Auftragsforschung an die Fraunhofer Institute zu einer Steigerung des BIP von bis zu 18 Euro. Siehe
auch Comin et al. 2018: Do Companies Benefit from Public Research Organizations? The Impact of the Fraunhofer
Society in Germany; Studie des CIRCLE - Center for Innovation, Research and Competences in the Learning Economy,
Universität Lund.
12
Vergleiche beispielsweise die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder (https://www.statistikbw.de/VGRdL/). Eine Ausnahme bildet hier Niedersachsen (Helmstedter Revier). Dort lag das Wirtschaftswachstum
seit 2010 zumeist über dem Bundesdurchschnitt.
13
Bundesregierung 2018: Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2018.
14
Fehlende große Unternehmenszentralen wirken sich dabei ganz unmittelbar auf die eigenständige Leistungsfähigkeit der Kommunen aus.
15
Prognos (2018).
10
289
3.4.
Strukturpolitische Ausgangslage
290
Wirtschaftsstruktur in den Revieren und Wertschöpfung
291
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293
Die Wirtschaftskraft der betroffenen Regionen wird maßgeblich durch die Wettbewerbsfähigkeit des
Standortes Deutschland insgesamt beeinflusst. Strukturpolitik kann sich nur in einem wachstumsfreundlichen Umfeld vollumfänglich und erfolgreich entfalten.
294
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296
Die heute in den Revieren vorherrschenden Sektoren- und Branchenstrukturen sind maßgeblich dafür, wie
groß die Herausforderungen des Strukturwandels sein werden. Sie stehen gleichzeitig für die wirtschaftlichen Chancen, die aus den jeweiligen Stärken der Reviere entstehen können.
297
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299
Die Wirtschaftsstruktur der Reviere ist nicht einheitlich. Gemeinsam ist ihnen aber, dass die Braunkohlewirtschaft in drei der vier Revieren – dem Lausitzer, dem Mitteldeutschen und dem Rheinischen Revier –
eine herausgehobene Rolle spielt.
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Der Industrialisierungsgrad ist in diesen drei Revieren eher schwächer ausgeprägt als im Rest Deutschlands.
Eine Ausnahme bilden die sogenannten Vorleistungsgüter im Rheinischen Revier (z.B. chemische Industrie
und andere energieintensive Industrien).
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Im Dienstleistungssektor weisen die Reviere jeweils unterschiedliche Stärken und Schwächen auf. Gemeinsam ist allen Revieren aber eine geringere Bedeutung der höher entlohnten Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sowie der Dienstleistungen rund um Information und Kommunikation.16
306
Beschäftigungssituation in den Revieren
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Die Kommission hat sich intensiv und wiederholt mit der Arbeitsmarktlage in den Revieren befasst. Insbesondere die Arbeitslosigkeit, die Verfügbarkeit von Fachkräften und die Rolle der Braunkohlewirtschaft als
regionaler Arbeitgeber waren für sie von großer Bedeutung.
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Positiv ist, dass vor dem Hintergrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre aber gerade
auch aufgrund des mit der Alterung einhergehenden deutlichen Rückgangs des Erwerbspersonenpotentials
die Arbeitslosigkeit in den Braunkohlerevieren deutlich zurückgegangen ist. Dabei stellt das rückläufige
Erwerbspersonenpotential gleichzeitig ein Wachstumshemmnis dar. Die Aussagekraft der Arbeitslosenquote
ist vor diesem Hintergrund nur begrenzt.
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Die Braunkohlewirtschaft hat eine herausgehobene Rolle als Arbeitgeber in den Revieren. So sind im Lausitzer Revier im Wirtschaftszweig „Bergbau, Energie- und Wasserversorgung, Energiewirtschaft“, zu welchem die Braunkohlewirtschaft gezählt wird, gegenüber dem Bundesdurchschnitt mehr als doppelt so
viele Menschen beschäftigt. Aktuell gibt es in allen vier Revieren zusammen rd. 20.000 direkt Beschäftigte.17 Überwiegend handelt es sich dabei um Arbeitsplätze mit hohem Qualifikationsniveau. Die Entlohnung
16
Siehe RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung 2018a: Erarbeitung aktueller vergleichender Strukturdaten für
die deutschen Braunkohleregionen; Projektbericht für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
17
Nach den letzten veröffentlichen Zahlen der Statistik der Kohlewirtschaft e.V. waren zum Ende des ersten Halbjahres 2018 exakt 20.751 Menschen in der Braunkohlewirtschaft beschäftigt. Hierzu gehören 991 Auszubildende. Hinzugerechnet werden hier auch die Beschäftigten der Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft
mbH (LMBV). Diese Mitarbeiter sind vor allem mit Arbeiten der Rekultivierung ehemaliger Braunkohlegebiete befasst.
Aktuell arbeiten rd. 730 Mitarbeiter und Auszubildende bei der LMBV.
Zur Beschäftigungssituation in der Braunkohlewirtschaft hat die Kommission die Braunkohleunternehmen selber angehört sowie das RWI-Leibniz-Institut mit einer Abschätzung beauftragt (Anhörung der vier Braunkohleunternehmen
LEAG, MIBRAG und RWE am 29.08.2018 sowie RWI 2018a. Die vom RWI ermittelten Zahlen basieren ebenfalls auf
Angaben Statistik der Kohlewirtschaft e.V.
11
320
321
ist in Relation zu den weiteren Beschäftigten in der Region sowie zu den meisten anderen Branchen deutlich überdurchschnittlich.
322
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325
Der Anteil der im Braunkohlesektor direkt Beschäftigten an den insgesamt sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt im Lausitzer Revier bei ca. 2,0% und im Rheinischen Revier bei 1,2%. In den beiden anderen Revieren lag der Anteil mit 0,3% (Mitteldeutsches Revier) bzw. 0,1 % (Helmstädter Revier) deutlich
niedriger.18
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330
Aufgrund der Verbindungen zur Vorleistungs-, Konsum- und Investitionsgüterindustrie sowie weiterer
Kaufkrafteffekte geht die Kommission davon aus, dass von jedem direkten Arbeitsplatz in der Braunkohlewirtschaft je ein weiterer indirekter oder induzierter Arbeitsplatz direkt im Revier und ein weiterer außerhalb der engeren geographischen Abgrenzung abhängt. Insgesamt ist daher von rd. 60.000 Arbeitsplätzen
auszugehen, die im Zusammenhang mit der Braunkohlewirtschaft stehen.
331
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334
Die Fachkräftesituation in den Revieren ist ambivalent. Die Zahl der MINT-Angestellten, d.h. die Zahl derjenigen, die in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik beschäftigt sind,
liegt in den Revieren meist im bundesdeutschen Durchschnitt oder sogar darüber.19 Hierzu trägt insbesondere die Energiewirtschaft mit ihrem relativ hohen Anteil an Ingenieuren und Naturwissenschaftlern bei.
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345
Der Kommission ist bewusst, dass insbesondere im Lausitzer Revier und zum Teil im Mitteldeutschen Revier
viele dieser MINT-Beschäftigten in den nächsten Jahren aus dem Berufsleben ausscheiden werden. Die
Unternehmen der Braunkohlewirtschaft haben in ihrer Anhörung durch die Kommission klar zum Ausdruck
gebracht, dass freiwerdende Stellen in ihren Unternehmen kontinuierlich nachbesetzt werden müssen, um
den laufenden Betrieb aufrecht zu erhalten. Unter anderem aus diesem Grund investieren die Unternehmen der Braunkohlewirtschaft auch erheblich in die Ausbildung junger Leute. Sie sind somit ein wichtiger
Anker für junge Menschen, die in den Revieren eine Ausbildungsstelle suchen, und spielen eine wichtige
Rolle für die Bereitstellung überbetrieblicher Einrichtungen des dualen Systems. In der Aufrechterhaltung
des Stamms an Facharbeitern in der Region (vorhandenes Personal, Weiterführung der Ausbildung ggf. bereits heute mit neuen Schwertpunkten) liegt angesichts des deutschlandweiten Fachkräftemangels ein kaum
zu unterschätzender Standortvorteil.
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350
Die Kommission hat in den Anhörungen zur Kenntnis genommen, dass die sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung in allen Revieren in den vergangenen Jahren gestiegen ist und neue Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb der Braunkohlewirtschaft entstanden sind. Ein hohes Beschäftigungswachstum ist vor
allem im Dienstleistungsbereich zu beobachten. Aber auch in bestimmten Bereichen des Verarbeitenden
Gewerbes steigt die Zahl der Beschäftigten in den Revieren.
351
Beitrag zum Steueraufkommen
352
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Eine weitere wichtige Größe für die Abschätzung der strukturpolitischen Ausgangslage ist der Anteil des
Braunkohlesektors zum Steueraufkommen. Hierfür stützt sich die Kommission auf eine unabhängige wissenschaftliche Erhebung.20
355
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357
Der Anteil des Braunkohlesektors am kommunalen Einkommensteueraufkommen bestätigt die grundlegenden Befunde zur regionalwirtschaftlichen Bedeutung der Braunkohle. Einschließlich der indirekten und
induzierten Beschäftigung wird das den Kommunen in den jeweiligen Revieren zukommende Volumen der
18
RWI 2018a.
Die einzige Ausnahme hier ist das Mitteldeutsche Revier.
20
Vgl. Fußnote 17.
19
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Einkommensteuer aus der Braunkohlewirtschaft 2016 auf 12 Mio. Euro in der Lausitz, 19 Mio. im Rheinischen Revier und 3 Mio. Euro im Mitteldeutschen Revier geschätzt. Der Anteil am gesamten Einkommensteueraufkommen in den Revieren liegt bei 0,7% (Mitteldeutsches Revier), 2,0% (Rheinisches Revier) beziehungsweise 4,6% (Lausitzer Revier).
362
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365
Ebenso muss der Landesanteil am Einkommensteueraufkommen berücksichtigt werden (42,5%), da über
den Landeshaushalt ebenfalls Investitions‐ und Fördermaßnahmen in der Region finanziert werden. Somit
trägt beispielsweise die LEAG im Lausitzer Revier mit 96 Mio. Euro zum Steueraufkommen bei. Gleiches gilt
für MIBRAG im Mitteldeutschen und RWE im Rheinischen Revier entsprechend.
366
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Die Kommission hat zur Kenntnis genommen, dass sich mit Blick auf das Gewerbesteueraufkommen in den
verschiedenen Revieren ein unterschiedliches Bild ergibt. Eine besonders herausfordernde Situation ergibt
sich hier mit Blick auf das Lausitzer Braunkohlerevier, in dem die Kommunen mit erheblichen Steuerrückforderungen des vormaligen Eigentümers Vattenfall konfrontiert sind.
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372
Die teilweise komplizierte Situation der Kommunen im Bereich des Steueraufkommens bedarf nach Auffassung der Kommission einer besonderen Aufmerksamkeit mit Blick auf die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Fördermitteln etc.
373
Innovationskraft der Reviere
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377
Die Kommission hat außerdem die Innovationskraft der Reviere betrachtet. Hierbei handelt es sich um einen wichtigen Treiber für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung einer Region. Die Innovationskraft
wird üblicherweise geschätzt anhand von indirekten Größen wie z.B. der Zahl der Patentanmeldungen oder
der Beschäftigten in Forschung und Entwicklung (FuE-Beschäftigte).
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Wie bei vielen anderen Indikatoren zeigen sich auch hier deutliche Unterschiede zwischen den Revieren. So
liegt das Helmstedter Revier nach den üblichen Kennziffern deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Das
Rheinische Revier liegt leicht darunter. Besonders schwach ist die Innovationskraft im Lausitzer Revier und
im Mitteldeutschen Revier ausgeprägt. So beträgt beispielsweise der Anteil der FuE-Beschäftigten an der
Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier nur
ca. 0,33%. Der Bundesdurchschnitt liegt hier bei 1,32%. Auch die Zahl der durchschnittlich angemeldeten
Patente ist in den ostdeutschen Revieren deutlich geringer als in den westdeutschen.
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Dies liegt auch daran, dass die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten hauptsächlich in den Konzernzentralen durchgeführt werden und diese in Ostdeutschland kaum vorhanden sind. Die nach der Wiedervereinigung privatisierten Unternehmen verzichteten vielfach aus Kostengründen auf eigene FuE-Abteilungen
und entwickelten sich zu „verlängerten Werkbänken“.21 Die wenigen Konzernzentralen in Ostdeutschland
gehören traditionell zur (fossilen) Energiewirtschaft, zur energieintensiven sowie zur optischen Industrie.
Daher muss für die Steigerung der Innovationstätigkeit gerade in Ostdeutschland das endogene Potenzial
berücksichtigt und mit neuen Fördermechanismen unterstützt werden.
392
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396
Auch bei der Gründungstätigkeit, einem weiteren Maßstab für die Innovationskraft, zeigt sich ein deutliches Gefälle zwischen den Revieren. Im Rheinischen Revier liegt die Zahl der Gründungen pro 10.000 Erwerbsfähige nur knapp unter dem bundesweiten Durchschnitt, bei so genannten High-Tech-Gründungen
im produzierenden Gewerbe oder im Dienstleistungssektor (z.B. neue Software-Entwicklungen) verschwindet der Abstand sogar ganz. Hingegen finden im Mitteldeutschen Revier und noch einmal besonders im
21
U. Blum, U. Ludwig, C. Lang, P. Marek: Wirtschaftlicher Stand und Perspektiven für Ostdeutschland: Studie im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, Halle 2011
13
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399
Lausitzer Revier wesentlich weniger Gründungen statt als im Rest der Republik. So liegen vier der sieben
Landkreise und kreisfreien Städte im Lausitzer Revier im unteren Viertel der Gründungstätigkeit in Deutsch22
land. Im Mitteldeutschen Revier gilt dies flächendeckend mit Ausnahme von Leipzig.
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Aus Sicht der Kommission sind die Gründe hierfür vielschichtig. Vor allem in der Lausitz spielt die kleinbetriebliche Struktur der Wirtschaft eine Rolle.23 Auch die relativ geringe Dichte von Universitäten und anderen öffentlichen Forschungseinrichtungen in den ostdeutschen Revieren im Vergleich zu den westdeutschen mag eine Ursache sein. Dazu passt, dass es, dort wo die Bedingungen stimmen, auch innerhalb der
Lausitz Orte wie Görlitz mit deutlich überdurchschnittlicher Gründungstätigkeit gibt. Konkret gilt das für die
Stadt Cottbus, welche mit der BTU Cottbus-Senftenberg über eine tiefe und breit gefächerte Forschungsinfrastruktur verfügt.
407
Demographische Entwicklung der Reviere
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Legt man die aktuellen Trends zu Grunde, wird die demographische Entwicklung in den beiden westdeutschen Revieren bis 2035 in etwa der von Deutschland insgesamt folgen. Umgekehrt schlägt der demographische Wandel stärker auf das Mitteldeutsche Revier und besonders das Lausitzer Revier durch. Es ist
damit zu rechnen, dass in den nächsten ca. zwanzig Jahren die Zahl der Menschen, die in den beiden ostdeutschen Revieren leben, weiter schrumpfen wird. Gleichzeitig findet eine deutliche Alterung der Gesellschaft statt. Die Kommission geht davon aus, dass bis 2035 der Anteil der über 60jährigen an der Gesamtbevölkerung in der Lausitz etwa 45% betragen wird. Zum Vergleich: In Gesamtdeutschland wird der Anteil
dieser Gruppe in 2035 auf ca. 36% geschätzt.24
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Da insbesondere die Gruppe der 20-60jährigen besonders aktiv am Arbeitsleben teilnimmt, erschwert der
demographische Wandel den Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier und besonders im Lausitzer Revier. Aus Sicht der Kommission ist daher entscheidend, vor allem junge Menschen zu halten, zurück zu gewinnen oder neu für die Region zu begeistern. Erfolgsbestimmend hierfür ist eine leistungsfähige Bildungsinfrastruktur mit guten Ausbildungschancen und -bedingungen im dualen wie im akademischen Bereich
sowie attraktive Zukunftsperspektiven in den Revieren, die aufzuzeigen oder neu zu schaffen sind.
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Kritische Auswirkungen des demographischen Wandels werden für den stark ländlich geprägten Raum wie
folgt gesehen: Alterung der Gesellschaft, fehlende Versorgung in kleineren Ortsteilen, Ungleichgewicht bei
der Verfügbarkeit von Mobilitäts-, Versorgungs-, Kultur- und Freizeitangeboten, Ausweisungen neuer
Wohnbauflächen nicht ausreichend an Bedarf orientiert, Überkapazitäten im Bereich der Versorgungsinfrastrukturen (Wasser, Abwasser, Wärme), Mangel an Möglichkeiten für die Nachnutzung leerstehender Gebäude, Gefahr von sterbenden Dörfern, Identitätsverlust sozialer Gefüge, Reduzierung auf Wohnstandorte,
starke Pendlerbeziehungen, Gefahr einer Bevölkerungs-Abwanderung, Zersiedelung.25
429
Zentralisierungsgrade der Reviere
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Aus Sicht der Kommission sind die Lage und die Siedlungsstruktur einer Region wichtige Rahmenbedingungen für deren wirtschaftliche Entwicklung. In dünn besiedelten Regionen mit einer kleinteiligen Wirtschaftsstruktur stellt der Strukturwandel grundsätzlich eine größere Herausforderung dar als für urban
geprägte. Die Ursachen sind vielfältig: Positive Wachstumsfaktoren wie die Anbindung an überregionale
22
Vgl. Institut für Mittelstandsforschung: Regionales Gründungsgeschehen auf Basis des NUI-Indikators. www.ifmbonn.org.
23
Vergleiche beispielsweise die Anhörung der Innovationsregion Lausitz GmbH am 18.09.2018.
24
Vergleiche auch RWI 2018a.
25
.https://www.indeland.de/assets/userfiles/Downloads/1-2015-03-23_Masterplan-indeland.pdf.
14
434
435
Märkte, ein breit gefächertes Fachkräfteangebot, die Vernetzung prägender Unternehmen oder zum Beispiel eine internationale Anbindung sind in diesen Regionen weniger stark ausgeprägt.
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Die Reviere haben hier sehr unterschiedliche Ausgangsbedingungen. So sind die beiden ostdeutschen Regionen flächenmäßig größer, weitestgehend ländlich geprägt und zum überwiegenden Teil peripher gelegen.
Dem gegenüber sind das Rheinische Revier und das Helmstedter Revier stark eingebunden in die sie umgebenden Ballungsräume:26
•
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•
Lausitzer Revier (sechs Kreise und die Stadt Cottbus): Alle Kreise der Region einschließlich
der Stadt Cottbus als Oberzentrum werden von den Gutachtern als ländlich klassifiziert. Lediglich der nördliche Teil des Kreises Dahme-Spreewald profitiert von der Nähe zu Berlin.
Rheinisches Revier (fünf Kreise, Städteregion Aachen, Stadt Mönchengladbach): Die Braunkohletagebaue liegen, wie in den anderen Revieren auch, im ländlichen Raum. Die sie umgebenden Kreise werden jedoch alle als sehr zentral und städtisch eingestuft. Zu nennen
sind die Städteregion Aachen und Mönchengladbach als Oberzentren innerhalb der Region,
zudem besteht eine Nähe zu Düsseldorf und Köln und anderen Oberzentren des Rheinlands.
Mitteldeutsches Revier (sieben Kreise, Städte Leipzig und Halle): Das Mitteldeutsche Revier
zeichnet sich durch meist ländliche Kreise aus, die peripher gelegen sind. Es umfasst mit
Leipzig jedoch auch eine Großstadt und mit Halle ein weiteres Oberzentrum.
Helmstedter Revier (zwei Kreise, Städte Braunschweig und Wolfsburg): Das Helmstedter
Revier ist die kleinste der vier Regionen. Mit Ausnahme des Kreises Helmstedt befindet es
sich in einer städtisch geprägten Region, die zentral gelegen ist. Wolfsburg und Braunschweig sind Oberzentren in der Region.
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Infrastrukturausstattung der Reviere (Straßen und Schienen, digitale Infrastruktur, energiewirtschaftliche
Infrastruktur)
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Ein angebotsorientierter Neu- und Ausbau der Straßen- und Schieneninfrastruktur, verbunden mit entsprechenden Mobilitätskonzepten (z. B. gut abgestimmte Taktungen, umweltfreundliche Verkehrsträger) ist vor
allem in den ländlich geprägten Revierräumen eine grundlegende Rahmenbedingung für eine erfolgreiche
Strukturentwicklung. Optimale Erreichbarkeiten innerhalb der Reviere (Nahverkehr), aber auch die überregionale Anbindung der Reviere an umliegende Ballungsräume (Fernverkehr) sind entscheidend für die
Fachkräftegewinnung oder Anreize für Wirtschaftsansiedlungen sowie die generelle Lebensqualität der
Menschen vor Ort. Durch eine bessere Anbindung kann die Attraktivität einer Region erhöht werden, durch
die Verknüpfung mit regionalen Wachstumskernen können Wachstumsimpulse auf die Reviere ausstrahlen.
Durch eine passgenaue Einbindung von Regionen in Verkehrsnetze können diese Regionen zudem in überregionale Wertschöpfungsketten eingebunden werden.27
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Die Zukunft ist digital – in der Wirtschaft und Industrie, in der Mobilität, in der Verwaltung sowie auch im
Bildungswesen und Privatleben. Dafür ist die digitale Infrastruktur von zentraler Bedeutung. Je höher deren
Qualität bzw. Leistungsfähigkeit ist, desto größer sind die Chancen für die Reviere, wirtschaftliche Potenziale zu erschließen. Flächendeckende Breitbandabdeckung ist ein wesentlicher Standortfaktor. Auch nach
Abschluss der laufenden Förderprojekte werden Gebiete verbleiben, die zwar mit mindestens 30 Mbit/s,
26
27
Für eine Übersicht siehe auch RWI 2018a.
Vergleiche hierzu beispielsweise die Anhörung des Sachverständigen Prof. Gerhard Untiedt am 18.09.2018.
15
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475
476
jedoch keiner gigabitfähigen Infrastruktur versorgt sind. Der Zugang zu hochleistungsfähiger digitaler Infrastruktur bietet Chancen und Entwicklungspotenzial. Hier wird der Ausbau der Breitbandnetze auf Glasfaserbasis und die Ertüchtigung der Mobilfunknetze entscheidend sein.
477
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480
Die Reviere haben als Standorte von Tagebauen und Kraftwerken eine im besonderen Maße ausgebaute
und auf den Sektor „Energie“ zugeschnittene Infrastrukturausstattung, die auch für die künftige Entwicklung moderner, intelligenter und nachhaltiger Energieerzeugungsanlagen und Energietechnologien Anknüpfungspunkte bietet.28
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Insbesondere die Standorte von Kohlekraftwerken haben, unter anderem wegen der auf sie ausgerichteten Netzinfrastruktur, einen hohen energiewirtschaftlichen Wert. Gleichzeitig werden die Kraftwerke mit
Personal betrieben, das hohe Kompetenzen beim Betrieb von energietechnischen Anlagen und Prozessen
hat. Die im Rahmen der Reduktion der Kohleverstromung notwendige Umgestaltung des Kraftwerksparks
bietet auch Chancen. Einerseits können die regionalen Potentiale und teilweise sogar wesentliche Komponenten der Bestandsanlagen weiter genutzt werden. Andererseits können Energiewende-Technologien
erstmals großtechnisch eingesetzt werden. Die Regionen werden zu Vorreitern. Über die strukturpolitische
Betrachtung hinaus liegt hier auch die Chance einer Signalwirkung. Andere Standorte und Regionen, die
zukünftig vom Umbau der Stromerzeugung betroffen sein werden, können hiervon profitieren und bieten
damit zukünftig auch Exportpotential für die deutschen Hersteller solcher Technologien.
491
Betroffene von Tagebauumsiedlungen und Tagebaurandgemeinden
492
493
494
In allen Revieren hat die Kommission Menschen aus den Tagebauregionen angehört, die ihre Betroffenheit
zum Ausdruck gebracht haben. Dabei gab es sowohl Familien, die ihre Heimat auf keinen Fall verlassen
wollen, als auch solche, die in neu gegründete Orte umgezogen sind.
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500
Braunkohletagebaue sind der größte Eingriff in die Landschaft Deutschlands. Sie zwingen Menschen dazu,
ihre Heimat aufzugeben und ihre Häuser zu räumen, die oft schon seit Jahrhunderten im Eigentum der
Familien sind. Damit beeinträchtigen Tagebaue sehr stark die wirtschaftliche und soziale Struktur der Dörfer. Nur ein Teil der Bevölkerung geht mit an die Umsiedlungsstandorte. Die Landwirte, viele Handwerker
und Läden verlassen die Dorfgemeinschaft, oft schon Jahre vor der endgültigen Umsiedlung. Ein Teil der
ortsansässigen Unternehmen sieht sich durch drohende Umsiedlung in seiner Existenz bedroht.
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503
Im Rheinischen Revier wurden mehr als 45.000 Menschen umgesiedelt, im Lausitzer Revier mehr als
25.000. Dies belastet insbesondere die Minderheit der Sorben und Wenden im Lausitzer Revier in ihrem
Bestreben, ihre Kultur und Identität zu erhalten.
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Tagebaurandkommunen leiden unter dem Wegfall von Wegeverbindungen und wirtschaftlichen Bezügen in
die Nachbarkommunen. Sie werden über Jahrzehnte direkt beeinträchtigt, etwa durch Lärm und Staub aus
dem Tagebaubetrieb, aber auch durch den Verlust der Naherholungsmöglichkeiten in der Natur und des
Landschaftsbildes. Dies macht diese Kommunen wenig attraktiv als Wohnort für Neubürger oder als Ansiedlungsstandort für Unternehmen. Erst weit in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts werden die Seen
aus den jetzigen Großtagebauen wie Garzweiler, Inden, Hambach, Nochten und Welzow-Süd fertiggestellt
sein.
511
512
Deswegen sieht es die Kommission als besondere Aufgabe an, gerade zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Kommunen in der Tagebaurandlage beizutragen. Der Ausbau des schnellen Internet, die er28
Bislang noch unveröffentlichtes Gutachten von IFOK et al 2018: Erneuerbare Energien-Vorhaben in den Tagebauregionen – Ein Beitrag für den Strukturwandel?
16
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515
leichterte Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten, eine gute Verkehrsanbindung und auch die Minimierung der Auswirkungen der laufenden Tagebaubetriebe auf diese Kommunen sind aus Sicht der
Kommission vordringliche Aufgaben.
516
Kulturelle Prägung der Reviere
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521
Neben anderen regionalen Besonderheiten prägt die Braunkohleförderung die Regionen seit Jahrzehnten
auch kulturell und identitätsstiftend. Dies schlägt sich nieder im Vereinsleben, dem lokalen Brauchtum und
zahlreichen weiteren Facetten des gesellschaftlichen Lebens. Dabei leisten die Unternehmen der Braunkohlewirtschaft durch Spenden und Sponsoring einen Beitrag dazu, die Region für ihre Bewohnerinnen und
Bewohner attraktiv zu machen.
522
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3.5.
Rechtliche Rahmenbedingungen Strukturpolitik
524
Finanzverfassungs- und beihilferechtliche Rahmenbedingungen
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Für die Förderung strukturschwacher Regionen gelten in Deutschland besondere verfassungsrechtliche
Rahmenbedingungen.
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532
Zur Unterstützung des Strukturwandels ist der Bund grundsätzlich durch die Grundgesetzartikel 91a und
104b ermächtigt. Auf Grundlage des Artikel 91a GG beteiligt sich der Bund an den Gemeinschaftsaufgaben
„Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) und „Verbesserung der Agrarstruktur und Küstenschutz“ (GAK). Dabei ist die GRW das zentrale Instrument der nationalen Regionalpolitik. Ziel ist es, über
die Stärkung der regionalen Investitionstätigkeit dauerhaft wettbewerbsfähige Arbeitsplätze in der Region
zu schaffen und zu sichern. Strukturschwache Regionen werden so gezielt aktiviert statt alimentiert.
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538
Daneben ist der Bund durch Artikel 104b GG ermächtigt, Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden bzw. Gemeindeverbände zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums zu leisten. Die Gewährung dieser Finanzhilfen setzt jedoch unter anderem voraus, dass eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz
des Bundes für den Verwendungszweck vorliegt. Finanzhilfen des Bundes für Bereiche, die in der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder liegen, sind in der Regel unzulässig.
539
Beihilferechtliche Rahmenbedingungen innerhalb der Europäischen Union
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Im Rahmen der GRW werden die Arbeitsmarktregionen Deutschlands nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abgegrenzt. Ausgangspunkt der Förderung der gewerblichen Wirtschaft in strukturschwachen
Regionen ist das über die EU-Regionalleitlinien beihilferechtlich definierte Regionalfördergebiet. Europaweit wird in den Mitgliedsstaaten zwischen sogenannten A-, C- und D- Fördergebieten unterschieden, in
denen Interventionen zu Gunsten der Wirtschaft möglich sind. Deutschland verfügt seit 2014 nicht mehr
über Höchstfördergebiete (A-Gebiete). Über den vorgegebenen C-Bevölkerungsplafond hinaus wurde in
der GRW mit den D-Gebieten eine weitere Fördergebietskulisse eingeführt. Die Förderung der gewerblichen Wirtschaft in diesen Gebieten unterliegt horizontalen beihilferechtlichen Vorgaben.
548
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549
Für Deutschland gelten derzeit folgende Höchstfördersätze:
Höchstfördersatz
Fördergebiet
1.1.2018 bis 31.12.2020
(kleine/ mittlere/ große Unternehmen)
Prädefinierte und nicht prädefinierte CFördergebiete
30%/ 20%/ 10%
Prädefinierte C-Fördergebiete mit Grenzzuschlag
(Gebiete, die an A-Fördergebiet angrenzen,
Förderabstand zwischen diesen Gebieten
darf nicht mehr als 15% betragen)
D-Fördergebiete
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40%/ 30%/ 20%
20 % / 10% / bis zu 200.000 Euro
Besondere Regelungen bestehen für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben bzw. für Investitionsbeihilfen
für lokale Infrastrukturen.
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Beihilfen für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben:
Bereiche
Große
Unternehmen
Mittlere
Unternehmen
Kleine
Unternehmen
Grundlagenforschung
100%
100%
100%
Industrielle Forschung
65%
75%
80%
Experimentelle Entwicklung
40%
50%
60%
Durchführbarkeitsstudien
50%
60%
70%
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Im Falle der Investitionsbeihilfen für lokale Infrastrukturen darf der Beihilfebetrag nicht höher sein als die
Differenz zwischen den beihilfefähigen Kosten und dem Betriebsgewinn der Investition. Der Betriebsgewinn wird vorab, auf der Grundlage realistischer Projektionen oder über einen Rückforderungsmechanismus von den beihilfefähigen Kosten abgezogen.
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Die wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen schränken somit die Fördermöglichkeiten in Abhängigkeit des Gebietsstatus ein.
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Die ostdeutschen Braunkohleregionen (Lausitz und Mitteldeutschland) zählen in Deutschland noch immer
zu den strukturschwächsten Regionen (C-Gebiete) mit den höchsten Förderintensitäten. Bei den westdeutschen Braunkohleregionen (Rheinisches Revier und Helmstedter Revier) handelt es sich überwiegend um
nicht strukturschwache Regionen im Sinne der Gemeinschaftsaufgabe bzw. der EU-Regionalleitlinien.29
Lediglich der Kreis Helmstedt und die Stadt Mönchengladbach sind als strukturschwach eingeordnet (CGebiete). Somit sind die Ausgangslagen für regionalpolitische Interventionen zu Gunsten der Braunkohlere29
Als D-Gebiete sind der Kreis Heinsberg und die Städteregion Aachen ausgewiesen
18
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gionen verschieden, entsprechend sind die Interventionsmöglichkeiten und Förderintensitäten unterschiedlich.
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Die derzeitigen Beihilferegelungen laufen Ende 2020 aus. Die zukünftige Ausgestaltung der Beihilferegelungen ab 2021 ist noch unklar. Es ist demnach noch offen, in welchen Beihilfestatus die Reviere bzw. einzelne
Branchen (stromintensive Industrien, KWK-Anlagen etc.) künftig fallen werden. Die Bundesregierung hat
dies bei ihren Gesprächen mit den europäischen Institutionen zu berücksichtigen.
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Bei der auf europäischer Ebene neu festzulegenden Fördergebietskulisse hält es die Kommission für erforderlich, dass der bevorstehende Strukturwandel schon für die kommende Förderperiode berücksichtigt
wird.
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4. Maßnahmen im Energiesektor für Klimaschutz und Sozialverträglichkeit
4.1.
Vorgehen, um die Lücke zur Erreichung des 2020-Ziels so weit wie möglich zu reduzieren (Handlungsoptionen, zentrale und begleitende Maßnahmen, Instrumentenmix)
4.1.1. Begründung und Auswirkungen hinsichtlich
• Beitrag zum Klimaschutz
• Energiemarkt und Strompreise für Industrie, gewerbliche Wirtschaft und private Endverbraucher
• Versorgungssicherheit
• Wertschöpfung und Beschäftigung
• Rechtliche Umsetzbarkeit
• Berücksichtigung des Tagebaubetriebs und sichere Nachsorge der Tagebaue
4.2.
Maßnahmen zur zuverlässigen Erreichung des 2030er-Ziels
4.2.1. Begründung und Auswirkungen hinsichtlich
• Beitrag zum Klimaschutz
• Energiemarkt und Strompreise für Industrie, gewerbliche Wirtschaft und private Endverbraucher
• Versorgungssicherheit
• Wertschöpfung und Beschäftigung
• Rechtliche Umsetzbarkeit
• Berücksichtigung des Tagebaubetriebes und sichere Nachsorge der Tagebaue
4.3.
Abschlussdatum für die Kohleverstromung
4.3.1. Begründung und Auswirkungen hinsichtlich
• Beitrag zum Klimaschutz
• Energiemarkt und Strompreise für Industrie, gewerbliche Wirtschaft und private Endverbraucher
• Versorgungssicherheit
• Wertschöpfung und Beschäftigung
• Rechtliche Umsetzbarkeit
• Berücksichtigung des Tagebaubetriebes und sichere Nachsorge der Tagebaue
605
20
606
5. Perspektiven für bestehende, neue und zukunftssichere Arbeitsplätze
607
5.1.
608
609
610
611
612
Regionale Strukturentwicklung bedeutet, neue Perspektiven für die Regionen auf Basis ihrer Stärken zu
entwickeln und frühzeitig mit Hilfe konkreter Maßnahmen umzusetzen. Denn das vorgezogene Ende der
Nutzung der Braunkohle hat erhebliche Auswirkungen auf die Regionen. Sie stehen vor der Herausforderung, die langfristig ohnehin notwendige Strukturentwicklung früher anzugehen, als dies auf Basis der
Revierpläne zu erwarten wäre.
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615
Eine Grundvoraussetzung für gelingenden Strukturwandel ist ein eigenständiges, fortschreibungsfähiges
und evaluierbares regionales Entwicklungskonzept, das das jeweilige Revier ganzheitlich und in seinen
Wechselwirkungen mit der umgebenden Region zukunftsfest aufstellt.
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621
Die Kommission hat sich bei Anhörungen in den Revieren ein Bild vor Ort gemacht, vor welchen Herausforderungen die Regionen bereits jetzt stehen und welche Auswirkungen der vorgezogene Ausstieg aus
der Kohleverstromung in den Regionen haben kann. Darüber hinaus hat sich die Kommission darüber
informiert, welche Potenziale in den Regionen bestehen, um mit diesen Herausforderungen erfolgreich
umzugehen und die Chancen des Strukturwandels für sich zu nutzen. Sie ist zu ersten Einschätzungen
gelangt, die insbesondere im Abschlussbericht noch weiter zu konkretisieren sind.
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Deutschland hat mit der Bewältigung des Strukturwandels im Kohlebergbau bereits umfassend Erfahrung gesammelt. Die Erfahrungen in den ostdeutschen Revieren sind vor allem vom teilweisen Zusammenbruch der Braunkohleindustrie in den Jahren nach der Wiedervereinigung geprägt. Auch in Westdeutschland bestehen Erfahrungen mit Strukturbrüchen (siehe Ruhrgebiet). Erklärtes Ziel der Kommission ist es deshalb, aus den Erfahrungen der Vergangenheit zu lernen und Strukturentwicklung frühzeitig,
schrittweise und planbarer zu gestalten. Nur so können Strukturbrüche in den Regionen vermieden
werden.
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Obwohl die Ausgangslage in den Regionen jeweils unterschiedlich ist, starten die Regionen nicht bei null.
Denn der Wandel hat bereits begonnen und die Regionen der Braunkohlereviere sind dabei, sich aktiv
auf die Zeit nach der Braunkohleverstromung einzustellen. Die Regionen verfügen über vielfältige Potenziale, die es zu heben gilt. Zahlreiche Akteure haben Vorstellungen für ihre Regionen, denn sie wollen
sie zukunftsfest, wirtschaftlich stark, attraktiv und lebenswert machen. Diese vorhandenen Potentiale
bilden eine wichtige Basis, den anstehenden Wandel erfolgreich zu bewältigen.
Auswirkungen, strukturpolitische Effekte und Zukunftsvisionen für die Reviere
635
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5.1.1.
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Im Helmstedter Revier hat die Braunkohleindustrie heute nur noch geringe Bedeutung. Im August 2016
ist der Braunkohletagebau mit der Stilllegung des Tagebaus Schöningen beendet worden. Das Kraftwerk
Buschhaus wurde 2016 in die Sicherheitsbereitschaft überführt. Weitere Braunkohlekraftwerke oder -tagebaue sind nicht in Betrieb. Vor diesem Hintergrund ist von rund 200 direkt Beschäftigten auszugehen. Damit verbunden sind weitere 400 indirekt oder induzierte Beschäftigte innerhalb oder außerhalb der hier vorgenommenen Revierabgrenzung.30
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Die regionalen Oberzentren und die Automobilindustrie bilden derzeit eine stabile Basis für die wirtschaftliche Entwicklung dieses kleinsten der deutschen Braunkohlereviere. Die Herausforderungen bestehen darüber hinaus darin, eigene Wachstums- und Entwicklungskerne zu schaffen und somit die Abhängigkeit von den Industriezentren beispielsweise in Braunschweig und in Wolfsburg zu verringern.
30
Helmstedter Revier
Vgl. Ableitung der Beschäftigtenzahlen in Kap. 3.4.
21
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Das Revier hat vor kurzem das Helmstedter Regionalmanagement gegründet, welches die Rolle einer
zentralen Koordinierungsstelle für die Gestaltung des Strukturwandels übernehmen soll. Die finanzielle
Absicherung des Regionalmanagements ist jedoch noch nur bis 2020 gegeben.
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5.1.2.
Lausitzer Revier
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Der Wirtschaftsstandort Lausitz unterscheidet sich von den anderen Revieren in Nordrhein-Westfalen
und Mitteldeutschland insofern, als dass hier von einer historisch gewachsenen besonderen Bedeutung
der Braunkohlewirtschaft gesprochen werden kann. Exemplarisch kann hier die Wirtschaftsstruktur des
Landkreises Görlitz betrachtet werden, wo im Jahr 2015 946 Mio. Euro oder 16,2% der gesamten Bruttowertschöpfung im Energiesektor erwirtschaftet wurden. Im Bereich des produzierenden Gewerbes
(ohne Bauhauptgewerbe) erwirtschaftete der Energiesektor sogar die Hälfte (48,6%) der Wertschöpfung.31 Im nördlich gelegenen Landkreis Spree-Neiße sehen die Zahlen ähnlich aus. Dort macht aufgrund
der Bergbau- und Energiewirtschaft das produzierende Gewerbe 68% der gesamten Bruttowertschöpfung aus.32
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Insgesamt erzielte die Braunkohlewirtschaft im Lausitzer Revier in 2016 nach derzeit vorliegenden Berechnungen des RWI eine Bruttowertschöpfung von knapp über 1,2 Mrd. Euro, was einem Anteil an
Wertschöpfung in der Region von 4,3% entspricht.33 Die LEAG selber bezifferte ihre jährliche Wertschöpfung im Lausitzer Revier mit rund 1,4 Mrd. Euro.
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Zu den gut 8.000 direkt bei der LEAG in der Bergbau- und Energiewirtschaft Beschäftigten kommen nach
nachvollziehbaren Schätzungen noch einmal rund 500 Unternehmen mit ca. 16.000 Arbeitnehmern hinzu, die als Service- und Zuliefererbetriebe unmittelbar und mittelbar von der Kohle- und Energiewirtschaft abhängen (bei unterschiedlichen Abhängigkeitsgraden und regionaler Verortung innerhalb und
außerhalb des Reviers).34 Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass in den letzten Jahren weitere große industrielle Arbeitgeber in der Region vor großen Schwierigkeiten standen.
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Die Lausitz ist heute einer der wichtigsten Industriestandorte der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg.
Die Region hat den Anspruch, ein Industriestandort zu bleiben und dabei eine moderne, attraktive, zukunftsgerichtete Wirtschaftsregion aufzubauen.
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Dazu müssen die erkennbaren Defizite in den Infrastrukturen behoben werden, wie beispielsweise eine
lückenhafte Ausstattung mit digitaler Infrastruktur und Defizite in der Verkehrsinfrastruktur (Straße,
Schiene und Wasser). Im Fall der Lausitz geht es dabei insbesondere um die dringend notwendige, verbesserte Anbindung an die umliegenden Metropolräume.
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Für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung sind junge, tatkräftige Fachkräfte notwendig. In der
Lausitz muss deshalb der demographischen Entwicklung und dem damit verbundenen rückläufigen Erwerbspersonenpotential entgegengewirkt werden, da der Wettbewerb um hochqualifizierte MINTFachkräfte zukünftig ohnehin bundesweit weiter zunehmen wird. Die gut ausgebildeten Fachkräfte aus
dem Braunkohlesektor sind daher eine wertvolle Ressource für die zukünftige Strukturentwicklung.
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Die Steigerung der Innovations- und somit Wettbewerbsfähigkeit in der Lausitz spielt eine zentrale Rolle
im Strukturentwicklungsprozess. Anknüpfend an bestehende Kompetenzen und Forschungsprofile gibt
es Potentiale für weitere technologieorientierte Ausgründungen. Dabei spielt die Verbesserung der
Rahmenbedingungen für Existenzgründungen eine wichtige Rolle. Das bestehende Innovationssystem
31
Statistisches Landesamt Sachsen 2017.
Landesamt für Bauen und Verkehr Brandenburg.
33
RWI 2018b.
34
Vgl. Ableitung der Beschäftigtenzahlen in Kap. 3.4.
32
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690
der Lausitz soll weiter ausgebaut werden, um Spillover-Effekte zu erzeugen. Weiterhin könnten außeruniversitäre Forschungseinrichtungen der Leibniz- oder der Fraunhofer-Gesellschaft gezielt in der Lausitz
angesiedelt und mit den bestehenden Forschungseinrichtungen verknüpft werden, um Forschungs- und
Entwicklungspotentiale zu heben.
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697
Bedeutende Branchen in der Lausitz sind neben der Energiewirtschaft im industriellen Bereich die Ernährungswirtschaft, die Chemie-, Papier- und Kunststoffindustrie, die Metallerzeugung
und -bearbeitung und das Herstellen von Metallerzeugnissen. Weiterhin sind der Maschinenbau inkl.
Fahrzeugbau/ Fahrzeugteilen und auch das Herstellen elektrischer und optischer Erzeugnisse und Ausrüstungen zu nennen. In jüngerer Zeit ist der Tourismus hinzugekommen (Görlitz, Lausitzer Seenland).
Darüber hinaus bestehen im Dienstleistungssektor gute Anknüpfungspunkte im Bereich Logistik und
Mobilität.
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Unter Einbindung der Oberzentren Dresden und Cottbus besteht eine ausgeprägte und in Teilen bereits
heute exzellente universitäre wie außeruniversitäre Forschungslandschaft mit besonderen Entwicklungsschwerpunkten bzw. Entwicklungsvoraussetzungen in den Bereichen Energie, Mobilität, Bioökonomie/ Ressourceneffizienz, Gesundheit/ Kultur/ Tourismus und Künstliche Intelligenz.
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Die Lausitz besitzt wichtige Grundlagen, um auch unter veränderten energiepolitischen Rahmenbedingungen weiterhin eine starke Energieregion zu bleiben. Die energiespezifischen Kompetenzen der Region bieten die Möglichkeit, die europaweit zu beobachtenden Veränderungen der Energiesysteme von
derzeit zentralen zu zukünftig weitgehend dezentralen Strukturen zu begleiten:
706
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710
•
Die Netzknoten um Jänschwalde, Schwarze Pumpe (und Boxberg) bieten eine gute Voraussetzung für eine energetische Nachnutzung, zum Beispiel für den Bau von Gaskraftwerken.
Im Lausitzer Revier gibt es bis 2030 außerdem deutliche Ausbaupotentiale für WindOnshore- und Photovoltaikanlagen sowie so genannte Hybridkraftwerke (kombinierte
Windenergie- und Photovoltaikanlagen am selben Netzanschlusspunkt).
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717
•
Weiterhin bestehen nennenswerte Potenziale für erneuerbare Power-to-X-Vorhaben auf
Basis Erneuerbarer Energien. Grund dafür sind gute regionale Abnahmepotenziale für Fernwärme und Wasserstoff – zum Beispiel durch die Nutzung von Wasserstoff zur Herstellung
von Ammoniak, in Raffinerien (Schwedt) oder als Grundstoff in der chemischen Industrie
(BASF Schwarzheide). Perspektivisch könnte Wasserstoff auch in das dort gut ausgebaute
Erdgasnetz stärker beigemischt werden, da die Trasse der Gasleitung OPAL in der Nähe verläuft.
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721
•
Im Bereich der Energieforschung ist die BTU Cottbus-Senftenberg mit den Kompetenzen bei
der Spitzentechnologieforschung, Wasserstoff-Forschungszentrum und Hybridkraftwerk,
Forschungen zur Netzintegration (Netzforschungs- und Trainingszentrum, Netzstudien) und
eSolCar (Potenzial von Elektrofahrzeugen zur Energiezwischenspeicherung) tätig.
722
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725
•
Das Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften Finsterwalde e.V. (FIB) entwirft Anpassungsstrategien für Bergbaufolgelandschaften und andere in ihrer Funktion beeinträchtigte
Lebensräume bzw. Ökosysteme (optimierter Energiepflanzenanbau, Auswirkungen des Klimawandels auf Wasser, Boden und Pflanze).
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728
729
•
Der Industriepark Schwarze Pumpe zeigt, wie durch gute Kombination von Industrien, durch
eine vorhandene Ansiedlungsstrategie und ein gutes Zusammenwirken der öffentlichen
Verwaltung mit der Wirtschaftsförderung und den Unternehmen Strukturentwicklung gelingen kann.
23
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•
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748
•
Weitere Potentiale könnten in der Übergangsphase bei der Nutzung von Synergieeffekten
zwischen der Braunkohlenindustrie und der chemischen Industrie hinsichtlich der stofflichen
Nutzung der Braunkohle bestehen.
Darüber hinaus ist es für den Strukturwandel zwingend und gleichermaßen eine eigene wirtschaftliche Chance, die Kompetenzen von LEAG und LMBV für ein „Nachhaltiges PostMining“ Konzept regional, in der späteren Vermarktung aber auch international verfügbar zu
machen.
In der Lausitz gibt es zahlreiche Akteure, die ihren Beitrag zur Entwicklung der Region leisten. Für die
erfolgreiche Steuerung des Strukturwandels ist eine länderübergreifende Organisation unter Beteiligung
des Bundes notwendig. Mit der von der Wirtschaft der Lausitz getragenen Innovationsregion Lausitz
GmbH (IRL) und der von der kommunalen Ebene getragenen Wirtschaftsregion Lausitz GmbH (WRL)
verfügt die Lausitz bereits heute über regionale Strukturen für Akteure der Wirtschaft, an die im Zuge
der weiteren Strukturentwicklung angeknüpft werden kann. Während die IRL seit zwei Jahren Unternehmen darin unterstützt, neue Produkte zu entwickeln und neue Märkte zu erschließen und so unabhängiger von Aufträgen der Braunkohleindustrie zu werden, hat die WRL erst im Sommer 2018 ihre Arbeitsfähigkeit hergestellt. Unterstützt durch eine gemeinsame Förderung des Bundeswirtschaftsministeriums, des Freistaates Sachsen und des Landes Brandenburg in Höhe von 7,3 Mio. Euro ist die WRL dabei, für die Lausitz einen Leitbildprozess aufzusetzen. Dessen Ergebnisse müssen bei der Umsetzung der
Ergebnisse der Arbeit der Kommission berücksichtigt und einbezogen werden.
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5.1.3.
Rheinisches Revier
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Historisch begünstigt durch die Strom- und Wärmeversorgung im Rheinischen Braunkohlerevier, entwickelten sich in dieser Region eine Reihe von Industrien, für welche Strom, Gas und Wärme unabdingbare Einsatzfaktoren sind. Auch heute hat der industrielle Einsatz von Energie im Rheinischen Revier eine
deutlich größere Bedeutung als im Landes- und Bundesdurchschnitt, weshalb Wohlstand und Beschäftigung in dieser und den angrenzenden Regionen in besonderem Maße von einer wettbewerbsfähigen
Energieversorgung abhängen. Maßgeblich ist der überdurchschnittliche Anteil energieintensiver Industrien an der Wertschöpfung. Die in diesen Branchen erzielte Wertschöpfung beträgt 7,1 Mrd. Euro bei
32 Mrd. Euro Umsatz.
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Für die Braunkohlewirtschaft ist von rund 9.000 direkt Beschäftigten auszugehen. Damit verbunden
sind weitere 18.000 indirekt oder induzierte Beschäftigte innerhalb oder außerhalb der hier vorgenommenen Revierabgrenzung.35
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Neben der stromintensiven Industrie mit 93.000 Beschäftigten36 sind weitere Industriezweige im
Rheinischen Revier und auch in den anderen Revieren derzeit von der Braunkohlenutzung abhängig.
Dies betrifft vor allem die Rohstoffversorgung bei der Gips-Produktion und die Zucker-Industrie. Ca.
55% der heutigen Gipsrohstoffe werden derzeit aus der Rauchgasentschwefelung von Kohlekraftwerken (REA-Gips) gewonnen. Der Rohstoff REA-Gips wird in Produktionsstandorten der Gipsindustrie im
gesamten Bundesgebiet verarbeitet. Der fortlaufende Ausstieg aus der Kohleverstromung wird zu
einem massiven Rückgang der REA-Gipsproduktion führen.
35
Vgl. Ableitung der Beschäftigtenzahlen in Kap. 3.4.
frontier economics (2018): Die Bedeutung des Wertschöpfungsfaktors Energie in den Regionen Aachen, Köln und
Mittlerer Niederrhein. Kurzstudie im Auftrag von IHK Aachen, IHK Köln und IHK Mittlerer Niederrhein.
36
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Im Rheinischen Revier betrug die Bruttowertschöpfung im Braunkohlesektor in 2016 etwa 1,7 Mrd.
Euro. Der Anteil der regionalen Wertschöpfung insgesamt lag damit bei rund 2,4%.37 RWE schätzte
seinen direkten Beitrag zur Wertschöpfung im Rheinischen Revier auf rund 2,0 Mrd. Euro pro Jahr.
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Daraus wird ersichtlich, dass auch im Rheinischen Revier die Herausforderungen erheblich sind. Zugleich
gibt es aber auch gute Chancen für einen gelingenden Strukturwandel, sofern die Rahmenbedingungen
richtig gesetzt werden.
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781
Die Region verfügt über eine Reihe von Standortvorteilen im Vergleich zu den anderen Revieren. Mit
Aachen und Mönchengladbach gehören zwei Oberzentren zur Region. Zu nennen ist auch die Nähe zu
den Zentren des angrenzenden Rheinlands (Bonn, Köln, Leverkusen und Düsseldorf). Die (Energie-)Infrastrukturausstattung und die Anbindung sind gut, muss aber an die neuen Herausforderungen angepasst werden. Vorteilhaft ist weiter, dass die Region über eine sehr gute Hochschul- und Forschungslandschaft verfügt. Hierzu gehören beispielsweise die RWTH Aachen, das Forschungszentrum Jülich sowie mehrere Universitäten, Fachhochschulen und Technische Hochschulen.
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Das Rheinische Revier kann ferner auf seine starke Wirtschaftsstruktur aufbauen. Neben der Energiewirtschaft und den energieintensiven Industrien zählen dazu auch beispielsweise Unternehmen aus den
Bereichen Ressourceneffizienz, Mobilität und Logistik. Auch in den Bereichen Digitalwirtschaft sowie der
Landwirtschaft bestehen Anknüpfungspunkte.
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Schließlich ist das Rheinische Revier bereits vorangeschritten beim Aufbau von Strukturen, um den
Strukturwandelprozess zu begleiten bzw. zu unterstützen. Mit der Zukunftsagentur Rheinisches Revier
wurde eine Institution geschaffen, die die Rolle einer zentralen Koordinations-Plattform im Revier übernimmt und mit den anderen regionalen Akteuren vernetzt ist.
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Im Rheinischen Revier besteht, wie oben bereits erwähnt, die Besonderheit des Vernetzungsgrades und
der Abhängigkeit der Wertschöpfungsketten untereinander. Im räumlichen Umgriff der Tagebaue besteht ein gegenseitig aufeinander aufbauendes, eng miteinander verflochtenes Netz von energieintensiven Unternehmen und kohleaffinen Produktionslinien. In diesem Sinne sind energiepolitische Beschlüsse in ihren Konsequenzen v.a. im Rheinischen Revier auch auf ihre unmittelbaren Wirkungen auf die
Wertschöpfungsnetzstruktur abzuwägen.
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Zur Schaffung neuer Wertschöpfungsketten und zukunftssicherer Arbeitsplätze bestehen folgende Ansatzpunkte:38
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•
Energie und Industrie: Das Rheinische Revier soll sich als Energierevier der Zukunft positionieren und ein Modellstandort im künftigen Energiesystem werden. Als konkrete Maßnahmen werden beispielsweise die Etablierung eines regionalen Energiemanagements und der
Aufbau eines Campus für Low Carbon-Technologien für die energieintensive Industrie genannt. Weiterhin ist das Rheinische Revier Standort wichtiger Betriebssitze von RWE, von
vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen der Energiewirtschaft, von Unternehmen der energieintensiven Industrie und einer ausgefeilten Universitäts-, Hochschul- und
Forschungsinfrastruktur mit internationaler Exzellenz in Energie und Produktion.
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•
Innovation und Bildung: Das Revier soll eine wegweisende Gründungskultur entwickeln („Innovation Valley Rheinland“). Ausgründungen aus Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen führen zu neuen Ansiedlungen im Revier. Hierfür werden beispielsweise Hochschulerweiterungen (z.B. TH Köln Campus Rhein-Erft) und die Errichtung von fünf Innovation
37
38
RWI 2018b.
Siehe auch Zukunftsagentur Rheinisches Revier 2018: Eckpunkte eines Wirtschafts- und Strukturprogramms.
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Hubs und Gründerzentren im Rheinischen Revier (u.a. Brainergy Hub Jülich) in den Blick genommen.
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•
Raum und Infrastruktur: Hierzu zählt etwa die Nachnutzung von Kraftwerksstandorten, das
Schaffen von Modellquartieren und die Schaffung eines multifunktionalen Landschaftsparks.
Die zukunftsfähige Neuausrichtung des Rheinischen Reviers erfordert außerdem den Ausbau
geeigneter Verkehrsinfrastrukturen, um den Raum zu erschließen und dessen Entwicklungspotenziale optimal an die großen Ballungszentren wie Köln, Düsseldorf, Mönchengladbach
und Aachen anzubinden. Neue intelligente Verkehrsangebote in Kombination mit innovativen Technologien und Antriebssystemen (schnelle Radwege, Ausbau Schienenverkehr, neue
Verkehrstrassen/ notwendige Lückenschlüsse, Ausbau klimaneutraler Mobilität im ländlichen Raum, Aufbau smarter Logistik-Zentren etc.) können dabei helfen, Distanzen leichter
zu überwinden und urbane wie ländliche Qualitäten besser miteinander zu verknüpfen.
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•
Ressourcen und Agrobusiness: Unter dieser Überschrift wird die Entwicklung einer Modellregion für geschlossene Stoffkreisläufe/ Kreislaufwirtschaft, die Etablierung neuer Wertschöpfungen im Bereich der Bioökonomie in Kooperation mit renommierten Forschungsinstituten der Region (insbes. FZ Jülich) und Unternehmen der Region sowie die Entwicklung
einer Modellregion zur Digitalisierung in der Medizin als Beitrag zur Sicherung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum und innovative Produkte für die Gesundheitswirtschaft zusammengefasst.
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Zuständig für den Strukturwandel im Rheinischen Revier ist die Zukunftsagentur Rheinisches Revier. Die
Zukunftsagentur muss in Zusammenarbeit mit Bund und Land sicherstellen, dass in der Region eine auf
den Stärken der Region aufbauende Entwicklung mit wirkungsvollen Impulsen versehen wird. Dazu arbeitet sie mit allen Akteuren der Region zusammen, mit den Kommunen, der Wirtschaft, den Sozialpartnern und Verbänden und der Zivilgesellschaft. Es ist zu begrüßen, dass sich im Rheinischen Revier ein
Arbeitskreis zivilgesellschaftlicher Organisationen und engagierter Einzelpersonen gebildet hat, der sich
mit seinem Konzept „Lebensraum Rheinisches Revier – gutes Leben und gute Arbeit“ an einer Gestaltung der Region beteiligt.39
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Darüber hinaus ist zu prüfen, wie Zulieferer aus Mittelstand und Handwerk in besonderem Maße bei der
Entwicklung eigener Zukunftsperspektiven unterstützt werden können. Dazu gehört auch, die Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an die neuen Herausforderungen anzupassen.
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5.1.4.
Mitteldeutsches Revier
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Das Mitteldeutsche Revier ist in weiten Teilen struktur- und innovationsschwach. Besonders in den
sachsen-anhaltinischen Kreisen sowie um Borna und Delitzsch auf der sächsischen Seite stellt die Bewältigung des bereits 1990 begonnenen Strukturwandels eine besondere Herausforderung dar. Die Braunkohlewirtschaft hat im Mitteldeutschen Revier aber heute eine geringere Bedeutung für die regionale
Wirtschaft als im Lausitzer Revier. Insgesamt sind aber noch immer rund 2.400 Arbeitsplätze in der Region unmittelbar von der Braunkohlewirtschaft abhängig. Damit verbunden sind weitere 4.800 indirekt
oder induzierte Beschäftigte innerhalb oder außerhalb der hier vorgenommenen Revierabgrenzung.40
39
Koordinierungskreis Strukturwandel (2018): Lebensraum Revier – gutes Leben und gute Arbeit. Revierperspektiven: Aus dem Revier – Für das Revier. Zivilgesellschaftliches Konzept 10/2018. online:
https://www.buirerfuerbuir.de/images/pdf/strukturwandelkonzept.pdf.
40
Vgl. Ableitung der Beschäftigtenzahlen in Kap. 3.4 auf Grundlage RWI (2018).
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Gerade aufgrund der engen Verknüpfung mit der Grundstoffindustrie drohen erhebliche negative Effekte
durch Strukturbrüche, wenn es nicht gelingt, die bestehenden Wertschöpfungsketten und Industrieverbünde zu erhalten.
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Die Braunkohlewirtschaft im Mitteldeutschen Revier leistete in 2016 eine Bruttowertschöpfung in Höhe
von rund 430 Mio. Euro.41 Das entspricht einem Anteil der gesamten Bruttowertschöpfung in der Region
von 0,9%. Die MIBRAG gab im Rahmen der Anhörung einen jährlichen Beitrag zur regionalen Wertschöpfung von 300 bis 400 Mio. Euro an.
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Trotz des dramatischen Strukturbruchs nach 1990 existieren heute eine große Anzahl von hochwertigen
und organisierten Industriearbeitsplätzen im Bergbau, der Energiewirtschaft und der chemischen Industrie sowie damit mittelbar verbundene Arbeitsplätze in der Ernährungswirtschaft rund um Zeitz. Dies
ist auch auf den damit verbundenen Modernisierungsschub zurückzuführen: In den 1990er Jahren waren Kraftwerksneubauten in Lippendorf, Schkopau und Wählitz, die Tagebauertüchtigungen in Profen
und Schleenhain sowie die Modernisierungsaktivitäten der Romonta kennzeichnend für die Entwicklung
in den Braunkohleunternehmen. Zwischen 1991 und 2015 wurden – mit politischer Unterstützung und
besonderer Förderung – die Anlagen der Braunkohle- und Chemiestandorte durch Investitionen in Milliardenhöhe modernisiert. Als Ergebnis von Privatisierung, Restrukturierung und Modernisierung entwickelten sich die chemische Industrie und Kunststoffverarbeitung zu einer innovativen Leitindustrie in
Mitteldeutschland mit mehreren Tausend Beschäftigten. Die industriellen Cluster in Mitteldeutschland
bündeln materielle und immaterielle Werte: Prozesse, Anlagen und Infrastruktur, Wissen, Kompetenz
und Netzwerke.
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In der Region gibt es zahlreiche Initiativen, um die vorherrschende Struktur- und Innovationsschwäche
zu überwinden. Zur Vorbereitung auf den energiewendebedingten Strukturwandel hat die Region beispielsweise folgende Projekte angeschoben:
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•
Mit dem vom BMBF geförderten Forschungsprojekt HYPOS wird mit der strombasierten
Wasserstofftechnik die Schlüsseltechnologie entwickelt, um die Prozesse der Zirkulären
Wirtschaft des Kohlenstoffs emissionsfrei zu stellen.
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•
Es laufen im Rahmen des BioEconomy-Clusters erfolgversprechende Entwicklungen zur verstärkten Nutzung der Biomasse als Rohstoff.
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•
Das Fraunhofer Reviernetzwerk wird im Mitteldeutschen Revier eine Versuchsanlage zur Zirkulären Wirtschaft des Kohlenstoffs (Projekt Carbontrans) errichten. Die Herstellung von
Synthesegas aus Kunststoffabfällen, Klärschlämmen und anderen Kohlenstoffen wird für die
Chemieindustrie unverzichtbare Rohstoffe weitgehend emissionsfrei liefern.
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•
Ein Konsortium der Industrie ist angetreten, die strombasierte Wasserstofftechnik mit einer
Großelektrolyse und einer Großkaverne zur industriellen Reife zu entwickeln sowie - im Verbund mit dem Projekt Carbontrans - den Grundstein für eine CO2-neutrale und zirkuläre
Kohlenstoffnutzung zu legen. Dabei geht es auch um effiziente Lösungen zur zeitlich flexiblen Nutzung der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien (Sektorkopplung).
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Ebenso wie in der Lausitz und im Rheinland wirken die vorhandenen Stromnetzinfrastrukturen als
Standortvorteil für den Bau neuer Energieerzeugungsanlagen sowie Energiespeichern.
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RWI 2018b.
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Die Region kann zudem zumindest teilweise von den Wachstumskernen Leipzig und Halle und der fortgeschrittenen Spezialisierung im Dienstleistungssektor profitieren. Das touristische Potential der Region
ist gut erschlossen; die Möglichkeit einer wohnortnahen Erholung steigert die Attraktivität der Region.
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Mit der Metropolregion Mitteldeutschland hat das Revier auch bereits einen zentralen Akteur zur Koordinierung von Strukturwandelprozessen etabliert. Auf diesen kann in Zukunft weiter aufgebaut werden.
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5.1.5.
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Der klimapolitisch motivierte vorzeitige Ausstieg aus der Kohleverstromung greift tief in die Wertschöpfungsstrukturen der deutschen Wirtschaft ein. Dieser Wandel ist am stärksten regional erlebbar. Nur
auf der Grundlage erfolgreicher regionaler Entwicklungskonzepte wird er ökonomisch und sozial verträglich sein.
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Eine gelungene Strukturentwicklung braucht neben Chancen und Ideen auch eine kontinuierliche Gestaltung durch Akteure in den Regionen. Der Kommission ist bewusst: Nicht alle Ideen und Projekte
werden langfristig ein Erfolg werden und Wertschöpfung und gute Arbeitsplätze in den Regionen sichern. Gleichzeitig ergeben sich im Zeitverlauf neue Themen, die neue Perspektiven eröffnen. Es geht
also vor allem darum, die Regionen zum Beispiel durch Investitionen in Infrastruktur und Bildung und
regulatorische Freiräume in die Lage zu versetzen, selbst die Strukturentwicklung zu gestalten.
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Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Kommission die nachfolgenden Grundzüge einer Strukturentwicklungsstrategie.
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Ziele
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Strukturpolitische Ziele sind lebenswerte, attraktive Regionen mit hoher wirtschaftlicher Dynamik,
hochwertigen Arbeitsplätzen und Innovationskraft, die den Menschen vor Ort klare Zukunftsperspektiven bieten.
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Für die Kommission ist aber auch entscheidend, dass nicht nur die Regionen eine Perspektive bekommen, sondern dass auch der Standort Deutschland insgesamt gestärkt wird, indem Klimaschutz, gute
Arbeit und Wirtschaft in Einklang gebracht werden und damit ein Beitrag zur Umsetzung des Leitbilds
der Nachhaltigkeit geleistet wird. Mit Blick auf die Stärkung der Wirtschaftskraft und Lebensqualität in
Deutschland ist es wesentlich und daher auch Verfassungsauftrag, dass gleichwertige Lebensverhältnisse herrschen.
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Gleichwertige Lebensverhältnisse erfordern neben einer starken Wirtschaft auch leistungsfähige Infrastrukturen der Daseinsvorsorge in allen Regionen. Lokal sollen passende Lösungen ermöglicht werden,
um Synergieeffekte zu nutzen und die Menschen umfassend bei der Transformation der Region einzubinden. Der Abbau alter und der Aufbau neuer Wertschöpfung müssen zeitlich verzahnt werden.
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Zusätzlichkeit
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Der durch zusätzliche politische Maßnahmen bewirkte Rückgang der Kohleverstromung beschleunigt den
Strukturwandel in den Revieren und ggf. im Bereich der Steinkohleverstromung und stellt eine besondere
Herausforderung dar. Diese muss zusätzlich und ergänzend zu der generellen Strukturförderung angegangen werden. Damit ist auch zwischen Aufgaben der Strukturentwicklung zu unterscheiden, die mit
bestehenden Förderprogrammen bearbeitet werden und den neuen Anforderungen, die sich aus dem
Verlust von Kohlearbeitsplätzen ergeben. Die Unterscheidung und Abgrenzung zu bestehenden Förderprogrammen ist notwendig mit Blick auf die bundesweit angestrebte Förderung der ländlichen Räume
5.2.
Im gesamten Bundesgebiet
Grundsätze für eine Strukturentwicklungsstrategie
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und das grundgesetzliche Oberziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland.
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Die Revierförderung muss sich nicht nur von den vorgenannten Zielen leiten lassen, sondern auch von
dem nach wie vor nahezu flächendeckend notwendigen Aufholprozess in Ostdeutschland positiv abheben und die besondere Situation strukturschwacher Landkreise im Rheinischen Revier berücksichtigen.
Durch diese deutliche Abgrenzung werden Überschneidungen und Friktionen bezüglich der Förderung
anderer strukturschwacher Regionen in Deutschland vermieden.
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940
Die Fortsetzung der Bergbausanierung der Tagebaue der ehem. DDR im Mitteldeutschen und Lausitzer
Revier nach 2022 muss zudem ebenfalls zusätzlich zur Revierförderung sichergestellt werden.
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Zeitliche Perspektive
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Erfolgreiche Strukturentwicklung setzt verlässliche Rahmenbedingungen und eine langfristige Begleitung
voraus. Bund, Länder, Kommunen und Unternehmen müssen es als ihre gemeinsame Aufgabe verstehen, die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen langfristig zu unterstützen. Insbesondere der Bund
muss deshalb für einen substantiellen Zeitraum, der über das Abschlussdatum der Kohleverstromung
hinausgeht, bereit sein, die Transformation der Reviere als verlässlicher Partner zu begleiten. Zusätzlich
müssen die Rahmenbedingungen und Wachstumsimpulse durch kurzfristige Initialmaßnahmen unterstützt werden. Entsprechend sollten die begleitenden Förderprogramme auf mehrere Dekaden angelegt
sein.
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Wirksame Steuerungs- und Koordinierungsmechanismen und Institutionalisierung
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Durch eine Institutionalisierung der als Prozess zu betrachtenden Strukturentwicklung einerseits und
eine starke Einbindung von Ländern, Kommunen und lokalen Akteuren andererseits können lokales
Fachwissen genutzt und vorhandene Potentiale gehoben werden. Dies betont die Verantwortung der
Regionen für ihre zukunftsfähige Entwicklung. Auch in diese Strukturen muss der Bund eingebunden
sein.
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Damit die Strategie erfolgreich ist, ist es wichtig, dass die bestehenden Instrumente zur Unterstützung des Strukturwandels durch wirksame Steuerungs- und Koordinierungsmechanismen aufeinander und mit den neuen Finanzierungsinstrumenten abgestimmt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die verschiedenen Maßnahmen und Initiativen durch die unterschiedlichen Akteure und Fördertöpfe gut ineinandergreifen.
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In die Begleitung des Strukturwandels sind zahlreiche Akteure und Institutionen eingebunden. Vor
allem in den ostdeutschen Revieren besteht ein besonderer Koordinierungsbedarf, da sich die Reviere über zwei (Lausitzer Revier) beziehungsweise drei Bundesländer (Mitteldeutsches Revier) erstrecken.
Der Prozess der Strukturentwicklung sollte daher durch eine starke Organisationsstruktur mit klarer
Verantwortlichkeitsteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen institutionalisiert werden. Zu den zu
koordinierenden Aufgaben zählen auch die Vernetzung der Akteure und das Monitoring des Strukturwandels. Um diese Aufgaben wirksam zu erfüllen, braucht es eine sichtbare Verankerung vor Ort.
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Private und kommunale Investitionen als Schlüssel
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Hierfür müssen EU, Bund, Länder und Kommunen geeignete Rahmenbedingungen für private Investitionen schaffen. Darüber hinaus übernimmt der Staat politische und finanzielle Mitverantwortung zur Verwirklichung industrieller Ankeransiedlungen.
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Ziel der Kommission ist es, dass die wegfallenden tarifgebundenen Arbeitsplätze und die Ausbildungsplätze für Fachkräfte der Braunkohleindustrie und ihrer Zulieferunternehmen durch neue Investitionen
der Unternehmen kompensiert werden. Hierfür sieht sie das verlässliche Engagement privater Investoren als notwendig an. Ihr ist bewusst, dass es dazu wirksamer Anreize bedarf (z.B. Investitions- und
Markteinführungsanreize) und öffentliche Hand und Privatwirtschaft eine starke Partnerschaft eingehen
müssen. Grundsätzlich sollten die Wachstumsprozesse dabei strukturell, technologieoffen, nachhaltig
und zukunftsfähig angegangen werden.
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Die Bundesregierung sollte die Strukturentwicklungsstrategie in eine Gesamtstrategie für eine wachsende Investitionsdynamik einbetten. Denn so wichtig Strukturpolitik für die Regionen ist, kann sie sich
doch nur in einem wachstumsfreundlichen Umfeld vollumfänglich entfalten. Die Rahmenbedingungen
für Investitionen in solche Industriearbeitsplätze sind daher wirtschaftsfreundlich und investitionsanreizend auszugestalten. Dies ist neben der Bereitstellung finanzieller Mittel für die Regionen eine zweite
notwendige Voraussetzung für erfolgreiche Strukturentwicklung. Ansiedlungen können nur gelingen,
wenn investitionspolitische Rahmenbedingungen international wettbewerbsfähig sind.
987
Sichere Rahmenbedingungen und regulatorische Erfordernisse
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Der Strukturwandelprozess ist weitestgehend unabhängig von kurzfristigen Entscheidungsprozessen
abzusichern. Die Empfehlungen der Kommission zielen darauf ab, sowohl auf nationaler als auch auf
europäischer Ebene rechtlich sichere Rahmenbedingungen für zukünftige Investitionen und alle Beteiligten zu schaffen.
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Strukturpolitische Maßnahmen brauchen eine vernünftige Steuerung. Um Verlässlichkeit, Rechtssicherheit und Planbarkeit zu gewährleisten, sollte deshalb die Strategie durch Strukturwandelgesetz(e),
Staatsverträge oder vergleichbare Instrumente umgesetzt werden. Mittel- und langfristig begleitende
Strukturfördermaßnahmen sind zudem in einem umfassenden Begleitgesetz zu verankern.
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999
Es müssen Prozesse beschleunigt und bestehende Instrumente auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Das Ziel muss sein, wo immer möglich, diese bestehenden Instrumente noch effektiver für die
Reviere zu nutzen, beispielsweise in der Strukturpolitik oder der Infrastrukturbereitstellung sowie bei
den Planungs- und Genehmigungsverfahren.
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Finanzierung
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Zusätzlich zu den bestehenden Instrumenten bedarf es eines neuen Finanzierungsinstruments, mit dem
strategische Investitionen in den Regionen gebündelt und langfristig ausfinanziert werden können.
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Im Bundeshaushalt sind für diese Legislaturperiode zusätzlich 1,5 Mrd. Euro als prioritäre Ausgaben für
Strukturpolitik vorgesehen, dies betrachtet die Kommission allenfalls als einen ersten Schritt. Diese 1,5
Mrd. Euro sollen den Revieren unmittelbar zur Verfügung stehen und im Sinne eines Sofortprogramms
genutzt werden. Daneben wird sich die Kommission dazu verständigen, welche zusätzlichen Mittel und
für welchen Zeitraum erforderlich sind, um den Strukturwandelprozess auch über diese Legislaturperiode hinaus langfristig zu begleiten.
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Dabei wird ein besonderer Schlüssel zu erstellen sein, welchen Anteil der Gelder die einzelnen Braunkohleregionen jeweils erhalten. Nicht verbrauchte Mittel sollten grundsätzlich auf die Folgejahre übertragbar sein.
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Projekte, die mit Mitteln des Bundes gefördert werden, müssen im Einklang mit den international vereinbarten sustainable development goals (SDGs) stehen, um langfristig tragfähige Entwicklungen zu
unterstützen. Besonders wichtig ist dabei die Förderung einer CO2-neutralen Wirtschaft.
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Ein noch festzulegender Anteil der Mittel sollte nicht auf den „wirtschaftlichen“ Strukturwandel beschränkt sein, sondern dafür verwendet werden um zivilgesellschaftliche Aktivitäten, Lebensqualität und
weiche Standortfaktoren zu stärken und weiterzuentwickeln.
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Mögliche Entschädigungen für Energieversorger wegen kürzerer Kraftwerkslaufzeiten sollen nicht aus
den für die Reviere vorgesehenen Strukturfördergeldern finanziert werden.
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Passgenauigkeit/ Revierbezug
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Die Strukturentwicklungsstrategie muss auf das jeweilige Revier zugeschnitten sein. Die Reviere haben
unterschiedliche Bedürfnisse, was die Instrumente angeht.
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Monitoring
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Die Kommission sieht es als notwendig an, den Erfolg des Strukturwandels durch eine Beschäftigungsbilanz zu messen. Ein regelmäßiges Monitoring gibt einen genauen Überblick über die Zahl der industriellen Arbeitsplätze, die durch den Strukturwandel verloren gehen, und die Zahl adäquater Arbeitsplätze,
die neu geschaffen werden. Strategisches Ziel ist eine positive Beschäftigungsbilanz.
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5.3.
Maßnahmen zur Begleitung des Strukturwandels
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Maßnahmen für Industrie und Mittelstand
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Ein nachhaltiger Strukturwandel in den Regionen kann gelingen, wenn die vorhandene industrielle und
energiewirtschaftliche Grundlage der Reviere als Entwicklungspotential für die Zukunft genutzt wird
und die Innovations- und Investitionszyklen der vorhandenen industriellen Akteure berücksichtigt werden. Es gilt, an die regionalen Industriecluster und betrieblichen Kompetenzen, die Fähigkeiten der gut
ausgebildeten Fachkräfte und die vorhandenen Stärken im Bereich Forschung und Entwicklung anzuknüpfen, um technologische Innovationspfade zu öffnen und die Transformation zu nachhaltigen Innovationsregionen zu ermöglichen.
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Um eine langfristig tragfähige Wirtschaftsstruktur zu sichern, sind auch die Belange von Mittelstand und
Handwerk zu berücksichtigen, ohne die ein für Fachkräfte attraktives und lebenswertes Umfeld nicht
realisierbar ist und die für die industriellen Vorleistungen notwendig bleiben. Dies ist bei der Fortentwicklung der Förderkulisse angemessen zu berücksichtigen.
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Die Kommission sieht es als besondere Herausforderung an, dass trotz des Rückzugs der Braunkohlewirtschaft regionale und bundesweite Wertschöpfungsketten erhalten bleiben bzw. weiterentwickelt
und neue angesiedelt werden.
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Die Rahmenbedingungen für Investitionen in solche Arbeitsplätze sind daher wirtschaftsfreundlich und
investitionsanreizend auszugestalten, damit bestehende Wertschöpfungsnetzwerke, die in den Regionen etabliert (z.B. Chemie, Papier, Aluminium, Stahl, Energiewirtschaft) und bisher eng mit der Kohleverstromung verwoben sind, auch dort verbleiben und mit eigenen Investitionen die regionale Entwicklung fördern, statt ihre Standortwahl zu überdenken. Ziel muss es darüber hinaus sein, gerade in
diesen Branchen zusätzliche Investitionen zu generieren. Hierfür sind wettbewerbsfähige Strompreise
und eine dauerhaft sichere Energieversorgung unverzichtbare Grundlagen unseres Industriestandortes.
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Raumentwicklung, Infrastrukturausbau und –ausbaubeschleunigung
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Raumentwicklung
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Über Jahrzehnte verhinderten die großen Tagebaue mit ihrer Barrierewirkung eine zusammenhängende
Entwicklung des Raumes und die Herausbildung von vernetzten Infrastrukturen. Der räumliche Wandel
in den Revieren soll von Bund und Ländern unterstützt werden und ist so zu gestalten, dass neue
Standortqualitäten für Wohnen und Arbeiten entstehen. Der Strukturwandel bietet die Chance zur Entwicklung von klimawandelresilienten (Bergbau-) Folgelandschaften mit hoher regionaler Wertschöpfung.
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Eine besondere Verpflichtung für Länder und Kommunen sieht die Kommission darin, rechtzeitig ausreichende Flächen für Neuansiedlungen in den Regionen zur Verfügung zu stellen und diese Flächen,
unter Nutzung von Elementen zur Beschleunigung von Planung und Genehmigung, mit allen notwendigen und modernen Infrastrukturen zu erschließen.
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Digitale Infrastruktur
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Die Kommission sieht es als eine wesentliche Voraussetzung für den Strukturwandel an, dass strukturelle Schwächen in den betroffenen Regionen insbesondere in der Infrastruktur überwunden werden. Infrastrukturpolitik ist eine wesentliche Säule der Strukturpolitik. Eine moderne und leistungsfähige Verkehrs- und digitale Infrastruktur zur Erschließung und Anbindung vorhandener sowie dringend benötigter neuer Flächen ist mittlerweile – auch angesichts der Flächenengpässe in den Ballungsräumen – ein
ganz wesentlicher Standortfaktor für Investitionsentscheidungen. Für eine zukunftsfeste Perspektive der
Reviere ist neben der Anbindung von Industrie- und Technologieparks, Gewerbegebieten und wissenschaftlichen Einrichtungen flächendeckend ein hochmodernes digitales Infrastrukturnetz auf Glasfaserbasis und die Ertüchtigung der Mobilfunknetze unabdingbar. Ziel kann nur eine Versorgung mit gigabitfähiger Infrastruktur sein. Wo dies durch einen marktgetriebenen Ausbau nicht erreicht wird, erscheint
eine Unterstützung durch staatliche Eingriffe notwendig. Voraussetzung dafür ist in Gebieten, die mit
mindestens 30 Mbit/s, jedoch keiner gigabitfähigen Infrastruktur versorgt sind, eine Anpassung der
NGA-Definition durch die EU-Kommission (sogenannte Aufgreifschwelle).
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Der nächste Mobilfunkstandard 5G wird gegenüber dem jetzigen Mobilfunk völlig neue Anwendungen
ermöglichen. Dafür sind Technologien, Geräte und Anwendungen zu erforschen und zu entwickeln. Diese Chancen gilt es in die Reviere zu tragen. Voraussetzungen dafür sind jedoch eine entsprechende
Netzabdeckung zur Erprobung und Anreize für diesbezügliche Ansiedlungen. Insbesondere die bislang
schlechter digital erschlossenen Reviere im Rheinischen Revier und der Lausitz können als zusätzliche
5G-Modellregionen erschlossen werden und so die Startbedingungen erhalten, auch außerhalb größerer
Ballungsräume digitalen Fortschritt zu etablieren. Das Lausitzer Revier bietet hierbei zukunftsträchtige
Ansatzpunkte als Modellregion für 5G. Die Forschung, Entwicklung und Erprobung von neuen Mobilitätsanwendungen auf dem Lausitzring bspw. durch die Dekra (autonomes Fahren) würde wesentlich
unterstützt. Im Rheinischen Revier könnte ein 5G-Reallabor eingerichtet werden (Testzentrum 5GAnwendungen). Die Anwendungen sind mit Feldtests in einer Modellkommune zu verbinden.
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Verkehrsinfrastruktur
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Um Infrastrukturprojekte in den vier Braunkohlerevieren schneller umsetzen zu können, sollen zusätzliche Infrastrukturprojekte geplant und höher priorisiert werden. Denkbar wäre hierfür die Einführung
eines „Revierbonus“ unter dem Motto „Vorfahrt für die Strukturentwicklungsgebiete“. Zudem bestehen
Engpässe bei der Planung von Infrastrukturvorhaben durch die öffentliche Hand. Es sollte daher die Realisierung von Infrastrukturvorhaben in den Revieren genutzt werden, um – auch als Modell für andere
Regionen – die Beschleunigung durch die Finanzierung extern vergebener Planungen zu erreichen. Hier
sollen auch Infrastrukturprojekte zur Finanzierung aufgenommen werden, die sonst typischerweise in
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Verantwortung der Länder und Kommunen finanziert werden. Auch die Umpriorisierung bereits geplanter Maßnahmen wäre ein sinnvolles Instrument. Die rechtliche Umsetzung sollte dabei das Ziel verfolgen, bei den konkreten Planungsprozessen für den Ausbau der wichtigsten Bahnverbindungen ohne
Zeitverzug im Laufe des Jahres 2019 zu beginnen.
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Weitere mögliche Maßnahmen sind der Ausbau und die Ergänzung sowie die Verbesserung der bestehenden Anbindung der Reviere an entwicklungsfördernde Zentren, zum Beispiel durch Verkürzung der
Taktzeiten im Schienenpersonennahverkehr und die Ertüchtigung der bestehenden Verbindungen in die
Metropolen. Die Kommission weist darauf hin, dass neben dem Ausbau von Verkehrsinfrastrukturen mit
Mitteln des Bundes auch eine Verantwortung der Länder besteht, die entsprechenden Verkehrsleistungen zu bestellen.
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Aus Sicht der Bundesländer sind die nachfolgenden Infrastrukturprojekte unabdingbar, um wirksame
Strukturentwicklungsimpulse zu entfalten:
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Insbesondere für die ostdeutschen Reviere bietet eine gute infrastrukturelle Anbindung an die urbanen
Räume Berlin, Dresden und Leipzig, die das Pendlerpotential – also den Zugang zu Fachkräften – berücksichtigt, erhebliche Chancen.
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In der Lausitz stellt die bestehende Verkehrsinfrastruktur eine besondere Herausforderung dar. Neben
der für den grundlegenden Strukturwandel langfristig notwendigen Impulse ist es erforderlich, dass die
Menschen in der Lausitz durch die Elektrifizierung der Strecke Dresden-Görlitz, und den Ausbau/die
Elektrifizierung der Strecke Berlin-Cottbus-Görlitz als Schnellzug-Verbindung, den zweigleisigen Ausbau
der Strecke Cottbus-Lübbenau, den Ausbau Cottbus-Leipzig sowie Cottbus-Dresden und der Elektrifizierung der Strecke Cottbus-Forst eine kurz- bis mittelfristig spürbare Verbesserung der Anbindung erfahren. Dazu gehören u.a. der Umbau des Bahnhofs Königs Wusterhausen, die sofortige Elektrifizierung des
Streckenabschnitts Görlitz-Niesky sowie Görlitz-Grenze Deutschland/Polen, um direkte Verbindungen
von Wroclaw über Görlitz nach Berlin und zurück zu ermöglichen und Görlitz in die Mitte eine internationalen Eisenbahnachse zu rücken, eine direkte Tagesrandverbindung von Görlitz nach Berlin und zurück
sowie eine höhere Taktung auf der Strecke Dresden-Görlitz und auf den regionalen Verbindungen in der
Lausitz. Um die Taktzeiten in den Revieren generell verkürzen können, bedarf es einer Aufstockung der
Regionalisierungsmittel des Bundes, damit vorhandene Infrastruktur intensiver genutzt werden kann.
Eine kurzfristig umsetzbare Maßnahme wäre die Organisation der „letzten Meile“, beispielsweise durch
Modellprojekte zum vorreservierten Verleih von Elektrorollern und Pedelecs (E-Bikes).
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Für die Attraktivität des Mitteldeutschen Reviers ist eine gute Anbindung an den Ballungsraum HalleLeipzig mit kurzen Taktzeiten wichtig. Dabei sind engere Taktungen (wie bspw. für die Strecke ChemnitzBorna-Leipzig), der Ausbau des S-Bahnnetzes (bspw. Etablierung einer neuen S-Bahn-Linie von Leipzig
über Markranstädt nach Naumburg und alternierend nach Merseburg) sowie der Ausbau des PlusBusund Rufbussystems insbesondere in den Abendstunden und zu Schichtwechselzeiten ansässiger Unternehmen voranzubringen. Auch der City-Tunnel Leipzig sollte einen Beitrag zur Verbesserung des Schienenpersonennahverkehrs leisten. Grundvoraussetzung hierfür wäre die Aufrüstung der Eisenbahnsicherungstechnik im Tunnel. Zudem würde die Elektrifizierung der Bahnverbindungen Leipzig-Zeitz-Gera und
Zeitz-Weißenfels-Halle die Anbindung von Klein- und Mittelzentren in Mitteldeutschland an die Oberzentren Erfurt, Halle und Leipzig verbessern.
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Die strukturschwachen Reviere in Mitteldeutschland und der Lausitz sollten enger verzahnt und in überregionale Logistikketten eingebaut werden. Der Bau einer neuen Ost-West-Straßenverbindung als Magistrale zwischen dem Mitteldeutschem und dem Lausitzer Revier würde die infrastrukturellen Voraussetzungen für Unternehmensansiedelungen in diesen Regionen deutlich verbessern. Außerdem ist der
Ausbau der Autobahn 13 zwischen Schönefeld und Autobahndreieck Spreewald erforderlich.
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Für das Rheinische Revier implizieren die großen Herausforderungen einer räumlichen Entwicklung auch
die Möglichkeit einer zukunftsfähigen, ambitionierten und dynamische Raumentwicklung. Dabei benötigen die Tagebaurandkommunen besondere Unterstützung. Es soll eine Internationale Bau- und Technologieausstellung Rheinisches Zukunftsrevier ausgerufen werden, die die Neuordnung des Raums, die
Weiterentwicklung ihrer Siedlungen als ORTE DER ZUKUNFT in einem MOBILITÄTSREVIER DER ZUKUNFT
mit dem Anspruch verknüpft, hier wegweisende Schritte in eine innovative und klimafreundliche Zukunft mit hoher Lebensqualität zu gehen. Eine gute infrastrukturelle Anbindung des Rheinischen Reviers
zu den umliegenden Oberzentren und zur Entlastung dieser Oberzentren ist eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen dieses Konzepts. Die Ausstellung soll gemeinsam mit den Menschen der Region,
mit den Kommunen und der Wirtschaft in einem beteiligungsorientierten, hochqualitativen Prozess
umgesetzt werden. Der neue Campus Rhein-Erft mit dem Profil Raumentwicklung und Infrastruktursysteme, Infrastrukturmanagement, Geoinformatik (Transformationsmanagement) unterstützt diese Entwicklung.
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Versorgungsinfrastruktur
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Zum Thema Strukturwandel gehört auch der Erhalt der vorhandenen Infrastrukturen. Schon heute stellt
der demografische Wandel in den Braunkohleregionen die kommunalen Energie- und Wasserversorger
aufgrund der Auswirkung auf die Aufrechterhaltung ihrer Infrastruktur vor enorme Herausforderungen.
Die Attraktivität der Regionen für die Anwohner muss daher auch durch eine bezahlbare, effiziente und
zukunftsfähige Wärmeversorgung gewährleistet werden.
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Zu der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren gehört auch, dass die Verwaltungen
auch personell in die Lage versetzt werden, Anträge rasch und sorgfältig zu bearbeiten. Denkbar ist
ebenfalls die Verkürzung auf eine Klageinstanz bei Planfeststellungsverfahren – analog zum Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz im Zuge der VDE-Projekte.
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Die in den Revieren auf den Energiesektor ausgerichtete Netzinfrastruktur und das über viele Jahrzehnte
aufgebaute Know-How in diesem Sektor sollte auch zukünftig bei der Umwandlung hin zu einer Energiewirtschaft, die auf regenerativen Ansätzen beruht, eingebracht werden können. Mit entsprechenden
Reallaboren könnten neue Wertschöpfungsketten aufgezeigt und zu einer Diversifizierung der Industrielandschaft beigetragen werden (Wasserstoffproduktion, Brennstoffzelle, Batteriespeicher, Power-to-X,
stoffliche Nutzung von Kohle). Dies kann auch für die Weiterentwicklung der bestehenden Standorte der
chemischen Industrie genutzt werden (stoffliche und klimaneutrale Nutzung von CO2, Synthesegase auf
Basis erneuerbarer Energien).
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Aus Sicht der Bundesländer sollten die vorhandenen Potentiale der Energie- und Industrieregionen genutzt werden, um die Transformation des Energiesystems und die industrielle Transformation mit der
Sicherung und Weiterentwicklung von Kompetenzen im Bereich von Forschung, Entwicklung und Innovation (FuEuI) zu verbinden. Im Lausitzer Revier kann dies beispielsweise durch einen Verbund aus Projekten adressiert werden. Die Verbindung von Wasserstoff, Netzinfrastruktur und anwendungsorientierter Forschung ist hierfür ein gutes Beispiel. Konkret geht es um Projektideen in Brandenburg zur Errichtung einer Demonstrationsanlage für hydrothermale Vergasung, die Machbarkeitsprüfung eines innovativen Rotationsspeichers inkl. möglicher Pilotanlage, die Errichtung einer Pilotanlage für ein „Referenzkraftwerk-Wasserstoff“, das potentiell wichtige Systemleistungen erbringen kann. Diese Projekte sollten
durch die Ansiedlung eines Fraunhofer Institutes für Energieinfrastruktur (Teil-Institut an der BTU Cottbus-Senftenberg), das sich mit Energieinfrastruktur und Netzen beschäftigt, begleitet werden. Grundlegende Fragen und Herausforderungen der Transformation des Energiesystems können so konkret angegangen werden. Um die Lausitz als Energie-, Industrie- und Innovationsregion zu stärken und weiterzuentwickeln, sollten solche Maßnahmen, die den industriellen Entwicklungspfad der Reviere aufgreifen
und transformieren, seitens des Bundes unterstützt werden.
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Das Rheinische Revier weist mit seinen Kraftwerksstandorten, den von einer zuverlässigen Energieversorgung abhängigen energieintensiven Unternehmen und seinen Innovationskompetenzen eine hohe
Lagekompetenz für die Investition in das durch die Energiewende neu zu konzipierende Produkt „Versorgungssicherheit“ auf. Durch die Nähe zwischen Energieangebot und energieintensiver Industrie kann
das Rheinische Revier als Energierevier der Zukunft einen zentralen Beitrag zur Netzstabilität und Versorgungssicherheit für Europa leisten. Schlüsselprojekte sind das Wärmespeicher-Kraftwerk Store-toPower, die Ansiedlung eines neuen DLR-Instituts für Hochtemperaturwärmepumpen, der Aufbau eines
intelligenten regionalen Energiemanagements ebenso wie eines neuen Fraunhofer Instituts für EnergieInfrastruktur (Teil-Institut NRW für Digitale Energie).
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Forschungseinrichtungen und Innovationsregionen
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Der Wissenschaftssektor spielt eine zentrale Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung der Regionen. Er
ist Grundlage für Innovationen und Aufbau von Fachkräftepotentialen. Die Innovationskraft wiederum
ist ein wichtiger Gradmesser für die Fähigkeit, neue Wertschöpfungsketten zu schaffen.
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Die Kommission befürwortet eine Verstärkung der Forschungsstandorte in den Revieren und den Ausbau der Kooperation zwischen angrenzenden Wissenschafts- und Forschungsinstitutionen sowie die
enge Kooperation mit der Wissenschaft und Wirtschaft. Das Ziel ist ein systematischer Wissens- und
Technologietransfer und daraus resultierend die Entwicklung neuer, verwendungsoffener Technologien,
die aktuelle Trends aufgreifen und sich durch Anschlussfähigkeit an die bestehenden industriellen und
energiewirtschaftlichen Kernkompetenzen auszeichnen. Weitere positive Impulse wären zudem aus der
Kombination einer Ansiedlung von Forschungseinrichtungen, der Etablierung von Reallaboren, der sozialwissenschaftlichen Begleitforschung und weiteren, zusätzlichen Fördermöglichkeiten zu erwarten, um
so echte „Innovationsregionen“ zu schaffen. Die Kommission weist darauf hin, dass vor allem in den
Braunkohle-Regionen die wissenschaftliche (Vor-Ort-) Begleitung und das (Vor-Ort-) Monitoring des
Strukturwandels als wichtiges Thema der Wissenschaftslandschaft etabliert werden sollte. Die Möglichkeit, hieraus Clusterstrategien zu entwickeln, sollte unterstützt werden.
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Aufgrund der sehr geringen FuE-Quote in den ostdeutschen Revieren und zum Aufbau von Innovationspotenzialen sollte daher die pilothafte Einführung einer steuerlichen FuE-Förderung erfolgen, die bei
den Personal- und Auftragskosten für Forschung und Entwicklung ansetzt. Dafür ist auch die Förderung
sozialer Innovationen zu berücksichtigen.
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Es wäre zu prüfen, ob den Revieren durch eine Erhöhung der Förderintensitäten etwa in den Bereichen
der industriellen Forschung und der experimentellen Entwicklung besondere Förderbedingungen eingeräumt werden sollen.
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Die Innovationskraft des Lausitzer und des Mitteldeutschen Revier fällt gegenüber den westdeutschen
Revieren deutlich ab. Vor allem in der privaten Wirtschaft ist das Potential, Innovationsprozesse zu
initiieren und an Förderprogrammen zu partizipieren, begrenzt. In diesen Regionen sollten daher zusätzlich zur Förderung durch FuE-Programme auch eine gezielte Stärkung der vorhandenen öffentlichen
Forschungsinfrastruktur und die Ansiedlung neuer Forschungseinrichtungen in Betracht gezogen werden. Mit der Ansiedlung bzw. dem Ausbau von öffentlichen Forschungseinrichtungen erhöht sich auch
das Potential, an Förderprogrammen im FuE-Bereich zu partizipieren. Der Ausbau der Forschungsinfrastruktur an lokalen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen kann neben der Erhöhung des Innovationspotentials in den ostdeutschen Revieren auch dazu dienen, Mittelzentren wie
z.B. Görlitz/Zittau oder Merseburg zu stärker, die in dünnbesiedelten Regionen eine wichtige Ankerfunktion für die wirtschaftliche und demografische Entwicklung übernehmen können.
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Ein Ausbau der öffentlichen Forschungsinfrastruktur in den ostdeutschen Revieren soll sich an vorhandenen, perspektivischen und neuartigen (technologischen) Schwerpunkten der regionalen Wirtschaft
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orientieren. Dies eröffnet Potentiale für Kooperationen zwischen Wissenschaft und regionaler Wirtschaft und einen Transfer neuen technologischen Wissens, durch den die Wettbewerbsfähigkeit der in
den Revieren ansässigen Unternehmen gestärkt werden kann.
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Ein Ausbau der Forschungskapazitäten sollte mit einer entsprechenden Erweiterung der Angebote im
tertiären Bildungsbereich verbunden werden. Diese Bildungsangebote können dazu beitragen, die Attraktivität der Regionen für junge Menschen, die einen tertiären Bildungsabschluss anstreben, zu erhöhen. Sie leisten zudem einen Beitrag zur Sicherung des regionalen Fachkräftepotentials, wenn Absolventen nach Abschluss des Studiums eine Beschäftigung im regionalen Arbeitsmarkt aufnehmen. Die
Bleibewahrscheinlichkeit von Hochschulabsolventen steigt, wenn sie schon während des Studiums Arbeitserfahrung in der Studienregion sammeln und Kontakte zu potentiellen Arbeitsgebern aufbauen
können.42 Dies könnte durch entsprechende Maßnahmen in den Revieren, wie z.B. studienbegleitende
Praktika, unterstützt werden.
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Aus Sicht der Bundesländer sollten im Rahmen einer Forschungs- und Transferoffensive "IndustrieInnovationszentren" zur Förderung von groß angelegten Kooperationsnetzwerken aus Industrieunternehmen, digitalen Start-ups, Hochschulen und Forschungseinrichtungen eingerichtet werden.
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Bestehende Ansätze, wie das in Görlitz geplante CASUS als internationales Zentrum (als Teil des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf) für Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, die gemeinsam
digitale Methoden für die Systemforschung entwickeln, sollten weiter vorangetrieben werden. Erwartet
werden eine internationale Sichtbarkeit in relevanten Zukunftsthemen, die Steigerung der Attraktivität
der Region für akademische Fachkräfte und der Transfer digitaler Systemforschungsmethoden in die
Industrie.
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Die Integration von erneuerbaren Energien in die Sektoren Strom, Wärme, Industrie und Verkehr ist
eine der wichtigsten Aufgaben zur weiteren Umsetzung der Energiewende. Die bestehende Gasinfrastruktur und die Power-to-X-Technologie (PtX) können den entscheidenden Schlüssel für das Gelingen
der Sektorenkopplung und damit das Erreichen der Klimaziele liefern. Insbesondere durch die Umwandlung von erneuerbarem Strom in Wasserstoff bzw. Methan, chemische Ersatzstoffe oder erneuerbare Kraftstoffe, kann Strom über die bestehende Gasinfrastruktur und Tankinfrastruktur langfristig
gespeichert, transportiert und sektorenübergreifend nutzbar gemacht werden.
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Ein Forschungskonsortium von Professoren der TU Dresden wird beginnend ab 2019 gemeinsam mit
einem Reallabor im Lausitzer Revier verschiedene Speichertechnologien und Power-to-X-Verfahren
anwendungsnah erforschen und neue Erkenntnisse unmittelbar in die Lehre einfließen lassen. Aufgrund
der thematischen Ausrichtung besteht hier eine hohe Schnittmenge mit dem Projekt HZwo INFRA in
Görlitz. In dieser Kombination aus Forschung und praktischer Anwendung wird bei diesem Thema hohes Potenzial gesehen, das als spürbarer Beitrag zur Strukturentwicklung in der Lausitz weiter unterstützt werden sollte. An der BTU Cottbus-Senftenberg sollte zur Nutzung der Potentiale der (industriellen) Energieerzeugung durch Wasserstoff i. V. m. mit der Energieinfrastruktur und der Nutzung von
Erneuerbaren Energien die Ansiedlung eines entsprechenden Fraunhofer Institutes erfolgen. In Nutzung der Expertise der BTU Cottbus sollte ein DLR-Institut „Energieeffiziente Antriebe in der Luftfahrt“
geschaffen werden.
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Dies zeigen Analysen des Wanderungsverhalten von Hochschulabsolventen in Deutschland, siehe Homolkova, K.;
Niebuhr, A.; van Rienen, V. (2016): Arbeitsmarkteintritt der Studierenden der Fachhochschule Kiel. Analyse des
Erwerbseintritts, der Mobilität und der frühen Erwerbsphase der Studierenden der Fachhochschule Kiel im Zeitraum 2005 - 2014. IAB-Regional Nord 07/2016, Nürnberg.
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Das Rheinische ENERGIEREVIER DER ZUKUNFT setzt Impulse für Forschung und Entwicklung, die die
Geschäftsmodelle der Energiewirtschaft in das Energiesystem der Zukunft führen. Dazu gehören Orte
der Zukunft wie die Einrichtung einer Tiefengeothermie an einem ehemaligen Kraftwerksstandort, ein
CO2-freies Energieversorgungssystem am Campus Melaten oder die Weiterentwicklung der Solarcity
Jülich. Dabei ist sowohl im Rheinischen Revier als auch bundesweit besonders zu berücksichtigen, wie
die energieintensive Industrie trotz aufgrund der Energiewende steigender Energiepreise ihre Wettbewerbsfähigkeit behält. Die hohe Bedeutung der Energiekosten für ihre Produktion führt zu besonderer
Energieeffizienz. Weitere Einsparmaßnahmen lassen sich oft nur mit Technologiesprüngen bewältigen.
Im Rheinischen Revier soll die Forschung auch der bestehenden Lehrstühle und Institute mit Produktionskompetenz stärker für die Entwicklung von Transformationstechnologien und -prozessen genutzt
werden: Der Institutsverbund Campus Melaten / Campus West an der RWTH Aachen soll um einen
Verbundansatz „Low Carbon Technologien“ mit einem neuen Institut ergänzt werden. Im Rhein-Kreis
Neuss werden mit dem Campus Changeneering für die Sektoren Metall, Chemie und Gesundheit Forschung, Wissenschaft und Wirtschaft vernetzt und kooperativ Innovationen in den jeweiligen Bereichen
aber auch CrossOver unter besonderer Betrachtung der Digitalisierung vorangetrieben und ein Raumund Vernetzungsangebot für Gründer und Gründerinnen, Start-ups und Freelancer angeboten.
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Die Universitäten, Hochschul- und Forschungseinrichtungen rund um das Rheinische Revier besitzen
eine ausgewiesene Exzellenz. Mit dem Brainergy Park Jülich kann ein wesentlicher Beitrag zur Energieeffizienz geleistet werden. In der Konzentration hoch innovativer Unternehmen und Forschungseinrichtungen wird ein Kompetenzareal mit Pioniercharakter geschaffen, das als selbständiger Energiespeicher
fungiert. Um die anstehende Transformationsaufgabe zu bewältigen, muss es darum gehen, die Potentiale aus den Hochschulen und Forschungseinrichtungen für die Entwicklung der Region noch wirkungsvoller nutzbar zu machen. Dazu sollen die Universitäten und Hochschulen Aachen, Köln und Düsseldorf
sowie das Forschungszentrum Jülich gemeinsam mit vielen weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen
durch die Nutzung ihrer exzellenten Forschung im Rahmen von Start-up Centern Impulse für Gründungen und Ausgründungen in die Region setzen. Projekte sind das Exzellenz Start-up Center plus, die Einrichtung eines Blockchaininstituts und der Aufbau einer New Business Factory.
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Die Glasbranche ist in der mitteldeutschen Region ein zukunftsträchtiges Kernelement für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. Um qualifizierte Aus- und Weiterbildungsangebote im Bereich
Glas/Keramik/Baustoffe direkt in der Region anbieten zu können, könnte die Errichtung eines
„Glascampus Torgau“ einen wichtigen Beitrag leisten als hochqualifizierendes, akademisch ausgerichtetes Weiterbildungszentrum für Fachkräfte der Glasbranche. Ziel ist die Sicherung und der Ausbau der
technischen Glasindustrie im Mitteldeutschen Revier mit überregionaler wirtschaftlicher Bedeutung.
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Als Kohlenstoffträger kann die Braunkohle als Rohstoff für die chemische und petrochemische Industrie
dienen. Sie wird in Deutschland noch über viele Jahre abbaubar sein. Die Klärung der Frage, ob, in welchem Umfang und unter welchen Rahmenbedingungen dies möglich sein kann, bedarf weiterer Forschung.43 Ein geeigneter Ansatz unter Nutzung der vorhandenen Potentiale im Mitteldeutschen Revier
wäre die Schaffung eines Modellprojektes des Fraunhofer Institutes zur weiteren stofflichen Nutzung
der Braunkohle.
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Wesentlich für die nachhaltige Entwicklung und die Zukunftsfähigkeit von Regionen ist es, dass Unternehmen nicht nur auf die Anforderungen der Digitalisierung reagieren, sondern auch entsprechende
Geschäftsmodelle im Rahmen der Digitalisierung entwickeln können. Alle zukunftsgetragenen Prozesse
basieren auf der Erfassung und Nutzung großer Datenmengen. Eine hauptsächlich von KMUs geprägte
Unternehmenslandschaft wie in der Lausitz steht dabei vor besonderen Herausforderungen. Die einzel43
Bislang unveröffentlichte Studie von Prof. Dr. Armin Grunwald, Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
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nen Unternehmen können im Allgemeinen weder in die Hardware noch in die spezialisierten Fachkräfte, wie z.B. Datenanalysten, in ausreichendem Maße investieren. Insofern gilt es im Lausitzer Revier,
mit Anbindung an die BTU Cottbus-Senftenberg Dienstleistungszentren (data warehouses, data mining,
data analysis) zur Unterstützung von KMU bei der Digitalisierung anzusiedeln. Als Pilotprojekt sollte ein
erstes Dienstleistungszentrum in Cottbus errichtet werden.
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Um an die vorhandenen Potentiale im Mitteldeutschen Revier anzuknüpfen, bietet sich die Gründung
einer staatlich anerkannten privaten Hochschule, um anfänglich Bachelor-Programme in Elektrotechnik,
Informatik und Wirtschaftsinformatik an. Mit dieser technischen Ausrichtung könnte zudem das mit der
Schließung der Telekom-Hochschule in Leipzig entstandene technische Defizit ausgeglichen werden, da
die Universität Leipzig fast ausschließlich geisteswissenschaftlich geprägt ist. Das ebenfalls neue aufzubauende Deutsch-Amerikanische-Institut (DAI) soll idealerweise mit angebunden werden.
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Experimentierklauseln, Reallabore und regulatorische Maßnahmen
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Die betroffenen Regionen sollten zu Innovationsregionen werden, die neue Wege beschreiten. Ebenso
wie bei den Förderprogrammen müssen Bund und Länder dafür Spielräume in den vorhandenen Regelungen und Rahmenbedingungen schaffen, die im Einklang mit den erreichten Standards zum Beispiel im
Umwelt- oder Arbeits- und Tarifrecht stehen. Bei der Identifizierung und Umsetzung möglicher Ausnahmen müssen Bund und Länder eng zusammenarbeiten. Es sind Maßnahmen zu ergreifen, die es erlauben, in den Revieren Planungen zu beschleunigen, insbesondere im Hinblick auf kürzere Genehmigungsverfahren.
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In Ergänzung dazu eignet sich das von der Bundesregierung auch in ihrem neuen siebten Energieforschungsprogramm angekündigte Instrument der Reallabore, mit denen Vorhaben mit Pioniercharakter
für die Energiewende auf den Weg gebracht werden sollen. Es ist zu prüfen, ob einzelne Reallabore in
den Revieren als künftige Innovationsregionen unter regulatorischen Sonderbedingungen eingerichtet
werden können. Vor dem Hintergrund, dass Power-to-Gas zahlreichen Studien zufolge eine wichtige
Rolle bei der Flexibilisierung der Stromversorgung spielen und es in Zukunft einen erheblichen Ausbaubedarf von Power-to-Gas-Anlagen geben wird, sollte ein besonderer Schwerpunkt in den Reallaboren
der Strukturwandelregionen auf diese Technologie gelegt werden. Ein weiterer Schwerpunkt sollte darüber hinaus die Schaffung von Reallaboren im Bereich der „Grünen Fernwärme“ sein. Bei den Reallaboren sollten auch die Erfahrungen aus den gegenwärtigen Sinteg-Projekten aufgegriffen werden.
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Auch hier gilt, dass durch eine intelligente Kombination von regulatorischen Freiräumen und einer unterstützenden finanziellen Förderung zum Beispiel über einen Fonds die Reviere zu Vorreitern und Innovatoren für bestimmte Themen werden können.
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Die Reduzierung von unnötiger, das heißt sachlich nicht gerechtfertigter Bürokratie und Verwaltungsaufwand sollte ein weiterer Baustein sein, um die Wirtschaft von unnötigem Aufwand zu entlasten. Der
Schutz der Beschäftigten, der Verbraucher/innen, der Umwelt oder der Erreichung sozialer oder anderer
Gemeinwohlziele darf dem dabei jedoch nicht untergeordnet werden.
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Um die Strukturentwicklung auch europarechtlich zu flankieren, sollte durch die Bundesregierung mit
der Europäischen Union das Einvernehmen erzielt werden über
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•
•
deutsche Sonderfördergebiete nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstaben a und c des Vertrags über
die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),
eine integrierte Neuausrichtung der EU-Struktur- und Forschungsförderung in neu auszuweisenden Sonderfördergebieten (Modellregionen) jenseits der Einzellogiken der heutigen unterschiedlichen Strukturfonds und
die Anpassung des EU-Beihilferechts für neu auszuweisende Sonderförderregionen (Modellregionen),
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Anpassung der Förderungsregime, sodass auch in Deutschland als KMU eingestufte Unternehmen diese Förderung wahrnehmen können. Es gibt viele KMU, die Teil eines größeren Konzerns
sind und daher keine Förderung in Anspruch nehmen können.
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Ansiedlung von Behörden und öffentlichen Einrichtungen
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Die Kommission sieht die Notwendigkeit einer Selbstverpflichtung des Bundes und der Länder, in den
kommenden Jahren insbesondere Neugründungen und Erweiterungen, ggf. auch Verlagerungen von
Behörden oder Einrichtungen in den betroffenen Regionen vorzunehmen. Durch eine Stärkung der Präsenz der öffentlichen Hand in den Revieren, vor allem durch die Verlagerung und den Ausbau von Behördenstandorten in den Revieren, wird das Bekenntnis von Bund und Ländern zur Zukunft der Reviere
greifbar. Zudem unterstützen Beschäftigungs- und Kaufkrafteffekte die regionale Entwicklung. Die
Kommission hält es für sinnvoll und notwendig, für die Braunkohlereviere klare Zielgrößen für die Zahl
der anzusiedelnden Arbeitsplätze in Behörden des Bundes und der Länder zu definieren.
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Arbeitsmarktpolitik
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Der Einsetzungsbeschluss beauftragt die Kommission, an erster Stelle eine konkrete Perspektive für
neue, zukunftssichere Arbeitsplätze in den betroffenen Regionen zu schaffen. In der Braunkohleindustrie und Energiewirtschaft handelt es sich um hochqualifizierte und daher auch entsprechend tariflich
vergütete sozialversicherungspflichtige Industriearbeitsplätze. Die Perspektiven für neue, möglichst
tariflich abgesicherte Arbeitsplätze müssen daher einen vergleichbaren Standard bedienen, um einen
Strukturbruch zu vermeiden und die Wertschöpfung in den Regionen zu sichern. Mit dem aktiven und
präventiven Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Instrumente sollte sichergestellt werden, dass die
Menschen in den Revieren in ihren Kompetenzen gestärkt werden und Neuansiedlungen und Neugründungen von Unternehmen oder Forschungseinrichtungen nicht durch Fachkräftemangel behindert
werden.
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Zentrale Anliegen der Kommission sind die Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen und die Schaffung hochwertiger und zukunftssicherer Arbeitsplätze, die gerade auch für die Arbeitnehmer und Auszubildenden in der Kohleindustrie neue Beschäftigungsperspektiven eröffnen. Den Menschen in den
Revieren stehen dafür alle Maßnahmen und Dienstleistungen des SGB III zur Verfügung, um ihre individuelle Beschäftigungsfähigkeit im Wandel zu sichern und auszubauen. Dazu gehören unter anderem
Beratungs- und Vermittlungsangebote, Transferleistungen, Hilfen für Existenzgründer und Berufsorientierungsmaßnahmen für Schülerinnen und Schüler. Eine enge Verzahnung auf Bundes- und Landesebene stellt dabei sicher, dass die handelnden Akteure ihre Ressourcen bündeln und gemeinsame Lösungen für die Reviere finden, vorhandene Instrumente koordiniert nutzen und bei Bedarf neue Angebote
konzipieren, die sich ergänzen.
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Die Schaffung neuer, gut bezahlter (Industrie)Arbeitsplätze durch strukturpolitische Maßnahmen setzt
die Verfügbarkeit adäquat qualifizierter Fachkräfte voraus. Bildungsangebote und Qualifizierungsmaßnahmen sind daher eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Strukturpolitik in den Revieren insbesondere in den Regionen, die durch den demografischen Wandel mit einem Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials konfrontiert sind. Durch geförderte Qualifizierungen und berufliche Weiterbildungen kann es zudem gelingen, die Qualifikationen der Beschäftigten in den Revieren an sich wandelnde berufliche Anforderungen anzupassen, so dass diese Arbeitskräfte weiterhin im Industriebereich
und in der Energiewirtschaft tätig sein können. Die Vermittlung grundlegender Digitalisierungs- und
MINT-Kompetenzen sollte dabei eine ebenso hervorgehobene Rolle einnehmen, wie die Gewinnung von
Nachwuchs-Fachkräften.
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Die Qualifizierungsprofile der Beschäftigten in den Revieren sollten analysiert und bei Bedarf ausgebaut
werden, um aus den wegfallenden Berufsbildern Profile für andere, neue Beschäftigungsmöglichkeiten
zu entwickeln. Für die jungen Menschen wiederum bedarf es der Anpassung und Stärkung des Ausbildungs- und Bildungsbereiches entsprechend neuer Anforderungen und neuer struktureller Schwerpunkte, um eine attraktive Lebensperspektive in den Regionen zu bieten
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Die Unternehmen, insbesondere die Betreiber, sollten frühzeitig gemeinsam mit der Bundesagentur für
Arbeit Weiterbildungen und Qualifizierungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermöglichen.
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Die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sollten durch Analysen des bisherigen Strukturwandels in den
Revieren unterstützt werden: seit mehr als 20 Jahren werden Arbeitsplätze in den Tagebauen und den
dazugehörigen Kraftwerken abgebaut. Eine Analyse des Verbleibs der Beschäftigten, die in der Vergangenheit ihren Arbeitsplatz in den Revieren verloren haben, kann beispielsweise Personengruppen identifizieren, die besonders von Arbeitslosigkeit gefährdet sind und einer besonderen Förderung bedürfen.
Eine solche Analyse kann zudem Erfolgsfaktoren und Wirkungszusammenhänge zwischen den Potenzialen der Beschäftigten und Qualifizierungsmaßnahmen für die Braunkohlebeschäftigten identifizieren,
die für die Gestaltung der Arbeitsmarktpolitik vor Ort genutzt werden können.44
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Bei einer sukzessiven Schließung von Tagebauen und Kraftwerken besteht die Möglichkeit des Arbeitsplatzwechsels zwischen den verschiedenen Standorten innerhalb der Braunkohleunternehmen, aber
auch des Wechsels über Unternehmens- und Reviergrenzen hinweg. Potenzial für eine solche „interne
Vermittlung“ besteht, wenn etwa durch Übergänge in den Ruhestand Stellen an bestimmten Standorten zu besetzen sind und entsprechend qualifizierte Arbeitskräfte an anderen Standorten durch die
Schließung von Tagebauen ihren Arbeitsplatz verlieren. Mobilitätshilfen ermöglichen es den betroffenen Arbeitskräften, ihre speziellen Qualifikationen möglichst lang zu nutzen, und sie reduziert für die
Braunkohleunternehmen den Aufwand, hoch spezialisierte Arbeitskräfte zu qualifizieren oder befristet
zu rekrutieren.
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Die Bundesagentur für Arbeit sollte frühzeitig in die für den Strukturwandel verantwortlichen Begleitgremien eingebunden werden, um ihre Arbeitsmarktexpertise zur Zukunftsfähigkeit von Berufen sowie
vorhandener und benötigter Kompetenzen und Qualifikationen der Beschäftigten einbringen zu können. Es bedarf der Transparenz über das Qualifizierungsangebot in den Revieren und über Handlungsbedarfe bei der Anpassung bestehender Qualifizierungsangebote, damit Neuansiedlungen und Neugründungen von Unternehmen oder Forschungseinrichtungen nicht durch Fachkräftemangel behindert
werden.
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Regionale Verankerung und Beteiligung der Zivilgesellschaft
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Strukturentwicklung kann nur gemeinsam mit den Menschen gelingen, für die die Regionen Teil ihrer
Identität und ihre Heimat mit Tradition und Zukunft sind. Dafür notwendige Schritte sollten aus den
Regionen heraus organisiert bzw. fortgeführt werden, um die Menschen in die Veränderungsprozesse
aktiv einzubinden. Es geht dabei nicht nur um ökonomische Rahmenbedingungen, sondern auch um die
Attraktivität der Regionen in ihrer landschaftlichen Vielfalt, die kulturellen Traditionen sowie die Lebensqualität und Daseinsvorsorge. Zur Aktivierung des bürgerschaftlichen und zivilgesellschaftlichen
Engagements in den Regionen und der Förderung von Kunst und Kultur sind zielorientierte Förderprogramme nötig. Dies schließt im Lausitzer Revier die Förderung von Kultur und Identität der Minderheit
der Sorben/Wenden ein. Eine Beratung potenzieller Antragsteller zu allen Förderprogrammen ist sicherzustellen.
44
Eine erste Analyse des Verbleibs früherer Braunkohlebeschäftigter haben Franke et al. (2017) vorgelegt.
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Von zentraler Bedeutung wird dabei die Verzahnung der bereits vorhandenen regionalen Akteure unter
einem Dach für den Strukturwandel in jeder Region sein, um z.B. zur Einwerbung von Fördermitteln oder
als Ansprechpartner für den Bund und die EU einheitlich auftreten zu können.
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Förderprogramme
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Die Kommission hält es für erforderlich, die Förderlandschaft für die Reviere noch effektiver zu gestalten
und vor Ort mehr Kapazitäten zu schaffen, um Fördermittel zielgerichtet einsetzen zu können. Alle Bundesressorts müssen ihre Förderprogramme daraufhin überprüfen, wie Fördervoraussetzungen, konditionen und –volumen für einen prioritären Mitteleinsatz in den Regionen angepasst werden müssen und wo Flexibilisierungen möglich sind. Allerdings werden die Kommunen die finanziellen Lasten
nicht oder nur minimal mittragen können. Vor diesem Hintergrund sollten für den Einsatz in den Revieren die von den örtlichen Akteuren zu erbringenden Eigenanteile im Bedarfsfall abgesenkt werden können, bzw. alternative Finanzierungsformen für die Eigenanteile etabliert werden. Die Kommission hält es
für erforderlich, die Kommunen bei den erforderlichen Planungs- und Verwaltungskapazitäten in diesem
Bereich durch intelligente Lösungen zu unterstützen.
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Besondere Beachtung müssen die beihilferechtlichen Vorgaben der Europäischen Union erfahren, die
den Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten vorgeben. Die Bundesregierung sollte sich frühzeitig für
notwendige Anpassungen der einschlägigen Beihilfeleitlinien einsetzen. Zudem müssen angedachte
Ausweitungen bestehender Schutzmechanismen oder neue Mechanismen mit ausreichendem Vorlauf
einer beihilferechtlichen Prüfung unterzogen werden.
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Sofern künftig nicht alle Reviere durchgängig GRW-Fördergebiet sind, wäre zu prüfen, wie diese über eine
neue Förderrichtlinie Infrastrukturvorhaben und weitere Projekte im Rahmen eines Sonderfördergebietes
in die Finanzierung bringen können.
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Die Reviere partizipieren bisher in recht unterschiedlichem Maße an existierenden Förderprogrammen. So fließen insbesondere in das Lausitzer Revier nur in relativ geringem Umfang Mittel aus FuEFörderprogrammen.45 Daher sollte überprüft werden, inwieweit durch eine Anpassung der Förderbedingungen und eine unterstützende Infrastruktur vor Ort die Absorptionsfähigkeit der Reviere verbessert werden kann. Vor allem KMU, die die Wirtschaftsstruktur in den ostdeutschen Regionen prägen,
können bei der Beantragung von Fördermitteln mit nicht unerheblichen Hemmnissen konfrontiert
sein.
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5.3.1. Maßnahmen des Bundes
5.3.2. Maßnahmen der Länder und Kommunen
5.3.3. Europäische Rahmenbedingungen
5.4. Institutionelle Verankerung
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6. Monitoring und Revisionsklauseln
7. Anhang
45
Siehe schriftliche Antwort des Bundes zur Abfrage strukturpolitischer Maßnahmen, Sitzung am 23.08.2018.
41
DAS RHEINISCHE ZUKUNFTSREVIER
ECKPUNKTE EINES WIRTSCHAFTS- UND STRUKTURPROGRAMMS
Sachstand 26.09.2018
Inhalt
0_Vorwort
S. 03
1_Herausforderungen für das Rheinische Zukunftsrevier anpacken
S. 04
2_Vorbemkerungen
S. 06
3_Bedeutung und Perspektive der Energiewirtschaft und Industrie
S. 08
4_Kurzfristige Neudefinition von Rahmenbedingungen
S. 14
5_Strukturprogramm für ein Rheinisches Zukunftsrevier
S. 15
6_Das Rheinische Zukunftsrevier als Projektraum
S. 16
7_Zukunftsfelder
S. 18
7.1_Zukunftsfeld ENERGIE und INDUSTRIE
S. 20
7.2_Zukunftsfeld RAUM und INFRASTRUKTUR
S. 24
S. 28
7.3_Zukunftsfeld INNOVATION und BILDUNG
7.4_Zukunftsfeld RESSOURCEN und AGROBUSINESS
S. 32
8_Akteure_Organisation_Kommunikation
S. 36
9_Dynamischer Prozess
S. 38
Impressum
Zukunftsagentur Rheinisches Revier
GmbH
Karl-Heinz-Beckurts-Straße 13
52428 Jülich
Telefon: 02461 690-180
www.rheinisches-revier.de
Erarbeitet durch:
Zukunftsagentur Rheinisches Revier
GmbH
www.rheinisches-revier.de
Büro für Stadtplanung und
strategische Projektentwicklung
Dr. Wolfgang Wackerl, Elias Schley, Dominik Werner
www.wackerl-stadtplanung.de
Gefördert durch:
In Zusammenarbeit mit:
Region Köln/Bonn e.V.
Region Aachen Zweckverband
Standort Niederrhein GmbH
Entwicklungsgesellschaft Indeland GmbH
Städteregion Aachen, Rhein-Kreis Neuss, Rhein-Erft-Kreis
Bildnachweis: Alle nicht gekennzeichneten Bilder von: Zukunftsagentur Rheinisches Revier GmbH, Regionalmanagements, Kreise, Städte, Gemeinden,
Projektpartner des Rheinischen Reviers, RWE Power AG, IRR GmbH/Andreas Schmitter, DLR/Lannert, e.GO Mobile AG, Fotoarchiv der RWTH Aachen/
Winandy, FZ Jülich / Limbach, Hydro Aluminium Deutschland GmbH, NRW.URBAN Service GmbH, Ralf Schuhmann (www.schuhmann-foto.de)
2
Vorwort
Der präventive Strukturwandel im Rheinischen Revier tritt in eine neue Phase.
Die Bundesregierung hat die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ eingesetzt, um konkrete
Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele sowie einen Plan zur schrittweisen
Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung, einschließlich eines Abschlussdatums, zu erhalten. Zugleich soll
die Kommission konkrete Perspektiven
für neue, zukunftssichere Arbeitsplätze
in den betroffenen Regionen entwickeln
sowie einen Instrumentenmix für die
notwendigen Investitionen und Förderungen.
Klar ist, es kann nicht den einen Plan für
alle deutschen Reviere geben. Jede
Region hat ihre eigenen Besonderheiten,
Herausforderungen und Talente. Die
Antworten und Lösungsvorschläge, mit
denen die Kommission und die Bundesregierung arbeiten, müssen zum Großteil
aus den Revieren selbst kommen.
Das Rheinische Revier ist hierauf vorbereitet. Zum einen verfügt das Rheinland
über hochinnovative Unternehmen und
exzellente Wissenschaftsstandorte, auf
denen neue Wertschöpfung aufbauen
kann. Zum anderen arbeiten die in der
Region tätigen Akteure bereits in einem
Netzwerk intensiv zusammen.
Schon 2014 wurde die IRR GmbH gegründet, die wichtige Vorarbeiten geleistet hat und eine Klammer um das Akteursnetzwerk bildet. Für die neue Phase
des Strukturwandels hat sich die IRR
GmbH zur Zukunftsagentur Rheinisches
Revier GmbH weiterentwickelt. Sie ist das
gemeinsame Instrument des Landes, der
Region und des tagebautreibenden Konzerns zur Steuerung des Strukturwandels
im rheinischen Braunkohlerevier.
Ziel und Zweck der Gesellschaft ist es, ein
konkretes und unmittelbar handlungsrelevantes Umsetzungskonzept für den
regionalen Transformationsprozess zu
entwickeln und zu befördern. Die
Gremien unserer Gesellschaft sind sich
einig, dass die Gestaltung des Strukturwandels einen integrierten Entwicklungsansatz braucht, der Strategien, Projekte und Kooperationen in zentralen
Zukunftsfeldern zusammenfasst.
„Energie und Industrie“, „Raum und Infrastruktur“, „Innovation und Bildung“ sowie „Ressourcen und Agrobusiness“ sind
Treiber der relevanten Handlungsfelder
für die weitere strukturelle Entwicklung
des Rheinischen Reviers. Der Klimaschutz
für die nachfolgenden Generationen ist
ebenso nachhaltig sicherzustellen wie
der Erhalt der Versorgungssicherheit bei
gleichzeitiger Bereitstellung bezahlbarer
Energie für unsere Industrie. Der Erhalt
von Wertschöpfungsketten, die weit
über das Revier hinaus bestehen, ist
sicherzustellen. Die Gestaltung eines erfolgreichen Strukturwandels kann nicht
binnen weniger Monate endgültig definiert werden, sondern erfordert einen
dynamischen Qualifizierungs- und Entwicklungsprozess über einen langen
Zeitraum!
Dabei muss nach der Maxime gehandelt
werden, dass zuerst neue, hochwertige
Arbeitsplätze geschaffen werden müssen. Entsprechend sind weitere Strukturhilfemittel des Bundes für alle Reviere in
ausreichender Höhe und für einen ausreichend langen Zeitraum und mit individueller Passung zur Verfügung zu
stellen.
Der Schlüssel für die Verteilung von Fördermitteln muss die Entwicklungspotenziale und Chancen adressieren: Jeder Euro,
der im Rheinischen Revier investiert wird,
zahlt sich aus – und das nicht nur für das
Revier!
Ralph Sterck
Zukunftsagentur Rheinisches Revier GmbH
3
HERAUSFORDERUNGEN FÜR DAS
RHEINISCHE ZUKUNFTSREVIER ANPACKEN
DAS RHEINISCHE REVIER:
eIN TRANSFORMATIONSRAUM MIT ENERGIE UND INNOVATION
Das Rheinische Revier steht für Energie und Innovation sowie für eine
räumliche Transformationsaufgabe,
für die es aufgrund ihrer gewaltigen
Dimension in Europa kein zweites
Beispiel gibt. Mit diesem Wirtschaftsund
Strukturprogramm
sollen
Impulse gesetzt werden, um den
Strukturwandel der Energiewirtschaft,
der Industrie und räumlichen Infrastruktur für die Transformation zu einem Rheinischen Zukunftsrevier zu
nutzen: mit neuen Geschäftsmodellen,
guter Arbeit und einem lebenswerten
Umfeld.
RÄUMLICHER
TRANSFORMATIONSPROZESS
BEISPIELLOSER DIMENSION
Das Rheinische Revier ist mit etwa 55
Milliarden Tonnen nicht nur die größte
zusammenhängende Braunkohlelagerstätte, sondern auch in ihrem Charakter
und in ihrer gewaltigen räumlichen Ausdehnung einzigartig für ganz Europa.
Seit Jahrzehnten vollziehen sich hier im
Zuge der Braunkohletätigkeit und anschließenden Rekultivierung tiefgreifende räumliche Umstrukturierungsprozesse, die zu großen Landschafts- und
Raumveränderungen führen.
Vor dem Hintergrund des anstehenden
Strukturwandels und der gemeinsamen
Aufgabe, diesen Wandel vorausschauend zu gestalten, gewinnt dieser räumliche Transformationsprozess zusätzlich
an Bedeutung. Dabei führen die gewaltigen Veränderungen im Rheinischen Revier nicht nur zu großen Herausforderungen für die zukünftige Entwicklung. Sie
implizieren auch die Möglichkeit einer
zukunftsfähigen Neuordnung des Raumes. In den letzten Jahren hat sich das
Rheinische Revier auf den Weg gemacht,
im Rahmen eines intensiven Leitbildund Dialogprozesses in Kooperation mit
allen gesellschaftlichen Akteuren einen
gemeinsamen Zukunftsraum zu gestalten. Ziel ist eine integrierte und nachhal-
4
tige Entwicklung, die bestehende (teil-)
räumliche Konzepte miteinander verknüpft, diese durch neue Strategien ergänzt und den Ansprüchen einer zukunftsfähigen Wirtschafts-, Siedlungs-,
Verkehrs- und Freiraumentwicklung gleichermaßen gerecht wird.
Hierfür sind gewaltige Anstrengungen
und gemeinsame Investitionen in die Zukunft unerlässlich. Angesichts der
gewaltigen räumlichen und zeitlichen
Dimension wird eine zukunftsfähige
Transformation nur gelingen, wenn die
dafür notwendigen professionellen und
physischen Strukturen frühzeitig aufgebaut werden. So bedarf es eines massiven Invests für den Aufbau und die
Erschließung zukunftsfähiger Infrastrukturen über einen längeren Zeitraum hinweg, den das Rheinische Revier nicht aus
sich selbst heraus tragen kann.
Über Jahrzehnte verhinderten die großen Tagebaue mit ihrer Barrierewirkung
eine zusammenhängende Entwicklung
des Raumes. Die zukunftsfähige Neuausrichtung des Rheinischen Reviers erfordert einen massiven Ausbau geeigneter
Verkehrsinfrastrukturen, um den Raum
zu erschließen und dessen Entwicklungspotenziale optimal an die großen Ballungszentren wie Köln, Düsseldorf, Mönchengladbach und Aachen anzubinden.
Neue intelligente Verkehrsangebote in
Kombination mit innovativen Technologien und Antriebssystemen (schnelle
Radwege, Ausbau Schienenverkehr,
neue Verkehrstrassen/notwendige Lückenschlüsse, Ausbau klimaneutraler
Mobilität im ländlichen Raum, Aufbau
smarter Logistik-Zentren…) können dabei helfen, Distanzen leichter zu überwinden und urbane wie ländliche Qualitäten besser miteinander zu verknüpfen.
Hierüber können weitergehende StadtLand-Beziehungen zwischen dem Rheinischen Revier und den Agglomerationsräumen gefördert werden (Entlastung als
Wohn- und Gewerbestandort, Versorgung der Ballungsräume mit Nahrungsmittel, Energie und Ressourcen, Raum
für Naherholung…).
Die Erschließung neuer Flächenpotenziale
und der Aufbau wirtschaftsnaher
Infrastruktur anhand interkommunaler
Kompetenzareale und innovativer Gewerbegebiete stellen in Verbindung mit
der Profilierung standortbezogener Alleinstellungsmerkmale und F&E-Potenziale weitere wichtige Aufgaben im Zuge
der räumlichen Entwicklung dar – mit
hoher Strukturwirksamkeit für das Rheinische Revier und darüber hinaus. Dabei
geht es auch um eine regional abgestimmte Flächenentwicklungs- und Vermarktungsstrategie – sowohl nach innen,
zur Bündelung regionaler Ressourcen
und als abgestimmter Beitrag zur Regionalplanung, als auch nach außen, als gemeinsame Bewerbung und Vermarktung
des Rheinischen Reviers gegenüber potentiellen Investoren.
Gleichzeitig besteht im Zuge der großen
raumgreifenden Strukturveränderungen
des Rheinischen Reviers die besondere
Chance einer zukunftsfähigen Dorf-,
Quartiers- und Stadtentwicklung. Eine
ambitionierte Entwicklung neuer Quartiere und Dörfer der Zukunft kann dabei
helfen, den spezifischen Anforderungen
und Potenzialen des Reviers gerecht zu
werden und gleichzeitig beispielhafte
Antworten für aktuelle Fragestellungen
wie Energiewende, Klima- und Ressourcenschutz auch für andere Regionen zu
liefern.
Nicht zuletzt offeriert das Rheinische Revier als ein Landschaftsraum im Wandel
mit seinen großen Landschaftsbaustellen
rund um die Tagebaue die einmalige Gelegenheit, parallel zur Tagebauentwicklung frühzeitig einzigartige Rekultivierungslandschaften hoher Qualität zu
gestalten. Ausgehend von innovativen
Einzelprojekten kann ein zusammenhängendes Freiraumsystem hoher regionaler Wertschöpfung (Grüne Infrastruktur,
Naherholungsraum/Tourismus, Agrobusiness/Bioökonomie) etabliert werden.
NEUE GESCHÄFTSFELDER FÜR
EINE AKTIVE INDUSTRIE- UND
INNOVATIONSREGION
Das Rheinische Revier als Raum der Energie und Innovation umfasst den überwiegend ländlichen Raum des linksrheinischen Rheinlands, der durch die großen
aktiven Braunkohlentagebaue Hambach,
Garzweiler und Inden, die Kraftwerksstandorte sowie durch die angeschlossenen Veredelungsbetriebe und
Unternehmensstandorte energieintensiver Industrie geprägt wird. Rund 10.000
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind
hier in der Braunkohlewirtschaft unmittelbar tätig. 740 Mio. EUR Bruttolohnund Gehaltssumme pro Jahr und 735
Mio. EUR Auftragsvolumen pro Jahr bei
den Zulieferern der Braunkohleunternehmen führen durch Multiplikatoreffekte zu weiteren 10.000 Beschäftigten,
die in der Region von der Braunkohlewirtschaft profitieren.
Das Rheinische Revier ist Teil der Metropolregion Rheinland, einem urbanen
Wirtschaftsraum mit exzellenten Forschungs- und Hochschuleinrichtungen
(u. a. RWTH Aachen, Universität zu Köln,
Forschungszentrum Jülich). Die großen
Städte, die das Rheinische Revier umgeben, können aufgrund ihrer Stärken in
Wirtschaft und Wissenschaft den Strukturwandel mit wichtigen Impulsen versehen. Dazu sei beispielhaft auf die
Street-Scooter-Erfolgsgeschichte
verwiesen. Überdies verfügt die Region in
Jülich (mitten im Revier) über eine herausragende Konzentration akademischer
Lehr- und Forschungseinrichtungen mit
Schwerpunkten in Neuen Energien und
Digitalisierung.
Die Industrie im Rheinland blickt hier auf
eine Ansiedlungsgeschichte zurück, die
in hohem Maße durch die kostengünstige und sichere Energieversorgung auf
Grundlage der Braunkohle aus dem
Rheinischen Revier getrieben wurde:
Heute arbeiten im Rheinland, sei es in
der Aluminiumindustrie im Rhein-Kreis
Neuss, der Papierindustrie im Kreis Dü-
ren oder der Chemieindustrie im Raum
Köln, 93.000 Beschäftigte in der energieintensiven Industrie und erwirtschaften
einen jährlichen Umsatz von 32 Mrd.
EUR.
Das Rheinische Revier leistet mit einem
2
planmäßigen CO -Minderungs- und
Braunkohleausstiegspfad einen ambitionierten Beitrag zu den Klimaschutzzielen
von Paris. Wenn nun in der Kommission
„Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (WSB-Kommission) über eine noch schnellere Beendigung der
Braunkohleverstromung verhandelt wird,
stellt die WSB-Kommission damit gleichwohl eine wichtige Basis für den Erfolg
der ganzen Metropolregion Rheinland in
Frage. Die Fallhöhe ist groß. In Verantwortung für die Menschen, die hier leben
und arbeiten, und in Verantwortung für
die in der Region ansässigen energieintensiven Unternehmen muss eine Transformation des Rheinischen Reviers verbunden werden mit
•
der Weiterentwicklung wettbewerbsfähiger Standortbedingungen
für die Energiewirtschaft und die
energieintensive Industrie im Rheinland und
•
Impulsen für neue Wertschöpfung,
Beschäftigung und Lebensqualität
im Rheinischen Revier.
Nordrhein-Westfalen beendet 2018 den
Steinkohlenbergbau. Die Kohle an Rhein
und Ruhr hat in Westdeutschland die
Grundlage für den Wiederaufbau und
die Entwicklung zu der erfolgreichen
Wirtschaftsnation gelegt, die Deutschland heute international darstellt. Damit
verbunden konzentrieren sich in Nordrhein-Westfalen auch die energieintensive Industrie und die Herausforderung,
dass sich die Industrie vor dem Hintergrund der Energiewende neue Innovations- und Geschäftsfelder aufbaut. Das
Rheinische Revier wird dazu seinen Beitrag leisten. Hier wird sich Zukunftsfähigkeit entscheiden. Dafür erwartet die
Region von der Bundes- und der Landesregierung eine angemessene Unterstützung bei diesen Aufgaben.
5
VORBEMERKUNGEN
GRUNDSÄTZLICHE VORBEMERKUNGEN
6
•
Innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens für die Beratungen der Kommission kann kein abschließendes Strukturprogramm für das Rheinische Revier erarbeitet werden: Die Gestaltung eines erfolgreichen Strukturwandels
erfordert einen dynamischen Qualifizierungs- u. Entwicklungsprozess über einen langen Zeitraum. Die vorliegenden Eckpunkte sollen konzeptionell weiter geschärft, mit strukturwirksamen Projekten hinterlegt und über
einen langfristig angelegten Prozess in die Umsetzung gebracht werden.
•
Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit der Energie sind gleichrangige Ziele: Für die Gestaltung
des Strukturwandels braucht es einen ganzheitlichen Entwicklungsansatz, der Ziele, Strategien, Projekte und
Kooperationen in zentralen Zukunftsfeldern zusammenfasst. Es geht zuvorderst um die Schaffung neuer
Zukunftschancen innerhalb des Reviers!
•
Das Rheinische Revier befindet sich bereits auf einem planmäßigen CO2 -Minderungs- und Braunkohleausstiegspfad, dessen Auswirkungen von einer aktiven Struktur- und Arbeitsmarktpolitik antizipiert werden müssen. Das Rheinische Revier ist mit ca. 10.000 direkten Arbeitsplätzen in der Braunkohlewirtschaft und 93.000
Arbeitsplätzen in der energieintensiven Industrie im Rheinland doppelt betroffen. Praktisch jede energiepolitische Maßnahme, die derzeit diskutiert wird, wird sich weit über die Energiewirtschaft selbst auswirken – auf die
gesamte energieintensive Industrie. Die Herausforderungen und Folgen können aus heutiger Sicht nicht vollständig abgeschätzt werden.
•
Die bisher ausgestellten Genehmigungen und Planungen für die Wiedernutzbarmachung der Tagebaue gehen
von den ursprünglich vereinbarten Zeitrahmen und genehmigten Abbaufeldern aus. Eine vorzeitige Beendigung des Abbaus führt zu anderen Grundvoraussetzungen für diese Planungen, so dass Anpassungen und erneute Genehmigungen erforderlich werden. Dabei müssen der Zeitbedarf für die notwendigen komplexen und
gestaffelten Planverfahren sowie eine durchgängige Rechtssicherheit der vorliegenden Genehmigungen unbedingt berücksichtigt werden. Nur so können kurzfristige Auswirkungen auf den Tagebau- und Kraftwerksbetrieb verhindert und eine hochwertige Wiedernutzbarmachung genehmigungsrechtlich abgesichert werden.
•
Bevor Erzeugungsleistung reduziert wird, muss sichergestellt sein, dass jederzeit ausreichend Energie für den
Netzbetrieb und die Versorgungssicherheit in der Region verfügbar ist. Bezahlbare Energiepreise sind die Basis für die Wettbewerbsfähigkeit vieler Betriebe der Region.
•
Die Herausforderungen der Industriegesellschaft will das Rheinische Revier durch Lösungen der Industriegesellschaft beantworten, und nicht um den Preis der Deindustrialisierung. Innovationen aus den Hochschulen,
Piloten und Demonstratoren im laufenden Betrieb werden einen Lösungsraum aufzeigen. Letztlich wird das
Gelingen von Transformationsprozessen in einer aktiven Energie- und Industrieregion über die Exportfähigkeit
der deutschen Energiewende entscheiden. Das Rheinische Revier kann hier ein über NRW und Deutschland hinaus weisendes Zukunftsbeispiel schaffen.
•
Die erfolgreiche Bewältigung aktueller Herausforderungen wie Energiewende und Klimaschutz erfordert
aktive Beiträge nicht nur der Energiewirtschaft. Der damit einhergehende Strukturwandel in den Revieren wird
alle Politikbereiche und gesellschaftlichen Akteure fordern.
•
Die Gestaltung des Strukturwandels im Rheinischen Revier kann auf etablierten Kooperationen aller maßgeblichen Akteure fußen. Kooperationsstrukturen zur Bewältigung der Strukturwandelaufgaben sind gegeben
und werden in der Zukunftsagentur Rheinisches Revier GmbH gebündelt. Es braucht erhebliche Ressourcen nicht nur für Strategien, Management und Kommunikation - sondern auch für die Umsetzung des Geplanten
in Form von Projekten und notwendigen Investitionen, insbesondere in die Infrastruktur.
•
Innerhalb des Rheinischen Reviers vollzieht sich in den nächsten Jahrzehnten ein von seiner räumlichen und
zeitlichen Dimension für ganz Europa beispielloser räumlicher Transformationsprozess, der massiver Investitionen in zukunftsfähige Infrastrukturen bedarf.
•
Der Schlüssel für die Fördermittel-Verteilung muss die Entwicklungspotenziale und Chancen adressieren:
Jeder Euro, der im Rheinischen Zukunftsrevier investiert wird, zahlt sich aus – und das nicht nur für das Revier!
„DAS rheinische revier vERFÜGT ÜBER die ENTWICKLUNGSPOTENZIALE
UND INNOVATIONSKRAFT, UM BEI ENTSPRECHENDER UNTERSTÜTZUNG
ZU EINER MODELLREGION FÜR DIE ZUKUNFTSFÄHIGE TRANSFORMATION
EINER AKTIVEN INDUSTRIEREGION ZU WERDEN. JEDER EURO, DER IM
RHEINISCHEN ZUKUNFTSREVIER INVESTIERT WIRD, ZAHLT SICH AUS UND DAS NICHT NUR FÜR DAS REVIER!“
7
Bedeutung und Perspektive der
Energiewirtschaft und Industrie
im Rheinischen Revier
Verhinderung eines negativen „Domino-Effektes“ und Transformation in ein
Rheinisches Zukunftsrevier
Energie- und Industrieland NRW /
Rheinisches Braunkohlerevier / Zahlen, Daten, Fakten
Wir sind Hauptbetroffene der Ergebnisse der Strukturkommission
In der nordrhein-westfälischen Industrie erwirtschaften rund 1,2 Millionen Beschäftigte einen Jahresumsatz von rd. 330 Milliarden Euro. Rund 30% der Arbeitsplätze der
deutschen Chemieindustrie, 40% in der Metallerzeugung- und -verarbeitung sowie
22% im Papiergewerbe finden sich in NRW.
Auf NRW entfallen rund 25% des Stromverbrauchs und 27% der Stromproduktion
Deutschlands. Mit der rheinischen Braunkohle wurden im Jahr 2016 ca. 12% des
deutschen und 43% des NRW-Stroms erzeugt. Das Rheinische Braunkohlerevier war
im Jahr 2017 mit 53,3% der Braunkohleförderung und ca. 10.000 Beschäftigten das
größte Braunkohlerevier in Deutschland.
Der Braunkohlestrom ist derzeit vergleichsweise günstig und deshalb ein wichtiger
Wettbewerbsfaktor für die NRW-Industrie im internationalen Wettbewerb.
Durch höhere Strompreise droht ein negativer „Dominoeffekt“: höhere Kosten
der Industrie, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, Abwanderung der Industrie
(Carbon Leakage), Verlust von Wertschöpfung und Arbeitsplätzen!
Dies gilt es, nicht nur im Interesse des Rheinischen Reviers, zu verhindern!
8
Wirtschaftliche Bedeutung der
Braunkohle und DER energieintensiven
Industrie im Rheinischen Revier
Nach Angaben von RWE bietet der Konzern in der Braunkohlensparte derzeit direkt
rund 10.000 Beschäftigungen an, davon 400 Ausbildungsplätze zzgl. Beschäftigungseffekten in vor- und nachgelagerten Bereichen. RWE zahlt brutto jährlich ca. 740 Mio.
Euro Lohn und Gehalt. Dazu kommt ein Auftragsvolumen von rund 735 Mio. Euro für
ca. 3.200 Unternehmen in Region.
In den drei IHK-Bezirken (Aachen, Köln, Mönchengladbach) arbeiten 93.340 Menschen in energieintensiv produzierenden Betrieben (mehr als 5,4% aller Beschäftigten). Von jedem dieser Arbeitsplätze hängen in NRW fast zwei weitere ab: Die Produktion der energieintensiven Unternehmen in den drei IHK-Bezirken sichert in NRW
250.600 Beschäftigungen. 32 Mrd. Euro Umsatz pro Jahr erzielen in den drei IHK-Bezirken allein die energieintensiven Branchen: Baustoffe, Chemie, Gießereien, Glas,
Nahrungs- und Futtermittel, Nicht-Eisenmetalle, Papier und Stahl. Mit 7,1 Mrd. Euro
sorgen energieintensive Industrien für eine überdurchschnittliche Wertschöpfung.
Die NRW-Wirtschaft profitiert in besonderem Maße von energieintensiven Unternehmen: Eine regionale Wertschöpfung von einem Euro dieser Industrien löst in NRW eine Wertschöpfung von insgesamt 2,70 Euro aus.
Bezahlbarer und sicher verfügbarer Strom ist der zentrale Produktionsfaktor für energieintensive Unternehmen. In den drei IHK-Bezirken (AC, K, MG) benötigen die energieintensiven Unternehmen im Jahr etwa 15.000 GWh. Dies entspricht 6,3% des industriellen Gesamtverbrauchs in Deutschland.
In diesen drei Regionen entfallen etwa 60% des industriellen Stromverbrauchs auf die
energieintensiven Industrien. Auch der Stromverbrauch pro in der Industrie Beschäftigten fällt in den drei Regionen mit durchschnittlich etwa 83 MWh deutlich höher aus
als im NRW-Durchschnitt (54 MWh) und Deutschland (36 MWh).
Dieser hohe Energieverbrauch beruht nicht auf Ineffizienz. Weil Energiekosten für
energieintensive Unternehmen ein gewaltiger Kostenfaktor sind, setzen diese diverse
1
Maßnahmen der Energieeinsparung um.
Quelle : frontier economics: Die Bedeutung des Wertschöpfungsfaktors
1
Köln und Mittlerer Niederrhein, Köln Juni 2018
Energie in den Regionen Aachen,
9
Das Rheinische Revier
PlanmäSSiger CO2-Minderungspfad
Das Rheinische Revier befindet sich bereits auf einem planmäßigen CO2-Minderungspfad, der eine verlässliche Grundlage für das Handeln der Akteure im Rheinischen Revier darstellt. Die Braunkohleplanung ist zur Mitte des Jahrhunderts hin auslaufend:
•
2017 bis 2023: Sicherheitsbereitschaft und anschl. Abschaltung von fünf 300 MW Kraftwerksblöcken /
Endgültige Schließung des Kraftwerks Frimmersdorf
» dadurch Reduktion des CO2-Ausstoßes der rheinischen Braunkohleindustrie bis 2020
(gegenüber dem Vergleichswert 2015) um 15%
•
ca. 2030: Auskohlung Tagebau Inden und Ende der Braunkohleverstromung im Kraftwerk Weisweiler
» dadurch Reduktion des CO2-Ausstoßes der rheinischen Braunkohleindustrie bis ca. 2030
(gegenüber dem Vergleichswert 2015) um 40 bis 50%
» Wer das beschleunigen will, muss Folgen abschätzen, Risiken auffangen und Alternativen bieten!
10
Das Rheinische Revier ist das Kraftzentrum
für die energieintensive Industrie im Rheinland
Rheinisches Revier
Braunkohlentagebaue, Kraftwerke, Verarbeitung1
10.000 direkt Beschäftigte
740 Mio. € / a Bruttolohn- und Gehaltssumme
735 Mio. € / a Auftragsvolumen in der Region
Ansiedlung aufgrund:
- günstiger Energiepreis
- Versorgungssicherheit
Rheinland
Energieintensive Industrie2
93.000 direkt Beschäftigte
32 Mrd. € / a Umsatz
15.000 GWh / a Stromverbrauch
Dominoeffekt
verhindern!
Das ist jetzt wichtig:
Industriestandort sichern und weiterentwickeln
Deutschland, NRW und das Rheinland/Rheinische Revier sollen Standort einer starken, innovativen und international wettbewerbsfähigen (energieintensiven) Industrie bleiben.
Die Industrie braucht jetzt eine Zukunftsperspektive für Investitionen im Rheinischen Revier/Rheinland.
Voraussetzung dafür ist die Versorgungssicherheit bei wettbewerbsfähigen Strompreisen.
Unser Ziel:
•
Die Innovationskraft der Industrie, der Hochschulen und der wissenschaftlichen Einrichtungen wird
Schrittmacher für ein RHEINISCHES ZUKUNFTSREVIER sein.
•
Im Schulterschluss von Bund, Land und Region wird das Rheinische Revier zum Pilot- und Demonstra-
tionsraum neuer Technologien und Verfahren.
Quelle1: DEBRIV
Quelle2 IHK-Bezirke Aachen, Köln, Mittlerer Niederrhein; Quelle: frontier economics: Die Bedeutung des
Wertschöpfungsfaktors Energie in den Regionen Aachen, Köln und Mittlerer Niederrhein, Köln Juni 2018
11
Das ist jetzt wichtig:
Transformation der Rheinischen
Braunkohleregion in ein Zukunftsrevier
Wandel des Rheinischen Reviers in eine
zukunftsfähige Energie- und Industrieregion
„RHEINISCHES ZUKUNFTSREVIER“
Mit dem Rückgang der Braunkohlewirtschaft müssen sich die Unternehmen der Region neue Geschäftsfelder erschließen. Sie können dazu auf ihren energiewirtschaftlichen Kompetenzen aufbauen. Auch die
energieintensive Industrie muss sich mit ihrer Produktion an die sich verändernden energiewirtschaftlichen
Rahmenbedingungen anpassen. Neue Geschäftsfelder eröffnen die Nutzung der Potenziale von Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen der Region. Dieses Strukturförderprogramm für das
Rheinische Zukunftsrevier soll Impulse setzen, damit aus Chancen Wirklichkeit wird.
Das erreichen wir durch:
•
Transformation der Energie- und Industrieregion (Zukunftsfeld ENERGIE und INDUSTRIE)
Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, Ausbau erneuerbarer Energien, nachhaltiger
Kapazitäten und Speicher; Aufbau eines regionalen Energiemanagementsystems,
Erhöhung der Energie- und Ressourceneffizienz der regionalen energieintensiven Industrie;
das Rheinische Revier zur Flexibilisierungsregion Nr. 1 machen (Lastmanagement)
•
Neue Pfade (Zukunftsfeld INNOVATION und BILDUNG)
Entwicklung neuer Strukturen, Technologien und Wertschöpfungspfade, Förderung von Forschung
und Innovationen, neue industrielle Kerne, Piloten und Demonstratoren aufbauen;
Ausbau der Gründungsinfrastruktur
•
Zukunftsfähiger räumlicher Umbau (Zukunftsfeld RAUM und INFRASTRUKTUR)
Räumliche Transformation des Rheinischen Reviers inkl. der Infrastruktur vor dem Hintergrund der
größten Konversions- und Transformationsaufgabe und -baustelle in Europa in den nächsten 50
Jahren, und Umsetzung aktueller Herausforderungen wie Klimaschutz und Klimaanpassung
•
Ressourcenintelligente Region (Zukunftsfeld RESSOURCEN und AGROBUSINESS)
Aufbau eines regionalen Ressourcensystems, das die besonderen Spezifika des Rheinischen Re-
viers und seiner Begabungen für den Aufbau neuer Wertschöpfungen nutzt.
12
Das ist jetzt wichtig:
Stärken des Rheinischen Reviers nutzen
für die Transformation in ein Zukunftsrevier
Stärken des Rheinischen Reviers
für mögliche Handlungsfelder
erhalten und jetzt für eine zukunftsfähige
Weiterentwicklung der Region nutzen:
Industrie- und Wirtschaftsregion (vgl. prognos-Studie 2017)
•
•
•
•
•
Energiewirtschaft
Energieintensive Industrie
Ressourceneffizienz, Mobilität und Logistik (enorme Massenbewegungen)
Digitale / IKT-Start-Ups, Gründungen
Landwirtschaft/Ernährungs- und Gesundheitswirtschaft, Tourismus
Forschungs- und Innovationsregion
•
Vielzahl renommierter wissenschaftlicher Einrichtungen (Helmholtz-Gemeinschaft
Deutscher Forschungszentren: FZ Jülich, DLR Köln, DZNE Bonn / Fraunhofer-Institute
ILT Aachen, IPT Aachen, FIT St. Augustin, IAIS St. Augustin...)
•
Vielzahl renommierter Hochschulen (RWTH Aachen, FH Aachen, Universität Köln,
TH Köln, Universität Bonn, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Heinrich-Heine Universität,
Universität Düsseldorf, FH Niederrhein...)
Raum in Bewegung
• Gestaltung einer Landschaft im Wandel
• Neue Infrastrukturen
• Neue Flächenpotenziale
13
Kurzfristige Neudefinition
von Rahmenbedingungen
Voraussetzungen für die Entwicklung eines Rheinischen Zukunftsreviers
Die Transformation der Rheinischen Tagebauregion in ein Zukunftsrevier erfordert auch eine kurzfristige Neudefinition gesetzlicher und planerischer Rahmenbedingungen. Hierzu gehören eine priviligierte Unterstützung aus folgenden Plänen, Konzepten
und Verfahren zum Aufbau einer neuen Zukunftsperspektive für den Raum:
•
Strukturfonds starten
» Das bedeutet, dass die Bundesregierung ab 2019 ein ausreichendes jährliches Budget zur Verfügung stellt, um die
erforderlichen Handlungsstrukturen und Projekte aufzulegen.
•
Bundesverkehrswegeplan (BVWP), Landesstraßen- und ÖPNV-Bedarfsplan und
Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSWAG)
» Das bedeutet, dass „strukturwandelbedeutsame Projekte“ höher bewertet und zeitlich vorgezogen werden sollten. Mit
den beteiligten Ressorts in Bund und Land ist die Einrichtung eines Strukturentwicklungsbonus zu prüfen.
•
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW-Kulisse)
» Das bedeutet, dass das komplette Rheinische Revier in die Gebietskulisse aufgenommen und Zugang zur
Bundesförderung durch die Gemeinschaftsaufgabe erhält. Es sind die für die Umsetzung des Strukturprogramms
erforderlichen Fördergegenstände aufzunehmen.
•
Planungs- und Genehmigungsprozesse im Rheinischen Revier
» Das bedeutet, dass zur Förderung von Investitionen mit den beteiligten Ressorts eine Beschleunigung im
Ordnungsrahmen, Planungs- und Genehmigungsverfahren geprüft wird, um dem Anspruch gerecht werden zu können,
Pilot- und Demonstrationsraum neuer Ideen zu werden.
•
Landes- und Regionalplanverfahren
» Das bedeutet, dass das Rheinische Revier den Strukturwandel in regionaler Zusammenarbeit gestaltet und dabei die
Planungsprozesse verschiedener Ebenen zusammenführt (Regionalplanung, Braunkohlenplanung, Planungsverbünde,
kommunale Bauleitplanung). Die Regionalräte gestalten diesen Strukturwandel ohne Strukturbrüche; die Landesregierung
unterstützt sie darin, den Kommunen des Reviers eine Sonderstellung bei der Ausweisung zusätzlicher Industrie- und
Gewerbegebiete zu ermöglichen und diese über konkrete Zeit-Maßnahmenpläne zu aktivieren.
14
Strukturprogramm
für ein Rheinisches Zukunftsrevier
ProjektRAUM, ZUKUNFTSFELDER und LeuchtturmPROJEKTE
Strukturprogramm
für ein Rheinisches Zukunftsrevier
ProjektRAUM
Vernetzende
Kernraum u. Wirkungsraum
ZUKUNFTSFELDER und STRATEGIEN
Leuchtturm
PROJEKTE
Gesamt
ORGANISATION und KOMMUNIKATION
15
Das RHEINISCHE ZUKUNFTSREVIER
als ProjektRAUM
Differenzierung zwischen Kern- und Wirkungsraum
Innerhalb des Rheinischen Reviers vollzieht sich in den nächsten 50 Jahren ein räumlicher Transformationsprozess, der in seiner Dimension für ganz Europa einmalig ist. Dabei wird zwischen Kern- und Wirkungsraum des Rheinischen Reviers zu differenzieren.
Kernraum des Rheinischen Reviers
mit den Tagebauen (Garzweiler, Hambach, Inden) und deren Umfeld,
den Kraftwerksstandorten (Niederaußem, Neurath,
Frimmersdorf, Weisweiler,
Knapsack), den Veredelungsbetrieben und energieintensiven Industriestandorten.
Wirkungsraum des Rheinischen Reviers
mit renommierten wissenschaftlichen Einrichtungen und Hochschulen (RWTH Aachen, FH Aachen, FZ Jülich, Universität Köln, TH Köln, DLR Köln, Heinrich-Heine Universität, Universität Düsseldorf, FH Niederrhein, Universität Bonn, private Hochschulen), mit kompetenten und leistungsfähigen Unternehmens- und Industriestandorten
(insbes. energieintensive Industrie), die eine Beziehung zum Kernraum haben
Innerhalb des sich daraus ergebenden Gesamtraums und in der synergetischen
Wechselwirkung zwischen Kern- und Wirkungsraum muss sich ein Wandel vollziehen
hin zum RHEINISCHEN ZUKUNFTSREVIER als zukunftsfähige Industrieregion
16
Mülheim
a.d.R.
Mülheim
a.d.R.
Kreis Viersen
NL
NL
Kreis
MettKreis
Mett-
Kreis Viersen
Mönchengladbach
Mönchengladbach
Kreis Heinsberg
Kreis Heinsberg
RheinischBergischer
RheinischKreis
Bergischer
Kreis
Kreis Düren
Kreis Düren
B
B
Kreis Euskirchen
Kreis Euskirchen
Rekultivierungsflächen
Rekultivierungsflächen
Tagebau //Betriebsflächen
Tagebau
Betriebsfläche
Rekultivierungsflächen
0 2,5 5
0 2,5 5
10
10
15
15
20
20
Kilometer
Kilometer
Genehmigte Abbaugrenze
Genehmigte
Abbaugrenze
Tagebau / Betriebsfläche
Kraftwerksstandorte
Genehmigte Abbaugrenze
Wirkungsraum des
Rheinischen Zukunftsreviers
17
ZUKUNFTSFELDER
eines tragfähigen Wirtschaftskonzeptes/Strukturprogramms
für Das Rheinische Zukunftsrevier
RHEINISCHES ZUKUNFTSREVIER
Transformation einer zukunftsfähigen Industrieregion im Energiesystem der Zukunft
Klimaschutz als Treiber
ZUKUNFTSFELD ENERGIE und INDUSTRIE
Energiesystem der Zukunft, Regionales Energiemanagement
Energieintensive Industrie,
Emissionsfreie Mobilität
ZUKUNFTSFELD
INNOVATION
und
BILDUNG
ZUKUNFTSFELD RAUM und INFRASTRUKTUR
Infrastruktur, Innovative Flächenentwicklung
Bildung
Infrastrukturausbau
Gründung
Ressourceneffizienz, Zirkuläre Wirtschaft
Nachhaltige Carbon-Wertschöpfung
Agrobusiness, Regionale Gesundheitswirtschaft
18
Digitalisierung
Landschaftsumbau
ZUKUNFTSFELD RESSOURCEN und AGROBUSINESS
Forschung
INNOVATION
VALLEY RHEINLAND
19
ZUKUNFTSFELD ENERGIE und Industrie
Ziele, Strategien/Konzepte, Strukturwirksame HANDLUNGSANSÄTZE
NACHHALTIGE
SMART
ENERGIEFACTORIES
KREISLÄUFE
SMARTHOMES
20
ENERGIEENERGIEPLUSINTENSIVE
QUARTIERE
INDUSTRIE
REGIONALES
SEKTORENENERGIEKOPPLUNG
MANAGEMENT
SEKTORENVIRTUELLES
KOPPLUNG
KRAFTWERK
NACHHALTIGE
MOBILITÄT
Die Geschäftsfelder der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie müssen sich aufgrund der
Energiewende an neue Chancen anpassen. Das Rheinische Zukunftsrevier
wird sich als Energierevier der Zukunft
mit internationalem Modellcharakter
aufstellen.
Das Rheinische Revier ist bereits heute eine ausgewiesene Energieregion und bietet Versorgungssicherheit für mehr als
6.000 energierelevante Industrie- und
Gewerbebetriebe. Diesen Standortvorteil
gilt es gezielt weiter auszubauen.
Die Sicherung von Unternehmensstandorten, hochwertigen Arbeitsplätzen und
Wertschöpfung hängt unmittelbar mit
dem Potenzial der Region zusammen,
Energiesicherheit ohne Komfortverlust zu
jeder Zeit und wettbewerbsfähigen Preisen gewährleisten zu können. Das Rheinische Revier soll systematisch zu einem
„Energierevier der Zukunft“ werden, einem auf Energieforschung basierendem
Wirtschafts- und Lebensraum für innovative Entwicklungen.
Neben dem weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien bieten die vorhandenen
Kraftwerksstandorte mit der gut ausgebauten Leitungsinfrastruktur Anknüpfungspunkte für nachhaltige Kapazitätssicherung, zum Beispiel über neue
Gaskraftwerke in Kraft-Wärme-Kopplung und ggf. CO2 -freie Wärmespeicher.
Synthetisches Gas kann aus ganz unterschiedlichen nachhaltigen Prozessen gewonnen werden. Für das zukünftige,
sektorübergreifende Energiesystem sind
zudem neue Strukturen und Wertschöpfungspfade in den Bereichen Power
-to-X, Speicher, emissionsarme Mobilität
und digitale Lösungen auf- und auszubauen. Das erfordert eine große,
konzentrierte und gemeinsame Anstrengung.
Die vorhandenen Potenziale gilt es, über
Test-, Pilot- und Demonstrationsprojekte
weiterzuentwickeln und zeitnah für das
Energiesystem der Zukunft nutzbar zu
machen. Mit der Etablierung eines regionalen Energiemanagements – also eines
aktiven Netz-, Einspeise-, Flexibilitätsund Backupmanagements – wird im
Rheinischen Revier bereits ein systemischer Ansatz erprobt. Regional erzeugte
regenerative Energie soll für emissionsfreie multimodale Mobilitätsformen genutzt, effizient zu Wärme oder Kälte umgewandelt und über Speicher als
Leistungsreserven für die Behebung von
Engpasssituationen nutzbar sein. Die Potenziale der Sektorenkopplung müssen
effektiv und effizient nutzbar gemacht
werden. Informationstechnisches Echtzeitmanagement von Erzeugungs-, Speicher- und Flexibilitätspotenzialen könnte
die Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz der hiesigen Industrieunternehmen steigern und sie aktiv an der Stützung des regionalen Energiesystems
teilnehmen lassen. An diesen Fragen wird
beispielsweise im Umsetzungskonzept
„Brainergy Park Jülich“ von der FH
Aachen, dem Forschungszentrum Jülich,
dem Deutschen Institut für Luft- und
Raumfahrt sowie regionalen und überregionalen Energieversorgern kooperativ
gearbeitet.
Hierdurch würde auch ein wirksamer Beitrag zur Etablierung von Smart Factories
– der Sicherung bestehender und dem
Aufbau neuer industrieller Kerne - und
damit für mehr Wettbewerbsfähigkeit
geschaffen. Zudem geht es um die privaten Haushalte; nicht mehr nur als Konsumenten, sondern auch als Produzenten
von Energie. Sie werden zunehmend zum
elementaren Bestandteil eines flexiblen
und gleichzeitig sicher vernetzten Energieinfrastruktursystems. Für das Gelingen
der Energiewende ist es darüber hinaus
unabdingbar, geeignete Mitarbeiter ausund strukturiert weiterzubilden, insbesondere im handwerklich-technischen
Bereich. Das Rheinische Zukunftsrevier
will sich als Flexibilitätsregion #1 in
Deutschland etablieren. Dazu ist es erforderlich, dass die Erzeugungs-, Speicherund Verbrauchsflexibilitäten der hiesigen
Unternehmen systematisch erschlossen
werden, um durch deren Echtzeitsteuerung einen signifikanten Beitrag zur Erhaltung der Versorgungssicherheit und
zur Erreichung der Klimaschutzziele zu
leisten. Das muss unterstützt werden. Die
vorhandenen Potenziale zur Sektorenkopplung gilt es über Piloten weiterzuentwickeln.
Die energieintensive Industrie (z.B. Metallindustrie) ist ein Vorreiter für energieeffiziente Produktionsprozesse, die angesichts der absehbaren Entwicklung bei
Energie- und CO2 -Preisen weiter vorangetrieben werden müssen. Projekte - etwa im Bereich der Elektrochemie, zur optimierten Abwärmenutzung in der
Papierindustrie oder zur Brennstoffzellenentwicklung - zeigen das Innovationspotential der Region. Um die Zukunftsfähigkeit der nordrhein-westfälischen
Industrie langfristig zu sichern, ist es notwendig und vorausschauend, in zukunftsfähige Technologien und innovative Ansätze am Standort zu investieren, die die
Treibhausgas-Emissionen und Kosten der
Unternehmen reduzieren. Ziel ist, auf diese Weise perspektivisch weitestgehend
treibhausgasneutrale und wettbewerbsfähige Produktionsprozesse zu entwickeln und zu etablieren. Diese Anstrengungen müssen systematisiert und
ausgebaut werden, mit dem Ziel, die
energieintensive Industrie auch langfristig im Rheinischen Revier zu halten und
Carbon Leakage zum Schutz des globalen Klimas wirksam zu begegnen.
21
Ziele
•
Das Rheinische Revier profiliert sich als ENERGIEREVIER DER ZUKUNFT.
•
Die Energiewirtschaft der Region erschließt sich langfristig tragfähige, neue Geschäftsfelder im Energiesystem der Zukunft
und in neuen Mobilitätssystemen.
•
Die energieintensive Industrie der Region bleibt wettbewerbsfähig.
•
Das Rheinische Revier entwickelt sich zum Modellstandort für Anwendungen im Energiesystem der Zukunft
22
Strategien und Konzepte
•
Konkretisierung einer Strategie ENERGIEREVIER DER ZUKUNFT
•
Ausbau erneuerbarer Energien und nachhaltiger Kapazitäten für Nah- und Fernwärmenetze sowie der Nutzung von Innova-
tionen im Energiesystem z.B. im Rahmen eines regionalen Energiemanagements
•
Stärkung der Hochschul- und Wissenschaftsinfrastruktur
- Reallabore, Piloten und Demonstratoren für Energieerzeugung, -speicherung u. –transport sowie Sektorenkopplung
- Entwicklung und Umsetzung von effizienten und treibhausgasneutralen Produktionsverfahren
- Aufbau eines Campus für Low Carbon Technologien für die energieintensive Industrie
•
Aufbau eines regionalen Energiekompetenzclusters für neue Technologien und Systemlösungen mit Strukturwirkung
•
Entwicklung energiewirtschaftlicher Nachfolgenutzungen für ehemalige Kraftwerksstandorte, darunter Energieproduktion
(G+D) und Wärmespeicher-Kraftwerke
•
Konkretisierung einer Strategie MOBILITÄTSREVIER DER ZUKUNFT
•
Stärkung klimafreundlicher Mobilität: Mobilität der Zukunft als Geschäftsfeld und Mobilitätsentwicklung im ländlichen
Raum; Mobilitätsinfrastruktur
•
Stärkung der Hochschul- und Wissenschaftsinfrastruktur
•
Aufbau neuer industrieller Kerne: u.a. E-Automotive-Standort und Batteriezellenproduktion (und Zulieferindustrie)
Strukturwirksame HANDLUNGSANSÄTZE
•
Ausbau Erneuerbarer Energien (Innovationspark Erneuerbare Energien Jüchen, Floating Solar Power Station…)
•
Nah- und Fernwärmenetze 4.0 / Geothermie
•
i.E.S.i. – vom virtuellen Kraftwerk zum funktionsfähigen regionalen Energiemanagementsystem
(Verknüpfung Energieerzeugung,-speicherung, -verteilung mit einer Flexibilisierung des industriellen
Energieverbrauchs unter Einsatz neuer Möglichkeiten der Digitalisierung)
•
Entwicklung Wasserstoffmodellstandort (Power-to-Gas / Wasserstoff-Elektrolyse…)
•
Ausbau Energieforschung (Gleichstrom und intelligente Netzkonzepte, Digitale Energie, SolarCampus...)
•
Gewerbegebiete als horizontaler und vertikaler Energy-Hub (z.B. Brainergy Park Jülich)
•
Ansiedlung eines DLR-Instituts für Solarforschung
•
Aufbau eines Campus für Low Carbon Technologien
•
Thermischer Stromspeicher auf einem vorhandenden Kraftwerksstandort
•
Regionale Energiekompetenz- und -bildungszentren (EKOZET, ENERGETICON…)
•
Lokale Netze und E-Mobilität im Revier: Energie lokal und nachhaltig nutzen (Ausbau Schnellladeinfrastruktur und multimo-
dale Konzepte)
•
Projekte zum Ausbau der Elektromobilitäts-Kompetenz, Batteriezellenproduktion und autonomes/vernetztes Fahren
(Campus Aldenhoven, RWTH Aachen, Street Scooter, e.GO…)
23
ZUKUNFTSFELd raum UND INFRASTRUKTUR
Ziele, Strategien/Konzepte, Strukturwirksame HANDLUNGSANSÄTZE
QUARTIERE UND
ZUKUNFTSFÄHIGE
DÖRFER DER
ZUKUNFT
DÖRFER
NEUE
WOHNFORMEN
INNOVATIVE
UND QUALITATIV
KLIMASCHUTZHOCHWERTIGE
FLÄCHENQUARTIERE
ENTWICKLUNG
SÜMFPUNGSWASSERNUTZUNG
BÜRGERSCHAFTLICHES
ENGAGEMENT
24
Die in ihrer Dimension herausragende
räumliche Transformation im Zuge des
Braunkohleabbaus, der -verstromung
und Folgelandschaftsgestaltung machen das Rheinische Revier in den kommenden Jahrzehnten zur größten Landschaftsbaustelle Europas. Es gilt den
räumlichen Umbau so zu gestalten,
dass die infrastrukturellen und räumlichen Voraussetzungen für den Wandel
des Reviers in eine zukunftsfähige Wirtschafts- und Industrieregion geschaffen werden.
Für die präventive Gestaltung des Strukturwandels im Rheinischen Revier ist eine
kluge und vorausschauende Raumentwicklung und Flächenpolitik als regionale
Perspektive unerlässlich. Die großen Landschafts- und Raumveränderungen im Zuge der Braunkohletätigkeit und Rekultivierung implizieren auch die Möglichkeit
einer vorausschauenden, zukunftsfähigen
Neuordnung des Raumes. Dafür muss es
gelingen, regionale Dialog- und Leitbildprozesse unter aktiver Beteiligung möglichst vieler gesellschaftlicher Akteure in
Gang zu bringen. Vor diesem Hintergrund
beschreibt das strategische „Zukunftsfeld
Raum“ die Zielsetzung einer integrierten,
nachhaltigen Raumentwicklung im Rheinischen Revier, die (teil)räumliche Konzepte miteinander verknüpft und den Ansprüchen der Wirtschafts-, Siedlungs-,
Infrastruktur- und Freiraumentwicklung
gleichermaßen gerecht wird.
Durch die Braunkohlentagebaue ergeben
sich massive Herausforderungen für die
Entwicklung der Infrastruktur in der Region, die Verkehrsentwicklung ebenso wie
den Breitbandausbau, für Fragen der Raumentwicklung wie für die Wiedernutzbarmachung der Tagebaue. Die nordrhein-westfälischen Tagebaue sind von
wesentlich größerer Dimension als die Tagebaue im Osten Deutschlands. So werden
im Tagebau Hambach und Garzweiler II
sehr große Restlöcher (bzw. Tagebauseen)
verbleiben. Zu den Herausforderungen
gehört die Verbesserung der verkehrlichen Erschließung der Region für alle Verkehrsträger ebenso wie die koordinierte
Entwicklung neu entstehender Gewerbeflächenangebote. Lückenschlüsse und
Ausbaumaßnahmen im Straßen- und
Schienenverkehr sowie touristische Angebote (z.B. Radwegenetz) können zusätzliche Wachstumspotentiale für die Region
eröffnen. Andererseits können Veränderungen bei der zeitlichen Nutzung der Tagebaue der Region zu erheblichen Verwerfungen in der Planung führen.
Umplanungen werden erhebliche fachliche Fragestellungen aufwerfen, die mit
dem Instrumentarium der Braunkohlenplanung und des bergrechtlichen Fachrechts nur mit einem Vorlauf von mindestens 15 Jahren umgesetzt werden können.
Durch das langfristige Auslaufen des
Braunkohlenbergbaus wegfallende Gewerbesteuerzahlungen müssen kompensiert werden durch Unternehmenswachstum und neue Ansiedlungen.
Wachstumsimpulse können insbesondere
durch Innovationen, Digitalisierung und
Gründungen entstehen. Ziel ist es, parallel
zum Braunkohlestrukturwandel neue Flächenangebote zu schaffen, die die auf diesem Wege entstehende Nachfrage von
Unternehmen aufnehmen können und zu
strukturwirksamen
Kompetenzarealen
und Gewerbeflächen weiter entwickelt
werden sollen. Dabei werden insbesondere größere interkommunale Flächenentwicklungen in den Blick genommen, um
neue Arbeitsperspektiven für die Region
zu erschließen. Im Fokus stehen dabei
auch Folgeentwicklungen für nicht mehr
betriebsnotwendige Flächen und Brachen
(z.B. ehemalige Kraftwerksstandorte) sowie drei LEP-Flächen im Rheinischen Revier. Die Aktivierung dieser Potenziale
braucht konzertierte Unterstützung von
Land und Bund, die in konkrete Zeit-Maß-
nahmen-Pläne gebündelt wird. Ziel ist darüber hinaus eine regional abgestimmte,
übergeordnete Flächenentwicklungs- und
Vermarktungsstrategie (Herausarbeiten
regionaler Entwicklungsschwerpunkte /
Kooperationsmöglichkeiten, thematischer
Alleinstellungsmerkmale, Standortprofile/F&E-Potenziale) und die entsprechende planungsrechtliche Sicherung und
Neuerschließung notwendiger Entwicklungsbelange bzw. -korridore.
Die im Zuge der Tagebauentwicklung
raumgreifenden Strukturveränderungen
führen auch zu besonderen Herausforderungen und Chancen für eine zukunftsfähige Dorf-, Quartiers- und Stadtentwicklung im Rheinischen Revier. Hinzu
kommen die besonderen Zielsetzungen
und Anforderungen an das Thema Bauen,
die sich vor dem Hintergrund von Energiewende und Klimaschutz ergeben. Auf
Ebene des Dorfes und des Stadtquartiers
gestalten Bürger gemeinsam mit Politik
und Verwaltung, Unternehmen und Institutionen der Region die Zukunft vor Ort.
Das Rheinische Revier ist ein Landschaftsraum im Wandel. Die großen Landschaftsveränderungen der Braunkohleindustrie
bieten die Chance, parallel zur Tagebauentwicklung frühzeitig einzigartige Rekultivierungslandschaften hoher Qualität zu
gestalten und ausgehend von innovativen
Einzelprojekten ein zusammenhängendes
Freiraumsystem (multifunktionaler Landschaftspark) hoher regionaler Wertschöpfung (Grüne Infrastruktur, Naherholungsraum/Tourismus, produktive Landschaften
als Ressourcen-Lieferanten) für die Region
zu etablieren. Dabei besteht das besondere Potenzial, eine klimawandelresiliente
Folgelandschaft mit Modellcharakter für
andere Industrieregionen zu schaffen.Eng
in Verbindung mit dem Thema der Landschaftsentwicklung steht der Bereich der
innovativen Landwirtschaft und das strategische Ziel einer Agrobusiness-Region.
25
Ziele
•
Der Weg hin zum Rheinischen Zukunftsrevier folgt einer integrierten Raumentwicklung, die den Ansprüchen
der Wirtschafts-, Siedlungs-, Infrastruktur- und Freiraumentwicklung gleichermaßen gerecht wird.
• Das Rheinische Revier nutzt die Umstrukturierung des Raumes, um Wachstumsdruck aus den Zentren
aufzunehmen und neue Raumqualitäten zu schaffen:
» Herstellung neuer Verknüpfungen (analog und digital) durch den Ausbau notwendiger Verkehrsinfrastruktur
(multimodales Verkehrssystem, Ausbau Schienennetz, Ergänzung Straßeninfrastruktur)
» Wirtschaftliche Flächenentwicklung (großer und zusammenhängender Industrie- und Gewerbegebiete
der Zukunft) mit hohem qualitativem Anspruch
» Realisierung innovativer Wohnstandorte (Dörfer und Quartiere der Zukunft)
» Sicherung von Lebensqualität im Rheinischen Revier: Landschaftsumbau für neue Standortqualitäten,
Nutzung der touristischen Infrastruktur (Entwicklung einer multifunktionalen „Grünen Infrastruktur“ /
Multikodierung von Landschaft
Strategien und Konzepte
• Entwicklung Räumliches Zukunftsbild
» Masterpläne Tagebauumfelder (Inden, Garzweiler, Hambach)
» Profilierung/Entwicklung interkommunaler Kompetenzareale /Aktivierung LEPVI-Flächen, Konzepte für
Kraftwerksstandorte (Konkrete Zeit- und Maßnahmenpläne)
» Regionale GE/GI-Flächenentwicklungsstrategie /diversifizierte Ansiedlungsstrategie
» Masterplan Grüne Infrastruktur / Regionales Freiraumsystem (Landschaftsumbau für die Entwicklung einzigartiger
Standorte/Landschaftliche nutzen, weicher Standortfaktor, Tourismus)
»Masterplan „Innovative Wohnstandorte“ im Revier (Verbundstrategien/Netzwerke „Klimaschutzquartiere“ und
„Dörfer der Zukunft“ im Rheinischen Revier)
» Masterplan Infrastruktur (Mobilität/Verkehrsinfrastruktur) im Rheinischen Revier (analog und digital),
Regionales Mobilitätskonzept
26
Strukturwirksame HANDLUNGSANSÄTZE
• Entwicklung räumliches Zukunftsbild: Erarbeitung und Zusammenführung teilräumlicher Masterpläne der Tagebau- und
Kraftwerksumfelder
•
Kompetenzareale/Nachnutzungen Kraftwerksstandorte
- LEP Flächen (Neurath, Geilenkirchen, Euskirchen)
- Industriedrehkreuz Weisweiler, Inden, Stolberg
- Green Battery Park Euskirchen
- Transformation Frimmersdorf
- Interkommunales Kompetenzareal :terra nova / Klimahülle :terra nova…
- Campus Aldenhoven/Baesweiler
- Forschungsflugplatz Merzbrück
- Brainergy Village im Brainergy Park Jülich
•
Neue Städte/Quartiere und Dörfer der Zukunft (10 Modellquartiere)
- Dörfer, Quartiere im Zukunftsrevier als Modellorte, in denen sich Wandel vollzieht (u.a. Faktor X-Siedlungen/Quartiere)
- Neue Wohnbauflächen, Stadtentwicklung MG, innovativer Umgang mit Baustoffen: u.a. Holzcampus…
•
Zusammenhängendes Freiraumsystem/ multifunktionaler Landschaftspark für das Rheinische Zukunftsrevier
- Umsetzung der Tagebauumfeldkonzepte Garzweiler, Inden und Hambach
- Sophienhöhe
- Essbare Energielandschaft Erftaue
- Seenlandschaft Rheinisches Revier…
•
Infrastruktur
- Netz von Mobilstationen im Rheinischen Revier (20 Mobilstationen im RR)
- Erfttal SBahn RB 38
- Elektrifizierung der Eifelstrecke Köln-Euskirchen-Trier
- Schienengebundene Wasserstoff-Mobilität
- Umwidmung RWE-Bahntrassen für Güter und Personenverkehr
- Netz schneller Radwege
- Kanal-Verbundsystem „Wasser-Dreieck“
- Restsee-Nutzung
- Rheinquerung Wesseling
27
ZUKUNFTSFELD INNOVATION UND BILDUNG
Ziele, Strategien/Konzepte, Strukturwirksame HANDLUNGSANSÄTZE
INNOVATION
RESSOURCENHUBS,
OPTIMIERTE
REGIONALE
GEWERBEGEBIETE
GRÜNDERZENTREN
FORSCHUNG
FORSCHUNG &&
WISSENSCHAFT
WISSENSCHAFT
(AUS-)BILDUNG
AUSBILDUNG
REGIONAL
ABGESTIMMTE
SMART
FLÄCHENLOGISTICS
ENTWICKLUNGEN
28
OPTIMIERUNG
SCIENCE-TOSIENCE-TOBUSINESS
BUINESSCENTER
TRANSFER
INDUSTRIE
4.0
FOLGENUTZUNG
VON
SMART
KRAFTWERKFACTORIES
STANDORTEN
Das Rheinische Revier ist eingebunden
in die Metropolregion Rheinland, die
durch ihre Innovations- und Forschungsinfrastruktur exzellente Potentiale für neue Prozesse und Produkte,
Gründungen und eine Digitalisierung
von Wirtschaft und Gesellschaft aufweist. Das Rheinische Revier wird InnovationsREVIER der Zukunft. Hochschulen und Wissenschaft öffnen sich in die
Region und schaffen neues Geschäft.
Die Wissenschafts- und Forschungsregion muss gestärkt werden, denn Forschung und Entwicklung liefern Lösungen
für viele drängende Probleme und Zukunftsfragen. Das Rheinische Zukunftsrevier kann dabei als beispielhafter Referenz- und Modellraum auch für andere
Regionen dienen. Dabei kommt es darauf
an, dass die Potentiale aus den Hochschulen und Forschungseinrichtungen für
die Entwicklung der Region noch wirkungsvoller nutzbar gemacht werden. Es
kann eine über Deutschland hinaus weisende Marke geschaffen werden. Im „Innovation Valley Rheinland“ sollen Wissenschaft und Wirtschaft noch leichter
zueinander finden und anhand konkreter
F&E-Projekte ihre Kooperation intensivieren. Dazu wollen die Universitäten und
Hochschulen Aachen, Köln und Düsseldorf sowie das Forschungszentrum Jülich
gemeinsam mit vielen weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen durch die Nutzung ihrer exzellenten Forschung im Rahmen von Start-up Centern Impulse für
Gründungen und Ausgründungen in die
Region setzen. Mit dem Streetscooter
und dem e.GO ist dies bereits modellhaft
gelungen. Wachstumspotentiale der
Hochschulen können über spill-over-Effekte im Raum zwischen den Hochschulen sowie mittels der ausgezeichneten
Flächenpotentiale (z.B. LEP-Fläche Euskirchen) genutzt und auf diese Weise neue
Beschäftigung geschaffen und die Wertschöpfungsverluste einer Transformation
der Tagebauregion kompensiert werden.
Die Strategie besteht darin, wissenschafts- und forschungsbasierte Innovationskraft verstärkt in den mittel- und langfristigen Strukturwandel einzubringen,
um die Region überregional, national und
international als zentralen Innovationsraum zu positionieren. Dieser innovationsfokussierte Weg ist auf dem Weg in
die Zukunft wesentlich auszuweiten. Dazu
sind vorliegende Wissenspotentiale auszuschöpfen, die neue Entwicklungs- und
Wertschöpfungspfade für das Rheinische
Revier aufzeigen und ein möglichst breites Spektrum an ökonomischen Chancen
eröffnen. Wissenschaftliche Forschung
und deren Umsetzung in Technologien
sollen die Basis für neue Geschäftsmodelle werden, und nicht nur Erträge oder
Profitabilität, sondern vor allem auch
Qualifizierungs- und Erwerbsmöglichkeiten in der Region initiieren. Dieser Prozess
wurde bereits begonnen. Vier der sechs
vom Land Nordrhein-Westfalen und einer
der vom Bund geförderten Digital Hubs
sind im Rheinland angesiedelt (Aachen,
Düsseldorf, Bonn und Köln). Darüber hinaus haben sich mittlerweile eine wachsende Zahl privater Inkubatoren und Akzeleratoren für Start-ups und Spinoffs
angesiedelt. Da die Hubs regional wirken
und überregional zusammenarbeiten,
sind sie Anlaufstelle für Start-ups und etablierte Unternehmen aus dem Rheinischen Revier. Zudem sind vier von aktuell
zehn DWNRW-Networks im Rheinland
ansässig, eines davon direkt im Rheinischen Revier („ARCANUS – Das Digital
Network für Entrepreneurship im Bereich
Kritischer Infrastrukturen“ mit Sitz in Elsdorf-Heppendorf). Ziel des Programms
DWNRW-Networks ist es, Akteure aus
Start-ups, Mittelstand und Industrie in
den Regionen zusammenzubringen, um
vor Ort den Austausch zu allen wichtigen
Themen der Digitalisierung zu ermöglichen. Die ausgewählten Projekte sind Anlaufstelle für konkrete Beratungs- und Finanzierungsfragen. Sie arbeiten mit den
Hubs der Digitalen Wirtschaft zusammen
und ergänzen den regionalen Austausch.
Für Hubs und Networks gilt: Es braucht
Zeit, bis sich diese Ökosysteme entwickeln und in die Region hineinwirken, digitale Start-ups generieren und ihre Rolle
eines Impulsgebers für die digitale Transformation der etablierten Unternehmen
vollumfänglich ausfüllen.
Als nächster Schritt sollen an den Universitäten und Forschungsstätten in enger
Zusammenarbeit mit dem Ecosystem „Exzellenz Start-up Center“ aufgebaut werden. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die
Überwindung von regionalen Grenzen im
Start-up-Ökosystem. Viele der Angebote
im Rheinischen Revier sind an regionale
Grenzen gebunden und können so nicht
optimal in die Region hineinwirken. Dadurch gehen wichtige Synergien verloren.
Welche Schlagkraft durch eine überregionale Zusammenarbeit entwickelt werden
kann, ist beispielhaft an jüngsten Initiativen der DWNRW-Hubs sowie des Bundesverbandes Startup e.V. unter dem
Dach NRWalley zu erkennen. Um zukünftig als ein zusammenwirkender und
schlagkräftiger Digital- und Innovationsstandort gesehen zu werden, bedarf es einer gestärkten regionalen Zusammenarbeit im Rheinland wie im Rhein-Ruhr-Raum
sowie grenzüberschreitend mit Belgien
und den Niederlanden.
Vor diesem Hintergrund steht der anstehende Strukturwandel im Rheinischen
Revier in einem engen Zusammenhang
mit einem entsprechenden Aus- und Weiterbildungsangebot in der Region. Die Innovationsfähigkeit des Rheinischen Zukunftsreviers erfordert die stetige
Fortentwicklung bestehender Kompetenzen und deren Ergänzungen um neue
Themenfelder wie Neue Energien, Ressourcen- und Klimaschutz, E-Mobilität
und Digitalisierung/Industrie 4.0.
29
Ziele
•
Das Rheinische Zukunftsrevier wird durch seine wegweisende Gründungskultur zum Innovation Valley Rheinland.
•
Ausgründungen aus Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen führen zu neuen Ansiedlungen im Revier.
•
Im Sinne eines Research to Money entstehen aus der Wissenschaft verstärkt Anwendungen in der Wirtschaft.
•
Die Innovationskraft der Hochschulen und Forschungseinrichtungen des Rheinischen Reviers unterstützen eine
zukunftsfähige Transformation der Region.
•
Das Rheinische Zukunftsrevier nutzt die Chancen der Digitalisierung für regionale Wertschöpfung.
•
Lebenslanges Lernen im Rheinischen Zukunftsrevier wird eine wichtige Basis für die weitere Entwicklung
30
Strategien und Konzepte
•
Konkretisierung einer Strategie Innovation Valley Rheinland
•
Verbesserung der Gründungsinfrastruktur und der Innovationssolutions
insbesondere an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen zur
Entwicklung von Spill over in die Region als neues Innovation Valley Rheinland
• Entwicklung und Umsetzung einer FuE-Strategie für das Innovation Valley
Rheinland: Ansiedlung / Erweiterung von Hochschulen, neuen Instituten und
Förderung der Konsortialforschung im Revier
• Etablierung von Science-to-Business-Centern und zukunftsfähigen
Technologieparks
•
Stärkung der Aus- und Weiterbildung, insbesondere im Bereich der
Digitalisierung (Rheinisches Zukunftsrevier 4.0)
•
Umfassende Erschließung der Region mit digitaler Infrastruktur
• Optimierte Entwicklung und Vermarktung von Gewerbeimmobilien und
-flächen
Strukturwirksame HANDLUNGSANSÄTZE
•
F&E-Projekte in allen benannten Zukunftsfeldern: Piloten und Demonstratoren
• Hochschulerweiterungen: u.a. TH Köln Campus Rhein-Erft, Campus West RWTH
Aachen...
•
Errichtung von 5 Innovation Hubs und Gründerzentren im Rheinischen Revier:
u.a. Innovationcenter Düren, Forum Heppendorf/Elsdorf, Holzcampus.Eifel,
Brainergy Hub Jülich
•
RWE Ausbildungsstandorte als Lernfabriken für die Zukunft sichern
• Ausbau der digitalen Infrastruktur und Projekte der Digitalisierung
in allen Zukunftsfeldern:
- Virtuelles Kraftwerk / Regionales Energiemanagementsystem
- Smart Homes/Smart Villages (Digitale Dörfer)
- Rural Hubs/Urban Hubs
- Smart Factories (Industrie 4.0)
- Intelligente Verkehrssysteme/autonomes Fahren
- Smart Farming
- Telemedizin im ländlichen Raum
- Flächendeckenden Ausbau des 5G-Mobilfunkstandards
31
ZUKUNFTSFELD RESSOURCEn
UND AGROBUSINESS
Ziele, Strategien/Konzepte, Strukturwirksame HANDLUNGSANSÄTZE
32
Das Rheinische Revier wird sich zukunftsfähig aufstellen als ressourcenintelligente Region. Dabei werden
vorhandene Kompetenzen aufgegriffen und gemeinsam mit raumspezifischen Potenzialen und Besonderheiten für die Profilierung neuer Themen
und Geschäftsfelder genutzt (Kreislaufwirtschaft Bauen, nachhaltige Carbon-Wertschöpfung, Agrobusiness,
regionale Bioökonomie-Strategie).
Ein weiteres Zukunftsfeld beschreibt den
Aufbau eines regionalen Ressourcensystems, das die besonderen Spezifika des
Rheinischen Reviers und seiner Begabungen für den Aufbau neuer Wertschöpfungen nutzt.
Das Rheinische Revier ist seit jeher ein
Raum, in dem Rohstoffgewinnung und
Stoffumwandlung eine große Rolle spielen. Vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen wie Energiewende, Klimaund Ressourcenschutz bei gleichzeitiger
Versorgungssicherheit werden neue
Strategien für den nachhaltigen Umgang
mit Ressourcen erprobt. Strategisches
Ziel ist es dabei, das Rheinische Revier
schrittweise zu einer Modellregion möglichst geschlossener Stoffkreisläufe oder
ausdifferenzierter Verwertungskaskaden
fortzuentwickeln und dabei neue Wertschöpfungsketten in der Wirtschaft zu
etablieren. Im Fokus stehen hier nicht
nur die Energieressourcen der Region,
wie Braunkohle oder Biomasse. Auch im
Bausektor oder in der chemischen Industrie gibt es unterschiedliche Ressourcen
und Potentiale die anderweitig und effizienter genutzt werden können.
Bereits heute existieren im Rheinischen
Revier viele Ansätze und Konzepte für
den Aufbau eines regionalen Ressourcensystems, die in den nächsten Jahren
fortentwickelt und in konkrete, strukturwirksame Projekte übersetzt werden sollen:
Ein wesentlicher Bereich der Ressourceneffizienz ist mit der Bauwirtschaft (Kreislaufwirtschaft Bauen) in den Blick zu nehmen, da der Anteil der Bau(stoff)industrie
an den insgesamt bewegten Stoffströmen der höchste ist. Sie wird im anstehenden Strukturwandel eine besondere
Rolle einnehmen, da sie sämtliche Neuund Rückbauprozesse in der Region
durchführt. Auch entsteht auf dem Weg
zur Erreichung der Klimaschutzziele beim
Bauen von Industrie-, Gewerbe- und
Wohngebieten ein erhebliches Ressourcen-Einsparpotenzial, das im Revier
durch eine erhöhte Ressourceneffizienz
bei Neubau, Nachnutzung, Sanierung
sowie Rückbau/Recycling und Re-Development umgesetzt werden muss. In
diesem Zusammenhang wird zukünftig
auch der phasenweise Rückbau von
Großkraftwerken eine zunehmende Relevanz erhalten, das es sich hierbei um
Rohstoffquellen und Flächen zur Nachnutzung zugleich handelt.
Im Bereich der nachhaltigen Carbon-Wertschöpfung soll eine regionale
Zukunftsstrategie im Umgang mit Braunkohle und CO2 entwickelt werden. Ziel ist
es dabei, insbesondere vor dem aktuellen Hintergrund der vereinbarten Klimaschutzziele neue Technologien und Nutzungsmöglichkeiten das klimaschädliche
Treibhausgas Kohlendioxid zu einem
nutzbaren Wertstoff weiterzuentwickeln.
Die Nutzung von CO2 zur Erzeugung von
Algen-Biomasse am FZ Jülich, die wiederum als biogener Treibstoff genutzt werden kann, oder die Erzeugung neuer
Kunststoffe aus CO2 bieten hierfür erste
technologische Ansätze, die es in den
nächsten Jahren weiterzuentwickeln und
auf ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit hin
zu optimieren gilt. Ebenso bietet die
stoffliche Nutzung der Braunkohle neue
Möglichkeiten, indem durch chemische
Prozesse Huminstoffe für die Bodenverbesserung und Grundstoffe für Kosmetika, Schmiermittel und Kraftstoffe herstellbar sind.
Nicht zuletzt beschreibt das strategische
Ziel einer „Agrobusiness-/Bioökonomie-Region Rheinisches Revier“ das große Potenzial, die im Raum vorhandenen
optimalen Produktions- und Distributionsbedingungen (Flächenverfügbarkeit,
hohe Bodenqualität, Nähe zu Großstädten) und Kompetenzen mit den regionalen Ressourcenpotenzialen (z.B. Abwärme,
Sümpfungswasser,
CO₂)
zu
verknüpfen und daraus neue, regionale
Wertschöpfungsketten aufzubauen: Diese können die gesamte Bandbreite von
der nachhaltigen Produktion von Lebensmitteln über deren Verarbeitung bis
hin zum Marketing und Vertrieb in der
Region abbilden. In diesen Zusammenhang ist auch die Etablierung einer regionalen Bioraffinerie zu stellen, die den
Aufbau eines Science-to-Business Centers“ für die regionale Nutzung von Biomasse (z.B. Zuckerrübe, anfallendes
Schnitt- und Rodungsholz, Nachwachsende Rohstoffe) und die Entwicklung
neuer innovativer Produkte auf Basis
nachwachsender Rohstoffe (z.B. Biokunststoffe) vorsieht.
33
Ziele
•
Aufbau einer Ressourcenintelligenten Region / Ressourceneffizienz
» Entwicklung einer Modellregion für geschlossene Stoffkreisläufe / Kreislaufwirtschaft
» Etablierung neuer regionaler Wertschöpfungsketten
•
Regionale Ernährung sichern: Versorgung und Gesundheit
» Agrobusiness: Produktion, Verarbeitung, Verteilung von qualitätsvollen regionalen Lebensmitteln
•
Etablierung neuer Wertschöpfungen im Bereich der Bioökonomie in Kooperation mit renommierten Forschungsinstituten
der Region (insbes. FZ Jülich) und Unternehmen der Region
•
Entwicklung des Rheinischen Reviers zu einer Modellregion zum Thema Digitalisierung in der Medizin
» Sicherung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum, innovative Produkte für die Gesundheitswirtschaft
34
Strategien und Konzepte
•
Konzept und Umsetzung Regionale Kreislaufwirtschaft (Ressourceneffizientes/
kreislaufgerechtes Bauen / Rückbau)
•
Agrobusiness/Bioökonomie Region Rheinisches Revier (Nutzung bester Böden,
vorhandener Energie- und Abwärmepotenziale für Produktion, Verarbeitung
und Distribution qualitätsvoller Nahrungsmittel und Nachwachsender Roh-
stoffe für Agglomerationsräume Köln, Düsseldorf, Aachen)
•
Start-Up-Initiative „Regionale Gesundheitswirtschaft“ (Unterstützung der Start
Ups bei der Implementierung von neu entwickelten Medizin-Produkten in die
Regelversorgung / Kooperation mit Politik und Kostenträgern erforderlich)
Strukturwirksame HANDLUNGSANSÄTZE
• Erprobung neuer Anbauformen / Wertschöpfungsbereiche gemeinsam mit der
Landwirtschaft:
- Agricola Agrobusiness-Parks / innovative Gewächshausparks der Zukunft im
Umfeld großer Kraftwerksstandorte (z.B. Gewächshauspark Neurath…)
- autobahnbegleitende „food strips“/produktive Landwirtschafts-/GE-Parks auf
besten Böden
- Arznei- und Gewürzpflanzen auf Rekultivierungsflächen
- Zentrum für Permakultur-Landwirtschaft Schloss Türnich
• Stoffliche Nutzung der Braunkohle und braunkohlestämmigem CO2-Nutzung
(z.B. Kunststoffe aus CO2) gemeinsam mit der Wissenschaft:
2
- Frauenhofer Institut, Initiative „Kohenstoffketten IK “
- Ruhr-Universität Bochum, Stiftungsprofessur „Carbon Sources and
Conversion (CSC)“
•
Anlage Baustoff-Recycling/-rückbau
•
Regionales Kompetenzzentrum für nachhaltigen Umgang mit Ressourcen
•
Kompetenzzentrum Nachhaltige Bioraffinerie (inkl. Forschung)
•
Neue Produkte und Dienstleistung im Bereich der Gesundheitswirtschaft durch
Digitalisierung in der Medizin
•
Huminstoff-Forschung und die Entwicklung von handelsfähigen Düngemitteln
35
Akteure_Organisation_Kommunikation
Das Rheinische Zukunftsrevier
Akteure / Bestehende Kooperationen
•
Zukunftsagentur Rheinisches Revier GmbH
•
Regionalmanagements (Region Köln/Bonn e. V., ZV Region Aachen, Standort Niederrhein)
•
Teilräumliche Kooperationen / Verbünde (Indeland GmbH, ZV Garzweiler, Hambach, :terra nova, Rheinisches Sixpack)
•
Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen (RWTH und FH Aachen, TH Köln, FZ Jülich, DLR…)
•
Unternehmen und Wirtschaft (RWE Power AG, energieintensive Industrie, KMU, IHK, HWK, Betriebsräte und Gewerkschaften)
•
Regionale Landwirtschaft (LWK NRW, RLV), Gewässerverbände (Erft, Eifel-Rur, Niers)
• Land NRW und Regionalplanungsbehörden Köln und Düsseldorf
» ausgeprägte und leistungsfähige Kooperationsstrukturen zur Bewältigung des dynamischen Strukturwandels vorhanden
36
Organisation Management
• Zukunftsagentur GmbH (Rolle des Agenten) als leistungsfähige,
zentrale Koordinations-Plattform einer neuen gemeinsamen Haltung/
Ausrichtung des Zukunftsreviers
» Organisation und qualifizierende Begleitung des Zusammenwirkens/
Zusammenarbeitens der bestehenden Akteursstruktur
(dezentrale Projektumsetzung)
•
Management des Bundesmodellvorhabens „Unternehmen Revier“ und
Organisation / Aufbau vergleichbare, geordneter Projektauswahlverfahren für
künftige Förderkulisse des Bundes im Strukturwandel
•
Etablierung eines unabhängigen Fachbeirates bzw. einer Jury
•
Etablierung von Kümmerern/Netzwerkmanagern für Aufbau/Begleitung
thematischer Netzwerke: stetige Initiierung und Qualifizierung struktur-
wirksamer Prozesse und Projekte
Kommunikation Präsentation
•
Stärkung und Erweiterung der bereits jährlich stattfindenden Revierkonferenzen
als prozessbegleitendes, öffentlichkeitswirksames Kommunikations- und
Präsentationsformat
• Zukunftsformate/Perspektiven
» Auch für Management, Kommunikation/Präsentation sind finanzielle Mittel
erforderlich!
37
DYNAMISCHER PROZESS Strukturprogramm
„RHEINISCHES ZUKUNFTSREVIER“
ERSTELLUNG UND intervallisierte Fortschreibung EINES
STRUKTURPROGRAMMs für das rheinische zukunftsrevier
Die gemeinsame Erstellung eines konkreten Strukturprogramms für das Rheinische Zukunftsrevier und dessen intervallisierte
Fortschreibung erfolgt in mehreren Schritten. Innerhalb eines dynamischen Prozesses im Zeitraum von 2018 bis 2032/34 werden
sowohl ein übergeordnetes Zukunftsbild als auch ein entsprechendes Programm mit konkreten Projekten erarbeitet und umgesetzt. Das Zukunftsbild für das Rheinische Revier beschreibt einen übergeordneten Rahmen, der einer zukunftsfähigen Entwicklung räumlich, thematisch und strategisch-organisatorisch Orientierung gibt. Das daraus entwickelte Programm definiert konkrete Projekte und setzt diese gemeinsam mit den unterschiedlichen Akteuren vor Ort um.
38
39
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 2
Leitlinien für einen
nachhaltig erfolgreichen
Strukturwandel
in der Region Aachen
Version 1.0
Vision 2045
und
Konzept zur
strukturellen Weiterentwicklung
der Region Aachen
Oktober 2018
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 3
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 4
Vorwort
Die Region steht vor großen Herausforderungen!
Durch den anstehenden Braunkohleausstieg erfolgt ein Strukturwandel, der aktiv zu
gestalten ist.
Diese Gestaltungsaufgabe ist mit großen Herausforderungen verbunden; schwierig zu
vereinbarende Ziele wie Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit
sind möglichst erfolgreich zu bewältigen.
Die Erreichung der Klimaschutzziele, die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Sicherstellung einer zukunftsfähigen Energieversorgung für Industrie und Bevölkerung sowie
der verstärkte Ausbau der Infrastruktur sind unsere zentralen Handlungsfelder. Parallel
ist der durch die Digitalisierung bewirkte stete Wandel der Wirtschaft zum größtmöglichen Vorteil der Region Aachen zu nutzen.
Diesen Aufgaben stellen wir uns!
Als ersten Schritt haben wir die vorliegenden Leitlinien für einen nachhaltig erfolgreichen Strukturwandel erarbeitet. Sie sind Ergebnis eines engen Dialogs mit kompetenten Akteuren der Region aus Verwaltung, Politik sowie Vertretern der Sozialpartner.
Die vorliegende erste Leitlinien-Version enthält Beschreibungen unserer wichtigsten
Zukunftsfelder und Vorschläge für die ersten richtungsweisenden Projekte.
Für unser Papier haben wir bewusst den Untertitel „Version 1.0“ gewählt, denn wir wollen verdeutlichen, dass es sich um einen ersten Konzeptentwurf handelt. Diesen Entwurf werden wir kontinuierlich weiterentwickeln und aktualisieren. In einem umfassenden Beteiligungsprozess werden wir dieses Zukunftskonzept mit vielen regionalen Akteuren schärfen und durch weitere Ideen ergänzen.
Einerseits ist es der Einstieg in den Strukturwandel der Region Aachen, andererseits
ist es ein Portfolio, um die Region Aachen strategisch für die Zukunft zu positionieren.
Lassen Sie uns gemeinsam alle Chancen nutzen, die uns die Zukunft für diese wunderbare Region bietet: Wir haben die besten Voraussetzungen, den Strukturwandel
nachhaltig erfolgreich zu meistern!
Prof. Dr. Christiane Vaeßen
Geschäftsführerin Region Aachen Zweckverband
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 5
An uns kommt keiner vorbei!
Die Region Aachen ist Europas zentraler Innovationsraum!
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 6
Inhalt
Präambel
S. 9
Strukturwandel und Klimaschutz
S. 11
Region Aachen
S. 15
Regionale Kooperationen
S. 19
Region Aachen Zweckverband als Entwicklungsgesellschaft
S. 19
Forderungen und Ziele
S. 22
Zukunftsfeld 1:
Energie / energieintensive Industrie
S. 26
Zukunftsfeld 2:
Forschung, Innovation, Digitalisierung, Bildung, Gründung
S. 39
Zukunftsfeld 3:
Infrastruktur, Raum, Fläche, Mobilität
S. 49
Auf einen Blick
S. 61
Zukunftsvision für die Region Aachen
S. 63
Quellenverzeichnis
S. 64
Impressum
S. 65
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 7
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 8
Präambel
Wandel als Chance: Zukunft ist unser Revier
Leitlinien für einen nachhaltig erfolgreichen Strukturwandel in der
Region Aachen
Wir gestalten Veränderungen und entwickeln Innovationen – so werden wir den
anstehenden Strukturwandel erfolgreich bewältigen.
Dabei werden wir unsere Versorgung mit bezahlbarer Energie sichern, das Klima
schützen und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze schaffen.
Alle unsere Kräfte werden wir bündeln, um dieses Ziel in der Gemeinschaft aller
regionalen Akteure zu erreichen.
Die Region Aachen gehört zum Rheinischen Revier und umfasst Stadt
und Städteregion Aachen sowie die Kreise Düren, Euskirchen und
Heinsberg. Seit langem werden Deutschland und Europa aus der
hiesigen Region mit elektrischer Energie beliefert: Das Rheinische Revier
liefert 11,5 % des deutschen und sogar 43 % des in NRW benötigten
Stroms. Daher muss vor allem hier im Rheinischen Revier der
Strukturwandel, der durch das geplante Ende des Braunkohle
verursacht wird, zum Erfolg geführt und aktiv unterstützt werden.
Als Stromproduzent und als industrieller Abnehmer großer
Energiekapazitäten ist die Region von der Energiewende besonders
betroffen. Die Bewältigung dieses langwierigen Prozesses erfordert nicht
allein intensive, partnerschaftliche Zusammenarbeit, sondern auch den
aktiven Beitrag aller gesellschaftlichen Akteure. Weiterhin erforderlich
sind die Einrichtung eines Strukturfonds und die Durchsetzung eines
Planungssonderstatus für unsere Region, um strukturverändernde
Maßnahmen schneller und unmittelbarer umzusetzen.
Die Tagebaue im Rheinischen Revier stellen einerseits einen wichtigen
Wirtschaftsfaktor dar, andererseits zahlen dafür die Menschen im
engeren Umfeld der Tagebaue einen hohen Preis: ganze Dörfer wurden
umgesiedelt mit dem Verlust von Heimat und der unwiederbringlichen
Zerstörung der über einen langen Zeitraum gewachsenen sozialen und
naturräumlichen Strukturen. Aus diesem Grund sind für die Menschen in
den Tagebauumfeldgemeinden entlang der Tagebaue Inden, Garzweiler
und Hambach aufgrund der besonders starken Betroffenheit
regionalökonomisch starke Strukturen aufzubauen, die eine neue
Landschaftsraumgestaltung sowie innovative Wirtschafts- und
Infrastrukturentwicklung ermöglichen.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 9
Eine Gesamtstrategie für einen erfolgreichen Strukturwandel beinhaltet
allerdings mehr als die Realisierung von einzelnen Projekten wie
beispielsweise der Ansiedlung einzelner neuer Unternehmen. Der
Ausbau der Bereiche Forschung und Innovation ist mit dem Ziel zu
intensivieren, neue Wertschöpfungsketten zu entwickeln und zu
implementieren. Darüber hinaus sind Rahmenbedingungen zu schaffen,
die sicherstellen, dass die bestehenden industriellen und
energieintensiven Produktionen an hiesigen Standorten erhalten bleiben.
Zu diesen Bedingungen zählt die Versorgungssicherheit auf der Basis
sowohl eines stabilen Stromnetzes als auch günstiger Strompreise.
Nur so kann industrielle Produktion weiterhin ihre wichtige Rolle bei der
Wertschöpfung in der Region spielen und garantieren, dass der
Wohlstand und die infrastrukturellen Lebensgrundlagen, wie z. B.
Arbeitsplätze und die Nahversorgung der Einwohner, auf dem Weg in
Richtung Energiewende erhalten und ausgebaut werden. Aufgrund der
hier beheimateten zahlreichen wissenschaftlichen Institutionen und
innovativen Unternehmen ist die Region national und international für
zukunftsweisende Ideen und hochkarätige technologische Konzepte
bekannt. Deshalb setzt die Region in Zukunft auf Ideen statt auf
Bodenschätze.
Wandel ist aus der Perspektive der Vordenker in der Region positiv
besetzt und ist aufgrund des damit verbundenen Wachstumspotenzials
mit großen Erwartungen verknüpft. Die Region hat im Laufe der
Jahrzehnte grundlegenden Wandel erfahren und sie musste bereits den
Ausstieg aus der Steinkohleförderung meistern und daraus
weitreichende Konsequenzen ziehen. Auf der Basis dieser Erfahrungen
ist absehbar, dass der anstehende neuerliche Wandel – das Ende der
Ära ‚fossile Energie‘ – für die folgenden Generationen große
Herausforderungen mit sich bringen wird. Unter anderem werden der
dabei erforderliche technische Fortschritt die Anforderungen an den
Arbeitsmarkt grundlegend verändern. Vor dem Hintergrund des
notwendigen nachhaltigen Wachstums wird die Nachfrage nach
hochqualifizierten Arbeitskräften kontinuierlich steigen. Zu deren
Befriedigung sind die Voraussetzungen zu schaffen. Die Basis dafür
besteht: Bereits heute haben junge Menschen in unserer Region
hervorragende Ausbildungsmöglichkeiten, die in Zukunft auch für
auswärtige Arbeitskräfte beruflich und privat noch attraktiver zu gestalten
sind. Hierbei ist schon heute hilfreich, dass die Region sowohl
grenzüberschreitend als auch mehrsprachig arbeitet und gut mit den
umliegenden Partnern vernetzt ist.
Der notwendige Ausbau der Infrastruktur der Region kann durch die
Einrichtung eines Strukturfonds zielgerichtet gefördert werden. Hierdurch
steigen die Chancen, dass die vorhandenen Forschungs- und
Innovationspotenziale der Region tatsächlich genutzt werden. Darüber
hinaus sollte es auch darum gehen, maßgebliche Zukunftstechnologien
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 10
für die Region und für das Land, für den Bund und auch für die
europäischen Nachbarländer zu entwickeln und nutzbar zu machen.
Die Mittel eines Strukturfonds des Bundes sind in unsere
Innovationsregion gut investiert: Als Motor zukunftsträchtiger
Technologien haben wir die beste Voraussetzung, den Dreikampf in den
Disziplinen Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Schaffung neuer
Arbeitsplätze zu gewinnen. Wir können zur Schlüsselregion für die
Zukunft Deutschlands werden.
Strukturwandel und Klimaschutz
Klimaschutzziele:
Eine gewaltige Herausforderung!
Im Zusammenhang mit den international diskutierten Klimaschutzzielen
schauen Menschen zunehmend auf Nordrhein-Westfalen und
insbesondere auf das Rheinische Revier: Es ist eines der wichtigsten
Energiezentren Europas und daher auch die Schlüsselregion für die
Erreichung der Klimaschutzziele in Deutschland und in Europa.
Region Aachen als wichtiger deutscher
Energiestandort
Ein großer Teil der Energieproduktionskapazitäten liegt im Kerngebiet
des Rheinischen Braunkohlereviers. Die heute in Deutschland benötigte
elektrische Energie stammt zu 11,5 % aus Kraftwerken des Rheinischen
Reviers. Damit werden 43 Prozent des Strombedarfs des industriell
geprägten Landes Nordrhein-Westfalen abgedeckt.
50 Prozent der durch Stromerzeugung verursachten Klimagase
stammen in Deutschland aus Braunkohlekraftwerken. Mehr als 10
Prozent des heute in der Bundesrepublik auftretenden Klimagases
Kohlendioxid stammt allein aus den rheinischen Braunkohlekraftwerken.
Somit wird das Ende der Braunkohleverstromung im Rheinischen Revier
einen großen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten.
Gleichrangigkeit der Ziele
Die inhaltlichen Fragen des Klimaschutzes lassen sich aber nicht allein
mit einem Braunkohleausstieg beantworten. Es geht einerseits um die
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 11
11,5 % von
Deutschlands
Energie kommt
aus dem Rheinischen Revier.
Verwirklichung der Klimaschutzziele, andererseits ist gleichzeitig eine
sichere Energieversorgung der energieintensiven Unternehmen der
Region zu garantieren. Wird dieser Aspekt nicht berücksichtigt, sind rund
100.000 Arbeitsplätze, die direkt oder indirekt vom Rheinischen Revier
abhängen, gefährdet. Grundsätzlich sind der Klimaschutz, die Schaffung
neuer Zukunftschancen für die betroffenen Kommunen, die
Versorgungssicherheit der Bevölkerung und der Industrie sowie die
Bezahlbarkeit der Energie im Rheinischen Revier gleichrangige Ziele.
Nach dem Ende der Braunkohleförderung und -verstromung ist
sicherzustellen, dass die Region mit genügend Energie versorgt wird.
Nur so kann erreicht werden, dass die enge Verflechtung mit anderen
Branchen, Industrien und Zulieferern auch zukünftig funktioniert.
Entwicklungspotenziale der Region
Selbst angesichts der Erfahrungen und der Potenziale der
Wissenschafts- und Forschungslandschaft in der Region Aachen ist dies
eine anspruchsvolle Aufgabe. Ihre Bewältigung erfordert deshalb eine
frühzeitige Initiierung von zukunftsträchtigen Projekten sowie eine
abgestimmte Wirtschafts- und Investitionspolitik im Zusammenspiel mit
Bund, Land, der Zukunftsagentur Rheinisches Revier und den Akteuren
in der Region Aachen. Die Forschungs- und Innovationspotenziale der
Region bieten beste Grundlagen, um umweltschonende Technologien
für die Zukunft bereitzustellen: für die Region, für das Land, für den Bund
und durch die enge wirtschaftliche Verzahnung insbesondere auch für
die Nachbarländer der Region.
Deutsches Zentrum Luft- und Raumfahtz (DLR) Standort Jülich: Zusammen mit
Gästen von der COP23-Klimakonferenz besuchte Bundesumweltministerin Barbara
Hendricks 2017 die größte künstliche Sonne der Welt. Ihre Funktionsweise erklärte
Professor Dr. Hoffschmidt, Direktor des Instituts für Solarforschung.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 12
Klimaschutz, Arbeitsplätze und
bezahlbare
Energie sind
gleichrangig.
Die Region Aachen – am westlichen Rand Nordrhein-Westfalens, eingebettet
zwischen den Niederlanden, Belgien und Rheinland-Pfalz.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 13
Forschungsrevier Region Aachen
In der Region Aachen arbeiten in den Bereichen Forschung &
Entwicklung viermal mehr Beschäftigte als im Bundesdurchschnitt.
Dieser Qualifikationsvorsprung sollte weiter ausgebaut werden, denn
Forschung & Entwicklung liefern Lösungen für viele drängende
Probleme und Zukunftsfragen, beispielsweise in den Feldern
Energieerzeugung und Mobilität. Auf diese Weise kann die Region
Aachen als Modellregion dienen.
e.GO: Das erste Serienmodell der e.GO Mobile AG wird ab Frühjahr 2019
ausgeliefert. Das Start-up-Unternehmen ist eine Ausgründung der RWTH
Aachen.
Auf der Basis renommierter Wissenschaften, der hervorragenden
Hochschulen, unter anderem mit der RWTH Aachen und der
Fachhochschule Aachen, den regionalen Forschungseinrichtungen, wie
dem Forschungszentrum Jülich und den vielen weiteren (u. a. Ericsson
Eurolab, Ford, Amazon, Fraunhofer-, Helmholtz- und Leibniz-Institute)
kann es gelingen, die Entwicklung notwendiger Technologien zu
forcieren. Auf diese Weise kann die Region positive
Zukunftsperspektiven für die Zeit nach der Braunkohle entwickeln.
Exemplarisch für so einen gelungenen Wandel steht das einst als
„Kernforschungsanlage Jülich des Landes NordrheinWestfalen“ gestartete heutige Forschungszentrum Jülich. Noch vor dem
Atomausstieg konnte sich der Standort Jülich zu einem hochmodernen
Forschungszentrum von Weltgeltung weiterentwickeln und dabei eine
vorgezogene Energiewende in Deutschland modellhaft realisieren.
In der Vergangenheit wurden bereits mit der frühzeitigen Schaffung
diverser Technologie-, Gründer- und Servicezentren in der Region
Aachen sowie mit der Etablierung der Gründerregion bei der IHK
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 14
Aachen Impulse gesetzt, die heute helfen, den Wissenschaftstransfer
zwischen Hochschulen und Märkten zu beschleunigen.
Ein weiteres Beispiel für die zukunftsorientierte Verbindung zwischen
Wissenschaft und Wirtschaft ist das RWTH Campus Projekt. Der Campus
Melaten stellt dessen erste Ausbaustufe dar: Auf einer Fläche von
473.000 qm entstehen elf Forschungscluster. Inzwischen wurden u. a.
die Cluster „Nachhaltige Energie“ und „Photonik“ realisiert. Mit dem
neuen Campus West wird der zweistufige Ausbau des Campus
fortgesetzt. Auf einem ca. 325.000 qm großen Gebiet rund um den
Aachener Westbahnhof entstehen fünf weitere Forschungscluster, die
thematisch und räumlich eng mit den bereits existierenden Instituten
verbunden werden.
Zukunftsorientierte
Verbindung von
Wissenschaft und
Wirtschaft::
RWTH Campus
Projekt:
Exemplarisch für den Transfer von Wissen aus angewandter Forschung
in marktfähige Technologie stehen Erfolgsgeschichten wie die der
StreetScooter GmbH, die auf eine Forschungsinitiative an der RWTH
Aachen zurückgeht und heute als Tochtergesellschaft der Deutschen
Post AG operiert.
Anfang des Jahres 2019 wird ein weiteres Spin-off der RWTH den
Elektrokleinwagen e.GO produzieren, der erfolgreich als das „E-Auto aus
dem Engineering Valley“ vermarktet wird. Im Jahr 2018 wurden e.GOProduktionswerke mit zahlreichen neuen Arbeitsplätzen für die Region in
Düren und in Aachen eröffnet. Dies ist ein Paradebeispiel für das
Innovationspotenzial der Region und für nachhaltigen Strukturwandel im
Bereich Mobilität sowie für Technologietransfer und Schaffung neuer
Arbeitsplätze.
Region Aachen
Die Region Aachen umfasst 46 Städte und Gemeinden mit insgesamt
1,3 Millionen Einwohnern und ist der größte Teil der trinationalen Euregio
Maas-Rhein. Die Region Aachen ist geprägt durch ihre Randlage
innerhalb Deutschlands und ihre zentrale Position im Rheinischen Revier
sowie durch die direkte Nachbarschaft zu den Niederlanden und zu
Belgien.
Die Region hat einerseits kurze Wege nach Paris, Brüssel, Rotterdam
und London und andererseits nach Düsseldorf, Köln und ins Ruhrgebiet.
Diese besondere Lage macht sie zu einem internationalen
Wirtschaftsraum in Westeuropa sowie zum bedeutenden Transitkorridor
für Warenströme, die von den belgischen und niederländischen
Seehäfen nach Deutschland und ins weitere europäische Ausland
verlaufen.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 15
46 Städte und
Gemeinden mit
insgesamt
1,3 Mio.
Einwohnern
Region Aachen: mit insgesamt 1,3 Millionen Einwohnern ein wichtiger Teil der
Euregio Maas-Rhein
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 16
Als Teil des größten deutschen Zentrums der Braunkohleverstromung,
dem Rheinischen Revier, ist die Region Aachen massiv vom
Strukturwandel durch das geplante Ende des Braunkohletagebaus
betroffen. Sie ist daher auf ein regionales Entwicklungskonzept
angewiesen, um den anstehenden Strukturwandel auf der Basis eines
aktiven Transformationsprozesses erfolgreich steuern zu können.
Aktiver Transformationsprozess
zur Realisierung
des anstehenden
Strukturwandels
Wirtschaftsstruktur der Region Aachen:
Zukunftsmärkte dominieren
Die Region Aachen ist vor allem durch mittelständische Unternehmen
und eine einzigartige Forschungs- und Technologielandschaft
gekennzeichnet.
Hier wird auf höchstem Niveau Forschung, angewandte Wissenschaft
und Technologieentwicklung betrieben. So entstehen marktfähige
Innovationen, Technikanwendungen, Produkte und Business-Modelle für
Unternehmen, die damit Wachstum und Arbeitsplätze für die Region
generieren.
Es gibt die folgenden zukunftsträchtigen Wirtschaftszweige, in denen die
Wirtschaft der Region Aachen besondere Stärken entwickelt hat:
Informations- und Kommunikationswirtschaft,
Bildung und Forschung,
Produktionstechnik und Werkstoffe,
Mobilität und Logistik,
Energie-, Wasser- und Abfallwirtschaft sowie
Gesundheitswirtschaft und Life Science.
In diesen Wirtschaftszweigen arbeiten 35 % der Unternehmen der
Region. Sie bieten mehr als 50 % der Arbeitsplätze und erreichen 2/3
des in der Region erwirtschafteten Umsatzes. (Wirtschaftsstudie Region
Aachen, Prognos 2017)
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 17
Stärken der Wirtschaft in der Region Aachen
Die Region Aachen umfasst 46 Städte und Gemeinden.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 18
Regionale Kooperationen
Die Umwandlung in ein Zukunftsrevier kann die Region Aachen
angesichts der anstehenden Energiewende – trotz bester
Voraussetzungen – nicht alleine schaffen: Zum einen erfordert die
optimale Nutzung der Standortkompetenzen sowie der Entwicklungs-,
Innovations- und Forschungspotenziale finanzielle Unterstützung von
außen. Zum anderen wird der erforderliche Strukturwandel nur gelingen,
wenn alle gesellschaftlichen Gruppen und relevanten Akteure engagiert
mitarbeiten – innerhalb der Region Aachen, aber auch auf Landes- und
Bundesebene und mit den Nachbarländern.
Strukturwandel
gelingt, wenn alle
gesellschaftlichen
Gruppen und relevanten Akteure
engagiert mitarbeiten.
Die Region Aachen kann an etablierte Kooperationen maßgeblicher
Akteure anknüpfen. Sie arbeitet bereits partnerschaftlich mit der
Zukunftsagentur Rheinisches Revier, mit den Partnerregionen an der
Rheinschiene und dem Regierungspräsidium in Köln zusammen.
Ebenso gibt es enge Verbindungen zu den Ministerien des Landes und
zu Institutionen in den westlichen Nachbarstaaten.
Region Aachen Zweckverband als
Entwicklungsgesellschaft
Der Region Aachen Zweckverband ist die regionale
Entwicklungsgesellschaft der Kreise Düren, Euskirchen und Heinsberg,
der Stadt Aachen und der Städteregion Aachen. Sie organisiert die
Zusammenarbeit der Partner und sorgt für notwendige Impulse bei der
Strukturentwicklung für Wirtschaft und Fachkräfte, Bildung und Kultur,
Gesundheit und Infrastruktur. Der Zweckverband setzt gemeinsam mit
Partnerinstitutionen aus Belgien und den Niederlanden in der Euregio
Maas-Rhein gemeinsam Projekte und Kooperationen um.
Verantwortung im „defossilen Zeitalter“:
Chancen nutzen, Schaden abwenden!
Angesichts der anstehenden Strukturveränderungen übernimmt der
Region Aachen Zweckverband verantwortungsvolle, steuernde und
vermittelnde Funktionen.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 19
Region Aachen
sorgt für notwendige Impulse bei
der Strukturentwicklung.
Klimawandelforschung: Wie sich Hitzewellen von über 30 Grad Celsius auf
Umwelt und Klima auswirken, untersuchten Jülicher Klima- und Bodenforscher
im Sommer 2018 auf einem Versuchsfeld in der Nähe von Jülich.
Gemeinsam mit den im Verband zusammengeschlossenen
Gebietskörperschaften, allen regionalen Akteuren und der
Zukunftsagentur Rheinisches Revier werden die zur Verfügung
stehenden Mechanismen eingesetzt, damit die Region den Wandel
erfolgreich gestaltet. Die Entwicklungsgesellschaft will in dieser
herausfordernden Situation die Voraussetzungen dafür schaffen, dass
Zukunftschancen frühzeitig ermittelt und genutzt werden.
Die Verbandsarbeit ist nicht auf die eigenen regionalen Bedürfnisse
fokussiert. Die Region Aachen versteht sich nicht nur als Teil NordrheinWestfalens oder des für den gesamtdeutschen Energieverbrauch
bedeutsamen Energiestandorts Rheinisches Revier. Sie ist auch Teil der
Euregio Maas-Rhein und damit eng vernetzt mit dem internationalen
Wirtschafts- und Lebensraum der niederländischen und belgischen
Nachbarn. Die Region soll deshalb auch grenzübergreifend Plattformen
für den Gedankenaustausch unterschiedlicher Institutionen, Gruppen
sowie für die hier lebenden Menschen bieten.
Der Zweckverband und seine Vertreter stehen im intensiven Dialog mit
Betrieben, Bildungsträgern, Kammern, Wirtschaftsförderungen,
Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und weiteren regionalen
Partnern. So wird beispielsweise im Bereich von Arbeit und
Beschäftigung Landesarbeitspolitik umgesetzt; Förderangebote des
Landes werden mit dem Bedarf der Menschen innerhalb der Region
verbunden.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 20
Region Aachen:
als Teil der Euregio Maas-Rhein –
eng vernetzt mit
dem Wirtschaftsund Lebensraum
der niederländischen und belgischen Nachbarn
Zukünftig steht die tiefgreifende Transformation durch den Übergang in
das „defossile Zeitalter“ an. Diesen weitreichenden Wandel wird der
Zweckverband mit Hilfe der von ihm über Jahre entwickelten Netzwerke
und bewährten Beziehungen begleiten. Dabei sollen die Menschen in
unserer Region frühzeitig die Chance bekommen, an der Gestaltung
einer lebenswerten Zukunft mitzuwirken.
Über Jahre
entwickelte Netzwerke und
bewährte Beziehungen
Aber der Zweckverband hat sich noch mehr vorgenommen:
Das Energie-Know-how, das in der Region über viele Jahrzehnte und
Generationen aufgebaut wurde, soll nicht nur erhalten, sondern
weiterentwickelt werden.
Auch nach dem endgültigen Ende des Braunkohleabbaus soll die
Region Aachen eine national und international bedeutende
„Schlüsselregion“ bleiben, hervorragend positioniert, insbesondere im
Bereich innovativer Forschung rund um die Felder Energieerzeugung
und Energienutzung.
Für die Gestaltung des anstehenden Strukturwandels verfolgt der Region
Aachen Zweckverband einen ganzheitlichen und übergreifenden
Entwicklungsansatz, der Strategien, Projekte und Kooperationen in
zentralen Zukunftsfeldern zusammenfasst.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 21
Nationale und internationale
„Schlüssel-Region“ –
hervorragend
positioniert im
Bereich innovativer Forschung
FORDERUNGEN UND ZIELE
Die Region Aachen besitzt die Voraussetzungen, den Strukturwandel
erfolgreich zu gestalten und diesen gemeinsam mit der Wirtschaft
nachhaltig positiv zu entwickeln.
Ziele für die Region Aachen 2045
Die Region Aachen ist ein zentraler Innovationsraum im Umfeld des Rheinlands.
Die Region Aachen wird das Rheinische Revier dabei unterstützen, sich zu
wandeln: von einem Standort der Energieerzeugung und des Energieexports zu
einem u. a. auf Energieforschung basierenden internationalen Standort für die
Entwicklung, Erprobung und den Export von Know-how, wie z. B. digitaler
Geschäftsmodelle. Hierzu tragen speziell definierte Phase I-Projekte maßgeblich
bei.
Es ist erklärter Wille der politisch verantwortlich handelnden Institutionen
und Personen, Strukturbrüche zu vermeiden. Die Region Aachen ist
institutionell gut aufgestellt und von einer lebendigen Sozialpartnerschaft
getragen, sodass sie den Prozess des Wandels in seiner gesamten
sozialökonomischen Dimension erfassen, aktiv steuern und erfolgreich
mit allen regionalen Partnern unter dem Dach der Zukunftsagentur
Rheinisches Revier umsetzen kann.
Die nachfolgend aufgelisteten Forderungen bilden den Grundstock der
Handlungsoptionen für die Entwicklung der Region Aachen. Hierfür bittet
sie mit all ihren Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und den
Sozialpartnern um Unterstützung.
Neben den in diesem Papier vorgestellten zukunftsträchtigen Phase I-Projekten ist es uns ein zentrales Anliegen, zusammen mit der Zukunftsagentur
Rheinisches Revier im Rahmen weiterer Strukturprojekte die Tagebauumlandgemeinden zu unterstützen. Denn diese sind vom Braunkohleabbau besonders stark betroffen und durch zukünftige ökonomische Benachteiligung
bedroht.
Der durch das Ende der Braunkohle bewirkte wirtschaftsstrukturelle Bruch
macht in den heutigen Tagebaugebieten früh einsetzende Maßnahmen erforderlich, die auf der Basis von Impulsen für die Regionalwirtschaft sowie für
den regionalen Arbeitsmarkt nachhaltig Zukunftsperspektiven schaffen.
Daran arbeiten auch die teilräumlichen Kooperationen / Verbünde (Entwicklungsgesellschaft indeland GmbH, Zweckverband Tagebaufolge(n)landschaft
Garzweiler, Hambach, :terra nova, Rheinisches Sixpack), die es gilt besonders
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 22
zu unterstützen. Darüber hinaus kann die zukunftsorientierte Wirtschaftsentwicklung von Innovationen aus den Wissenschaftseinrichtungen der Region
Aachen profitieren: Gezielter Technologietransfer bietet umfassend Chancen,
neue Perspektiven für die Bevölkerung im Tagebauumfeld für die Zeit nach
der Braunkohle zu schaffen.
Forderungskatalog für die Strukturentwicklung der Region
Aachen bis 2045:
1. Strukturfonds zur Begleitung des Strukturwandels
Durch das Ende der Braunkohleförderung und der Stromerzeugung auf
Basis der Braunkohle werden umfangreiche strukturell bedeutsame
Investitionen z. B. in den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien
und in die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region Aachen zu tätigen
sein. Nach bisherigen Planungen werden bis Anfang der 2030er Jahre
der Tagebau Inden und bis etwa zur Mitte des Jahrhunderts die
Tagebaue Hambach und Garzweiler geschlossen.
Unter dem Dach der Zukunftsagentur Rheinisches Revier und unter
Mitwirkung der betroffenen kommunalen Partner sowie Unterstützung
der RWE Power AG müssen weitere verstärkte Anstrengungen
unternommen werden, damit das in der Region vorhandene Potenzial in
den Feldern Technologie, Wissenschaft, Industriestruktur sowie von gut
ausgebildeten Arbeitskräften genutzt wird, um die dringend erforderliche
nachhaltige Wirtschaftsstruktur zu erhalten und weiter aufzubauen.
Ein Strukturbruch ist zu vermeiden. Stattdessen benötigen wir einen
erfolgreichen Strukturwandel, der eine zielgerichtete Siedlungsflächen(für Gewerbe und Wohnen) und Naturraumgestaltung der
Tagebauflächen einschließt. Hierzu benötigt das Rheinische Revier mit
der Region Aachen als Kerngebiet über einen langen Zeitraum ein
Finanzierungsinstrument, mit dessen Hilfe flexibel Wirtschaftsförderungsmaßnahmen getragen sowie Eigenanteile für die Beteiligung an
Programmen oder Anschubfinanzierungen bereitgestellt werden. Aus
diesem Grund sollte der Bund den Grundstock eines Strukturfonds
einrichten, der anschließend durch weitere Akteure aus der Region
ergänzt wird. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob ein solcher
Fonds unter dem Dach der Zukunftsagentur Rheinisches Revier, z. B. in
Form einer Regionalstiftung, geführt werden kann, um eine möglichst
langfristige Wirksamkeit sicherzustellen.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 23
2. Planungssonderstatus
Wir brauchen im Umfeld des Rheinischen Reviers einen „(Planungs-)
Sonderstatus“ – analog zum Steinkohleausstieg. Hierzu fordert die
Region Aachen einerseits die Vereinfachung von Planungsvorgaben,
insbesondere mit Bezug auf Flächenverfügbarkeit und -entwicklung.
Andererseits benötigt die Region zur Umsetzung der im vorliegenden
Papier dargestellten Maßnahmen und Projekte einen erleichterten
Zugang zu den Fördermöglichkeiten von Land, Bund und EU. Nur so
kann gewährleistet werden, dass alle Finanzierungschancen, öffentlichen
Mittel und Zuschüsse prioritär und abgestimmt in die Bewältigung des
Strukturwandels in die Region fließen.
3. Regionales Beteiligungskonzept
Zur Erreichung der Ziele und Umsetzung der umfangreichen
Maßnahmen brauchen wir ein regionales „Beteiligungskonzept“ - nicht
nur um unsere Expertise in der Region dauerhaft in laufende Prozesse
und Entscheidungsvorbereitungen einbringen zu können, sondern auch
um die vom Strukturwandel besonders betroffenen Menschen,
Kommunen und Branchen zu informieren und zu beteiligen.
4. Zuschlag zur gewerblichen Flächenentwicklung im
Rahmen des Regionalplans
Die Tagebaue der RWE Power AG sind strukturpolitisch als ein
Gewerbebetrieb mit knapp 10.000 Beschäftigten zu betrachten, dessen
Gewerbefläche im Laufe der vergangenen Jahrzehnte innerhalb der
Region „gewandert“ ist. Als Basis der Substitution der damit
erforderlichen Arbeitsplätze für das gesamte Rheinische Revier sind
rund 500 ha Gewerbe- und Industriefläche erforderlich - eine erweiterte
Flächennutzung, die über den prognostizierten Gewerbegebietsbedarf
hinausgeht (Quelle: Regionomica-Gutachten 2013). Angelehnt an die
Bevölkerungszahlen innerhalb des Rheinischen Reviers bedeutet dies
für die Region Aachen einen im Regionalplan festzulegenden Zuschlag
von 285 ha.
Für die Vermarktung der beiden LEP VI-Flächen in der Region
(Geilenkirchen-Lindern und „Green Battery Park“ Euskirchen) werden
Finanzmittel gefordert. Sie sind aufgrund ihrer Flächengröße nur
bundesweit und international erfolgversprechend zu vermarkten und
übersteigen die vorhandenen Akquisitionskapazitäten der Region.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 24
5. Verkehrsinfrastruktur
Laut aktueller Verkehrsprognose wird der Güterverkehr in Deutschland
deutlich zunehmen. Bis 2030 wird eine Steigerung der Güterverkehrsleistung auf der Schiene um rund 40 Prozent erwartet. Damit die Region die
wachsenden Ost-West-Verkehre bewältigen kann, ist sie auf zusätzliche
Verkehrsinfrastrukturkapazitäten auf Schiene und Straße angewiesen. Wie in
den von der Region Aachen definierten Phase I-Projekten im Themenfeld
Verkehrsinfrastruktur dargestellt, sind hier vielfältige Anstrengungen erforderlich, bei denen die Region Aachen Unterstützung bei der Umsetzung der
Einzelmaßnahmen ebenso erwartet wie die Rechtssicherheit von Planungen
durch zeitnahe Planfeststellungsbeschlüsse und eine schnelle Umsetzung
der einzelnen Maßnahmen.
Durch die landschaftliche Neustrukturierung bzw. die vielen zu erschließenden Flächen und Verkehrsverbindungen bieten sich einmalige Chancen, innovative Mobilitätsformen direkt bei der Planung mitzudenken.
Diese Chancen sollten genutzt werden. Hierzu gehört die Nutzung der
Potenziale von wasserstoffbetriebenen Bussen, Elektrobussen,
autonomem Fahren etc.
6. Breitbandausbau
Eine zentrale Rolle bei der Bewältigung des Strukturwandels in der
Region Aachen spielt die Nutzung des vorhandenen Technologiepotenzials. Als Basis dafür, dass zusätzliche Wertschöpfung durch neue
Geschäftsmodelle erreicht wird.
Hierzu bedarf es des Ausbaus der Glasfasernetze, damit Anschlussgeschwindigkeiten von 100 Mbit/s und mehr realisiert werden können.
Dazu zählt auch die beschleunigte Einführung der 5G-Technologie im
Mobilfunk und der sogenannte „Next Generation Access“.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 25
Zusammenfassung
Die Region Aachen soll systematisch von einem energieerzeugenden
Standort in einen auf Energieforschung basierenden Wirtschafts- und
Lebensraum für innovative Entwicklungen umgebaut werden.
Die zunehmende Dezentralität und Diskontinuität der Energieversorgung
im Zuge der Energiewende erfordert dabei die Umsetzung
technologischer Innovationen u. a. im Bereich der Speichertechnik.
Darüber hinaus wird die Umwälzung des gesamten Energiesystems
voraussichtlich umfassend durch die Digitalisierung von Prozessen zu
begleiten sein.
Vor diesem Hintergrund ist die Vernetzung von Wissenschaft, Industrie,
Energie-, Land- und Bauwirtschaft erforderlich, die durch
unterschiedlichste Maßnahmen sicherzustellen ist. Der Ausbau
erneuerbarer Energien und die Umsetzung von Innovationen der
Energieforschung in Wertschöpfung soll zukünftig in der Region Aachen
unterstützt werden durch:
den Innovationstransfer zwischen den Hochschulen und
Forschungseinrichtungen mit der regionalen Wirtschaft
die intensive Diskussion der gesellschaftlichen Auswirkung der
Energiewende. Hierzu gehört u. a. die gesamtregionale
Beantwortung der Frage, wie die Energiewende erfolgreich
gesteuert werden kann.
den Ausbau der regionalen Kapazitäten bei den erneuerbaren
Energien sowie die Erschließung von Effizienzpotenzialen
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 26
Erneuerbare Energie für unsere Kraftfahrzeuge: An der RWTH Aachen werden
Ökokraftstoffe aus Biomasse maßgeschneidert.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 27
Ausgangssituation: Braunkohleausstieg
Die kurzfristig verbindlich werdenden Klimaschutzziele haben für unsere
Zukunft weitreichende Konsequenzen:
Die Region Aachen gehört heute als Teil des Rheinischen
Braunkohlereviers zu einer bundesweit bedeutenden Energieregion. Mit
dem Auslaufen der Braunkohleförderung stellt sich die Frage, ob und
wie diese Position im Umfeld der dezentralen, defossilen
Energieproduktion der Zukunft gewahrt werden kann.
Vom Ende der Ära der fossilen Energieträger sind viele Arbeitsplätze
betroffen. Laut Berechnungen des RWI Instituts für Wirtschaftsforschung
lebten 3.600 der ca. 9.000 direkt im Rheinischen Braunkohlerevier
beschäftigten Personen zum Ende des Jahres 2016 in der Region
Aachen. Für eine adäquate regionale und gesamtwirtschaftliche
Bewertung der Beschäftigung im Braunkohlesektor empfehlen die RWIWirtschaftsforscher in diesem Zusammenhang, indirekte und induzierte
Beschäftigungseffekte zu betrachten. Werden diese berücksichtigt, kann
hochgerechnet werden, dass ca. 5.800 Arbeitsplätze vom Ende der
Braunkohleförderung in der Region Aachen direkt betroffen sind. (Quelle:
RWI 2018)
Energieintensive Industrien in der Region Aachen
Die Notwendigkeit, Unternehmen und Privathaushalte weiterhin sicher
mit bezahlbarer Energie zu versorgen, ist ein vordringlicher Aspekt des
Umbaus des Energiesystems. Dies ist die Grundlage für den Fortbestand
und die Entwicklung der regionalen Wirtschaft.
Begünstigt durch die Strom- und Wärmeversorgung im Rheinischen
Braunkohlerevier siedelten sich in der Region eine Vielzahl von Industriebetrieben an. Es entwickelten sich komplexe Industriezweige und Branchen
mit weitverzweigten, oft gekoppelten wirtschaftlichen Strukturen. Zu den
Branchen mit überdurchschnittlich hoher Energieabhängigkeit gehören u.a.
die Papier-, Chemie-, Glas-, Stahl-, Nichteisen-Metallindustrie sowie
Gießereien. Für die Region Aachen besonders relevant ist, dass auch die
Nahrungs- und Futtermittelindustrie mit stromintensiven Herstellungsverfahren arbeitet, die beispielsweise bei der Zuckerherstellung und beim
Betrieb von Öl- und Schälmühlen eingesetzt werden.
Laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsunternehmens frontier
economics betrug der Umsatz der energieintensiven Industrien in
Nordrhein-Westfalen 115,7 Mrd. Euro. Die Region Aachen ist hieran mit
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 28
einem Umsatz von 6,7 Mrd. Euro (entspricht ca. 5,8 %) beteiligt, der sich
folgendermaßen auf die verschiedenen Industriebereiche verteilt:
Umsätze energieintensiver Industrien in der Region Aachen in Euro
(eigene Darstellung auf der Basis der Daten von frontier economics
2018)
Die auf der Basis dieser Umsätze erzielte Wertschöpfung erreichte in
Nordrhein-Westfalen 25,4 Mrd. Euro und liegt in der Region Aachen bei
1,6 Mrd. Euro (entspricht 6,2 %).
In der Region Aachen beispielsweise wird der größte Anteil dieser
Wertschöpfung in der Nahrungs- und Futtermittelherstellung, d. h. durch
den regionalen Schwerpunkt in der Produktion von Fruchtzubereitungen,
Marmeladen sowie Süß-, Back- und Teigwaren erzielt (39 %). Weiterhin
wichtige Branchen sind die Chemische Industrie mit 24 %, die
Papierindustrie mit 13 % und die Glasindustrie mit 12 % der
Wertschöpfung (Quelle: frontier economics 06.2018).
Angesichts der umfassenden Systemveränderung, die voraussichtlich
von der zukünftigen Energiewende ausgeht, müssen direkte
Auswirkungen auf Unternehmen, aber auch weitreichende indirekte
Effekte auf die ganze Region beachtet werden.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 29
Der anstehende Wandel bietet allerdings umfassende Entwicklungsmöglichkeiten. In ihrer Zukunftsstudie aus dem Jahr 2016 hat die IHK
NRW gemeinsam mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag
(DIHK) aufgezeigt, dass in der Energiewende industriepolitische Chancen
für den Standort Deutschland liegen. In dem Maße, in dem es gelingt,
frühzeitig die Energiewende zu erreichen, können ausgehend von den
energieintensiven Unternehmen in der Region wertvolle Impulse weit in
alle Bereiche der Wirtschaft getragen werden – mit positiven Effekten für
Produktion, Wertschöpfung und Beschäftigung (Quelle: frontier
economics 06.2018).
Kompetenzen zur Gestaltung der Energiewende in der
Region Aachen
Allgemein wird anerkannt, dass die Region heute bereits über hervorragende Kompetenzen im Bereich Forschung und Technologieentwicklung für die Energieversorgung der Zukunft verfügt. Zahlreiche
Institute etablierten sich auf den Feldern universitärer und außeruniversitärer Forschung, die über Arbeitsschwerpunkte im Bereich
Energie verfügen. Auch grenzüberschreitende Kooperationen mit den
belgischen und niederländischen Nachbarn dienen diesem Thema.
Der Campus Melaten stellt die erste Ausbaustufe des RWTH Aachen Campus
dar. Etappenweise entstehen auf einer Fläche von 473.000 qm elf
Forschungscluster.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 30
Im Bereich der Forschung an Hochschulen hat hierbei eine räumliche
Konzentration im Raum Aachen/Jülich mit der Rheinisch-Westfälischen
Technischen Hochschule (RWTH) und der Fachhochschule Aachen (FH)
stattgefunden:
An der RWTH Aachen arbeiten zahlreiche Institute im Energiebereich –
u. a. das Institut für Stromrichtertechnik und elektrische Anlagen. Eine
große Bedeutung haben darüber hinaus die Institute für Verbrennungskraftmaschinen, für Hochspannungstechnik sowie für elektrische
Anlagen und Energiewirtschaft. 189 Mitarbeiter arbeiten im Forschungscampus FEN (Flexible Elektrische Netze), das 15 Institute der RWTH
Aachen aus unterschiedlichen Bereichen vereint.
An der FH Aachen ist das Thema Energie einer der drei fachlichen Lehrund Forschungsschwerpunkte. Am Solarinstitut Jülich der FH am
Standort Jülich arbeiten beispielsweise rund 60 Mitarbeiter.
Außeruniversitäre Energieforschungseinrichtungen
Im Forschungszentrum Jülich (FZ Jülich) bildet der Bereich Energie und
Klima einen der drei Schlüsselbereiche. Von den beinahe 6.000 am
Forschungszentrum beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
arbeiten beinahe 1.000 interdisziplinär im Bereich der Energie- und
Klimaforschung an den wissenschaftlichen und technologischen
Grundlagen für den Umbau unseres Energiesystems (Stand: Ende 2017).
Über das Netzwerk JARA-ENERGY (Jülich-Aachen Research Alliance) ist
das Forschungszentrum eng mit der RWTH Aachen verbunden.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist mit einem
Standort des Instituts für Solarforschung ebenfalls in Jülich vertreten. Es
handelt sich hierbei um die deutschlandweit größte Forschungseinrichtung zur Entwicklung konzentrierender Solarsysteme. Das Institut ist
Betreiber des Solarturms Jülich, dessen Weiterentwicklung zu einer
wissenschaftlichen Großforschungsanlage vom Land NRW gefördert
wird.
Ein Kooperationsvorhaben zwischen E.ON SE und der RWTH Aachen –
das E.ON Energy Research Center für Energieforschung – beschäftigt
vor Ort 375 Mitarbeiter (Stand 2017). Hier wird an interdisziplinären
Arbeitsfeldern aus Elektrotechnik, Maschinenbau, Wirtschaftswissenschaften und Bauwesen geforscht.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 31
In 10 Jahren zu industriellen Großlösungen
Schwerpunkt der Energieforschung in der Region Aachen sind die
zukunftsrelevanten Themen
Ausbau der erneuerbaren Energien
Technologien zur Speicherung von Energie
Ausweitung des Einsatzes erneuerbarer Energie in den Sektoren
Verkehr und Wärme
Bau neuer Energieversorgungsnetze und flexibler Kraftwerke
Nutzung effizienter Energieanwendungen
Die Forscher und Technologieentwickler in der Region verfolgen eine
ganzheitliche Perspektive bei der Analyse der Fragen rund um den
Klimawandel und die Defossilisierung. Dabei sollen bereits existierende
bewährte mit neu zu entwickelnden technischen Lösungen in ein
Gesamtsystem integriert werden.
Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang das vom Bundesministerium
für Bildung und Forschung geförderte Kopernikus-Projekt „Power-toX“ zu nennen, an dem maßgeblich das Forschungszentrum Jülich und
die RWTH Aachen mit ihren Energieexperten arbeiten.
Geplant ist, innerhalb von zehn Jahren Technologien zu entwickeln, die
unter anderem im Industriemaßstab genutzt werden können. Es geht
dabei darum, wie durch chemische Umwandlungsprozesse erneuerbare
Energie in industriell vielfältig nutzbare Energieträger und in Rohstoffe für
die chemische Industrie umgewandelt werden können. Im Rahmen
dieses Großprojekts wird von Jülich/Aachen aus die Arbeit an 17
Forschungseinrichtungen, 26 Industrieunternehmen sowie drei
zivilgesellschaftlichen Organisationen gesteuert.
Erste richtungsweisende regionale Projekte
Es ist das Ziel, die Region Aachen systematisch von einem
energieerzeugenden Standort zu einem auf Energieforschung
basierenden Wirtschafts- und Lebensraum für innovative Entwicklungen
umzubauen.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 32
Im Bereich der Forschung wurden hierzu zielführende Schritte
erfolgreich umgesetzt. Die Folge ist, dass auf Energiefragen spezialisierte
Forschungseinrichtungen im Raum Jülich/Aachen europaweite und
weltweite Sichtbarkeit erlangten.
Ob das definierte Ziel erreicht wird, muss sich dennoch erst erweisen.
Denn in den nächsten Jahren hat es für die Region ausschlaggebende
Bedeutung, ob der bereits bestehende Forschungsvorsprung über Testund Pilotbetriebe zu regionalen Geschäftsmodellen führt, die
anschließend breite wirtschaftliche Wirkung entfalten.
Erste Beispiele, die in diese Richtung weisen, gibt es bereits.
Nach einem Jahr Bauzeit startete im Jahr 2016 in Aachen der modulare
Batteriegroßspeicher M5BAT, für dessen Aufbau und Betrieb das
Institute for Power Generation and Storage Systems (PGS) der RWTH
Aachen verantwortlich ist. M5BAT bietet dank eines innovativen Konzepts
der Kombination unterschiedlicher Speichertechnologien eine Kapazität
von 5 MW Energie, die ferngelenkt in das Stromnetz eingespeist werden
kann. Solche Speicherlösungen werden zukünftig Grundbausteine der
Stromversorgung, denn sie gleichen die für den Einsatz von erneuerbaren Energien typischen Stromerzeugungs-schwankungen aus. Das
M5BAT-Projekt wurde im Rahmen der „Förderinitiative Energiespeicher“ durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
gefördert.
Ein weiteres Beispiel ist der Solarpark, der von der Projektgesellschaft
Rurenergie GmbH in unmittelbarer Nähe zum Braunkohletagebau Inden
auf einer ehemaligen Mülldeponie betrieben wird. Mit mehr als 16.000
Photovoltaik-Modulen wird eine Gesamtleistung von 3,8 MW erreicht und
damit die Stromversorgung von 1.000 Haushalten mit lokal erzeugter,
regenerativer Energie sichergestellt.
Wichtige regionale Phase I-Projekte
Kurzfristig ist die Realisierung von weiteren, systematisch aneinander
anknüpfenden Phase I-Projekten im Zukunftsfeld Energie notwendig, die
insbesondere in ihren ersten Umsetzungsphasen auf öffentliche
Investitionen angewiesen sind.
Denn die Region Aachen verfügt zwar über eine exzellente technologieorientierte Hochschullandschaft mit renommierten Instituten und
Forschungseinrichtungen, doch die lange Geschichte der konventionellen Energieproduktion hat zu regionalen Strukturen geführt, die zur
Förderung von Innovationen zunächst umzubauen sind.
Besonders augenfällig sind die in der Region präsenten, durch die
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 33
zentralisierte Stromerzeugungstechnik notwendigen großen Kraftwerke
und die damit verbundene energietechnische Infrastruktur. Es stellt sich
die Frage nach der Zukunft der im Augenblick noch im Betrieb
befindlichen Braunkohlekraftwerke und der damit verbundenen
Stromnetze.
Solarturm: Auf einer Fläche von ca. acht ha stehen in Jülich 2153 bewegliche
Spiegel (Heliostate) und lenken die Sonnenstrahlen auf die Spitze des 60 m
hohen Turms. Als Kraftwerk benutzt erzeugt die Anlage Wasserdampf, der per
Turbine und Generator Strom erzeugt.
Der in Jülich angesiedelte Standort des Deutschen Zentrums für Luftund Raumfahrt (DLR) hat als Antwort hierauf einen Vorschlag für ein
aussichtsreiches Phase I-Projekt gemacht, das zu einer Pilotanlage mit
globalem Pioniercharakter werden kann. DLR-Energieexperten zeigen
einen technologischen Weg auf, der es ermöglicht, heutige
Kohlekraftwerke als thermische Energiespeicher weiterzuverwenden:
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 34
Third Life – Umwandlung zum Speicherkraftwerk
Zielsetzung:
Machbarkeitsdemonstration der Umwandlung eines
Kohlekraftwerks in ein Speicherkraftwerk – Entwicklung
einer Schlüsseltechnologie zur Dekarbonisierung des
Energiesystems: „Wärmespeicher-Kraftwerk
StoreToPower“
Kurzbeschreibung:
Die wesentlichen Komponenten eines Kohlekraftwerks –
Dampferzeuger, Dampfturbine und Generator – werden
mit einem Wärmespeichersystem (Carnot-Batterien)
verbunden, das mit erneuerbarer Energie gespeist wird.
Realisierung eines stromnachfrageorientierten StromWärme-Strom-Umwandlungsprozesses, der CO2 nahezu
vollständig vermeidet und dabei ermöglicht, viele der
heutigen Kraftwerksarbeitsplätze zu erhalten
Projektträger:
Wissenschaftliche Projektleitung Deutsches Zentrum für
Luft und Raumfahrttechnik (Standort Jülich) in Verbindung mit der RWTH Aachen und dem Solar-Institut Jülich
der FH Aachen
Kosten:
noch zu ermitteln
Status:
Projektskizze
Strukturwirksamkeit:
Transferprojekt/Umnutzung von Kraftwerksstandorten,
hohes Potenzial, Arbeitsplätze zu erhalten und
höherwertige Arbeitsplätze zu schaffen, hoher Beitrag zur
Erreichung der Klimaschutzziele, hohes Potenzial zur
CO2-Einsparung, Sicherung der regionalen
Energieversorgung
Bei der anstehenden Umwandlung des Energiesystems besteht zum
einen das Risiko, dass die konventionelle Energietechnik zur
entwicklungshemmenden Altlast wird. Zum anderen ergeben sich
Risiken durch die ländliche Prägung der Kreise innerhalb der Region.
Soziale und ökonomische Strukturen sind vor diesem Hintergrund für
die Bewältigung zukünftiger Anforderungen dringend fortzuentwickeln.
Indikator dafür ist, dass in der Region Aachen im Augenblick die FuEInitiativen der Wirtschaft im ländlichen Raum unterdurchschnittlich
ausgeprägt sind. Kompetenzen, Wissen und Ressourcen aus
Wissenschaft und Bildung werden noch zu wenig für die regionale
Entwicklung genutzt. Bislang gibt es keine systematische Anbindung der
regionalen Wirtschaft an die Hochschulen und ihre Institute.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 35
Vor diesem Hintergrund könnte der „Brainergy Park Jülich“ die Bedeutung eines wegweisenden Phase I-Projektes bekommen. Hiermit könnten
Erfahrungen gesammelt werden und regionale enge Vernetzungen
zwischen Wirtschaftsakteuren auf der einen Seite und der Technologieentwicklung und Forschung auf der anderen Seite aufgebaut werden:
Brainergy Park Jülich
Zielsetzung:
Gewerbepark, Pilotquartier und Living Lab
„Neue Energien“
Kurzbeschreibung:
Interkommunales Gewerbegebiet (52 ha) mit einer
rund 7 ha großen Sonderfläche für die Themen
„Neue Energien“ und „Digitalisierung“ unter
Einbeziehung der regionalen Forschungs- und
Wissenskompetenzen mit zugehörigem 7.000 qm
großen Zentralgebäude „Brainergy-Hub“ als
Steuerungs- und Innovationszentrum
Projektträger:
Entwicklungsgesellschaft Campus Merscher Höhe
(Gesellschafter: Jülich, Niederzier, Titz) mit den
Partnern: Fachhochschule Aachen Campus Jülich,
Forschungszentrum Jülich, Deutsches Zentrum für
Luft und Raumfahrttechnik (Standort Jülich),
Entwicklungsgesellschaft indeland GmbH,
Stadtwerke Jülich, innogy GmbH, weitere
Wirtschaftspartner in Vorbereitung
Kosten:
Schätzung gemäß Masterplan: ca. 58 Mio. Euro
Status:
umsetzungsreif (ab Ende 2019)
Strukturwirksamkeit:
GI-Flächenentwicklung Unternehmensansiedlungen schaffen
Arbeitsplätze; Vernetzung von Wissenschaft
und Wirtschaft in der Region
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 36
Elektromobilität der Zukunft braucht vor allem gespeicherte Energie. Vor
diesem Hintergrund wird in der Region Aachen das Phase I-Projekt
„Green Battery Park Euskirchen“ entwickelt. Euskirchen hat die besten
Voraussetzungen Produkte für die eMobilität der Zukunft bereitzuhalten im Umkreis von 500 km befinden sich mehr als 30 Automobilwerke:
Green Battery Park Euskirchen
Zielsetzung:
Erschließung des Green Battery Park auf der 140
ha großen Industriefläche PrimeSite Rhine
Region
Kurzbeschreibung:
Neben der Ansiedlung eines Batteriezellenproduzenten sollen vor- und nachgelagerte
Prozesse wie Konfektionierung, Montagen, neue
Einsatzmöglichkeiten bis hin zum kompletten
Life-Cycle ihren Platz am Standort finden.
Projektträger:
NRW.invest, AöR PrimeSite Rhine Region
Kosten:
noch zu ermitteln
Status:
Skizze
Strukturwirksamkeit:
GI-Flächenentwicklung mit
Cluster/Fokussierung für/auf
Batteriezellenproduktion, Ergänzung
Wertschöpfungskette E-Mobilität; hohe
Potenziale für die Schaffung von Arbeitsplätzen
und Ansiedlung von Unternehmen
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 37
Phase I-Projekte der Region Aachen im Zukunftsfeld Energie und
energieintensive Industrie
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 38
Zusammenfassung
Der Weg in eine erfolgreiche Zukunft erfordert einen gezielten und
gelungenen Strukturwandel. Für die Region Aachen - Kerngebiet des
Rheinischen Reviers - hatte die konventionelle Energieerzeugung lange
Zeit ein beherrschendes ökonomisches Gewicht. Im Rahmen des
anstehenden Energiewandels sind alternative Wertschöpfungsketten zu
entwickeln und zu implementieren.
Große Chancen zur Bewältigung dieser Aufgabe liegen in der
Kompetenz der zahlreichen wissenschaftlichen Institutionen der Region,
Konzepte für zukunftsträchtige und richtungsweisende Technologien zu
entwickeln. Die historische ökonomische Fokussierung auf die
Werthaltigkeit von Bodenschätzen wie Stein- und Braunkohle ist durch
eine erfolgsträchtige neue Wertorientierung abzulösen: Die Zukunft liegt
in der Forcierung der Potenziale von Wissenschaft, Forschung,
Innovation und der hieran anknüpfenden unternehmerischen Initiativen
im regionalen Wirtschaftsraum.
Die Strategie besteht darin, wissenschafts- und forschungsbasierte
Innovationskraft verstärkt in den mittel- und langfristigen Strukturwandel
einzubringen, um die Region überregional, national und international als
zentralen Innovationsraum zu positionieren. Forschungsprojekte wie das
Kopernikus Power-to-X-Projekt zeigen, dass sich die hiesigen
wissenschaftlichen Institutionen im Bereich Energieforschung als
Hauptakteure der Entwicklung der zukünftig erforderlichen Technologien
zur Energieerzeugung und -versorgung profilieren konnten.
Auf dem Weg in die Zukunft ist dieser innovationsfokussierte Weg
wesentlich auszuweiten. Dazu sind vorliegende Wissenspotenziale
auszuschöpfen, die ein möglichst breites Spektrum an ökonomischen
Chancen eröffnen. Wissenschaftliche Forschung und deren Umsetzung
in Technologien sollen die Basis für neue Geschäftsmodelle werden und
nicht nur Erträge oder Profitabilität, sondern vor allem auch
Qualifizierungs- und Erwerbsmöglichkeiten in der Region initiieren.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 39
Supercomputer JURECA: Das Jülich Supercomputing Centre (JSC) stellt
Wissenschaftlern am Forschungszentrum Jülich, an Universitäten und
Forschungseinrichtungen in Deutschland und in Europa sowie der Industrie
Rechenkapazität der höchsten Leistungsklasse zur Verfügung.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 40
Digitalisierung als Innovationstreiber
Eine zunehmend wichtige Rolle als Innovationstreiber wird das in der
Region von universitären sowie außeruniversitären Forschungseinheiten
abgedeckte Kompetenzfeld Digitalisierung spielen.
Mittlerweile gilt die digitale Veränderung von industriellen Prozessen als
„Vierte industrielle Revolution“, die weit über die Integration von
Computertechnologie in Produktionsabläufe hinausgeht. Die
Speicherung und Verarbeitung digitaler Informationen erreichen laufend
neue Anwendungsmöglichkeiten in einer Vielzahl von Arbeits- und
Lebensfeldern.
Nicht nur die produzierende Wirtschaft, sondern auch die Telekommunikation, die Logistik, die Gesundheitswirtschaft sowie der Energiesektor
werden durch digitale Technologien dynamisiert, die unter anderem in
der Region Aachen entwickelt werden.
Experten schätzen, dass Technologien der Informations- und
Telekommunikationsbranche in den nächsten 15 Jahren massiv für
Wachstums- und Entwicklungsimpulse der gesamten Wirtschaft sorgen
werden.
Im Zusammenhang mit der Digitalisierung ist die Nutzung von „CrossInnovations-Potenzialen“ ein wichtiges Kompetenzfeld für die Region.
Cross-Innovationen beruhen auf der Zusammenführung von
Anwendungsfeldern, die bislang keine oder nur sehr wenige
Berührungspunkte hatten. Der dabei praktizierte Transfer von bereits
verfügbarem Know-how und von Forschungsergebnissen bislang
entfernt operierender Wirtschaftszweige ermöglicht Zeit- und
Kostenvorteile durch Einsparung eigener Forschung. Dies macht die
durch Digitalisierungsstrategien ermöglichten Cross-Innovationen
ökonomisch besonders attraktiv.
Darüber hinaus ist die Digitalisierung auch wichtiger Treiber bei der
Wandlung der Industrie- zur Wissensgesellschaft. Schon heute können
wir große Datenmengen beinahe überall und ständig abrufen und
nutzen. Durch den Einsatz von Digitaltechnologien in nahezu allen
Lebensbereichen werden umfassende „digitale“ Fähigkeiten – Medienund Technikkompetenzen – erforderlich. Aus- und Weiterbildungsträger
in der Region haben dieser Entwicklung Rechnung zu tragen.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 41
Die Wissenschafts- und Technologieakteure der
Region
Die Region Aachen ist hier gut aufgestellt: Auf der Grundlage der
umfangreichen Wissenschafts- und Technologiestruktur können die
notwendigen Entwicklungen forciert werden.
Indikator dafür ist, dass in der Region Aachen im Wirtschaftsbereich
Bildung und Forschung 3.080 Unternehmen im Jahr 2014 einen Umsatz
von 1,54 Mrd. Euro erzielen konnten. (Wirtschaftsstudie Region Aachen
2017).
Bildung, Forschung und Innovation sind offenbar bereits fruchtbarer
Nährboden für Unternehmensgründungen: Unternehmensgründungen
aus dem Bereich Technologische Dienstleistungen, worunter auch
Beratungsleistungen fallen, erreichten im Bereich technologieorientierter
Gründungen in der Region Aachen in den Jahren 2010 bis 2014 einen
Anteil von 27,9 %. (Wirtschaftsstudie Region Aachen 2017).
Die Region Aachen verfügt neben den staatlichen Hochschulen über
Standorte der FOM Hochschule für Ökonomie & Management gGmbH,
der Katholischen Hochschule NRW und der Europäischen
Fachhochschule. Ergänzt wird das Aus- und Weiterbildungsangebot
durch die private Fachhochschule ABS Aachen Business School GmbH
und zahlreiche weitere gemeinnützige Einrichtungen. Wie bereits
erwähnt verfügt die Region Aachen neben dem Forschungszentrum
Jülich über das Ericsson Eurolab, das Ford Forschungszentrum Aachen,
das Amazon Forschungszentrum sowie über die unterschiedlich
spezialisierten Institute der großen Forschungsgesellschaften Fraunhofer,
Helmholtz und Leibniz.
Qualifikationsoffensive erforderlich
Auf dem Weg der Umsetzung der Zukunftsstrategie der Region werden
sich absehbar eine steigende Nachfrage nach hochqualifizierten
Arbeitskräften sowie möglicherweise Qualifikationsengpässe ergeben.
Bildung und Forschung haben schon in der Vergangenheit für
bedeutende Beschäftigungsimpulse gesorgt. Bezeichnend ist, dass mit
insgesamt mehr als 700 Auszubildenden die Exzellenzuniversität RWTH
Aachen der größte Berufsausbilder in der Region Aachen ist.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 42
In der Region Aachen haben bisher knapp 32.500 Beschäftigte im
Bereich Forschung und Bildung einen Arbeitsplatz gefunden; das sind
8,2 % der regionalen Gesamtbeschäftigung (Wirtschaftsstudie Region
Aachen 2017). Das deutet an, wie zentral der Faktor „hochqualifizierte
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ im Feld wissensintensiver Tätigkeiten
ist. In der Region Aachen arbeiten mehr als zweieinhalbmal so viele
Hochschulbeschäftigte wie im bundesweiten Durchschnitt
(Wirtschaftsstudie Region Aachen 2017).
Bereits heute ist es ein wichtiges Ziel der Region, durch wirkungsvolle
Maßnahmen in den Bereichen Arbeitspolitik und Ausbildung dafür zu
sorgen, dass ein eventueller „Brain Drain“ für die Region vermieden wird
und stattdessen neue gut ausgebildete Arbeitskräfte gewonnen werden
können. Ein besonderes Augenmerk ist auf die Qualität der zukünftig
entstehenden Arbeitsplätze zu richten.
In diesem Zusammenhang ist die Qualifizierung und Ausbildung ein
wesentlicher Aufgabenbereich. Denn durch die absehbar zunehmende
Spezialisierung von innovativen Unternehmen, die im internationalen
Wettbewerb stehen, steigen die Anforderungen an die Kompetenz von
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Deshalb ist zukünftig als Basis vor
allem die Berufsausbildung im dualen System durch eine „Regionale
Offensive Duale Ausbildung“ zu steigern. Fach- und Führungskräfte sind
durch Rückgriff auf die Wissensressourcen der hiesigen
Hochschullandschaft umfassend weiterzubilden.
Ausbau bestehender Stärken
Die konsequente Nutzung der Innovationskraft in der Region erfordert,
dass zukünftig bestehende Stärken ausgebaut werden.
Dabei geht es insbesondere darum, die Leistungsfähigkeit der
wissenschaftlichen Institutionen und ihre Kompetenz zu nutzen, im
engen Dialog mit der Industrie Technologien weiter zu entwickeln und
praktisch umsetzbar zu machen.
Die Sichtbarkeit der Region Aachen als hervorragender Forschungsund Wissenschaftsstandort konnte in den vergangenen Jahren
wesentlich gesteigert werden. Mit dem RWTH Aachen Campus Projekt
gelang es, einen engen Verbund aus Wissenschaft und Wirtschaft zu
realisieren und die Entwicklung hin zu einer weltweit führenden
technischen Universität weiter auszubauen. Zukünftig sollen immer mehr
interdisziplinäre Teams aus Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam an
Zukunftsfragen mit visionären Lösungsansätzen arbeiten. Dies wird auf
zwei Arealen von insgesamt 800.000 qm erfolgen.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 43
Es ist zu erreichen, dass das Campus Projekt der RWTH Aachen
wesentlich stärker als bisher Akzente in der Wirtschaft der Region
Aachen setzt. Speziell entwickelte Förderprogramme sollen bewirken,
dass zum einen der Transfer von Innovationen in die Unternehmen der
Region verstärkt wird und zum anderen, die Region für Start-ups und
Spin-offs als Standort noch attraktiver gemacht wird.
Es sind in diesem Zusammenhang Ressourcen bereitzustellen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass Technologien und Innovationen,
die im Wissenschaftsumfeld entwickelt wurden, zügig in marktfähige Geschäftsmodelle umgesetzt werden, sodass die Wirtschaftsregion hiervon
profitieren kann. Dazu sind Bedingungen für erfolgreiche Unternehmensgründungen insbesondere im Themenfeld Digitalisierung weiter auszubauen und Gründerinnen und Gründer noch gezielter zu unterstützen.
Hierfür bietet die New Business Factory des digitalHUB Aachen eine hervorragende Basis.
Campus West an der RWTH Aachen
Zielsetzung:
Aufbau eines neuen Forschungsquartiers der RWTH
Aachen in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft.
Mit dem RWTH Aachen Campus verfolgen Stadt
Aachen und Hochschule gemeinsam das Ziel, die
RWTH zu einer der weltweit führenden technischen
Universitäten zu entwickeln und Aachen als
internationalen Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort zu stärken und auszubauen.
Kurzbeschreibung:
Mit dem Campus West wird der zweistufige Ausbau
des RWTH Aachen Campus fortgesetzt. Auf einem ca.
325.000 qm großen Gebiet am Aachener Westbahnhof
entstehen fünf Forschungscluster. Diese sind
thematisch und räumlich eng mit den bereits
existierenden Instituten in Campus Mitte verbunden.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 44
digitalHUB: New Business Factory Weiterentwicklung digitaler Geschäftsmodelle
Zielsetzung:
Die nachhaltige Stärkung der Zukunftsfähigkeit der
Region Aachen durch Förderung der Digitalisierung der
Wirtschaft und der öffentlichen Hand
Kurzbeschreibung:
Der digitalHUB Aachen e.V. bringt Start-ups und ITMittelstand (digitale „Enabler“) mit klassischem Mittelstand
und Industrie als Anwender (digitale „User“) in der
DIGITAL CHURCH zusammen, um gemeinsam neue
digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln und zu
realisieren. Unterstützt wird dies durch Region und
Wissenschaft („Supporter“). So wird euregional eine
„Aachen Area“ als digitales Innovationsland geschaffen.
Das Digitalisierungszentrum des digitalHUB Aachen ist
Teil der Initiative „Digitale Wirtschaft NRW (DWNRW)“ und
eines von sechs geförderten Zentren für die digitale
Wirtschaft in NRW.
Der „Coworking Space“ des digitalHUB in sakraler Atmosphäre mit offenen
Arbeitsplätzen, moderner Ausstattung und fürs kreative Arbeiten ausgerüsteten
Besprechungsräumen, bietet ideale Bedingungen für das gemeinsame
Arbeiten an der digitalen Zukunft.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 45
Wichtige regionale Phase I-Projekte
Der Ideen-, Wissens- und Innovationstransfer zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft ist ständig zu modernisieren und langfristig auszubauen. Eine wichtige Rolle spielt dabei neben der Fortentwicklung des Campus-Konzeptes und der Idee der New Business Factory die Einbindung der
und die Übertragung in die Region.
Aus der RWTH Aachen heraus hält die Nachfrage von Gründern sowohl
nach einer räumlichen Infrastruktur als auch nach dem entsprechenden
Unterstützungsumfeld weiter an. Dabei stellt der Standort Aachen – als
einer der wenigen in Deutschland – ein Angebot bereit, das sowohl für
Gründer, die technische Produkte entwickeln, als auch für solche, die an
digitalen Geschäftsmodellen arbeiten, geeignet ist. Um dieses Angebot
zu optimieren, soll im Umfeld und in Zusammenarbeit mit der RWTH
Aachen und anderen Wissenschaftseinrichtungen aus der Region
Europas modernstes Start-up-Zentrum entstehen:
Start-up-Zentrum im Umfeld der RWTH Aachen
Zielsetzung:
Aufbau von Europas modernstem Start-upZentrum
Kurzbeschreibung:
Das Zentrum ist so konzipiert, dass es die
Nachfrage von Gründern im Bereich
technologieorientierter Start-ups und Spin-offs
nach räumlicher Infrastruktur als auch nach
einem Unterstützungsumfeld befriedigt.
Projektträger:
Land NRW, RWTH Aachen
Kosten:
noch zu ermitteln
Status:
Idee
Strukturwirksamkeit:
Transferprojekt, um Wissen und Arbeitskräfte in
der Region Aachen zu halten. Hohes Potenzial,
um Arbeitsplätze zu schaffen.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 46
Der Wissenstransfer zwischen Forschung und anwendungsorientierter
Wissenschaft auf der einen Seite und zukunftsorientierter Industrie auf
der anderen ist insbesondere im Bereich umweltgerechter Mobilität von
großer Bedeutung. Das Phase I-Projekt „Forschungsflugplatz
Merzbrück“ macht diesen Zusammenhang besonders anschaulich:
Zukünftige eMobilität hat nicht nur mit der Elektrifizierung von
Automobilen zu tun – auch die Luftfahrt ist ein wichtiges Zukunftsfeld.
Das manifestiert sich in der Entwicklung eines Flugzeugs der ganz
neuen Art, des „Silent Air Taxi“. Das Flugzeug der Zukunft ist eine
Entwicklung der Air s.Pace GmbH, eines Zusammenschlusses
verschiedener Disziplinen zahlreicher Institute der RWTH Aachen und
der FH Aachen:
Forschungsflugplatz Merzbrück
Zielsetzung:
Ausbau des Flugplatzes Merzbrück zu einem
Forschungsflugplatz: Im Mittelpunkt stehen dabei
das geräuscharme Fliegen und das Fliegen mit
Elektromotor.
Kurzbeschreibung:
Um diesen Flugplatz zu realisieren muss die
Landebahn ertüchtigt und um 10 Grad von der
Bebauung weg verschwenkt werden. Damit wird der
Landeplatz zukunftsfähig und EU-konform dauerhaft
gesichert. Außerdem wird durch die Verschwenkung
der Landebahn das Geräuschniveau für die
Anwohner reduziert.
Projektträger:
RWTH Aachen, FH Aachen, Land NRW
Kosten:
7 - 8 Mio. Euro
Status:
Projektskizze
Strukturwirksamkeit:
Infrastrukturausbau als Entwicklungsmotor für die
Region; Schaffung von zahlreichen Arbeitsplätzen
durch die Umsetzung von hohem Innovationspotenzial; Vernetzung von Wissenschaft und
Wirtschaft
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 47
Phase I-Projekte der Region Aachen im Zukunftsfeld Forschung, Innovation,
Bildung, Gründung
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 48
Zusammenfassung
Das Ende der Braunkohlegewinnung und -verstromung wird zu
tiefgreifenden Veränderungen im Raum der Region Aachen führen.
Damit verbundene Herausforderungen sind die anstehende
großräumige Rekultivierung der Tagebaue Inden und Garzweiler und die
Aufgabe, diese Flächen den Menschen zur Nutzung zu übergeben.
Angesichts dieser Herausforderungen geraten die bestehenden
Verkehrsinfrastrukturen in den Blick, welche die Grundlage nahezu aller
Lebens- und Wirtschaftsbereiche darstellen. Sich verändernde
Mobilitätsbedürfnisse im Individualverkehr, neue Anforderungen an die
Verkehrsinfrastruktur und technologische Trends geben die Richtung
vor, in die diese Infrastruktur regional weiterzuentwickeln ist. Ein
wichtiges regionales Phase I-Projekt ist dabei die Entwicklung des
Industriedrehkreuzes Weisweiler - Inden - Stolberg zu einem
überregionalen, zeitgemäßen und bedarfsgerechten Logistikstandort.
Es ist unbedingt erforderlich, den die Region aus Richtung der belgischen
und niederländischen Nordseehäfen passierenden Güterverkehr für Wertschöpfung innerhalb der Region zu nutzen. Deshalb sind strukturwirksame
Projekte wie z. B. der Lückenschluss A1 und der Ausbau der Eisenbahnverbindung Aachen-Köln prioritär umzusetzen. Parallel ist die verkehrstechnische Erschließung zu entwickelnder Flächen (Green Battery Park, Gewerbefläche Geilenkirchen-Lindern) zügig voranzutreiben.
Unabhängig von dieser Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur wird sich
die Region Aachen weiter auf die Unterstützung von FuE-Strukturen im
Bereich Mobilität konzentrieren, die zur Gründung erfolgreicher
Unternehmen und Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze führen. Hierzu
sind die bereits erfolgreichen innovativen Ansätze aus den hiesigen
Hochschulen und Forschungseinrichtungen weiter zu fördern.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 49
Erste Erfolge konnten durch die Ausgründungen aus der RWTH Aachen,
wie die StreetScooter GmbH und das elektrisch angetriebene Stadtauto
„e.GO“, erreicht werden.
Streetscooter der Deutschen Post AG: Vollelektrische Kleintransporter,
entwickelt an der RWTH Aachen, produziert in der Region Aachen.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 50
Ausbau Infrastruktur
Verkehrsinfrastrukturen sind die Grundlage nahezu aller Lebens- und
Wirtschaftsbereiche und stehen im Rahmen des anstehenden
Strukturwandels im Fokus der Region Aachen. Eine funktionierende
Straßenverkehrsinfrastruktur hat für die Mobilität der Menschen und den
Transport von Gütern überragende Bedeutung. Allerdings sind viele
Straßen in Nordrhein-Westfalen nicht nur zur Spitzenzeit überlastet. Zwar
sind innerhalb eines grenzenlosen Europas auf vielen Ebenen Barrieren
bereits abgebaut worden, doch im Grenzverkehr sind Hindernisse immer
noch deutlich präsent. Für die vergleichsweise dicht besiedelte Region
zwischen Köln und Aachen, die nicht zuletzt aufgrund ihrer Grenzlage
„Transitfunktion“ besitzt, ist deren Abbau von besonders hoher Relevanz.
So ist beispielsweise der lediglich 25 km kurze Lückenschluss der
Autobahn 1 zwischen Blankenheim und Kehlberg für die Region ein
entscheidender Baustein, um eine durchgängige, verlässliche und
verträgliche Transitstrecke für den Verkehr auf der A1 von der Ostsee
bis zur französischen Grenze bei Saarbrücken zu schaffen.
Über weiterführende europäische Fernverkehrsnetze führt die Trasse von
Skandinavien nach Südfrankreich bzw. Spanien und gehört somit zu den
wichtigsten Transitrouten Deutschlands. Aus diesem Grund trägt dieser
Lückenschluss zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur wesentlich
bei.
Auch im Bereich Schienenverkehr gibt es einen großen Ausbaubedarf
der Infrastruktur:
So steht die Eisenbahninfrastruktur im Korridor Rheydt – Aachen – Köln
vor erheblichen Herausforderungen. In der nächsten Dekade ist ein
deutliches Wachstum im Schienengüterverkehr über die Grenzen
zwischen Deutschland, Belgien und den Niederlanden zu erwarten.
Darüber hinaus ist mit wesentlich gesteigertem Aufkommen im
internationalen Schienenpersonenverkehr über die Grenze zu rechnen.
Vor diesem Hintergrund ist der Schienenkorridor zwischen Aachen und
Köln auf den Strecken Herzogenrath - Aachen - Köln dringend
auszubauen, um den prognostizierten Zuwächsen im Personen- und
Güterverkehr gerecht zu werden. Deshalb hat die Region Aachen das
Projekt „ABS Köln - Aachen (3. Gleis)“ definiert:.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 51
Lückenschluss A 1
Zielsetzung:
Das Netz der Bundesautobahn soll im Kreis
Euskirchen zwischen Adenau, Lommersdorf und
Blankenheim geschlossen werden.
Kurzbeschreibung:
Ein Lückenschluss der Bundesautobahn A1 als einer
der wichtigsten Nord-Süd-Achsen des westdeutschen
Straßennetzes würde erheblich zur Standortsicherung
und -aufwertung des Kreises Euskirchen beitragen.
Ausbau ABS Köln - Aachen (3. Gleis)
Zielsetzung:
Kapazitätserhöhung, störungsfreier Betrieb
Kurzbeschreibung:
Ein Maßnahmenbündel ersetzt das seit langem
geforderte durchgängige 3. Gleis. Es sieht
stattdessen punktuelle Einzelmaßnahmen vor, die in
ihrer Summe eine deutliche Entlastungsfunktion
entfalten.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 52
Weiterentwicklung von Raum und Fläche
Die vielfältigen Aufgabenstellungen rund um die zukünftige Entwicklung
von Infrastruktur, Raum und Fläche sind eng mit den übrigen von der
Region Aachen definierten Zukunftsfeldern verknüpft.
Nur durch die erfolgreiche, integrierte regionale Entwicklung folgender
Komponenten wird der Strukturwandel langfristig ein Erfolg:
Forschung und Entwicklung
wirtschaftliche Transformation auf der Basis von Digitalisierung
Schaffung von Arbeitsplätzen und zukunftsgerechte Qualifikation von
Arbeitskräften in großer Bandbreite
Bereitstellung geeigneter Siedlungsflächen
Gewährleistung einer hohen Standortqualität durch eine gute
Daseinsvorsorge vor allem auch im ländlichen Raum
und ein ansprechendes touristisches Angebot
Im Bereich Raum und Fläche haben es die Wirtschaftsförderungen in
der Region Aachen in den nächsten Jahren mit drängenden
Herausforderungen im Bereich der Entwicklung insbesondere von
Logistikstandorten zu tun.
Nur mit der Ausarbeitung einer spezifischen Profilbildung und deren
erfolgreicher Umsetzung können die regionalen Standorte gegenüber
den großen HUBs bestehen. Thematisch sollten diese Profile
zukunftsorientiert in Richtung eLogistik, GreenLogistik, emissionsarmer
CityLogistik etc. entwickelt werden.
Die von der Region in diesem Zusammenhang ausgewählten Phase IProjekte leisten hierzu einen wichtigen Beitrag. So bietet die mögliche
Entwicklung des „Industriedrehkreuzes Weisweiler - Inden Stolberg“ nach der Schließung des Kraftwerkstandortes die Chance, ein
überregional erfolgreicher, zeitgemäßer und bedarfsgerechter
Logistikstandort zu werden.
Zusammen mit dem voranzutreibenden flächendeckenden Ausbau einer
Ladeinfrastruktur – nicht nur für Lkw – kann dies der Region Aachen
eine Vorreiterposition mit einer modernen, spezifischen Logistikkompetenz verschaffen und zu einer Steigerung der Wertschöpfung in
einem wachsenden Markt führen. Hierbei stehen die potentiellen
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 53
Gewerbe- und Industrieflächen im Umfeld des Kraftwerks im Fokus einer
vorzunehmenden qualifizierten Entwicklung.
Dabei sind die Möglichkeiten von Synergien durch die Entwicklung von
Flächenpotenzialen im Umfeld des Stolberger Hauptbahnhofs besonders
zu berücksichtigen.
Industriedrehkreuz Weisweiler - Inden - Stolberg
Zielsetzung:
Kompensation des Wegfalls von Arbeitsplätzen im
Zuge des Strukturwandels
Kurzbeschreibung:
Reaktivierung von Flächen des Kraftwerkstandortes als
Gewerbe- und Industriestandorte – Satellitenkonzept
mit geplanter interkommunaler Gewerbefläche des
Campus Aldenhoven und der Merscher Höhe
(Brainergy) in Jülich
Projektträger:
Kosten:
RWE (im Besitz des größten Teils der Fläche)
40 Mio. Euro
Status:
Projektskizze
Strukturwirksamkeit:
Konversationsfläche durch Wegfall des Kraftwerksstandortes. Kompensation für wegfallende Arbeitsplätze
am Standort
Das Potenzial der Region wird auch durch das Phase I-Projekt „LEP VIFläche Geilenkirchen-Lindern“ eindrucksvoll belegt:
Das Areal war vom Land im Rahmen der Flächenbevorratung für ein
potentielles weiteres Kraftwerk im Rheinischen Braunkohlerevier
erworben worden. Künftig könnte es aufgrund seiner spezifischen
Standortvorteile und vor allem auch der räumlichen Nähe zu den
technologisch-innovativen Forschungsschwerpunkten innerhalb der
Region Aachen ein bevorzugter Standort für großangelegte industrielle
Produktionen und damit für neue Wertschöpfung und neue Arbeitsplätze
werden.
Vorteile der sogenannten LEP VI-Fläche sind u. a. ihre räumliche Lage,
die sich derzeit in der Entwicklung befindende optimierte Verkehrsanbindung, ihre Größe (rd. 240 ha) sowie ihre Verfügbarkeit:
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 54
LEP VI-Fläche Geilenkirchen-Lindern
Zielsetzung:
Kurzbeschreibung:
Zukunftsorientierte Entwicklung des
Industriegebiets Geilenkirchen-Lindern
(LEP VI-Fläche)
GI-Flächenentwicklung (rund 153 ha) mit
Entwicklungspotenzialen für
arbeitsplatzintensive Großansiedlungen
direktes Verbundprojekt: L364n,
Ortsumgehung Hückelhoven und
Hilfarth zur Erschließung des
Industriegebietes GeilenkirchenLindern
Projektträger:
NRW.Urban, Stadt Geilenkirchen, Stadt
Hückelhoven, Stadt Heinsberg, Kreis Heinsberg,
WFG für den Kreis Heinsberg
Kosten:
derzeit noch nicht zu beziffern
Status:
Projekt ist in der Startphase. Verkehrsinfrastrukturelle Entwicklungen laufen.
Planungsphase hat begonnen. Gutachten
werden 2019 vorliegen.
Strukturwirksamkeit:
Flächenentwicklung - Infrastrukturausbau:
ortsdurchfahrtsfreie Anbindung des
Industriegebietes (LEP VI-Fläche GeilenkirchenLindern) an die A46 und Fahrzeitreduzierung;
Vermeidung des innerörtlichen
Durchgangsverkehrs u. Beibehaltung der
Wohnqualität
Eine besondere Herausforderung besteht für die Raum- und Flächenentwicklung im Rahmen der drei Tagebauumfeldinitiativen Inden, Garzweiler und Hambach. Aufgrund der starken Betroffenheit der Menschen
in den Tagebauumfeldgemeinden sind hier umfangreiche strukturwirksam, langfristig anzulegenden Landschaftsraumgestaltungen erforderlich und für eine innovative Entwicklung der Wirtschaft und Infrastruktur
zu sorgen.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 55
Raumentwicklungsperspektive für die Tagebauumlandgemeinden
Zielsetzung:
Vertiefende räumliche Planungen für die
Tagebauumfelder Garzweiler, Hambach und
Inden zur Vorbereitung von Investitionen in
Infrastruktur, Freiraum und
Flächenerschließung
Kurzbeschreibung:
Masterpläne sollen für die Tagebauumfelder
Garzweiler, Hambach und Inden entwickelt
werden. Dabei fließen wirtschaftliche, sozialökonomische, touristische und landwirtschaftliche Raumentwicklungsperspektiven
in die Planung mit ein. Aufgrund der zeitlichen Perspektive muss den Raum stufenweise denken. Zwischennutzungen müssen
in der gesamten Umfeldgestaltung einbezogen werden.
Projektträger:
Zweckverband Tagebaufolge(n)landschaft Garzweiler, Entwicklungsgesellschaft indeland GmbH,
„Team Hambach“, RWE Power AG, betroffene Gemeinden, Städte und Kreise
Kosten:
derzeit noch nicht zu beziffern
Status:
Projektskizzen teilweise erstellt.
Strukturwirksamkeit:
Eine langfristig gedachte Raumentwicklung in
den Tagebauumlandgemeinden schafft Raumstrukturen, die Effekte auf die Wirtschaft, die
Landwirtschaft, die Touristik und auch für die
Menschen vor Ort erzeugt. Speziell die Wiederherstellung und Schaffung neuer Raumqualitäten
für Wohn- sowie Arbeitsstandorte sind hervorzuheben.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 56
Vor dem Hintergrund aktueller Raumentwicklungen und der
Verbesserung der regionalen Verkehrsinfrastruktur ist ein Mobilitätsnetz
erstrebenswert, welches verbund- und grenzüberschreitend funktioniert
und die Vielzahl bisher nebeneinander existierender Einzelsysteme mit
vorausschauendem Weitblick vernetzt. Ziel für die nahe Zukunft ist die
Realisierung eines vernetzten, koordinierten, urbanen sowie
interregionalen Verkehrssystems.
Es ist für die Region wichtig, einen intensiven Kontakt über die
Landesgrenze in Richtung Niederlande und Belgien zu halten. Denn der
Weg in Richtung eines gemeinsamen Europas bietet besonders den
Grenzregionen seit Anfang der 1990er Jahre exklusive Chancen. Bis
dato waren Handel, kommunale Zusammenarbeit und das Pendeln
zwischen Orten durch Staatsgrenzen stark eingeschränkt; diese
behinderten die regionale Entwicklung erheblich. Heute können
Institutionen, Verbände und Vereine, private Initiativen, aber auch
Einzelpersonen grenzüberschreitende Kooperationen eingehen und so
das weitere „Zusammenwachsen“ und die grenzüberschreitende
Wirtschaftsentwicklung fördern.
Richtungsweisende Mobilitätsinnovationen aus der
Region
Die Elektromobilität, die mehr und mehr an Bedeutung gewinnt, ist in der
Region Aachen ein erfolgreiches und umfangreiches Forschungsfeld. Mit
dem Elektromobilitätslabor (eLab) als einem der fünf Center im Cluster
Smart Logistik bietet die RWTH Aachen eine offene Infrastruktur zur
Erforschung der Elektromobilität. Unternehmen können von der
Technologieentwicklung über das Testing bis hin zur PrototypenFertigung vom eLab profitieren.
Projekte wie beispielsweise eProduction, eine Produktionsforschung zu
Hochvoltspeichersystemen für die Elektromobilität, belegen die
Attraktivität dieses eMobilitäts-Angebots der Hochschule.
Im Ford Forschungszentrum Aachen stehen die Themen alternative
Antriebssysteme, Umweltschutz und Sicherheit im Vordergrund der
Forschung.
Die StreetScooter GmbH ist ein aufsehenerregendes Unternehmen, das
aus der Forschungslandschaft innerhalb der Region Aachen
hervorgegangen ist. Das dort entwickelte Elektrofahrzeug ist so
konzipiert worden, dass es sich als Elektrotransporter für die Waren- und
Paketzustellung besonders gut eignet. Mit der Übernahme des
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 57
Unternehmens durch die Deutsche Post AG wurde die serienmäßige
Produktion des Elektrotransporters gewährleistet.
Neben dem StreetScooter wurde auf dem RWTH Aachen Campus ein
weiteres Elektrofahrzeug konzipiert, das große Marktchancen besitzt: Das
hier entwickelte, elektronisch angetriebene Stadtauto „e.GO Life“ wird ab
Mitte 2018 in einer eigenen Fabrikation auf einem ehemaligen PhilipsGelände in Aachen sowie in Düren gebaut.
Weitere Neugründungsbeispiele im Mobilitätsumfeld sind die ENGIRO
GmbH mit ihrem Spezialgebiet, Elektromotoren mit hoher
Leistungsdichte auf engem Raum herzustellen, und die smartlab
Innovationsgesellschaft mbH. Im Fokus dieses Unternehmens steht die
Vernetzung von Ladeinfrastrukturen für ein flächendeckendes Netz von
Ladestationen für Elektrofahrzeuge.
Die Stärken der Region Aachen auf dem Gebiet der intelligenten
Mobilität sollen zukünftig noch weiter optimiert und dazu Synergien
gezielt unterstützt werden.
Aus Sicht der Region Aachen geht es im Bereich der Zukunftsmobilität
darum, unterschiedlichste Einzelinitiativen zu einem gesamtregionalen
langfristigen Mobilitätskonzept zu bündeln. Dabei ist die Frage zu
beantworten, wie sich die einzelnen Maßnahmen zu einem multimodalen
gesamtregionalen Ansatz verknüpfen lassen, um die Region
überregional überzeugend als Modellregion der Mobilität der Zukunft zu
etablieren.
Ein wichtiger Bereich, bei dem Aachener Innovationen eine Vorreiterrolle
übernehmen können, sind die Themen Connected Car und autonomes
Fahren.
Um hier Akzente zu setzen hat die Region Aachen das Phase I-Projekt
„Campus Aldenhoven“ definiert, bei dem das Aldenhoven Testing Center
(ATC) eine wichtige Rolle spielt.
Mit diesem Testing Center der RWTH Aachen steht eine leistungsfähige
Testanlage für die Fahrzeugtechnik der Zukunft zur Verfügung. Das hier
installierte automotiveGATE ist in der Lage, Galileo Satellitensignale zu
simulieren. Damit wird bereits vor der Inbetriebnahme aller Satelliten die
Entwicklung und Erprobung von entsprechenden Systemen ermöglicht:.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 58
Campus Aldenhoven
Zielsetzung:
Die Flächen des ehemaligen Kraftwerksstandortes
Siersdorf sind in einen interkommunalen Gewerbeund Industriebereich (GIB) umzuwandeln, um
weiterhin Flächen für autoaffine Unternehmen am
Standort zu sichern.
Kurzbeschreibung:
Auf dem 86 ha großen Campus Aldenhoven ist
neben weiteren Unternehmen das Aldenhoven
Testing Center angesiedelt, das durch das 5G
Mobility Lab und die Teststecke für autonome und
vernetzte Mobilität ein innovatives Automotivcluster
bildet. Das Standortangebot ist eine Kooperation von
Baesweiler, Aldenhoven sowie der RWTH Aachen.
Projektträger:
EBV, Aldenhoven Testing Center der RWTH Aachen
University GmbH, Entwicklungsgesellschaft indeland
GmbH, Stadt Linnich, Stadt Baesweiler, Gemeinde
Aldenhoven
Kosten:
15 Mio. Euro
Status:
Projektskizze mit Vorbereitung der Umsetzung
Strukturwirksamkeit:
Konversionsfläche für den Aufbau einer
interkommunalen GI-Fläche;
Unternehmensansiedlungen und Schaffung von
Arbeitsplätzen in den Themenfeldern 5G-Technology
und autonomes Fahren
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 59
Phase I-Projekte der Region Aachen im Zukunftsfeld Infrastruktur, Raum, Fläche,
Mobilität
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 60
Auf einen Blick
Die Region Aachen liegt im Zentrum des Rheinischen Reviers, einem
der wichtigsten Energiezentren Europas und Sitz vieler energieintensiver Unternehmen, die auf bezahlbare und sichere Energieversorgung
angewiesen sind. Daher ist die Region durch das geplante Ende der
Braunkohleverstromung massiv vom damit einhergehenden Strukturwandel betroffen.
Aufgrund der einmaligen Innovations- und Forschungspotenziale der
Region, der Hochschul- und Wissenschaftslandschaft, haben wir allerdings beste Voraussetzungen, diese Energiewende und die damit einhergehenden Umbrüche erfolgreich zu meistern und zukunftsträchtige
technologische Konzepte dafür zu entwickeln.
Die Herausforderung des Strukturwandels wird die Region Aachen nur bewältigen können, wenn sie durch einen angemessenen und zeitig schnell
einzusetzenden Strukturfonds, einen Planungssonderstatus und ein regionales Beteiligungskonzept sowie andere strukturwirksame Instrumente und
Maßnahmen unterstützt wird.
Mit dem vorliegenden Konzept zur strukturellen Weiterentwicklung der Region, mit drei definierten Zukunftsfeldern mit ersten großen und wirksamen
Phase I-Projekten, denen noch viele andere folgen müssen, legt die Region
Aachen einen ersten Entwurf für einen nachhaltig erfolgreichen Wandel vor.
Dieser muss stetig weiterentwickelt, der Realität angepasst und fortgeschrieben werden.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 61
Klimaschutz, die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze und die Versorgungssicherheit mit bezahlbarer Energie sind für uns gleichrangige Ziele
und Maximen unseres Handelns. Mit diesen Leitlinien kann die Region
Aachen ihrer Verantwortung gerecht werden, Lebensstandards und eine
lebenswerte Umgebung für die Menschen zu erhalten.
Der Region Aachen Zweckverband, alle Gebietskörperschaften und betroffene gesellschaftlichen Gruppen sowie relevante Akteure innerhalb und
außerhalb der Region, auch auf Landes- und Bundesebene, müssen sich
der Verantwortung für den zukünftigen Strukturwandel stellen und gemeinsam engagiert daran mitarbeiten, um die Auswirkungen auf die Menschen
in der Region positiv zu gestalten.
Die vom Braunkohleabbau besonders stark betroffenen Tagebauumlandgemeinden sind durch zukunftsträchtige Projekte gezielt zu unterstützen.
Die zukunftsorientierte Wirtschaftsentwicklung kann von Innovationen aus
den Wissenschaftseinrichtungen der Region Aachen profitieren: Gezielter
Technologietransfer bietet umfassende Chancen, neue Perspektiven für die
Bevölkerung im Tagebauumfeld für die Zeit nach der Braunkohle zu schaffen.
Als „Entwicklungslabor“ zukunftsträchtiger Technologien wollen wir als Region Aachen zur Schlüssel- und Modellregion für die Zukunft Deutschlands
und Europas werden: aus dem Rheinischen Revier zum Zukunftsrevier.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 62
ZUKUNFTSVISION FÜR DIE REGION AACHEN
Wir gestalten Veränderungen und entwickeln Innovationen –
so werden wir den anstehenden Strukturwandel erfolgreich
bewältigen.
Dabei werden wir unsere Versorgung mit bezahlbarer Energie
sichern, das Klima schützen und qualitativ hochwertige
Arbeitsplätze schaffen.
Alle unsere Kräfte werden wir bündeln, um dieses Ziel in der
Gemeinschaft aller regionalen Akteure zu erreichen.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 63
Quellenverzeichnis
-
Frontier economics; ETR Economic Trends Research: Die Bedeutung des
Wertschöpfungsfaktors Energie in den Regionen Aachen, Köln und mittlerer
Niederrhein. Kurzstudie im Autrag von IHK Aachen, IHK Köln und IHK Mittlerer
Niederrhein; Köln und Hamburg 2018.
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IHK Aachen: „Mut zur Veränderung – Standort stärken“ – Legislatur-Programm
der IHK Aachen 2018 bis 2022; Aachen 2018.
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IHK Aachen; Nahverkehr Rheinland (NVR); Hafen Antwerpen:
Infrastrukturausbaubedarf Herzogenrath – Aachen – Köln –
Abschlusspräsentation; Aachen 2017.
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Krückel, Bernd (MdL); Wilfried Oellers (MdB); Thomas Schnelle (MdL):
„Gemeinsame Erklärung zum Strukturwandel im Kreis Heinsberg“;
Positionspapier vom 07.09.2018.
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Prognos AG/Entwicklungsgesellschaft indeland GmbH: Fachbeitrag Indeland
zur Neuaufstellung des Regionalplans Köln, Version 1.0; Düsseldorf und
Düren 2018.
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Prognos AG/Region Aachen – Zweckverband: Wirtschaftsstudie Region
Aachen 2017; Düsseldorf und Aachen 2017.
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Prognos AG/Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Zukünftige
Handlungsfelder zur Förderung von Maßnahmen zur Strukturanpassung in
Braunkohleregionen – Endbericht; Berlin 2018.
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Rachel, Thomas (MdB/Staatssekretär): „12 Punkte zum Strukturwandel im
Kreis Düren“; Positionspapier vom 03.09.2018.
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Regionomica: Bericht: Potentialanalyse zur intelligenten Spezialisierung der
Innovationsregion Rheinisches Revier (IRR); Berlin 2013.
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Region Aachen Zweckverband: Geschäftsbericht 2017; Aachen 2018.
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Region Aachen Zweckverband: Regionalentwicklung als Kernaufgabe des
Region Aachen Zweckverbands – Konzept zur Weiterentwicklung der Region
– Stand August 2017; Aachen 2018.
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RWI – Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung: Erarbeitung aktueller
vergleichender Strukturdaten für die deutschen Braunkohleregionen.
Projektbericht für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie –
Endbericht; Essen 2018.
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Verdi und IG BCE: „Revier-Appell“; Positionspapier vom 20.06.2018.
REGION AACHEN - Vision 2045 / SEITE 64
Impressum
Herausgeber:
Region Aachen Zweckverband
Dennewartstraße 25 – 27
52068 Aachen
Telefon +49 (0)241 963-1940
E-Mail: info@regionaachen.de
v.i.S.d.P.: Prof. Dr. Christiane Vaeßen
Redaktion, Graphiken & Formgebung:
KAM3 GmbH
Ansprechpartner:
Dr. Heinz W. Droste
Dr. Jeannette Hark
Vojislav Miljanovic
Abbildungen:
Graphiken/Illustrationen: Dr. Heinz W. Droste, KAM3
Fotos - Copyrights:
- „Indemann bei Nacht“: Maurer United Architects, Maastricht
- „Größte künstliche Sonne“: DLR
- e.GO – Serien-Elektro-Kleinwagen: e.GO Mobile AG
- „Klimawandel“: Forschungszentrum Jülich / Limbach
- „Ökokraftstoff“: Fotoarchiv der RWTH / Winandy
- Melaten und Campus-Boulevard: Fotoarchiv der RWTH / Winandy
- Solarturm Jülich: DLR / Lannert
- Supercomputer JURECA: Forschungszentrum Jülich / Limbach
- DIGITAL CHURCH: digitalHUB Aachen
- Streetscooter: Deutsche Post AG
Stand: Oktober 2018
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