Daten
Kommune
Pulheim
Größe
887 kB
Datum
18.12.2018
Erstellt
26.11.18, 18:34
Aktualisiert
26.11.18, 18:34
Stichworte
Inhalt der Datei
Vorlage Nr.:
288/2018
Erstellt am:
19.09.2018
Aktenzeichen:
IV 601.01
Vorlage zur Beratung/Beschlussfassung
Gremium
TOP
ö. Sitzung
nö. Sitzung
Termin
Haupt- und Finanzausschuss
8
X
04.12.2018
Rat
11
X
18.12.2018
Betreff
Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 Kommunalabgabengesetz (KAG) für straßenbauliche Maßnahmen der Stadt Pulheim
Veranlasser/in / Antragsteller/in
Verwaltung
Haushalts-/Personalwirtschaftliche Auswirkungen
Die Vorlage hat haushaltswirtschaftliche Auswirkungen:
― bei Einzahlungen bzw. Erträgen
x ja
nein
― bei Einzahlungen bzw. Erträgen
― bei Auszahlungen bzw. Aufwendungen
ja
x nein
― bei Auszahlungen bzw. Aufwendungen
Die Vorlage hat personalwirtschaftliche Auswirkungen:
ja
x nein
Finanzierungsbedarf gesamt:
(ggf. inkl. zusätzlicher Personalkosten)
€
— im Haushalt des laufenden Jahres
€
— in den Haushalten der folgenden Jahre
€
€
€
Die Mittel stehen haushaltswirtschaftlich zur Verfügung:
Finanzierungsvorschlag (und ggf. weitere Erläuterungen):
ja
nein
Vorlage Nr.: 288/2018 . Seite 2 / 9
Beschlussvorschlag
Der Haupt- und Finanzausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis und empfiehlt dem Rat, von
einer Anhebung der Anliegeranteile der „Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 Kommunalabgabengesetz
(KAG)“ abzusehen.
Erläuterungen
I Rechtsgrundlage
Nach § 8 (1) KAG sind die Gemeinden verpflichtet, bei den dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wegen und
Plätzen für deren Herstellung, Anschaffung, Erweiterung und Verbesserung Beiträge zu erheben. Rechtsgrundlage
hierfür ist eine zu erlassende Satzung, § 2 KAG. Seit Inkrafttreten des KAG (1970) verfügten die Altgemeinden, später
die Gemeinde und Stadt Pulheim, über entsprechende Satzungen. Aktuell gilt die Satzung vom 14.03.2014.
II Anlass der Vorlage
Der Rat der Stadt Pulheim hatte in seiner Sitzung am 19.05.2015 beschlossen, die Gemeindeprüfungsanstalt NRW (kurz
GPA) mit der Identifizierung von Potentialen für eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung zu beauftragen (Vorlage
124/2015). In dem Ergebnisbericht (Vorlage 283/2016) wird unter der lfd. Nummer 73 folgende Konsolidierungsmaßnahme beschrieben:
Konsolidierungsmaßnahme
Straßenbaubeitragssätze nach KAG auf einen Beitragssatz von
80 Prozent anheben
Beschreibung der Maßnahme
Auf der Grundlage der Anpassung des Beitragssatzes (Anliegerstraßen)
auf 80 Prozent errechnet sich für die Jahre 2015 bis 2018 eine Einzahlungsstei
gerung in Höhe von rund 293.000 Euro. Die Ertragslage wird durch die zu bildenden Sonderposten und die anschließende Auflösung über die Nutzungsdauer der Straße positiv unterstützt. Bezogen auf eine 50-jährige Nutzungsdauer
ergibt sich eine jährliche Ergebnisverbesserung von 5.860 Euro.
Die GPA empfiehlt die KAG-Satzung in Anlehnung an die Mustersatzung (Anmerkung: gemeint ist die Mustersatzung
des nordrhein-westfälischen Städte- und Gemeindebundes) in der Frage, zu welchem Anteil sich die Anlieger an den
Kosten entsprechender straßenbaulicher Maßnahmen beteiligen müssen, zu ändern.
Die Thematik ist rechtlich komplex und bedarf einer umfassenderen Darstellung.
III Erläuterung der mit dem Konsolidierungsvorschlag einhergehenden Zusammenhänge
Nach dem KAG - NRW ist zur Ermittlung des auf die Anlieger umzulegenden Aufwands ein von der Gemeinde zu tragender Anteil des beitragsfähigen Aufwands (Gemeindeanteil) in Abzug zu bringen. Dieser Anteil steht für den Vorteil,
der auf die Allgemeinheit entfällt. Die Bestimmung des Gemeindeanteils ist dem Ortsgesetzgeber vorbehalten, die Höhe
muss in der Straßenbaubeitragssatzung festgelegt werden.
Die Festlegung hat sich an einer gerechten Abwägung der wirtschaftlichen Vorteile der Beitragspflichtigen gegen die
Vorteile der Allgemeinheit zu orientieren. Dabei steht der Gemeinde innerhalb der zu beachtenden Ober- und Untergrenzen ein durch den unbestimmten Rechtsbegriff „wirtschaftlicher Vorteil“ begrenzter Spielraum zu. Im Rahmen gesetzlicher Grenzen handelt es sich um eine ortsgesetzgeberische Ermessens- und Gestaltungsentscheidung. Hierzu
ist eine Vorteilsabwägung erforderlich, d.h. die Gemeinden haben das Maß der schätzungsweise zu erwartenden Nutzung der ausgebauten Anlage durch die Grundstückseigentümer einerseits und die Allgemeinheit andererseits gegenüberzustellen und auf dieser Grundlage die jeweiligen Anteilssätze festzulegen. Je mehr die ausgebaute Anlage erfah-
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rungsgemäß von der Allgemeinheit benutzt wird, desto höher ist der Wert des durch die Inanspruchnahmemöglichkeit
der Allgemeinheit vermittelten wirtschaftlichen Vorteils zu bemessen und desto höher muss dementsprechend der Gemeindeanteil sein.
Nach der hierzu ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist das Vorteilsprinzip die einzig zulässige
Maßgabe. Lässt sich der Ortsgesetzgeber bei seiner Ermessensausübung hingegen von anderen Gesichtspunkten
leiten (beispielsweise von fiskalischen, sozialen oder politischen), führt dies zur Rechtswidrigkeit der Anteilsfestsetzung.
Das Verhältnis der durch die Inanspruchnahmemöglichkeit für die Allgemeinheit und die Grundstückseigentümer gebotenen wirtschaftlichen Vorteile hängt sowohl von der Verkehrsbedeutung ausgebauter Straßen als auch davon ab, welche Teileinrichtungen ausgebaut worden sind. Diesem grundsätzlichen Unterschied muss die Gemeinde bei der Bestimmung des Gemeindeanteils Rechnung tragen. Die Höhe des Gemeindeanteils ist daher nach Straßenarten und
innerhalb dieser nach Teileinrichtungen zu staffeln. Für die Bemessung kann grundsätzlich von bestimmten, an Erfahrungssätzen orientierten Leitlinien ausgegangen werden. Die in solchen Leitlinien bezeichneten Anteilssätze stellen
(dem generalisierenden Charakter von Satzungsbestimmungen entsprechend) auf typische Anliegerstraßen, Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen ab.
Die bislang erlassenen städtischen Straßenbaubeitragssatzungen bewegen sich im Rahmen dieser Systematik. Dies gilt
auch für die aktuell geltende Satzung, die bereits umfangreich auf der von der GPA in Bezug genommenen Mustersatzung basiert. Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Mustersatzung und der aktuell geltenden Satzung besteht
jedoch gerade in der von der GPA empfohlenen Änderung bzw. Anhebung der Anteilssätze.
Hintergrund für die vom Städte- und Gemeindebund empfohlene Anhebung der Anliegeranteile war die aus laufender
Rechtsprechung hervorgegangene Erkenntnis, dass die in früheren Mustersatzungen empfohlenen (niedrigeren) Anteilssätze nicht mehr vorteilsgerecht waren. Die Empfehlung des Städte- und Gemeindebundes trug dieser Entwicklung
Rechnung und brachte eine Bandbreite von deutlich höheren Anliegeranteilssätzen hervor.
Bei Neuerlass der städtischen Straßenbaubeitragssatzung in 2005 wurde der nach der Mustersatzung höchstmögliche
Rahmen jedoch bewusst nicht ausgeschöpft. Stattdessen wurden die neuen Anteilssätze jeweils 10 % niedriger festgesetzt. Hieran knüpft nunmehr die Empfehlung der GPA an, den nach deren Auffassung noch möglichen Rahmen als
Maßnahme der Haushaltskonsolidierung auszuschöpfen. Eine inhaltliche Thematisierung hierzu fand allerdings nicht
statt. Die GPA verwies schlicht auf „die Mustersatzung“.
Dieser Verweis lässt den Eindruck aufkommen, dass die Mustersatzung für die Kombination Anliegerstraße/Fahrbahn
generell einen Anteilssatz von 80 v.H. vorsieht. Dem ist jedoch nicht so. Der Städte- und Gemeindebund hat lediglich
Bandbreiten aufgeführt, beispielsweise für die Kombination Anliegerstraße/Fahrbahn 50 bis 80 v.H. Die konkrete Ausgestaltung obliegt alleine dem ortsgesetzgeberischen Ermessen.
Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass der höchste Anteilssatz nur bei Anliegerstraßen greift, da der maximal mögliche Nutzungsanteil auf die Anlieger entfällt. Dahinter zurückbleibende Straßenarten wie Haupterschließungsstraßen und
Hauptverkehrsstraßen gehen mit einem abnehmenden Anliegervorteil und einem zunehmenden Allgemeinvorteil einher,
so dass sich die jeweiligen Prozentsätze hierfür in einer Relation zu denen der Anliegerstraße bewegen. Im Mittelpunkt
der Betrachtung stehen als Basiswerte die Anteilssätze der Anliegerstraße.
IV Ermessens- und Gestaltungsentscheidung über die Anhebung der Anliegeranteile
Vorlage Nr.: 288/2018 . Seite 4 / 9
Wie bereits unter III ausgeführt, ist eine Vorteilsabwägung erforderlich. Das Maß der schätzungsweise zu erwartenden
Nutzung der ausgebauten Anlage durch die Grundstückseigentümer einerseits und durch die Allgemeinheit andererseits
sind gegenüberzustellen. Auf dieser Grundlage sind dann die jeweiligen Anteilssätze festzulegen. Hierbei handelt es
sich um einen Akt gemeindlicher Rechtsetzung, den die Verwaltungsgerichtsbarkeit nur daraufhin überprüft, ob die Gemeinde den durch Gesetz und Recht gesteckten Rahmen ihrer Ermächtigung zum gesetzgeberischen Handeln überschritten hat. Dabei steht der Gemeinde ein durch den unbestimmten Rechtsbegriff „wirtschaftlicher Vorteil“ begrenzter
Beurteilungsspielraum zu. Wenigstens grundlegenden Unterschieden muss der Ortsgesetzgeber bei der Abwägung
Rechnung tragen. Die Gemeinde ist mithin verpflichtet, die Höhe des Gemeindeanteils nach Straßenarten und innerhalb
dieser nach Teileinrichtungen zu staffeln (Staffelungsgebot). Die jeweiligen Anteilssätze müssen hierbei vorteilsgerecht
aufeinander abgestimmt sein.
Für die Bemessung des Gemeindeanteils im Einzelnen kann grundsätzlich von bestimmten, an Erfahrungssätzen orientierten „Leitlinien“ ausgegangen werden.
Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte hat in zahlreichen Entscheidungen die Grenzen des Ermessens ausgelotet und entsprechende „Leitlinien“ heraus gebildet. Beispielhaft hierfür sei angeführt:
Anliegerstraßen
Anliegeranteil für Gehwege 80 %
Anliegeranteil für alle Teileinrichtungen mindestens 60 %, bis zu 75 %
OVG, B.v. 22.01.2009, 15 A 3137/06
und v. 26.3.2009, 15 A 939/06
Kommentar Driehaus, § 8, Rd.-Nr.371
Haupterschließungsstraßen
Anliegeranteil für Fahrbahn 55 %
Anliegeranteil für Fahrbahn bis zu 40 %
Anliegeranteil für Gehwege bis zu 60 %
OVG, B.v. 29.10.2004, 15 B 1773/04
Kommentar Driehaus, § 8, Rd.-Nr.371
Kommentar Driehaus, § 8, Rd.-Nr.371
Haupterschließungs- und Hauptverkehrsstraßen
Anliegeranteil für Gehwege 60 %
Anliegeranteil für Gehwege 75 %
OVG, B.v. 01.03.2011, 15 A 1643/10
Kommentar Driehaus, § 8, Rd.-Nr.371
Hauptverkehrsstraßen
Anliegeranteil für Parkflächen 70 %
Anliegeranteil für Fahrbahnausbau 20 – 30 %
Anliegeranteil für Gehwege bis zu 60 %
Anliegeranteil für Parkstreifen 50 %
Kommentar Driehaus, § 8, Rd.-Nr.371
Kommentar Driehaus, § 8, Rd.-Nr.371
Kommentar Driehaus, § 8, Rd.-Nr.371
OVG, U.v. 27.2.1985, 2 A 2603/82f
Anliegerstraße, Haupterschließungs- und Hauptverkehrsstraße
Anliegeranteil für Straßenentwässerung und Beleuchtung wie bei Gehweg
Anliegeranteil für Bushaltestellen regelmäßig höher als Gemeindenanteil
Anliegeranteil für Radwege entspricht dem für Fahrbahnen
Kommentar Driehaus, § 8, Rd.-Nr.371
Kommentar Driehaus, § 8, Rd.-Nr.374
Kommentar Driehaus, § 34, Rd.-Nr. 17
Fußgängerzonen
Gemeindeanteil mind. 50 %
Besser durch Einzelsatzung
OVG, U.v. 23.11.1976, II A 1766/74
OVG, U.v. 26.10.1987, 2 A 490/86
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Anliegerstraßen als Verkehrsberuhigte Wohnstraßen
Anliegeranteil mehr als 50 %
Besser durch Einzelsatzung
Kommentar Driehaus, § 8, Rd.-Nr.376
OVG, U.v. 14.6.1989, 2 A 1152/87
OVG, U.v. 26.10.1987, 2 A 490/86
Welche Anteilssätze letztlich für die jeweilige Gemeinde angemessen sind, soll sich nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte aus der schätzungsweise zu erwartenden Nutzung durch Anlieger bzw. den Durchgangsverkehr ergeben. Maßgeblich ist im Zusammenhang mit der Ausübung des ortsgesetzgeberischen Ermessens die Frage,
welche Straßenarten für das Stadtgebiet typisch sind und in welchem Umfang der jeweilige Verkehr ebenso
typisch, also stellvertretend für gleichartige Straßen im Stadtgebiet, stattfindet. Beispielsweise bedeutet ein Anliegeranteil von 60 %, dass in der Regel auf einen Verkehrsstrom von 100 Nutzern 60 dem Anliegerverkehr und 40 dem
Durchgangsverkehr zuzurechnen sind. So gesehen gibt es Anliegerstraßen, die typischerweise eher annähernd zu 100
% durch Anlieger genutzt werden. Je mehr derartige Anliegerstraßen in einer Gemeinde vorhanden sind, desto höher
muss der Anliegeranteil bemessen werden (VG Weimar, U.v. 17.3.2009). Somit kann beispielsweise selbst ein Anliegeranteil von 90 % noch vorteilsgerecht sein, wenn er dem Maß der schätzungsweise zu erwartenden Nutzung von den
anliegenden Grundstücken aus entspricht (OVG Schleswig, U.v. 26.4.2006, 2 KN 7/05).
Entsprechend dieser Vorgaben ist bezogen auf das Gebiet der Stadt Pulheim typisierend zu ermitteln, in welchem Umfang die Allgemeinheit die in Frage kommenden Straßenarten nutzt.
Anliegerstraßen
Nach der Legaldefinition handelt es bei Anliegerstraßen um Straßen, die überwiegend der Erschließung der angrenzenden oder der durch private Zuwegung mit ihnen verbundenen Grundstücke dienen. „Überwiegend“ bedeutet bereits
„mehr als die Hälfte“, wodurch ein Anliegeranteil von mehr als 50 % gerechtfertigt ist. Zur weitergehenden Ausdifferenzierung ist die städtebauliche Struktur des Stadtgebietes zu betrachten. Hier überwiegen in Pulheim und den zugehörigen Ortslagen reine Wohngebiete, deren Erschließung zunächst über zentrale Zuwegungen (Haupterschließungsstraßen) und von dort aus über Anliegerstraßen erfolgt. Der Frage, in welchem Umfang eine Nutzung solcher Anliegerstraßen durch die Allgemeinheit wahrscheinlich ist (und hiermit korrespondierend durch die Anliegerschaft) wurde anhand
einiger Fallbeispiele nachgegangen.
Als Ergebnis sind folgende Anliegerstraßentypen festzustellen:
1) Stichweg mit einer Anbindung an das Verkehrsnetz
Solche Stichwege erlauben kein Durchfahren. Somit werden Sie ganz überwiegend bis nahezu ausschließlich von
Anliegern genutzt. Eine Nutzung durch die Allgemeinheit ist unwahrscheinlich und kann ausgeschlossen werden.
1. Beispiel: Voißberg, Stommeln)
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2. Beispiel: Dachsweg Pulheim
2) Anliegerstraße mit zwei Anknüpfungspunkten an das Verkehrsnetz:
Solche Straßen werden überwiegend (aber nicht ausschließlich) von Anliegern genutzt. Oft bieten solche Straßen
aber auch den Vorteil von Abkürzungen zu anderen Zielen, so dass in geringerem Umfang eine Nutzung durch die
Allgemeinheit angenommen werden kann.
1. Beispiel: Markusstraße in Sinnersdorf
2. Beispiel: Dessauer Weg, Straubitzer Weg, Schweriner Weg, Plauener Weg in Brauweiler
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3) Anliegerstraßen mit drei oder mehr Anknüpfungspunkten.
Überwiegt hier zwar noch der Anliegerverkehr, spricht die zunehmende Anzahl von Anknüpfungspunkten dafür, dass
die Nutzung durch die Allgemeinheit umfangreicher stattfindet als im Falle von nur zwei Anknüpfungspunkten.
1. Beispiel: Akazienweg
2. Beispiel: Föhrenweg
Für die Ausübung des ortsgesetzgeberischen Ermessens ist die Frage maßgeblich, in welchem Umfang der jeweilige
Verkehr ebenso typisch, also stellvertretend für gleichartige Straßen im Stadtgebiet, stattfindet. Zur weiteren Recher-
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che wurden die als Anliegerstraßen erfassten Straßen des Stadtgebietes den zuvor erläuterten Typen zugeordnet. Das
Ergebnis lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Typ 1: Anliegerstraßen mit nur 1 Anknüpfungspunkt
Typ 2: Anliegerstraßen mit 2 Anknüpfungspunkten
Typ 3: Anliegerstraßen mit 3 oder mehr Anknüpfungspunkten
45 %
33 %
22 %
Bewertung des Ergebnisses:
Im Stadtgebiet überwiegen Anliegerstraßen des Typs 2 und 3. Hier findet (anders als im Falle des Typs 1) unterhalb der
Schwelle zur Haupterschließungsstraße Durchgangsverkehr bzw. eine Nutzung durch die Allgemeinheit statt. Die Annahme, dass sich der hierauf entfallende Nutzungsanteil nur in einer Bandbreite von 20 % bewegt, so dass es gerechtfertigt wäre, Anliegern von Anliegerstraßen im Stadtgebiet generell einen Anteil von 80 % zuzuschreiben, wird durch das
o.a. Ergebnis bzw. die Prozentsätze nicht bestätigt. Vielmehr spricht das Ergebnis dafür, den Anteil der Allgemeinheit
durchschnittlich höher als 20 % anzusetzen. Das ortsgesetzgeberische Ermessen wurde bereits nach Veröffentlichung
der Mustersatzung in 2005 für die Kombination Fahrbahn/Anliegerstraße dahingehend ausgeübt, dass 70 % den Anliegern und 30 % der Allgemeinheit zugeschrieben wurde. Gründe, die dafür sprechen, diese Anteile zu Lasten der Anlieger zu verändern, brachte die Überprüfung nicht hervor. Aufgrund dieser Ergebnistendenz empfiehlt die Verwaltung, die
aktuell geltende Satzung entgegen der undifferenziert geäußerten Empfehlung der GPA nicht zu ändern.
V Hintergründe der Mustersatzung des nordrhein-westfälischen Städte- und Gemeindebundes und haushaltswirtschaftliche Grundsätze
Der Städte- und Gemeindebund wies bei Herausgabe der Mustersatzung darauf hin, dass bezüglich der Anteilssätze
Spannbreiten aufgezeigt werden, die eine durch den Ortsgesetzgeber zu konkretisierende Annäherung an die jeweils
vermittelten Vorteile als Ausfluss der hoheitlichen Abgabengerechtigkeit und der kommunalen Haushaltsgrundsätze
darstellen. Hier wird auf den allgemeinen Haushaltsgrundsatz des § 75 GO NW zur sparsamen und wirtschaftlichen
Haushaltsführung verwiesen. Des Weiteren auf § 76 Abs. 2 GO NW, wonach Gemeinden ihre Einnahme in erster Linie
(soweit vertretbar und geboten) aus speziellen Entgelten für die von ihnen erbrachten Leistungen und erst in zweiter
Linie aus Steuern zu beschaffen haben. Nach der Rechtsprechung des OVG ist den Gemeinden bei der Bestimmung
des Vertretbaren und Gebotenen grundsätzlich ein Ermessensspielraum eröffnet. Dabei gilt jedoch die grundsätzliche
Verpflichtung zur vollständigen Ausschöpfung der Einnahmequellen im besonderen Maße für diejenigen Gemeinden, die
bereits über längere Zeit hinweg ihre Haushaltsrechnungen mit einem Fehlbetrag abgeschlossen haben. Hinter dieser
Verpflichtung müssen andere Erwägungen zurücktreten.
Dies wendet die Fragestellung dahingehend, ob es sich die Stadt Pulheim „leisten“ könnte, auf die vollständige Ausschöpfung von Einnahmequellen (vorausgesetzt, sie existieren) zu verzichten ?
1) Die jüngste überörtliche Prüfung der GPA erfolgte in 2015. Das Ergebnis wurde dem Rechnungsprüfungsausschuss
und dem Rat mit Vorlage 199/2016 vorgestellt. Im Hinblick auf das prognostizierte strukturelle Defizit wurde die Feststellung getroffen: „Soweit Einsparungen nicht ausreichen, sind Ertragspotentiale bei den Beiträgen und Gebühren auszuschöpfen und ggf. die Steuern anzuheben“ (Seite 17). Aus der im Weiteren beschriebenen Situation wurde die Empfehlung gegeben: „Die Stadt sollte die Beitragssätze anlehnend an die Mustersatzung nach pflichtgemäßem Ermessen
anheben“ (Seite 21).
2) Die GPA hat diese Empfehlung in 2016 als Konsolidierungsvorschlag wiederholt (unter II dieser Vorlage dargestellt).
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Diese Empfehlung erging in einer negativen haushaltswirtschaftlichen „Landschaft“ (die vergangenen drei Jahre schlossen mit z.T. erheblichen Defiziten ab). Das Jahr 2017 hatte sich dann doch günstiger entwickelt, als angenommen
(Überschuss von 13,8 Mio). Aktuell muss aber davon ausgegangen werden, dass künftige Haushaltsjahre nicht ausfinanziert sein werden. Insbesondere der investive Bereich weist in den künftigen Jahren erheblichen Finanzierungsbedarf aus. Hieraus muss der Schluss gezogen werden, dass nicht realisierte investive Einnahmen nur durch eine zusätzliche Kreditaufnahme kompensiert werden können. Oder mit anderen Worten: Zusätzliche investive Einnahmen reduzieren die Kreditaufnahme.
3) Die Kommunalaufsicht hat den Haushalt 2017, 2018 nur mit der Bedingung genehmigt, dass bezüglich der von der
GPA vorgeschlagenen Konsolidierungsmaßnahmen jährlich ein Controllingbericht vorgelegt wird. Hieran wurden allerdings keine Sanktionen geknüpft. Bislang vorgelegte Berichte wurden lediglich zur Kenntnis genommen.
Fazit: Haushaltswirtschaftlich zeichnet sich für die kommenden Jahre eine Tendenz ab, die haushaltsrechtlich – gerade
im investiven Bereich - eine vollständige Ausschöpfung von Einnahmequellen erfordern könnte. Ein Verzicht auf die
Ausschöpfung bestehender Einnahmemöglichkeiten (und darin ist der GPA durchaus zuzustimmen) dürfte nicht zu
rechtfertigen sein. Allerdings kommt die Verwaltung zu dem Ergebnis, dass die geltenden Anteilssätze der Straßenbaubeitragssatzung bei typisierter Betrachtung der spezifisch Pulheimer Verhältnisse die Vorteilssituation bei den Straßenarten zutreffend abbilden. Eine Änderung der Anteilssätze ist daher beitragsrechtlich und haushaltsrechtlich nicht gerechtfertigt.
VI Vergleich der städtischen Sätze mit denen benachbarter Gemeinden
In der Sache ergibt sich aus einem solchen Vergleich kein Handlungserfordernis des jeweiligen Satzungsgebers. Da es
jedoch der Vorgehensweise der GPA entspricht, aus solchen Vergleichen Rückschlüsse zu ziehen, werden nachrichtlich
die Sätze umliegender Gemeinden vorgestellt.
Pulheim
Frechen
Kerpen
Bergheim
Elsdorf
Hürth
Brühl
Erftstadt
Wesseling
Bedburg
Bonn
Köln
Düsseldorf
Anliegeranteil für Fahrbahn
Anliegerstr.
Haupterschließungsstraße
70 v.H.
50 v.H.
70 v.H.
50 v.H.
70 v.H.
50 v.H.
50 v.H.
30 v.H.
65 v.H.
45 v.H.
70 v.H.
50 v.H.
50 v.H.
30 v.H.
70 v.H.
50 v.H.
80 v.H.
60 v.H.
50 v.H.
30 v.H.
80 v.H.
50 v.H.
70 v.H.
50 v.H.
50 v.H.
30 v.H.
Hauptverkehrsstraße
30 v.H.
30 v.H.
30 v.H.
10 v.H.
25 v.H.
30 v.H.
10 v.H.
30 v.H.
40 v.H.
10 v.H.
30 v.H.
30 v.H.
10 v.H.
Satzungsdatum
2005
2009
2005
1994
2011
2015
2002
2010
2016
2015
2013
2005
1983