Daten
Kommune
Leipzig
Dateiname
1336785.pdf
Größe
1,0 MB
Erstellt
03.11.17, 12:53
Aktualisiert
01.03.18, 16:09
Stichworte
Inhalt der Datei
Dokument D:\DOC\01\33\67\78-Anlagen\01\Liste Verweisung
Anträge 2017-11-15 RV.pdf nicht gefunden
RATSVERSAMMLUNG VOM 15. NOVEMBER 2017
1
Eröffnung und Begrüßung
Oberbürgermeister Jung: Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Stadtratssitzung und begrüße die Stadträtinnen und
Stadträte, die Vertreter der Medien und alle Gäste
ganz herzlich.
Wie ich erfahren habe, sind heute Schülerinnen
und Schüler der 9. Klasse des Evangelischen
Gymnasiums Großdeuben anwesend. Herzlich
willkommen! Später werden auch noch Schönefelder Schüler dazustoßen; im Moment sind sie
auf dem Turm, der Schulleiter ist aber schon da.
Die Niederschrift der heutigen Sitzung bitte ich die
Stadträte Oßwald und Deissler zu unterschreiben,
wenn es keine Einwände dagegen gibt. - Sie sind
einverstanden. Dann verfahren wir so.
Die Tagesordnung wurde am 11.11.2017 im Amtsblatt bekannt gemacht.
Entschuldigt haben sich heute Herr Kuthe, Frau
Gehrt und Frau Dr. Künstler.
Ich verweise auf § 20 der Sächsischen Gemeindeordnung im Falle von möglichen Befangenheiten.
2
Feststellung der Beschlussfähigkeit
Um 14.00 Uhr waren 50 Stadträtinnen und Stadträte anwesend. Das entspricht 70 Prozent. Damit
sind wir beschlussfähig.
3
Feststellung der Tagesordnung
Es liegt Ihnen eine Nachtragstagesordnung vom
07.11.2017 vor. Die drei Besetzungsvorlagen werden unter TOP 12 eingeordnet. Wir müssten nach
meiner Zeitplanung heute gegen 21 Uhr fertig
sein. Sollte dies nicht der Fall sein, ziehe ich TOP
19.25 vor, weil diese Vorlage heute definitiv beschlossen werden muss.
Zu den Absetzungen: TOP 8.13 wurde zurückgezogen. Die Tagesordnungspunkte 12.4, 15.2, 15.4
und 15.7 werden auf Wunsch der jeweiligen Fraktion vertagt. TOP 15.11 ist erledigt mit der Neufassung des Antrags 04829. TOP 19.1 wird heute von
mir noch einmal abgesetzt; es gibt ein Akteneinsichtsbegehren, das abgewartet werden sollte,
bevor wir über den Kitastandort Eigenheimstraße
beraten. TOP 19.6 wird noch einmal vertagt, weil
im Jugendhilfeausschuss noch Beratungsbedarf
besteht.
Alle Einwohneranfragen werden heute schriftlich
beantwortet.
Es ist geplant, gegen 17 Uhr die Wirtschaftspolitische Stunde aufzurufen. Danach folgen die Petitionen.
So weit meine Hinweise zur Tagesordnung? - Gibt
es aus Ihrer Mitte noch Hinweise? - Frau Krefft.
Stadträtin Krefft (Bündnis 90/Die Grünen): Wir
sind uns unsicher, was damit gemeint ist, dass der
Antrag „Wohngemeinschaft Connewitz“ erledigt
ist. Der ist nicht erledigt. Es gibt dazu eine gemeinsame Neufassung, und die möchten wir
heute besprechen und beschließen.
Oberbürgermeister Jung: Es gab zwei verschiedene Anträge. Der Antrag der SPD-Fraktion ist erledigt mit der Neufassung des Antrags, die heute
auf der Tagesordnung steht.
Gibt es weitere Nachfragen? - Dann stelle ich die
ordnungsgemäße Ladung sowie die Tagesordnung einschließlich der vorgenannten Änderungen fest.
TOP 4 entfällt.
5
Niederschrift
5.1 Niederschrift der Sitzung vom 20.09.2017
- Teil II: Verlaufsprotokoll (SI/2017/6899)
Gibt es aus Ihrer Mitte Hinweise oder Anmerkungen? - Dann ist das Protokoll so beschlossen.
5.2 Niederschrift der Sitzung vom 18.10.2017
Teil I: Beschlussprotokoll, Teil II: Verlaufsprotokoll (SI/2017/6899)
Gibt es dazu Hinweise? - Sehe ich nicht. Dann
sind auch diese Protokolle so beschlossen.
TOP 6 und 7 entfallen.
Wir fahren fort mit Tagesordnungspunkt 11:
11
Besetzung von Gremien
11.1 Information zur Besetzung der beschließenden und beratenden Ausschüsse
und des Ältestenrates durch die Fraktionen (19. Änderung) (DS-00768/14-Ifo-19)
Einreicher: Oberbürgermeister
Wenn es keine Wortwünsche gibt, bitte ich Sie um
Kenntnisnahme.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
11.2 Migrantenbeirat - Bestellung eines Mitgliedes (7. Änderung) (VI-DS-01122-DS07)
Einreicher: Oberbürgermeister
Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Es ist einstimmig so beschlossen.
12
Wahl und Entsendung der Vertreter der
Stadt Leipzig in Aufsichtsräte, Zweckverbände und Gremien, in denen die Stadt
Mitglied ist
12.1 Vertreter der Stadt Leipzig in der Verbandsversammlung Regionaler Planungsverband Westsachsen (1. Änderung) (VI-DS-00874-DS-01)
Einreicher: Oberbürgermeister
Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Es ist einstimmig so beschlossen.
12.2 Vertreter der Stadt Leipzig im Aufsichtsrat der LGH Service GmbH (2. Änderung
der Besetzung vom 21.01.2015 gemäß VIDS-00901) (VI-DS-00901-Ifo-02)
Einreicher: Oberbürgermeister
Ich bitte um Kenntnisnahme.
12.3 Vertreter der Stadt Leipzig im Aufsichtsrat der Lecos GmbH (4. Änderung der Besetzung vom 21.01.2015 gemäß VI-DS00896) (VI-DS-00896-Ifo-04)
Einreicher: Oberbürgermeister
Ich bitte um Kenntnisnahme.
12.5 Vertreter der Stadt Leipzig im Aufsichtsrat der Leipziger Entwicklungs- und Vermarktungsgesellschaft
mbH
(LEVG
mbH) (6. Änderung der Besetzung vom
21.01.2015 gemäß VI-DS-00898) (VI-DS00898-Ifo-07)
Einreicher: Oberbürgermeister
Ich bitte um Kenntnisnahme.
12.6 Vertreter der Stadt Leipzig im Aufsichtsrat der Leipziger Entwicklungs- und Vermarktungsgesellschaft mbH & Co.
Grundstücks-KG (LEVG mbH & Co. KG)
(6. Änderung der Besetzung vom
21.01.2015 gemäß VI-DS-00900) (VI-DS00900-Ifo-07)
Einreicher: Oberbürgermeister
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Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Es ist einstimmig so beschlossen.
Wir fahren jetzt fort mit Tagesordnungspunkt 14:
14
Anträge zur Aufnahme in die Tagesordnung und Verweisung in die Gremien
gem. § 5 Abs. 3-5 der Geschäftsordnung
Für die Schüler: Die Anträge, die jetzt aufgerufen
werden, kommen aus dem Stadtrat. Sie werden
jetzt zur Beratung in die Ausschüsse oder andere
Gremien verwiesen und kommen danach, in der
Regel nach zwei bis drei Monaten, wieder zurück
in den Stadtrat zur Abstimmung.
14.1 Mitteleinstellung für den dringenden Sanierungsbedarf an den beiderseitigen
Fußwegen entlang der Riesaer Straße
beginnend unterhalb der Hans-WeigelBrücke mit Einbau von 3 Parkbuchten
Riesaer Str. 125/127 und weiterführend
bis zur Riesaer Brücke, Gartenfachbetrieb Oppermann (VI-A-04956)
Einreicher: Ortschaftsrat Engelsdorf
So verwiesen.
14.2 Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung der Stadt Leipzig (VI-A-04957)
Einreicher: Ortschaftsrat Engelsdorf
So verwiesen.
14.3 Elektrifizierung des Radweges MölkauHolzhausen (VI-A-04984)
Einreicher: Ortschaftsrat Mölkau
Einreicher: Stadträtin C. Lange,
Stadtrat A. Haas
So verwiesen.
14.4 Erarbeitung von Eigentümerzielen für
die LVB GmbH (VI-A-04898)
Einreicher: SPD-Fraktion
So verwiesen.
14.5 Wiederinbetriebnahme der historischen
Fahnenmasten vor dem Rathaus (VI-A05010)
Einreicher: Fraktion Freibeuter
So verwiesen.
14.6 Erhaltung und Pflege des Kulturgutes
„Alter Johannisfriedhof“ (VI-A-04949)
Einreicher: Seniorenbeirat
Ich bitte um Kenntnisnahme.
So verwiesen.
12.7 Vertreter der Stadt Leipzig in der Verbandsversammlung Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen (2. Änderung) (VI-DS-00867-DS-04)
14.7 Menschenwürdige Pfandsammlung (VIA-05017)
Einreicher: Oberbürgermeister
Einreicher: Jugendbeirat/Jugendparlament)
So verwiesen.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
14.8 Mülleimer für Alexis-Schumann-Platz (VIA-04928)
Einreicher: Jugendbeirat/Jugendparlament
So verwiesen.
14.9 (Schul)sozialarbeit - Schulen des 2. Bildungsweges (VI-A-05037)
Einreicher: Fraktion DIE LINKE
Dazu eine Wortmeldung von Frau Hollick. Bitte.
Stadträtin Hollick (DIE LINKE): Wir haben bewusst den Wortteil „Schul“ in Klammern gesetzt,
weil es sich hier um junge Erwachsene handelt.
Trotzdem sollte der Antrag auch im Jugendhilfeausschuss beraten werden. Es wäre gut, wenn
er auch im Migrantenbeirat beraten wird; denn
Schwerpunkt ist die Betreuung von Flüchtlingen.
Oberbürgermeister Jung: Wenn Sie das möchten, gerne. - Also: Verweisung in den Fachausschuss Jugend, Soziales, Gesundheit und
Schule, in den Jugendhilfeausschuss und in den
Migrantenbeirat.
14.10 Anpassung der Kosten der Unterkunft
an die aktuelle Mietpreisentwicklung
(VI-A-05039)
Einreicher: Fraktion DIE LINKE
So verwiesen.
14.11 Anpassung der Zuwendungsvoraussetzungen der Fachförderrichtlinie des
Amtes für Umweltschutz (VI-A-05041)
Einreicher: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
So verwiesen.
14.12 Erarbeitung eines Toilettenkonzeptes
(VI-A-05044)
Einreicher: Seniorenbeirat
So verwiesen.
14.13 Nutzung freier Kapazitäten von Flüchtlingsunterkünften für Obdachlose in
den Wintermonaten 2017/2018 (VI-A05045)
Einreicher: AfD-Fraktion
So verwiesen.
14.14 Filmkunsthaus
004595-NF-01)
unterstützen
(VI-A-
Einreicher: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen,
Fraktion DIE LINKE
Einreicher: SPD-Fraktion
So verwiesen.
14.15 Eine Eishalle für Leipzig - Prüfauftrag
(VI-A-05046)
Einreicher: Mitglieder FA Sport
Seite |3
So verwiesen.
15
Anträge zur Beschlussfassung
Liebe Schülerinnen und Schüler, die nun folgenden Anträge sind vor zwei, drei Monaten hier im
Stadtrat eingebracht und zur Beratung in die Ausschüsse verwiesen worden. Jetzt kommen sie
wieder zurück in den Stadtrat zur Abstimmung.
15.1
Regionale Bioprodukte kommunal fördern (VI-A-02900-NF-02)
Einreicher: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
15.1.1 dazu VSP (VI-A-02900-NF-02-VSP-01)
Einreicher: Dezernat Umwelt,
Sport
Ordnung,
Frau Krefft.
Stadträtin Krefft (Bündnis 90/Die Grünen): Sehr
geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte
Herren und Damen Stadträte, Gäste und Vertreter*innen der Medien! Bio boomt. Wir Grüne wollen mit diesem Antrag erreichen, dass Bio aus der
Region boomt und dass mehr regionale Produkte
auf dem Leipziger Markt Eingang finden, Vertriebsstrukturen befördert werden und Stadt und
Region an Vielfalt gewinnen.
Für Landwirte ist der Vertrieb ihrer Erzeugnisse
aufwendig. Sie müssen neben ihrem Erzeugungsbetrieb eigene Strukturen aufbauen, was gerade
kleine Betriebe oft überfordert. Darum ist man in
verschiedenen Regionen dazu übergegangen,
Vernetzung zu fördern, Erzeuger*innen und Veredler*innen zusammenzuführen und gemeinsame Vertriebsstrukturen aufzubauen. Das ist in
Bayern und auch in Österreich schon vielfach gemacht worden. Es gibt sowohl bundesweit als
auch europaweit viele Beispiele dafür. Auch in
Sachsen, die als lila Region europäisch gefördert
wird, gibt es bereits eine ganze Reihe von Verbünden und Vernetzungen, um den ländlichen Raum
zu stärken. Tatsächlich hat es sich eine ganze
Reihe von Städten zur kommunalen Aufgabe gemacht, diese Vernetzung mit Regionalmanagement zu übernehmen.
Immer mehr Menschen wollen regionale, biologisch erzeugte und fair gehandelte Produkte. Regional ist nicht immer Bio, aber sehr wohl gute
landwirtschaftliche Praxis statt agrarindustrieller
Erzeugung. Bio ist zertifizierte landwirtschaftliche
Erzeugung nach definierten Kriterien. Je nach
Siegel gibt es die biodynamische oder biologische
Erzeugungsweise. Der geringste Standard ist EUBio. Fair wird inzwischen auch Milch gelabelt.
Klassischerweise ist damit aber der Handel von
Produkten der Südhalbkugel gemeint.
Diese Vielfalt ist auch in den Supermärkten und
Kaufhallen angekommen, unterliegt dort aber
dem Diktat der Handelsorganisationen, sowohl
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
was Zeitpunkte, Liefermengen und Prozesse angeht als auch hinsichtlich Fragen der Vermarktung
an Aktionstagen oder in Aktionswochen, was tatsächlich nur größere Produzenten leisten können.
Wir wollen die Lücke schließen und mehr Produzierenden die Marktteilnahme eröffnen. Wir wollen kleineren Anbietern Zugang verschaffen und
durchaus auch Brücken von der Stadt ins Umland
und von der Region in die Stadt bauen und festigen. Ich sehe die Stadt in der Verantwortung, an
ihrem Wachstum auch die Regionen teilnehmen
zu lassen.
Herr Rosenthal, Sie haben sich beherzt des Themas angenommen und sind bereit, dem Biostädteverbund beizutreten, das Know-how zu nutzen
und für Leipzig anzuwenden. Zunächst geht es
um Analyse und Entwicklung von Maßnahmen
und um freiwillige Selbstverpflichtung, Werbung
und Bewusstseinsbildung. Danke für das Engagement! Zum Gelingen bitte ich Sie, werte Stadträtinnen und Stadträte, um Ihre Zustimmung. Danke schön.
Oberbürgermeister Jung: Das Wort hat Herr
Hentschel.
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Aus diesem Grund können wir sowohl den Antrag
wie auch für den Verwaltungsstandpunkt nur ablehnen. Alle Akteure sollten weiterhin nach den
Marktgegebenheiten urteilen dürfen und nicht
nach Quoten unwirtschaftliche Entscheidungen
treffen müssen. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Herr Oberstadt.
Stadtrat Oberstadt (CDU): Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Ich bin froh, dass Frau Krefft
die Debatte eröffnet und unsere Fragen bezüglich
des Originalantrags beantwortet hat. Wir hatten
uns gefragt: Was ist mit „Quotenregelung“ gemeint: Fairtrade und Regio und Bio? Ob man alles
erfüllen kann, bezweifeln wir; ob man alles erfüllen muss, hätten wir bedenklich gefunden. Frau
Krefft hat jetzt betont: Es geht um den regionalen
Markt. Den regionalen Markt und damit die Wirtschaft zu fördern, ist auch im Interesse der CDU.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollen Sie
den Verwaltungsstandpunkt abstimmen lassen.
Da die Betonung auf regionaler Wirtschaftsförderung liegt, ist meine Fraktion bereit, dem zuzustimmen. - Vielen herzlichen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Herr Morlok.
Stadtrat Hentschel (AfD): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Sehr geehrte Beigeordnete
und Stadträte! Verehrte Gäste! Dieser Antrag zielt
darauf ab, dass wir uns mit einer regionalen Förderung von Bioprodukten beschäftigen. Braucht
es diesen Antrag wirklich? Meine Stadtratsfraktion
meint: Nein.
Der Antragsteller führt an, dass Bioprodukte immer mehr an Bedeutung gewinnen. So weit, so
gut. Das möchte ich nicht bewerten. Folgerichtig
bedarf es aber einer Extraförderung nicht. Am
Ende wird sich Qualität am Markt durchsetzen.
Das gilt sowohl für die traditionelle Landwirtschaft
als auch für die Biobauern. Unserer Meinung nach
agieren Quoten am Markt vorbei.
Die Stadtverwaltung sollte wie alle anderen auch
nach eigenen Kriterien am Markt als Nachfrager
agieren und die Wirtschaftlichkeit beachten. Dabei kann Regionalität und Bioqualität ebenso eine
Rolle spielen wie der Preis, die Qualität, die Verfügbarkeit oder Ähnliches. Die Stadtverwaltung
muss dabei die Bürger im Blick behalten, welche
am Ende die Rechnung bezahlen.
Der Antrag wirft verschiedene Fragen auf: Können sich die Eltern ein teureres Kita-Essen leisten? Reicht die Rente für erhöhte Verpflegungskosten? Bleiben dank Quoten nicht besetzte
Marktplätze unbesetzt? Kann der Betreiber der
Markthalle ein tragfähiges Wirtschaftskonzept
ohne Quoten umsetzen?
Stadtrat Morlok (Freibeuter): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Krefft, Sie haben in der Einbringung gesagt: Wir wollen Bio aus der Region. - Wenn das
Gegenstand des Antrags und des Verwaltungsstandpunkts wäre, wäre das gut. Dann würden wir
sicherlich diesem Antrag in der Fassung des Verwaltungsstandpunkts zustimmen. Dem ist aber
leider nicht so.
Wir haben ja bereits im Ausschuss eine intensive
Diskussion geführt und das Für und Wider abgewogen. Ich sage ganz klar, wenn auch etwas
überspitzt: Wenn wir Bioprodukte von weit her
über den Flughafen Leipzig einfliegen lassen, was
negative Auswirkungen auf die Umwelt hat, und
dadurch regionale Produkte verdrängt werden,
haben wir uns alle einen Bärendienst erwiesen.
Es ist eben nicht so, wie Sie sagen: Wir wollen Bio
aus der Region. Ich möchte hier nicht auf alle
Punkte des Verwaltungsstandpunkts eingehen,
sondern nur Punkt 5 zitieren, in dem es um die
Selbstverpflichtung der Lebensmittelverwendung
und -verwertung geht. Da heißt es: „zu mindestens 20 % in Bio-Qualität und möglichst aus regionaler Herkunft“. Hier wird deutlich, dass das Prä
auf Bio liegt, und im Zweifel wird das auch woanders eingekauft.
Wenn diese Regelung im Verwaltungsstandpunkt
verbleibt und Sie diesen zur Abstimmung stellen,
sehen wir uns außerstande, dem zuzustimmen.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Wir wollen nicht, dass Bioprodukte aus fernen
Ländern eingeflogen werden, die regionale Produkte verdrängen. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Herr von der Heide.
Stadtrat von der Heide (Bündnis 90/Die Grünen): Herr Morlok, die Frage wäre natürlich, welche Bioprodukte regional nicht verfügbar sein sollen, wenn es sie zur gleichen Zeit auch regional
gibt. Wenn es Paprika regional gibt, würde es sie
auch in Bioqualität regional geben. Bananen gibt
es überhaupt nicht regional, aber immerhin auch
in Bioqualität. Wenn Rote Beete Saison hat und
regional verfügbar ist, hat sie auch in Bioqualität
Saison und ist sie auch Bioqualität regional verfügbar. Von daher ist der Gegensatz, den Sie aufgemacht haben, aufgebauscht und relativ künstlich.
Oberbürgermeister Jung: Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. - Habe ich es richtig verstanden, dass der Antrag in der Fassung des Verwaltungsstandpunkts abgestimmt werden soll? - Gut.
Dann darf ich um Ihr Handzeichen bitten. Wer
stimmt dem Antrag in der Fassung des Verwaltungsstandpunkts zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Drei Enthaltungen, wenige Gegenstimmen. Mit großer Mehrheit so beschlossen.
15.3
Holzfiguren Fockeberg (VI-A-04387-NF01)
Einreicher: Jugendbeirat/Jugendparlament
15.3.1 dazu VSP (VI-A-04387-NF-01-VSP-01)
Einreicher: Dezernat Umwelt,
Sport
Ordnung,
15.3.2 dazu ÄA (VI-A-04387-NF-01-ÄA-02)
Einreicher: Stadträtin F. Riekewald
Eine Vertreterin des Jugendbeirats wird den Antrag einbringen. Bitte stellen Sie sich noch einmal
namentlich vor!
Mathez: Sehr geehrte Damen und Herren! Mein
Name ist Myriel Mathez. Ich bin stellvertretende
Vorsitzende des Jugendbeirats und habe schon in
der Ratsversammlung im Oktober einen Antrag
von uns eingebracht.
Dieses Mal bringe ich den Antrag „Holzfiguren
Fockeberg“ ein. An der Teerstraße, die den
Fockeberg hinaufführt, standen früher viele Holzfiguren, die von einem Künstler gestaltet worden
waren und als Kunst im öffentlichen Raum galten.
Diese Holzfiguren sind mittlerweile verschwunden
oder kaputtgemacht worden. Mit unserem Antrag
wollen wir diese Kunst im öffentlichen Raum dort
wieder ermöglichen.
Seite |5
Das Jugendparlament hat sich überlegt, dass das
im Rahmen von Jugend- und Bürgerbeteiligungsprojekten gemacht werden kann. Es geht explizit
nicht nur darum, Kunst im öffentlichen Raum von
einem Künstler gestalten zu lassen, sondern daran auch Jugendliche und Bürger zu beteiligen
und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihren öffentlichen Raum selbst zu gestalten.
Das Jugendparlament wird den Verwaltungsstandpunkt nicht übernehmen. Wir haben in der
Sitzung darüber abgestimmt; das wurde abgelehnt. Aus dem Verwaltungsstandpunkt geht relativ deutlich hervor, dass keine personellen und finanziellen Ressourcen gesehen werden. Wir sind
der Meinung: Wenn das im Rahmen von schulischen oder Bildungsprojekten gemacht wird, wäre
weder der personelle noch der finanzielle Aufwand so groß, dass das wirklich ein Problem darstellt.
Wir würden uns freuen, wenn Sie Kunst im öffentlichen Raum gerade auch in Form von Jugendbeteiligung ermöglichen und unseren Antrag annehmen würden. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Vielen Dank. - Frau
Riekewald.
Stadträtin Riekewald (DIE LINKE): Ich will nur
ganz kurz meinen Änderungsantrag einbringen.
Ich finde es gut, dass sich das Jugendparlament
mit Kunst beschäftigt, noch dazu weil diese Kunst
zum Teil älter ist als die Jugendlichen selbst. Ich
unterstütze das, will aber den anderen Fraktionen
noch einmal verdeutlichen, dass es hier nicht um
viele Tausend Euro geht. Wie Sie meinem Änderungsantrag entnehmen können, geht es hier um
5.000 Euro jährlich, die dem Amt für Stadtgrün
und Gewässer dafür zur Verfügung gestellt werden sollen. Ich denke, damit lässt sich schon eine
ganze Menge anfangen.
Oberbürgermeister Jung: Frau Gabelmann.
Stadträtin Gabelmann (Freibeuter): Wir haben
auch intensiv darüber diskutiert und erkennen an,
dass es möglicherweise keine finanziellen Ressourcen dafür gibt, hoffen aber im Hinblick auf den
Verwaltungsstandpunkt, dass die Verwaltung
wirklich prüft, ob es noch andere Möglichkeiten
gibt. Es ist nun einmal unsere Kunst im öffentlichen Raum. Sie gehört uns, und wir sollten uns
auch um sie kümmern. Deswegen würden wir als
Fraktion den Verwaltungsstandpunkt übernehmen und ihn gegebenenfalls abstimmen lassen.
Oberbürgermeister Jung: Es gibt keine weiteren
Wortmeldungen. Dann kommen wir zur Abstimmung.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Abstimmung über den Änderungsantrag der
Stadträtin Riekewald, dafür 5.000 Euro jährlich
zur Verfügung zu stellen. Wer dem zustimmt, bitte
ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Eine Enthaltung, eine Reihe von
Pro-Stimmen. Mit Mehrheit abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag in der
Fassung des Verwaltungsstandpunkts, wie von
Frau Gabelmann eben eingebracht. Wer dem Verwaltungsstandpunkt zustimmt, bitte ich um das
Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Eine Reihe von Enthaltungen, einige Gegenstimmen. Mit Mehrheit so beschlossen. - Damit entfällt die Beschlussfassung über
den Ursprungsantrag.
15.5
Ausgleich von Parkraum in der Bernhardstraße sowie für die Garagengemeinschaft Krönerstraße durch Einrichtung eines Parkhauses (VI-A-04427)
Einreicher: AfD-Fraktion
15.5.1 dazu VSP (VI-A-04427-VSP-01)
Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und
Bau
Herr Keller.
Stadtrat Keller (AfD): Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren!
Wir begrüßen, dass mit dem Schulcampus an der
Ihmelsstraße nun bald begonnen wird und dass
hier offenbar nicht gekleckert, sondern geklotzt
werden soll. Ein großer Teil des Stadtviertels wird
für Bildung und Sport reserviert und bebaut. Doch
das täuscht nicht darüber hinweg, dass in einem
Wohngebiet, in dem schon jetzt Parkplatznot
herrscht, sich diese weiter verstärken wird; denn
es werden Parkplätze in der Bernhardstraße und
in der Krönerstraße wegfallen, und eine Garagengemeinschaft mit circa 80 Quartiersgaragen wird
abgerissen. Zwar entstehen vor der Sporthalle einige wenige neue Parkplätze; diese werden aber
keinesfalls ausreichen, um den neu entstehenden
Parkverkehr aufzunehmen.
Unser Vorschlag, dass im Rahmen der Prüfung
der Parkräume auch die Möglichkeit eines Parkhauses mitbetrachtet wird, könnte zukunftsweisend auch für andere Wohnquartiere sein. In einem Wohnviertel, in dem vor allem Familien wohnen, braucht es Mobilität, selbst dann, wenn sie
nur einen kurzen Weg zur Schule und zum Sport
haben.
Ein Parkhaus in diesem Viertel könnte als Pilotprojekt dienen, wenn man es elektroladetauglich
macht, das heißt: eine Etage mit Parkplätzen ausstattet, die jeweils mit einer Ladestation ausgerüstet sind. Mitgedacht werden könnte auch, einen
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Teil als Fahrradgarage zu reservieren, insbesondere für Lehrer und Kinder, die nicht ganz so nah
an der Schule wohnen. Auch könnte ein Blockheizkraftwerk integriert werden, das Strom und
Wärme für den Schulcampus und eventuell in das
Wohngebiet liefert. Weitere zukunftsfähige Ideen
sind hier möglich und ausdrücklich erwünscht.
Jetzt kommt sicherlich die Frage: Wer soll das
Parkhaus bauen und betreiben? Man kann per
Ausschreibung sicherlich Unternehmen finden,
die interessiert sind, dieses Parkhaus zu bauen
und zu betreiben, analog zu den Betreibern der
Parkhäuser rund um die Innenstadt. Man könnte
aber auch die Stadtwerke Leipzig fragen, ob sie
im Rahmen ihres Zukunftskonzeptes E-Mobilität
und Kraft-Wärme-Kopplung in dieses Projekt einsteigen wollen. Auch eine Zusammenarbeit mit
der LBW wäre denkbar. Doch das ist alles Zukunftsmusik.
Unser Antrag will vorerst nur die Prüfung, ob und,
wenn ja, wo die Möglichkeit eines Parkhausbaus
gegeben wäre und welche Möglichkeiten die
Stadt sieht, ein Pilotprojekt „Mobilitätshaus der
Zukunft“ oder Ähnliches zu starten, das beispielhaft für andere Wohnquartiere stehen und als
wichtiger Meilenstein für die E-Mobilität gelten
könnte, der sich unsere Stadt ja bekanntlich verschrieben hat.
Wir bitten vor allem für die Anwohner des Wohnviertels Krönerstraße eine Lösung zu finden, die
bei den Anwohnern die Akzeptanz des Abrisses
der Garagengemeinschaft erhöht und zeigt, dass
Leipzig nicht nur bei Schulbauten die Zukunft im
Auge behält. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Oberbürgermeister Jung: Frau Dr. Heymann.
Stadträtin Dr. Heymann (CDU): Wir würden den
Verwaltungsstandpunkt übernehmen wollen. Die
Betrachtung des Parkhauses ist sicherlich sinnvoll, aber nur dann, wenn das Projekt eingepasst
wird in eine Mobilitäts- und Parkraumstrategie für
das gesamte Viertel. Es muss erreichbar sein.
Auch das Umfeld muss mitbetrachtet werden. Insofern würden wir uns den Verwaltungsstandpunkt zu eigen machen und diesen zur Abstimmung stellen wollen.
Oberbürgermeister Jung: Es gibt keine weiteren
Wortmeldungen. Dann stimmen wir darüber ab.
Zunächst steht als Änderungsantrag der Alternativvorschlag der Verwaltung zur Abstimmung. Ich
bitte um Ihr Handzeichen, wenn Sie dem zustimmen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Abstimmung: Vier Gegenstimmen, eine Reihe
von Enthaltungen. Mit Mehrheit so beschlossen. Damit entfällt die Abstimmung über den Urantrag.
15.6
Benennung einer Straße/eines Platzes
nach dem Kanzler der Deutschen Einheit, Dr. Helmut Kohl (VI-A-04541)
Einreicher: CDU-Fraktion
15.6.1 dazu VSP (VI-A-04541-VSP-01)
Einreicher: Dezernat Allgemeine Verwaltung
15.6.2 dazu ÄA (VI-A-04541-ÄA-02)
Einreicher: SPD-Fraktion
Wer bringt den Antrag ein? - Frau Niermann, bitte
schön.
Stadträtin Niermann (CDU): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste! Am 16. Juni dieses Jahres starb
unser ehemaliger Bundeskanzler Helmut Kohl.
Wir beantragen heute, ihm, dem Kanzler der deutschen Einheit und Vater des Euro, einen Platz oder eine größere Straße in Leipzig zu widmen.
Helmut Kohl hat Europa und Deutschland, insbesondere aber die Mitte Deutschlands und damit
auch Leipzig entscheidend geprägt. Das Leben
jedes einzelnen Leipzigers, egal ob Jung oder Alt,
wäre ohne sein Wirken vollständig anders verlaufen.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, ohne Helmut
Kohl würden wir hier heute nicht sitzen; diesen
Stadtrat würde es so nicht geben. Er hatte großes
diplomatisches Geschick. Nur so gelang es ihm,
zu verwirklichen, was mutige Leipziger im Herbst
1989 auf der Straße forderten: Freiheit! Wir sind
das Volk! Wir sind ein Volk! - Heute hat sich
Leipzig zu einer freien, demokratischen, wieder
wunderschönen, blühenden, wachsenden Stadt
mit hoher Lebensqualität entwickelt. Noch einmal:
Ohne Helmut Kohl wäre diese Entwicklung so
nicht denkbar gewesen.
Bundeskanzler Helmut Kohl bekannte sich schon
Anfang der 80er-Jahre ausdrücklich zu dem im
Grundgesetz verankerten Ziel der deutschen Einheit, zu einem Zeitpunkt, als viele andere europäische, aber auch westdeutsche Politiker diese
schon längst als Schreckgespenst eines aufstehenden Großdeutschlands zu den Akten gelegt
und abgeschrieben hatten. Deshalb überraschte
ihn die Forderung der Menschen in der DDR im
Herbst 1989 nach der staatlichen Einheit als Weg
zu Demokratie und Wohlstand überhaupt nicht,
entsprach doch diese Forderung schon immer
seiner eigenen Intention. Wie die große Mehrheit
der Menschen in der DDR wollte Helmut Kohl die
deutsche Einheit, und zwar schon zu einem Zeitpunkt, als noch viele andere zögerten. Er er-
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kannte die Gunst der Stunde und nutzte die historische Gelegenheit, die sich ihm aufgrund der von
Leipzig ausgehenden Friedlichen Revolution und
natürlich auch aufgrund des politischen Tauwetters in der Sowjetunion bot.
Allein, sein unbedingter Wille zu staatlicher Einheit und seine analytische Fähigkeit, die er als
Student der Geschichte erworben hatte, in den Ereignissen 1989 die historische Gelegenheit zur Einigung Deutschlands zu erkennen, hätten nicht
gereicht; e musste noch eine weitere Fähigkeit
hinzukommen: die Fähigkeit, Vertrauen zu gewinnen. Helmut Kohl ist auch deshalb Kanzler der
deutschen Einheit, weil er durch seine Politik in
den 80er-Jahren die wesentliche Voraussetzung
für die erforderlichen Verhandlungen mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs und den
Nachbarstaaten Deutschlands geschaffen hat,
nämlich Vertrauen.
Das Vertrauen der Vereinigten Staaten von Amerika hatte er gewonnen, indem er den NATODoppelbeschluss unterstützte. Das Vertrauen der
Sowjetunion hatte er durch die Fortsetzung von
Brandts Entspannungspolitik und die Unterstützung von Abrüstungsinitiativen gewonnen. Frankreichs Präsident François Mitterand hatte er durch
seinen unbedingten und stetigen Willen zur Aussöhnung mit dem einstigen Erzfeind und seinen
ebenso unbedingten Einsatz für die Einigung Europas überzeugt. Polen schließlich gewann er darauf hat auch EU-Ratspräsident Donald Tusk
im Rahmen des Traueraktes in Straßburg hingewiesen -, weil er immer wieder betont hat, dass
die ersten Risse in der Berliner Mauer den Werftarbeitern von Danzig zu verdanken sind. Helmut
Kohl hat gesagt: „Für mich sind deutsche Einheit
und europäische Einigung zwei Seiten derselben
Medaille.“ Und das haben ihm die Leute geglaubt,
im Osten wie im Westen Europas und auch weltweit.
Als Architekt der deutschen Einheit hatte Dr. Helmut Kohl zu Leipzig, der Stadt der Friedlichen Revolution, eine ganz besondere Beziehung, auch
privat. Seine Frau Hannelore Kohl, mit der er
41 Jahre lang verheiratet war, stammte aus
Leipzig und verbrachte die ersten zwölf Jahre ihres Lebens hier. Mehrfach, auch schon vor dem
Fall der Mauer, hat Helmut Kohl gemeinsam mit
seiner Familie, mit seiner Frau und seinen Söhnen, die Stadt privat besucht.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, der Auftritt Helmut Kohls am 14. März 1990 auf dem Leipziger
Augustusplatz vor 320.000 begeisterten Menschen wird allen, die damals dabei waren, unvergessen bleiben.
(Unruhe)
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
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Vielleicht gelingt es mir, jetzt wieder Ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, liebe Kollegen von der
SPD. Ihren Änderungsantrag, den Sie gestern ins
Verfahren gebracht haben, insbesondere die Begründung finden wir doch etwas befremdlich; das
muss ich zugeben. Sie wollen hier so vorgehen
wie auch sonst beim Tod von Persönlichkeiten,
denen man eine Straße oder einen Platz widmet,
und meinen ernsthaft, Kohl sei eine Persönlichkeit
wie Annemarie Renger, nur dass die eine bedeutendere Verbindung zu Leipzig gehabt hat als
Dr. Helmut Kohl. - Meinen Sie das wirklich?
über gefunden werden konnte, Helmut Kohl im öffentlichen Raum zu würdigen. - Das wollen wir
nicht. Wir wollen ermöglichen, dass Helmut Kohl
eine Würdigung im öffentlichen Raum erfährt.
Ohne Annemarie Rengers Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland schmälern zu wollen, erlauben Sie mir hierzu folgende Anmerkung: Fragen Sie doch einmal die Leipziger auf der Straße,
liebe Kollegen und Kolleginnen, ob sie Annemarie
Renger kennen oder gar wissen, wo sie geboren
ist! Die Antworten werden Ihnen zeigen, was ich
meine: Helmut Kohl und seine Bedeutung für
Leipzig und die Leipziger lässt sich einfach nicht
vergleichen mit der Bedeutung von Annemarie
Renger für diese Stadt.
Schwierig wird es bei dem Punkt, den Sie eben
ansprachen: dass er Vertrauen gewinnen konnte.
Ja, ich glaube, vor allem bei den Personen - erlauben Sie mir bitte so viel Polemik -, die der CDU
gern gespendet haben, genoss er tatsächlich sehr
großes Vertrauen. Ich glaube, dieses Vertrauen
hat er allerdings bei dem einen oder anderen im
Zuge der Parteispendenaffäre verloren. Die ihm
von den Bürgern anfangs entgegengebrachte
Achtung hat sicherlich auch deshalb abgenommen, weil aus den blühenden Landschaften, die
er ihnen versprochen hatte, dann eher doch nichts
geworden ist.
Wenn Sie schon einen Vergleich ziehen wollen,
lasse ich einen solchen nur zu mit Willy Brandt.
Willy Brandt starb am 8. Oktober 1992. Er war ein
bedeutender Bundeskanzler der Bundesrepublik
Deutschland zu einer Zeit, als von Wiedervereinigung noch lange nicht die Rede war. Weder er
noch seine Frau hatten irgendeinen Bezug zu
Leipzig. Und doch: Am 16.11.1993 - ich wiederhole: am 16.11.1993 - und damit gerade einmal
13 Monate nach seinem Tod beschloss der Stadtrat zu Leipzig auf Betreiben der SPD-Fraktion,
den Platz vor dem Leipziger Hauptbahnhof „WillyBrandt-Platz“ zu nennen. Meine Damen und Herren, wir meinen, mehr ist zum Änderungsantrag
der SPD-Fraktion nicht zu sagen.
Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag, den
wir in der Fassung des Verwaltungsstandpunkts
zur Abstimmung stellen. - Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit.
Oberbürgermeister Jung: Gibt es weitere Wortmeldungen? - Frau Wohlfarth.
Stadträtin Wohlfarth (SPD): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Sehr geehrte Ratskollegen!
Werte Gäste! Ich möchte unseren Änderungsantrag einbringen und begründen. - Die Stadt Ludwigshafen hat die Benennung eines Platzes im öffentlichen Raum nach Helmut Kohl abgelehnt. In
den Städten Bernburg, Rostock, Halle, Magdeburg und Erfurt, die ja tendenziell eher in den Helmut Kohl scheinbar derart verehrenden neuen
Bundesländern liegen, sind die Debatten so hart,
dass seit mehreren Monaten keine Einigung dar-
Man kann und muss ihm anrechnen, dass er die
Chancen, die sich mit der Friedlichen Revolution
1989 ergeben haben, genutzt hat. Dass er sie vorbereitet oder maßgeblich befördert hat, das können wir ihm nicht anrechnen, so leid es uns tut.
Sein geschicktes Handeln aber verdient Hochachtung; das muss ich ganz ehrlich sagen.
(Zurufe: Unverschämtheit!)
- Es kann eben nicht jeder in diesem Land partizipieren, wie es in den alten Bundesländern der Fall
ist. Das mag nicht Ihrer Realität entsprechen, meiner leider schon.
Zu Ihrem Hinweis auf Willy Brandt. Ja, das mag
die SPD-Fraktion damals so getan haben. Wir als
SPD-Fraktion müssen das heute nicht gutheißen.
Auch das ist eine deutliche Aussage.
Unserer Meinung hat Helmut Kohl keine ähnlich
starke Bindung an diese Stadt wie beispielsweise
Kurt Masur, der auch in der Begründung unseres
Antrags erwähnt wird. Kurt Masur war jahrzehntelang eine zentrale Person in Leipzig. Er hat sich
hier auf seine ureigene Art und Weise und auch
im historisch durchaus strittigen Rahmen der
Friedlichen Revolution eingebracht. Auf diesen
Verweis, werte Frau Niermann, sind Sie nicht eingegangen, wahrscheinlich weil Sie wussten, dass
Helmut Kohl dem Vergleich mit Kurt Masur nicht
standhalten kann.
Unserer Meinung ist die Begründung für die Bindung Helmut Kohls an Leipzig allein dadurch,
dass er für die Wiedervereinigung maßgeblich
Verantwortung getragen hat, dass seine Frau
Hannelore einige Jahre hier gelebt hat, dass er
hier private Urlaube verbracht hat und dass er hier
hin und wieder im Rahmen seiner politischen Tätigkeit eine Rede gehalten hat, nicht ausreichend,
eine derart herausgehobene Würdigung so kurz
nach seinem Tod zu ermöglichen.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Wir wollen, dass Helmut Kohl eine Chance bekommt. Vielleicht wird es ein nachfolgender Stadtrat einmal anders sehen. Manchmal braucht es
einfach Zeit, die historische Bedeutung einer Persönlichkeit wesentlich genauer und mit allen
Schattierungen zu erfassen, um ihm eine Ehrung
zukommen zu lassen. Wir wünschen uns, dass
Helmut Kohl diese Möglichkeit bekommt, wenn etwas mehr Abstand herrscht. Wir wollen, dass er in
den Namenspool der Stadt aufgenommen wird.
Was wir uns nicht wünschen, dass es ihm so geht
wie Annemarie Renger, die gebürtige Leipzigerin
und eine der wichtigsten Frauen in der bundesrepublikanischen Politik und in der SPD war und
sich nach 1990 in dieser Stadt maßgeblich für den
demokratischen Wiederaufbau und die politische
Bildung engagiert hat; das mag an Ihnen vorbeigegangen sein. Seit mittlerweile fast zehn Jahren
dümpelt ihr Name in diesem Namenspool herum,
ohne dass eine adäquate Benennung gefunden
wurde.
Deshalb schlagen wir vor, die Straßen in einem
zukünftig entstehenden Stadtquartier in dieser
Stadt bevorzugt nach Politikern zu benennen.
Dann kann man sich auch noch einmal diejenigen
Bundeskanzler anschauen, die bisher in dieser
Stadt noch nicht gewürdigt worden sind, unabhängig davon, ob sie noch leben oder bereits verstorben sind. Wie Ihnen nicht entgangen sein dürfte,
wurde eben nicht jeder Bundeskanzler in dieser
Stadt mit einer Straßenbenennung gewürdigt, es
sei denn, Sie erklären mir, wo in Leipzig die Helmut-Schmidt-Straße ist.
Ich wünsche mir, dass wir es schaffen, diesen gemeinsamen Kompromiss zu finden und uns auf
eine Aufnahme Helmut Kohls in den Namenspool
der Stadt zu einigen, um damit eine anständige
und respektvolle Würdigung Helmut Kohls zu gegebener Zeit möglich zu machen. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Herr Danckwardt.
Stadtrat Danckwardt (fraktionslos): Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen
und Herren Kollegen! Grundsätzlich bin ich dafür,
dass auch streitige Personen der Zeitgeschichte
im Leipziger Straßenbild gewürdigt werden. Daher ist Ihr Antrag, Herrn Kohl zu würdigen, sicherlich nicht komplett skandalös.
Es gibt aber einen Grund, warum ich heute dagegen stimmen werde. Am 12. Juli 2000 hat dieser
Stadtrat, damals in einer anderen Besetzung, die
Namen zahlreicher Antifaschisten, darunter auch
Leipziger Antifaschisten, aus dem Leipziger Straßenbild getilgt. Diese in der Tat skandalöse Entscheidung ist bis heute nicht korrigiert worden.
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Unter den getilgten Straßennamen war der des
Antifaschisten Alfred Rrosch, der 1945 von Resten nationalsozialistischer Banden in Leipzig erschossen wurde.
Unter den getilgten Straßennamen war der des
Arztes Karl Hermann Gelbke, der zusammen mit
seiner jüdischen Ehefrau während der NSDiktatur mit der Schumann-Engert-KresseGruppe zusammengearbeitet und Pastor Aurelius
Arkenau unterstützt hat und mit ihm zusammen
100 Menschenleben rettete. Der Fehler des Herrn
Gelbke war wohl, dass er in der DDR blieb und
hier am Aufbau des Gesundheitsversorgungssystems mitwirkte. Es ist offensichtlich nicht mehr zulässig, jemanden zu würdigen, der in der DDR
Menschen behandelt und Menschenleben gerettet hat.
Unter den getilgten Straßennamen war der des
Hamburger Arbeiterführers Fiete Schulze. Darunter war auch der Name des 1934 vom NS-Regime
ermordeten Jonny Scheer. Auch das Ehepaar Julius und Ethel Rosenberg, das sogar in den USA,
in Liedern von Bob Dylan gewürdigt wird, war
Leipzig keiner Würdigung mehr wert.
Das ist eine Schande. Solange das nicht korrigiert
wird, bin ich nicht bereit, Namensbenennungsvorschlägen, die von der CDU kommen, zuzustimmen. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Herr Weickert.
Stadtrat Weickert (CDU): Herr Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren! Verehrte Gäste!
Frau Wohlfarth, Ihre Ausführungen haben mich
schon ein wenig überrascht, um nicht zu sagen:
Mir fehlen die Worte, was ja eher selten passiert.
Sie haben eben Annemarie Renger erwähnt. Ich
glaube, keiner bestreitet, dass Annemarie Renger
eine bedeutende Person der sozialdemokratischen und deutschen Geschichte war, insbesondere wenn man sich eine Episode ins Gedächtnis
ruft, die das Verständnis davon, wie die SPD in
den 1980er-Jahren zum Parlamentarismus und
zu Deutschland stand, deutlich macht. Es gab einen jungen Genossen - viele von Ihnen kennen
ihn vielleicht noch: Gerhard Schröder -, der in seiner damals noch etwas wilden Zeit das Parlament
ohne Krawatte betreten wollte. Frau Renger wies
ihn darauf hin: Genosse Schröder, bei der Wahl
des Bundeskanzlers morgen bindest du dir aber
eine Krawatte um, wie sich das gehört. - Ob das
heute noch in der SPD mehrheitsfähig wäre, sei
einmal dahin gestellt; aber das nur am Rande.
Was aus meiner Sicht an Ihren Ausführungen
wirklich überraschend ist, ist, dass Sie als Sozialdemokratin sagen, eine Benennung nach Willy
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Brandt würden Sie heute auch mehr nicht mittragen.
Ich möchte darauf eingehen, was Sie in Bezug auf
das Vertrauen der Spender zu Helmut Kohl gesagt haben; Sie hatten es ja selbst als Polemik
bezeichnet. Helmut Kohl ist sicherlich keine Lichtgestalt, wie es manche gerne formulieren würden.
Aber wenn Helmut Kohl nicht das Vertrauen der
anderen europäischen Staats- und Regierungschefs gehabt hätte - wir sehen, was passiert,
wenn ein deutscher Regierungschef kein Vertrauen mehr bei den europäischen Partnern hat -,
dann hätte es die deutsche Einheit nicht gegeben.
Dann wäre dieses Fenster im Jahr 1990 wahrscheinlich geschlossen geblieben und das Land
hätte sich nicht in Freiheit, Einheit und Demokratie
wiedervereinigen können.
Sie haben die blühenden Landschaften erwähnt
und gesagt, diese seien so nicht eingetroffen. Sicherlich waren die Erwartungen, die nach der
Wiedervereinigung geweckt wurden, zu hoch; unbenommen. Aber: Ich kenne Leipzig seit meiner
Kindheit in den 90er-Jahren. Wer behauptet, dass
sich unser Land und insbesondere der Osten unseres Landes seitdem nicht zum Positiven weiterentwickelt haben, trägt entweder Scheuklappen
oder ist ein Ignorant. Zweifellos gibt es noch viel
zu tun, beispielsweise die Renten und die Gehälter an das Niveau im Westen anzugleichen.
(Zuruf von Stadtrat Schlegel
[DIE LINKE])
- Herr Schlegel, das ist doch gar keine Frage. Politik funktioniert aber leider nicht mit einem Fingerschnips von heute auf morgen.
(Zurufe von der LINKEN: 27 Jahre!)
- ch sage einmal so: Wenn Sie als LINKE das
könnten und man Ihnen diese Kompetenz zutrauen würde, hätten Sie wahrscheinlich 50 Prozent bei den Wahlen erhalten. Das muss Sie sich
doch ehrlich eingestehen.
(Zurufe von der LINKEN)
- Ich weiß, Sie können sich bei Reden von mir immer nur ganz schwer zurückhalten, dazwischenzurufen. Aber das halte ich aus.
Uns geht es darum, deutlich zu machen: Wir wollen heute nicht die Würdigung einer Person vornehmen, die zufällig ausgewählt wurde und mehr
oder weniger disponibel ist. Helmut Kohl hat deswegen seine Verdienste um Deutschland und
deswegen seine Verdienste auch um die Entwicklung unserer Region und der Stadt Leipzig, weil er
eben nicht beliebig war, weil er Entscheidungen
getroffen hat, die uns heute prägen. Wo wären wir
denn heute ohne den Euro? Dann hätten wir immer noch 17 oder 18 weitere Währungssysteme.
S e i t e | 10
Wer glaubt, damit würde es uns allen deutlich besser gehen, der hat von der Wirklichkeit nicht viel
verstanden.
Deswegen kann ich nur an Sie appellieren, heute,
in einem fast schon historischen Moment, nicht
die Augen davor zu verschließen und zu versuchen, mit übertriebener Zurückhaltung das würdige Andenken an einen großen Staatsmann einfach über Bord zu werfen. - Herzlichen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Herr Kriegel.
Stadtrat Kriegel (AfD): Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich zu diesem Punkt nichts sagen, weil
ich dachte, alle Stadträte hier in diesem Haus wären sich einig, dass dieser Vorschlag der CDUFraktion ein guter Vorschlag ist.
Helmut Kohl ist einer der bedeutendsten Bundeskanzler gewesen, den dieses Land Deutschland
je hatte. Zu den Personen dieser Zeit, die Frau
Niermann thematisiert hat, würde ich noch Margaret Thatcher hinzuzählen, die, wie wir wissen, eine
nicht ganz einfache Staatschefin war. Helmut Kohl
hat sich gegen alle Vorbehalte Englands durchgesetzt und auch Margaret Thatcher von seiner Meinung überzeugen können, dass Deutschland in
ein friedliches Europa eingebunden werden kann.
Das ist eine ganz große historische Leistung meines Erachtens.
Noch ganz kurz zu dem, was Frau Wohlfarth ausgeführt hat. Frau Wohlfarth, ich muss Ihnen sagen: Sie haben das Glück, die Vorwendezeit, die
in Ihre Jugend gefallen sein dürfte, vielleicht nicht
so bewusst mitbekommen haben. Aber ich kann
mich noch ganz genau daran erinnern, dass gerade Ihre Partei - bitte hören Sie gut zu! - mit den
SED-Genossen gekuschelt hat, dass sie gemeinsame Arbeitsgruppen einberufen und dort auch
mit Herrn Honecker zusammengesessen hat. Wie
wir alle wissen, sprach sich Oskar Lafontaine
1985 für die Anerkennung der DDRStaatsbürgerschaft durch die Bundesrepublik aus
und hielt auch noch Ende 1989 daran fest. Mit ihm
wäre die Wiedervereinigung vermutlich nicht so
glatt verlaufen.
Als AfD-ler stehe ich nicht gerade im Verdacht, die
CDU hochleben zu lassen. Aber in dieser Frage
ist die CDU mit ihrem Antrag auf dem richtigen
Weg. Alles andere beschädigt das Ansehen
Dr. Helmut Kohls. Es ist schon sehr verwunderlich, dass wir hier überhaupt so kontrovers diskutieren müssen über einen so bedeutenden Staatsmann, der zur richtigen Zeit die richtigen Worte
gefunden und die richtigen Entscheidungen gefällt hat. Dafür sollten wir alle ihm dankbar sein. Ich danke Ihnen.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Oberbürgermeister Jung: Herr Morlok.
Stadtrat Morlok (Freibeuter): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Helmut Kohl ist es wie mit den meisten
anderen bedeutenden Persönlichkeiten der Zeitgeschichte: Ihre Arbeit und ihr Wirken, ihre Handlungen und ihr Lebenswerk sind durchaus ambivalent. Ich denke, das wird von niemandem, auch
nicht von den Antragstellern, in Abrede gestellt.
Dennoch gibt es verschiedene Persönlichkeiten
der Zeitgeschichte, die an der Spitze der Bundesrepublik Deutschland standen und entscheidenden Anteil daran gehabt haben, wie sich Deutschland nach dem Krieg entwickelt hat, auch im Hinblick auf die europäische Integration, auf die deutsche und die europäische Einigung. Deswegen
macht es Sinn, dass wir, wenn wir heute über die
Ehrung von Helmut Kohl reden, ihn in einer Reihe
mit diesen Persönlichkeiten sehen, weil damit
seine Wirkung, sein Einfluss und seine Bedeutung
für Leipzig deutlich werden.
Es war Konrad Adenauer, der als erster Bundeskanzler die Bundesrepublik Deutschland in den
Westen integriert hat. Das war eine wichtige
Grundsatzentscheidung für die weitere Entwicklung in Europa und weltweit.
Es war Willy Brandt, der nach der Westintegration
die Hand in Richtung Osten ausgestreckt und mit
den Ostverträgen die Basis dafür geschaffen hat,
dass das Vertrauen in Europa als zartes Pflänzchen langsam wieder zu wachsen begann. Ich
denke, die Bilder seines Kniefalls in Warschau
sind uns allen noch präsent. Damit wird deutlich,
dass Willy Brandt einen erheblichen Einfluss auch
auf die heutige Politik genommen hat; denn ohne
die Ostpolitik Willy Brandts und ohne das Vertrauen, das durch ihn damals geschaffen worden
ist, wären die europäische Einigung über den Eisernen Vorhang hinaus und die deutsche Einheit
nicht denkbar gewesen. Ohne Willy Brandt hätte
der damalige Stadtrat nach seinem Tod gar nicht
frei entscheiden können, ob er ihn ehren möchte
oder nicht. Deswegen war aus meiner Sicht die
Benennung des Platzes nach Willy Brandt auch
vollkommen gerechtfertigt, persönlicher Bezug
zur Stadt hin oder her. Ohne das Wirken dieses
Kanzlers wären wir heute in dieser Form nicht
hier.
Genau das Gleiche, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt auch für Helmut Kohl. Man kann sicherlich über seine Rolle im gesamten Prozess, insbesondere auch in Richtung Osteuropa geteilter
Meinung sein. Er war schon tendenziell mehr
westeuropaorientiert als osteuropaorientiert. Auch
die eine oder andere Bemerkung zu Führern der
Sowjetunion ist vielen von uns sicherlich noch in
S e i t e | 11
Erinnerung. Aber: Die einzigartige Leistung Helmut Kohls war, dass er den Zeitpunkt erkannt hat,
als das Fenster offen stand. Ich erinnere mich
noch gut daran, wie sein 10-Punkte-Programm
zur deutschen Einheit im Bundestag verabschiedet wurde. Das hatte er im kleinsten Kreis der Parteispitze der CDU, salopp gesagt, als geheime
Kommandosache vorbereitet, weil ihm klar war,
dass das ein großer Aufschlag sein muss, weil es
sonst zerredet wird. Ich selbst und meine Partei
haben dieses Verhalten damals auf das Heftigste
kritisiert. Die Geschichte, liebe Kolleginnen und
Kollegen, hat Helmut Kohl Recht gegeben.
Es gab ein ganz, ganz kleines Zeitfenster. Das hat
er erkannt und gehandelt. Und weil er gehandelt
hat, sind wir, die wir hier sitzen, heute zusammen.
Deswegen hat er diese Ehrung in Leipzig verdient. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Frau Wohlfarth hat
das Wort.
Stadträtin Wohlfarth (SPD): Sehr geehrte Damen und Herren! Auf einige Bemerkungen Ihrerseits möchte ich jetzt doch noch einmal eingehen.
Herr Weickert, Sie haben mich tatsächlich nicht
richtig verstanden. Selbstverständlich würden wir
Willy Brandt jederzeit wieder ehren. Ob wir das allerdings so kurz nach seinem Ableben tun würden, wie es die damalige Fraktion entschieden
hat, nur das hatte ich infrage gestellt.
Zum Stichwort „blühende Landschaften“. Ich bin
keine gebürtige Leipzigerin. Ich komme aus einer
Region, wo es nicht ganz so städtisch aussieht.
Wenn ich dort die Scheuklappen, die Sie mir unterstellen, abnehme, sehe ich, dass aus verfallenen Häusern der Kalk bröckelt und darin schon
Löwenzahn blüht. So sieht es tatsächlich in einigen Ecken Sachsens aus. Blühende Landschaften sind meiner Meinung nach etwas anderes.
Aber sei’s drum. Sie hatten ja selbst eingeräumt,
dass es noch deutlich Luft nach oben gibt.
Das, was wir wollen, ist ein breiter gesellschaftlicher Konsens, Helmut Kohl zu ehren. Im Moment - das sehen Sie - haben wir den nicht. Das
ist für alle bedauerlich, weil das Helmut Kohls unwürdig ist. Verstehen Sie unseren Änderungsantrag nicht als Angriff auf Ihren Antrag, sondern als
Versuch, eine Brücke zu bauen, um Helmut Kohl
eine Ehrung zukommen zu lassen. Dass sie umstritten ist, wissen wir.
Zu Herrn Kriegel möchte ich gerne Folgendes sagen: Natürlich hat sich die SPD in ihrem Verhältnis
zur DDR und der SED nicht immer mit Ruhm bekleckert. Dass es Leute gab, die der SED näher
standen, als allen Demokraten lieb sein sollte, das
wissen wir auch. Herr Lafontaine ist ja heute auch
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
nicht mehr Mitglied der Sozialdemokratischen
Partei Deutschlands. Der eine oder andere aus
diesem Stadtrat hat ja auch einen Wechsel in dieselbe Richtung vollzogen.
Ich bin im Übrigen sehr gespannt, ob Sie dann,
wenn Frau Dr. Merkel eines Tages diese Erde verlassen hat - sie möge noch lange leben -, sagen
werden, dass Sie ihr uneingeschränkt zustimmen
ob ihrer großen historischen Leistung.
Eine Frage ist: Was nützte der DDR und was
nützte den Menschen? Nehmen wir einmal Franz
Josef Strauß. Die Historiker streiten heute darüber, ob seine Kredite an die klamme DDR deren
Existenz verlängert haben oder nicht. War das
seine eigene Profilierungssucht? War das ein Aufrechterhalten des Systems? Warum höre ich von
Ihnen dazu keine Kritik?
Eine andere Frage ist: Wie verhält es sich mit den
Maßnahmen, die dazu beigetragen haben, einzelnen Menschen zu helfen, aber eventuell das System stabilisiert haben? Kredite der Bundesrepublik auch über Bayerns Vermittlung hinaus oder
Häftlingsfreikauf aus der DDR: humanitär eine unglaublich wichtige Geschichte, aber die Gelder,
die dafür flossen, haben das System stabilisiert.
Deswegen: Alle Parteien, die es vor 1990 gab, haben an ihrer Geschichte ein schweres Säckl zu
tragen. Ich möchte Sie bitten, nicht immer nur auf
der SPD herumzuhacken. Wir sind uns unserer
geschichtlichen Verantwortung durchaus bewusst
und ebenso der Fehler, die damals passiert sind.
Diese Fehler können wir nicht rückgängig machen. Wenn wir für Entschädigung sorgen wollen,
sollten wir uns dafür einsetzen, dass alle im Bundestag
vertretenen
Parteien
das
SEDUnrechtsbereinigungsgesetz endlich zugunsten
der Opfer novellieren.
Oberbürgermeister Jung: Frau Niermann.
Stadträtin Niermann (CDU): Sie haben vollkommen recht: Ein Wort gibt das andere. - Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Wohlfarth,
ich bin wirklich einigermaßen erschüttert. Ich gebe
zu, das passiert mir nicht sehr oft. Aber ich habe
gerade aus Ihrem Mund verschiedene Äußerungen nicht erwartet. Ich schätze Sie als Demokratin. Ich schätze Sie auch als Christin. Haben Sie
sich einmal überlegt, was Sie da eben gesagt haben?
Sie haben gesagt: Er hat Vertrauen erweckt bei
den Leuten, die ihm Geld gegeben haben. Haben
Sie sich das wirklich gut überlegt? Das ist eine Beleidigung. Das ist eine Beleidigung für jeden ausländischen Politiker, der in den 80er-Jahren Helmut Kohls Äußerungen und seinen vertrauensbildenden Maßnahmen tatsächlich vertraut hat. Ich
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jedenfalls empfinde das so. Ich finde, das ist peinlich, nicht nur für Sie und für die SPD - ich höre ja
heraus, dass Sie unserem Antrag heute nicht zustimmen werden -, sondern das ist auch peinlich
für diese unsere Stadt Leipzig.
Insofern kann ich nur all das, was Sie, Herr Morlok, gesagt haben, unterstützen. Noch einmal zu
Willy Brandt: Ich wäre damals auch bereit gewesen, einen Platz nach Willy Brandt zu benennen;
natürlich. Es wäre für mich auch kein Problem gewesen, einer solchen Platzbenennung nur kurze
Zeit nach seinem Tod zuzustimmen.
Zu den blühenden Landschaften nur so viel: Ich
habe Anfang der 90er-Jahre hier in Ostdeutschland auf dem Land gewohnt. Ich weiß, wie es dort
ausgesehen hat, und ich weiß, wie es dort heute
aussieht, Frau Wohlfarth. Ich kann mir auch gut
vorstellen, wie es heute dort aussehen würde,
wenn es nicht zur Wiedervereinigung gekommen
wäre. Die Brücke in Pirna zum Beispiel war damals kurz vor dem Zusammenbruch. Man musste
die Überfahrt über die Brücke verbieten, weil die
Gefahr bestand, dass sie jeden Augenblick zusammenbricht. Wäre es nicht zur Wiedervereinigung gekommen, wäre sie zusammengebrochen.
Fahren Sie einmal in die Oberlausitz und gucken
Sie sich an, wie es jetzt dort aussieht! Schauen
Sie sich einmal an, wie die Straßen und die Häuser dort heute aussehen! Liebe Frau Wohlfarth,
ich weiß nicht, warum Sie dort keine blühenden
Landschaften erkennen können.
Ich möchte die SPD noch einmal darum bitten ich richte mich insbesondere an Sie -, das im
Sinne Leipzigs noch einmal zu überdenken und
unserem Antrag zuzustimmen. Helmut Kohl und
auch die Stadt Leipzig hätten es wirklich verdient. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Jetzt noch einmal
Frau Wohlfarth.
(Zuruf von Stadtrat Pellmann
[DIE LINKE])
Danach schließe ich die Rednerliste.
Stadträtin Wohlfarth (SPD): Ich mache es kurz,
Herr Pellmann. - Ich erwarte, dass die Menschen
jedem Politiker vertrauen können, unabhängig davon, ob sie seiner Partei Geld spenden oder nicht.
Das sehe ich auch bei Helmut Kohl. Allerdings hat
er das Vertrauen der Bürger schwer missbraucht
oder verloren, weil er sich nicht eindeutig zur Parteispendenaffäre geäußert hat. Das ist tatsächlich
aber nur ein Punkt.
Ja, natürlich blühen in manchen Ecken in diesem
Land die Landschaften. Die Häuser sind schick,
die Straßen sind super. Aber was kommt denn bei
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
den Menschen an? Was bringt uns die wunderbar
sanierte Görlitzer Altstadt, wenn sie menschenleer ist? Sind das die blühenden Landschaften:
leere Kulissen? Nein, tut mir leid, Frau Niermann.
Das ist nicht das, was ich mir gewünscht habe.
Das ist mit Sicherheit nicht das, was die Leute sich
erhofft haben. Dass es zwischen dem, was man
erwartet hat, und dem, was dann herauskam, Unterschiede gibt, steht völlig außer Frage.
Wir wollen Helmut Kohl ehren. Nur, wir wissen, es
gibt Debatten um ihn, und wir wollen mehr Zeit,
bevor wir ihn würdigen. Hätten Sie meinen Ausführungen wirklich zugehört, hätten Sie sie vielleicht auch verstanden. - Vielen Dank.
S e i t e | 13
dem Antrag in der Fassung des Verwaltungsstandpunkts zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: 32 Ja-Stimmen, 27 Nein-Stimmen,
5 Enthaltungen. So beschlossen.
15.8
Modellversuch für eine Kinderbetreuung mit flexiblen Betreuungszeiten und
am Wochenende (VI-A-04675)
Einreicher: Fraktion Freibeuter
15.8.1 dazu VSP (VI-A-04675-VSP-01)
Einreicher: Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule
Wer wünscht das Wort? - Frau Witte.
Oberbürgermeister Jung: Meine sehr verehrten
Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung.
Ich bitte Sie, Ihr Abstimmgerät einzuschalten.
Bitte geben Sie Ihr Votum zum Änderungsantrag
der SPD-Fraktion ab! - Ich schließe die Abstimmung. - Ich sehe, dass die Geräte von Herrn Bär
und Herrn Müller nicht funktioniert haben. Herr
Bär, wie stimmen Sie ab?
(Stadtrat Bär [SPD]: Mit Ja!)
Herr Müller, wie stimmen Sie ab?
(Stadtrat Müller [SPD]: Mit Ja!)
Herr Weber, wir sind mitten in der Abstimmung.
Geschäftsordnungsanträge sind jetzt nicht zulässig. Oder gibt es ein Problem mit Ihrem Abstimmgerät?
Stadtrat Weber (DIE LINKE): Ich möchte darauf
aufmerksam machen, dass die Liste immer noch
nicht korrigiert wurde. Ich bin seit einiger Zeit nicht
mehr bei der SPD, sondern bei der LINKEN. - Das
zum einen.
Zum anderen: Ich habe mich bei der Abstimmung
enthalten, meine Stimme wurde jedoch als Zustimmung gewertet.
Oberbürgermeister Jung: Gut. Dann kommen
zum Abstimmungsergebnis zwei Ja-Stimmen und
eine Enthaltung dazu.
Abstimmung: 23 Ja-Stimmen, 33 Nein-Stimmen,
7 Enthaltungen. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag selbst. Frau Niermann hat beantragt, den Antrag in der Fassung des Verwaltungsstandpunkts
abzustimmen. - Solange die Abstimmgeräte nicht
zuverlässig funktionieren, wird per Hand ausgezählt. Ich bitte um Ihr Handzeichen. Wer stimmt
Stadträtin Witte (Freibeuter): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen Stadträte! Zurück zu den Niederungen der
Kommunalpolitik. Unser Antrag, die Kinderbetreuung flexibel zu gestalten, hat ein Merkmal. Angesichts der heutigen Arbeitswelt stellt man fest: Es
gibt einen großen Bereich im Dienstleistungssektor, in dem nicht nach den üblichen „8 bis 17 Uhr“Arbeitszeiten gearbeitet werden kann, sondern im
Schichtdienst, zum Teil rund um Uhr gearbeitet
werden muss, sei es in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Ähnlichem. Gerade im Dienstleistungsbereich, sei es in der Altenpflege, in Krankenhäusern usw., sind überwiegend Frauen beschäftigt. Auch in der Gastronomie mit ihren langen Öffnungszeiten sind hauptsächlich Frauen
beschäftigt.
Das Problem geht dann los, wenn Frauen Nachwuchs bekommen und niemanden haben, der den
Nachwuchs während ihrer Arbeitszeit nach 17 Uhr
oder am Samstag betreuen kann. Aus meiner Arbeit im Jobcenter-Beirat weiß ich: Eines der ganz
großen Probleme, erwerbslose Alleinerziehende
wieder in einen Job zu bringen, ist die mangelnde
oder fehlende Kinderbetreuung. Alleinerziehende
sind nur sehr schwer zu integrieren, wenn das
nicht geregelt ist. Ich weiß auch aus vielen Gesprächen mit jungen Frauen, dass, wenn sie in einem Bewerbungsgespräch gefragt werden: „Und
was machen Sie mit Ihrem Kind, wenn Sie arbeiten?“, das Gespräch dann zu Ende ist, wenn sie
keine überzeugende Antwort liefern können.
Das Sächsische Kitagesetz sieht vor, dass die
Kinderbetreuung sowohl an die Bedürfnisse der
Kinder als auch an die der Erziehungsberechtigten - Klammer auf: Eltern, Klammer zu - angepasst werden soll. Um herauszufinden, wie groß
der Bedarf dafür ist, schlagen wir einen niedrigschwelligen Modellversuch vor. Wir wollen
keine Kita instrumentalisieren, bei diesem Modellversuch mitmachen zu müssen, sondern setzen
auf Freiwilligkeit bei den Tagespflegepersonen.
Aus diesem Bereich kam die Mitteilung, dass ein
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Interesse daran besteht, das im laufenden Betrieb
zu versuchen.
Dieser Modellversuch wird nicht einfach sein. Es
müssen sich dafür Tagespflegepersonen finden,
die Träger müssen dem zustimmen, und das
Ganze muss gut organisiert werden. Aber ich bin
guter Dinge, dass wir das im Rahmen einer zivilgesellschaftlichen Lösung hinbekommen werden.
Deshalb bitte ich Sie, diesem Modellversuch zuzustimmen. Ich weiß nicht, wie das Ergebnis ausfallen wird. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die
von vornherein wissen, wie so etwas ausgeht.
Aber probieren müssen wir das, weil wir den Leuten mit Kindern, die aufgrund ihrer unregelmäßigen Arbeitszeiten ein großes Problem mit der Kinderbetreuung haben, unter die Arme greifen müssen. Wir müssen zumindest testen, wie groß der
Bedarf dafür ist. Wenn es dafür Bedarf gibt, ist zu
prüfen, ob die allgemeinen Öffnungszeiten entsprechend ausgeweitet werden können.
Wir stellen unseren Ursprungsantrag zur Abstimmung und bitten um Ihre Zustimmung. - Danke.
Oberbürgermeister Jung: Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. - Wer stimmt gegen diesen
Beschlussvorschlag? - Enthaltungen?
Abstimmung: Drei Enthaltungen, einige Gegenstimmen. Mit großer Mehrheit so beschlossen.
15.9
Übertragung von Mitteln zur Förderung
von Trägern der freien Jugendhilfe von
2017 in 2018 (VI-A-04857)
Einreicher: Stadträtin J. Nagel, Stadträtin
K. Schenk, Stadtrat M. Schmidt
15.9.1 dazu VSP (VI-A-04857-VSP-01)
Einreicher: Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule
Wer bringt den Antrag ein? - Herr Schmidt.
Stadtrat Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen): Sehr
geehrter Herr Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Filmschule
Leipzig ist für uns schon seit vielen Jahren ein
wichtiges Projekt. Nicht nur mir als studiertem Medienpädagogen liegt das Projekt sehr am Herzen,
sondern auch meinen Kolleginnen und Mitantragstellern Katharina Schenk und Juliane Nagel. Als
dieses Projekt neben einigen anderen vor allem
medienpädagogischen Projekten aufgrund des
stagnierenden Jugendhilfebudgets vor Jahren
von der Verwaltung infrage gestellt wurde, bildete
sich eine klare Mehrheit, nicht nur im Jugendhilfeausschuss, auch hier im Stadtrat, die sich für
den Erhalt und in der Folge für eine Erhöhung des
Jugendhilfebudgets insgesamt aussprach.
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Wir reden hier von präventiver Arbeit mit Kindern
und Jugendlichen in der digitalen, von Medieninhalten überfluteten Welt. Damit sinnvoll umzugehen, sich zurechtzufinden, sich selbst zu schützen
und aktiv zu gestalten - das ist Ziel dieser medienpädagogischen Angebote und aus unserer
Sicht unverzichtbar.
Und dann haben wir die wachsende Stadt mit all
ihren positiven wie negativen Begleiterscheinungen. Eine der eher negativen Folgen sind die steigenden Mieten, womit nun auch die Filmschule
konfrontiert ist. Der Träger muss umziehen,
dadurch in Zukunft höhere Mietkosten tragen. Er
steckt in einem engen Korsett der Jugendförderung, die wir mittlerweile durch den Doppelhaushalt für zwei Jahre beschließen. Das ist einerseits
gut, weil wir dadurch sowohl aufseiten der Träger
als auch der Verwaltung den Aufwand massiv reduzieren. Andererseits wird es dadurch schwerer,
kurzfristig auf unerwartete Bedarfe, wie jetzt im
Fall der Filmschule, zu reagieren. Die Filmschule
braucht heute dringend Klarheit, ob sie ab Januar
mit etwa 10.000 Euro mehr Mietkostenerstattung
rechnen kann. Wir wollen ihr die Sicherheit geben,
damit der Mietvertrag unterzeichnet werden kann.
Der Verwaltungsstandpunkt zu unserem Antrag
hilft uns an der Stelle nicht wirklich weiter. Ob wir
jetzt die Priorität setzen oder nächstes Jahr,
macht einen erheblichen Unterschied, weil wir
dem Träger eben vor Unterzeichnung des Mietvertrages die wirtschaftliche Sicherheit geben
müssen. Dieses wie auch nächstes Jahr werden
wir 10.000 Euro Rücklaufgelder nicht so einfach
übrig haben; Anträge wird es immer genügend geben.
Bei bestem Willen, Herr Bonew: Dass wir am
Ende keine Mittelübertragung hinbekommen, weil
damit, wie im Verwaltungsstandpunkt ausgeführt,
die Liquidität gefährdet sei, daran glauben Sie
doch selbst nicht. Der Stadtrat soll heute entscheiden, dass neben den üblicherweise Millionen an
Mittelübertragungen noch weitere 10.000 Euro
aus dem Bereich der Jugendhilfe dazukommen,
um ein hochpriorisiertes präventives Jugendhilfeprojekt weiter abzusichern. Wollen wir es also
nicht übertreiben.
Noch ein anderer Punkt: Möglicherweise werden
wir uns in nächster Zeit auch mit Mieterhöhungen
und damit erhöhten Zuschussbedarfen anderer
Projekte auseinandersetzen müssen. Das können
wir in einer wachsenden Stadt nicht ausschließen.
Insofern müssen wir uns natürlich Gedanken machen, wie wir darauf im Zuge der nächsten
Budgetdiskussion
zum
Doppelhaushalt
2019/2020 reagieren, um für solche Fälle künftig
gewappnet zu sein. Insofern bitten wir um Unterstützung zum Ursprungsantrag. - Vielen Dank.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Oberbürgermeister Jung: Herr Albrecht.
Stadtrat Albrecht (CDU): Wir sind jetzt ein bisschen verwirrt, Herr Oberbürgermeister. Sie hatten
anfangs gesagt, TOP 15.11 würde abgesetzt. So
habe ich mir das notiert. Wir dachten, wir sind jetzt
bei TOP 15.9. Bei welchem Tagesordnungspunkt
sind wir denn jetzt?
Oberbürgermeister Jung: Wir sind, wie von mir
eben aufgerufen, bei Tagesordnungspunkt 15.9,
Übertragung von Mitteln zur Förderung von Trägern der freien Jugendhilfe von 2017 in 2018.
Stadtrat Albrecht (CDU): In meiner Tagesordnung und auch im ALLRIS steht unter TOP 15.9:
„Unterstützung des inklusiven Wohnprojekts
Connewitz“. Deshalb gibt es jetzt Konfusion.
Oberbürgermeister Jung: Wir gehen entsprechend der Einladung vor, Herr Albrecht. Besprechen Sie das bitte mit Ihrem Fraktionsgeschäftsführer!
Herr Bonew.
Bürgermeister Bonew: Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren!
Sehr geehrter Herr Schmidt, natürlich gefährden
diese 10.000 Euro nicht die Liquidität der Stadt
Leipzig. Aber nach Recht und Gesetz dürfen wir
Ansätze im Ergebnishaushalt von 2017 auf 2018
nur dann übertragen, wenn wir einen Jahresüberschuss festgestellt haben. Darum geht es.
Wir müssen einen Weg finden. Wenn Sie die Formulierung in Ihrem Antrag aufrechterhalten: „Der
Stadtrat beschließt … die Übertragung von Mitteln
von 2017 in 2018“, wäre das jetzt, im November,
rechtlich nicht zulässig, weil der Jahresabschluss
noch nicht festgestellt worden ist. Um diese Formulierung geht es mir.
Deshalb werbe ich für unseren Alternativvorschlag. Es wäre auch im Sinne des Alternativvorschlags, wenn der Jugendhilfeausschuss frühzeitig, schon im Januar, eine Förderzusage macht,
damit dem entsprechenden Antragsteller die Sicherheit, die ich verstehe, die ich nachvollziehen
kann und die ich unterstütze, gegeben werden
kann, ohne geltendes Haushaltsrecht zu umgehen.
Ich möchte, ehrlich gesagt, kein Präjudiz schaffen, damit so etwas keine Schule macht. Es gibt
eine klare Regelung im Gesetz, nämlich: Wir
übertragen erst dann, wenn wir wissen, dass wir
einen Jahresüberschuss haben. Daran müssen
wir uns halten, auch bei einem Betrag von 10.000
Euro.
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Wir müssen das Anliegen des Antragstellers - Sie
haben es begründet - würdigen und Rechtssicherheit schaffen, von mir aus gleich in der ersten Januarwoche. Die Mittelübertragung schon heute im
Stadtrat zu beschließen, geht aus den genannten
Gründen nicht.
Oberbürgermeister Jung: Herr Schmidt.
Stadtrat Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen): Der
Mietvertrag muss im November unterschrieben
werden. Wir brauchen daher jetzt die Sicherheit
und nicht erst im Januar. Deswegen beauftragen
wir Sie, dass von den Rücklaufgeldern, die vorhanden sind, 10.000 Euro zurückgehalten werden, um sie in 2018 zu übertragen und dort
zweckgebunden auszuschütten. Wie Sie das am
Ende bewerkstelligen, ist mir persönlich egal. Mir
ist wichtig, dass der Stadtrat ein klares Signal aussendet, dass die Mittel übertragen werden sollen,
natürlich im Rahmen des geltenden Rechts; vollkommen klar. Darüber wollen wir uns auch nicht
hinwegsetzen. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein
Weg, und den geben wir in an der Stelle vor.
Oberbürgermeister Jung: Wenn ich es richtig
verstanden habe, stellen Sie den Antrag in der
Originalfassung zur Abstimmung. - Gut. Dann
bitte ich um Ihr Handzeichen. Wer stimmt dem
zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: 34 - 24 - 2. So beschlossen.
15.10 Wohngemeinschaft Connewitz e. V. Finanzierung und Bauabschluss sichern (VI-A-04829-NF-02)
Einreicher: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Einreicher: Fraktion DIE LINKE
Einreicher: SPD-Fraktion
15.10.1 dazu VSP VI-A-04829-VSP-01)
Einreicher: Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule
Bitte beachten Sie, dass dazu eine Neufassung
vom 10.11.2017 vorliegt. - Frau Krefft.
Stadträtin Krefft (Bündnis 90/Die Grünen): Sehr
geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte
Herren und Damen Stadträte! Werte Gäste und
Vertreter*innen der Medien! Zuhause: sich in einem Haus zugehörig fühlen, dazugehören zu einem Ort, einer Gemeinschaft, einem Stadtteil, einer Gesellschaft. Hier bin zu Hause, hier ist mein
Heim.
Wir - Grüne, LINKE und in der Neufassung auch
die SPD - beantragen hier, jungen Erwachsenen
ein Zuhause, ein eigenes Heim zu ermöglichen.
Gut, sie haben ein Zuhause, das elterliche, und
wären nicht obdachlos, wenn sie auszögen; denn
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
es gibt spezialisierte Heime für Menschen mit Behinderungen. Doch die Herangewachsenen wollen etwas anderes: Sie wollen ausziehen, und sie
wollen gemeinschaftlich eigenständig leben. Auch
wir Grüne und unsere Mitantragsteller wollen das.
Wir wollen gemeinsam etwas Neues ermöglichen.
Wir wollen die Alternative. Wohnen für Menschen
mit Behinderungen soll nicht mehr alternativlos
das Heim sein, sondern ihr Heim.
Die Wohngemeinschaft Connewitz hat sich auf
den Weg gemacht, nachdem sie ermuntert wurde,
diesen Weg zu gehen. Nun aber braucht sie zum
wirklichen Gelingen doch die öffentliche Hand.
Damit ist das eine politische Entscheidung. Es
könnte ja jeder kommen und für sein Privathaus
Geld von der Stadt erwarten. Darum ist auch der
Verwaltungsstandpunkt ablehnend. Aus Gleichbehandlungsgründen kann die Stadt hier nicht ein
Tor öffnen und es für andere verschließen.
Wir Grüne und unsere Mitantragsteller nehmen
uns heraus, das zu tun, weil wir es politisch wollen. Wir wollen, dass Menschen mit Behinderungen eigenständig und selbstbestimmt leben und
wohnen können. Wir anerkennen, dass sich die
Eltern starkmachen, dass sie mit eigenem Geld
und eigenem Vermögen vorangehen. Dieses Vorangehen ist gleichzeitig auch Kern des Problems.
Die Initiative war nämlich schneller als die Förderkulisse. Seit 01.01.2017 sind Projekte nach der
Richtlinie gebundener Mietwohnraum förderfähig
aus öffentlicher Hand, nicht aber, wenn mit dem
Bau bereits begonnen wurde; der Verwaltungsstandpunkt geht darauf ein.
Wie lange will man noch warten? Wir halten es für
richtig, voranzugehen mit eigenem Risiko. Wir
wollen Mutige aber nicht im Regen stehen lassen.
Zum Abschluss des Wohnprojektes braucht es
180.000 Euro, um Mehrkosten aus Baukostensteigerungen - das kennen wir ja aus allen Schulbauvorlagen - und zusätzlichen Anforderungen
wie zum Beispiel einer Brandwand, finanziell abzusichern. Mit diesem unserem Beschluss würden weitere 240.000 Euro von der „Aktion
Mensch“ in die Stadt geholt und für ihr Wohnangebot gewonnen. Leipzig bekäme ein neues
Wohnprojekt mit Erbpachtbindung für 99 Jahre.
Die Stadt würde sich die Belegungsrechte ab dem
Zweitbezug sichern und im Grundbuch eingetragen.
Wir freuen uns über diese private Initiative, über
den Beitrag zu einer inklusiven Normalität, und wir
bitten um Zustimmung, das möglich zu machen,
was sonst noch nicht möglich ist: selbstbestimmtes Wohnen für Menschen mit Behinderungen, ein
Zuhause in der eigenen Wohngemeinschaft.
Oberbürgermeister Jung: Frau Hollick, bitte.
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Stadträtin Hollick (DIE LINKE): Sehr geehrter
Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Stadträtinnen
und Stadträte! Liebe Bürgerinnen und Bürger auf
der Tribüne und am Livestream! In der Ratsversammlung im Dezember wird vermutlich der Teilhabeplan für Menschen mit Behinderungen auf
der Tagesordnung stehen. 231 Seiten, ganz
schön umfangreich. Er trägt den Titel „Auf dem
Weg zur Inklusion“.
In Leipzig haben sich Menschen schon auf diesen
Weg begeben - sie waren schneller als unser Teilhabeplan - und haben in Connewitz ein Wohnprojekt für junge Menschen mit körperlichen und
geistigen Handicaps entwickelt. Acht Wohneinheiten für Menschen mit Behinderungen, zwei Familienwohnungen und eine WG, in der acht chinesische Studenten wohnen, zeigen, dass gelebte Inklusion verwirklicht werden kann, dass Menschen
mit Behinderungen selbstbestimmt leben können.
Dieses Modellprojekt kann das ermöglichen.
Initiator des Projektes war eine Elterninitiative.
Bauherr und zukünftiger Vermieter ist eine gemeinnützige GmbH, die DENKMALSOZIAL. Verpächter des Geländes ist die gemeinnützige Stiftung Nord-Süd-Brücken, die deutschlandweit aktiv ist. Wie Sie gerade gehört haben, gab es zu
Beginn des Projektes keine Fördermittel. Dennoch hat man sich auf den Weg gemacht. Wir alle
wissen aus den bekannten Tatsachen von Kitaund Schulbau: Bau und Sanierung haben sich
seitdem verteuert. Kurzum: Es kam zu Finanzierungschwierigkeiten. Sie sind die Ursache für unseren Antrag.
Um es einmal deutlich zu sagen: Inklusion kostet
beim Wohnen oder in der Bildung, selbst bei Freizeitaktivitäten, Geld. Inklusion ist nicht umsonst
zu haben. Die Akteure waren sehr aktiv, um finanzielle Mittel zu akquirieren. Das will ich deutlich
hervorheben. Natürlich musste ein Kredit, der
über die Mieten refinanziert werden soll, aufgenommen werden. Hier hätte ich mir eine aktivere
Unterstützung vom KSV gewünscht, dem wir jedes Jahr einen hohen Millionenbetrag zuweisen.
100.000 Euro Eigenmittel haben die Eltern aufgebracht. 250.000 Euro wurden von der „Aktion
Mensch“ eingeworben. Es fanden und finden verschiedene Veranstaltungen, wie ein Hoffest mit
Spendenaufrufen, und andere Aktivitäten statt.
Und trotzdem besteht eine Finanzierungslücke
von 180.000 Euro, um das Wohnprojekt erfolgreich zum Bauabschluss zu bringen. Deshalb ist
dieser Antrag notwendig.
Unsere Fraktion hält es für wichtig, dass sich die
Stadt in dieses Modellprojekt mit einbringt und
hilft, es abzusichern. Damit leisten wir einen aktiven Betrag zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Natürlich sind wir dafür, dass, wenn
sich die Stadt finanziell einbringt, sie sich auch
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
dingliche Rechte sichert, wie von Frau Krefft gerade aufgeführt. Fakt ist: Dieses Modellprojekt ist
ein Beitrag zur Umsetzung des Teilhabeplanes.
Gleichzeitig sammeln wir Erfahrungen in Fragen
wie: Wie gehen wir mit inklusiven Wohnprojekten
um? Wie kann man sie entwickeln?
Wissen Sie, Leipzig hat in den letzten Jahren viele
Leuchttürme errichtet. Unsere Stadt ist dafür bekannt geworden. Warum nicht auch für einen
Leuchtturm auf dem Gebiet der Inklusion? Dieses
Projekt ist einer, wenn auch vielleicht kein so
spektakulärer. Ich bitte Sie um Zustimmung zum
Antrag.
Oberbürgermeister Jung: Herr Zenker.
Stadtrat Zenker (SPD): Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Werte Bürgermeisterinnen und
Bürgermeister! Werte Kolleginnen und Kollegen
Stadträte! Liebe Gäste auf der Tribüne! Frau Krefft
und Frau Hollick haben schon alles Wesentliche
gesagt. In der Ursprungsfassung unseres Antrags
hatten wir das noch etwas offener formuliert in der
Hoffnung, dass die Stadtverwaltung selbst noch
einmal die Finanzierungsmöglichkeiten prüft, beispielsweise ob es vorstellbar wäre, dass der SEB
aktiv in dieses Projekt mit einsteigt. Zum Zeitpunkt
der Antragstellung war noch unklar, ob von der
„Aktion Mensch“ Mittel bereitgestellt werden können und, wenn ja, in welcher Höhe. Deshalb hatten wir die erste Fassung unseres Antrags offener
formuliert. Aber der politische Wille der drei antragstellenden Fraktionen kam deutlich zum Ausdruck, nämlich dieses Projekt zum Erfolg zu führen.
Auch wir haben in der Fraktion intensiv über die
Frage diskutiert: Kann dann jeder, der ein Projekt
angefangen hat, von der Stadt fordern, dass sie
es zu Ende finanziert? - Nein, das kann nicht jeder. Wir treffen hier eine politische Entscheidung
für ein besonderes soziales Projekt, für das wir
uns als Kommune im Übrigen das Gelände für
mindestens 100 Jahre gesichert haben. Wichtig
ist auch: Dieses Projekt ist als kleines Leuchtturmprojekt schon in einer von uns beschlossenen
Vorlage benannt, nämlich im Wohnungspolitischen Konzept. Das heißt: Die Stadtverwaltung
selbst hat schon erkannt, dass das ein Leuchtturmprojekt ist. Daher sollte die Stadtverwaltung
jetzt auch ein großes Interesse daran haben, dass
dieser kleine Leuchtturm, der aber weit in den Bereich Inklusion strahlt, tatsächlich realisiert werden kann.
Wie gesagt, wir haben darüber intensiv diskutiert.
Deswegen haben wir in der Neufassung unseres
Antrags formuliert, dass die Finanzierungsmöglichkeiten von der Stadtverwaltung geprüft und
klar dargelegt werden sollen. Unser Ziel ist, dass
dieses Projekt ein Erfolg wird. Es darf nicht an der
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Finanzierung scheitern. Die Elterninitiative hat ja
nicht nur 100.000 Euro eingebracht; sie trägt auch
10 Prozent der Mehrkosten und hat dafür Spenden eingeworben. Wenn es uns heute gelingt,
diese 180.000 Euro auf den Weg zu bringen, und
wenn von der „Aktion Mensch“ zusätzliche Mittel
fließen, dann bin ich guter Dinge, dass dieses
Projekt zu einem Erfolg wird. Ich hoffe, eine Mehrheit hier im Stadtrat sieht das auch so. Das Projekt wäre ein schöner Leuchtturm, der unseren Erfahrungsschatz erweitern wird.
Abschließend noch ein Satz zu den Belegungsrechten. Wenn man bedenkt, dass wir im Rahmen
der Kosten der Unterkunft nach ALG II für das Belegungsrecht einer Wohnung 25.000 Euro zahlen,
sind 180.000 Euro jetzt, gerechnet auf 99 Jahre
ab dem Zweitbezug, für die Stadt gut angelegtes
Geld. Ich bitte um Zustimmung. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Frau Witte.
Stadträtin Witte (Freibeuter): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen Stadträte! Wer den Antrag gelesen und den
Vorrednern zugehört hat, muss diesem Antrag unbedingt von Herzen zustimmen; keine Frage.
Aber wenn es darum geht, Steuergelder auszugeben, reicht es eben nicht aus, mit dem Herzen zu
denken; da ist auch eine etwas nördlicher angelegte Region gefragt.
Wir haben im Stadtrat ein geregeltes Verfahren für
die Ausreichung von Fördergeldern an Vereine
vereinbart. Das funktioniert in etwa so: Der Stadtrat stellt den einzelnen Ämtern einen Betrag X zur
Verfügung. Das jeweilige Amt sammelt die Anträge der Vereine, prüft sie und legt fest, welcher
Verein wie viel Geld bekommen soll. Wenn das
Amt das Ergebnis vorlegt, wird es in der Fördermittelrunde oder im jeweiligen Ausschuss des
Stadtrats noch einmal diskutiert. Der Stadtrat hat
den Ämtern die entsprechenden Fachförderrichtlinien an die Hand gegeben, damit ein geregeltes
Verfahren gewährleistet ist. Dieses Verfahren hat
den Vorteil, dass die Mittelvergabe politisch neutral erfolgt.
In diesem Fall soll die Mittelvergabe jedoch über
einen Antrag der Fraktionen erfolgen. Ich sehe die
Gefahr - ich sage nicht, dass es hier so ist -, dass
dann partei- bzw. fraktionsnahe Vereine übermäßig gefördert werden. Deshalb sollten wir bei dem
geregelten Verfahren bleiben.
Wichtig ist auch, dass die Verwaltung die Nachhaltigkeit der Projekte prüft. Wir als Stadträte können nicht feststellen, ob das Projekt nachhaltig
konzipiert ist oder nicht. Das sollte auch im Sinne
der Antragsteller sein; denn manche Leute muss
man vor sich selbst schützen. Es gab schon Beispiele - ich will nicht sagen, dass das in diesem
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Fall so sein muss -, dass Vereine Projekte geplant
haben, bei denen sich später herausstellte, dass
sie nicht nachhaltig waren.
Zu bedenken ist auch, dass wir damit einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen würden, wenn
wir diesem Verfahren hier jetzt zustimmen. Es
könnte sein, dass der eine oder andere Verein auf
die Idee kommt: Ich war mit dem, was das zuständige Amt mit meinen Anträgen gemacht hat, nicht
zufrieden. Es ist doch ein sehr mühseliger Weg,
zum Beispiel mit dem Sozialamt fünfmal über einen Antrag zu diskutieren und die vom Amt geforderten Änderungen einzuarbeiten, um die Nachhaltigkeit sicherzustellen. Ich gehe einfach über
die Fraktionen und bitte sie, das zu beantragen.
Das macht es für mich einfacher. - Man kann nicht
ausschließen, dass diese Denke um sich greift
und Vereine versuchen werden, über die Fraktionen an Fördermittel zu kommen.
Stadträtin Krefft (Bündnis 90/Die Grünen): Wir
arbeiten bis zum Schluss und haben uns als Antragsteller gerade dahin gehend verständigt - das
dürfte auch der Intention von Herrn Albrecht entsprechen -, auf den zweiten Satz in Beschlusspunkt 3 zu verzichten, weil er nicht nötig ist für die
Beschlussfassung. Letztlich muss die Stadt sowieso sehen, dass sie das alles klarzieht in ihrem
eigenen Verwaltungshandeln. Das reicht aus, in
den Vertrag einzutreten. Es muss aber nicht noch
weitere vertragliche Regelungen, die in der Tat
nicht absehbar sind, geben.
Oberbürgermeister Jung: Vielen Dank. Darum
wollte ich Sie gerade bitten. - Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Dann steht der Antrag in der
Fassung vom 10.11.2017 zur Abstimmung, wobei
in Beschlusspunkt 3 der zweite Satz gestrichen
wird, der da lautet:
Die Stadt Leipzig trifft darüber hinaus mit
der DENKMALSOZIAL gGmbH vertragliche Regelungen, um in den Erbbaupachtvertrag eintreten sowie ein Vorkaufsrecht für die Gebäude geltend machen zu können, falls sich die
DENKMALSOZIAL gGmbH auflöst.
Deshalb haben wir nach langer Diskussion gestern Abend uns für den Mittelweg zwischen Herz
und Hirn entschieden. Wir werden uns bei der Abstimmung dieses Antrags enthalten. - Danke.
Oberbürgermeister Jung: Herr Albrecht.
Stadtrat Albrecht (CDU): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und
Herren Stadträte! Liebe Gäste! Frau Witte, jawohl,
es gibt ein geregeltes Verfahren in dieser Stadt,
Gelder auszureichen, und das ist gut so. Es gibt
noch ein zweites geregeltes Verfahren, nämlich
die Ratsversammlung. In der Ratsversammlung
muss sich eine Mehrheit dafür finden oder eben
nicht. Wir diskutieren das Projekt jetzt hier und
wollen eine Mehrheit dafür finden.
Wir finden, das ist ein gutes Projekt. Wir werden
dieses Projekt unterstützen. Allerdings, Frau Hollick, den Begriff „Inklusion“ würde ich in diesem
Zusammenhang nicht so häufig wie Sie verwenden. Es handelt sich hier um selbstständiges
Wohnen. Das Wort „Teilhabe“ trifft es wohl eher.
Zu Punkt 3 des Antrags wollen wir Folgendes zu
bedenken geben: Darin heißt es, dass wir als
Stadt für das Zweitbelegungsrecht 99 Jahre Sicherheit brauchen. Jedoch ist die Formulierung
dieses Beschlusspunktes schwierig. Wir halten es
für sinnvoll, dass sie noch einmal vertragsrechtlich vom Rechtsamt geprüft wird. Deswegen bitte
ich ins Protokoll aufzunehmen, dass die Formulierung des Beschlusspunktes 3 vom Rechtsamt
noch einmal geprüft werden soll.
Oberbürgermeister Jung: Frau Krefft.
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Wer dem zustimmt, bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Eine Reihe von Enthaltungen,
keine Gegenstimmen. Mit großer Mehrheit so beschlossen.
16
Anfragen an den Oberbürgermeister
Die Anfrage unter TOP 16.1 wird schriftlich beantwortet.
16.2 Verwaltungsmanagement in der „Völkerfreundschaft“ (VI-F-05011)
Einreicher: Fraktion DIE LINKE
Herr Kollege Fabian antwortet.
Bürgermeister Prof. Dr. Fabian: Sehr geehrter
Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen
und Herren Stadträte! Zur Frage 1. Das Nutzungsund Betreiberkonzept - Beschlusspunkt 1 - wurde
wie folgt umgesetzt:
Baustein eins des Konzeptes: Das Büro für die
Stelle des Koordinators für Veranstaltungsmanagement steht zur Verfügung.
Baustein zwei des Konzeptes: Der „Große Saal“
wird für Veranstaltungen genutzt. Die Bearbeitung
von Mietanfragen sowie die organisatorische und
technische Koordination der Inanspruchnahme
des „Großen Saals“ werden gegenwärtig vom amtierenden Leiter des Offenen Freizeittreffs übernommen.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Baustein drei des Konzeptes: Der Koordinator für
Jugend und Bildung für den Planungsraum
Grünau hat seinen Sitz seit März 2016 im Objekt
„Völkerfreundschaft“.
Baustein vier des Konzeptes: Mit der neuen
Raumkonzeption für die „Völkerfreundschaft“ und
dem damit verbundenen alleinigen Nutzungsrecht
des „Kleinen Saals“ durch den OFT konnte die Arbeit des OFT gestärkt werden. Gemeinsam mit
den Nutzern des OFT wurden die Angebotsstrukturen und die entsprechenden Inhalte weiterentwickelt und neue Maßnahmen und Angebote konzipiert. Mit der räumlichen Erweiterung ist auch
die Inanspruchnahme der Einrichtung gestiegen.
Baustein fünf des Konzeptes: Die Umorganisation
des organisierten Vereinssports in der „Völkerfreundschaft“ ist abgeschlossen und im Einvernehmen mit den Sportvereinen umgesetzt. Alle
bisherigen Nutzer aus dem Bereich des organisierten Vereinssports sind auch gegenwärtig Nutzer des Gebäudes.
Baustein sechs des Konzeptes: Die geplanten
Bau- und Sanierungsmaßnahmen im Rahmen der
Werterhaltung wurden umgesetzt. Im Jahr 2015
wurden gemäß Nutzungs- und Betreiberkonzept
43.480 Euro investiert.
Bezüglich der Stelle des Koordinators für Veranstaltungsmanagement - Beschlusspunkt 2 -: Die
Stelle des vorgesehenen Koordinators für Veranstaltungsmanagement konnte bislang weder
durch verwaltungsinterne Umsetzung noch durch
Stellenwandlung besetzt werden. Temporär verfügbare Stellen oder Stelleninhalte wurden zugunsten anderer Aufgaben des Amtes für Jugend,
Familie und Bildung priorisiert. Eine externe Besetzung erfolgte nicht, da im Stellenplan der Stadt
Leipzig keine entsprechende Stelle verfügbar
bzw. eingerichtet ist.
Zur Frage 2. Im Rahmen der aktuell vorhandenen
Rahmenbedingungen - Veranstaltungsmanagement durch den OFT - konnte der „Große Saal“ für
Vermietungen, Ausstellungen, Beratungen, Fachveranstaltungen, Weiterbildungen, Gremiensitzungen, Kinoveranstaltungen und anderes genutzt werden. Ein Anfang 2017 gestellter Antrag
für innovative Maßnahmen beim Europäischen
Fonds für regionale Entwicklung, EFRE, zur teilweisen Umsetzung der Vorlagenziele in Form eines interkulturellen Begegnungscafés mit angeschlossener Beratungsstelle wurde im September
2017 leider abgelehnt.
Zur Frage 3. Die in Punkt 5.1 des Nutzungs- und
Betreiberkonzeptes beschriebenen Aufgaben des
Veranstaltungsmanagements werden von Mitarbeitern des OFT im Rahmen ihrer Möglichkeiten
übernommen. Über die Dienst- und Fachaufsicht
für die kommunalen Freizeiteinrichtungen werden
S e i t e | 19
grundsätzliche Fragen des Veranstaltungsmanagements geklärt bzw. unterstützt und dieses damit
auch weiterqualifiziert, zum Beispiel in Versicherungsfragen, Öffentlichkeitsarbeit, Werterhaltung,
Haushaltsplanung.
Zur Frage 4. Über die Einrichtung einer zusätzlichen Stelle für das Veranstaltungsmanagement Beschlusspunkt 2 - wird erneut im Rahmen der
Stellenplanung 2019/2020 befunden. Alternativ
wird die Umsetzung des Veranstaltungsmanagements in Kooperation mit dem KOMM-Haus gemäß Stadtteilentwicklungskonzept für Grünau angestrebt.
Oberbürgermeister Jung: Gibt es dazu Nachfragen? - Herr Schmidt.
Stadtrat Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen): Herr
Fabian, wir haben am 16. September 2015 beschlossen: Wenn eine verwaltungsinterne Umbesetzung oder Stellenwandlung kostenneutral nicht
möglich ist, ist eine Neubesetzung vorzunehmen.
Das ist über zwei Jahre her. Sie sagen jetzt: Das
wird im Rahmen der nächsten Stellenplanung geprüft. - Ich kann das absolut nicht nachvollziehen.
Das widerspricht dem Beschluss der Ratsversammlung. - Haben Sie dazu etwas zu sagen?
Bürgermeister Prof. Dr. Fabian: Herr Schmidt,
ich habe das Fragezeichen nicht gehört, sondern
nur ein Ausrufezeichen. - Ja, es ist so. Sie wissen,
dass wir große Aufgaben haben und mit dem vorhandenen Personal und den Stellen dementsprechend umgehen müssen. Ich hatte angekündigt,
dass wir das im Kontext der nächsten Stellenplanung erneut aufrufen werden.
Oberbürgermeister Jung: Herr Pellmann.
Stadtrat Pellmann (DIE LINKE): Erste Frage.
Herr Professor Fabian, habe ich Sie richtig verstanden, dass das frühestens 2019/2020 wieder
auf die Agenda genommen wird?
Zweite Frage. Sie haben gesagt, dass verwaltungsintern andere Aufgaben wichtiger gewesen
seien. Habe ich das richtig verstanden? - Damit
im Zusammenhang stehend: Was muss der
Stadtrat noch tun? Das ist hier schon beschlossen
worden. Und doch hat sich die Verwaltung über
den Stadtratsbeschluss hinweggesetzt, weil verwaltungsintern andere Aufgaben als wichtiger angesehen wurden. Was kann der Stadtrat noch tun,
wenn es hier eine eindeutige Beschlusslage gibt?
Die dritte Frage steht damit im Zusammenhang.
Wer hat das entschieden, dass die Stelle nicht besetzt wird, sondern andere Dinge im Amt vorgehen?
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Bürgermeister Prof. Dr. Fabian: Ich kann nur sagen, wie es gelaufen ist und dass ich das jetzt
noch einmal verwaltungsintern aufrufen werde.
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Oberbürgermeister Jung: Herr Fabian, ich helfe
Ihnen.
Bürgermeister Prof. Dr. Fabian: Danke.
Stadtrat Pellmann (DIE LINKE): Es gibt einen
Beschluss aus 2015, diese Stelle im derzeit laufenden Doppelhaushalt einzurichten. Das Geld ist
dafür eingestellt. Ich verstehe nicht, warum wir
jetzt auf 2019/2020 vertröstet werden. Können Sie
mir das erklären? Dass Stellenbesetzungen eine
Weile dauern können, verstehe ich ja, aber doch
nicht vier Jahre.
Bürgermeister Prof. Dr. Fabian: Weil wir im
Rahmen der Stellenplanung - der Stellenplan wird
Ihnen ja auch zur Beschlussfassung vorgelegt vorübergehend andere Prioritäten setzen mussten.
Stadtrat Pellmann (DIE LINKE): Geben Sie mir
recht, dass die Stelle, um die es hier geht und die
auszuschreiben war, im derzeit aktuellen Stellenplan enthalten ist? Ist das so?
Bürgermeister Prof. Dr. Fabian: Nein, sie ist dort
nicht enthalten.
Oberbürgermeister Jung: Es ist hier eindeutig
ein Fehler passiert, und der wird geheilt; ganz klar.
Herr Schmidt.
Stadtrat Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen):
Wann wird das geheilt? Es wird bald ein Nachtragshaushalt folgen. Wird das in diesem Zusammenhang geheilt, oder müssen wir uns ein weiteres Jahr gedulden? Sie wissen ja, wie die Stellenbesetzungen im aktuellen Doppelhaushalt gelaufen sind. Die ersten Stellen konnten frühestens ab
Oktober besetzt werden; so ist es jedenfalls damals kommuniziert worden. Wenn das auf die
Stellenplanung im nächsten Doppelhaushalt verschoben wird, heißt das faktisch: Es wird weitere
zwei Jahre dauern, bis diese Stelle besetzt wird.
Oberbürgermeister Jung: Lassen Sie uns das
noch einmal prüfen. Das kann jetzt nicht auf Zuruf
am Mikrofon beantwortet werden.
16.3 Kita Windscheidstraße (VI-F-04974)
Stadtrat Pellmann (DIE LINKE): Aber es ist doch
beschlossen worden, dass sie in den derzeit aktuellen Stellnpnlan aufgenommen wird. Es ist
schon ein bisschen komisch, was hier läuft.
Bürgermeister Prof. Dr. Fabian: Sie ist von
Ihnen beschlossen worden; richtig. Aber sie ist bei
der anschließenden Stellenplanung nicht berücksichtigt worden.
Stadtrat Pellmann (DIE LINKE): Dann stelle ich
noch einmal die Frage: Was kann Stadtrat noch
tun, damit seine Beschlüsse von der Verwaltung
tatsächlich umgesetzt werden? Was kann ich als
Stadtrat da noch tun? Ich meine, wir fragen ja
schon ständig nach.
Bürgermeister Prof. Dr. Fabian: Das, was Sie
jetzt getan haben: Sie haben das Instrument der
Anfrage genutzt, um das noch einmal zu problematisieren. Ich kann Ihnen jetzt nur versichern,
dass ich das noch einmal in die Stellenplanung
einbringen werde.
Stadtrat Pellmann (DIE LINKE): Anders gefragt:
Nimmt die Verwaltung das in die Stellenplanung
2019/2020 automatisch auf, oder sollen wir das
als Stadträte auf Wiedervorlage legen und müssen es dann noch einmal neu beantragen?
Einreicher: SPD-Fraktion
Es antwortet Kollegin Dubrau.
Bürgermeisterin Dubrau: Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und
Herren Stadträte! Sehr geehrte Bürgermeister
und Gäste! Es geht hier um das Grundstück Windscheidstraße 45. Zur Frage 1. Der Abschluss des
Erbbaupachtvertrages zwischen der Stadt Leipzig
und der LESG steht noch aus. Das Grundstück
Windscheidstraße 45 befindet sich auf dem Flurstück 298/1 der Gemarkung Connewitz. Es handelt sich dabei um eine Fachliegenschaft des Kulturamtes.
Die Stadtverwaltung hat weiterhin das Ziel, auf
der Liegenschaft Windscheidstraße 45 eine Kindertagesstätte zu errichten. Die Errichtung ist
aber aufgrund der Anforderungen des Lärmschutzes für eine Kita nur im rückwärtigen Bereich zulässig, da die Straße starke Lärmemissionen ausstrahlt. Damit der Lärmschutz greift, ist in Zusammenhang mit der Kindertagesstättenerrichtung
ein Vorderhaus zu errichten, das beispielsweise
als Wohngebäude konzipiert werden kann; also:
vorn an der Straße ein Wohngebäude, das gleichzeitig - in Anführungszeichen - als Lärmschutzwand fungiert, im hinteren Bereich die Kindertagesstätte.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Zur Frage 2. Die Kita ja, aber die erweiterte Nutzung der Liegenschaft beispielsweise durch Wohnen kann nicht durch die LESG erfolgen, da dies
nicht dem Geschäftszweck der Gesellschaft entspricht.
Zur Frage 3. In Abhängigkeit der Klärung im Hinblick auf eine Wohnbebauung ist die Realisierung
bis zum Jahr 2019 weiterhin möglich.
Oberbürgermeister Jung: Gibt es dazu Nachfragen? - Das ist nicht der Fall.
16.4 Einrichtung des Willkommenszentrums
für Geflüchtete und Migranten und Migrantinnen im Bürgeramt Otto-SchillStraße (VI-F-04981)
Einreicher: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Kollege Hörning, bitte.
Bürgermeister Hörning: Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und
Herren! Ich beantworte die Anfrage der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen zum Sachverhalt „Einrichtung des Willkommenszentrums für Geflüchtete
und Migranten und Migrantinnen im Bürgeramt
Otto-Schill-Straße“, in der nach dem Arbeitsstand
gefragt wurde.
Frage 1: Wie ist der aktuelle konkrete Arbeitsstand zum Willkommenszentrum in Leipzig zu beschreiben? Welche Initiativen wurden zur Konzepterarbeitung bereits mit eingebunden? - Sie
haben im Februar 2017 die von uns vorgelegte Informationsvorlage beschlossen. Im Februar 2017
startete das federführende Referat für Migration
und Integration die technisch-organisatorischen
und inhaltlichen Vorbereitungen zur Inbetriebnahme des Willkommenszentrums, die sich an
der oben genannten Vorlage aus dem Februar
2017 orientierten. Diese beinhalten einerseits die
erforderlichen Aktivitäten zur Möblierung und
technischen Ausstattung der vorgesehenen
Räume im Erdgeschoss des Gebäudes OttoSchill-Straße 2 und andererseits die Gewinnung
und Bindung von Kooperationspartnern für die inhaltliche Ausgestaltung des Vorhabens.
Wir konnten bereits vor der Sommerpause dieses
Jahres drei von der Bundesregierung geförderte
Migrationsdienste, nämlich den erband binationaler Familien und Partnerschaften, Mosaik e. V.
und den Internationalen Bund, sowie die Organisation ARBEIT und LEBEN Sachsen für eine wöchentliche Präsenz im Willkommenszentrum gewinnen. In Ergänzung werden natürlich auch die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Bürgeramt Mitte sowie aus dem Referat für Migration
und Integration, welches sich durch einen Umzug
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bereits im gleichen Gebäude befindet, im Willkommenszentrum Dienstleistungen und Präsenz
anbieten können.
Gleichzeitig erleben wir ein hohes Interesse an einer 14-tägigen oder auch monatlichen Präsenz
von migrationsrelevanten Dienstleistungen und
Informationen, beispielsweise des Amts für Jugend, Familie und Bildung, der Bildungsberatung
der Agentur für Arbeit, des Jobcenters, der IHK
und der Verbraucherzentrale Sachsen.
Der Migrantenbeirat der Stadt war bereits bei der
Vorlage eng eingebunden und wird auch weiterhin
über die Fortschritte der Arbeit informiert.
Lassen Sie mich eine grundlegende Bemerkung
zur Einrichtung eines Willkommenszentrums machen in einer Zeit, in der Menschen, die zu uns
gekommen sind, sei es als Geflüchtete oder als
Arbeitsmigranten aus der EU, jetzt zunehmend in
den Regelsystemen unserer Gesellschaft - sprich:
in der Bildung, in der Beschäftigungsförderung, im
Jobcenter oder an anderer Stelle - vorstellig werden, dort ihre Bedarfe artikulieren und ihre Rechte
auf Leistung und Betreuung einfordern. Diese Bedarfe werden in erster Linie an Stellen wie Schule
oder Jobcenter befriedigt und weniger in einem
zentralen Willkommenszentrum, das von Natur
aus nur beratend tätig sein kann und nicht - ich
verweise auf den deutschen Datenschutz - übergreifend, fallbezogen, nachverfolgend mit den Klientinnen und Klienten arbeiten kann. Nichtsdestotrotz werden wir die Arbeit im Willkommenszentrum bald aufnehmen.
Frage 2: Welche offenen Fragen sind noch klärungsbedürftig und mit welchen nächsten Arbeitsschritten wird der Stadtratsbeschluss zur Umsetzung gebracht? - Es ist nichts klärungsbedürftig.
Wir möchten Sie allerdings auf Folgendes hinweisen: Die Eröffnung des Gebäudeteils Otto-SchillStraße, in dem das Willkommenszentrum sinnvollerweise untergebracht ist, nämlich an einem
zentralen Ort der Stadt, wo Bürgerinnen und Bürger, Bewohnerinnen und Bewohner Verwaltungsdienstleistungen nachfragen und der auch als
zentraler Ort angenommen ist, war nicht möglich,
weil Sie als Stadtrat erst im September dem Mietvertrag, der diesen Gebäudeteil betrifft, final zugestimmt haben. Dieser Gebäudeteil war zu diesem Zeitpunkt formal noch nicht angemietet. Wir
konnten natürlich nicht ein Willkommenszentrum
eröffnen, ehe Sie den entsprechenden Beschluss
dazu gefasst haben.
Inzwischen haben weitere Bauarbeiten stattgefunden. Diese sind jetzt abgeschlossen. Wir können jetzt auch mit den Kooperationspartnern ein
entsprechendes Nutzungsmodell aufrufen, mit
dem wir die Computertechnik und andere Dinge
netzwerkgerecht und differenziert auch im Willkommenszentrum nutzen können. Für die weitere
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Umsetzung sind, wie erwähnt, viele Kooperationspartner gewonnen worden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Referats Migration und
Integration befinden sich nach ihrem Umzug zu
Beginn dieses Jahres dort im Gebäude und können über kurze Wege im Willkommenszentrum tätig werden oder die Beratung auch in den Büroräumen des Referats vornehmen. Wir werden
demnächst auch einige Stellen über ein Landesprogramm im Rahmen der Förderrichtlinie „Integrative Maßnahmen“ des SMS/SMBL besetzen
und dort temporär verstärkend auch extern finanzierte Stellen einsetzen, um die Aufgaben, die im
Willkommenszentrum anfallen und auch in Abstimmung mit den großen Regelsystemen Bildung, Arbeit und Wohnen zu tätigen sind, zu erfüllen.
Wir schauen der baldigen Eröffnung mit Freude
und Interesse entgegen.
Oberbürgermeister Jung: Frau Krefft.
Stadträtin Krefft (Bündnis 90/Die Grünen): Herr
Bürgermeister, ich finde es in keiner Weise sachlich gerechtfertigt, dass Sie den Beschluss, den
wir hier im Stadtrat gefasst haben, grundsätzlich
anzweifeln. Wir haben damals ausführlich beraten, was dieses Willkommenszentrum leisten soll.
Sie stellen jetzt infrage, ob man es überhaupt
noch braucht. Das ist nicht Ihr Auftrag. Ihr Auftrag
ist, vom Stadtrat so beschlossen, ein Willkommenszentrum zu eröffnen. Das ist eine Einrichtung, die den migrationsspezifischen Angelegenheiten Rechnung tragen, aber nicht in Konkurrenz
zu den Dingen stehen soll, die im Regelsystem Beratung, Praxis, Schule, Arbeitsamt etc. - ausgeführt werden. Es geht um die Dinge, die für Migrantinnen und Migranten zusätzlich erforderlich
sind. - Das ist das eine.
Sie mögen vielleicht denken: Warum machen die
hier so ein Fass auf? Darauf möchte ich jetzt nicht
weiter eingehen. Ich möchte, dass Sie die eigentliche Anfrage beantworten: Wann wird das Willkommenszentrum, das wir 2015 beschlossen haben, eröffnet? Bitte nennen Sie ein Datum dafür. Danke.
Bürgermeister Hörning: Frau Krefft, wir werden
das Willkommenszentrum im ersten Quartal 2018
eröffnen. Ich hatte Ihnen die Verzögerungsgründe
genannt. Wir konnten kein Willkommenszentrum
in einem Gebäudeteil eröffnen, für den ein von
Ihnen bestätigter Mietvertrag noch nicht vorlag.
Natürlich setzen wir Ihre Aufträge um. Aber, Frau
Krefft: Aufträge aus dem Stadtrat verbieten mir
nicht das fachliche Denken über die Fachaufgabe
Willkommenszentrum. Von daher gestehen Sie
mir die Bemerkung zu, dass zum Beispiel das
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Jobcenter ein eigenes Willkommenszentrum am
Standort Georg-Schumann-Straße aufbaut, das
die über 9.000 Kunden, die einen Flucht- und Migrationshintergrund haben und vom Jobcenter betreut werden, in angemessener fachlicher Weise
willkommen heißen und darin unterstützen wird,
die ihnen zustehenden Rechte, von Arbeitsmarktförderung bis Hilfe zum Lebensunterhalt, wahrzunehmen.
Natürlich wird unser Willkommenszentrum am
Bürgeramt auf diese Angebote verweisen. Aber
ich kann als Verwaltungsdezernent Ihnen hier
nicht eine Beschlusslage von 2015 pflichtgemäß
wiederkäuen, ohne Sie darauf hinzuweisen, dass
es bestimmte Entwicklungen in unserem hoch
ausdifferenzierten Sozialstaat gibt, nämlich dass
die Leistungen für die Menschen, die zu uns gekommen sind, seien es EU-Arbeitsmigranten oder
Geflüchtete, inzwischen von anderen Institutionen
erbracht werden. Das kann ich Ihnen nicht verschweigen. Es gehört zu meiner Aufgabe, Ihnen
das hier auch darzustellen.
Natürlich werden wir das Willkommenszentrum
eröffnen. Das Willkommenszentrum steht klar im
Arbeitsprogramm meines Dezernats und des zuständigen Fachreferats. Wir haben durch mehrfache Gespräche Partner für die Präsenz im Willkommenszentrum gewinnen können. Aber ich
brauche kein Potemkinsches Dorf, das wir sozusagen nur nach Beschlusslage betreiben, sondern es muss sich jeweils an den Bedarfen der
geflüchteten Menschen ausrichten. Danach richtet sich unsere Arbeit.
Oberbürgermeister Jung: Wir kommen zum
nächsten Tagesordnungspunkt:
16.5 Maßnahmen der Stadtverwaltung zur
Standortsicherung für aktuell gefährdete
traditionsreiche Industrieunternehmen
Leipzigs (VI-F-05016)
Einreicher: AfD-Fraktion
Kollege Albrecht antwortet.
Bürgermeister Albrecht: Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Zur Frage 1. Der Erhalt der Siemens
Compressor Systems GmbH ist gefährdet durch
drohende Umstrukturierungsmaßnahmen in der
Gesamtkraftwerkssparte der Siemens AG und ist
damit natürlich auch ein Resultat der geänderten
Energiepolitik in der Bundesrepublik. Die Siemens AG verweist in ihren Stellungnahmen auf
Überkapazitäten, die abgebaut werden müssen.
Aus unserer Sicht ist das nicht nur bedauerlich,
sondern es ist zumindest für den Standort Leipzig
auch nicht nachvollziehbar, weil das Werk nach
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
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den uns vorliegenden Zahlen, die aber mit Sicherheit nicht vollständig sind, effektiv arbeitet und,
was die technischen Produkte und deren Qualität
betrifft, auch sehr innovativ am Markt agiert. Dazu
kommt, dass das Werk mit seinen hochqualifizierten Mitarbeitern ein strukturbestimmendes Unternehmen nicht nur im Leipziger Westen, sondern
in der Gesamtstadt ist und damit höchste Bedeutung genießt.
Leipzig gelenkt wurde. Dies war mir in besonderer
Weise wichtig, weil zu Beginn dieser Diskussion
der Eindruck entstand, dass der Standort Leipzig
sozusagen schon aufgegeben worden ist und in
keinerlei Zusammenhang mit den sonst genannten Schließungen steht. In einem zukünftigen
Bündnis aller relevanten Kräfte zum Standorterhalt wird die Stadt auch weiterhin diese aktive
Rolle einnehmen.
Der Erhalt bzw. die Neuschaffung von Industriearbeitsplätzen am Standort werden im Amt für Wirtschaftsförderung mit höchster Priorisierung behandelt. Die Entwicklung der Rahmenbedingungen auf EU-Ebene und natürlich auch auf Ebene
des Bundes verschärft allerdings auch den Wettbewerb für die klassischen Industriestandorte in
der Stadt.
Nun zur zweiten Firma, die in Ihrer Anfrage genannt wurde: die IMO Leipzig. Zur Frage 1. Die
IMO Leipzig GmbH hat im Juli dieses Jahres Insolvenz angemeldet. Nach Aussagen der Geschäftsführung waren vor allem die Sanktionen
gegen die Russische Föderation und damit der
Wegfall eines der größten Umsatzmärkte des Unternehmens ursächlich. Durch den Insolvenzverwalter werden Gespräche mit Investoren geführt.
Es liegen Bewerbungen vor. Die Verhandlungen
sind noch nicht abgeschlossen. Weitere Informationen zum laufenden Verfahren können wir derzeit aus eigener Erkenntnis nicht geben.
Zur Frage 2. Nach dem Bekanntwerden der Umstrukturierungsmaßnahmen in der Kraftwerkssparte am 24.10. dieses Jahres habe ich mich
bzw. hat sich das Amt für Wirtschaftsförderung
noch am selben Tag sowohl mit der Werksleitung
als auch mit dem Betriebsrat und der zuständigen
Gewerkschaft IG Metall in Verbindung gesetzt,
also noch bevor der Standort Leipzig in den Medien genannt wurde. Mit Beteiligten, allerdings
nicht mit allen, wurde beraten, wie die Stadtverwaltung positiv gegen eine Werksschließung oder
eine Personalreduzierung wirken, und es wurde
Hilfestellung angeboten.
Parallel dazu hat der Oberbürgermeister zusammen mit den beiden Kammern der Stadt Leipzig
Frau Bundeskanzlerin Merkel und Herrn Ministerpräsident Tillich angeschrieben und sie aufgefordert, sich für den Erhalt des Standorts einzusetzen. Ebenso habe ich Herrn Minister Dulig in einem Brief gebeten, seinen Bemühungen um den
Erhalt des Standorts Leipzig die gleiche Priorität
einzuräumen wie dem anderen bedrohten Standort in Sachsen. Zusätzlich erhielt der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, Herr Kaeser, einen
Brief von Herrn Oberbürgermeister Jung, in dem
die Standortqualitäten von Leipzig aufgezeigt und
für den Standorterhalt geworben wurde.
Des Weiteren unterstützt die Verwaltung die Protestaktionen der Mitarbeiter sowie den Widerstand gegen einen Stellenabbau aktiv, zum Beispiel durch Anwesenheit bei Protestaktionen oder
durch Beitritt zur Bündniserklärung. Übrigens: Die
nächste Aktion wird morgen stattfinden.
Zur Frage 3. Die Stadtverwaltung ist frühzeitig auf
Firmenleitung, Betriebsrat und Kammern zugegangen, um eine gemeinsame Strategie abzustimmen. Als erstes Ergebnis kann die aktive Zusammenarbeit und enge Abstimmung mit allen
Beteiligten gewertet werden sowie die Nennung
des Standorts Leipzig in den Medien, sodass der
Fokus hinsichtlich der Stellenerhalte auch auf
Die IMO befindet sich nach unserer Einschätzung
in einem hart umkämpften Markt, in dem sie jahrelang sehr, sehr gut agiert hat. Durch geänderte
politische Rahmenbedingungen ist sie in diese
existenzbedrohende Krisensituation geraten. Unsere Hoffnungen liegen auf der Arbeit des Insolvenzverwalters, um sowohl den Standort als auch
die Fortbeschäftigung der Mitarbeiter in Leipzig zu
sichern. Konzepte zur Aufspaltung und Verlagerung der Firma kann ich, wie Sie hoffentlich nachvollziehen können, nicht gutheißen. Inwieweit sie
den Tatsachen entsprechen, kann ich im Moment
ohnehin nicht einschätzen.
Zu den Fragen 2 und 3. Wie bereits in der Antwort
auf die Anfrage in der Sitzung am 28.08.2017 dargestellt, hat die Verwaltung umgehend zur Geschäftsführung und dem Insolvenzverwalter Kontakt aufgenommen und Hilfestellung angeboten.
Ebenso wurde im Netzwerk bei potenziellen Investoren für die am Verfahren Beteiligten geworben. Allerdings sind im Rahmen eines förmlichen
Insolvenzverfahrens die Handlungsmöglichkeiten
einer Kommune außerordentlich begrenzt.
Oberbürgermeister Jung: Gibt es dazu Nachfragen? - Frau Heller.
Stadträtin Heller (CDU): Vielen Dank für die Ausführungen. - Ich würde gern wissen, ob in Bezug
auf Siemens auch die Situation der Zulieferer, die
wir hier in Leipzig ja auch haben, mitberücksichtigt
wird und diese ebenfalls Unterstützung erhalten.
Bürgermeister Albrecht: Die Mehrzahl der Zulieferunternehmen gehört zur Siemens-Konzern-
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
gruppe, zumindest die größeren. Inwieweit andere Unternehmen dadurch auch in Schwierigkeiten geraten, lässt sich nach unserer Sicht schwer
prüfen.
Oberbürgermeister Jung: Vielen Dank, Herr
Albrecht.
16.6 Fahrtausfall auf Strecken der LVB (VI-F05007)
Einreicher: Fraktion Freibeuter
Frau Kollegin Dubrau antwortet.
Bürgermeisterin Dubrau: Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Sehr geehrte Stadträte, Bürgermeisterkollegen und Gäste! Es geht in dieser
Frage um die Fahrtausfälle und deren Anteil an
der Gesamtzahl der Fahrten. Zu den Fragen 1
bis 3: Der Anteil der Fahrtausfälle an den Fahrten
insgesamt beträgt 0,4 Prozent. - Manch einen
wird diese Zahl erstaunen, weil er persönlich das
Gefühl hat, es seien mehr. Aber das ist der statistisch errechnete Wert. - Insofern gibt es keine Veränderungen zum Vorjahr. Etwa die Hälfte der
Fahrtausfälle hat externe Ursachen wie Unfälle
mit Pkw, Falschparker und Ähnliche.
Zu berücksichtigen ist, dass die LVB-interne Steuerung auf Fahrplan- und Umlaufstunden ausgerichtet ist, zumal in der Regel schnelle Alternativen zur Verfügung stehen. Das führt zu anderen
Bezugsgrößen und -zahlen und bedeutet zum
Beispiel: Personell bedingte Ausfälle haben nur
einen Anteil von 0,03 Prozent der Umlaufstunden.
Angesichts der Dimension und der intern vorliegenden Daten hat uns die LVB gebeten, Sie um
Verständnis zu bitten, auf weitere zeitlich differenzierte Auswertungen zu verzichten. Ich hoffe, das
findet Ihre Zustimmung.
Zur Frage 4. Die Information der LVB-Fahrgäste
erfolgt über verschiedene Eingabemodule: über
das rechnergestützte Betriebssystem, mit dynamischen Informationssäulen an den Haltestellen,
durch Multifunktionsanzeigen im Fahrzeug, durch
Fahrplanauskunftssysteme in Echtzeit und durch
Auskunft der Fahrer, des Weiteren über den Verkehrsinformationstool, also Twitter, E-Mail, Verkehrsmeldungen auf der Website und aktuelle
Verkehrsmeldungen in den Apps Easy.GO und
Leipzig mobil.
Über Informationswege im Internet wie den Gratis-Apps Leipzig mobil und Easy.GO können die
Kunden die Abfahrtzeiten sowie Verbindungen
und aktuelle Verkehrsmeldungen in Echtzeit bekommen
ebenso
durch
den
SMSInformationsdienst, durch RSS-Feeds, durch Twitter und Facebook, durch dynamische Fahrgastan-
S e i t e | 24
zeigen an den Haltestellen, durch das Leipzig Mobilitäts- und Servicetelefon, das täglich von 5 bis
23 Uhr besetzt ist, sowie durch LVZ Online, liz.de
und leipzig-fernsehen.de, durch stündlich aktualisierte Informationen über Radio Leipzig 91,3 sowie durch Auskunft der Mitarbeiter in den Fahrzeugen und das Servicepersonal und deren Partner.
Eine allgemeine Empfehlung für ein wünschenswertes Verhalten der Fahrgäste kann nicht gegeben werden. Das ist immer vom konkreten Einzelfall abhängig und wird dementsprechend kommuniziert.
Oberbürgermeister Jung: Gibt es dazu Nachfragen? - Frau Gabelmann.
Stadträtin Gabelmann (Freibeuter): Die Ausdifferenzierung nach Fahrzeiten war uns schon nicht
ganz unwichtig. Ich sage einmal so: Wenn ein
Kunde auf seinem Smartphone sieht, dass nachmittags eine Fahrt am Hauptbahnhof ausfällt, ist
das etwas völlig anderes, als wenn eine ältere
Dame um 6 Uhr morgens in Althen auf den Bus
wartet, um zu einem Arzttermin um 8 Uhr in die
Innenstadt zu fahren, schon weil sie vielleicht aufgrund ihres Alters nicht über ein Smartphone verfügt. Von daher wäre es schön, wenn diese Zahlen vonseiten der LVB nachgereicht würden.
Ich finde es schon nicht unwichtig, zu wissen:
Wann kommt es zu Fahrtausfällen? Wenn sie sich
beispielsweise in den frühen Morgenstunden,
noch dazu in der dunklen Jahreszeit, häufen, ist
natürlich auch das Problem der Sicherheit berührt, die in einer Großstadt nicht unwichtig ist.
Eine Information zum Fahrtausfall ist an einer Haltestelle, die nicht über eine dynamische Fahrgastanzeige verfügt, nur schwer zu bekommen. Von
daher ist die Frage: Wie verhält man sich weit außerhalb frühmorgens im Dunklen, wenn man nicht
weiß, ob nur diese eine Fahrt ausfällt oder auch
die nächsten fünf Fahrten ausfallen, weil es irgendwo eine größere Störung gibt?
Zumindest das muss mitbetrachtet werden. Das
muss jetzt nicht sofort beantwortet werden. Aber
ich möchte Sie bitten, diese Informationen nachzureichen, weil ich das auch unter Sicherheitsaspekten sehr dringlich finde.
Bürgermeisterin Dubrau: Ich werde die LVB
deswegen noch einmal anfragen. Aber Sie müssen bedenken: Es ist ein sehr großer Aufwand,
sämtliche Fahrten daraufhin zu prüfen. Noch einmal: Nur 0,4 Prozent der Fahrten insgesamt fallen
tatsächlich aus.
(Unruhe)
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
S e i t e | 25
Wenn Sie dagegen anführen, deswegen könnte
jemand überfallen werden: Das wäre natürlich
höchst bedauerlich, würde aber nichts an den statistischen Zahlen ändern, die Sie hier explizit angefragt hatten.
Bürgermeisterin Dubrau: Zur Frage 1. Sie wissen, es hat eine große Untersuchung der drei Varianten gegeben. Ursprünglich wurde dem Stadtrat vorgeschlagen, die Einrichtung im Allee-Center unterzubringen. Dieser Vorschlag stieß damals
auf Kritik bzw. fand keine Zustimmung.
Oberbürgermeister Jung: Wir kommen zum
nächsten Tagesordnungspunkt:
Sie hatten uns beauftragt, die Möglichkeit zu prüfen, das Gebäude der Post, das sich neben dem
Allee-Center in der Stuttgarter Allee befindet,
käuflich zu erwerben, um das Bildungs- und Bürgerzentrum dort unterzubringen. - Sehr intensive
Verhandlungen mit dem derzeitigen Eigentümer
haben in Bezug auf einen Kauf nicht zu einem positiven Ergebnis geführt, aber zu einem Angebot
zwecks Miete. Dieses war in der Ursprungsvariante eigentlich relativ gut, hat sich dann aber im
Laufe der weiteren Verhandlungen extrem erhöht.
16.16 Ruhestörung durch Feuerwerkskörper
in Mölkau (VI-F-04967)
Einreicher: Stadträtin N. Wohlfarth
Kollege Rosenthal, da sind Sie gefordert.
Bürgermeister Rosenthal: Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte! Zur ersten Frage. Nein, der Verwaltung sind
keine Beschwerden aus Mölkau bekannt. Zu dem
angrenzenden Stadtteil Holzhausen gab es insgesamt zwei Beschwerden im Zeitraum 2016 bis November 2017.
Zur zweiten Frage. In Mölkau gab es in 2016 vier
Genehmigungen und in 2017 eine Genehmigung.
Im angrenzenden Stadtteil Baalsdorf gab es keine
Genehmigung. In Holzhausen gab es vier Genehmigungen.
Zur dritten Frage. Bedauerlicherweise kommt es
im gesamten Stadtgebiet immer wieder zum illegalen Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände,
die von Privatpersonen ohne eine Ausnahmegenehmigung nach § 24 Absatz 1 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz durchgeführt werden. Diese Fälle können nur schwer geahndet
werden, da in den meisten Fällen die Personen,
welche die pyrotechnischen Gegenstände abbrennen, nicht sicher festgestellt werden können.
In allen Fällen, wo der Behörde konkrete Angaben
zum Verursacher des illegalen Abbrennens bekannt werden, können Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet werden. Voraussetzung dafür
ist allerdings, dass genaue Angaben zum Tatort,
zur Dauer und zum wahrscheinlichen Verursacher
bekannt werden. Die Stadt Leipzig, hier: das Ordnungsamt, ist daher auf konkrete Hinweise aus
der Bevölkerung angewiesen.
Kontrollmaßnahmen sind nur eingeschränkt möglich, da, wie gesagt, Orte und Zeiten illegalen Abbrennens im Vorfeld regelmäßig nicht bekannt
sind.
Oberbürgermeister Jung: Nachfragen? - Nein.
16.17 Bildungs- und Bürgerzentrum
Grünau (VI-F-05002)
Einreicher: Stadtrat S. Pellmann
Kollegin Dubrau, bitte.
in
Weitere Verhandlungen mit dem Allee-Center das war die zweite Variante - haben ergeben,
dass ursprünglich vorgesehene Räume nun nicht
mehr zur Verfügung stehen und derzeit noch mögliche Räume mit sehr großen Umbauarbeiten verbunden wären, sodass von dieser Variante Abstand genommen wurde.
Die dritte Variante, die untersucht worden ist, geht
auf die ursprüngliche, aber aus Kostengründen
verworfene zurück, nämlich die Variante der Sanierung, des Umbaus und der Erweiterung der
Stadtbibliothek Grünau. Nachdem sich die Kosten
für die ersten beiden von mir eben dargestellten
Varianten immer weiter erhöht haben und sich
nicht die Möglichkeit eines Kaufs des Postgebäudes ergeben hat, ist diese dritte Variante im August dieses Jahres auf der Bürgermeisterklausur
als Vorzugsvariante beschlossen worden. Dazu
ist ein entsprechender Grundsatz- und Planungsbeschluss erarbeitet worden, der sich derzeit im
Verfahren befindet. Da dort sehr viele verschiedene Einrichtungen einziehen sollen, ist das nicht
so einfach.
Zur Frage 2. Ich hoffe, Informationen zu der jetzt
möglichen Variante im Januar 2018 vorlegen zu
können.
Zur Frage 3. Nach dem Stand der Diskussion ist
eine Unterbringung im dann umgebauten und erweiterten Gebäude der jetzigen Bibliothek
Grünau-Mitte vorzusehen. Das hat zwei Vorteile:
Ein Vorteil ist, dass dieses Gebäude, auch wenn
dort am Anfang größere Investitionen erforderlich
sind, unser eigenes Gebäudes ist und langfristig
keine zusätzlichen Mietkosten anfallen, sodass
wir nach ungefähr 15 Jahren im positiven Bereich
sind. Der zweite Vorteil ist: Das könnte dazu beitragen - ich war vor 14 Tagen in Grünau und habe
mir das persönlich noch einmal vor Ort angeguckt -, die Stuttgarter Allee - vielleicht nicht direkt
am Allee-Center bzw. am Bahnhof, sondern ein
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Stück weiter die Straße hinauf - wesentlich zu beleben und ihr ein positives Image zu geben.
Zur Frage 4. Nach dem gegenwärtigen Stand der
Diskussion soll die Einordnung in den Haushalt
2019/2020 erfolgen. Zuvor sind allerdings noch
eine Diskussion im Stadtrat und ein entsprechender Beschluss erforderlich.
Zur Frage 5. Es wurden Fördermittel in Höhe von
1,5 Millionen Euro im Rahmen des Programms
„Soziale Stadt“ beantragt. Der bewilligte Förderrahmen könnte als Co-Finanzierung ausreichen.
Eine förderrechtlich notwendige Zustimmung
kann natürlich erst nach Vorlage der Planung eingeholt werden.
Zur Frage 6. An den Bestandsgebäuden besteht
ein Sanierungs- und Anpassungsbedarf, unter anderem bezüglich der Schaffung von ausreichender Barrierefreiheit. Die letzte Kostenschätzung
dazu stammt aus dem Jahr 2014 und wurde im
Rahmen des Variantenvergleichs vorgenommen.
Sie hatte sich damals als die schlechteste herausgestellt. Zum damaligen Zeitpunkt ist man von einem Aufwand ausschließlich für diese beiden Kategorien in Höhe von 850.000 Euro ausgegangen.
Inzwischen gehen wir von höheren Kosten aus.
Inhaltlich kann die Notwendigkeit der Verbesserung der Qualität der Arbeit dort nicht gewährleistet werden. Insofern gehen wir davon aus, dass,
wenn die entsprechende Beschlussfassung vorliegt, die Gelder in das neue Objekt investiert werden und nicht für einen relativ kurzen Zeitraum in
Größenordnung für die Bestandsgebäude ausgegeben werden.
Oberbürgermeister Jung: Nachfragen dazu? Herr Pellmann.
Stadtrat Pellmann (DIE LINKE): Ich würde darum bitten, meine erste Nachfrage schriftlich oder
gegebenenfalls in nichtöffentlicher Sitzung zu beantworten, weil sie die avisierten Kosten für eine
Nachnutzung des Postgebäudes betrifft, nämlich:
Wie hoch sollte die Kaufsumme bzw. die Miete
sein, die dafür aufgerufen wurde? Ich denke, es
ist sinnvoll, das in nichtöffentlicher Sitzung zu beantworten.
Ich habe noch eine zweite Frage. Sie sprachen
eben davon, dass in die beiden noch verbleibenden Bestandsgebäude in der Peripherie der WK 8
und WK 7 nicht mehr investiert werden soll. Was
passiert mit diesen Gebäuden nach 2019/2020?
Gibt es da schon Überlegungen und, wenn ja, wie
sehen sie aus?
Bürgermeisterin Dubrau: Ganz so schnell wird
es nicht gehen. Die Bauarbeiten müssen ja auch
noch stattfinden. Derzeit sind noch keine neuen
S e i t e | 26
Nutzungen vorgesehen. Ich denke, man sollte
Bauarbeiten erst dann durchführen, wenn man
tatsächlich um die neue Nutzung weiß. Ansonsten
wäre das eine Investition für eine sehr kurze Zeitspanne. Bei einem eventuellen Umbau würde das
später wieder herausgerissen und noch einmal
neu gemacht werden.
Stadtrat Pellmann (DIE LINKE): Gibt es schon
einen Nachnutzer für diese beiden Objekte?
Bürgermeisterin Dubrau: Derzeit noch nicht. Ihre erste Frage werde ich schriftlich beantworten.
Oberbürgermeister Jung: Herr Schlegel.
Stadtrat Schlegel (DIE LINKE): Ich werde mich
auch in Fragen fassen. - Wird darüber nachgedacht, die Vielfalt der Nachnutzungen dieser Gebäude zu prüfen? Es wird ja keine exakte Nachnutzung in Form einer Bibliothek geben. Da es
sich hier um Gebäude in industrieller Bauweise
handelt, käme eventuell auch ein Gewerbebetrieb
oder Ähnliches dafür infrage.
Ich habe noch eine zweite Frage. Verursacht
wurde die Situation durch die Zusammenlegung
von drei Bibliotheken aufgrund des Stadtumbaus.
Ist es möglich, hier noch einmal Fahrt aufzunehmen und Aufwertungsmittel für den Stadtumbau
und die Zentralisierung der Bibliotheken zu beantragen?
Bürgermeisterin Dubrau: Ich hatte ja gesagt: Es
wurden Fördermittel in Höhe von 1,5 Millionen
Euro im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“
beantragt.
Stadtrat Schlegel (DIE LINKE): Das ist gleichzusetzen mit Aufwertungsmitteln für den Stadtumbau?
Bürgermeisterin Dubrau: Das ist das Programm
„Soziale Stadt“.
Stadtrat Schlegel (DIE LINKE): Ich sprach aber
von dem Programm Aufwertungsmittel für den
Stadtumbau.
Bürgermeisterin Dubrau: Ich weiß nicht, ob wir
noch ein zweites Programm beteiligen können.
Das muss ich jetzt offen lassen.
Stadtrat Schlegel (DIE LINKE): Aber man kann
ja trotzdem noch einmal prüfen, ob man weitere
Mittel beantragen kann.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Bürgermeisterin Dubrau: Ja, aber die maximale
Förderhöhe ist immer auf einen bestimmten Anteil
an der Gesamtinvestitionssumme begrenzt.
Oberbürgermeister Jung: Wir kommen zum
nächsten Tagesordnungspunkt:
16.18 Umbaumaßnahmen und Aufwertung
Grünauer Allee (VI-F-05004)
Einreicher: Stadtrat S. Pellmann
Frau Dubrau, Sie sind schon wieder gefragt.
Bürgermeisterin Dubrau: Zum Sachverhalt. Die
Umbaumaßnahmen und Aufwertung der Grünauer Allee wird vom ASW und vom ASG im Rahmen des „Soziale Stadt“-Gebietes Grünau als
Maßnahme „Neugestaltung Zentrum WK 2“ bearbeitet.
Zur Frage 1. Die Idee der Umgestaltung geht auf
einen recht langen, schon 2009 begonnenen Planungs- und Beteiligungsprozess im Stadtteil zurück. 2012 mündete dieser in einer Bürgerbeteiligung zur Anfertigung einer Aufgabenstellung zur
Erneuerung des oben genannten Bereiches.
Maßnahmen der Bürgerbeteiligung waren eine
umfassende Befragung vor Ort sowie eine ganztägige Vor-Ort-Werkstatt, bei der anhand von ersten Planungsskizzen Ideen zur Umgestaltung gesammelt worden sind. Über die nachfolgende
Ausstellung der Entwurfspläne in einem angrenzenden, leerstehenden Laden wurde die Einarbeitung der Anregungen der Bürger plakativ veröffentlicht.
Kernpunkte der Anregungen waren zum Beispiel
die niveaugleiche Ausführung der Wegebeläge,
die Erhaltung wichtiger Ausstattungselemente wie
den „Turm der Jugend“, die Neuaufstellung der
allseits beliebten Spielplastik „Kleiner Delphin“,
die Aktivierung des Wasserspiels und die Neugestaltung der Vegetationsflächen mit interessanten
Blühaspekten sowie die Wiederherstellung der
Sichtbeziehungen.
Der endgültige Umgriff eines ersten Bauabschnitts wurde entsprechend der zur Verfügung
stehenden Fördermittel und durch den Zuschnitt
eines prioritären und im Bauablauf technisch sinnvollen Bereiches in 2015 konkretisiert. Der Baubeschluss hierzu wurde am 04.01.2017 gefasst.
Zur Frage 2. Die Bewohnerinnen und Bewohner
des Stadtteils wurden und werden auf der Internetseite des Quartiersmanagements sowie im
Stadtteilladen mit plakativen Aushängen informiert. Darüber hinaus wurde durch das Quartiersmanagement am 28.09.2017 eine Information an
die Presse gegeben. Das wird bei neuen Bauabschnitten entsprechend wiederholt.
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Zur Frage 3. Die erste Ausschreibung der geplanten Bauleistungen erfolgte 2017, musste jedoch
am 14.08.2017 mangels gültiger Angebote aufgehoben werden. Mit erneuter Ausschreibung und
Submission am 20.10.2017 liegen jetzt verwertbare Angebote vor. Die Informationsfrist endet am
27.11.2017. Der Zuschlag wird noch im November
erteilt. Der Baubeginn soll am 15.05.2018 erfolgen.
Zur Frage 4. Das Bauende ist derzeit terminiert
auf den 23.11.2018.
Zur Frage 5. Die Gesamtkosten der Maßnahme
betragen 720.000 Euro brutto. Der städtische Anteil beträgt 260.000 Euro. Die Finanzhilfen in
Höhe von 460.000 Euro kommen aus dem Programm „Soziale Stadt“ Grünau.
Zur Frage 6. Das angrenzende Objekt der ehemaligen Konsum-Kaufhalle sowie das entsprechende Flurstück 734 sind in das Eigentum der
Stadt Leipzig übergegangen. In diesem Zusammenhang gab und gibt es aktuell Gespräche zur
Wieder- bzw. Umnutzung des Konsumgebäudes
sowie des entsprechenden Flurstücks, deren Ausgang noch offen ist. Hierbei sind das Liegenschaftsamt sowie potenzielle neue Nutzer und Eigentümer involviert. Das gesamte Areal, bestehend aus Theatrium, ehemaliger Konsum-Kaufhalle sowie den beiden Quergebäuden, wird unter
dem Entwicklungsziel der Ausbildung eines Kultur- und Gewerbehofes betrachtet. Ich verweise in
diesem Zusammenhang auf das im Verfahren befindliche Stadtentwicklungskonzept Grünau 2030.
Oberbürgermeister Jung: Haben Sie dazu
Nachfragen, Herr Pellmann?
(Stadtrat Pellmann [DIE LINKE]:
Ich bin zufrieden!)
- Zufrieden. - Herzlichen Dank, Frau Dubrau.
Damit ist die Fragestunde beendet. Die übrigen
Fragen werden schriftlich beantwortet.
Meine Damen und Herren, wir legen jetzt eine
Pause ein. Um Punkt 17 Uhr beginnt die Wirtschaftspolitische Stunde. Bitte seien Sie pünktlich! Bis dahin unterbreche ich die Sitzung.
(Unterbrechung)
Oberbürgermeister Jung: Meine Damen und
Herren, die Sitzung wird fortgesetzt. Es geht jetzt
weiter mit einem ganz wichtigen Thema:
13
Wirtschaftspolitische
Stunde
„Wirtschaftsförderung zukunftsfähig gestalten - Fokus Bestandsförderung“
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
In unserem kommunalpolitischen Alltag, entgeht
uns oft, wenn wir durch die Vorlagen hecheln,
dass es im Grunde immer um die wirtschaftliche
Entwicklung unserer Stadt geht. Ohne Wirtschaft,
keine Finanzen. Ohne Finanzen, keine Vorlagen,
auch keine zu Einsparungen. Kurzum: Ich glaube,
wir sind gut beraten, einmal mehr darüber nachzudenken.
Zu Beginn dieser Debatte eine kurze Einführung
meinerseits. Noch nie ging es Leipzig so gut wie
zurzeit. In den letzten sieben Jahren hat unser BIP
um 38 Prozent zugenommen. Im Vergleich dazu:
Deutschland hatte im selben Zeitraum ein Wachstum von 18 Prozent. Unser Wachstum war also
weit überdurchschnittlich. In den letzten sieben
Jahren wurden in unserer Stadt 60.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen. So erklärt sich auch das Wachstum in unserer
Stadt. Ohne die wirtschaftlichen Effekte und ohne
das Entstehen von neuen Arbeitsplätzen wäre die
Stadt in den letzten zehn Jahren nicht um 100.000
Menschen gewachsen.
Insofern stehen wir - diese Diskussion führen Kollege Albrecht und ich regelmäßig; sie wird aber
auch im Kreis der Beigeordneten geführt - vor der
Weichenstellung: Wie wollen wir die Wirtschaftsförderung der nächsten Jahre ausrichten? Die
Zeiten, als wir die großen Automobilwerke hier ansiedeln oder den einen oder anderen großen
Fisch, der Tausende neue Arbeitsplätze schafft.
an Land ziehen konnten, sind sicherlich vorbei.
Kollege Albrecht sagt immer: Jetzt geht es um den
Bestand und dessen Entwicklung. Jetzt geht es
um die Entwicklung des Mittelstandes, die
40 Jahre lang nicht gemacht werden konnte. Ein
mittelständisches Unternehmen im Schwarzwald
wäre bei uns ein Riesenunternehmen. Das ist der
Boden, auf dem wir diskutieren.
Wir haben uns heute kompetente Hilfe eingeladen. Ich begrüße ganz herzlich Herrn Professor
Reint E. Gropp. Er ist Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, einer ganz gediegenen Einrichtung. Seit 2014 ist er auch Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre an der
Guericke-Universität Magdeburg. Ich bin sehr gespannt, wie er die Lage in Leipzig und in ganz Mitteldeutschland einschätzt. Wenn wir in der Metropolregion diskutieren, stelle ich immer wieder fest:
Wir sind ein Ballungsraum fern der Grenzen. Das
IWH ist eines der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland. Unter anderem
ist es im Auftrag der Bundesregierung an der Erstellung der Gemeinschaftsdiagnose beteiligt.
Herr Professor Gropp, herzlich willkommen!
Danke, dass Sie hier sind.
Bevor Herr Professor Gropp das Wort erhält, wird
zunächst Kollege Albrecht kurz in das Thema einführen. - Bitte schön, Herr Albrecht.
S e i t e | 28
Bürgermeister Albrecht: Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren!
Sehr geehrter Herr Professor Gropp! Es gibt zwei
Seiten der Wirtschaftsmedaille der Stadt Leipzig.
Fangen wir mit der positiven an. Wir haben insbesondere in den letzten Jahren einen immensen
Aufholprozess vollzogen. Das lässt sich auch anhand von Zahlen anschaulich nachweisen. Die
beste Zahl dafür ist, wie ich meine, die Arbeitslosenquote. Während es in der Zeit 2006/2007 noch
beängstigende zweistellige Zahlen gab, liegt die
Quote derzeit, Stand Oktober, bei 7,2 Prozent.
Wie gerade vom Oberbürgermeister erwähnt, sind
in Leipzig seit 2005 60.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze dazugekommen, sodass
sich deren Zahl auf derzeit 255.500 erhöht hat. Interessant zu wissen ist auch, dass 218.000 Arbeitsplätze durch Leipziger besetzt sind. Das
heißt im Umkehrschluss: Wir sind, zumindest in
Teilen, ein Zugpferd für die Gesamtregion. Nicht
nur weil wir uns das so wünschen, sondern weil
uns das auch andere bestätigen, kann man also
sagen: Wir sind die erfolgreichste Wirtschaftsförderung Ostdeutschlands und haben, was die Rahmenbedingungen betrifft, einen wesentlichen Anteil am Wachstum der Stadt.
Aber - und damit komme ich zur anderen Seite der
Medaille - das führt auch zu weiteren Herausforderungen. Die Ausgaben steigen: für Infrastruktur,
für Schule, für Kita, für soziale Pflichtaufgaben.
Am Ende steht die Frage: Ist es ein Selbstzweck,
immer neue Arbeitsplätze zu schaffen, oder muss
nicht auch auf die Handlungsfähigkeit der Kommune geachtet werden? Hier benutze ich den
Zielbegriff aus der neu überarbeiteten Fassung
des INSEK: Diese überproportionalen Ausgaben
müssen immer auch mit den Einnahmen in Einklang stehen. Jetzt kann man sagen: Wir sind da
auf einem guten Weg; der Zielkurs stimmt. Aber:
Die Einnahmesituation und damit die Wirtschaftskraft der Stadt weiter zu erhöhen, das ist eine
mehr als anspruchsvolle Aufgabe.
Wir müssen uns die Frage stellen: Wie können wir
diese anspruchsvollen Ziele erreichen? Im Unterschied zu der Situation vor drei und noch deutlicher zu der vor zehn Jahren, geht es jetzt um die
Qualität der Arbeitsplätze. Das heißt: die Wirtschaftsförderung auf gleichem Niveau fortsetzen
und noch mehr als bisher auf die Schaffung von
neuen Industriearbeitsplätzen setzen. Insofern ist
die momentane Krisensituation - ich benenne es
klar - bei Siemens kontraproduktiv. Wir unterstützen jeden, sei es den Betriebsrat oder andere Beteiligte, der sich für den Erhalt dieser für Leipzig
hoch wichtigen Industriearbeitsplätze einsetzt.
Ziel bleibt natürlich eine Erhöhung der Anzahl von
Arbeitsplätzen insgesamt; denn insbesondere
Personen aus dem Leipziger Umland sind auch
auf der Suche nach anderen, nicht unbedingt
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
technologieorientierten, sondern eher einfachen
Arbeitsplätzen. Auch hier sind wir weiterhin in der
Pflicht. Das heißt: Die Anstrengungen der Wirtschaftsverwaltung und der Wirtschaftsförderung
dieser Stadt sind das eine, aber an diesen anspruchsvollen Aufgaben muss die gesamte Verwaltung beteiligt werden.
Schauen wir uns einmal die Rahmenbedingungen
an. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir feststellen:
Nicht alle Rahmenbedingungen haben sich verbessert. Hier ist insbesondere die Förderkulisse
der EU und des Freistaats Sachsen zu nennen.
Es klingt zwar immer sehr schön, wenn gesagt
wird: Wir sind gut vorangekommen; wir sind überdurchschnittlich gewachsen. Aber die Konsequenzen, die sich aufgrund der geänderten Förderkulisse ergeben, sind eher unangenehm, weil
sie uns von vielen Fördermöglichkeiten abschneiden.
Nicht umsonst haben Investoren in der Vergangenheit immer zuerst die Frage gestellt: Was habt
ihr als Förderkulisse anzubieten? Welche Fördermöglichkeiten können wir in Anspruch nehmen? Hier hat sich unser Instrumentenkasten deutlich
gelichtet. Lag noch vor 15 Jahren der Fokus auf
der Verfügbarkeit von Arbeitskräften allgemein,
zielen die Anfragen von Unternehmen heute - neben der Nachfrage nach Fördermitteln - immer öfter auf die Verfügbarkeit von spezialisierten Mitarbeitern in der Stadt und der Region. Für die Unternehmen wird es immer wichtiger, welche Voraussetzungen sie vorfinden. Stehen Mitarbeiter
mit der erforderlichen Qualifikation vor Ort zur
Verfügung? Das heißt für uns: Wie können wir unser Image halten, dass in unserer Stadt und der
Region die entsprechenden Mitarbeiter zu finden
sind?
Das zweite große Thema betrifft die Frage der Infrastruktur, wobei ich diese durchaus etwas weiter
fassen will als Autobahn, Flughafen, innerstädtisch funktionierende Logistik und Infrastruktur,
einschließlich funktionierende Wirtschaftsverkehre und ÖPNV. Dazu gehört auch - nicht nur
weil wir das so sehen, sondern weil das nachgefragt wird - das Thema Breitbandinfrastruktur.
Wenn wir ehrlich sind, 50 MB können nur ein Anfang sein. Das heißt: Wir werden in ausgewählten
Pilotregionen mit Sicherheit höhere Mobilfunkstandards anbieten müssen, wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen. Es gilt, die konkreten
Projekte glaubhaft - man kann nur mit Zahlen argumentieren, dass dieser oder jener Versorgungsgrad erreicht ist - auch nach außen zu vertreten. Dazu gehören Themen wie Smart City und
das autonome Fahren. Wenn wir da nicht im
wahrsten Sinne des Wortes Gas geben, werden
uns andere überholen.
Welcher Fokus ist damit für die Wirtschaftsförderung gesetzt? Wie kann die Wirtschaftskraft weiter
S e i t e | 29
wachsen? Auch da gilt es, einen realistischen
Blick zu bewahren. Wir müssen uns die Frage
stellen: Wo kann und muss Kommune Rahmenbedingungen schaffen und wo kann sie das nicht?
Der Oberbürgermeister hatte eingangs gesagt:
Neben Neuansiedlungen von Unternehmen werden wir für ein kontinuierliches wirtschaftliches
Wachstum in unserer Region, sprich: in Stadt und
Umland, die Bestandsunternehmen entwickeln
sowie Neugründungen fördern, also die Wirtschaftskraft von Unternehmen stärken, die schon
vor Ort ansässig sind. Insofern von meiner Seite
noch einmal der Hinweis: Dazu zählt auch die Sicherung des Erhalts von Bestandsunternehmen.
Ziel ist es, diese Unternehmen zu befähigen, aus
sich heraus zu wachsen.
Sowohl die jüngere als auch die weiter zurückliegende Vergangenheit zeigt: Es ist unglaublich
schwer bis fast unmöglich, mittelständische Unternehmen in der vierten, fünften, sechsten Generation, beispielsweise aus Baden-Württemberg oder Hessen, für Leipzig zu gewinnen. Selbst wenn
die Standortbedingungen dort schlechter sind,
das Wachstum deutlich geringer ausfällt und die
Verfügbarkeit von Arbeitskräften ein Problem darstellt, ist ihre Verwurzelung in ihrer Stadt und ihrer
Region so ausgeprägt, dass sie diese konkreten
Standortnachteile in Kauf nehmen und nicht an einen anderen Standort, sprich: nach Leipzig, gelockt werden können.
Insofern müssen wir sehen, wie wir die Möglichkeiten einer direkten und indirekten Förderung definieren, die wir als Stadt leisten können, um unseren hier vor Ort befindlichen Bestandsunternehmen geeignete Instrumente anzubieten. Wir haben das in vielen Gremien, auch im Wirtschaftsausschuss, detailliert diskutiert, wofür ich sehr
dankbar bin.
Wir haben schon vor mehreren Jahren ein Mittelstandsförderprogramm aufgelegt, das zwar in anderen Kommunen keine Nachahmer gefunden
hat, aber mit dem wir bei unseren Unternehmen
auf große Resonanz stoßen. Wir müssen die
Treffsicherheit unseres Mittelstandsförderprogramms weiter erhöhen, um eine gezielte Förderung von Wachstum zu erreichen. - Das ist das
eine.
Das Zweite ist die Förderung von Neugründungen
hier vor Ort. Hier ist natürlich in besonderer Weise
unser Vorteil - den will ich nicht verhehlen -, dass
die Hochschulen, die Universität, die HTWK, die
Handelshochschule in gewisser Weise positive
Lieferanten von Gründungswilligen sind. Dennoch
ist die Frage der neuen Qualität der Förderung
von Innovationen und Technologietransfer nie
wirklich abschließend beantwortet. Es ist für uns
ein Riesenvorteil, dass wir nicht nur ein Digital
Hub sind, sondern inzwischen auch mit konkreten
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Projekten unter dieser Dachmarke erste Erfolge
vorweisen können wie die Schaffung eines hochschulübergreifenden Kompetenzzentrums, ein
neues Technologiezentrums für Industrie, Energie
und Mobilität oder eines Technologiezentrums für
Biotechnologie.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Wirkung der
Elemente der indirekten Bestandsförderung,
sprich: die Schaffung von Rahmenbedingungen
für die sogenannten weichen Faktoren. Im Moment gelten wir darin als sehr kompetent. Aber
dies gilt es jeden Tag aufs Neue zu bestätigen. Da
ist zum einen die Schwerpunktsetzung in den
Clustern, die wir über die Jahre definiert haben
und die eine klare Branchenfokussierung darstellen. Zum anderen werden wir als Verwaltung insgesamt als wirtschaftsfreundlich wahrgenommen - beim „wir“ schließe ich Sie mit ein -, weil wir
Ideen unterstützen und Entscheidungen treffen.
Das wird von außen als positiv und entscheidungswillig wahrgenommen.
Ich will noch auf einen weiteren wichtigen Punkt
eingehen, und zwar auf die Industrialisierung, wo
wir uns deutlich von anderen Städten und deren
Fokussierung abheben. Nicht nur wegen der Automobilindustrie und ihrer Zulieferunternehmen ist
die Bruttowertschöpfung im industriellen Bereich das sagen nicht nur Wissenschaftler, sondern das
ist auch in unserer Steuerbilanz nachweisbar nach wie vor die höchste. Insofern wird es Sie,
meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht
überraschen, wenn ich an dieser Stelle sage: Wir
brauchen eine richtige TU, um einmal diesen Arbeitsbegriff zu verwenden. Noch nie war die
Chance dafür so groß wie jetzt. Durch die neuen
Entwicklungen an der Hochschule für Telekommunikation eröffnet sich nicht nur die Chance der
Schaffung eines gemeinsamen Campus mit der
HTWK, sondern auch von neuen Kompetenzen in
den technischen und technologischen Fakultäten.
Darüber hinaus gibt es weitere Aufgaben, die im
Gesamtbild sicherlich als selbstverständlich gelten. Dennoch ist es mir sehr wichtig, sie zu benennen. Das ist zum einen die Frage von Industrieund Gewerbestandorten innerhalb der Stadt, und
zwar an unterschiedlichsten Stellen in unterschiedlichster Größe und Qualität. Da geht es natürlich los mit unserer Perle, der Alten Messe. Es
geht aber auch um die Revitalisierung von Brachen, die oft genug nicht in unserem Eigentum
sind. Wir müssen uns, auch wenn dies teuer werden kann, in Zukunft dieser Aufgabe stellen.
Meine Sorge ist, dass zunehmend kleine Unternehmen keine Perspektive mehr innerhalb des
Stadtgebiets sehen, sprich: dass der Bestand von
innerstädtischen kleinen und kleinteiligen Gewerbegebieten unmittelbar am Ort immer schwieriger
wird. Deshalb an dieser Stelle der Appell an uns
alle: Auch das ist ein wichtiges Thema, dem aus
meiner Sicht die gleiche Priorität zuzumessen ist
S e i t e | 30
wie die Bereitstellung von sozialer Infrastruktur oder von Flächen für den Wohnungsbau.
Noch einmal: Neben den sogenannten harten
Standortfaktoren heißt es, das wirtschaftliche
Wachstum als Ziel der Gesamtverwaltung einschließlich der Gremien zu begreifen. Dazu gehört auch, zu sagen: Wir brauchen eine Willkommenskultur für Unternehmen, insbesondere für Industrie und Gewerbe. Wir brauchen das Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Nutzungsarten und müssen uns als Dienstleister für
die Wirtschaft verstehen, sei es im Bereich des
ÖPNV, sei es bei der Bereitstellung von Kita- und
Schulplätzen oder bei anderen Themen, die auf
den ersten Blick nicht unbedingt zu meinem Ressort gehören, aber dennoch einen starken Einfluss ausüben.
Wir sind also als Einheit gefordert. Insofern
möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich beim
Stadtrat für seine Unterstützung, ob in der Haushaltsdiskussion oder bei der Diskussion um Vorlagen aus meinem Dezernat, zu bedanken. Wenn
ich einen Wunsch formulieren darf: Ich würde
mich auch im Namen meiner Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter sehr freuen, wenn wir diesen erfolgreichen Weg mit der gleichen Dynamik fortführen
können. - Danke schön.
Oberbürgermeister Jung: Vielen Dank, Herr
Albrecht. - Herr Professor Gropp, jetzt haben Sie
das Wort. Bitte schön.
Prof. Gropp (IWH): Vielen Dank. - Herr Oberbürgermeister! Herr Albrecht! Sehr geehrte Damen
und Herren! Ich freue mich, dass ich hier die Perspektive meines Instituts zum Thema Wirtschaftsförderung im weitesten Sinne zusammenfassen
darf.
(Präsentation)
Für diejenigen, die nicht wissen, was das IWH ist.
Es ist eines von sechs Leibniz-Forschungsinstituten in den Wirtschaftswissenschaften. Wie vom
Oberbürgermeister schon erwähnt, machen wir
zusammen mit anderen Instituten einmal im Jahr,
aber auch quartalsweise die offizielle Prognose
für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland
im Auftrag der Bundesregierung.
Spezieller Fokus des Instituts ist die Produktivitätsforschung, also: Was bestimmt Innovationsprozesse wie die Fusion von Wissen in der Wirtschaft? Was bestimmt, welche Wirtschaft schnell
wächst und welche nicht? - Ein zweiter Fokus liegt
auf dem Finanzsystem, also: Hat das etwas zu tun
mit der Allokation von Kapital, mit Friktionen im Finanzsystem? Funktionieren die Banken? Machen
sie ihren Job? Funktionieren die Finanzmärkte?
Machen sie ihren Job?
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Wir haben mehr als 60 Ökonomen aus rund 15
Nationen und sind international stark vernetzt. Wir
arbeiten zusammen mit IWF, EU, EIB, EZB, Bank
of Canada etc. Unser Fokus liegt auf exzellenter
Forschung. Das ist die Grundlage dessen, was wir
machen. Aber wir wollen natürlich auch exzellente
Politikberatung machen. Deshalb haben wir eigens ein Zentrum für evidenzbasierte Politikberatung gegründet, das von Herrn Dr. Titze geleitet
wird. Dort untersuchen wir insbesondere die Förderpolitik; also: Was funktioniert und was nicht?
Was ist effizient und was ineffizient? - Ich komme
später noch darauf zurück.
Ich möchte zwei Fragen mit Ihnen diskutieren. Die
erste Frage hat nicht unbedingt mit Leipzig zu tun,
sondern wird wahrscheinlich in jeder Stadt in
Deutschland und in jeder Stadt der Welt gestellt,
nämlich: Was sind die Herausforderungen? Ich
möchte zu drei Herausforderungen etwas sagen.
Ich möchte über den Strukturwandel - ganz langfristige Trends in der Verteilung der relativen
Wichtigkeit von einzelnen Sektoren -, über den
demografischen Wandel und über den technologischen Wandel - Stichwort Digitalisierung, von einigen auch Industrie 4.0 genannt - sprechen.
Von diesen großen Herausforderungen ausgehend, die im Kleinen natürlich auch in Leipzig
existieren, werde ich darauf eingehen, wie Leipzig
damit umgeht, auch wenn ich das natürlich sehr
viel weniger gut weiß als Herr Albrecht, wobei vieles von dem, was er eben gesagt hat, in meiner
Präsentation ein gewisses Echo finden wird, aber
auch darauf, worauf man sich mehr konzentrieren
sollte, um mit diesen Herausforderungen umzugehen. Die Herausforderungen sind nicht zu ändern. Sie sind nicht zu vermeiden. Es gibt nur zwei
Möglichkeiten: Entweder ignorieren wir sie und
werden arm oder wir nehmen sie an und werden
reich. Einen Zwischenweg gibt es leider nicht. Einige hätten das gern anders, aber es ist nicht anders.
Kommen wir zum ersten Punkt, dem Strukturwandel. Hier widerspreche ich sowohl dem Oberbürgermeister als auch Herrn Albrecht. Ich möchte
Ihnen ein paar ganz langfristige Zahlenreihen zeigen. Sie sehen hier den Anteil an der Gesamtbeschäftigung, dargestellt an einzelnen Sektoren:
Landwirtschaft, Dienstleistungen, Information und
Produktion. Wir schauen uns wirklich langfristige
Zeitreihen an, die von 1880 bis heute reichen. Es
geht hier nicht um kurzfristige Trends oder Probleme.
Wenn Sie sich die grüne Linie anschauen, stellen
Sie fest: Der Anteil der Landwirtschaft an der Gesamtbeschäftigung in Deutschland liegt zurzeit
noch bei 2 Prozent. Das wird man auch nicht mehr
ändern können. Das sind übrigens nicht nur Zahlen für Deutschland, sie würden für die USA, für
Frankreich, für England, für welches Land Sie
S e i t e | 31
wollen genauso sein. Soweit zum Anteil der Landwirtschaft. Das ist, glaube ich, auch bekannt.
Die gelbe Linie kennzeichnet den Anteil der
Dienstleistungen an der Gesamtbeschäftigung.
Sie geht hoch, fluktuiert ein bisschen und hat inzwischen einen Anteil von über 20 Prozent an der
Gesamtbeschäftigung.
Betonen möchte ich die lila Linie, die für den Anteil
der Produktion an der Gesamtbeschäftigung
steht. Der Anteil der Produktion an der Beschäftigung ist seit der industriellen Revolution - Stichwort Dampfmaschine, Eisenbahn und anderes stetig gestiegen. Jedes Jahr gab es mehr Beschäftigung. Das hielt ungefähr bis in die 1960erJahre an. Auch dieser Inflektionspunkt ist eigentlich in allen Ländern gleich. Seitdem nimmt der
Anteil der Beschäftigten in der Produktion stetig
ab, in allen industrialisierten Ländern, USA, England, wo auch immer Sie wollen, in Deutschland
sogar leicht weniger als in anderen Ländern. Wir
sind bei rund 23 Prozent Beschäftigung in der
Produktion, andere Länder liegen schon unter 20
Prozent, bei 19 oder 18 Prozent.
Die grundsätzliche Message ist: Obwohl wir es
vielleicht gerne hätten, weil es in der Vergangenheit so wunderbar mit der Produktion in Deutschland funktioniert hat, das ist die Vergangenheit.
Die Zukunft ist es wahrscheinlich nicht. Jetzt können wir dieser Vergangenheit nachhängen und
sagen: Das war doch aber so schön, und wir können weiter ordentlich Geld reinstecken in dem verzweifelten Versuch, dass die Produktion dadurch
wieder anzieht oder die Produktion im Lande gehalten werden kann und nicht nach China oder Indien abwandert. Aber irgendwann ist es vorbei.
Insofern wäre mein Rat, sich schon jetzt auf die
Bereiche zu konzentrieren, wo die wirklich großen
Beschäftigungszuwächse zu erwarten sind, nämlich auf die Informationstechnologie, im weitesten
Sinne also auf Dienstleistungen. - So weit zum
Strukturwandel, der ersten Herausforderung.
Ich komme zur zweiten Herausforderung, dem demografischen Wandel. Wir alle in Deutschland
stehen vor dramatischen demografischen Herausforderungen. Ich kann es gar nicht oft genug
sagen. Alle anderen sagen das auch. Damit trete
ich manchen Politikern auf den Schlips, weil die
Auswirkungen natürlich nicht innerhalb der nächsten drei Jahre zu spüren sein werden, aber eben
doch in den nächsten 15 oder 20 Jahren, was allerdings weit außerhalb der nächsten Legislaturperiode liegt. Und genau das macht es so schwer,
damit wirklich vernünftig umzugehen.
Die Entwicklungen sind relativ gut vorherzusagen.
Es ist ja so, dass Wirtschaftswissenschaftler dafür
bekannt sind, dass sie eine Katastrophe sind, was
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Prognosen angeht. Das hier sind aber keine wirtschaftlichen Prognosen, sondern demografische
Prognosen. All die Menschen, die 2030 in den Arbeitsmarkt eintreten werden, sind längst geboren.
Das heißt: Wir haben ziemlich genaue Vorstellungen davon, wie viele das sein werden. Solche
Prognosen sind tatsächlich einfacher.
Was Sie hier sehen, ist: Wenn Deutschland beschließen würde, keinerlei weitere Einwanderung
zuzulassen, würde das Land bis 2060 um rund
20 Millionen Menschen schrumpfen. Das per se
wäre noch nicht dramatisch. Schlimm wäre allerdings die Alterskomposition dieser dann 60 Millionen Menschen. In überwiegendem Maße wären
diese Leute Rentner. Das hat mit den Babyboomern zu tun, die dann längst im Ruhestand sind.
Das heißt: Die Altersstruktur der Bevölkerung
würde sich gewaltig zum Nachteil verändern, was
riesige Auswirkungen hätte sowohl für die Sozialsysteme als auch für den Arbeitsmarkt.
Ich möchte ganz konkret auf den Arbeitsmarkt eingehen. Wenn meine Generation, also diejenigen,
die heute 50 sind, in 15 Jahre in Rente geht, werden zu diesem Zeitpunkt ganz viele Leute gleichzeitig in Rente gehen, eben weil sie den geburtenstarken Jahrgängen angehören. Am Ende ist das
ein Problem von zu vielen Geburten in den Jahren
1965, 1966 und 1967. In 15 Jahren gehen alle
diese Leute in den Ruhestand. Das lässt sich
nicht verhindern; das wird passieren. Das bedeutet, dass ab 2025 jedes Jahr netto 300.000 bis
400.000 Menschen aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden werden. Auch wenn neue hinzukommen
werden, der Nettoeffekt ist jedes Jahr ein Minus
von 300.000 bis 400.000 Beschäftigten, was rund
1 Prozent der gesamten arbeitenden Bevölkerung
entspricht.
Wir können schon jetzt sagen, was das für Auswirkungen haben wird, weil das in einem anderen
Land schon passiert ist, nämlich in Japan. Viele
reden über die Stagnation in Japan. Die Stagnation in Japan hat eine ganze Menge damit zu tun,
dass seit zehn Jahren jedes Jahr netto mehrere
Hunderttausend Menschen aus dem Arbeitsleben
ausscheiden und nicht ersetzt werden können.
Japan ist auch ein Beispiel dafür, was passiert,
wenn man weiterhin keine Einwanderung zulässt.
Es kommt netto zu einem Schrumpfen der Wirtschaft.
Mit dieser Herausforderung müssen wir umgehen.
Mit dieser Herausforderung muss auch Leipzig
umgehen. Ich werde gleich noch Zahlen zeigen.
Auch wenn das Bevölkerungswachstum hier im
Moment sehr positiv ist, es gibt schon jetzt einige
bedenkliche Faktoren. - So weit zur Demografie,
der zweiten Herausforderung.
Deutschland hat in den letzten Jahren absurderweise von der Krise in Europa sehr stark profitiert.
S e i t e | 32
Das, was Sie hier sehen, sind nicht etwa die Anzahl der Flüchtlinge oder Einwanderer von außerhalb Europas, sondern die Anzahl der Menschen,
die die Freizügigkeit innerhalb der EU genutzt haben, um nach Deutschland zu kommen. Ein Faktor ist ganz interessant - das ist der kleine grüne
Balken -, nämlich die Nettoeinwanderung aus anderen EU-Ländern nach Deutschland. Diese hat
Mitte 2011dramatisch zugenommen. Das ist kein
Zufall; denn Mitte 2011 begann die Schuldenkrise
in Südeuropa, während der sich die wirtschaftliche Situation in diesen Ländern dramatisch verschlechtert hat. Das heißt: Relativ gesehen war es
umso attraktiver, nach Deutschland zu gehen, und
das haben die Leute gemacht. Das hat dazu geführt, dass diese negativen Altersstruktureffekte
sich abgemildert haben und im Moment noch gar
nicht sichtbar sind. Das hat hauptsächlich damit
zu tun, dass 2015 zum Beispiel 160.000 Menschen netto die Freizügigkeit innerhalb der EU genutzt haben, nach Deutschland zu kommen und
hier zu arbeiten. Wenn es diese Einwanderung
nach Deutschland nicht gegeben hätte, sähe es
schon jetzt dramatisch anders aus auf dem deutschen Arbeitsmarkt. 160.000 Menschen: Das ist
kein Pappenstiel.
Nun zur dritten Herausforderung, dem technologischen Wandel. Wir alle reden ständig davon. Keiner weiß so recht, was das eigentlich ist. Viele
denken dabei nur an selbstfahrende Autos. Aber
das ist natürlich viel mehr als das. Das ist das Internet der Dinge, also Dinge, die miteinander
kommunizieren. Das ist der Fortschritt der Digitalisierung in ganz vielen Bereichen. Grundsätzlich
ist es so, dass es schon in der Vergangenheit
mehrere radikale Veränderungen in der Technologie gegeben hat. Die Dampfmaschine war eine radikale Veränderung in der Technologie. Sie hat
nicht dazu geführt, dass Arbeitsplätze weggefallen und keine neuen entstanden sind. Im Gegenteil: Es sind viel mehr Arbeitsplätze dadurch entstanden.
Auch der jetzige technologische Wandel - ich
glaube, da bin ich auf der sicheren Seite, wenn ich
das vorhersage - wird nicht dazu führen, dass
netto Arbeitsplätze verloren gehen. Es werden
zwar Arbeitsplätze wegfallen, aber es werden
auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Der
Nettoeffekt ist höchstwahrscheinlich positiv. Das
ist ein relativ kompliziertes Thema, zu dem es eine
Riesendebatte unter den Ökonomen gibt. Aber
ganz sicher wird es nicht so sein, dass die meisten Arbeitsplätze verschwinden werden. Das ist
einfach Unsinn. Es werden immer wieder neue Arbeitsplätze entstehen.
Nur: Es werden andere Arbeitsplätze entstehen,
und darauf müssen wir die Leute vorbereiten. Wir
können nicht sagen: Dann wird es halt andere Arbeitsplätze geben, die auch von Leuten mit einem
Hauptschulabschluss besetzt werden können. -
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Das wird schwer werden. Diese Arbeitsplätze werden anspruchsvoller sein. Je eher wir es mit unserem Bildungssystem schaffen, die Leute auf
diese anspruchsvolleren Arbeitsplätze vorzubereiten, desto besser aufgestellt werden wir sein.
Wenn wir das heute verschlafen, dann werden die
Leute, die wir in 15 Jahren brauchen, nicht ausreichend ausgebildet sein. - Das sind Schätzungen
von The Economist, aber ähnliche Schätzungen
gibt es auch von anderen Quellen.
Der Effekt dürfte für die Leute, die eine duale Berufsausbildung absolviert haben, sehr gering sein.
Die duale Berufsausbildung ist eine ganz große
Stärke Deutschlands, die wir erhalten und tunlichst weiter pflegen sollten. Sie wird mit dem digitalen Wandel nur am Rande zu tun haben. Die Arten der Ausbildung werden sich zwar ändern, aber
auch in Zukunft braucht es einen Großteil an Leuten, die diese Kombination von Schule und praxisorientierter Ausbildung absolviert haben. Es wird
auch weiterhin Jobs geben, für die in ähnlicher Art
wie heute eine Fachschulausbildung erforderlich
sein wird. Jobs, die wegfallen werden, werden die
ohne einen qualifizierten Abschluss sein, also einfachere Tätigkeiten. - Das ist die eine Seite der
Medaille.
Die andere Seite der Medaille ist, dass rund 2 Millionen neue Jobs entstehen werden, die man nur
kompetent bewältigen kann, wenn man einen
Hochschulabschluss hat. Das heißt: Wir werden
mehr Leute mit Hochschulabschluss brauchen.
Das heißt auch: Wir müssen die Leute darauf vorbereiten. Das ist nicht leicht, das ist schwer. Während vor Jahren nur 10 Prozent der Schüler Abitur
gemacht haben und an die Uni gegangen sind,
machen heute über 30 Prozent der Schüler Abitur.
Das wird oft als eine Verwässerung des Abiturs
empfunden. Aber: Daran führt kein Weg vorbei.
Wir müssen einen Weg finden, wie wir die Leute
hoch qualifizieren können, weil sie sonst arbeitslos sein werden; denn Jobs für nicht qualifizierte
Menschen wird es dann nicht mehr geben.
Ich fasse ganz kurz zusammen. Von Herrn Albrecht wurde eben schon gesagt: Förderwirtschaft
ist passé. Mit Einzelsubventionen und Fördermaßnahmen werden wir die Probleme nicht lösen.
Der Fokus muss daher auf der Schaffung von optimalen Rahmenbedingungen liegen für:
Investitionen in Köpfe: Hochschulen, Schulen,
frühkindliche Bildung, Englisch, ein ganz entscheidender Faktor. - In Irland, einem der Länder,
das es von ganz arm auf ganz reich geschafft hat,
war die Investition in die englischen Sprachfähigkeiten einer der Keys dafür.
Investitionen in Infrastruktur: Dabei meine ich weniger in Straßeninfrastruktur, sondern in die digitale Infrastruktur und in eine effiziente Verwal-
S e i t e | 33
tung. - Ich war letzte Woche auf einer Veranstaltung, auf der der estnische Botschafter als Gastredner einen Vortrag über die Digitalisierung der
Verwaltung in Estland gehalten hat. Das war ungeheuer beeindruckend. Ich kann Ihnen nur empfehlen, einmal zu prüfen, ob sich das aus städtischer Sicht auf einzelne Bereiche übertragen
lässt, weil das so gut funktioniert. Es ist außerordentlich beeindruckend: Ein Unternehmen zu
gründen, dauert dort 13 Minuten, eine Steuererklärung 5 Minuten. Aber es gibt auch noch viele
andere Dinge, die in der Verwaltung dort deutlich
effizienter abgewickelt werden, als es in Deutschland überhaupt vorstellbar ist, um es ganz deutlich
zu sagen.
Investitionen in Demografie: Wenn wir keine qualifizierten Arbeitskräfte haben, ob in Leipzig oder
anderswo in Deutschland, werden sich hier auch
keine Unternehmen ansiedeln können. Das ist so.
Das ist einer der ganz wichtigen Standortfaktoren.
Wenn man ein Unternehmen gründet, braucht
man qualifizierte Mitarbeiter. Wenn man sie hier
nicht findet, geht man woandershin. Das hat auch
eine ganze Menge mit der Altersstruktur zu tun.
Gerade bei Neugründungen von Unternehmen
sind junge Mitarbeiter, also die Altersgruppe zwischen 20 und 40, gefragt. Wenn es in einer Stadt
oder in einem Land in dieser Altersgruppe nicht
genügend Hochqualifizierte gibt, werden sich die
interessanten und hochinnovativen Unternehmen
anderswo ansiedeln. Das ist zum Teil jetzt schon
so. Das heißt: Wir müssen in die Demografie investieren über Offenheit gegenüber Einwanderung und über Universitäten als klassischem Mechanismus, um junge Leute zu einem Ortswechsel zu bewegen.
Auf den letzten Punkt will ich relativ kurz eingehen. Wir haben in Deutschland nicht wirklich ein
Problem mit der Start-up-Finanzierung. Start-upFinanzierung ist reichlich vorhanden. Es gibt unglaublich viele Fördertöpfe, und es gibt schon
viele Start-ups, insbesondere auch in Leipzig. Das
Problem ist: Es gibt ungeheuer wenige Start-ups,
die es schaffen, große Unternehmen zu werden. Ich sage gleich noch etwas dazu, auch wie man
dieses Problem angehen kann.
Leipzig ist - das wissen Sie besser als ich - bis
1998 stark geschrumpft; es gab ein Minus von
20 Prozent. Ab 2002 hat sich das etwas stabilisiert. Seit 2011 ist eine sehr hohe Wachstumsdynamik zu verzeichnen. Gemäß einer Umfrage ist
der Hauptgrund, warum die Leute nach Leipzig
kommen, das Studium oder ein Arbeitsplatz. Die
meisten Zugezogenen sind - das ist für die Stadt
demografisch gesehen sehr vorteilhaft - zwischen
18 und 35 Jahre alt. Sie kommen größtenteils aus
anderen Teilen Ostdeutschlands und nicht aus
Westdeutschland oder anderswoher. 30 Prozent
kommen aus anderen Gemeinden in Sachsen,
14 Prozent aus Sachsen-Anhalt, 14 Prozent aus
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
den anderen neuen Bundesländern, 28 Prozent,
also weniger als ein Drittel, aus den alten Bundesländern und weniger als 5 Prozent aus Berlin.
Gleichzeitig sollte man auch erwähnen - das betont noch einmal die Bedeutung von Zuwanderung -: Aus der Geburtenrate allein ist das nicht zu
stemmen. Die Geburtenrate in Leipzig ist weiterhin extrem niedrig.
Dieses schöne Bild kennen Sie alle. Es zeigt verschiedene Städte. Ich will einige Vergleiche zu anderen Städten ziehen. Die blaue Linie steht für
Leipzig, der Knick für den Zensus. Sie sehen, die
Wachstumsrate der Bevölkerung von Leipzig ist
wirklich beeindruckend; sie ist deutlich höher als
in Dresden und auch deutlich höher als in Nürnberg. Im Vergleich zu einigen anderen Städten ist
der Unterschied geringer; denn auch andere
Städte in Deutschland wachsen, um es einmal
ganz trocken zu sagen. Das ist ein allgemeiner
Trend. Man muss aufpassen, wenn man sagt: Die
eigene Stadt wächst. Das ist toll. Wir sind super. Die Städte wachsen im Moment überall. Frankfurt
wächst in absoluten Zahlen ungefähr genauso
schnell, was prozentual gesehen etwas weniger
schnell als Leipzig ist. Das ist so. Die grüne Linie,
die für Duisburg steht, zeigt: Man kann es auch
verkehrt machen, um es einmal so auszudrücken.
Ganz ehrlich, das hat eine ganze Menge damit zu
tun, auf alte statt auf neue Pferde zu setzen.
Was sind die Stärken Leipzigs, die von außen
wahrgenommen werden? Die Stadt ist attraktiv für
junge Familien, ebenso die Universitätslandschaft
einschließlich der Hochschulen, darunter die
HHL, die eine sehr aktive Start-up-Szene hat. Sie
hat eine gute traditionelle Infrastruktur, also Autobahn, Flughafen, Eisenbahn. Generell gelten Verwaltung und Wirtschaftsförderung im deutschen
Vergleich als außerordentlich effizient; das würde
ich auf jeden Fall unterschreiben. Auch die neue
Infrastruktur im Sinne von relativ guter Breitbandausbau ist recht gut, wenn auch im internationalen
Vergleich überhaupt nicht wettbewerbsfähig, um
es ganz offen zu sagen; das ist aber ein allgemeines Problem in Deutschland. Auch die Finanzierung von Start-ups ist gut. Ob Crowdfunding-Plattformen, Branchennetzwerke, Co-Working-Services oder Akzeleratoren: Diese Infrastruktur
scheint sehr gut zu funktionieren. Da wird aus
meiner Sicht vieles richtiggemacht.
Aber - jetzt kommen eine ganze Menge Aber -: Es
mag in Leipzig alles ganz toll sein, aber wenn es
im Bundesland Sachsen nicht so toll ist, ist das ein
Problem. Ich werde auch gleich erklären, warum.
Es reicht nicht, dass Leipzig eine Insel inmitten einer schrumpfenden Wirtschaft ist. Das wird langfristig nicht funktionieren. Sie brauchen ein Umfeld, und das Umfeld ist nicht gut. Die rote Linie
steht für die Gesamtbevölkerung in Deutschland,
die grüne Linie für die Gesamtbevölkerung in
Sachsen, die trotz Leipzig schneller schrumpfen
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wird als in Deutschland insgesamt, die gelbe Linie
für den Arbeitsmarkt, bei der das noch deutlicher
zum Ausdruck kommt. Die erwerbsfähige Bevölkerung wird radikal schnell schrumpfen, und das
hat Auswirkungen. Es ist höchste Eisenbahn,
dass Sie da gegensteuern, wenn Sie tatsächlich
erfolgreich sein wollen.
Diese Zahlen haben mich erschreckt; das muss
ich ehrlich sagen. Ich habe mir zuerst die Zahlen
des Bruttosozialprodukts der einzelnen Städte angeschaut. Das tut man üblicherweise nicht, aber
für diesen Zweck schien mir das eine gute Idee zu
sein. Ich habe versucht, sinnvolle Vergleichsstädte für Leipzig zu finden, und habe drei Städte,
nämlich Nürnberg, Stuttgart und Hannover, deren
Bevölkerungszahl ähnlich ist, ausgewählt. Hier
sehen Sie das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner. - Das endet bei 2016; aktuellere Zahlen gibt
es noch nicht, aber so schnell ändert sich daran
nichts. - Leipzig liegt bei 23.000 Euro, Hannover
bei knapp doppelt so viel, Nürnberg bei 2,5-mal so
viel und Stuttgart bei knapp viermal so viel. Ich
dachte, das kann ja eigentlich gar nicht sein und
habe es noch dreimal geprüft. Es bleibt dabei:
Das ist so. Das ist dramatisch.
Ich habe mich gefragt, ob das an den niedrigen
Löhnen liegt, die hier gezahlt werden. Ja, es liegt
auch an den niedrigen Löhnen. Aber die Unterschiede sind deutlich kleiner als die Unterschiede
beim Pro-Kopf-Einkommen in der Bevölkerung.
Hier hat Leipzig rund 33.000 Euro pro Arbeitnehmer, Hannover 42.000 Euro, Nürnberg 45.000
Euro und Stuttgart 52.000 Euro. Das ist kein Riesenunterschied, aber schon ein gewisser Betrag.
Herr Albrecht hat eben gesagt, man wolle höherwertige Jobs. Das ist hier schon reflektiert.
Dramatische Unterschiede bestehen in der Anzahl der Erwerbstätigen in der Stadt. In Leipzig
gibt es rund 300.000 Erwerbstätige, in Nürnberg
rund 380.000, in Stuttgart rund 500.000 und in
Hannover über 600.000. Wie kommt das? Das ist
der Umlandeffekt. Ich kenne die Zahlen über
Pendler für Frankfurt. Pro Tag pendeln 300.000
Menschen nach Frankfurt, um dort zu arbeiten. In
Leipzig ist das nicht der Fall. Es gibt dieses Umland nicht. Sie müssen sich ernsthafter Gedanken
darüber machen, was das bedeutet und wie Sie
damit umgehen wollen. Das macht Ihre relative
Situation deutlich schlechter im Vergleich zu Städten, die ein solches Umland haben, wie zum Beispiel Hannover, dessen Einzugsgebiet relativ
groß ist.
Ich will noch auf einen Punkt eingehen, der auch
von Herrn Albrecht angesprochen wurde. Es wird
oft beklagt, dass es hier wie in Ostdeutschland allgemein keine Hauptverwaltung von Unternehmen
und deswegen nur geringe privat finanzierte Forschung und Entwicklung, F+E, und zu wenige
hochwertige Arbeitsplätze gebe. Das ist aber nur
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
das Symptom und nicht die Ursache. Es gibt zu
wenige große Unternehmen in Deutschland überhaupt. Das ist ein allgemeines Problem. Das ist
auch in Westdeutschland so. Wie Herr Albrecht
eben auch schon sagte, ist es eher unwahrscheinlich, zu erwarten, dass Siemens seine Hauptverwaltung nach Leipzig verlegt oder BMW oder
Bosch oder sonst irgendjemand. Das werden die
nicht tun.
Das heißt: Es müssten neue Unternehmen entstehen. Es gibt in Deutschland insgesamt unglaublich wenige erfolgreiche neue Unternehmen. Von
den 500 größten deutschen Unternehmen wurden
nur 2 Prozent nach 1975 gegründet. In den USA
sind es 14 Prozent. Das heißt: Die Facebooks, die
Amazons, die Googles oder andere entstehen in
Deutschland nicht. Das ist ein Problem, weniger
für Stuttgart als für Leipzig. Für Leipzig ist das ein
Riesenproblem; denn hier könnten sie entstehen,
aber sie entstehen hier nicht. Wir müssen uns
ernsthaft Gedanken darüber machen, warum das
so ist, warum in Deutschland die Unternehmer immer noch Herr Bosch und Krupp und Benz usw.
sind, die alle seit langem tot sind, und nicht Herr
Brin oder Herr Zuckerberg oder Herr Gates, die
sich alle bester Gesundheit erfreuen. Es gibt nur
wenige Ausnahmen wie zum Beispiel SAP.
Wir müssen uns fragen: Auch wenn wir sehr viele
Start-ups haben, warum ist es für diese Start-ups
so schwer, dass sie irgendwann so groß werden,
dass sie unter den größten Unternehmen zu finden sind? Das hat zu tun mit verschiedenen Phasen der Unternehmensfinanzierung. Das hat
nichts zu tun mit der ersten Phase, der Idee. Es
hat auch nichts zu tun mit der ersten Phase der
Risikokapitalfinanzierung, sondern mit späteren
Phasen der Risikokapitalfinanzierung, wo in
Deutschland die Gelder einfach nicht zu bekommen sind. Das hat verschiedene Gründe. Es
würde jetzt zu weit führen, darüber im Detail zu
reden. Aber Sie sollten sich darüber Gedanken
machen, wo Sie als Stadt ansetzen können, um
diese Zweit-, Dritt- und Viertrunden besser zu koordinieren und Investoren zu finden. Das müssen
natürlich private Investoren sein, Know-how etc.
muss auch fließen.
Ein letzter Punkt: die rechtsradikalen Straftaten.
Das hilft nicht, um kreative Leute in die Stadt zu
holen; denn die finden das einfach schlecht. Ich
habe damit Probleme bei meinen Mitarbeitern. Ich
kenne viele andere, die sie auch haben. Damit
müssen sie irgendwie umgehen. Das ist nicht gut.
Völlig unabhängig von den unterschiedlichen politischen Überzeugungen: Das führt zu einer negativen wirtschaftlichen Auswirkung, die natürlich
nur relativ schwer zu quantifizieren ist, aber sie ist
da und wird immer größer.
Lassen Sie mich zusammenfassen: In meinen Augen ist es nicht so, dass Leipzig sich hinstellen
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und sagen sollte: Wir haben jetzt gewonnen. Wir
sind am Ende einer Entwicklung. - Leipzig ist am
Anfang einer Entwicklung. Das zeigt sich sehr
deutlich, wenn man Leipzig mit anderen westdeutschen Städten vergleicht. Das zeigt sich aber
nicht nur im Wettbewerb mit westdeutschen Städten, sondern auch im Wettbewerb mit allen Städten, international. Die Unterschiede sind immer
noch groß. Das macht Ihr Leben schwerer, weil
Sie keine Steuereinnahmen haben. Aber das
zeigt auch, dass die Entwicklung noch ganz am
Anfang ist.
Die Antwort ist offensichtlich nicht: mehr Wirtschaftsförderung im klassischen Sinne; ich
glaube, da sind wir uns einig. Vielmehr sollten Investitionen in die Rahmenbedingungen erfolgen,
nicht aber in einzelne Sektoren oder Unternehmen. Effizienz der Verwaltung ist ein Key-Faktor,
den Sie wirklich kontrollieren können. Er spielt
eine Riesenrolle. Leute, die kreativ sind, die Ideen
haben, die etwas bewegen wollen, wollen keine
Formulare ausfüllen. Wenn sie irgendetwas nicht
wollen, dann das: Formulare ausfüllen. Deswegen funktioniert ja Berlin interessanterweise auch
so gut. Weil die Verwaltung dort überhaupt nicht
mehr funktioniert hat, ist eine ganze Menge
Neues entstanden; auch ein Modell. Aber Sie können es vielleicht effizienter machen. Noch einmal:
In Estland dauert es 13 Minuten, ein Unternehmen zu gründen.
Die Entwicklung muss auch in der Breite erfolgen.
Es geht nicht nur um einzelne Großprojekte. Einzelne Großprojekte sind toll für Politiker - ich will
Ihnen nicht zu nahe treten, Herr Oberbürgermeister -: Sie können ein Band durchschneiden und
eine Rede halten. Aber die wirtschaftliche Entwicklung wird dadurch nicht wirklich stark beeinflusst. Sie brauchen die Entwicklung in der Breite.
Dafür brauchen Sie Rahmenbedingungen und Infrastruktur. Diese Rahmenbedingungen betreffen
eben alle Teile der Verwaltung und nicht nur die
Wirtschaftsförderung.
Auch hier möchte ich Ihnen am Ende widersprechen. Sie sollten sich mehr Gedanken über den
Dienstleistungssektor machen und nicht unbedingt über die Produktion. Ich glaube nicht, dass
es in Deutschland allgemein noch große Zuwächse an Arbeitsplätzen in der Produktion geben wird. Die wird es nicht geben. Die wird es
auch in Leipzig nicht geben. Deswegen müssen
Sie sich Gedanken machen, wie Sie mit der
Dienstleistungswirtschaft umgehen. Da gibt es
natürlich Möglichkeiten, die weit über die bescheidenen Ziele der Bundesregierung hinausgehen.
50 Megabit sind international überhaupt nicht
mehr wettbewerbsfähig. Es gibt noch viel mehr
Infrastrukturmaßnahmen, die Sie ergreifen können.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Ich will noch einmal auf einen Punkt zurückkommen, den ich eben schon erwähnt hatte: Startups. Die Stadt kann möglicherweise eine Vermittlerrolle spielen, nicht bei der Start-up-Finanzierung, aber danach. Wie schafft man es, dass ein
Unternehmen, das vor fünf Jahren gegründet
wurde, tatsächlich groß wird? Es gibt diese Statistik über Unicorns. Das sind neue Unternehmen,
die mindestens 1 Milliarde US-Dollar wert sind.
Davon gibt es in ganz Deutschland fünf, davon
vier in Berlin. In anderen Ländern wie zum Beispiel in Israel gibt es deutlich mehr. Diese Unternehmenskultur, die am Ende auch eine Kultur des
Scheiterns ist - das klappt meist nicht beim ersten
Mal -, kann man tatsächlich fördern in einer Stadt.
Ich glaube, dass Leipzig da tatsächlich eine echte
Chance hat.
Natürlich geht es auch um die kritische Masse,
den Clustereffekt. Es kann nicht immer nur um ein
Unternehmen gehen, sondern es muss ein ganzer
Sektor gemeinsam entwickelt werden, weil diese
Leute dann einen Arbeitsmarkt kreieren, in dem
sie sich austauschen können, und Unternehmen
nur so wirklich wachsen.
Wohin wollen kreative junge Leute ziehen? Die
Berlin-Strategie ist sehr interessant, weil sie am
Ende auf Folgendes abzielt: Infrastruktur usw. haben wir zwar nicht, aber wir sind die hippeste
Stadt überhaupt. - Wenn Sie sich das Wirtschaftsförderungsvideo angucken, mit dem die Stadt
Berlin wirbt, denkt man, ganz Berlin sei eine Art
Disko. Das ist zwar hipp, aber mit Wirtschaftsförderung hat das überhaupt nichts zu tun, auch
nicht mit Investitionen. Aber es spricht genau die
Gruppe an, die man ansprechen will: Wir wollen
die kreativen Leute herholen, und die machen
dann schon was. - Vielleicht kann man daraus etwas lernen. Das hat am Ende unglaublich viel mit
Image zu tun. Deswegen ist die Imageförderung
ein Teil der Wirtschaftsförderung.
Letzter Punkt: Leipzig wird auf Zuwanderung angewiesen sein. Wie wir damit umgehen, wird am
Ende entscheidend sein, wie es hier weitergeht. Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Ganz herzlichen
Dank. - Meine Damen und Herren, jetzt haben Sie
das Wort. Herr Rothkegel, bitte schön.
Stadtrat Rothkegel (CDU): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Sehr geehrter Herr Professor
Gropp! Werte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister! Werte Stadträtinnen und Stadträte! Liebe
Besucher! Nach den etwas höheren Ebenen der
Zukunft will ich nun wieder auf die Ebene der Gegenwart zurückkommen. Herr Professor Gropp,
über viele Dinge würde ich gern mit Ihnen diskutieren, zum Beispiel über die Produktion. In der
Produktion findet Wertschöpfung statt. Deshalb
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steht Stuttgart so gut da. Leider haben wir in
Leipzig solche mittelständischen Unternehmen
nicht; das hat der Oberbürgermeister eingangs
gesagt. Aber das kann ja noch werden. Ich halte
es für falsch, nicht auf die Produktion zu setzen.
Lassen Sie mich zunächst mit ein paar Dankesworten beginnen. Mein erster Dank geht an die
Wirtschaft selbst, an die vielen mutigen Unternehmer in unserer Stadt und an die Mitarbeiter und
Arbeitnehmer in den Betrieben, die dafür gesorgt
haben, dass unsere Stadt im Doppelhaushalt
mehr Steuereinnahmen einplanen kann, mehr als
jemals zuvor.
Der zweite Dank geht an den Freistaat Sachsen,
und zwar namentlich an den verstorbenen Staatsminister für Wirtschaft Kajo Schommer und an
den ehemaligen sächsischen Finanzminister und
späteren Ministerpräsidenten Georg Milbradt.
Beide sind dafür verantwortlich, dass die wirtschaftliche Entwicklung im Leipziger Nordraum dort passiert in Leipzig die wirtschaftliche Entwicklung - so vonstattengehen konnte. Der Freistaat
hat damals Ansiedlungsflächen gekauft und entwickelt, als Leipzig noch von einer goldenen Zukunft als Banken- und Dienstleistungsstandort geträumt hat. - Da möchte ich Ihnen auch widersprechen, Herr Professor Gropp. Aus den Zahlen, die
Sie gezeigt haben, wird deutlich: Die Dienstleistungen sind konstant.
Es ist nicht auszudenken, was Leipzig ohne Porsche, BMW, Flughafen oder DHL wäre. Aber auch
der Mittelstand und die vielen Kleinbetriebe in unserer Stadt haben maßgeblich dazu beigetragen
und sind wesentlich dafür verantwortlich, dass die
Arbeitslosenquote auf dem niedrigsten Stand seit
Beginn der 1990er-Jahre ist und dass hier immer
mehr neue Arbeitsplätze entstehen. Damit das so
bleibt, brauchen wir viele neue Gründer und Unternehmen, sowohl Unternehmen, die die Betriebsnachfolge von Bestandsunternehmen übernehmen, damit diese auch in den nächsten Generationen fortgeführt werden können, als auch viele
Unternehmen mit neuen Geschäftsideen und Innovationen am Markt.
Der Stadtverwaltung und dem Stadtrat kommt hier
die wichtige Rolle zu, diese Menschen zu ermutigen, ihnen Wertschätzung entgegenzubringen
und Rückendeckung für ihre Projekte zu geben.
Umso mehr verwundert es, dass die Belange der
Wirtschaft in der Kommunalpolitik eine eher untergeordnete Rolle spielen. Erst auf den Haushaltsantrag meiner Fraktion mit Unterstützung der anderen Fraktionen wurde der Ankaufetat für das
Liegenschaftsamt erhöht; die Verwaltung ist nicht
von allein auf diese Idee gekommen.
Leipzig ist eine wachsende Stadt. Jährlich steigt
derzeit unsere Einwohnerzahl um circa 10.000.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Wir brauchen für diese Menschen nicht nur Wohnungen; wir brauchen auch Arbeitsplätze. Es gibt
zurzeit erste Anzeichen für eine Abschwächung
des Wachstums. Schuld daran sind die infrastrukturellen Probleme in Verkehr und Bildung sowie
die sich verändernde Wohnungsmarktsituation in
unserer Stadt.
Es reicht eben nicht aus, Fahrradmarkierungen
auf den Straßen aufzubringen und damit den Verkehr zu behindern. Es müssen neue Konzepte
und Investitionen auf den Weg gebracht werden,
mit denen alle Verkehrsarten gefördert und entwickelt werden. Ein Großteil unserer Arbeitsplätze
wird auch in Zukunft mit dem regelmäßigen Austausch von Waren und Dienstleistungen, mit Arbeitswegen und Logistik in Zusammenhang stehen. Wenn die Wirtschaftsverbände IHK und
Handwerkskammer Alarm schlagen, dass unser
Straßennetz und der ÖPNV in keiner Weise der
zukünftigen Entwicklung genügen, dann sollten
bei uns die Alarmglocken schellen.
In den Szenarien für Leipzigs Zukunft finde ich die
Interessen der Wirtschaft nicht so richtig wieder.
Aussagen aus der Verwaltung, im Norden sei der
Leidensdruck der Autofahrer noch nicht hoch genug, um aufs Auto zu verzichten, sind völlig kontraproduktiv. Gerade wegen der besseren Infrastruktur mit Autobahn- und Straßenanbindung,
Flughafen und GVZ findet im Norden unserer
Stadt die entscheidende wirtschaftliche Entwicklung statt. Und das wollen wir jetzt zerstören?
Wir brauchen ein funktionierendes und leistungsfähiges Ring- und Tangentensystem mit einem
durchgehenden Mittleren Ring. Wir als CDUFraktion fordern einen Paradigmenwechsel in der
Verkehrsplanung und die Bereitstellung der erforderlichen Investitionsmittel. Die CDU-Fraktion unterstützt die Initiative „Mobilität 700 plus“ der IHK,
der Handwerkskammer und der Ingenieurkammer
Sachsen. Wirtschaft braucht nun einmal eine
funktionierende Infrastruktur, und dazu zählen
auch ein funktionierender und nicht ideologisch
behinderter Straßenverkehr und ein leistungsfähiger ÖPNV.
Ohne weitere wirtschaftliche Entwicklung unserer
Stadt kein Wachstum, sinkende Steuereinnahmen und eine deutlich verlangsamte Einwohnerentwicklung. Wirtschaftsförderung darf nicht
mehr nur Aufgabe des Amtes für Wirtschaftsförderung sein; das Stadtplanungsamt, das Ordnungsamt, alle Ämter müssen begreifen, dass sie mit ihrer Arbeit ebenfalls die Wirtschaft fördern oder
eben behindern können. Jedes schnell durchgeführte Planungsverfahren, jeder zügig bearbeitete
Bauantrag ist direkte Wirtschaftsförderung. Dazu
braucht es in der Bauverwaltung hochmotiviertes,
entscheidungswilliges Personal und keine unbe-
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setzten Stellen oder Führungskräfte, die lieber einen anderen Job machen wollen. Die Leipziger Internet Zeitung schrieb kürzlich:
Wenn es einer „Boomtown“ wie Leipzig
nicht mehr gelingt, kompetente Bewerber für wichtige Führungspositionen zu
bekommen, dann läuft etwas schief.
Dann fehlt entweder eine professionelle
Aufbauarbeit für das eigene Personal,
fehlen die professionellen Netzwerke in
die regionale Wirtschaft und die regionalen Karrierenetzwerke hinein und/oder
die Leipziger Verwaltung hat keinen wirklich guten Ruf als attraktiver Arbeitgeber,
sonst würden sich gute Leute schon aus
Eigeninitiative bewerben.
Ich befürchte, die L-IZ hat recht. Es ist Aufgabe
des Oberbürgermeisters und des Verwaltungsbürgermeisters, das zu ändern. - Herr Jung, Herr
Hörning, hier wäre Ihr persönlicher Beitrag zur
Wirtschaftsförderung.
Auch das Thema Digitalisierung muss angegangen werden. Manchmal habe ich den Eindruck,
dass die Verwaltung noch sehr weit von diesem
Thema entfernt ist. Das haben wir ja auch von
Herrn Professor Gropp gerade gehört, unterlegt
mit Beispielen aus anderen Ländern. Das höre ich
aber auch aus der Wirtschaft. Gerade auch beim
Rechnungswesen bleibt noch eine ganze Menge
zu tun.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, ich
möchte Sie aber auch loben. Sie haben der Haushaltsrede der CDU-Fraktion offenbar genau zugehört, in der Frank Tornau gesagt hat:
Die CDU-Fraktion glaubt nicht, dass sich
der Öffentliche Nahverkehr und der Individualverkehr einer Dreiviertelmillionenstadt Leipzig künftig noch auf einer
Ebene abwickeln lassen wird.
Herr Jung, Sie haben die Unterstützung der CDUFraktion und ganz sicher auch der Wirtschaft,
wenn Sie weitere Tunnellösungen in unserer
Stadt vorantreiben, sei es für den ÖPNV oder den
Straßenverkehr.
Lassen Sie mich abschließend etwas zu den viel
beschworenen weichen Standortfaktoren sagen.
Die zahlreichen geplanten Hotelneubauten in unserer Stadt zeigen das Vertrauen der Wirtschaft in
die touristische Entwicklung. Sehr viele Menschen kommen nach Leipzig wegen unseres Kulturangebots. Insbesondere Zoo und Gewandhaus
sind Zugpferde. Andere Kultureinrichtungen sind
noch lange nicht an der Auslastungsgrenze. Dort
sehe ich noch Verbesserungspotenzial.
Ein ganz wesentlicher Faktor ist auch der Bundesliga-Fußball. Ich bin in meiner eigenen beruflichen
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Tätigkeit noch nie außerhalb Leipzigs so oft auf
unsere Stadt angesprochen worden wie im letzten
Jahr, seitdem RB in der Bundesliga spielt. Auch
das ist ein Wirtschaftsfaktor.
Bei allem berechtigten Optimismus sollten wir
nicht vergessen, auch Vorsorge zu treffen. Die
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind momentan deutschlandweit sehr gut. Wir sollten aber
auch die Risiken im Auge behalten. Dass Steuereinnahmen sprudeln, ist nicht selbstverständlich.
Die Wirtschaft kann in eine Krise geraten, und die
internationalen Rahmenbedingungen können sich
verschlechtern - Deutschland hat am meisten profitiert von der Entwicklung in Europa, anderen
Ländern ist es wesentlich schlechter ergangen -,
dann geht es mit Gewinnen und Steuereinnahmen auch ganz schnell wieder bergab.
Wir müssen uns breit aufstellen, die Wirtschaft in
allen Bereichen fördern und unterstützen, nicht
mit Geld, sondern mit viel mehr gutem Willen. Danke.
Oberbürgermeister Jung: Als Nächster spricht
Herr Grosser von der Fraktion DIE LINKE.
Stadtrat Grosser (DIE LINKE): Herr Oberbürgermeister! Verehrte Gäste! Lieber Herr Professor
Gropp! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe
Bürgerinnen und Bürger! „Wirtschaftsförderung
zukunftsfähig gestalten“, so lautet das Thema
heute. Das Ziel klingt gut, ist gut, und wenn es die
Verwaltung komplex angehen würde, wäre es
noch besser.
Ich meine, Wirtschaftsförderpolitik darf nicht allein
dem Wirtschaftsdezernat überlassen werden. Es
geht damit los, dass Herr Bonew das Amt für Wirtschaftsförderung finanziell so ausstattet, dass
dieses überhaupt Wirtschaft effektiv fördern kann.
Es geht weiter, dass Frau Dubrau bei der Stadtund Verkehrsplanung die Erforderlichkeiten der
innerstädtischen Wirtschaftsverkehre beachtet.
Es setzt voraus, dass Herr Albrecht nun endlich
für ein flächendeckendes schnelles Internet sorgt
und nunmehr eine Liegenschaftspolitik betreibt,
die nicht nur den schnellen finanziellen Gewinn
verspricht, sondern der Stadt nachhaltigen Nutzen bringt. Und es beginnt und endet beim Oberbürgermeister, der die wirtschaftliche regionale
Verknüpfung in der Region mit den Landräten sichern muss, um der Metropolregion neue Impulse
zu verleihen.
Dass die Wirtschaftslage in unserer Stadt derzeit
gute Steigerungsraten ausweist, bedeutet leider
noch keine nachhaltige wirtschaftliche Stabilität.
Warum das so ist, wurde gerade erklärt, auch
wenn ich manches davon nicht mittragen kann,
aber vom Grundsatz her schon.
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Jüngstes Beispiel ist die Entscheidung von Siemens. Trotz einer Steigerung von 11 Prozent Gewinn nach Steuern auf satte 6,2 Milliarden Euro
im Geschäftsjahr 2016/2017 sollen vor allem die
ostdeutschen Standorte geschlossen werden.
Auch das Leipziger Werk ist von dieser Entscheidung betroffen. 270 Menschen könnten ihre Arbeit
verlieren. So funktioniert Kapitalismus. Im Vordergrund steht ausschließlich der Profit, das Wohl
des Volkes steht hinten an.
Aber auch die Insolvenz des Leipziger Stahlbauunternehmens IMO zeigt ein zentrales Dilemma
an. Die IMO scheiterte nicht an der deutschen
Energiepolitik oder wegen der Sanktionen gegen
Russland, wie Herr Topf meint, sondern deshalb,
weil die bundesdeutsche und sächsische Wirtschaftspolitik schon lange keine Planungssicherheit mehr verheißt. Wenn politische Entscheidungen gefällt werden, dann müssen im Gegenzug
Möglichkeiten geschaffen werden, damit vor allem
kleine und mittelständische Unternehmen mit geringer Kapitaldecke Verluste kompensieren können.
Keine Frage, die großen Ansiedlungen der letzten
Jahre wie Porsche, BMW, DHL, Schenker usw.
haben für die Stadt und die Region einen wesentlichen Impuls erzeugt. Was jetzt noch fehlt, ist die
Stabilisierung der kleinen und mittelständischen
Wirtschaftsstruktur. Zwar ist auch hier eine gewisse Konsolidierung sichtbar; aber mit der derzeitigen Wirtschaftsförderpolitik gibt es leider
strukturell bedingte Nachteile für Klein- und Kleinstunternehmen. Zukunftsfähige städtische Wirtschaftsförderung muss hier ansetzen. Notwendig
ist eine fundierte Analyse der regionalen Wirtschaftskreisläufe, um Handlungsfelder für die
Wirtschaftsförderung zu definieren, die über die
bestehenden Cluster hinausreichen.
In diesem Zusammenhang ist es leider nicht zu
verstehen, dass der Haushaltsantrag meiner
Fraktion „Mikrokredite für Kleingewerbetreibende
und KMU“ nicht in den Haushalt 2017/2018 aufgenommen wurde. Durch die Haltung der Banken,
Kredite im Niedrigbereich zu verweigern, sind
Kleinst- und Kleinunternehmen sowie Neugründungen im wettbewerblichen Nachteil. Deshalb
hat der Stadtrat bereits im März 2010 mithilfe von
Förderprojekten des Bundes die Finanzierung
solcher Kredite beschlossen. 2015 stellte leider
der Bund die Förderprojekte ein. Danach schlief
die Mikrofinanzierung sang- und klanglos ein.
Und wir, die Verantwortlichen in dieser Stadt, geben uns bis heute damit zufrieden und tun
nichts - und das obwohl die Situation für Kleinunternehmen nicht besser geworden ist. Im Zusammenhang mit der immer noch überdurchschnittlich
großen Langzeitarbeitslosigkeit in unserer Stadt
wäre die Annahme dieses Haushaltsantrages ein
Signal mit positiver Wirkung gewesen.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Nun wird Herr Albrecht entgegnen, dass die Stadt
ja ein Mittelstandförderprogramm hat, an dem
auch kleine Unternehmen partizipieren können.
Ja, das stimmt. Das Mittelstandförderprogramm
regelt Zuwendungen der Stadt an Unternehmen
für besondere Leistungen. Das ist gut, reicht für
kleine Unternehmen aber meist nicht aus. Sie
müssen nämlich erst eine quantitative und qualitative Stufe erreicht haben, um überhaupt die Vorteile des Mittelstandsförderprogramms nutzen zu
können. Ich nenne es einmal „kritische Masse“.
Deshalb braucht es die Möglichkeit der Mikrokreditvergabe.
Ja, Leipzig boomt. Aber das sollte uns nicht die
Augen verschließen, dass es noch immer fast
48.000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach
Sozialgesetzbuch gibt und fast 38.000 Bedarfsgemeinschaften, die den städtischen Haushalt belasten. Zu viele der Leipziger Arbeitsplätze bewegen sich im Niedriglohnsektor. So bleibt Leipzig
die sächsische und die deutsche Armutshauptstadt.
Meine Damen und Herren, Wirtschaftsförderung
soll der Wirtschaft helfen, damit es uns allen bessergeht. Wirtschaft zum Selbstzweck wollen wir
nicht fördern. Alle Unternehmen, die sich nicht an
die hart erkämpfte deutsche Tarifpolitik halten,
brauchen unsere Hilfe nicht. Was zukunftsfähig
sein soll, muss immer auch sozial sein. Die städtische Wirtschaftsförderung muss letztlich allen
Menschen in unserer Stadt dienen. - Herzlichen
Dank.
Oberbürgermeister Jung: Herr Bär von der
SPD-Fraktion.
Stadtrat Bär (SPD): Herr Oberbürgermeister!
Meine Damen und Herren! Wir sind heute hier, um
einmal über die strategischen Schwerpunkte unserer Wirtschaftsförderung zu sprechen, die ansonsten im Tagesgeschäft gerne vergessen werden. Wir wollen darüber sprechen, worauf wir unsere knappen Ressourcen konzentrieren sollten.
In der Tat müssen wir nach wie vor konstatieren und Ihr Vortrag, Herr Professor Gropp, hat das
klar aufgezeigt -, dass die wirtschaftliche Stärke
unserer Stadt ungenügend ist. Es ist zwar nicht
falsch, wenn gesagt wird, dass die Bevölkerungsentwicklung und die wirtschaftliche Entwicklung
sehr dynamisch erfolgen; aber das Niveau, auf
dem wir uns bewegen - das hatten Sie sehr eindrucksvoll mit Zahlen unterlegt - , ist ganz deutlich
noch ausbaufähig.
Ich kann mich erinnern, dass Ihr Kollege, Herr
Professor Ragnitz, den wir 2015 zu unserer ersten
Wirtschaftspolitischen Stunde eingeladen hatten,
uns das auch sehr deutlich ins Stammbuch geschrieben hat. Im Nachhinein habe ich Beschwer-
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den gehört, er habe alles nur schlechtgeredet. Insofern finde ich sehr interessant, dass Sie ebenfalls darauf aufmerksam gemacht haben; denn ich
glaube, wir als Stadträte müssen sehr genau wissen, wie unsere Situation ist. Gerade über Ihren
Ausblick zum Thema Industrie wäre eine Diskussion notwendig, die in diesem Rahmen hier allerdings nicht möglich ist. Ich sehe es ähnlich wie
Kollege Rothkegel. Das ist tatsächlich eines unserer Probleme: Wir haben in unserer Stadt ein völlig ungenügende industrielle Basis. Damit hängen
auch Arbeitsproduktivität und Forschungs- und
Entwicklungskapazitäten zusammen. Angesichts
der Statistiken zu den einzelnen Branchen, die
Sie zu Beginn gezeigt haben, stellt sich die Frage,
inwieweit diese einfach eins zu eins für die Zukunft übertragbar sind. Das müsste man noch einmal diskutieren.
Ich will nun auf die Schwerpunkte zu sprechen
kommen. Aus Sicht der SPD-Fraktion ergeben
sich mehrere Ansatzpunkte:
Als Erstes möchte ich an unsere Initiative zur mittelstandsfreundlichen Kommunalverwaltung erinnern. Auch diesbezüglich bin ich Ihnen sehr dankbar, dass Sie noch einmal darauf hingewiesen haben, wie wichtig es für Unternehmen ist, möglichst
einfache und automatisierte Prozesse zu haben,
die sehr schnell gehen. Ich bin sehr unzufrieden
damit, dass die Initiative zur mittelstandsfreundlichen Kommunalverwaltung bisher noch nicht bis
in die Unternehmen durchgedrungen ist.
Herr Albrecht, wir hatten bereits vor der Sommerpause eine Anfrage gestellt, wie die diesbezügliche Beschlusslage des Stadtrates umgesetzt ist.
Ihre Antwort ist aus unserer Sicht sehr unbefriedigend ausgefallen. Bis jetzt kann ich nicht erkennen, ob es schon Kriterien für die künftige Mittelstandsfreundlichkeit der Verwaltung gibt. Automatisierung wurde angesprochen. Ich würde noch ergänzen: Bearbeitungszeiten von Anträgen, Umgang mit Anfragen und Beschwerden, Rechtssicherheit von Bescheiden, Verwaltungswegweiser,
kurzfristige Vor-Ort-Besuche usw. Mein dringender Wunsch ist: Erarbeiten Sie gemeinsam mit der
Wirtschaft Kriterien und machen Sie sie verbindlich innerhalb der Verwaltung! Das ist das, was wir
brauchen.
Sind sie mal auf die Idee gekommen, dass Kriterien der Mittelstandsfreundlichkeit, dort wo es
passt, auch in den Kennzahlen der Schlüsselprodukte, die gerade erarbeitet werden, verankert
werden könnten? Natürlich stellt sich auch die
Frage an die Gesamtverwaltung: Wie hoch ist die
Bereitschaft aller Ämter der Stadt, die mit mittelständischen Unternehmen zusammenarbeiten,
solche Anforderungen auch für sich selbst gelten
zu lassen? Ich glaube, da ist noch viel Arbeit in
der Gesamtverwaltung notwendig.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Zweiter Punkt. Sie erinnern sich: Vor sieben Jahren haben wir hier unsere Clusterförderung beschlossen. Wir als SPD-Fraktion haben damals
diesen Beschluss ergänzt mit einem Auftrag an
Sie, ein Konzept zur Bestandspflege der Unternehmen in Leipzig zu erstellen. Das ist jetzt sieben Jahre her, Herr Albrecht! Es ist bisher noch
nichts von Ihnen vorgelegt worden. Wir haben
dazu Anfragen gestellt. In Ihren Antworten heißt
es: Wir haben ein Mittelstandsförderprogramm.
Wir haben Betriebsberater, die regelmäßig in die
Unternehmen gehen. Wir setzen die Clusterförderstrategie um. Und damit hat sich das.
Wir denken, Stadtratsbeschlüsse müssen Sie so
umsetzen, wie sie formuliert sind, und nicht, wie
sie Ihnen gerade in den Kram passen. Das Mittelstandsförderprogramm kann keine umfassende
Bestandspflege ersetzen. Die Clusterförderung
deckt auch nur einen Teilaspekt ab. Es geht gerade darum, dass die Betriebsberater schauen,
welche Schwerpunkte und Ziele konzeptionell
herzuleiten sind, was dort festgelegt werden
muss, was nachprüfbar, also eine Erfolgskontrolle, ist usw.
Ich weiß, Herr Albrecht, Ihr Wunsch ist, die Arbeit
unserer Betriebsberater zu verstärken. Das ist
auch im Sinne einer Bestandspflege. Aber das
werden Sie verwaltungsintern und im Stadtrat nur
durchsetzen können, wenn jeder hier im Haus
versteht, was damit erreicht werden kann und soll.
Herr Albrecht, kümmern Sie sich um diese Vorlage, die schon seit Jahren beschlossen ist und
die hier immer wieder eingefordert wurde!
Ich möchte auch daran erinnern, dass wir im letzten Haushalt gemeinsam mit der CDU-Fraktion einen Antrag eingebracht haben, der dann auch beschlossen wurde, in dem es darum geht, Ihnen Finanzierungsinstrumente für neue Unternehmen
an die Hand zu geben. Ich denke, das trifft ziemlich genau das, was Sie, Herr Professor Gropp,
uns ins Stammbuch geschrieben haben. Es geht
darum, neu gegründete Unternehmen, Unternehmen, die frisch am Markt sind, mit entsprechenden Finanzmitteln zu versorgen.
Der dritte Punkt betrifft das Thema Betriebsnachfolge. Hier hätten wir die Möglichkeit, das Wachstum von Unternehmen, die bereits da sind, zu befördern: einerseits durch Menschen, die bereit
und fähig sind, sich den Herausforderungen einer
Selbstständigkeit zu stellen, andererseits den Unternehmen durch die Betriebsübernahme eine
Wachstumsperspektive zu geben.
Vorletzter Punkt: gut ausgebildete Fachkräfte in
der Region. Wir als SPD-Fraktion möchten das
Wirtschaftsdezernat ausdrücklich ermutigen, über
den Tellerrand hinaus zu blicken, beispielsweise
mit Themen wie „Übergang von Schule in Beruf“,
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„Berufsschulangebote in der Region“, „Erreichbarkeit der Auszubildenden“ usw. Nach dem Vortrag von Herrn Professor Gropp denke ich, dass
das Thema Aus- und Weiterbildung genau das ist,
was in Zukunft auch für die Wirtschaftsförderung
zentrale Bedeutung haben wird.
Letzter Punkt. Bestandsunternehmen brauchen
auch räumlichen Platz zum Wachsen. Gerade in
einer Stadt, die auch bevölkerungsmäßig wächst,
wird der Platz allmählich geringer. Sie haben uns
immer an Ihrer Seite, wenn es darum geht, Flächenreserven für wirtschaftliche Aktivitäten zu sichern. An der Stelle will ich noch einmal auf das
Thema „Alte Messe“ zu sprechen kommen und
anmahnen, dass die Neufassung der Eigentümerziele immer noch aussteht, in denen festgehalten
werden sollte, genau diese Flächen für wirtschaftliche Aktivitäten zu sichern.
Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, in vielen Gebietskörperschaften treten Aktivitäten der Bestandspflege leider in den Hintergrund, zum Beispiel gegenüber der Ansiedlungspolitik. Ich glaube, uns in Leipzig kann man diesen
Vorwurf nicht machen. Dennoch müssen wir mehrere Dinge anpacken - ich habe sie benannt -, um
in Zukunft mit unserer Bestandspflege besser voranzukommen. Ich lade Sie ein, diesen Weg gemeinsam mit uns, der SPD-Fraktion, zu gehen. Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Frau Körner von
Bündnis 90/Die Grünen.
Stadträtin Körner (Bündnis 90/Die Grünen):
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Stadtrat! Über den Stolz
auf unsere brummende Stadt, ihr Wachstum, die
gestiegenen Einnahmen und die gesunkene Zahl
an Arbeitslosen haben wir bereits viel gehört. Die
Beurteilung durch Institute und Rankingbildner
wie auch der Leipziger Wirtschaftsbericht 2017
und der konkrete Wirtschaftsförderbericht zeigen
Beispiele für den Erfolg und den Optimismus in
unserer Wirtschaft.
In der Konjunkturumfrage der IHK wurde bestätigt: Die meisten der befragten Unternehmen weisen auf volle Auftragsbücher, wollen sich erweitern und suchen inzwischen händeringend Fachkräfte. Unsere Netzwerke und Cluster verbinden
und fördern kreative Zusammenarbeit. Lotsen im
Rathaus kämpfen gegen den Amtsschimmel und
erleichtern Antragstellungen. Nicht nur die Großkonzerne wurden in Leipzig stark befördert und
unterstützt, auch die Förderprogramme für kleine
und mittlere Unternehmen werden gern angenommen, so heißt es in diesen Berichten.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Unsere Stadt pflegt erfolgreich Kontakte nach
China, Japan und Vietnam, in die Schweiz, nach
Frankreich und in die USA und nicht nur dorthin.
Unser Oberbürgermeister und wir mit der politischen Mehrheit zeigen uns weltoffen, hilfsbereit
und dies auch mit kritischem Blick auf unsere
Kräfte. Es zeigt sich in Leipzig nun, dass vier Parteien gemeinsam die Verwaltungsspitzen stellen,
streiten, dann aber für die Stadtratsbeschlüsse
immer wieder auch gemeinsame Mehrheiten herstellen.
Genug der Lobeshymnen, zu denen wir stehen.
Wo haben wir Sorgen? Wo zeigen sich unsere politisch verschiedenen Ansätze? Wo müssen wir
Wege finden, eine nachhaltige Wirtschaftsform zu
stärken, damit diese Entwicklungsrichtung so
bleibt? Ich stimme unserem Gastredner in den
meisten Punkten zu, außer bei der Geburtenrate,
die inzwischen doppelt so hoch ist, wie sie einmal
war.
Die Globalisierung mit ihren Anforderungen und
Risiken besteht. Ob zum Beispiel aktuell Siemens
weiter in Leipzig gute Chancen anerkennt oder
hier Arbeitsplätze abbaut, ist ungewiss. Auch anderswo geht es nicht allen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern gut, zeigt die sogenannte Leistungsgesellschaft ihre Risiken. Noch nicht überall
gibt es mindestens Mindestlohn, und Arbeitskämpfe finden regelmäßig statt. Nur wenn es den
Arbeitsgebern und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern miteinander gut geht, wenn auch Arbeitslose dauerhaft eine Chance bekommen,
kann nachhaltig gewirtschaftet werden.
Doch die Stimmung in unserer Gesellschaft ist
vielerorts getrübt und beeinflusst auch die wirtschaftliche Lage. Spätestens die Bundestagswahlergebnisse ließen aufhorchen. Bereits zuvor
haben Legida, Pegida, destruktive Redner sowie
Drohungen und Übergriffe über Monate die Attraktivität Sachsens weltweit gefährdet. Vor Ort ist
mancher Ton rauer geworden.
Wie passt das zusammen: wirtschaftlicher Aufschwung und Erfolge auf der einen Seite und Unkenrufe, eine gezielte Verbreitung von Ängsten
und aggressive Töne in der Gesellschaft auf der
anderen? Wir wissen, die Globalisierung und die
Wünsche zur Besitzstandswahrung führen aktuell
in einigen Ländern zu Bewegungen der Abschottung, Ausgrenzung und Demokratiegefährdung.
Wenn Wirtschaftsbeziehungen dadurch abbrechen, macht dies auch Unternehmen in unserer
Stadt Sorgen. Dabei sind wir die Stadt der Friedlichen Revolution, haben dabei mit die Öffnung in
die weite Welt gefeiert, freuen uns heute über internationale Erfolge im Fußball, wollen Tourismus
genießen und selbst erfolgreiche Destination
sein, setzen auch im Stadtrat auf Demokratie und
Vernunft.
S e i t e | 41
In Bonn mühen sich aktuell Staaten, unsere globale Zukunft vor Auswirkungen des Klimawandels
zu bewahren, die lokal bereits ganze Landstriche
untergehen lassen, Ursachen zu Flucht, Kriegen
und Armut vermehren, Gefahren durch Hitze,
Sturm, Überschwemmung ebenso verstärken wie
Krankheiten und Freiheitsgrade für unsere nächsten Generationen.
Leipzig hat sich frühzeitig Ziele zur nachhaltigen
Entwicklung gegeben, fördert einen Agenda-21Prozess und wurde gerade für sein Bemühen
erstmalig mit dem European Energy Award in
Gold ausgezeichnet. Leipzig holt jährlich umfangreiche Fördermittel beruhend auf konkreten Projektbeschreibungen ein, die ebenso auf zukunftsfähiges Wirtschaften setzen. In gesellschaftlichen
und politischen Diskussionen ist manchmal fraglich, ob diese Konzepte bekannt sind.
Heute haben wir auch schon über eine verbesserte Unterstützung von Bioprodukten und fairem
Handel beraten. Selbst der Regionalverband
Leipzig des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands hat seine Mitglieder in der Region aufgerufen, ihren Gästen verstärkt fair gehandelte Produkte anzubieten.
Als Fraktionen und Parteien sollen wir die verschiedenen Meinungen in der Bevölkerung abbilden, und so ist es unsere Aufgabe als Bündnisgrüne, besonders auf Defizite im Umwelt- und Klimaschutz hinzuweisen und nachhaltiges Wirtschaften zu fördern, wozu auch Produktverantwortung, eine nachhaltige Mobilität, die Stärkung
einer verantwortlichen Liegenschafts- und
Standortpolitik, die Sicherung des sozialen Wohnungsbaus, die Förderung der Bildung für eine
nachhaltige Entwicklung gehören.
In diesem Sinne stellen wir Anträge und suchen
Mehrheiten. Sind unsere Anträge gut ausgearbeitet, empfehlen die Fachleute hier im Hause Zustimmung, geben andere Fraktionen sinnvolle Anregungen, stimmen wir auch ihnen zu. Das ist
konstruktives Miteinander. Ideologisches Wehklagen, zum Beispiel gegen Kohleausstieg, Windkraft, Biolandbau, Radfahrstreifen, mangelnde
Elektromobilität und Digitalisierung, wird nicht der
Tatsache gerecht, dass eine nachhaltige Wirtschaftsweise langfristig auf Ressourcen achten
muss, die entlastet werden, wenn bereits heute
nachhaltig gewirtschaftet, fair gehandelt, sich umweltbewusst bewegt wird und Kreativität und Innovationen gefördert werden.
Auch wenn der politische Schlagabtausch dies
nicht immer klarlegt: In den Berichten der Wirtschaftsförderung lesen sich manche Erfolge inzwischen im Gleichklang auch mit ersten bündnisgrünen Zielsetzungen, ist doch vieles aus den
letzten Jahren nun in Gesetzen, Richtlinien, För-
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
derprogrammen und auch städtischen Zielsetzungen angekommen bzw. gesellschaftsfähig. Einen
Luftreinhalteplan und einen Lärmaktionsplan benötigt Leipzig, damit gesünder in der Stadt gelebt
werden kann. Mit Beschlüssen wie dem Klimaund Energiekonzept oder mit Zielsetzungen zur
Stadt für intelligente Mobilität, zur Stadtentwicklung, zur Wirtschaftsförderung und zum sozialen
Wohnungsbau wird ebenso an der Zukunftsfähigkeit der Stadt gemeinsam gearbeitet wie mit den
zahlreichen Projekten, die beim Bund oder der EU
eingereicht werden und diese fördern sollen.
Den Kohlendioxidverbrauch zu senken, findet
sich als Aufforderung aktuell in einem Großteil der
Förderbedingungen des Landes, des Bundes und
der EU. Kunden auch hier vor Ort fragen zunehmend die Produktionsbedingungen oder die ökologischen Kriterien nach. Gewohnt wird gern in
durchgrünten Stadtteilen und nicht an lauten Straßen. Unternehmen haben Sinn, Kultur und Soziales zu fördern, wenn sie selbst hier verankert sind,
Gewinne machen und ihnen etwas an ihrem Ruf
vor Ort liegt.
Inklusion und Integration stellen weiterhin Anforderungen. Langzeitarbeitslose, Migranten, sozial
Bedürftige, Kranke, Menschen mit Behinderungen sind teilweise immer noch ungerecht benachteiligt, und sie haben Ansprüche, die Grundlagen
sind für friedliches und konstruktives Zusammenleben wie barrierefreie Zugänge, Betreuung, Entwicklung, Bildungszugänge, Sorge und Chancen
für ihre Kinder und die nächsten Generationen.
Wir sollten - damit komme ich zum letzten Beispiel - die positive Entwicklung der Stadt und ihr
Wachstum auch nicht zu kleinräumig betrachten.
Auch darauf hat unser Gast hingewiesen. Die
Strukturen zur kooperativen Stadt-Umland-Entwicklung sowie zur regionalen Entwicklung müssen gestärkt werden, was ein stärkeres Engagement im Freistaat notwendig macht. Bessere Verkehrsanbindung der Region über den öffentlichen
Nahverkehr nützt den pendelnden Menschen, der
Wirtschaft und unserer Gesundheit.
Das Ansehen Leipzigs weiter zu stärken und nicht
zu schädigen, dazu bedarf es immer wieder eines
Miteinanders, das Probleme ernst nimmt und versucht, sie zu lösen, Erfolge würdigt und Kreativität
dazu fördert. Nachhaltiges Wirtschaften ist verbunden mit nachhaltiger Stadtentwicklung, sozialer Verantwortung und lebenslangem Lernen. Moderierend, fördernd und in Netzwerken verbindend soll die Stadt dies weiter zum Ziel haben.
Dafür setzen wir uns ein. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Herr Keller von der
AfD-Fraktion.
S e i t e | 42
Stadtrat Keller (AfD): Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Beigeordnete und
Stadträte! Liebe Gäste! Unsere Stadt wächst und
mit ihr unsere Wirtschaft. Wie macht sich das bemerkbar? Ansiedlungen von Großunternehmen
wie BMW, Porsche und DHL sind nicht die einzigen Indikatoren Leipziger Wirtschaftsleistung. Vor
allem kleine und mittelständische Unternehmen
haben seit 1989 zugelegt, investiert und ihre Wirtschaftsleistung auf ein beachtliches Niveau gebracht, sodass inzwischen auch die Steuereinnahmen eine steigende Tendenz aufweisen. Der
regionale Arbeitsmarkt entwickelt sich seit Jahren
wieder positiv, was man auch an der sinkenden
Arbeitslosenzahl erkennen kann.
Doch gibt es auch Wermutstropfen, die uns immer
wieder beschäftigen sollten. Noch immer sind zu
wenige Firmensitze größerer mittelständischer
Unternehmen in Leipzig zu finden. Schlimmer
noch: Aktuell scheint es so, dass alteingesessene
Firmen wie die IMO Leipzig und Siemens Plagwitz
für immer von der Bildfläche verschwinden werden und somit auch das damit verbundene Steuerpotenzial von Firmen mit Sitz in Leipzig. Hier
spielt generell die sogenannte große Politik eine
unrühmliche Rolle mit ihrer verfehlten Energieund Russlandsanktionspolitik. Die politisch Verantwortlichen in Bund und Land verhalten sich
hier totenstill, leider.
Was tut die Stadt, um dem entgegenzuwirken?
Sind es die in Leipzig vorzufindenden Bedingungen oder die verpassten Chancen der Wirtschaftsförderung? Dies muss man fragen angesichts der noch immer im Vergleich zu anderen
Regionen in Sachsen hohen Arbeitslosenquote.
Leipzig ist eben kein Jobmotor, sondern der Sand
im Getriebe der sächsischen Wirtschaft. Die jahrelang dritthöchste Arbeitslosenzahl in Sachsen
macht dies deutlich.
Was ist also zu tun? Was braucht unsere Wirtschaft, um Motor zu werden und ein Jobwunder
zu erreichen, das auch auf die Region ausstrahlt?
Es sind nur wenige Dinge, die allerdings direkte
Wirkung haben und unsere Wirtschaft vehement
beeinflussen.
Bildung darf nicht durch soziale Herkunft definiert
werden, sondern muss sich wieder durch Leistung
auszeichnen. Wenn circa 50 Prozent aller Schulabgänger studieren wollen und 20 Prozent der
Schulabgänger bildungsferne einfache Berufe bevorzugen, wer bleibt dann für die Arbeit an den
Maschinen, in den Handwerksbetrieben und in
den Dienstleistungsberufen übrig? Doch Bildung
ist ja Sache des Freistaates und kann nur geringfügig von der Stadt Leipzig gesteuert werden.
Was fehlt also noch? Wichtige Instrumente der
Wirtschaftsförderung stellen die Bereitstellung
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
preiswerter Immobilien und einer guten Infrastruktur dar. Gerade hier gilt es aus unserer Sicht, endlich Farbe zu bekennen und für unsere sich entwickelnde Wirtschaft ein klares Zeichen zu setzen.
Kaum ein Wirtschaftsbetrieb kann seine Wirtschaftsgüter mit Lastenfahrrädern in Leipzig geschweige denn in Sachsen oder gar deutschlandweit verteilen.
Fehlende Parkplätze erhöhen den Parkplatzsuchverkehr und somit die Umweltbelastungen und die
Zeitverschwendung für die Betriebe erheblich.
Aber auch verlängerte Rot-Ampel-Phasen, fehlende grüne Wellen, Stausituationen auf den
Hauptverkehrsadern unserer Stadt wären zu vermeiden, wenn man Straße und Schiene voneinander trennen würde. Dies würde übrigens auch den
ÖPNV beschleunigen, was wiederum dessen Attraktivität erhöhen könnte.
Der Vorschlag der AfD-Stadtratsfraktion, Quartiersparkhäuser der Zukunft zu bauen, würde einen
ersten Beitrag dazu leisten, Parkraum freizugeben für den Wirtschafts- und Dienstleistungsverkehr sowie Straßen vom Parkverkehr freizuhalten
und so den Verkehr insgesamt zu beschleunigen.
Verlangsamt sich der Wirtschaftsverkehr, vermindert sich auch die effektive Produktivität der Wirtschaftsbetriebe, die zudem durch bürokratische
Hürden und Gängelei an ihrer eigentlichen Arbeitsaufgabe gehindert werden. Die Mobilitätsszenarien sind ideenlos und wirtschaftsfremd.
Eine Mitarbeit des Dezernats VII wäre dringend
nötig gewesen.
Zu guter Letzt sollte man die moralische, logistische und geistige Unterstützung erwähnen, die
unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen zu immer neuen Leistungen ermuntert. Zum
Tag des Handwerks, der von den Handwerksbetrieben in hervorragender Weise organisiert
wurde, der viele Möglichkeiten der Ausbildung
darstellte und aufzeigte, was Wirtschaft alles
kann, war allerdings wenig Unterstützung durch
die Stadt zu spüren. Hier hätten Stadt, Arbeitsamt,
Schulen, Berufsschulen und Elterninitiativen eindeutig mehr Möglichkeiten gehabt, der mittelständischen Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Ergebnis war, dass sich, gemessen an dem großen,
eigenverantwortlich von den Innungen und der
Handwerkskammer aufgebrachten Aufwand, nur
sehr wenige Jugendliche einfanden, die sich informieren wollten. Hier muss man sich schon fragen,
wie die Wirtschaftsförderung in dieser Stadt ihrer
Aufgabe in Zukunft gerecht werden will. - Ich
danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Oberbürgermeister Jung: Herr Morlok von den
Freibeutern.
S e i t e | 43
Stadtrat Morlok (Freibeuter): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Redebeiträge meiner Vorredner sowohl
aus dem Stadtrat als auch von Ihnen, Herr Professor Gropp, haben gezeigt, dass die Entwicklung, wie wir sie erfreulicherweise in den Jahren
nach der Wende mit großen Neuansiedlungen im
Freistaat Sachsen, aber auch in der Stadt Leipzig
gehabt haben, wohl vorbei sein wird. Nicht, dass
wir uns nicht freuen würden, wenn noch jemand
käme; aber realistisch betrachtet wird das wahrscheinlich nicht der Fall sein. Das Ziel ist also, uns
auf das zu konzentrieren, was wir haben, und das,
was wir haben, erfolgreich weiterzuentwickeln. Es
geht also um das Wachstum der Unternehmen
hier in Leipzig und um die Gründung von Unternehmen hier in Leipzig.
Was sind die kritischen Faktoren für ein Wachstum von Unternehmen? Ein kritischer Faktor ist
die Finanzierung. Es geht nicht um die Gründungsfinanzierung. Herr Professor Gropp, Sie haben das dargestellt. Wir haben keine Finanzierungsprobleme bei der Gründung von Unternehmen. Wir haben ein Finanzierungsproblem beim
Wachstum von Unternehmen. Wir haben insbesondere ein Problem, wenn es darum geht, den
Exit-Prozess der ersten Finanziers zu bewältigen.
Viel zu oft wurden im Freistaat Sachsen Unternehmen an einen Wettbewerber verkauft, weil
eine Anschlussfinanzierung vorhanden war.
Wir haben als Kommune nur wenig Einfluss auf
diese Dinge. Wir können Netzwerke bilden. Wir
können Partner zusammenführen. Wir sollten auf
ein leistungsfähiges Kreditinstitut vor Ort nicht
verzichten. Sehr geehrte Damen und Herren, es
hilft wenig, wie von den Grünen hier vorgeschlagen, die örtliche Sparkasse zu zerschlagen bzw.
aufzuspalten und damit ihre Leistungsfähigkeit zu
mindern; nein, wir müssen sie in ihrer Leistungsfähigkeit stärken.
Unternehmen, die neu zu uns nach Leipzig kommen oder die hier wachsen wollen, brauchen Flächen. Wir kennen die Konkurrenz der Flächen in
der wachsenden Stadt: Schulen, Kitas, Wohnraum und Gewerbeflächen. Wir brauchen ein effizientes Liegenschaftsmanagement. Wir brauchen
eine Liegenschaftsbevorratung in dieser Stadt.
Wir müssen über den Tellerrand hinaus schauen.
Mit „Tellerrand“ meine ich die Grenzen der Stadt.
Es gibt auch Liegenschaften außerhalb Leipzigs,
die für Unternehmen interessant sein können und
um die wir uns kümmern müssen. Dazu bedarf es
aber einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit
den Kommunen im Umland. Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister,
Eingemeindungsfantasien
sind da eher kontraproduktiv. Sie schaffen nicht
das Vertrauen, das wir benötigen; sie zerstören
es.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
S e i t e | 44
Bürokratie ist ein wichtiges Problem. Wir müssen
die Abläufe in unserer Verwaltung effizienter und
einfacher gestalten. Ein Antrag unserer Fraktion
zum Beispiel sieht vor, die Sondernutzung unbefristet zu gewähren, damit man nicht jedes Jahr
eine neue Sondernutzungserlaubnis beantragen
muss. Aber das Thema geht weit darüber hinaus.
Die Digitalisierung muss auch in der Kommunalverwaltung Einzug halten. Wir müssen finanzielle
Mittel auf dieses Thema konzentrieren und die
Mitarbeiter der Verwaltung auf diesem Weg mitnehmen.
Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen
von zu Hause zur Arbeit kommen. Deshalb ist das
Thema Infrastruktur das entscheidende Thema.
Niemand kommt nach Leipzig zum Arbeiten,
wenn er ewig lange braucht von Zuhause bis zur
Arbeit und wieder zurück. Es ist klar, dass das
Problem Verkehrsinfrastruktur in dieser Stadt nur
durch eine massive Investition in den Bereich des
ÖPNV lösbar sein wird. Große Autotrassen durch
die Stadt zu schlagen, das wird nicht funktionieren. Wir müssen das Wachstum über den ÖPNV
abfedern.
Ein wichtiges Thema für Unternehmen ist auch
die Infrastruktur. Das Thema Breitband ist hier
schon angesprochen worden; deshalb möchte ich
jetzt nicht näher darauf eingehen. Aber Infrastruktur ist eben nicht nur Breitband, sondern auch die
Straße, hier die Straße für den Wirtschaftsverkehr. Wir wissen, dass der Verkehr zunehmen
wird. Wir müssen die Rahmenbedingungen dafür
setzen, dass Wirtschaftsverkehr in der Stadt auch
weiterhin möglich ist.
Aber auch hier gilt für die Stadt wie für Unternehmen: Es gibt kritische Wachstumsschwellen, an
denen man strategische Entscheidungen treffen
muss. Viele Unternehmen machen dort Fehler
und fallen dann im Wettbewerb zurück oder scheiden aus dem Wettbewerb aus. Das wird uns nicht
passieren. Wir werden aus dem Wettbewerb nicht
ausscheiden.
Ein weiteres zentrales Thema ist Forschung und
Entwicklung. Wenn wir über Digitalisierung reden,
wenn wir über Informationstechnologie reden, reden wir über Forschung und Entwicklung. Es erweist sich als Nachteil, dass die Stadt Leipzig
keine Technische Universität hat. Herr Albrecht,
Sie haben davon gesprochen, dass es jetzt die
eine oder andere Möglichkeit dafür gibt. Wir sollten als Stadt Leipzig unsere Forderung nach einer
Technischen Universität in Richtung Freistaat
noch nachdrücklicher, noch deutlicher erheben.
Der entscheidende Standortfaktor für das Wachstum von Unternehmen sind jedoch die Mitarbeiter.
Das wird der Knappheitsfaktor werden in den
nächsten Jahren. Wir brauchen Mitarbeiter für die
Unternehmen, und die kommen wahrscheinlich
nicht aus Leipzig, sondern sie müssen nach
Leipzig kommen. Was sind aber die Voraussetzungen dafür, dass die Leute hierherkommen?
Gut bezahlte Arbeitsplätze, Wohnraum, Kitas,
Schulen, Flexibilität in der Betreuung der Kinder. Gut, dass wir heute den Antrag beschlossen haben, einen Modellversuch für flexible Kinderbetreuung zu starten. Das wird auch den Unternehmen zugutekommen.
Wir brauchen in diesem Zusammenhang aber
auch neue Ideen. Wir haben einen Antrag gestellt
zum Thema „Flexibles Bewerbermanagement“.
Klar, wir kämpfen auch als Stadt Leipzig um den
knappen Faktor Mensch. Sie hätten diesen als Initiative aufgreifen sollen, statt sich beleidigt auf Zuständigkeiten zurückzuziehen und den Antrag
nicht zuzulassen. Wer so mit Ideen aus dem
Stadtrat umgeht, braucht sich nicht wundern,
wenn wir den Anschluss verschlafen.
Aber die Frage ist, ob wir gemeinsam im Rahmen
der Diskussionen über die Verkehrspolitik in der
Stadt Leipzig die Kraft finden, zu entscheiden,
nicht immer nur ein kleines bisschen an den Stellschrauben zu drehen und uns gerade so durchzuwurschteln mit zu wenig Geld, weil es für etwas
anderes dringender gebraucht wird, sondern den
Schritt zu tun, die Infrastruktur in der Stadt Leipzig
zukunftsfähig zu machen, und zwar nicht nur bis
2030, sondern bis 2050, 2080 und darüber hinaus?
Das wird die entscheidende Frage sein, auch für
den Wirtschaftsstandort der Stadt Leipzig. Ich
spreche in diesem Zusammenhang gerne von sogenannten Ewigkeitsentscheidungen. Das sind
Entscheidungen für Investitionen, die wirklich 50
oder 100 Jahre lang für Leipzig Relevanz haben
werden. Wenn wir hier die richtigen Rahmenbedingungen schaffen und die Kraft im Stadtrat finden, uns über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg zu einem Zukunftsszenario zusammenzufinden, um die Stadt fit zu machen mit einer großen
Entscheidung, mit einem großen Sprung in die
Zukunft, wird das ganz entscheidend dazu beitragen, ob wir die Ziele - neue Arbeitsplätze, Wachstum - in der Stadt Leipzig erreichen können. Ich
hoffe, wir finden gemeinsam, wahrscheinlich im
nächsten halben Jahr, die Kraft dazu. Ich kann nur
dazu ermutigen, die Diskussion vorurteilsfrei zu
führen. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Herzlichen Dank für
diese Aussprache, meine sehr verehrten Damen
und Herren, Kolleginnen und Kollegen, zu diesem
ganz zentralen Thema unserer Stadtentwicklung.
Man könnte den Diskussionsbeiträgen jetzt noch
so vieles hinzufügen. Vielleicht sollten wir einmal
darüber nachdenken, für die Wirtschaftspolitische
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
S e i t e | 45
Stunde ein Format zu finden, das eine Aussprache außerhalb der Stadtratssitzung ermöglicht
und ihr die Zeit einräumt, die sie verdient. Wir sind
hier jetzt eingepfercht in ein Zeitkorsett, das der
Bedeutung, wie ich meine, nicht ganz angemessen ist. Umso wichtiger ist, dass der Gegenstand
auf die Tagesordnung kommt.
locker, auch wenn Sie noch nicht mit allen Kriterien ganz zufrieden sind.
Herzlichen Dank, Herr Professor Gropp, für Ihren
Input. Über einige Punkte lässt sich sicherlich
streiten. Sie haben gehört, dass einige Stadträte
Ihnen nicht ganz beipflichten. Das gilt im Übrigen
auch für mich.
(Beifall)
Die Herausforderungen, die Sie glasklar beschrieben haben, kennen wir: von der Demografie über
die Technologie, Digitalisierung bis hin zu Infrastrukturfragen. Eine spannende Frage ist, ob der
Dienstleistungssektor ohne die Produktion überhaupt möglich ist. Wie viele Beschäftigte haben
wie viel Anteil am BIP, und wie viel Wertschöpfung
in der Tiefe ist notwendig, damit überhaupt Dienstleistung stattfinden kann?
Sie haben uns auf die Frage der Start-up-Szene
hingewiesen, wo wir mittlerweile ganz gut sind,
aber noch nicht ganz vorn. Da ist noch viel Musik
drin. Es geht auch um die kritische Masse, die notwendig ist. Ich will es wenigstens einmal ausgesprochen haben: Wir haben mit dem SpinLab in
Leipzig eine sensationelle Start-up-Schmiede.
Vielen ist gar nicht bewusst, dass dort Großartiges geleistet wird. Dass mittlerweile 200 Start-ups
in der Innenstadt ansässig sind, wird sehr aufmerksam beobachtet. Die Imagefrage ist damit
verbunden.
Die Stadt-Umland-Frage ist berührt. Da bin ich sofort bei der Pendlerfrage. Wir konstatieren - um
Ihnen einmal eine Zahl zu nennen, Herr Professor
Gropp - im Saldo 60.000 mehr Einpendler als Auspendler. Das ist im Vergleich zu westdeutschen
Städten ein Nichts. Das zeigt eine Schwäche der
Stadt-Umland-Beziehungen und der Region insgesamt.
Damit bin ich beim Thema Verkehr und Verkehrsinfrastruktur. In der Tat, Herr Morlok, es steht die
Frage im Raum: Welche Entscheidungen sind wir
bereit, miteinander zu treffen für die zukünftige
ÖPNV- und Modal-Split-Lösungen unserer Stadt?
Schließlich und endlich bin ich bei Fragen der Verwaltung. Kollege Albrecht hat zu Recht darauf verwiesen: Wirtschaftsförderung ist nicht nur auf das
Amt für Wirtschaftsförderung verengt, sondern ein
Thema für die gesamte Stadtverwaltung, jedes
Mitarbeiters, jeder Mitarbeiterin. Sie können sicher sein, dass wir an diesem Thema intensiv arbeiten, Herr Bär. Bei der nächsten Fortbildung für
Führungskräfte der Stadtverwaltung steht das
wieder auf der Tagesordnung. Wir lassen da nicht
Meine Damen und Herren, herzlichen Dank für die
Diskussion, und ganz herzlichen Dank Ihnen, Herr
Professor Gropp, für diesen Input. Wir bleiben im
Gespräch.
Wir wenden uns jetzt wieder dem kommunalen
Alltag zu. Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:
9
Petitionen
Eine inhaltliche Einbringung ist in der Regel nicht
vorgesehen.
9.1
Kitaplatzmangel in der Stadt Leipzig
(VI-P-04700-DS-02)
Einreicher: Petitionsausschuss
9.1.1 dazu VSP (VI-P-04700-VSP-01)
Einreicher: Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule
Sachverhalt und Beschlussvorschlag liegen Ihnen
vor. - Wird das Wort gewünscht? - Gibt es Gegenstimmen zum Beschlussvorschlag des Petitionsausschusses? - Enthaltungen?
Abstimmung: Es ist einstimmig so beschlossen.
10
Wichtige Angelegenheit der Stadtbezirksbeiräte gem. § 5 Abs. 5 der Geschäftsordnung der Stadtbezirksbeiräte
10.1
Zusätzliche Querungsmöglichkeit für
Fußgänger in der Zschocherschen
Straße (VI-WA-04177-NF-02)
Einreicher: SBB Südwest
10.1.1 dazu VSP (-04177-NF-02-VSP-01)
Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und
Bau
Frau Weyh vom Stadtbezirksbeirat Südwest ist
heute anwesend. Wünschen Sie das Wort? - Bitte
schön.
Stadtbezirksbeirätin Weyh (SBB Südwest):
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Beigeordnete! Sehr geehrte Stadträtinnen
und Stadträte! Ich freue mich, dass ich die Gelegenheit habe, Ihnen hier die wichtige Angelegenheit des Stadtbezirksbeirats Südwest vorzustellen. Uns geht es um die Notwendigkeit der Einrichtung von Querungshilfen auf der Zschocherschen Straße, ein sehr lokales Thema. Auf einer
Streckenlänge von 1.200 Metern gibt es momentan keine sichere Querungsmöglichkeit für Fußgänger.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
S e i t e | 46
Der Stadtbezirksbeirat hat in der Vergangenheit
das Thema öfter auf die Tagesordnung gesetzt
und sich nun entschlossen, diese wichtige Angelegenheit in den Stadtrat einzubringen; denn in
den letzten Monaten sind nahezu alle Mitglieder
des Stadtbezirksbeirats von Menschen aus dem
Stadtteil darauf angesprochen worden, dass sie
vor sehr großen Problemen stehen, diese Straße
zu überqueren. Das liegt auch daran, dass ein
enormer Zuzug der Bevölkerung im Leipziger
Westen stattgefunden hat und es damit verbunden eine erhebliche Verkehrssteigerung auf der
Zschocherschen Straße gibt, die vor allen Dingen
ältere Menschen, Kinder, Menschen mit Kinderwagen, Rollatoren oder Begleitung beim Wechsel
der Straßenseite gefährdet.
Verwaltungsstandpunkt, deren geänderte Fassung Ihnen vorliegen dürfte. - Herzlichen Dank für
Ihre Aufmerksamkeit.
Deshalb hat der Stadtbezirksbeirat im Juni 2017
seine wichtige Angelegenheit verfasst und eingereicht. Es gab im Oktober, also im vergangenen
Monat, einen Verwaltungsstandpunkt vom Dezernat Stadtentwicklung und Bau dazu, woraufhin wir
in einer erneuten Beratung unsere wichtige Angelegenheit konkretisiert haben und dazu wiederum
einen Verwaltungsstandpunkt, der darauf abstellt,
erhalten haben.
Ich bitte Sie, die folgenden beiden Informationen
zur Kenntnis zu nehmen:
Im Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau haben wir dann mit den Ausschussmitgliedern und
zwei Mitgliedern des Stadtbezirksbeirates sowie
der Verwaltung das Thema besprochen und festgestellt, dass uns das Angebot gemacht wurde,
auf Höhe der Elsterpassage eine zusätzliche temporäre Querungsanlage zu installieren. Darüber
haben wir uns zwar sehr gefreut, stellen aber weiterhin fest, dass auf einer nunmehr noch 1.000
Meter langen Strecke bis zum „Adler“ weiterhin
keine Querungsmöglichkeit vorhanden ist.
Der geänderte Verwaltungsstandpunkt sieht vor das wurde uns auch zugesagt -, dass im Jahr
2018, also im folgenden Jahr, erneut geprüft wird,
an welcher Stelle in Richtung „Adler“ eine weitere
Querungsmöglichkeit installiert werden kann. Dort
wird ein Schwerpunkt gesehen, sowohl vom
Stadtbezirksbeirat als auch von der Verwaltung,
im Bereich Makranstädter Straße/Naumburger
Straße. Wir freuen uns sehr, dass das im kommenden Jahr geprüft wird. Wir werden das intensiv beobachten und begleiten, vor allen Dingen
auch Maßnahmen im Hinblick auf die Zschochersche Straße, die eine Komplettsanierung und
Neuordnung für die kommenden Jahre braucht.
Die Zschochersche Straße wird angepackt werden müssen.
Wir haben uns im Stadtbezirksbeirat und im Fachausschuss darauf geeinigt, den geänderten Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung zu stellen.
Im Namen des Stadtbezirksbeirats, der sich die
ganze Zeit einstimmig zu dieser wichtigen Angelegenheit verhalten hat, bitte ich Sie, sehr geehrte
Stadträtinnen und Stadträte, um Zustimmung zum
Oberbürgermeister Jung: Gibt es weitere Wortwünsche? - Das ist nicht der Fall. Dann stimmen
wir jetzt über den Verwaltungsstandpunkt ab. Ich
bitte um Ihr Handzeichen. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Es ist einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir fahren fort mit Tagesordnungspunkt 17:
17
Bericht des Oberbürgermeisters
Erstens. Wie Sie den Medien entnommen haben
werden, hat die UBS erwartungsgemäß einen Antrag auf Berufung vor dem Supreme Court gestellt. Wir werden schauen, wie die Sache weitergeht. Überrascht hat uns das nicht.
Zweitens. Der Verwaltungsausschuss hat sich in
seiner letzten Sitzung mit der Bestellung von
Herrn Ronald Juhrs als Vorstand und Technischer
Geschäftsführer der LVB beschäftigt. Herr Juhrs
wurde erstmalig im Jahr 2003 bestellt. Seine aktuelle Bestellung wird 31.10.2018 enden. Die Wiederbestellung erfolgt ab 01.11.2018 für weitere
fünf Jahre bis zum 31.10.2023. So beschlossen
im Aufsichtsrat der LVB nach der Information des
Verwaltungsausschusses.
18
Spenden, Schenkungen und ähnliche
Zuwendungen
18.1 Entscheidung über die Annahme von
Spenden, Schenkungen der Stadt
Leipzig und ähnliche Zuwendungen gem.
§ 73 (5) SächsGemO bis September 2017
(VI-DS-04929)
Einreicher: Dezernat Finanzen
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Es ist einstimmig so beschlossen.
19
Vorlagen I
19.2 Neubau einer 4-zügigen Grundschule mit
Schulhort und Sporthalle für Leipzig
Mitte/So Jablonowskistraße 1 in 04103
Leipzig i. V. m. der Bestätigung einer
überplanmäßigen Auszahlung nach § 79
(1) SächsGemO und einer außerplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung nach
§ 81 (5) SächsGemO (VI-DS-04706)
Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und
Bau
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Einreicher: Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Es ist einstimmig so beschlossen.
19.3
Bau- und Finanzierungsbeschluss:
Grundschule Komarowstraße 2, 04357
Leipzig
(66. GS),
Modernisierung
i. V. m. Bestätigung von überplanmäßigen Auszahlungen nach § 79 (1) SächsGemO (VI-DS-04698-NF-03)
Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und
Bau
Einreicher: Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule
19.3.1 dazu ÄA (-04698-NF-03-ÄA-01)
Einreicher: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Klare Vorvoten. - Wird das Wort gewünscht? Frau Krefft.
Stadträtin Krefft (Bündnis 90/Die Grünen): Wir
haben einen Ergänzungsantrag gestellt, um weitere Punkte mitaufzunehmen. Wir wollen, dass
zeitnah die Sanierung der Turnhalle in Angriff genommen wird, dass die Freifläche gegenüber der
Schule als Sportfreianlage ertüchtigt wird - das
wurde ja bereits auf Initiative der CDU beschlossen - und dass der Anbau im Küchenbereich bis
zur Traufhöhe gezogen wird.
Bei Letzterem weicht das Bild in der Anlage 2 vom
Textteil ab. Im Textteil wird beschrieben, dass der
nördliche Anbau des Gebäudes im Bereich Küchenanlieferung über alle Etagen in der Tiefe von
circa 3 m erweitert wird. Die Frage ist: Was wird
gebaut? Wir wollen natürlich die größere Version,
damit zusätzliche räumliche Bedarfe, die an der
Schule auch nach neuem Schulgesetz abgesichert werden müssen, abgedeckt werden können.
Dafür ist ein Anbau über alle Etagen des bestehenden Gebäudes notwendig.
Ansonsten bitten wir natürlich die Stadträtinnen
und Stadträte um Zustimmung zu unserem Ergänzungsantrag.
Oberbürgermeister Jung: Herr Pellmann.
Stadtrat Pellmann (DIE LINKE): Sehr geehrter
Herr Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und
Kollegen Stadträte! Liebe Beigeordnete! Erstmals
kann ich zu einer Vorlage, die diese Schule betrifft, sprechen, ohne in den Hauch der Befangenheit zu geraten. Von daher tue ich das natürlich
sehr gern.
S e i t e | 47
Ich bin den Grünen sehr dankbar, dass sie einen
Änderungsantrag formuliert und eingebracht haben. Ich will die drei Punkte, die Frau Krefft eben
vorgetragen hat, noch einmal begründen.
Es gibt in Vorbereitung auf diese Baumaßnahmen
bereits seit drei Jahren Vorüberlegungen an der
Schule, genau dies zu tun. Es ist mit der Verwaltung sehr gut zusammengearbeitet worden. Es
gab einen ersten Planungsentwurf, der die Erweiterung um 3 Meter über dem sogenannten Küchentrakt im Norden rechtsseitig beinhaltete. Das
sind zum einen Räumlichkeiten - die Raumplanung wird uns in der nächsten Sitzung des Fachausschusses Jugend, Soziales, Gesundheit und
Schule vorgestellt - für die neu eingestellte
Schulsozialarbeiterin und zum anderen weitere
Funktionsräume, die dringend notwendig sind. So weit zum ersten Punkt, was den Erweiterungsbau betrifft.
Das Zweite ist die Sportfreifläche. Ich bin der
CDU-Fraktion sehr dankbar, was ja nicht sehr
häufig vorkommt, aber in diesem Fall bin ich das.
Auf eure damalige Initiative hin ist hier im Stadtrat
der Beschluss gefasst worden, genau diese Freifläche freizuhalten und sie nicht anderweitig zu
bebauen, sondern sie für die zu erwartende Bebauung der Schule zu nutzen, indem dort wieder
ein Sportplatz installiert wird. Ich hatte gehofft,
dass die Vorlage selbstverständlich mitberücksichtigt, dass dieser Beschluss so umgesetzt wird,
und es dazu keines weiteren Antrags bedarf. Deswegen werbe ich auch hier um Ihre Zustimmung
zum Änderungsantrag.
Der dritte Punkt, der in Ergänzung beantragt ist,
betrifft die Sporthalle. Auch da habe ich gemeinsam mit unserer Schulleitung dafür gekämpft, die
Sporthalle von Beginn an mit in den Planungsbeschluss aufzunehmen. Uns wurde immer wieder
erklärt: Wenn es sich um einen Neubau handeln
würde, wäre dies selbstverständlich möglich, weil
die Förderrichtlinie auch die Sporthalle umfassen
würde. Dort aber gäbe es schon eine Einfeldsporthalle, die ja vielleicht noch ein paar Jahre hält.
Dem halte ich entgegen: Wenn Sie einmal in den
Schulentwicklungsplan schauen, in dem aufgelistet ist, wie viele Schülerinnen und Schüler tatsächlich derzeit in diese Schule gehen, wenn Sie
einmal ins Schulgesetz schauen und die Unterrichtsstundentafel danebenlegen, werden Sie
feststellen: Wenn man so beschließt, wie von der
Verwaltung vorgeschlagen, plant man mit einem
Unterrichtsausfall im Sportunterricht von bis zur
Hälfte. Das kann nicht wirklich unser Ernst sein.
Deswegen: Bitte, bitte, stimmen Sie auch der Ergänzung zu, dass die Sporthalle jetzt gleich mitgemacht wird.
Ansonsten werbe ich um große Zustimmung zur
Gesamtvorlage. - Danke.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Oberbürgermeister Jung: Herr Zenker.
Stadtrat Zenker (SPD): Den zusätzlichen Beschlusspunkten 9 und 11 können wir problemlos
zustimmen. Ich hätte aber ganz gern noch eine
Erklärung zu Beschlusspunkt 10. Frau Krefft hat
es angedeutet: In der Grafik findet sich nicht das,
was im Textteil beschrieben ist, nämlich dass es
gemacht wird. Vielleicht ist dieser Beschlusspunkt
schlicht und einfach redundant. Ich bitte dazu um
eine Aussage der Verwaltung.
Oberbürgermeister Jung: Frau Dubrau, ich bitte
Sie, zu den Beschlusspunkten 9, 10 und 11 des
Änderungsantrags Stellung zu nehmen.
Bürgermeisterin Dubrau: Natürlich ist es aus
Bausicht immer günstiger, wenn man alles komplett macht. Aber: Bisher ist die Finanzierung für
die Turnhalle nicht gesichert. Wenn die Finanzierung gesichert ist, bauen wir sie im Laufe der Baumaßnahme gerne mit. Die Planungen für den Anbau an der Schule sind so weit gediehen, dass
damit sofort begonnen werden kann. Der Bau einer Turnhalle würde etwas länger dauern; das
wäre erst in der zweiten Bauphase möglich. Wie
gesagt: Wenn die Finanzierung gesichert ist,
würde das in einem Stück gemacht werden.
Zum Beschlusspunkt 10 haben mir die Kollegen
aufgeschrieben: Die Planungen und die Kostenansätze entsprechen den Aussagen der Beschlussvorlage. Im Abschnitt C/D ist die im Text
auf Seite 6 beschriebene Erweiterung korrekt
über alle Etagen dargestellt. Die Neubauteile sind
rot dargestellt, der Bestand grau.
(Stadtrat Pellmann [DIE LINKE]): Können Sie zu Protokoll geben, dass das so
kommt?)
Ich kann es nur so sagen, wie es hier dargestellt
ist. Jedes Detail der Planung kenne ich leider
nicht. Aber hier steht: Das ist die gleiche Aussage. - Insofern gehe ich davon aus, dass es die
gleiche Aussage ist.
Oberbürgermeister Jung: Herr Pellmann.
Stadtrat Pellmann (DIE LINKE): Ohne dass ich
jetzt aus einer nichtöffentlichen Sitzung berichten
möchte, aber bei der zweiten Lesung im Fachausschuss ist uns von einem Mitarbeiter der Verwaltung mitgeteilt worden, dass die Erweiterung um
3 Meter in der Vorplanung des Anbaus enthalten
war, aber in der jetzigen Vorlage nicht mehr enthalten ist. Ohne dass ich mich hier irgendwie angreifbar machen will, aber das ist uns im Ausschuss so gesagt worden.
S e i t e | 48
Wenn Sie jetzt sagen: „Der Anbau mit dieser Erweiterung kommt“ und das so im Beschlussprotokoll der heutigen Ratsversammlung steht, verlassen wir uns darauf. Damit könnte ich leben. Aber
das muss dann auch wirklich kommen. Ich kündige vorsorglich an, dass ich genau hinschauen
werde, was an dieser Schule passiert.
Oberbürgermeister Jung: Meine Damen und
Herren, das Ansinnen von Bündnis 90/Die Grünen
ist doch völlig richtig. Aber: Zurzeit ist der Bau der
Sporthalle finanziell nicht untersetzt. Das ist die
Wahrheit. Wir können nicht einfach per Zuruf beschließen: Die Sporthalle wird gleich mitgemacht.
Das ist in der Haushaltsplanung zurzeit nicht eingeordnet.
Ich schlage vor, dass wir jetzt die Planung angehen, und sage Ihnen zu, dass wir den Beschlusspunkt 9 übernehmen, ihn allerdings nicht bis 2019
realisieren können. Das ist völlig unrealistisch,
das schaffen wir nicht. Das geht definitiv nicht. Wir
können den Bau der Sporthalle in 2018 planen,
ihn in den Haushalt 2019/2020 einordnen und hoffentlich in 2020 umsetzen. Alles andere wäre,
glaube ich, völlig illusorisch. Wenn Sie damit einverstanden sind, kann ich Beschlusspunkt 9 übernehmen.
Den Beschlusspunkt 11 bezüglich der Planung
der Freiflächen können wir übernehmen. Das ist
zu machen. Die Plätze sind da. Das bekommt
man auch finanziell dargestellt.
Eine Übernahme von Beschlusspunkt 10 kann ich
nicht zusagen. Das muss die Kollegin klären. Ich
weiß das nicht.
(Unruhe)
So etwas muss man vorher im Ausschuss klären,
Kolleginnen und Kollegen.
(Zuruf: Dann macht eine dritte Lesung!)
Sind Sie einverstanden, dass wir Punkt 9 übernehmen mit der Veränderung „Ziel ist eine Fertigstellung in 2020“?
(Zuruf von Stadtrat Pellmann [DIE
LINKE])
- Die Planung machen wir in 2018, Herr Pellmann.
Aber eine Fertigstellung in 2019 ist nicht realistisch.
(Zuruf von Stadtrat Pellmann [DIE
LINKE])
- Ja, das würde ich so zu Protokoll geben: 2018
Planung, 2019 Einordnung des Baus in den Haushalt und 2020 Realisierung.
Den Beschlusspunkt 11 übernehmen wir.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Über Beschlusspunkt 10 des Änderungsantrags
lasse ich jetzt abstimmen. Ich bitte Sie um Ihr
Handzeichen. Wer stimmt dem zu? - Enthaltungen? - Gegenstimmen?
Abstimmung: Mit großer Mehrheit ist auch Beschlusspunkt 10 des Änderungsantrags beschlossen.
S e i t e | 49
uns vollkommen okay. Wir ziehen unseren Änderungsantrag hiermit zurück. Das, was wir eben
nicht wollen, ist, dass das Budget einer Schule gegen das einer anderen Schule getauscht wird.
Wenn es aber nicht zu Verzögerungen kommt,
weil die Budgets zum Beispiel überdeckt waren,
dann ist das okay.
Wir kommen zur Abstimmung über die Vorlage.
Wer stimmt dem vorliegenden Beschlussvorschlag nicht zu? - Enthaltungen?
Oberbürgermeister Jung: Danke schön. - Herr
Wehmann.
Abstimmung: Es ist einstimmig so beschlossen.
Stadtrat Wehmann (DIE LINKE): Wir haben das
grundsätzliche Problem, dass in den Bauvorlagen
die Deckungsquellen nicht ordentlich erläutert
werden. In diesem Fall zum Beispiel steht drin:
PSP-Element Grundschule Gundorf, aber nicht
warum. Handelt es sich um eine Verschiebung,
Planung usw.? Die Verwaltung sollte da tatsächlich einheitlich agieren. Das heißt: Es müssen das
PSP-Element, der Grund und gegebenenfalls die
alternativen Maßnahmen aufgeführt sein, und
zwar einheitlich.
19.4
Bau- und Finanzierungsbeschluss:
Neubau Grundschule mit Sporthalle in
Lindenau, Gießerstraße 4, 04177
Leipzig i. V. m. Bestätigung einer überplanmäßigen Auszahlung nach § 79 (1)
SächsGemO (VI-DS-04754-NF-02)
Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und
Bau
Einreicher: Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule
19.4.1 dazu ÄA (DS-04754-NF-02-ÄA-01)
Einreicher: CDU-Fraktion
Einreicher: SPD-Fraktion
19.4.2 dazu ÄA (DS-04754-NF-02-ÄA-02)
Einreicher: CDU-Fraktion
Auch da gab es noch eine Irritation. Es gab hier
einen Deckungsvorschlag, der auch mich überrascht hat. - Herr Fabian, darf Sie ans Mikrofon
bitten.
Bürgermeister Prof. Dr. Fabian: Den Änderungsantrag 01, der die Erweiterung der Schule
Gundorf und einen Betrag von 350.00 Euro vorsieht, können wir übernehmen.
Den Änderungsantrag 02 bitte ich zurückzuziehen. Ich gebe hiermit zu Protokoll, dass dieses
Geld - ich habe vorhin bei drei Ämtern noch einmal telefonisch nachgefragt - tatsächlich in 2018
nicht benötigt wird und die 31. Schule termingerecht fertiggestellt werden soll. - Das heißt also:
Dass dieses Geld als Deckungsquelle genutzt
wird, beeinträchtigt nicht den weiteren Fortschritt
der Baumaßnahme „31. Schule“. Ich werde veranlassen, dass im Fachausschuss Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule erläutert wird, warum das Geld für diese Maßnahme in 2018 nicht
benötigt wird, gleichwohl aber in 2019/2020 wieder zugeführt werden muss.
Oberbürgermeister Jung: Herr Tornau.
Stadtrat Tornau (CDU): Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Herr Professor Fabian, das ist für
Oberbürgermeister Jung: Ich bin bei Ihnen, Herr
Wehmann. Ich dachte, das sei in den Fachausschüssen erläutert worden. Zu spät haben wir hier
die Diskussion eröffnet. Wir geloben Besserung.
In künftigen Vorlagen wird bei einer Deckungsquelle erläutert, warum diese gewählt oder Ihnen
vorgeschlagen wird.
Wir nehmen jetzt zu Protokoll: Der Änderungsvorschlag bezüglich Deckungsquelle „31. Schule“
wird zurückgezogen, weil wir erklären: Dadurch ist
der Bau der 31. Schule nicht gefährdet, sondern
das ist eine Überplanung und die Mittel sind frei.
Der Änderungsvorschlag bezüglich der Erweiterung Schule Gundorf wird von uns zur Vorlage
übernommen. Damit wir keine Zeit verlieren, hätte
ich gern die Freiheit, selbstständig einen Deckungsvorschlag außerhalb des Schul- und
Kitabudgets finden zu können. Anderenfalls
müssten wir wieder eine Vorlage in den Stadtrat
einbringen, in der unser Deckungsvorschlag festgehalten ist. Damit würden wir vier Wochen verlieren. Wenn Sie mir heute gestatten, einen Vorschlag außerhalb des Kita- und Schulbudgets zu
machen und den zuständigen Fachausschuss
und den Finanzausschuss in den nächsten Tagen
darüber zu informieren, würde mir das sehr entgegenkommen.
Herr Bonew, machen Sie einen Vorschlag, und
zwar jetzt. Dann haben wir das erledigt.
Bürgermeister Bonew: Wir nehmen das aus
dem Defizit, und zwar aus der Lieblingskostenstelle von Frau Dr. Lauter: unterjährige Deckung
im Finanzhaushalt. Ich bin der Meinung: Sie müssen die Deckung heute korrekt beschließen.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Sonst kommen wir an beiden Stellen nicht weiter.
Sonst verlieren wir Zeit. Und das wollen wir nicht.
Wir werden das verwaltungsintern, wenn es bei
der Schule Gundorf Handlungsbedarf gibt, wieder
umkehren.
Oberbürgermeister Jung: Dann erkläre ich jetzt
zu Protokoll: Gestrichen wird: Die Deckung erfolgt
aus dem PSP-Element Schule Gundorf. - Sie erfolgt aus der unterjährigen Deckung im Finanzhaushalt, der Lieblingsstelle von Frau Dr. Lauter.
(Heiterkeit)
Spaß beiseite! - Es gab noch eine Wortmeldung
von Herrn Weber.
Stadtrat Weber (DIE LINKE): Ich habe noch eine
Frage an Frau Dubrau zum Geh- und Radweg,
der am Rand der Grundschule angedacht war.
Wird der realisiert und, wenn ja, auch in der entsprechenden Breite?
Oberbürgermeister Jung: Frau Dubrau.
Bürgermeisterin Dubrau: Ja, Herr Weber, das
ist Bestandteil der Planung. Das finden Sie in der
Anlage 2. Dort ist rechts notiert:
nicht umzäunte Freifläche, jedoch zu
Flurstück 586/2 gehörig:
ca. 260 m2 Radweg
ca. 250 m2 Gehwegerneuerung
ca. 390 m2 Neubau Radweg
Stadtrat Weber (DIE LINKE): Und die Finanzierung wird dann quasi auch - Bürgermeisterin Dubrau: Das gehört zur Gesamtmaßnahme.
Stadtrat Weber (DIE LINKE): Okay. Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Mit diesen Erläuterungen bringen wir die Vorlage zur Abstimmung.
Wer ist gegen diesen Beschluss? - Wer enthält
sich der Stimme?
Abstimmung: Es ist einstimmig so beschlossen.
19.5 Leipziger Mietspiegel 2016 (VI-DS-03674NF-01)
Einreicher: Jugend, Soziales, Gesundheit
und Schule
Herr Elschner.
S e i t e | 50
Stadtrat Elschner (Bündnis 90/Die Grünen):
Sehr geehrter Oberbürgermeister! Sehr geehrte
Beigeordnete! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadträte! Sehr geehrte Gäste und Zuseher
am Livestream! Die Verwaltung legt uns heute zur
Beschlussfassung den ersten qualifizierten Mietspiegel für die Stadt Leipzig vor. Dieser qualifizierte Mietspiegel hat gegenüber dem einfachen
Mietspiegel einen entscheidenden Vorteil: Künftig
können nicht mehr auf Basis von drei Vergleichswohnungen Mieterhöhungen durchgesetzt werden. Konnte die mit einem einfachen Mietspiegel
ermittelte ortsübliche Vergleichsmiete bei Mieterhöhungen bislang leicht umgangen werden, wird
dies nun nicht mehr möglich sein. Insofern ist der
qualifizierte Mietspiegel ein durchaus wichtiges
Instrument zur Dämpfung von Mietsteigerungen
und für die Leipzigerinnen und Leipziger in unserer Mieter-Stadt von großer Bedeutung.
Und doch ist auch der qualifizierte Mietspiegel
nicht unumstritten; denn trotz Einspeisen verschiedener Daten stellt auch dieser noch immer
ein Zerrbild des Mietwohnungsmarktes dar, gerade weil die Bestands- und Angebotsmieten immer weiter auseinanderklaffen. Es kommt entscheidend auf die Berechnungsgrundlage an. Der
Haken dabei ist: Die Datenerhebung bildet nur einen Bruchteil des Mietwohnungsmarktes ab. In
die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete
gehen nur die neuen Verträge oder die Mieterhöhungen aus den letzten vier Jahren ein, also in der
Regel nur die teuersten, und die große Masse der
oftmals viel günstigeren laufenden Bestands- und
Sozialmieten bleibt außen vor.
Wir Grüne sind deshalb für eine längst fällige
Mietspiegelreform. Betrachten wir die Explosion
der Wohnkosten auch in anderen deutschen
Großstädten, so wird niemand ernsthaft bestreiten, dass auch Mietspiegel ihren Anteil daran haben. Die noch amtierende Große Koalition aus
CDU und SPD wollte diese Mietspiegelreform eigentlich anpacken. Doch sie ist erst einmal im
Sande verlaufen.
Wir Grüne sind der Auffassung, dass vor allem der
Berechnungszeitraum von vier auf zehn Jahre erhöht werden sollte, um so den Anstieg insgesamt
nicht weiter zu beschleunigen. Eine Erhöhung des
Berechnungszeitraumes hätte Auswirkungen zugunsten der Mieter und Mieterinnen mit der Folge,
dass die Vergleichsmieten in den Metropolen erstmals wieder sinken könnten. Vermieterinnen und
Vermieter würden dadurch weder in ihrer Existenz
bedroht - das sagen selbst Experten aus der Immobilienwirtschaft -, noch würde es dadurch zu
Enteignungen kommen. Allerdings müssten Vermieterinnen und Vermieter in Bezug auf ihre Renditeerwartung durchaus im Sinne eines sozialen
Mietrechts vertretbare Abstriche hinnehmen.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen, Wohnungen sind keine Ware, zumindest nicht für die kleinen Vermieter im Gegensatz zu professionellen
Großvermietern; damit sind ausdrücklich nicht die
Wohnungsgenossenschaften gemeint. Damit
Mieter und Mieterinnen in Leipzig künftig nicht von
ihren Vermietern Schreiben mit einer happigen
Mieterhöhung auf Grundlage von drei Vergleichsmieten erhalten, die noch nicht einmal mit der
Mietwohnung wirklich zu vergleichen sind, und
etwa freche und unanständige Sätze wie diesen
lesen müssen - ich zitiere :
In den Großstädten in ganz Deutschland
haben sich die Mieten in den letzten Jahren deutlich erhöht. Sie erhalten sicherlich auch eine entsprechend höhere
Rente ...
werden wir Grüne heute dem qualifizierten Mietspiegel zustimmen, auch wenn dieser sicherlich
für uns immer noch nicht das Gelbe vom Ei ist. Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Herr Morlok.
Stadtrat Morlok (Freibeuter): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und
Herren! Uns liegt eine Neufassung der Vorlage
vor. Allerdings unterscheidet sich diese Neufassung von der Ursprungsvorlage nur in wenigen
Worten, sodass die inhaltliche Kritik, die wir schon
zur Ursprungsvorlage geäußert haben, weiter fortbesteht.
Es ist vollkommen richtig, wie Herr Elschner es
gerade dargestellt hat: Ein qualifizierter Mietspiegel bietet einige Vorteile gegenüber dem einfachen Mietspiegel. Das brauche ich jetzt nicht wiederholen. Deswegen unterstützen wir ausdrücklich die Einführung eines qualifizierten Mietspiegels auch in der Stadt Leipzig. Allerdings halten
wir die Art und Weise, wie die Daten erhoben werden und wie die Berechnungen zustande kommen, für wenig zielführend. Es wird vorgeschlagen, dies auf Basis von Bodenrichtwerten mittels
Regressionsanalyse zu tun. Das führt aus unserer
Sicht zu Verwerfungen in verschiedenen Teilen
der Stadt und ist nicht sachgerecht. Wir werden
daher dem Mietspiegel in der vorliegenden Form
nicht zustimmen.
Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zu der
Aussage von Herrn Elschner hinsichtlich des Zeitraums der Werte, die in die Berechnung einfließen
sollen. Wir haben eben in der Wirtschaftspolitischen Stunde über den Wirtschaftsstandort
Leipzig diskutiert und waren uns einig, dass wir
als Stadt wachsen wollen. Wenn wir als Stadt
wachsen wollen, brauchen wir für die Leute, die
zu uns kommen, zusätzlichen Wohnraum.
S e i t e | 51
Herr Elschner, Sie haben in einem Satz so lax gesagt, da gehe keiner Pleite, da wird keiner enteignet, da müssten die Vermieter eben ihre Renditeerwartungen nach unten korrigieren. - Das hat
aber auch Konsequenzen. Natürlich werden Investoren nur in Bereiche investieren, wo sie davon ausgehen können, dass ihre Renditeerwartungen erfüllt werden. Wenn die Renditeerwartungen von Investoren beim Mietwohnungsbau in der
Stadt Leipzig nicht mehr erfüllt werden, werden
sie in Leipzig in andere Bereiche investieren oder
gleich ganz woanders investieren. Damit werden
wir es mit Sicherheit nicht schaffen, 100.000 Leuten, die in den nächsten Jahren zu uns kommen
werden, Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Wenn wir es für Private unattraktiv machen, in der
Stadt Leipzig Mietwohnungen zu errichten, und
das der LWB oder anderen überantworten wollen,
wird das nicht funktionieren. Zu sagen: Dann müssen Vermieter eben ihre Renditeerwartungen
nach unten korrigieren, das ist zu einfach. Wenn
wir auf dieser Basis weitermachen, werden wir unsere gemeinsam gesteckten Ziele sicherlich nicht
erreichen können.
Oberbürgermeister Jung: Herr Schlegel.
Stadtrat Schlegel (DIE LINKE): Herr Oberbürgermeister! Meine sehr verehrten Damen und Herren
Stadträte! Verehrte Gäste! Liebe Zuhörer! Vieles
ist schon von meinen Vorrednern gesagt worden.
Deshalb kann ich mich kurz fassen. - Nachdem
wir jahrelang gefordert haben, dass der qualifizierte Mietspiegel auch in Leipzig eingeführt wird
und die Verwaltung immer wieder Ausreden gefunden hat, das noch nicht zu machen, hat dankenswerterweise die FDP-Fraktion damals die Initiative ergriffen und beantragt, einen qualifizierten
Mietspiegel in der Stadt einzuführen.
Es muss ganz deutlich gesagt werden: Bei der
Mietspiegelreform, die von mehreren Parteien
schon seit langem gefordert wird, geht es insbesondere darum, dass in den Mietspiegel tatsächlich alle Bestandsmieten einbezogen werden.
Normalerweise hat Haus + Grund die entsprechenden Daten. Auch jedes Wohnungsunternehmen hat die entsprechenden Daten. Wir haben ja
heute schon über Informationsverarbeitung gesprochen. Das heißt: Jedes Wohnungsunternehmen kann diese Mieten straßen- und quartiersgenau ermitteln. Das ist durchaus machbar.
Nicht richtig folgen kann ich dem Jammern auf hohem Niveau. Im Gegensatz zu zahlreichen Kommunen im Freistaat, die unter großem Wohnungsleerstand zu leiden haben, führt die zunehmende
Wohnungsknappheit in der Stadt - es gibt hier
noch keinen Wohnungsnotstand - dazu, dass die
Mieten gestiegen sind, wenn auch auf ein immer
noch bezahlbares Niveau. Es muss immer wieder
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
im Blick behalten werden, dass wir hier eine Mieterschaft haben, die das hinnimmt, noch. Nicht nur
die Gehälter, auch die Renten müssen weiter steigen. Die Rentenschere wird sich aber wahrscheinlich mit der Neuregelung 2018 noch weiter
öffnen statt sich zu schließen, wie immer wieder
behauptet wird, auch weil die Einkommen immer
noch nicht angepasst sind, was letztlich die Ursache ist.
Ich sehe auch eine Gefahr darin, wenn Bodenrichtwerte für das Stadtzentrum gesondert ausgewiesen werden. Dann könnte es in der Tat zu Verwerfungen kommen. Zum Glück gibt es im Stadtzentrum ganz überwiegend LWB-Bestände. Es
sollten dort generell die Bodenrichtwerte der Innenstadt gelten und das Stadtzentrum nicht herausgehoben werden, damit es dort nicht zu galoppierenden Mietsteigerungen kommt und dadurch
die soziale Durchmischung, die wir uns auch für
das Stadtzentrum wünschen, aufgehoben wird. Danke.
Oberbürgermeister Jung: Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann bitte ich um Ihr Handzeichen. Wer stimmt gegen diesen Beschluss? Enthaltungen?
Abstimmung: Drei Gegenstimmen, eine Enthaltung. Dann ist mit großer Mehrheit so beschlossen.
19.7
Regelung der übertariflichen Eingruppierung der Sekretärinnen und Sekretäre bei der Stadtverwaltung Leipzig auf
der Grundlage der Entgeltordnung zum
TVöD für den Bereich der VKA, Änderung zum RBIV-691/06 vom 20.09.2006
(VI-DS-04237)
Einreicher: Dezernat Allgemeine Verwaltung
19.7.1 dazu ÄA (VI-DS-04237-ÄA-01)
Einreicher: Stadträtin I. Lauter
Frau Dr. Lauter, bitte.
Stadträtin Dr. Lauter (DIE LINKE): Sehr geehrter
Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen
und Herren Stadträte! Lieber Gast! Um es vorauszuschicken: Ich finde die Vorlage gut, das ist überfällig. Sie entspricht mit ihrer Zulagen- und sonstigen Finanzstruktur den deutlich gewachsenen
Anforderungen an die Arbeit einer Sekretärin bzw.
eines Sekretärs. Auch der Fachausschuss Allgemeine Verwaltung hat sich dazu ganz eindeutig
positioniert.
Mein Änderungsantrag beinhaltet eine Ergänzung. In der Vorlage finden Sie auf Seite 4 eine
Tabelle, in der den Sekretärinnen und Sekretären
Zulagen zugebilligt werden. Beim Vergleich Zu-
S e i t e | 52
lage alt/Zulage neu fiel mir nach nochmaligem Lesen auf, dass die Sekretärinnen und Sekretäre,
die in den Referaten bei der Stadtverwaltung angesiedelt sind, nicht bedacht werden, obwohl sie
sehr oft eine vergleichbare Leistung erbringen
müssen.
Mein Vorschlag geht nun dahin, den Sekretärinnen und Sekretären in den Referaten eine Zulage
in Höhe von 100 Euro pro Monat zuzugestehen.
Es gibt 13 Referate in der Stadtverwaltung. Nicht
alle Referate sind so groß, dass sie eine Sekretärin haben. Ich beziehe mich in meinem Antrag natürlich nur auf diejenigen Referate, wo eine Sekretärin wirkt. Gesetzt den Fall, es wären nur vier,
dann wäre der finanzielle Mehraufwand 4.800
Euro. Das ist ein Betrag, für den Herr Bonew vielleicht nicht auf meine Lieblingshaushaltsstelle zugreifen muss. Das ließe sich eventuell auch aus
dem Dezernatsfonds speisen. Gesetzt den Fall,
alle 13 Referate hätten eine Sekretärin, wären es
15.600 Euro.
Die Frage, die sich stellt, ist natürlich: Sorgen wir
damit nicht wieder für neue Ungerechtigkeiten?
Sicher werden manche Abteilungsleiterin respektive mancher Abteilungsleiter sagen: Meine Abteilung ist doch vieler größer als das Referat x, y.
Meine Sekretärinnen haben genauso viel zu tun,
werden jetzt aber nicht bedacht. - Deshalb rege
ich an, ohne das jetzt schon in einen Beschlussvorschlag gegossen zu haben, diese eventuelle
Ungerechtigkeit, die aber auch schon in der alten
Vorlage stand, dahin gehend zu prüfen, ob die
Eingruppierung der Sekretärinnen und Sekretäre
in den großen Abteilungen dem angeglichen werden kann. Das ist aber Verwaltungshandeln. Dem
möchte ich nicht vorgreifen.
Ich bitte Sie, die sehr positive Regelung für die
Sekretärinnen und Sekretäre des Oberbürgermeisters, der Beigeordneten und der Amtsleiter
auch auf die Sekretärinnen und Sekretäre der Referatsleiter auszudehnen. So weit mein Vorschlag. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung.
Oberbürgermeister Jung: Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Möchten Sie dazu etwas sagen, Herr Kollege Hörning? - Bitte.
Bürgermeister Hörning: Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Dr. Lauter, vielen Dank für diese Initiative, die wir als Interesse Ihrerseits verstehen, diejenigen zu honorieren, die leitungsunterstützend
tätig sind und eine extreme Arbeitsverdichtung zu
bewältigen haben, wie wir sie ja an vielen Stellen
der Verwaltung erleben.
Ich schlage Ihnen vor, dass wir den zweiten Punkt
Ihres Änderungsantrag aufgreifen, indem wir uns
als Verwaltung verpflichten - entweder hier zu
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Protokoll oder im Rahmen des Beschlussvorschlags als Auftrag formuliert -, Ihnen eine Einschätzung der Assistenzfunktion im Gesamtbild
der Verwaltung vorzulegen.
Sie sprachen es bereits an: Es gibt Abteilungen
mit teilweise mehreren hundert Mitarbeitern, in
denen es auch eine starke Arbeitsverdichtung
gibt. Für die Zuarbeitsfunktion für Abteilungsleitungen dieser Größenordnung könnten wir auch
entsprechende Vergütungen vorsehen. Ich würde
Sie bitten, darauf zu vertrauen, dass wir Ihnen bis
Mitte nächsten Jahres einen Vorschlag dazu vorlegen werden, dass auch für diese Unterstützungsfunktion eine entsprechende Eingruppierungsmethode zur Anwendung kommt.
In der Tat sind die von Ihnen jetzt bedachten Referate sehr klein; nur vier haben eine Sekretärin.
Sie stehen zwar an exponierter politischer Stelle,
sind aber im Vergleich zu dem, was wir an Grundlast, sozusagen im Maschinenraum der Verwaltung, zu bewältigen haben, etwas weniger belastet. Von daher möchte ich einer grundlegenden
Prämierung oder Zulage für eine Referatssekretärin zwar nicht entgegensprechen, möchte aber
dafür werben, diesem Änderungsantrag jetzt nicht
zustimmen, sondern die Vorlage abzuwarten, die
wir Ihnen bis Ende des zweiten Quartals des
nächsten Jahres vorlegen werden, in der wir
Ihnen einen Vorschlag für die Honorierung, Eingruppierung und Prämierung, auch übertariflich,
für weitere Assistenzfunktionen in der Verwaltung
insgesamt unterbreiten werden.
Oberbürgermeister Jung: Danke, Herr Hörning. - Frau Dr. Lauter noch einmal.
Stadträtin Dr. Lauter (DIE LINKE): Herzlichen
Dank, Herr Bürgermeister Hörning. Es ist schön,
dass Sie meine Anregung, auch wenn sie kein formaler Beschlussvorschlag war, aufgreifen wollen,
sich in Kürze auch um die Eingruppierung und
eine eventuelle Höherbewertung der Arbeit der
Sekretärinnen und Assistentinnen zu kümmern.
Das schließt aber nicht aus - Sie haben es selbst
bestätigt: es geht hier nur um vier Sekretärinnen
und Sekretäre und damit um finanzielle Auswirkungen von 4.800 Euro pro Jahr -, dass wir diese
Sache jetzt schon beschließen können. Ich bitte
nach wie vor um Abstimmung des Antrags.
Oberbürgermeister Jung: Dann müssten Sie allerdings den Beschlusspunkt 3 ändern, Frau
Dr. Lauter.
Stadträtin Dr. Lauter (DIE LINKE): Ja. Man kann
ja eine maximale Summe einsetzen bzw. diese
4.800 Euro zum Betrag von 67.800 Euro hinzuaddieren. Das wären dann 72.600 Euro.
S e i t e | 53
Oberbürgermeister Jung: Man könnte festhalten: bis zu 73.000 Euro.
Stadträtin Dr. Lauter (DIE LINKE): Ja. Die Zahl
war mir bislang nicht sicher bekannt.
Oberbürgermeister Jung: Herr Danckwardt.
Stadtrat Danckwardt (DIE LINKE): Ich möchte
nur kurz darauf hinweisen: Diese Zulagen werden
nicht ohne Grund gezahlt. Sie werden deshalb gezahlt, weil Mitarbeiter an bestimmten Positionen
besondere berufsbedingte Aufwendungen haben.
Ich glaube schon, dass das auch bei Referatssekretärinnen der Fall ist, beispielsweise dass sie
sich in besonderer Weise kleiden müssen. Daher
ist diese Zulage sachgerecht. Ich würde auch dafür werben, dass diese „Wohltat“ hier vom Stadtrat
beschlossen wird.
Oberbürgermeister Jung: Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann gebe ich zu Protokoll,
dass Herr Hörning Ihnen zum Ende des zweiten
Quartals 2018 einen Vorschlag zur Eingruppierung der Referats- und Abteilungsleitersekretärinnen und -sekretäre respektive -assistentinnen
und -assistenten machen wird.
Zur Abstimmung steht zunächst der Änderungsantrag von Frau Dr. Lauter, wobei Punkt 3 wie
folgt geändert wird:
Die Ratsversammlung nimmt zur Kenntnis, dass sich die veranschlagten jährlichen Aufwendungen auf bis zu 73.000 €
erhöhen.
Wer dem zustimmt, bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Wenige Enthaltungen, vier Gegenstimmen. Mit großer Mehrheit positiv votiert.
Nun zur Abstimmung über die Vorlage selbst. Wer
der Vorlage zustimmt, bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Das ist einstimmig.
19.8 Bau- und Finanzierungsbeschluss des
Eigenbetriebes Gewandhaus: „Sanierung des Podiums im Großen Saal“
(2017-2020) im Gewandhaus zu Leipzig Bestätigung des städtischen Zuschusses (VI-DS-04496)
Einreicher: Dezernat Kultur
Ich begrüße die Kollegen des Gewandhauses.
Klare Vorvoten. - Wird das Wort gewünscht? - Das
ist nicht der Fall. Ich bitte um Ihr Handzeichen.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Wer ist gegen diesen Beschluss? - Wer enthält
sich?
Abstimmung: Es ist einstimmig so beschlossen.
Herr Röckrath, das muss dann aber auch klingen,
wenn es fertig ist.
19.9 Bestellung des Abschlussprüfers für die
Prüfung des Jahresabschlusses zum
31.12.2017 für den Städtischen Eigenbetrieb Behindertenhilfe (VI-DS-04574)
Einreicher: Dezernat Finanzen
Wird das Wort gewünscht? - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen?
S e i t e | 54
Wir haben soeben das große B-Plan-Gebiet Katzstraße per Satzung beschlossen. Jetzt wollen wir
den B-Plan Wiesenblumenweg beschließen. In
ungefähr 1 Kilometer Entfernung gibt es ein städtisches Grundstück. Darum hat der Ortschaftsrat
Holzhausen gesagt: Durch den Bevölkerungsmix,
der dort entsteht, wird es einen Bedarf von 90 bis
100 neuen Kitaplätzen geben.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, es besteht Handlungsbedarf, und zwar
jetzt. Deshalb werbe ich für diesen Antrag. Er verhindert nicht die Bebauung im Wiesenblumenweg. Ich bitte Sie um Zustimmung zum Antrag des
Ortschaftsrates Holzhausen. Leipzig braucht
Schulen. Leipzig braucht Kitas. - Vielen Dank.
Abstimmung: Das ist einstimmig.
19.10 Bebauungsplan Nr. 313 „Katzstraße“;
Stadtbezirk Südost, Ortsteil Probstheida;
Satzungsbeschluss
(VI-DS04569)
Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und
Bau
Klare Vorvoten. - Wird das Wort gewünscht? - Da
es sich um einen Satzungsbeschluss handelt,
schlage ich vor, jetzt noch einmal das Abstimmgerät auszuprobieren. Inzwischen war der Techniker
da. - Bitte stimmen Sie jetzt ab! - Ich schließe die
Abstimmung.
Abstimmung: 60 - 0 - 0.
19.11 Bebauungsplan Nr. 403 „Wohnsiedlung Wiesenblumenweg“ ; Stadtbezirk
Südost, Ortsteil Holzhausen; Satzungsbeschluss (VI-DS-04580)
Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und
Bau
19.11.1 dazu ÄA (VI-DS-04580-ÄA-01)
Einreicher: Ortschaftsrat Holzhausen
19.11.2 dazu ÄA (VI-DS-04580-ÄA-02)
Einreicher: Stadtrat S. Schlegel
Klare Vorvoten. - Herr Haas, möchten Sie den Änderungsantrag des Ortschaftsrates Holzhausen
einbringen? - Bitte schön.
Stadtrat Haas (CDU): Vielen herzlichen Dank. Herr Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren Beigeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leipzig braucht Schulen. Leipzig braucht
Kitas. Der Kitabedarfsplan zeigt, wie groß unser
Handlungsdruck ist.
Das gilt natürlich auch für den Südosten. Hier hat
der Ortschaftsrat Holzhausen sich Gedanken gemacht und in die Zukunft geschaut, weil alle Kitas,
ob in Holzhausen, in Liebertwolkwitz und drumherum, bis auf den letzten Platz belegt sind.
Oberbürgermeister Jung: Herr Schlegel.
Stadtrat Schlegel (DIE LINKE): Sehr geehrter
Herr Oberbürgermeister! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Mein Antrag, der auf dem des
Ortschaftsrates fußt, will die Initiative nicht verhindern, aber ich gebe zu bedenken, dass, ehe ein
neuer Kitastandort mal eben schnell aus der Hüfte
geschossen wird, das vorher intensiv geprüft
müsste. Mich würde vor allem interessieren, ob,
wenn wir heute per Satzung den Bebauungsplan
beschließen, in den die Kita bisher noch nicht aufgenommen wurde, Billigung und öffentliche Auslegung dann erneut erfolgen müssten.
Deshalb ist mein Anliegen, heute den B-Plan zu
beschließen, damit dort angefangen werden
kann, und gleichzeitig die Verwaltung zu beauftragen, das Anliegen des Ortschaftsrates noch einmal zeitnah zu prüfen. Bei positivem Ergebnis
kann dieser Kitastandort dann auf dem Wege einer Änderung des Bebauungsplans festgelegt
werden. Im Rahmen der Prüfung sollte das gesamte Gebiet in den Blick genommen werden.
Möglicherweise kann diese Großkita für die Ortsteile in unmittelbarer Nähe auch an anderer
Stelle errichtet werden, was zu kürzeren Wegen
für die Eltern führen würde. Das Anliegen, dass
auch im Südosten die Zahl der Kitaplätze erhöht
wird, wird prinzipiell unterstützt.
Oberbürgermeister Jung: Herr Zenker.
Stadtrat Zenker (SPD): Ich verstehe den Antrag
des Ortschaftsrats Holzhausen so, dass ein bestimmtes Grundstück für diese Kita reserviert werden soll. Ich kann das heute ohne Vorberatung
nicht beurteilen. Deswegen würde ich darum bitten - so habe ich den Antrag von Herrn Schlegel
verstanden; vielleicht kann das Dezernat noch
einmal dazu Stellung nehmen -, dass das allgemeiner gefasst wird. Dann können wir uns dazu
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
positionieren, dass eine Kita errichtet wird, aber
noch nicht genau wo.
Oberbürgermeister Jung: Frau Dubrau.
Bürgermeisterin Dubrau: Herr Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren! Es kommen hier
mehrere Sachen zusammen. Der Beschlussvorschlag im Antrag des Ortschaftsrats Holzhausen
ist zwar eher allgemein gehalten, aber im Sachverhalt heißt es:
Der Bauträger und künftiger Erschließungsträger wird verpflichtet, auf dem
Flurstück 308 …, welches sich in städtischem Eigentum befindet, eine Kindereinrichtung zu errichten.
Das wäre rechtswidrig. Auch wenn wir das gerne
wollten, ginge das nicht. Wir machen das zwar
manchmal, allerdings nur dann, wenn für die zu
errichtenden Wohnungen oder Einfamilienhäuser
ein bestimmter Bedarf als notwendig begründet
wird.
Auf diesem Gelände sollen 32 Einfamilienhäuser
errichtet werden. Nach statistischen Berechnungen ist von einem Bedarf von sechs Kitaplätzen
auszugehen. Hätten wir zu dem Zeitpunkt, als wir
die Verhandlungen mit dem Investor aufgenommen haben, schon unsere Bodenordnung gehabt,
hätten wir diese sechs Plätze im städtebaulichen
Vertrag festschreiben und dafür die entsprechende Finanzierung bekommen können. Hier
sind wir einfach schon zu weit in der Planung. Wir
können natürlich mit dem Investor noch einmal
darüber reden, ob er sich an einer Gesamtfinanzierung beteiligen will. Aber das wäre sozusagen
sein Goodwill, nicht verpflichtend. - Das ist die
eine Sache.
Die zweite Sache ist. Das Gebiet wird als Wohngebiet festgelegt, und in einem Wohngebiet kann
ich eine Kita bauen. Das heißt: Ich muss den BPlan nicht ändern oder ergänzen. Ich kann im
Rahmen der Planung auch eine Kita bauen.
Die dritte Sache ist. Wir können zum heutigen
Zeitpunkt nicht eindeutig sagen, ob das vorgeschlagene Grundstück der richtige Standort ist. Insofern würde ich diesen Standort heute ungern
festlegen wollen. Deshalb haben wir folgenden Alternativvorschlag formuliert:
Die Ratsversammlung beauftragt den
Oberbürgermeister, zu prüfen, ob auf
dem eigenen Grundstück Flurstück 308
Gemarkung … eine Kita errichtet werden
soll oder kann. Das Prüfergebnis wird
der Ratsversammlung bis Ende des ersten Quartals 2018 zur Kenntnis gegeben.
S e i t e | 55
Dann können Sie an dieser Stelle entscheiden, ob
wir selber bauen oder die Bebauung des Grundstücks ausschreiben oder das Grundstück in Erbbaupacht geben oder welche Möglichkeit auch immer wir wählen sollten. Ich denke, dann wären
alle Anliegen in die richtige Richtung gebracht.
Oberbürgermeister Jung: Frau Lange.
Stadträtin Lange (DIE LINKE): Das Problem an
dieser ganzen Sache ist: Diese Vorlage wurde am
10.10.2017 vorgelegt. Der Ortschaftsrat hat aber
erst gestern getagt. Schon heute soll die Ratsversammlung den Beschluss fassen. Deshalb auch
dieser kurzfristige Antrag des Ortschaftsrates. Er
hatte nur einen Tag, eigentlich nur wenige Stunden Zeit, darüber zu diskutieren und den Antrag
hier einzubringen. Man sollte für die Zukunft bedenken, den Ortschaftsräten mehr Zeit einzuräumen, über Vorlagen mit Satzungsbeschlüssen,
die ihre Ortschaft betreffen, zu diskutieren.
Es ist ja nicht so, dass nur dieses Flurstück 308
der Stadt Leipzig gehört; ihr gehören dort noch
zwei weitere Grundstücke mit einer Fläche von
insgesamt 4.000 Quadratmetern. Deshalb haben
wir als Stadträte dem Ortschaftsrat Holzhausen
empfohlen, den Antrag zu stellen, dass diese Kita
gebaut wird. Wir müssen auch bedenken: Dort in
der Nähe ist das Herzzentrum, eine der größten
Kliniken Leipzigs. Die Kindergartenplätze werden
dringend gebraucht. Ich bitte um Zustimmung.
Oberbürgermeister Jung: Frau Krefft.
Stadträtin Krefft (Bündnis 90/Die Grünen): Liebe
Frau Lange, das Problem ist: Wir sind jetzt im Satzungsbeschluss. Wir hätten das bereits mit Aufstellungsbeschluss machen können. Der Aufstellungsbeschluss wurde schon vor längerer Zeit
(Stadtrat Morlok [Freibeuter]:
Am 14.02.!)
- danke, Herr Morlok - am 14.02.2017 gefasst und
wurde danach auch dem Ortschaftsrat vorgelegt.
Ich bin auch dafür, dass die Beiräte, seien es die
Stadtbezirksbeiräte oder die Ortschaftsräte, ausreichend Zeit zur Beratung haben. Aber an der
Stelle muss ich ganz klar sagen: Hier geht es um
einen Satzungsbeschluss. Der Aufstellungsbeschluss wurde schon im Februar gefasst.
Oberbürgermeister Jung: Herr Schlegel.
Stadtrat Schlegel (DIE LINKE): Herr Oberbürgermeister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir können es kurz machen. Sie brauchen
nichts weiter tun, als meinen Änderungsantrag zu
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
übernehmen. Damit wird haargenau das erfüllt,
was hier ausgeführt wurde.
Oberbürgermeister Jung: Herr Schlegel, um es
abzukürzen: Das wollte ich gerade auch vorschlagen. Ich denke, wenn wir Ihren Änderungsantrag
übernehmen, tragen wir dem Anliegen des Ortschaftsrats Rechnung. Das wird auch von Frau
Dubrau unterstützt.
Der Änderungsantrag des Ortschaftsrats Holzhausen wird jetzt trotzdem formal abgestimmt. Ich
kündige vorsorglich an, dass ich im Falle eines
positiven Votums den Beschluss beanstanden
müsste. - Bitte geben Sie Ihre Stimme ab zum Änderungsantrag des Ortschaftsrates. - Ich schließe
die Abstimmung.
Abstimmung: 32 - 25 - 5.
(Unruhe)
Kolleginnen und Kollegen, ich werde im Nachgang prüfen, ob ich diesen Beschluss beanstande
oder nicht. Wenn ja, lege ich Ihnen das wieder vor.
(Unruhe)
Ja, so ist das. - Dafür sind Ausschüsse da. Dort
kann das alles vorab geklärt werden.
Wir kommen zur Abstimmung über die Vorlage
einschließlich des Änderungsantrags von Herrn
Schlegel. Ich bitte um Ihr Votum. - Ich schließe die
Abstimmung.
Abstimmung: 45 - 12 - 3. So positiv votiert.
Wie gesagt, ich werde den Beschluss des Änderungsantrags des Ortschaftsrats Holzhausen
noch einmal prüfen. Gegebenenfalls wird es dazu
eine Sondersitzung geben.
Wenn Sie damit einverstanden sind, rufe ich die
Tagesordnungspunkte 19.12, 19.13, 19.14 und
19.15 im Paket auf:
19.12 3. Änderungssatzung zur Abfallwirtschaftssatzung der Stadt Leipzig vom
20.11.2014, gültig ab 01.01.2018 (VI-DS04586-NF-02)
Einreicher:
Sport
Dezernat Umwelt,
Ordnung,
19.13 Abfallwirtschaftsgebührensatzung, gültig ab 01.01.2018 (VI-DS-04587)
Einreicher: Dezernat Umwelt,
Sport
Ordnung,
19.14 6. Änderungssatzung zur Straßenreinigungssatzung der Stadt Leipzig vom
17.11.2011, gültig ab 01.01.2018 (VI-DS004588)
Einreicher: Dezernat Umwelt,
Sport
Ordnung,
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19.15 6. Änderungssatzung zur Straßenreinigungsgebührensatzung
der
Stadt
Leipzig vom 18.11.2011, gültig ab
01.01.2018 (VI-DS-04589)
Einreicher: Dezernat Umwelt,
Sport
Ordnung,
Wird das Wort gewünscht? - Herr Rosenthal.
Bürgermeister Rosenthal: Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte! Um zur weiteren Verwirrung beizutragen:
Unter TOP 19.12 liegt Ihnen die Abfallwirtschaftssatzung vor. Wir haben gestern im Fachausschuss Umwelt und Ordnung noch einmal darüber
diskutiert und sind zu dem Ergebnis gekommen,
in der Begründung folgenden Punkt zu streichen:
Veröffentlichung der Termine des Schadstoffmobils im Amtsblatt. - Dabei ist dem Dezernat ein bedauerlicher Fehler unterlaufen. Wir haben nicht
die Ihnen vorliegende Neufassung 01 abgeändert, sondern die Altfassung. Deswegen haben
Sie jetzt eine Neufassung 02 auf dem Tisch, in der
wiederum ein entscheidender Punkt nicht aufgeführt ist: die Abfallschlüsselnummern 1709 und
170904.
Ich muss jetzt zu Protokoll geben - sonst macht
der Beschluss keinen Sinn -, dass Sie die Abfallwirtschaftssatzung in dem Bewusstsein verabschieden, dass die Abfallschlüsselnummern 1709
und 170904 noch ergänzt werden. - So weit mein
Hinweis.
Oberbürgermeister Jung: Gibt es dazu Wortmeldungen aus Ihrer Mitte? - Dann greifen Sie
bitte zum Abstimmgerät.
Abstimmung über TOP 19.12, Abfallwirtschaftssatzung einschließlich der Hinweise des Kollegen
Rosenthal. Bitte geben Sie jetzt Ihre Stimme ab. Ich schließe die Abstimmung.
Abstimmung: 62 - 0 - 0.
Abstimmung über TOP 19.13, Abfallwirtschaftsgebührensatzung. Bitte geben Sie Ihre Stimme jetzt
ab! - Ich schließe die Abstimmung.
Abstimmung: 60 - 0 - 0.
Abstimmung über TOP 19.14, Straßenreinigungssatzung. Bitte geben Sie Ihre Stimme ab! - Ich
schließe die Abstimmung.
Abstimmung: 60 - 0 - 0.
Abstimmung über TOP 19.15, Straßenreinigungsgebührensatzung. Ich bitte um Ihr Votum. - Ich
schließe die Abstimmung.
Abstimmung: 60 - 0 - 0.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
19.16 Neufestsetzung der Entgelte für den Eigenbetrieb Musikschule Leipzig „Johann Sebastian Bach“ ab 01.01.2018
(privatrechtliche Entgeltordnung) (VIDS-04590)
Einreicher: Dezernat Kultur
19.16.1 dazu ÄA (VI-DS-04590-ÄA-01)
Einreicher: SPD-Fraktion
19.16.2 dazu ÄA (VI-DS-04590-ÄA-02)
Einreicher: Fraktion DIE LINKE
19.16.3 dazu ÄA (VI-DS-04590-ÄA-03)
Einreicher: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Frau Dr. Jennicke verzichtet auf eine Einbringung.
Dann beginnt Herr Oßwald.
Stadtrat Oßwald (SPD): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Werte Damen und Herren
Stadträte! Die letzte Entgelterhöhung der Musikschule Leipzig liegt sechs Jahre zurück - und das
trotz Tarifsteigerungen, Sachkostensteigerungen,
gleichbleibender Zuschüsse durch den Freistaat
Sachsen und nur mäßiger Zuschusserhöhung
durch die Stadt Leipzig, für die wir übrigens in den
letzten Haushaltsverhandlungen immer gekämpft
haben. Aus diesem Grund ist die Entgelterhöhung
aus unserer Sicht nachvollziehbar. Wir werden sie
unterstützen.
Damit wir aber in Zukunft nicht wieder über eine
so deutliche Entgelterhöhung entscheiden müssen, schlagen wir vor, die Entgeltanhebung nach
klaren Regelungen zu dynamisieren. Das schafft
auch mehr Transparenz und Planungssicherheit
für die Musikschule Leipzig. Des Weiteren schlagen wir in unserem Änderungsantrag vor, bereits
bei Vertragsabschluss und in allen Verträgen auf
die Möglichkeit der Mitgliedschaft im Förderverein
Musikschule hinzuweisen. Dieser leistet nicht nur
eine gute Arbeit, sondern auch einen nicht unerheblichen Beitrag zur Unterstützung der Musikschule. Diese Möglichkeit sollte man nutzen.
Abschließend noch eine Anmerkung zum Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Wir haben in Leipzig momentan ein relativ transparentes, einheitliches Rabattierungssystem,
nämlich den Leipzig-Pass. In vielen Einrichtungen
kommt auch das Mittel der Geschwisterrabattierung zur Anwendung. Ich denke, wir sollten jetzt
nicht in einer einzelnen Einrichtung einen völligen
Systemwechsel vollziehen, zumal eine Staffelung
nach dem Familieneinkommen aus unserer Sicht
sehr bürokratisch wäre. Auch würde es vermutlich
nicht jeder Betroffene gut finden, wenn er dort seinen Steuerbescheid oder seine Gehaltsabrechnung vorlegen müsste. Das würden einige vielleicht auch als Brandmarkung empfinden. Das
wollen wir nicht. - Die Bildungsgutscheine sind
S e i t e | 57
aus meiner Sicht schon jetzt anrechenbar. Vielleicht kann die Verwaltung das noch einmal bestätigen. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Herr Götze.
Stadtrat Götze (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister! Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte! Sehr geehrte Besucherin! In
der Vorlage sind die Notwendigkeiten der aktuellen Entgelterhöhung nachvollziehbar dargelegt.
Jede Entgelterhöhung für Nutzerinnen und Nutzer, Schülerinnen und Schüler tut weh. Sie belastet Familienbudgets und wird immer die finanziell
schwächeren Haushalte, die kurz über den Grenzen von Vergünstigungstatbeständen wie LeipzigPass liegen, am stärksten betreffen und sie überlegen lassen, ob die Fortführung der wertvollen
musikalischen Ausbildung nun zu teuer ist oder ob
sie überhaupt damit beginnen möchten. Aber
auch die Entlohnung der Lehrkräfte ist eine soziale Frage. Sie treibt uns beim Positionieren in einen stetigen Spagat.
Das Funktionieren der Musikschule muss gewährleistet werden. Das war für uns der Anlass, zumindest für die nächsten drei Jahre eine Haltelinie für
die Nutzerinnen und Nutzer zu beantragen. Die
Entgelterhöhungen sind deutlich. Wir möchten,
dass in den nächsten drei Jahren nicht noch mehr
bezahlt werden muss. Darin sehen wir den besten
Weg zur Planbarkeit für Lernende und ihre Familien in der nächsten Zeit.
Unser Anliegen ist übersichtlich und klar. Natürlich
ist kein Eigenbetrieb vor eventuellen Mehrbedarfen geschützt und gefeit. Sofern das bei der Musikschule der Fall ist, müssen wir das ebenso lösen wie bei anderen Eigenbetrieben, nur dass das
Anliegen hier ein besonders Lohnenswertes ist.
Eine musikalische Ausbildung sollte uns allen am
Herzen liegen.
Unserer Auffassung nach bleibt eine Erhöhung
selbst dann eine Erhöhung, wenn sie scheibchenweise an Kenngrößen orientiert wie dem Sächsischen Verbraucherpreisindex erfolgt. Unter Umständen bewahrt eine solche Kopplung auch nicht
vor Erhöhungseffekten, die vielleicht noch ungünstiger wären.
Familieneinkommensüberprüfungen atmen den
Hauch sozialer Ausgewogenheit, führen aber zu
neuen Instrumenten, denen höhere Prüfaufwände
immanent sind. Wer das leisten soll, bleibt zu fragen. Differenzierungen haben wir ja jetzt schon
bei den verschiedenen Gruppen und auch für Geschwisterkinder geregelt. Auch ob damit für die
Musikschule am Ende das finanziell Notwendige
herausgeholt werden kann, ist zu fragen.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Wir denken, dass die nächsten drei Jahre ein
überschaubarer Zeitraum sind, um Sicherheit für
beide Seiten zu schaffen, aber zuvörderst für die
Schülerinnen und Schüler, für die Lernenden an
der Musikschule drei Jahre lang nichts teurer werden zu lassen. Deswegen unser Antrag. - Vielen
Dank.
Oberbürgermeister Jung: Frau Dr. Märtens.
Stadträtin Dr. Märtens (Bündnis 90/Die Grünen):
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Werte
Beigeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Gäste! Ich will noch eine Idee hinzufügen.
Leipzig ist eine Musikstadt, ja - weil es große Tradition hat, weil es große Musikerinnen und Musiker hat und weil es eine ausgesprochen musikliebende Bevölkerung hat. Damit das auch in Zukunft so bleibt, brauchen wir ein Publikum und
große Musiker*innen. Und die müssen früh anfangen, zu lernen. Das wissen wir. Am besten lernt
man als Kind erst Noten und dann Buchstaben.
Dann schafft man es vielleicht in ein Orchester.
Mit fünf, sechs Jahren geht das los.
Nehmen Sie einmal 45 Minuten Instrumentenunterricht plus Instrumentenausleihe plus Zusatzkosten für die Korrepetitoren, für die Vorbereitung
auf Prüfungen und Wettbewerbe, für Probelager
und Orchesterfahrten, für Orchesterkleidung: Unter 1.000 Euro kommen Sie da nicht weg. Ich
weiß, wovon ich rede. Das ist für Familien mit geringem Einkommen eine große Last. Bitte bedenken Sie, dass Familien mit geringem Einkommen
weniger als 15.000 Euro im Jahr zur Verfügung
haben.
Wir schlagen deshalb vor, die Musikschulgebühren zukünftig einkommensabhängig zu staffeln,
damit zukünftig alle Kinder gemäß ihrer Begabung
Musik machen können. Uns ist bewusst, dass wir
einen Paradigmenwechsel fordern. Aber wir sollten uns dieser Herausforderung stellen. Wir haben deshalb auch bewusst für den Vorschlag eine
Frist gesetzt, nicht aber für die Umsetzung; denn
ein Paradigmenwechsel will selbstverständlich
gut vorbereitet sein.
Es ist für Nutzer natürlich völlig freiwillig, Herr Oßwald, zu entscheiden, ob sie ihr Einkommen offenlegen wollen, um einen Rabatt oder eine Einstufung zu erhalten, oder ob sie voller Scham ihr
geringes Einkommen verdecken wollen, dadurch
aber höhere Gebühren in Kauf nehmen müssen.
Das muss allen klar sein. Ja, es gibt dafür einen
Verwaltungsaufwand, aber ich glaube, dieser ist
gerechtfertigt, wenn dadurch mehr Kinder aus ärmeren Familien an unserer Musikschule weiter
lernen dürfen.
S e i t e | 58
Bitte sorgen Sie mit uns dafür, dass in Zukunft alle
Kinder an der „Johann Sebastian Bach“-Musikschule lernen dürfen und nicht nur die Kinder aus
den reichen Familien. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Herr Morlok.
Stadtrat Morlok (Freibeuter): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns ist offen gestanden der Antrag der SPDFraktion nicht richtig deutlich geworden. Einerseits verstehen wir das Anliegen, mit Anpassungen der Entgeltordnung nicht zu lange zu warten,
damit es nicht zu Gebührensteigerungen in Größenordnung kommt. Andererseits haben wir
große Bedenken, ob eine Dynamisierung orientiert am Sächsischen Verbraucherpreisindex für
alle Leistungen der Musikschule sachgerecht ist.
Es gibt dort unterschiedliche Arten von Leistungen. Es gibt personenintensive Leistungen, und
zwar dort, wo unterrichtet wird. Hier stehen natürlich die Personalkostensteigerungen im Fokus.
Damit entsteht auch ein Druck auf Gebührenanpassungen, weil diese Kostensteigerungen refinanziert werden müssen. Anders ist es bei den in
der Schule genutzten Räumlichkeiten. Da gibt es
solche Kostensteigerungen nicht. Auch bei der
Ausleihe von Musikinstrumenten gibt es solche
Kostensteigerungen nicht. Die Personalkostensteigerungen wirken sich auf die Ausleihe von Musikinstrumenten eigentlich überhaupt nicht aus.
Per Beschluss soll eine Dynamisierung der Ausleihgebühr für Musikinstrumente nach dem Sächsischen Verbraucherpreisindex erfolgen, obwohl
kalkulatorisch keine Notwendigkeit dafür besteht.
Ich bitte Sie sehr herzlich, noch einmal zu überdenken, ob das wirklich sachgerecht ist.
Eigentlich wäre es sachgerecht, zu sagen: Wir haben eine privatrechtliche Entgeltordnung. Wir
müssen nicht scharf kalkulieren, wie wir es bei
Gebührensatzungen machen müssen. Wir können durchaus die eine oder andere Quersubventionierung innerhalb der Gebühren politisch wollen. Das unterstützen wir auch ausdrücklich. Nur,
dann macht diese Dynamisierung, wie Sie sie vorgeschlagen haben, keinen Sinn.
Viel eher sind wir da beim Antrag der LINKEN,
nämlich zu sagen: Okay, wir haben jetzt drei Jahre
Ruhe. - Das würde ich aber mit dem Aufruf an die
Musikschule verbinden, nach drei Jahren wieder
darüber nachzudenken, ob die Gebühren dann
noch sachgerecht sind. Dann hätten die Nutzer
drei Jahre Ruhe und müssten nicht jedes Jahr
eine Erhöhung befürchten. Drei Jahre wären auch
kein ewig langer Zeitraum. Dann würde es vermutlich auch nicht zu derart großen Erhöhungen
kommen. Dies hielten wir für sachgerecht.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Eine Dynamisierung, wie sie von der SPD vorgeschlagen worden ist, passt eigentlich nicht aufgrund der Unterschiedlichkeit der Tatbestände in
der Gebührenordnung. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Herr Weickert.
Stadtrat Weickert (CDU): Herr Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren! Wir stecken heute
in gewisser Weise in einer Zwickmühle. Natürlich
beschließt niemand gern, Entgelte zu erhöhen;
das ist völlig klar. Aber es geht auch darum: Welche Prioritäten setzen wir in unserer Stadt?
Die LINKEN fordern, ein Moratorium zu beschließen. Das kann man beschließen, aber das löst
das Problem nicht und das ersetzt auch nicht die
Debatte, die wir führen müssen.
Ich bin der Meinung: Wir müssen diese Debatte
alsbald führen. Dazu gehört: Welche Prioritäten
setzen wir in unserer Kulturlandschaft? Wie wichtig ist uns, eine Musikschule zu fördern, die ein
breites Angebot vorhält? Bei allem Respekt, ich
sehe es nicht so, dass momentan nur Reiche auf
die Musikschule gehen. Das kann ich mir, ehrlich
gesagt, bei diesen Preisen nicht vorstellen.
Ich denke, wir müssen unseren Eigenbetrieb so
aufstellen, dass er auch in Zukunft ein breites Angebot vorhalten kann. Daher stimmen wir dem Änderungsantrag der SPD gern zu.
Mit dem Änderungsantrag der Grünen haben wir
grundsätzlich ein Problem. Sie haben zwar eben
noch einmal klargezogen, wie Sie das mit dem
Nachweis von Einkommen meinen. Dennoch:
Das ist ein Stück weit verquere Welt. Ich hatte bisher immer den Eindruck, dass der Schutz von Daten und Bürgerrechten eher eine Sache der Grünen ist als unsere Sache. Aber gut, da machen
sich vielleicht schon die neuen Berliner Konstellationen bemerkbar.
(Zuruf)
- Ich kann dazu nur sagen: Mir ist da auch nicht
zum Lachen, sondern eher zum Weinen zumute.
(Heiterkeit und Beifall)
- Ich brauche Ihr Mitleid nicht. Ich sitze ja nicht in
Berlin. Dort sind andere in eine Zwicklage geraten. Aber darum geht es hier heute nicht.
Zurück zum Antrag der Grünen. Das ist ein Ansatz, den wir zumindest nicht mittragen können.
Ansonsten: Trotz aller Kritik stimmen wir der Vorlage natürlich zu. Ich denke, das ist eine Frage,
die wir im Betriebsausschuss lösen müssen. Dort
müssen wir uns damit künftig intensiv befassen. Herzlichen Dank.
S e i t e | 59
Oberbürgermeister Jung: Frau Hollick.
Stadträtin Hollick (DIE LINKE): Natürlich ist die
Musikschule ein fester Bestandteil unseres Kulturlebens, vor allen Dingen für Kinder und Jugendliche. Aber es ist natürlich nicht für jeden leicht, die
Beiträge dafür aufzubringen. Wenn wir jetzt anfangen, die Beiträge zu dynamisieren, wäre das
wie bei der LVB, die jedes Jahr zum 1. August die
Preise erhöht. Wollen wir das den Familien alle
zwei Jahre zumuten?
Ich möchte den Lehrkräften, die dort unterrichten
und über das Maß hinaus arbeiten, gern mehr Honorar geben. Nur wenige von ihnen arbeiten in einem festen Arbeitsverhältnis; fast alle sind auf Honorarbasis beschäftigt. Dass wir jetzt anfangen
wollen, die Gebühren in einem Eigenbetrieb zu
dynamisieren und sie alle zwei Jahre anzuheben,
das erschreckt mich. Ich bitte Sie dringend, diesen Antrag abzulehnen.
Oberbürgermeister Jung: Herr Oßwald.
Stadtrat Oßwald (SPD): Jetzt muss ich doch
noch etwas dazu sagen. Wo ist denn der Unterschied, ob man die Gebühren dynamisiert, was
transparent und planbar ist, oder ob man alle drei,
vier Jahre die Entgelte anhebt, was am Ende aufs
Gleiche herauskommt? Ich denke, es ist ein bisschen verlogen, wenn man auf der einen Seite zu
Recht fordert, die Honorare der Freiberufler zu erhöhen, mehr Vollzeitstellen für Festangestellte zu
schaffen, das Angebot der Musikschule aufgrund
der hohen Nachfrage auszubauen, sich aber auf
der anderen Seite Entgelterhöhungen verweigert,
zumal Ihre Fraktion, als es in den Haushaltsverhandlungen um Zuschusserhöhungen für die Musikschule ging, eher der Bremser war. Das passt
doch nicht zusammen, Frau Hollick.
Oberbürgermeister Jung: Das fordert Frau Hollick heraus.
Stadträtin Hollick (DIE LINKE): Herr Oßwald,
dazu kann ich nur sagen: Ich glaube, Sie haben
die Beschlüsse zum letzten Haushalt nicht gelesen. Dann wüssten Sie nämlich, wer sich stets dafür eingesetzt hat, die Honorare anzupassen.
Ich möchte noch Folgendes sagen: Sie selber haben in Ihrem Diskussionsbeitrag gesagt, dass wir
sechs Jahre die Gebühren nicht erhöht haben. Es
ist doch eine gute Sache, dass wir uns das leisten
konnten. Vielleicht können wir es uns in nächster
Zeit leisten, die Gebühren zehn Jahre lang nicht
zu erhöhen, wenn es in unserer Stadt gut läuft.
Wir haben heute über die Wirtschaft gesprochen.
Es wurde gesagt: Wir sehen optimistisch in die
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
S e i t e | 60
Zukunft. Und dennoch sagen Sie jetzt: Wir wollen
alle zwei Jahre die Entgelte erhöhen. - Das finde
ich überhaupt nicht in Ordnung. Das ist nicht das,
was wir für Familien tun wollen. Es wird hier von
allen immer betont: Wir wollen sehr viel für Familien tun. Dann müssen wir uns aber auch entscheiden: Entweder geben wir mehr Zuschüsse
an die Musikschule oder wir erhöhen deren Gebühren. Das jetzt aber zu einem Automatismus zu
machen, halte ich für gefährlich.
Zahlen nenne, die Sie bei Ihrem Abstimmungsverhalten berücksichtigen können. Die Musikschule
finanziert sich zu 36 Prozent aus den Musikschulentgelten, so wir nachher den Wirtschaftsplan und
die hier in Rede stehende Erhöhung beschließen.
Die Stadt Leipzig zahlt den größten Zuschuss mit
3,8 Millionen Euro; das entspricht 51 Prozent. Der
Freistaat übernimmt gerade einmal 12 Prozent.
Vielleicht gehen Sie alle jetzt noch einmal in sich
und überlegen, wo die Lücke am größten ist.
Oberbürgermeister Jung: Herr Danckwardt.
Oberbürgermeister Jung: Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Bitte schalten Sie Ihr Abstimmgerät ein!
Stadtrat Danckwardt (fraktionslos): Ganz kurz:
Ich habe in den 1990ern studiert. Damals gab es
noch die D-Mark, und Indexierungsklauseln waren strengstens verboten. Das hatte auch einen
gewissen Sinn. Wenn wir jetzt als Stadt anfangen,
die Inflation mit automatischen Preiserhöhungen
zu befeuern, wird das irgendwann gefährlich.
Dann machen wir das irgendwann überall, sei es
bei Tickets, auch bei Bibliotheken usw. Das darf
nicht sein.
Oberbürgermeister Jung: Herr Morlok.
Stadtrat Morlok (Freibeuter): Ich will noch einmal
auf die unterschiedlichen Tatbestände hinweisen.
Es gibt tatsächlich personalintensive Gebührentatbestände. Da macht die Dynamisierung gegebenenfalls Sinn.
Aber in der Gebührenordnung stehen auch noch
andere Entgelte, zum Beispiel für die Ausleihe von
Musikinstrumenten. Die Instrumente werden den
Nutzern für drei oder fünf Jahre überlassen. Wollen Sie ernsthaft die Ausleihgebühr für Musikinstrumente alle zwei Jahre nach dem Verbraucherpreisindex dynamisieren, obwohl diese Ausleihgebühr für Musikinstrumente überhaupt nichts mit
den Personalkosten zu tun hat? Es kann doch
nicht Ihr Ernst sein, dass Sie eine Dynamisierung
für alle Tatbestände beschließen wollen. In der
Gebührenordnung steht auch ein Aufnahmeentgelt in Höhe von 12 Euro. Soll das auch dynamisiert werden? Da gibt es auch Mahngebühren bei
Nichtzahlung. Wollen Sie die auch dynamisieren?
Da gibt es auch eine Lastschriftrückgabegebühr.
Soll die auch dynamisiert werden? - Ich bitte Sie
noch einmal herzlich, darüber nachzudenken, ob
das wirklich sachgerecht ist.
Oberbürgermeister Jung: Frau Dr. Jennicke.
Zur Abstimmung steht zuerst der weitestgehende
Antrag der Fraktion DIE LINKE, der ein Einfrieren
der Entgelte auf diesem Niveau bis 2020 vorsieht.
Bitte geben Sie jetzt Ihre Stimme ab! - Ich schließe
die Abstimmung.
Abstimmung: 20 Ja-Stimmen, 42 Nein-Stimmen,
keine Enthaltungen. Damit abgelehnt.
Nun zur Abstimmung über den Änderungsantrag
der SPD, der eine automatische Dynamisierung
der Entgelte vorsieht. Ich bitte um Ihr Votum. - Ich
schließe die Abstimmung.
Abstimmung: 28 Ja-Stimmen, 33 Nein-Stimmen,
keine Enthaltungen. Damit abgelehnt.
Als Nächstes steht der Änderungsantrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Abstimmung,
der eine Staffelung der Gebühren nach Einkommen vorsieht. Bitte geben Sie Ihre Stimme ab! Ich schließe die Abstimmung.
Abstimmung: 11 - 45 - 6. Damit ebenfalls abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über die Vorlage
selbst. Ich bitte Sie um Ihr Votum zur Neufestsetzung der Entgelte. - Ich schließe die Abstimmung.
Abstimmung: 49 - 9 - 2. So beschlossen.
19.17 Bebauungsplan Nr. 75.3 „Friedhofstraße“, 1. Änderung; Stadtbezirk Nord,
Ortsteil Eutritzsch; Satzungsbeschluss
(VI-DS-04616)
Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und
Bau
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Bitte geben Sie Ihre Stimme ab! - Ich schließe die
Abstimmung.
Abstimmung: 61 - 0 - 0. So beschlossen.
Bürgermeisterin Dr. Jennicke: Sehr geehrte
Stadträtinnen und Stadträte! Ganz kurz: Ich verstehe, dass Sie dieses Thema sensibel diskutieren. Aber vielleicht schaffe ich es, Sie alle wieder
mit ins Boot zu holen, wenn ich Ihnen ein paar
19.18 Einziehungsverfahren nach § 8 Sächsisches Straßengesetz (Einziehung einer
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Teilfläche des Flurstücks 1070, Gemarkung Kleinzschocher, Nikolai-Rumjanzew-Straße) (VI-DS-04646)
Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und
Bau
Wird das Wort gewünscht? - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Es ist einstimmig so beschlossen.
19.19 Wohnungsbauförderkonzeption
(VI-DS-04681)
2018
Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und
Bau
Wird das Wort gewünscht? - Herr Keller.
S e i t e | 61
Stadtrat Elschner (Bündnis 90/Die Grünen): Herr
Keller, Sie erstaunen mich immer wieder.
(Heiterkeit)
Als Ihr Kollege Kriegel Helmut Kohl huldigte, habe
ich gedacht: Die AfD ist doch die Partei, die den
Euro eigentlich abschaffen will, und dann huldigt
sie Helmut Kohl. - Das ist der eine Punkt, wo Sie
mich heute überrascht haben.
Der zweite ist Ihr Beitrag zum sozialen Wohnungsbau gerade eben. Wenn ich mich recht entsinne, ging Ihr Antrag damals in die Richtung, die
Stadt möge das aus eigener Kraft, mit eigenen
Mitteln schaffen.
(Widerspruch bei der AfD)
Stadtrat Keller (AfD): Mit der Wohnungsbauförderkonzeption 2018 ist bei unserer Verwaltung
endlich der Groschen gefallen. Wir brauchen
mehr Sozialwohnungsneubau. Inzwischen gibt
man zu, dass circa ein Viertel der Leipziger sozialwohnungsberechtigt sind, also Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben. Auch ist
die Erkenntnis gereift, dass man mit Lückenbebauung und Sanierung von Wohnungen im Bestand längst nicht die Versorgung unserer Bürger
mit preiswertem Wohnraum sicherstellen kann.
Dass in der Konsequenz eine völlig neue Wohnungsbaustrategie verfolgt werden muss, war allerdings schon 2015 abzusehen, als die AfDStadtratsfraktion ihren Antrag zum Wohnungspolitischen Konzept stellte, der genau dies beinhaltete: mehr für den Sozialwohnungsneubau zu tun.
Es wird wieder einmal spannend, wie sich die sogenannten sozialen Parteien zu dieser Vorlage
positionieren, haben sie doch 2015 allesamt den
Antrag der AfD-Stadtratsfraktion abgelehnt.
Übrigens: Frau Körner, auch Sie und Ihre Grünen,
haben diesen vernünftigen Antrag damals abgelehnt. Sie hatten ja in Ihrem Vortrag vorhin gesagt,
Sie stimmen Anträgen, die vernünftig sind, zu. Genau das ist nicht der Fall. Setzen Sie sich politisch
mit uns auseinander und nicht ideologisch!
Ist hier endlich ein Umdenken zu bemerken, nachdem der Handlungsdruck selbst die Stadtverwaltung zu einem Schwenk um 180 Grad veranlasste? Die AfD-Stadtratsfraktion wird dieser Vorlage zustimmen, ist aber enttäuscht über den Zeitverlust von zwei Jahren, der durch ideologische
Schranken bei den Altparteien hier im Stadtrat
verursacht worden ist. Solche Fehlentscheidungen tragen maßgeblich zur Unzufriedenheit der
Bürger gegenüber dem politischen Establishment
bei und sollten sich nicht wiederholen.
Oberbürgermeister Jung: Herr Elschner.
- Ja, ja, ja. Lesen Sie sich bitte noch einmal Ihren
damaligen Antrag durch! - In der Tat ist der Freistaat verantwortlich, das Geld des Bundes an die
Kommunen weiterzureichen.
Wir sagen hier klipp und klar: Die Verwaltung
macht ihre Hausaufgaben. Sie arbeitet mit Hochdruck daran. Wir Grüne werden der Wohnungsbauförderkonzeption 2018 zustimmen. Bei der
Gelegenheit ist es natürlich richtig und wichtig,
dass wir uns noch einmal mit den einzelnen wohnungspolitischen Instrumenten, die auch im Wohnungspolitischen Konzept zu finden sind, beschäftigen. Die Aufgabe ist ja mitnichten gelöst.
Es ist auch erkennbar, dass die Gelder, die der
Freistaat zur Verfügung stellt - momentan sind es
20 Millionen Euro -, bei weitem nicht ausreichen.
Der Bedarf an Wohnungen wird inzwischen nicht
mehr mit 1.500, sondern mit 1.700 jährlich beziffert. Das heißt: Die Verständigung von Verwaltung
und Stadtrat geht weiter, auch gegenüber dem
Freistaat Sachsen.
Ich hoffe, dass wir hier ebenso konstruktiv vorankommen wie zum Beispiel bei der kooperativen
Baulandentwicklung, beim Freiladebahnhof Eutritzscher Straße, beim Stadtraum Bayerischer
Bahnhof und bei den Konzeptvergaben in Verbindung mit der sozialen Wohnungsbauförderung.
Ich glaube, diese Wege sind die richtigen, und die
Anstrengungen dahin gehend lohnen sich. Danke.
Oberbürgermeister Jung: Herr Keller.
Stadtrat Keller (AfD): Das kann ich so nicht stehen lassen. Erstens zu Helmut Kohl und dem
Euro. Selbstverständlich hat Helmut Kohl den
Euro eingeführt. Er hat aber auch Sicherungen
zur Stabilität des Euro eingeführt, die jedoch nicht
eingehalten worden sind. So wie sich der Euro in
der Zwischenzeit entwickelt hat, ist er eben nicht
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
mehr tragbar. Das hat aber nichts mit der Persönlichkeit Helmut Kohl zu tun. - Das zum einen.
Zweitens. Unser damaliger Antrag beinhaltete
keine finanziellen Auswirkungen, sondern sich bei
Bund und Land dafür einzusetzen, Sozialwohnungsneubau zu fördern. Das wurde von Ihnen
abgelehnt.
Oberbürgermeister Jung: Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann kommen wir zur Abstimmung über die Wohnungsbauförderkonzeption 2018. Bitte geben Sie Ihre Stimme ab! - Ich
schließe die Abstimmung.
S e i t e | 62
Damit wir die Chance haben, zum 30. Jubiläum
mehr Würde in die Veranstaltung zu bringen, wollen wir eine Debatte in unserer Stadt, die vor allem
von jenen Menschen geprägt wird, die für uns die
Freiheit erkämpft haben. Wohlgestalte Ausführungen von den Untermietern der Runden Ecke beispielsweise sind dabei überflüssig.
Meine Damen und Herren, bitte stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu. Wir wollen nicht verhindern, dass erinnert wird. Auch haben wir mit Sicherheit nicht der Weisheit letzter Schluss, wie erinnert werden soll. Aber wir wollen in gebotener
würdevoller Art und Weise die Erinnerung an 1989
gestalten. - Vielen Dank.
Abstimmung: 42 - 17 - 0. So beschlossen.
19.20 Leipziger Jubiläen 2018 (VI-DS-04773)
Oberbürgermeister Jung: Herr Schulze.
Einreicher: Dezernat Kultur
19.20.1 dazu ÄA (VI-DS-04773-ÄA-01)
Einreicher: CDU-Fraktion
Frau Dr. Jennicke verzichtet erneut auf die Einbringung. Dann Herr Weickert zum Änderungsantrag der CDU-Fraktion.
Stadtrat Weickert (CDU): Herr Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren! Die Friedliche Revolution von 1989 ist auch heute noch eines der
prägendsten Ereignisse für die Gegenwart und
Zukunft. Ohne den Mut der Frauen und Männer,
die in Leipzig und anderswo im diktatorischen
Deutschland auf die Straße gingen, wäre es uns
hier heute überhaupt nicht möglich, eine freie Debatte zu führen.
Als CDU-Fraktion haben wir zwar kein grundsätzliches Unbehagen mit dieser Vorlage; auch finden
wir den Ansatz prinzipiell nicht schlecht, in Zukunft
keine jährlichen Budgets aufzurufen, um die Erinnerungskultur zu planen. Allerdings haben wir ein
Unbehagen mit dem gesamten Themenkomplex
„Lichtfest“.
Unser Änderungsantrag dazu steht auf zwei inhaltlichen Füßen: Zum einen sehen wir in der Vorlage nicht, welches inhaltliche Konzept für das
30. Jubiläum der Friedlichen Revolution verfolgt
wird. Zum anderen ist es dieses Konzept selbst,
welches wir kritisch sehen, zumindest angesichts
der Lichtfeste in den vergangenen Jahren.
Die Erinnerung an 1989 ist natürlich auch heute
noch lebendig. Allerdings haben wir Zweifel daran, ob sie auch in Zukunft wach und lebendig gehalten wird, wenn aus dem Lichtfest Showveranstaltungen werden, in denen sich die führenden
Köpfe unserer Gesellschaft in ihren Reden ein
Stück weit selbst beweihräuchern. Ich sage das
ganz ohne Groll. Aber das ist doch die Botschaft,
die bei vielen ankommt.
Stadtrat Schulze (SPD): Ich will keine lange
Rede halten, sondern nur ausdrücklich darum bitten, diesen Änderungsantrag abzulehnen. Wer
schon in seinem Antrag, aber auch hier am Pult
permanent formuliert, es gebe keinen grundsätzlichen Diskussionsbedarf, ob das stattfinden kann
oder nicht und, wenn ja, wie es stattfinden soll, der
entlarvt sich selbst. Wenn Sie eine neue Kulturpolitik wollen, dann sagen Sie das, dann sprechen
Sie das offen an, dann lehnen Sie die Vorlage ab.
Ich gehe davon aus, dass uns hier ordentliche
Vorlagen vorgelegt werden, die finanziell und inhaltlich untersetzt sind. Damit die Leute im Kulturdezernat und auch im LTM gut arbeiten können,
bin ich dafür, dass ihnen die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden, sie also nicht
mit Sperrvermerk versehen werden. - Danke.
Oberbürgermeister Jung: Frau Dr. Heymann.
Stadträtin Dr. Heymann (CDU): Sehr geehrte
Damen und Herren! Ich will Ihnen meinen ganz
persönlichen Eindruck vom Lichtfest schildern,
wie er auch von anderen Mitgliedern meiner Fraktion wahrgenommen wird, weswegen wir diesen
Änderungsantrag gestellt haben. Wenn viele
Leute, die am 9. Oktober 1989 um den Ring gelaufen sind, nicht mehr zum Lichtfest kommen,
weil sie sich dort nicht mehr zu Hause fühlen,
dann müssen wir dieses Konzept überarbeiten.
Das muss doch zulässig sein.
(Zuruf: Wir fühlen uns dort sehr wohl!)
- Ich habe nicht gesagt: alle Leute, sondern viele
Leute. Dafür brauche ich nur in mein persönliches
Umfeld schauen, bei anderen ist das ebenso.
Es geht hier nicht um eine touristische Veranstaltung, sondern um eine Gedenkveranstaltung. Das
hat nichts mit neuer Kulturpolitik zu tun, sondern
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
mit würdigem Gedenken. Das meinen wir schon
einfordern zu dürfen.
Oberbürgermeister Jung: Herr Maciejewski.
Stadtrat Maciejewski (CDU): Ich denke, wir tun
nicht gut daran, wenn wir von der bei den letzten
beiden Lichtfesten geübten Praxis abweichen. Da
war es nämlich so: 2009 und 2014 gab es jeweils
eine Vorlage über den Zuschuss zum Lichtfest.
Damit wusste jeder, was dort passiert.
Jetzt wird versucht, dass wir eine zugegebenermaßen kleine Summe dafür schon mit dieser Vorlage beschließen. Man erfährt lediglich, dass ein
Wettbewerb innerhalb der freien Kunst- und Kulturszene angestrebt wird. Darunter kann ich mir
erst einmal nicht wirklich etwas vorstellen. Einer
meiner Ratskollegen hat gefragt: Was soll denn
da stattfinden: ein „Kessel Buntes“ oder was? Genau das ist unser Punkt. Wir wollen wissen, was
dort geplant ist. Mein Eindruck ist, dass auch die
Leipziger das wissen wollen.
Ich kenne ganz viele Leute, die 1989 auf dem
Ring mitgelaufen sind. Die gehen nicht mehr zu
diesem Lichtfest, weil sie das für Kasperletheater
halten. Sie sagen: Es kommt noch so weit, dass
dort Bratwurst und Bier ausgeschenkt werden.
Schauen Sie sich einmal die Bilder an! Es kommen nicht mehr so viele Leute wie früher. Der
Platz ist nicht mehr voll.
Sie können gerne beschließen, dafür Geld zur
Verfügung zu stellen, und dann schauen, was dabei herauskommt. Aber ich wünsche mir, dass wir
einmal grundsätzlich darüber reden, wie wir diesen 30. Jahrestag gestalten wollen. Ich glaube, es
bricht uns kein Zacken aus der Krone, wenn wir
das heute nicht beschließen und abwarten, bis die
Verwaltung ein Konzept dazu auf den Tisch legt.
Dann können wir immer noch das Geld beschließen. Wir würden doch keinem Verein einen Zuschuss geben, ohne zu wissen, was er damit vorhat. Genau das sollen wir hier jetzt aber machen.
Ich weiß nicht, was LTM plant. Ich weiß nicht, ob
es in der Stadtverwaltung ein Konzept gibt. Es gibt
eine Initiativgruppe, der viele städtische Vertreter
angehören. Ich weiß nicht, worüber die reden und
was die mit diesem Lichtfest vorhaben, wer als
Redner eingeladen wird und wer nicht, welche
Ausrichtung es haben soll. Das alles ist nicht klar.
Aber wir sollen hier mal ganz schnell etwas beschließen. Also ich würde dem so nicht zustimmen können. Ich glaube, es würde auch draußen
keiner verstehen, wenn wir das jetzt tun würden,
vor allem auch all die Vereine nicht, die Förderanträge stellen und genau sagen müssen, was sie
mit diesem Geld vorhaben. Und wir sollen das hier
jetzt mal schnell durchwinken? Tut mir leid, nein.
S e i t e | 63
Oberbürgermeister Jung: Nur damit keine Legendenbildung entsteht, Herr Maciejewski: So
viele Leute wie in diesem Jahr waren es lange
nicht mehr. Der Platz war voll. Und: So viele Botschaften, wie Sie zurückbekommen haben, haben
auch wir zurückbekommen von Leuten, die das
großartig fanden.
Frau Dr. Jennicke, ich bitte Sie, noch einmal darzulegen, warum es für den Zeitplan notwendig ist,
die Freigabe der Mittel heute zu beschließen.
Bürgermeisterin Dr. Jennicke: Genau deshalb:
um für das Lichtfest 2019 vorbereitet zu sein. Da
das eine größere Veranstaltung werden soll, wollen wir schon in 2018 Geld für eine adäquate Vorbereitung ausgeben.
Ich glaube, es liegt hier ein Missverständnis vor.
Beim Wettbewerb der freien Szene geht es nicht
um einen „Kessel Buntes“, wo jeder etwas präsentieren kann und am Ende gevotet wird, wer gewonnen hat. Wir wollen ein Projekt ausschreiben,
wo sich im besten Falle mehrere Projektträger das bekommen wir über die Fachförderrichtlinie
nicht hin - zusammenfinden und dann in Vorbereitung auf 2019 an einem größeren Projekt arbeiten. Dazu wollen wir noch im Jahr 2017 die Ausschreibung machen. Es dauert seine Zeit, bis sich
die Träger zusammengefunden und ein Konzept
formuliert haben; das schaffen sie nicht in vier
Wochen. Dafür braucht es eine Ausschreibungsfrist von circa zwei Monaten. Dann wird von einer
Jury entschieden, welches Projekt den Zuschlag
bekommt, und dann kann man in 2018 schon mit
vorbereitenden Maßnahmen beginnen.
Ich kann Ihnen also nicht schon jetzt sagen, welches Projekt da gewinnen wird. Dazu muss man
das erst einmal ausschreiben. Damit das Projekt
beim Lichtfest 2019 realisiert werden kann, deswegen die 30.000 Euro in 2018. Das ist der Gedanke, der dahintersteht.
Genauso verhält es sich auch mit dem Runden
Tisch. Der Internationale Tisch der Demokratie
soll in 2019 in größerer Form stattfinden. Dazu bedarf es einer Vorbereitung, die schon in diesem
Jahr stattgefunden hat und die auch in 2018 stattfinden soll. Das schafft man nicht in einem Jahr.
Es ist sinnvoll, das kontinuierlich und langfristig
vorzubereiten, nicht alles, aber einzelne Punkte
im Rahmen eines größeren Programms.
Oberbürgermeister Jung: Frau Heller.
Stadträtin Heller (CDU): Für mich war das am
Anfang ein nicht ganz so emotionales Thema wie
für Herrn Maciejewski. Aber schon allein Ihre Aussage: Wir wollen eine Ausschreibung machen, um
etwas Größeres zu machen, zeigt, dass wir uns
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
tatsächlich einmal inhaltlich damit befassen sollten, wie wir das gestalten wollen. Wir müssen
schon wissen, was in die Ausschreibung aufgenommen wird. Das Gefühl habe ich gerade nicht.
Wir wollen da etwas Größeres machen, wissen
aber nicht, was für ein Projekt das sein wird. Es
ist vielleicht ungerecht, Sie so zu zitieren. Aber
das klingt für mich, als ob wir keine Ahnung haben, in welche Richtung wir mit dem Lichtfest gehen wollen. Deshalb habe ich jetzt das Gefühl,
dass Herr Maciejewski den Finger genau in die
Wunde gelegt hat.
Bürgermeisterin Dr. Jennicke: Wenn ich darauf
erwidern darf: Wir schreiben doch nicht mit 30.000
Euro das Lichtfest aus, sondern wir schreiben ein
künstlerisches Projekt aus. Das Wesen einer Ausschreibung im künstlerischen Feld ist, dass ich
eben nicht vorgebe, was am Ende herauskommen soll. Das ist meines Wissens auch grundgesetzlich verankert.
S e i t e | 64
19.21 Wirtschaftsplan 2018 für den Eigenbetrieb Theater der Jungen Welt (VI-DS04805)
Einreicher: Dezernat Kultur
Klare Vorvoten. - Wird dazu das Wort gewünscht? - Bitte schön, Frau Niermann.
Stadträtin Niermann (CDU): Ich rede zu allen
Wirtschaftsplänen.
Oberbürgermeister Jung: Gut. Dann rufe ich
auch die nächsten beiden Tagesordnungspunkte
auf:
19.22 Wirtschaftsplan 2018 für den Eigenbetrieb Schauspiel Leipzig (VI-DS-04807)
Einreicher: Dezernat Kultur
19.23 Wirtschaftsplan 2018 für den Eigenbetrieb Oper Leipzig (VI-DS-04834-NF-02)
Einreicher: Dezernat Kultur
Oberbürgermeister Jung: Frau Niermann.
19.23.1 dazu ÄA (VI-DS-04834-ÄA-01)
Stadträtin Niermann (CDU): Frau Dr. Jennicke,
genau das ist das Problem. Vielleicht wollen wir ja
noch einmal genauer darüber diskutieren, ob wir
eine solche Ausschreibung überhaupt wollen. Wir
fühlen uns hier einfach völlig überrumpelt. Wir sehen das zum ersten Mal in dieser Vorlage unter
vielen anderen Jubiläen. Die Vorlage an sich ist ja
okay, aber mittendrin ebendiese Ausschreibung,
über die nie diskutiert wurde, von der wir nur am
Rande auf Nachfrage im Ausschuss gehört haben. Und das verkaufen Sie uns hier als besonders dringend. Ich frage mich: Was spricht dagegen, Frau Dr. Jennicke, das herauszunehmen und
separat zu diskutieren? Wenn wir das ordentlich
beraten haben, können wir das ja so machen.
19.24 Wirtschaftsplan 2018 für den Eigenbetrieb Gewandhaus zu Leipzig (VI-DS04844)
Oberbürgermeister Jung: Ich denke, der Worte
sind genug gewechselt. Ich bin dezidiert der Meinung, dass künstlerische Konzeptionen nicht in
den Stadtrat gehören. Das ist meine feste Überzeugung. Wir tun gut daran, uns nicht in die künstlerische Gestaltung einzumischen.
Können wir abstimmen? - Wer dem Änderungsantrag der CDU-Fraktion zustimmt, bitte ich um
das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Eine Reihe von Pro-Stimmen, eine
Enthaltung. Mit Mehrheit abgelehnt.
Nun zur Abstimmung über die Vorlage selbst. Wer
stimmt der Vorlage zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Zwei Enthaltungen, einige Gegenstimmen. Mit großer Mehrheit so beschlossen.
Einreicher: CDU-Fraktion
Einreicher: Dezernat Kultur
19.24.1 dazu ÄA (VI-DS-04844-ÄA-02)
Einreicher: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Bitte, Frau Niermann.
Stadträtin Niermann (CDU): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und
Herren Beigeordnete! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Herren Eigenbetriebsleiter! Liebe
Gäste! Und wieder einmal zu später Stunde wie
jedes Jahr um diese Zeit liegen uns Stadträten die
Wirtschaftspläne der städtischen Kultureigenbetriebe zur Abstimmung vor. Und wie auch im vergangenen Jahr und wie im Jahr davor beschleicht
uns, die CDU-Fraktion, aber vielleicht auch einige
andere ein merkwürdiges Gefühl, ein ungläubiges
Staunen, wenn wir die Zahlen lesen, die Beträge
der jährlichen öffentlichen Zuschüsse für Oper,
Gewandhaus und Schauspiel. Im Jahr 2018 werden es knapp 85 Millionen Euro sein, im Jahr
2021 sogar 90 Millionen Euro. Wohlgemerkt, ich
rede von den Zuschüssen allein für die Eigenbetriebe Oper, Gewandhaus und Schauspiel.
Zur Erinnerung, meine Damen und Herren: Insgesamt gibt die Stadt Leipzig für ihre Kultur jährlich
schon heute weit über 100 Millionen Euro aus. Auf
jeden einzelnen Leipziger entfielen 2011 - das haben Sie schon einmal von mir gehört - Nettokulturausgaben in Höhe von 214 Euro. Dieser Betrag
dürfte sich inzwischen, auch wenn wir steigende
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Einwohnerzahlen berücksichtigen, deutlich erhöht
haben. Von zehn deutschen Städten der Größenklasse über 500.000 Einwohner steht Leipzig damit immer noch an zweiter Stelle hinter Frankfurt
am Main, wo es 2011 222 Euro je Einwohner waren. Das macht nach wie vor nachdenklich.
Um es an dieser Stelle vorwegzunehmen: Anders
als 2015 und 2016 werden wir den Wirtschaftsplänen dieses Jahr zustimmen, auch wenn die Kostenentwicklung nach wie vor außerordentlich bedenklich ist. Wir erlauben uns auch in diesem Jahr
wieder die Frage, ob die Stadt sich wirklich zwei
Theaterbetriebe, Oper und Schauspiel, mit völlig
eigenständigen Verwaltungsabteilungen leisten
kann und soll. Diese Frage, sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister Jung, werden Sie sich von uns
immer wieder gefallen lassen müssen - auch
wenn Sie jetzt darüber lachen; wir finden das nicht
ganz so lustig. Wir werden sie auch im nächsten
Jahr wieder stellen. Zu gegebener Zeit werden wir
auch auf unseren Antrag zur Neustrukturierung
der Kultureigenbetriebe zurückkommen.
Zurück zu den heute zur Abstimmung stehenden
Wirtschaftsplänen, liebe Kollegen und Kolleginnen. Ich sagte bereits: Wir stimmen ihnen zu.
Auch dem Wirtschaftsplan der Oper werden wir
zustimmen. Unseren Änderungsantrag zum Wirtschaftsplan der Oper ziehen wir zurück, weil sich
dieser mit dem gestern eingegangenen Austauschblatt erledigt hat. Die Opernleitung hat von
ihrem Vorhaben, zum 01.12.2017 einen Volljuristen als Referenten des Verwaltungsdirektors einzustellen, Abstand genommen. Der neuen Personaltabelle ist ein Personalaufwuchs im Bereich
der Geschäftsleitung nun nicht länger zu entnehmen. Damit ist das Ziel unseres Änderungsantrags erreicht.
Die Wirtschaftspläne sind somit formal in Ordnung. Sie entsprechen betriebswirtschaftlichen
Regeln. Vor allem stimmen sie auch mit der Beschlusslage des Stadtrates zu den Kulturbetrieben überein. Wir erinnern uns an das letzte Jahr:
Der Stadtrat hat am 21.09.2016 mit einer knappen
Mehrheit nicht nur die finanziellen Rahmenbedingungen der Kultureigenbetriebe festgelegt - dagegen hätten wir nichts gehabt -, sondern auch - und
zwar gegen die Stimmen der CDU-Fraktion und
einige Ihrer Stimmen - beschlossen, die Strukturen der Kultureigenbetriebe bis 2020 zu zementieren.
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter
Herr Professor Röckrath, erlauben Sie mir am
Ende meiner Ausführungen noch ein paar Worte
zum Wirtschaftsplan des Gewandhauses zu
Leipzig und zum Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen. Der Wirtschaftsplan des
Gewandhauses enthält zur Planung des Geschäftsjahres 2019 bis 2021 unter Punkt 5.2 im
S e i t e | 65
dritten Absatz Ausführungen, die ich im Folgenden kurz zitieren will, damit auch jeder weiß, worüber wir hier reden. Zitat:
Die Finanzierung der Konzerte im Rahmen von „Klassik airleben im Rosental“,
die den Bürgern und den Gästen der
Stadt das Erlebnis des Gewandhausorchesters bei freiem Eintritt ermöglicht,
stellt das Gewandhaus auch in den Geschäftsjahren 2019 bis 2021 vor große
Herausforderungen. Bei den hohen Aufwendungen für die Infrastruktur (Bühnen- und Hinterbühnenbereich, Ton-,
Licht- und Videotechnik, Sanitäreinrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen)
bestehen keine Kürzungspotenziale, da
die hohe Zahl von 30.000 Besuchern pro
Konzert das unverrückbare Richtmaß für
die Herrichtung des Veranstaltungsgeländes ist. Die Aufwendungen von rund
600 T€ können zwar immerhin zu fast
30 % aus Sponsoringerlösen gedeckt
werden. Gleichwohl verbleibt eine beträchtliche Finanzierungslücke, die die
Betriebsleitung veranlasst hat, eine Sonderzuweisung der Stadt in Höhe von
75 T€ in die Wirtschaftspläne 2019 bis
2021 einzustellen. Die Betriebsleitung
wird im zweiten Halbjahr 2018
- das nun Folgende ist wichtig einen entsprechenden Antrag auf diese
Sonderzuweisung stellen.
Zitatende. - Diesen Passus möchten Sie, liebe
Kollegen und Kolleginnen der Grünen aus dem
Wirtschaftsplan gestrichen haben.
Wir Mitglieder der CDU-Fraktion haben einerseits
durchaus Verständnis für Ihre Bauchschmerzen
an dieser Stelle. 75.000 Euro zusätzlich für das
Open-Air-Konzert im Rosental sind bei den ohnehin gewährten Zuschüssen sicher keine Peanuts.
Andererseits ist mit der Erwähnung der Absicht
der Betriebsleitung, im zweiten Halbjahr 2018 einen entsprechenden Antrag zu stellen, noch
nichts entschieden. Im Gegenteil: Dieser Hinweis
im Wirtschaftsplan dient dazu, den Anforderungen
über größtmögliche Transparenz gerecht zu werden. Er ist hier richtig an der Stelle; dort gehört er
auch hin. Im Übrigen enthielt auch schon der Wirtschaftsplan 2017 nach meiner Erinnerung diesen
Hinweis, sodass wir uns über Ihren Änderungsantrag an dieser Stelle schon ein bisschen wundern.
Die CDU-Fraktion will und wird sich mit der Frage,
ob das Open-Air-Konzert im Rosental einen Sonderzuschuss benötigt bzw. verdient, zu gegebener Zeit beschäftigen, nämlich dann, wenn uns
der mit genauen Zahlen untermauerte Antrag der
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Geschäftsleitung des Gewandhauses hierzu vorliegt.
Sehr geehrte Damen und Herren, „Klassik airleben im Rosental“ ist bei den Leipzigern und Gästen, auch bei uns allen sehr beliebt. Jeder, der einmal da war, weiß, dass die Atmosphäre eine ganz
besondere ist. Sie ist einzigartig. Ich glaube, dass
ich für alle hier sprechen kann: Wir alle möchten
das auch gern behalten. Natürlich geht das nicht
zu jedem Preis; das ist, glaube ich, jedem klar.
Aber einen Schnellschuss, wie wir den Antrag der
Grünen verstehen, wollen und werden wir nicht
mittragen. Deswegen werden wir diesem Änderungsantrag nicht zustimmen. - Ich danke Ihnen
für die Aufmerksamkeit.
Oberbürgermeister Jung: Gibt es weitere Wortmeldungen? - Frau Dr. Märtens.
Stadträtin Dr. Märtens (Bündnis 90/Die Grünen):
Ich bringe jetzt den Änderungsantrag ein, über
den schon so viel gesprochen wurde. - Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Gäste!
Liebe Betriebsleiter! Wir haben in dieser Stadt ein
großartiges Haus, und das fördern wir sehr gern.
Wir haben es in den letzten Jahren so gut gefördert, dass es regelmäßig Überschüsse erwirtschaften konnte. All die Jahre gab es kleine Überschüsse. Es ist daher aus meiner Sicht überhaupt
nicht zu erklären, warum es nicht auch in 2018 einen wirtschaftlichen Überschuss geben wird, der
dann in 2019 für das Konzert „Klassik airleben im
Rosental“ verwendet werden kann.
Das, was bis jetzt erwirtschaftet wird, geht in die
Jubiläumssaison; das ist auch richtig so. Dazu
kommt noch Geld aus der Jubiläumsvorlage; alles
wunderbar; das finden wir alles gut und richtig.
Sich aber jetzt schon für 2019 arm zu rechnen und
uns das schon jetzt anzukündigen, das finden wir
nicht richtig. Wir sollten genau dann darüber entscheiden, ob es für 2019 für „Klassik airleben“ einen Zuschuss braucht, wenn wir sehen, wo das
Gewandhaus in 2018 in seiner Wirtschaftlichkeit
und seinen Überschüssen landet.
Dem Grundsatz nach beschließen wir heute nur
den Wirtschaftsplan für 2018. Was 2019 kommt,
steht auf einem ganz anderen Blatt. Da möchte
ich Frau Niermann widersprechen: Unser Antrag
ist kein Schnellschuss, sondern er will ein Zeichen
setzen. Wir wollen, dass die Zuschussvereinbarungen im Grundsatz eingehalten werden. Nur in
der Not werden wir weiteren Zuschusserhöhungen zustimmen. Ob das Gewandhaus 2019 in Not
sein wird, werden wir 2018 sehen. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Herr Kühne.
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Stadtrat Kühne (AfD): Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren
Stadträte! Liebe Gäste! Ja, der jährliche Zuschuss
für den Eigenbetrieb Gewandhaus ist auch in
2018 sehr hoch. Sehr hoch ist aber auch das
künstlerische Angebot des Gewandhausorchesters. Wie in den vergangenen 275 Jahren wird das
Orchester von Weltruf auch im nächsten Jahr das
Ohr der Gäste mit klassischer Musik großer Komponisten im Gewandhaus und in aller Welt erfreuen und den guten Ruf der Kulturmetropole
Leipzig mehren.
Auch das einzigartige Angebot „Klassik airleben
im Rosental“ ist 2018 wieder im Angebot. Die Konzerte besuchten in diesem Jahr etwa 30.000 Menschen. Trotz steigender Kosten, unter anderem
durch höhere Sicherheitsauflagen und höhere
technische Anforderungen an die Bühnentechnik,
wird für 2018 kein finanzieller Mehrbedarf für die
Durchführung des größten Kunstereignisses unter freiem Himmel in unserer Stadt von der Gewandhausverwaltung angemeldet.
Mit Weitsicht wurde jedoch von der Verwaltung
des Gewandhauses für 2019 ein zusätzlicher Bedarf an finanziellen Mitteln zur Durchführung von
„Klassik airleben“ bei der Stadt bereits jetzt angemeldet, wie es auch Zeitungen zu entnehmen war.
Der zusätzliche Geldbedarf durch weiter steigende Kosten, gerade auch für die Gewährleistung der Sicherheit für die Besucher der Konzerte
im Rosental, beträgt etwa 75.000 Euro, und das
obwohl selbst die klugen Mitarbeiter der Verwaltung des Gewandhauses um Herrn Professor
Röckrath wohl heuer noch nicht wissen, ob dieser
Bedarf 2019 tatsächlich ausreichend sein wird,
um „Klassik airleben“ auch über 2019 hinaus finanzieren zu können. Durch Sponsoren allein
werden die gestiegenen Bedarfe wohl nicht finanziell zu decken sein.
Klar ist, dass künftig Überlegungen angestellt
werden müssen, die kulturellen Großereignisse
im Rosental langfristig finanziell abzusichern.
Meine Fraktion jedenfalls unterstützt die Durchführung der Konzerte und wird auch dem finanziellen Mehrbedarf für 2019 zu gegebener Zeit zustimmen, damit sie auch künftig kulturbegeisterte
Bürger mit schmalem Geldbeutel erfreuen.
Die Grünen wissen sicherlich nur zu genau, warum die Mehrkosten für Sicherheitsauflagen bei
großen Veranstaltungen seit mehr als zwei Jahren
in den Kommunen so massiv steigen. Ihren Änderungsantrag werden wir ablehnen. - Danke für die
Aufmerksamkeit.
Oberbürgermeister Jung: Herr Morlok.
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Stadtrat Morlok (Freibeuter): Herr Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Änderungsantrag der Grünen hat uns doch sehr verwundert. Gerade von der Fraktion, die immer wieder von der Verwaltung in den Vorlagen das größtmögliche Maß an Transparenz einfordert, wird
diese Transparenz jetzt aus der Vorlage quasi
herausgestrichen.
(Widerspruch beim
Bündnis 90/Die Grünen)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,
was hätten Sie denn zur Verwaltung, zur Kulturdezernentin, zur Eigenbetriebsleitung gesagt,
wenn diese die Sponsoringerlöse in den Jahren
2019 ff. einfach mal um 75.000 Euro erhöht hätten - dann wäre der Wirtschaftsplan formal in Deckung gekommen - und erst kurz vor Toresschluss
im Jahr 2018, kurz vor Beschlussfassung des
Wirtschaftsplans 2019 einen entsprechenden Antrag eingereicht hätten? Dann hätten Sie gesagt:
Liebe Leute von der Betriebsleitung, liebe Kulturbürgermeisterin, das hättet ihr vorher wissen können; darauf hättet ihr uns vorher hinweisen müssen. - Zu Recht hätten Sie das dann gesagt. Deswegen macht es heute keinen Sinn, diesen Punkt
herauszustreichen, weil das überhaupt nicht beschlussrelevant ist. Wir beschließen heute den
Wirtschaftsplan für 2018.
Ich möchte auch sehr deutlich für meine Fraktion
formulieren, dass die Ablehnung des Änderungsantrags der Grünen für uns kein Automatismus ist
für eine Zustimmung des Zuschusses, sondern
wir werden uns den Antrag auf Zuschuss, wenn er
kommt - bisher ist er nur angekündigt -, anschauen, ihn bewerten und dann sachgerecht
darüber entscheiden. Das jetzt quasi herauszustreichen, macht auch deshalb keinen Sinn, weil
der Antrag auf Zuschuss trotzdem gestellt werden
muss. Eine Streichung würde überhaupt nichts
ändern. Oder wollen Sie etwa der Eigenbetriebsleitung mittels Ihres Änderungsantrags verbieten,
einen Antrag auf Zuschuss einzureichen? Das
kann ja es wohl auch nicht sein. Also: Lassen Sie
uns über den Antrag dann entscheiden, wenn er
vorliegt und von uns als sachgerecht bewertet
worden ist. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Ich denke, wir können
die Wirtschaftspläne jetzt auf die Reise schicken.
Wir kommen zur Abstimmung.
Abstimmung über TOP 19.21, Wirtschaftsplan
2018 für den Eigenbetrieb Theater der Jungen
Welt. - Frau Berthel, herzlich willkommen! - Wer
stimmt gegen den Wirtschaftsplan? - Enthaltungen?
Abstimmung: Es ist einstimmig so beschlossen.
S e i t e | 67
Abstimmung über TOP 19.22, Wirtschaftsplan
2018 für den Eigenbetrieb Schauspiel Leipzig. Herzlich willkommen! - Gibt es Gegenstimmen? Enthaltungen?
Abstimmung: Eine Enthaltung, keine Gegenstimmen. Einstimmig so beschlossen.
Abstimmung über TOP 19.23, Wirtschaftsplan
2018 für den Eigenbetrieb Oper. - Wir begrüßen
Herrn Jagels. - Der Änderungsantrag der CDUFraktion wurde zurückgezogen. Gibt es Gegenstimmen zum Wirtschaftsplan? - Enthaltungen?
Abstimmung: Es ist einstimmig so beschlossen.
TOP 19.24, Wirtschaftsplan 2018 für den Eigenbetrieb Gewandhaus zu Leipzig. - Herr Röckrath,
seien Sie willkommen! - Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die
Aussprache hat stattgefunden. Wir kommen zur
Abstimmung. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Einige Pro-Stimmen, einige Enthaltungen. Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Nun zur Abstimmung über den Wirtschaftsplan
selbst. Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Eine Enthaltung. Ansonsten einstimmig so beschlossen.
19.25 Gemeindewahlausschuss für die Ergänzungswahl Ortschaftsrat Rückmarsdorf am 28.01.2018 (VI-DS-04979)
Einreicher: Dezernat Allgemeine Verwaltung
Gibt es Wortwünsche? - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen?
Abstimmung: Es ist einstimmig so beschlossen.
20.1
Aktueller Sachstand und weitere Planungen der Unterbringung von Geflüchteten in der Zuständigkeit der
Stadt Leipzig - Stand: 14.11.2017 (VI-Ifo05022)
Einreicher: Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule
Bitte nehmen Sie den aktuellen Sachstand und
die weiteren Planungen der Unterbringung von
Geflüchteten zur Kenntnis. In den Ausschüssen
besteht die Gelegenheit zur Diskussion.
Ich schließe die Sitzung um 20.55 Uhr.
Schönen Feierabend! Kommen Sie gut nach
Hause!
Verlaufsprotokoll vom 15.11.2017
Oberbürgermeister:
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Schriftführer:
Stadtrat Oßwald:
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Stadtrat Deissler:
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Protokollant:
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