Daten
Kommune
Leipzig
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30.05.16, 10:18
Aktualisiert
05.12.18, 17:06
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RATSVERSAMMLUNG VOM 9. JUNI 2016
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Eröffnung und Begrüßung
Oberbürgermeister Jung: Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Ich begrüße alle Städträtinnen und Stadträte, die Gäste und die Vertreter
der Medien. Herzlich willkommen zu unserer
Ratsversammlung!
Das Protokoll der heutigen Sitzung soll von den
Stadträten Habicht und Pellmann unterschrieben
werden. - Es gibt keinen Widerspruch. Dann wird
so verfahren.
benötige daher keine Absetzung dieser Vorlage
mehr, sondern ich kann auch heute schon dagegenstimmen. Mein Absetzungsantrag hat sich also erledigt. - Danke.
Oberbürgermeister Jung: Damit entfällt die Abstimmung zur Geschäftsordnung.
Abgesetzt werden soll TOP 10.2. Diese Vorlage
gehört sachlich zu einer anderen, die am 22. Juni aufgerufen wird.
Die Tagesordnung wurde am 4. Juni 2016 im
Amtsblatt bekannt gemacht.
Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung
aus Ihrer Mitte? - Das ist nicht der Fall.
Entschuldigt haben sich heute Herr Rothkegel,
Herr Dossin, Frau Riekewald und Frau Glöckner.
Das Kommen von Frau Wohlfarth ist noch fraglich; schauen wir mal.
Dann stelle ich die ordnungsgemäße Ladung
sowie die Tagesordnung einschließlich vorgenannter Änderungen fest.
Ich verweise auf § 20 Sächsische Gemeindeordnung, mögliche Befangenheiten.
Wenn Sie die Sitzung vorzeitig verlassen müssen, bitte ich Sie, mir das entsprechend mitzuteilen.
Zur Info: Heute gibt es keinen Livestream.
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Feststellung der Beschlussfähigkeit
Um 16.05 Uhr waren 63 Stadträtinnen und Stadträte anwesend. Das entspricht 88 Prozent. Damit
sind wir beschlussfähig.
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Feststellung der Tagesordnung
Zur Tagesordnung. Von Herrn Stadtrat Maciejewski liegt ein Antrag auf Absetzung der Vorlage
10.1 vor, Mietkauf eines neuen Wohnheimkomplexes zur dauerhaften Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern. Über diesen
Absetzungsantrag muss abgestimmt werden.
Herr Maciejewski.
Stadtrat Maciejewski (CDU): Herr Oberbürgermeister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen bei dieser Vorlage über einen
zweistelligen Millionenbetrag, und wir sprechen
über freihändige Vergabe von Leistungen in einem beschleunigten Verfahren, für welches die
Rechtsgrundlage demnächst entfallen dürfte.
Ich bin sehr überrascht, dass - das haben die
Vorbereitungen gezeigt - in den Ausschüssen
deutlich wurde, dass eine Ratsmehrheit offenbar
das Vorgehen der Verwaltung unterstützt. Ich
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Niederschrift
4.1 Niederschrift der Sitzung vom 07.04.2016
- Teil II: Verlaufsprotokoll (SI-2016/6544)
Gibt es dazu Änderungswünsche oder Anmerkungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das
Protokoll so bestätigt.
TOP 5 entfällt.
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Wahl der/des Beigeordneten für das Dezernat Kultur (VI-DS-02703-NF-03)
Einreicher: Oberbürgermeister
6.1 dazu ÄA (VI-DS-02703-ÄA-01)
Einreicher: Stadträtin Ute Elisabeth Gabelmann
Frau Dr. Jennicke hat Befangenheit angemeldet.
Sie wird an der Wahl nicht teilnehmen und ihren
Sitzplatz in der Fraktion verlassen.
Wir wiederholen heute gemäß § 52 Absatz 2
Sächsische Gemeindeordnung die Wahl der oder
des Beigeordneten für das Dezernat Kultur. Mein
Widerspruch vom 19.05.2016 und auch die gesondert begründete Einladung zur heutigen Sitzung liegen Ihnen vor.
Es wird in geheimer Wahl gewählt. Gewählt ist,
wer im ersten Wahlgang die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Stimmberechtigten erhalten hat. Wird eine solche Mehrheit im ersten
Wahlgang nicht erreicht, folgt zwischen den beiden Bewerbern mit den meisten Stimmen eine
Stichwahl, bei der die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheidet.
Verlaufsprotokoll vom 09.06.2016
Es liegen Ihnen die Verwaltungsvorschläge gemäß der Drucksache 2703 vor. Diese Vorschläge
wurden im Einvernehmen zwischen mir und der
Auswahlkommission vorgelegt. Des Weiteren
liegt ein Wahlvorschlag aus der Bewerberliste
von Frau Stadträtin Gabelmann als Änderungsantrag vor.
Wird das Wort gewünscht? - Bitteschön, Frau
Niermann.
Stadträtin Niermann (CDU): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Sehr geehrte Herren Beigeordnete! Sehr geehrte Frau Dubrau! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste und
Zuschauer am Livestream! Ich möchte meinem
Statement etwas voranstellen, was an Frau
Dr. Jennicke, die jetzt den Saal verlassen hat,
gerichtet ist. Ich gehe davon aus, dass sie später
hören wird, was ich hier gesagt habe. - Die
Mehrheit der Ratsversammlung - das ist uns,
den Mitgliedern der CDU-Fraktion, und das ist
auch mir bestens bekannt - will Frau Dr. Jennicke als Bürgermeisterin, auch wenn sie keine Erfahrung hat und es einen besser geeigneten
Kandidaten für dieses Amt gibt, und auch oder
gerade weil sie Mitglied der Partei ist, die aus der
SED hervorgegangen ist. Das ist uns bewusst,
und wir werden diese Entscheidung akzeptieren.
Wir wünschen uns, ungeachtet gegensätzlicher
politischer Überzeugungen, um der Sache willen
und zum Wohle der Stadt Leipzig und der Leipziger Kultur eine gute und faire Zusammenarbeit
mit der neuen Bürgermeisterin.
Wenn doch also mir und den Mitgliedern meiner
Fraktion absolut klar ist, dass Sie, liebe Stadtratskollegen und -kolleginnen, heute wieder mit
großer Mehrheit Frau Dr. Jennicke zur Kulturbürgermeisterin wählen werden, warum dann an
dieser Stelle überhaupt noch etwas sagen, werden Sie sich fragen. Schließlich sind wir doch alle nur für diese Wahl hier heute hergekommen,
oder nicht? Ja, es stimmt: Inzwischen gibt es
noch ein paar Punkte, die wir heute beschließen
werden. Aber ohne die fehlerhafte Wahl vom 18.
Mai wären wir heute nicht hier; da sind wir uns,
glaube ich, alle einig. 7.000 Euro allein an Sitzungsentgelt, die heute fällig werden. Okay, aber
diesmal wird sich Frau Dr. Jennicke nicht an der
eigenen Wahl beteiligen. Alles wird also gut, oder
nicht?
Warum also jetzt noch herumningeln und den
schlechten Verlierer geben? Weil wir - davon bin
ich überzeugt - als Stadträte die Pflicht haben, zu
kontrollieren und zu kritisieren. Meine Damen
und Herren, ich habe den Eindruck und bin davon überzeugt: In den Fraktionen der Grünen,
der Linken und auch der SPD steht schon seit
mindestens einem Jahr fest, dass Frau Dr. Jennicke zur Kulturbürgermeisterin gewählt werden
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soll. Nicht dass Sie mich da falsch verstehen:
Daran ist überhaupt nichts verwerflich. So ist nun
mal Politik. Man muss sich Bündnispartner suchen.
Ich kritisiere allerdings zweierlei: Erstens hätte
es dafür keiner Auswahlkommission und keiner
Auswahlgespräche bedurft. Es war schade um
die Zeit und respektlos gegenüber den vier übrigen Bewerbern und Bewerberinnen, die aus
ganz Deutschland, zum Teil über mehrere hundert Kilometer, angereist sind. Hätten sie gewusst, dass die zukünftige Kulturbürgermeisterin
schon feststeht, hätten sie sich diesem Auswahlverfahren sicher nicht unterzogen. Herr Könnecke hat das in seinem an den Oberbürgermeister und uns Stadträte gerichteten Schreiben,
mit dem er seine Bewerbung zurückzog, zutreffend kritisiert. Es hätte in dieser Situation völlig
genügt, die Stelle den gesetzlichen Erfordernissen entsprechend auszuschreiben.
Zweitens hätte die eigentliche Wahl besser vorbereitet sein müssen. Sowohl Frau Dr. Jennicke,
die ja schließlich Bürgermeisterin werden will, als
auch die Verantwortlichen in der Verwaltung hätten wissen müssen, dass sich Frau Dr. Jennicke
an ihrer eigenen Wahl nicht beteiligen darf. Es ist
nicht das erste Mal, dass Stadträte in Leipzig bei
einer Bürgermeisterwahl kandidieren. Der Wortlaut von § 20 Absatz 1 der Sächsischen Gemeindeordnung ist zudem eindeutig. Selbst ein
Schulkind, dem man das vorliest, begreift, was
da steht, und weiß, wenn ich durch meine Wahl
in eine Position komme, die mir sieben Jahre
lang monatlich ein hohes Einkommen bringt, darf
ich mich nicht mitwählen. Wenn man Ihnen, Frau
Dr. Jennicke, oder Ihnen, Herr Pellmann, in der
Verwaltung etwas anderes gesagt hat, wie inzwischen in der Presse zu lesen war, dann müssen
Sie - so meinen wir - Ross und Reiter benennen.
Wer genau bzw. welche Stelle hat Ihnen eine so
falsche Auskunft gegeben? Hier muss, meine
ich, reagiert werden, um jedenfalls zukünftig
Schaden vom Amt des Kulturbürgermeisters und
von der Stadt Leipzig abzuwenden. So etwas
darf nicht noch einmal passieren. - Danke für die
Aufmerksamkeit.
Oberbürgermeister Jung: Herr Morlok.
Stadtrat Morlok (fraktionslos): Herr Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
wollte eigentlich den Vorfall auf sich beruhen lassen und heute nichts sagen. Aber nachdem hierzu jetzt schon das Wort ergriffen wurde, möchte
ich gern auch etwas zu dem Vorfall in der letzten
Sitzung sagen.
Herr Oberbürgermeister, ich hatte Sie in der letzten Sitzung in Zusammenhang mit einer Einwoh-
Verlaufsprotokoll vom 09.06.2016
neranfrage, wo eine sehr konkrete Frage gestellt
wurde, darauf hingewiesen, dass es nicht sein
kann, dass Sie dem Bürger in der Ratsversammlung keine Auskunft zu dieser konkreten Frage
geben können. Diese Frage war im Vorfeld bekannt. Man hätte also eine Antwort auf diese
Frage vorbereiten können. - Das war in der letzten Sitzung.
In der letzten Sitzung stand auch die Wahl des
Kulturbürgermeisters bzw. der Kulturbürgermeisterin an. Es war bekannt, dass unter den Kandidaten ein Mitglied des Stadtrates ist. Ich hätte
erwartet, dass der Oberbürgermeister oder,
wenn schon nicht er selbst, sein Umfeld, das
auch hier in der Ratsversammlung anwesend ist,
über die Rechtsfrage Bescheid weiß. Dies war
offensichtlich nicht der Fall. Das zeigt wie schon
bei der Frage, auf die Sie, Herr Oberbürgermeister, keine Antwort geben konnten, dass in Ihrem
persönlichen Umfeld im Rathaus wohl etwas
schiefläuft. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Wenn es keine weiteren Wortmeldungen gibt, möchte ich dazu noch
einige Sätze sagen. - Zum bedauerlichen Verfahren der letzten Sitzung sei festgestellt, dass in
der Tat verwaltungsseitig hätte klar sein müssen,
dass eine Befangenheit vorliegt und deswegen
ein Mitstimmen nicht möglich ist. Das bedaure
ich und stelle mich ausdrücklich vor meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das hätte vorher abgeklärt sein können. Frau Dr. Jennicke ist da zunächst kein Vorwurf zu machen. Es tut mir leid.
Deswegen sitzen wir heute wieder hier.
Zu Ihrem ersten Kritikpunkt, Frau Niermann. Als
Vorsitzender der Auswahlkommission weise ich
deutlich und mit klaren Worten zurück, dass dieses Verfahren von vornherein auf eine Bewerberin zugelaufen ist. Ich möchte das begründen.
Wir haben zusammengesessen, haben uns intensiv mit den Bewerbungen befasst, haben intensiv beraten - ich glaube, die Mitglieder der
Auswahlkommission können das bestätigen und sind nicht umsonst zu dem Ergebnis gekommen, dem Stadtrat drei Kandidaten vorzuschlagen; denn die Auswahlkommission war in
der Tat der Auffassung, dass drei Bewerber die
Bedingungen erfüllen, die wir an dieses Amt stellen. Im Ergebnis hat Herr Könnecke seine Konsequenz gezogen, aus anderen Gründen. Ich
stelle fest: Ein ganz klares, offenes und transparentes Verfahren ist hier gewählt worden. Das
Ergebnis herbeizuführen, liegt in den Händen
des Stadtrats; das ist wohl wahr. Aber die Auswahlkommission war nicht in irgendeiner Weise
vorbelastet oder bestellt, und es war auch nicht
in irgendeiner Weise vorher abgesprochen.
Wenn es keine weiteren Wortmeldungen, können
wir nun zur Wahl kommen. Die Wahlkommission
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ist wie üblich besetzt mit Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern der Fraktionsgeschäftsstellen und
des Büros für Ratsangelegenheiten. Frau Hoffmann ist verantwortlich für die Auszählung der
Stimmen. Wir verfahren wie üblich.
Ich eröffne den ersten Wahlgang.
(Stimmenabgabe)
Es haben jetzt alle Stadträtinnen und Stadträte
ihre Stimme abgegeben. Ich schließe den ersten
Wahlgang und bitte um Auszählung.
(Unterbrechung)
Oberbürgermeister Jung: Ich möchte Ihnen
das Ergebnis des ersten Wahlgangs bekanntgeben: 64 anwesende Stimmberechtigte. Abgegebene Stimmen 64, davon gültig 63 Stimmen, eine ungültige Stimme.
Auf die Kandidatin und die Kandidaten entfielen
folgende Stimmen: Dr. Skadi Jennicke 39 Stimmen, Professor Vogt 20 Stimmen, Thomas Kumbernuß 0 Stimmen. Es gab vier Stimmenthaltungen.
Damit ist Frau Dr. Jennicke zur Beigeordneten
für Kultur gewählt. - Herzlichen Glückwunsch!
Dr. Jennicke: Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich bedanke mich ganz herzlich für das mir
nochmals entgegengebrachte Vertrauen. Ich hoffe, dass ich es erfüllen kann. Ich nehme Ihren
Ball auf, Frau Niermann: Auch ich wünsche mir
mit allen Stadträten eine vertrauensvolle und
konstruktive Zusammenarbeit. Ich darf an dieser
Stelle noch einmal mein Bedauern ausdrücken,
dass es zu dieser zweiten Wahl kommen musste; das sollte nicht Schule machen. Auch ich entschuldige mich dafür. Ich hoffe und wünsche mir,
dass es morgen tatkräftig losgehen kann. Noch
einmal ein ganz herzliches Dankeschön! Ich
danke auch allen, die mich unterstützt haben, allen voran meiner Familie - meine jüngste Tochter
sitzt oben auf der Tribüne. Morgen soll es, wie
ich gehört habe, losgehen. Ich freue mich. Danke!
Oberbürgermeister Jung: Ich darf noch zu Protokoll geben: Ich erkläre mein Einvernehmen zur
Wahl. Ich habe Frau Dr. Jennicke zu morgen
früh, 9 Uhr, in mein Büro bestellt, um ihr die Ernennungsurkunde zu übergeben.
Wir kommen nun zu einer weiteren wichtigen
Entscheidung für ein Amt, das seit vielen Jahrhunderten in Leipzig vergeben wird. Auch diese
Verlaufsprotokoll vom 09.06.2016
Personalentscheidung wird hier im Stadtrat getroffen.
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Berufung von Herrn Gotthold Schwarz in
das Amt des Thomaskantors
Einreicher: Dezernat Allgemeine Verwaltung
Einreicher: Dezernat Kultur
Frau Dr. Jennicke hat auch hier vorsorglich Befangenheit erklärt, weil sie, auch wenn sie erst
morgen ihr Amt aufnehmen wird, dennoch als
Dienstvorgesetzte des Mannes, den wir heute
vielleicht wählen, tätig sein wird. Insofern nimmt
Frau Dr. Jennicke nicht an der Beratung und
nicht an der Wahl teil.
Herr Klaus Müller hat ebenfalls erklärt, dass er
daran nicht teilnehmen wird, weil aufgrund seiner
familiären Verbindungen zum Thomanerchor
möglicherweise eine Befangenheit vorliegen
könnte.
Meine Damen und Herren, der Thomaskantor ist
in der Tat ein ganz zentrales Amt in unserer Stadt
und gehört zu Leipzig wie die Messe und die
Wissenschaft. Ich freue mich, Ihnen heute vorschlagen zu können, Herrn Gotthold Schwarz für
die nächsten fünf Jahre in das Amt des Thomaskantors zu berufen.
Wird zur Vorlage das Wort gewünscht? - Frau
Niermann.
Stadträtin Niermann (CDU): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Sehr geehrte Herren Beigeordnete! Sehr geehrte Frau Dubrau! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Lieber Herr Schwarz und
liebe Gäste! Ja, manchmal sieht man den Wald
vor lauter Bäumen nicht. So könnte es auch hier
gewesen sein. Ich persönlich - und ich darf hier
auch im Namen meiner Fraktion sprechen - bin
davon überzeugt: Mit Ihnen, Gotthold Schwarz,
bekommen wir den Besten, den es jedenfalls
zurzeit für das Amt des Thomaskantors gibt. Sie
haben eine hervorragende Ausbildung als Kirchenmusiker, Sänger, Chorleiter und Pädagoge
genossen und kennen den Thomanerchor als
Stimmbildner seit Jahrzehnten. Und Sie waren
immer da, wenn Not am Mann war. Aus meiner
langjährigen Zeit als Elternsprecherin der
Thomasschule und als Vorstandsmitglied des
Thomanerbundes weiß ich, dass es seit den
2000er-Jahren im Chor infolge der längeren
krankheitsbedingten Ausfälle von Professor Biller
häufig Engpässe gab. Sie waren dann immer zur
Stelle, um als Interimskantor einzuspringen. Auf
Sie war Verlass. Die Knaben lieben und respektieren Sie. Die Lehrer und Lehrerinnen der
Thomasschule schätzen Ihre pädagogischen
Fähigkeiten. Allgemein gibt es in der Kirchenmusikwelt, jedenfalls soweit mir bekannt, niemanden, der Sie nicht für geeignet und befähigt hält,
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das Amt des Thomaskantors in hervorragender
Weise auszuführen. Kurz gesagt: Herr Schwarz,
wir freuen uns sehr, Sie heute hier als Thomaskantor berufen zu können.
Die Frage, die wir, Herr Oberbürgermeister, liebe
Kolleginnen und Kollegen, uns aber ernsthaft
stellen müssen, ist, warum es eines über einjährigen Findungsverfahrens bedurfte, um zu diesem, für mich absolut naheliegenden Ergebnis
zu kommen. Haben wir Fehler bei der Findung
gemacht? Wenn ja, welche? War das Verfahren
geeignet? War die Auswahlkommission richtig
besetzt? Oder müssen wir uns sogar mit der,
soweit ich weiß, unter Knabenchören einmaligen
Struktur des Thomanerchors kritisch auseinandersetzen? Was können wir beim nächsten Mal
anders, was besser machen? Hier darf es meiner Meinung nach keine Denkverbote geben.
Der seit Jahrhunderten städtische Thomanerchor
ist in seiner Verbindung zur Thomaskirche und
zur Thomasschule, aber auch in seiner Pflege
der Bach-Musik weltweit einmalig. Er ist eines
der Alleinstellungsmerkmale unserer Stadt, der
Stadt Leipzig. Als Stadträte sind wir für seinen
Fortbestand und seine Qualität in besonderer
Weise verantwortlich. Deshalb - davon bin ich,
liebe Kolleginnen und Kollegen, überzeugt muss das nächste Findungsverfahren anders
laufen als das, was wir gerade hinter uns haben.
Wir erinnern uns: Am 13. April des vergangenen
Jahres traf sich die 13-köpfige Findungskommission zum ersten Mal. Was dann folgte, wurde in
der örtlichen, aber auch in der überörtlichen
Presse ausführlich und hinreichend besprochen
und kommentiert. Ich erspare Ihnen jetzt eine
nochmalige Dokumentation des über ein Jahr
dauernden Auswahlverfahrens an dieser Stelle.
Es liegt auf der Hand, dass dieses Verfahren viel
Kraft, Zeit und natürlich Geld gekostet hat - Kraft
und Zeit der Bewerber, der Thomasser, der Verwaltung, der Mitglieder der vierköpfigen Auswahlkommission, aber auch der Findungskommission. Verschweigen will ich nicht, dass durch
das Verfahren - ob verschuldet oder nicht, das
soll an dieser Stelle offenbleiben - unser Ruf als
Stadt Leipzig zumindest ein bisschen gelitten
hat.
In einigen Jahren werden wir erneut einen
Thomaskantor suchen müssen, und zwar für die
Zeit nach dem 30. Juni 2021. Meine Damen und
Herren, schon morgen müssen wir beginnen,
uns Gedanken über das nächste Findungsverfahren zu machen. Wer ist wie zu beteiligen?
Kann der Chor bleiben, wie er ist? Müssen wir
etwas verändern, um seinen Bestand zu sichern? Nutzen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Chance, die sich heute für uns ergibt.
Der neue Thomaskantor kann und muss meiner
Meinung nach aktiv an der Auswahl seines
Nachfolgers beteiligt werden. Sie, Gotthold
Verlaufsprotokoll vom 09.06.2016
Schwarz, kennen den Chor bestens. Sie waren
nie Mitglied des Chores. Nach Beendigung Ihrer
Amtszeit werden Sie in jeder Hinsicht unbefangen sein. Deshalb bringen Sie die meiner Meinung nach für einen klaren Blick erforderliche
Distanz bei der Auswahl Ihres Nachfolgers mit.
Ich schließe, indem ich mich noch einmal an Sie
wende, Herr Schwarz. Ich wünsche Ihnen im
Namen der Mitglieder der CDU-Fraktion gutes
Gelingen, weiterhin Freude bei Ihrer Arbeit und
vor allen Dingen Gottes Segen als Thomaskantor. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Schwarz: Ich bedanke mich bei Ihnen allen für
das Vertrauen, das Sie in mich setzen, das ich
hoffentlich nicht enttäuschen werde. Ich gebe mir
alle Mühe, die Arbeit mit den Thomanern so fortzusetzen, wie ich es bis jetzt getan habe. Das ist
eine wunderbare Arbeit - für alle Bürger der Stadt
Leipzig und für die Gäste unserer Stadt. Ich danke Ihnen sehr für dieses Zeichen der Wertschätzung. Danke!
Oberbürgermeister Jung: Damit kann das
Bach-Fest morgen beginnen.
Wir fahren jetzt in der Tagesordnung fort.
Oberbürgermeister Jung: Herzlichen Dank. Bitte schön, Herr Schlegel.
Stadtrat Schlegel (DIE LINKE): Herr Oberbürgermeister! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich bin nicht dafür bekannt, ein großer
Kulturpolitiker zu sein. Aber wenn man 63 Jahre
in dieser Stadt gelebt hat, dann ist man mit ihr
verwurzelt und hat das Ohr an der Masse. Ich
habe in den letzten Wochen und Monaten, insbesondere zum Ende der Findung hin, von vielen
Leipzigerinnen und Leipzigern immer wieder gehört: Wir hatten wiederholt die Möglichkeit, Herrn
Schwarz zusammen mit den Thomanern bei vielfältigen Gelegenheiten und bei Konzerten zu erleben. Er ist der richtige Mann für dieses Amt. Er
hat mit seiner langjährigen Tätigkeit für den Chor
bewiesen, dass er für diese Funktion brennt und
dies der Hauptlebensinhalt in seinem beruflichen
Leben ist. - Deshalb gibt es für mich keine Frage,
Ihnen meine persönliche Stimme zu geben. Dies
kann ich Ihnen, wie ich gerade höre, auch im
Namen der Mitglieder meiner Fraktion zusichern.
Oberbürgermeister Jung: Vielen Dank, Herr
Schlegel. - Gibt es weitere Wortwünsche? - Das
ist nicht der Fall.
Kolleginnen und Kollegen, können wir offen abstimmen? - Herzlichen Dank, dass das möglich
ist. Dann bitte ich Sie um Aufzeigen mit Ihrer
Stimmkarte. Wer stimmt dem vorliegenden Beschlussvorschlag zu? - Gibt es Gegenstimmen? Enthaltungen?
Abstimmung: Eine Enthaltung und eine Gegenstimme. Mit sehr großer Mehrheit ist Gotthold
Schwarz zum Thomaskantor berufen.
Herzlichen Glückwunsch! Wir wünschen Ihnen,
Gotthold Schwarz, die Vielarmigkeit einer Krake,
um Chor, Schule, Kirche, Stadt und Orchester
unter einen Hut bringen zu können. Alles, alles
Gute und Gottes Segen!
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Wahl und Entsendung der Vertreter der
Stadt Leipzig in Aufsichtsräte, Zweckverbände und Gremien, in denen die Stadt
Mitglied ist
9.1 Vertreter der Stadt Leipzig im Aufsichtsrat der Beratungsgesellschaft für Beteiligungsverwaltung Leipzig mbH (1. Änderung der Besetzung vom 21.01.2015 gemäß VI-DS-00891) (VI-DS-00891-DS-01)
Einreicher: Oberbürgermeister
Bitte nehmen Sie die Veränderungen zur Kenntnis.
9.2 Vertreter der Stadt Leipzig im Aufsichtsrat der Stadtwerke Leipzig GmbH (2. Änderung der Besetzung vom 21.01.2015
gemäß VI-DS-00912) (VI-DS-00912-DS-02)
Einreicher: Oberbürgermeister
Auch hier wird um Kenntnisnahme gebeten. Sie
kennen den Hintergrund für die Änderungen in
der Besetzung. Wir wünschen der Kollegin Ludwig vielfältige Erfahrungen und eine gesunde
Rückkehr.
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Vorlagen I
10.1 Abschluss eines Erbbaurechtsvertrages
und eines Mietvertrages mit der LESG
über den Neubau eines Wohnheimkomplexes als dauerhafte Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber/-innen und
Geduldete in der Arno-Nitzsche-Str. 37:
Bürgschaft, außerplanmäßige Aufwendungen und Auszahlungen gem. § 79 (1)
SächsGemO, bauliche Informationen als
Anlage (VI-DS-01594-NF-03)
Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und
Bau
Einreicher: Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule
Die Vorlage wird zunächst von Kollegen Fabian
eingebracht.
Verlaufsprotokoll vom 09.06.2016
Bürgermeister Prof. Fabian: Sehr geehrter
Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte! Worum geht es bei dieser
Vorlage? Es geht um die Frage: Wollen wir langfristige und geeignete Lösungen für die Unterbringung von Geflüchteten schaffen, oder gewöhnen wir uns an teure und für eine dauerhafte
Nutzung wenig taugliche Notunterkünfte? Mit
dieser Vorlage entscheiden Sie nicht nur über einen Erbbaurechtsvertrag und einen Mietvertrag.
Dieses Bauvorhaben ist ein Bekenntnis unserer
Stadt zu einer menschenwürdigen Unterbringung
von Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften.
Die zur Verfügung stehenden Kapazitäten zur
Flüchtlingsunterbringung sind gegenwärtig vollständig ausgeschöpft. Zurzeit betreibt die Stadt
30 Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete mit
4.100 Plätzen insgesamt. Wir gehen davon aus,
dass auch weiterhin mehrere Tausend Plätze
benötigt werden. In den zurückliegenden Monaten haben wir es unter Aufbietung aller Kräfte
geschafft, die Geflüchteten unterzubringen.
Doch, meine Damen und Herren, Sie wissen,
dass all die Plätze in Pensionen und umgenutzten Verwaltungsgebäuden wie auch die Notunterkünfte in Zelten, im Baumarkt oder in der
Messehalle aus der Not geboren sind. Für eine
längere Verweildauer von Geflüchteten sind sie
ungeeignet. Wir brauchen langfristige und tragfähige Lösungen.
Der Neubau einer Gemeinschaftsunterkunft in
der Arno-Nitzsche-Straße ist ein solches Vorhaben. Dieser Standort bietet sehr gute Rahmenbedingungen für die Unterbringung von 368
Menschen. Die Lage, die vorhandene Infrastruktur, die mögliche Einbindung in den Stadtteil, die
Größe und der Zuschnitt der geplanten
Wohneinheiten für jeweils acht Personen sowie
die Gestaltung der Anlage samt Freiflächen sind
für eine Gemeinschaftsunterkunft sehr gut geeignet. Diese Häuser werden ein hohes Maß an
Privatheit und Ruhe bieten und Selbstständigkeit
ermöglichen.
Die Gemeinschaftsunterkunft soll durch die
LESG in Massivbauweise errichtet werden. Die
Stadt Leipzig mietet dann die Häuser von der
LESG. Die Investition der LESG wird über einen
Zeitraum von 20 Jahren durch die Mietzahlungen
der Stadt Leipzig refinanziert. Danach gehen die
Gebäude in das Eigentum der Stadt über. Die
Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes wird mindestens 60 Jahre betragen, davon sind 40 Jahre
mietfrei. Hinzu kommt, dass durch die gewählte
Vertragsgestaltung eine hohe Kostensicherheit
für die Stadt besteht.
Die Zahlen sind transparent dargestellt. Die reinen Baukosten liegen bei 19 Millionen Euro. Hinzu kommen 5,5 Millionen Euro Zinsen für den
aufzunehmenden Kredit. Das macht 24,5 Millio-
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nen Euro. Sowohl die 7,2 Millionen Euro für die
Instandhaltungsrücklage als auch die 1,6 Millionen Euro für die Eigentumsverwaltung würden
auch dann anfallen, wenn die Stadt das Vorhaben aus eigener Finanzkraft stemmen könnte.
Die Kosten für die Kommunalausfallbürgschaft in
Höhe von 1,9 Millionen Euro sowie die 336.000
Euro für den Erbbauzins verbleiben letztendlich
im städtischen Haushalt. Notunterkünfte mit vergleichbarer Kapazität sind auf Dauer betrieben
deutlich teurer.
Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte, mit
der Errichtung dieser Häuser erreichen wir zugleich eine ausgeglichenere Verteilung von Gemeinschaftsunterkünften im Stadtgebiet. Auch im
Leipziger Süden soll es eine größere Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete geben - langfristig und mit geeigneten Wohn- und Lebensbedingungen für die Bewohnerinnen und Bewohner. Ich bitte um Ihre Zustimmung zu dieser Vorlage. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Wird das Wort gewünscht? - Herr Zenker.
Stadtrat Zenker (SPD): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Werte Kolleginnen und Kollegen Stadträte! Werte Gäste! Einiges hat Herr
Professor Fabian jetzt schon vorweggenommen.
Wir teilen die Ansicht der Stadtverwaltung und
werden dieser Vorlage auch zustimmen. Das will
ich vorab sagen.
Die vorliegende Entscheidung ist von großer
Tragweite; denn das ist in der Tat der erste Beschluss für den Neubau einer Flüchtlingsunterkunft, die als dauerhafte Gemeinschaftsunterkunft konzipiert ist. Diese Unterkunft wird damit
langfristig fester Bestandteil unseres Konzepts
zur Flüchtlingsunterbringung. Das bedeutet
auch, dass, wenn sich die Flüchtlingssituation in
einigen Jahren verändern und die Zahl der Geflüchteten tatsächlich deutlich zurückgehen sollte, diese Unterkunft weiterhin bestehen bleibt.
Das darf aus unserer Sicht nicht infrage gestellt
werden, auch wenn sie eine größere Unterkunft
ist.
Um es deutlich zu sagen: Ich sehe die Entspannung aktuell nicht. Auch wenn wir in diesem Jahr
voraussichtlich - der Freistaat hat gerade die
Zahlen nach unten korrigiert, nämlich auf 4.000 weniger Flüchtlinge aufnehmen müssen und
auch wenn in der Bild-Zeitung vorgestern festgestellt wurde: weiterhin niedrige Flüchtlingszahlen
- „niedrig“ ist in diesem Zusammenhang relativ;
die Zahlen sind immer noch deutlich höher als
2014 -, müssen wir weiterhin Kapazitäten schaffen.
Verlaufsprotokoll vom 09.06.2016
Natürlich hat sich die Situation gegenüber der im
zweiten Halbjahr 2015 entspannt. Man merkt,
dass Politik und Verwaltung inzwischen entsprechende Strukturen geschaffen haben und damit
wieder zu geordneten Verfahren zurückkehren.
Hier meine ich nicht nur die lokalen, sondern
auch die übergeordneten Ebenen wie Land und
Bund. Unterbringung und beginnende Integration
laufen deutlich koordinierter und nachhaltiger, als
es noch im letzten Jahr der Fall war. Das zeigt
auch: Politik und Verwaltung waren und sind
handlungsfähig, auch in schwierigen Situationen.
Selbstverständlich: Fast 25 Millionen Euro Investitionen in diese Unterkunft sind eine stattliche
Summe. Wenn man die ersten 20 Jahre zugrunde legt - Herr Fabian hat es angedeutet -, ergibt
sich hier ein erheblicher Quadratmeterpreis. Wir
schaffen aber einen Wert - das hat auch das
Rechnungsprüfungsamt in der Vorlage noch
einmal deutlich angemerkt -, der weit über 20
Jahre hinausreicht. Dadurch lässt sich aus unserer Sicht diese Investition auch wirtschaftlich
rechtfertigen.
Uns ist bewusst, dass das Mietkaufmodell für die
Stadt teurer ist, als wenn wir als Kommune das
Geld quasi als Direktinvestition beisteuern könnten. Aber Herr Bonew hätte diese Entscheidung
verwaltungsintern bestimmt nicht unterstützt,
wenn er diese 19 Millionen Euro im Haushalt zur
Verfügung hätte. Im Übrigen - das sei an der
Stelle auch einmal festgestellt - handeln wir bei
den Kitas ähnlich. Auch hier ist ein Mietmodell
natürlich teurer, als wenn die Kommune selber
bauen würde. Auch die Schulhausbauten - die
SPD-Fraktion hat den Beschluss zu Schulhausbauten unterstützt -, die wir als Stadt nicht selber
auf die Beine stellen können, weil wir das Geld
für eine solche Investition nicht parat haben,
werden natürlich teurer. Das zu sagen, gehört
zur Ehrlichkeit dazu. Das betrifft also nicht nur
Flüchtlingsunterkünfte, sondern auch Schulen
und Kitas. Wir alle wollen, dass diese Vorhaben
in Zukunft schneller umgesetzt werden.
Mit dem Neubau dieser dauerhaften Unterkunft
setzen wir ein deutliches Signal - Herr Fabian hat
es angedeutet -, dass wir unser Konzept ernst
nehmen, Flüchtlingsunterkünfte auf die gesamte
Stadt zu verteilen und Gemeinschaftsunterkünfte
für Flüchtlinge auch in den Stadtteilen realisieren, die als teure Wohngegend wahrgenommen
werden, in dem Fall in Connewitz.
Ich möchte noch einen Punkt sagen zum Land.
Noch immer ist nicht klar: Welche Kosten übernimmt zukünftig das Land? Die Kommune musste bis Ende Januar einreichen, welche Kosten ihr
durch die Flüchtlingsunterbringung entstehen,
wie hoch die Platzkosten sind etc. Noch heute ist
unklar, wie viel davon das Land übernehmen
wird. Ich finde, es ist ein ziemlich unerträglicher
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Zustand, nicht nur für uns Stadträte, sondern vor
allem auch für die Stadtverwaltung, wenn man
nicht weiß, welche Kosten die Stadt am Ende
selber zu tragen hat und welche Kosten das
Land übernehmen wird. In diesem Zusammenhang muss ich anmerken, dass die Kommune im
Gegensatz zum Land sehr transparent mit Zahlen umgeht. Für alle Flüchtlingsunterkünfte, die
wir hier beschlossen haben, liegen die Zahlen
transparent auf dem Tisch. Ich weiß nicht, ob jemand von Ihnen die Zahlen vom Land kennt; ich
kenne sie jedenfalls nicht. Ich gehe sogar fest
davon aus, dass die Stadt deutlich günstiger kalkuliert, als es beim Land der Fall ist.
Die SPD-Fraktion wird der Vorlage zustimmen;
denn wir benötigen weiterhin Gemeinschaftsunterkünfte, um menschenunwürdige Unterkünfte
abzulösen und um wegen auslaufender Verträge
Kapazitäten neu zu schaffen. Darüber hinaus ist
damit zu rechnen, dass auch in den nächsten
Jahren viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen werden und damit auch nach Leipzig. Wir
begrüßen die Investition an diesem Standort, da
wir überzeugt davon sind, dass an dem Standort
Bedingungen geschaffen werden, die nicht nur
eine menschenwürdige Unterbringung gewährleisten, sondern auch dafür sorgen werden, dass
die Integrationsarbeit gelingt. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Herr Morlok.
Stadtrat Morlok (fraktionslos): Herr Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um
es vorwegzunehmen: Auch die FDP unterstützt
die Errichtung der Gemeinschaftsunterkunft, weil
es wichtig ist, von den Provisorien wegzukommen hin zu langfristigen dauerhaften Lösungen,
die über die gesamte Projektlaufzeit gesehen für
die Stadt Leipzig günstiger und aufgrund der
Ausstattung für die Bewohner sicherlich besser
sind.
Sie, Herr Professor Fabian, haben in Ihrer Einbringung versucht, deutlich zu machen, warum
das gewählte Modell „Errichtung über die LESG“
nicht schlechter für die Stadt Leipzig ist. Was aus
Ihrer Einbringung allerdings nicht deutlich geworden ist, ist, warum es besser für die Stadt
Leipzig ist. Kollege Zenker hat gerade eben gesagt - das ist zwar keine Verwaltungsstimme,
sondern eine aus dem Stadtrat -, dass wir das
Geld gar nicht hätten, um selber bauen zu können. Wenn das allerdings stimmt, dann hätte ich
schon ein Problem damit, auch wenn das Regierungspräsidium festgestellt hat, dass es sich hier
nicht um ein kreditähnliches Geschäft handelt.
Wenn sich die Stadt Leipzig in der Situation befände, dass sie sich das Gebäude selber nicht
leisten kann, aus diesen Gründen den Umweg
Verlaufsprotokoll vom 09.06.2016
über eine hundertprozentige Tochter gehen muss
und sich für den entsprechenden Kredit auch
noch verbürgt, dann wäre dies sehr kritisch.
Deswegen halte ich es für angebracht, dass die
Verwaltung, der Fachbürgermeister und auch der
Finanzbürgermeister zu der Frage heute hier
Stellung nehmen, ob die Stadt Leipzig wirtschaftlich in der Lage wäre, zum jetzigen Zeitpunkt
dieses Gebäude selbst zu errichten. Das halte
ich für eine wichtige Feststellung, nicht etwa weil
ich Zweifel an der Verwaltung habe, sondern weil
diese Zweifel aufgrund der Äußerungen eines
Kollegen aus dem Stadtrat in der Diskussion gerade genährt wurden.
Eine konkrete Frage habe ich in diesem Zusammenhang noch hinsichtlich der Instandhaltungsrücklage, die aufgrund der Bedingungen der
Banken gebildet werden muss und auch in der
Kalkulation enthalten ist. Wenn man es zusammenrechnet, kommt man in 20 Jahren auf 7,2
Millionen Euro. Das ist relativ viel Geld. Meine
Frage ist: Was passiert denn, wenn das Geld in
den nächsten 20 Jahren nicht ausgegeben worden ist? Nur ein Beispiel: Wir haben das Bauwerk, also all das, was gebaut worden ist, und
wir haben technische Anlagen. Der Wert der
technischen Anlagen beträgt laut Verwaltungsvorlage 2,26 Millionen Euro. Dafür kann man in
20 Jahren die kompletten technischen Anlagen
zweimal austauschen. Mein Gefühl sagt mir,
dass das Geld in den 20 Jahren nicht aufgebraucht sein wird. Was passiert mit diesem Geld,
wenn die Stadt das Gebäude in einem bestimmten Zustand zurückbekommt und bei der Gesellschaft LESG noch Geld in der Rücklage ist, das
für Instandhaltungen nicht benötigt wurde? Dazu
sagt die Vorlage nichts. Es wäre schön, wenn im
Rahmen der Ratsversammlung heute vonseiten
der Verwaltung zu diesem Punkt und zu der Frage, die ich vorher aufgeworfen habe, nämlich ob
wir es uns leisten könnten, selbst zu bauen, Stellung genommen würde. - Vielen Dank.
Oberbürgermeister Jung: Wir sammeln erst
einmal die Fragen. - Jetzt Frau Krefft.
Stadträtin Krefft (Bündnis 90/Die Grünen): Sehr
geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte
Herren und Damen Stadträte, Zuschauende und
Vertreter der Medien! Nietzsche sagt: „Sobald ihr
handeln wollt, müsst ihr die Tür zum Zweifeln
verschließen.“ - Die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen hat sich frühzeitig für diese Unterkunft im
Leipziger Süden ausgesprochen. Ja, wir haben
sie eingefordert und immer wieder angemahnt.
Viel Zeit ist verloren gegangen. Diese Zeit war
zwar nötig, um die akute Unterbringungsproblematik zu beherrschen - das letzte Jahr ist uns
noch in lebhafter Erinnerung und begleitet uns
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bis heute -; das erkennen wir an. Aber hier ist
auch eine Ursache zu suchen in der Entscheidungsschwäche. Wie entlastend wäre eine
frühere Entscheidung zu dieser Gemeinschaftsunterkunft gewesen? Die Planungen waren
schon vor zwei Jahren ausreichend weit gediehen.
Die Liegenschaft Arno-Nitzsche-Straße ist ein
hervorragender Standort: zentrumsnah, gut erschlossen, in einem Umfeld mit aufgeschlossener Bevölkerung. Sie ist die einzige Liegenschaft
für Großstandorte - Sie wissen, wie kritisch wir
an der Stelle sind -, mit der wir dauerhaft, nachhaltig und langfristig unser Konzept zur Unterbringung von Geflüchteten umsetzen können.
Sie ist später anderweitig nutzbar, und sie ist
durch die Mehrgliedrigkeit auch akzeptabel als
Großstandort.
Wir befürworten sowohl das Vorhaben mit einem
klaren Ja als auch die Beauftragung der LESG;
man kann sie ja schon als eierlegende Wollmilchsau bezeichnen, die nun allerlei Aufgaben
für die Stadt abwickeln soll. Mit diesem Instrument, also der Nutzung der LESG, umgehen wir
Liquiditätsprobleme im städtischen Haushalt, so
wurde es ausgeführt. Es wurde auch ausgeführt,
dass ansonsten ein Nachtragshaushalt wohl erforderlich wäre und damit diese dringend benötigte Unterkunft weiter verzögert würde. Wenn
das Ihr Interesse ist: Nur zu!
Zu den Kosten wurde eine nachvollziehbare
Rechnung durch LESG und Stadtkämmerei aufgestellt. Wenn die CDU-Fraktion diese anzweifelt
und die Umsetzung dieses Vorhabens, also den
Bau in Eigenregie der Stadt befürwortet, ist das
schon eine Misstrauensanzeige an den eigenen
Stadtkämmerer. Im Gegensatz zur CDU, die leider zuletzt jede Unterbringungsvorlage abgelehnt hat, immer mit dem vorgeschobenen Argument, die Kostenteilung mit Bund und Land sei
noch längst nicht klar, wo im Übrigen auch Ihre
Parteifreunde selber am längeren Hebel sitzen,
kam und kommt von unserer Seite ein klares Ja
zu diesen Vorhaben; denn der Wohnraumbedarf
für Geflüchtete ist erkennbar gegeben. Messehalle 17, Zeltstadt Deutscher Platz, Schulen - all
das sind auf Dauer keine menschenwürdigen
Unterkünfte. Sie müssen schnellstmöglich abgelöst werden. Sie sind nur als Notunterkünfte annehmbar und für eine Dauernutzung nicht geeignet.
Die Zahl der Geflüchteten ist nicht etwa zurückgegangen; es kommen nur weniger in der Bundesrepublik an. Die Situation ist also nur gefühlt
wesentlich entspannter. Aber wer kann heute sagen, wann wieder ein humanitärer Pfropf aufgeht
und die Ankommenden als Flut wahrgenommen
werden, wie wir es im letzten Jahr eindrücklich
erlebt haben; ich erinnere an die Situation in Bu-
Verlaufsprotokoll vom 09.06.2016
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dapest. Selbst das Bundesministerium des Innern vermag keine Zuweisungsprognosen zu
geben. Es ist ihm einfach nicht möglich.
zahler. Dieser hat ein Anrecht darauf, dass der
Staat und seine Gebietskörperschaften sorgsam
damit umgehen.
Zum Konstrukt der Finanzierung. Ein Beispiel für
ein gelungenes Mietkaufobjekt - Herr Zenker hat
schon darauf hingewiesen - ist das Stadtgeschichtliche Museum, eine ziemlich unstrittige
Angelegenheit. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, nehmen an - so war
jedenfalls im Vorfeld zu hören -, dass es sich hier
um ein unzulässiges kreditähnliches Rechtsgeschäft handelt. Dazu sollte hier tatsächlich noch
ausgeführt werden. Es ist festzuhalten, dass es
sich hier um ein Public Public PartnershipProjekt handelt, kurz: PPP; denn die LESG ist
eine hundertprozentige Tochter der Stadt Leipzig.
Das sagt im Übrigen auch die Landesdirektion.
Die AfD-Stadtratsfraktion kritisiert sowohl die
Gesamtkosten von über 37 Millionen Euro als
auch die lange Laufzeit von 20 Jahren. Unter
dem Gesichtspunkt, dass keine ordentliche Ausschreibung stattfand, die feststellt, ob die LESG
preiswerter anbietet als die freie Wirtschaft, ist
dies
besonders
bedenklich.
Die
AfDStadtratsfraktion wird dieser Vorlage nicht zustimmen. - Vielen Dank.
Das Vorhaben lässt sich auch hinsichtlich der
Kosten nicht mit anderen Vorhaben wie Containern oder Modulbauweisen seriös vergleichen;
denn es ist ja eben gerade keine Notunterkunft,
sondern eine solide Dauereinrichtung.
Abschließend: Die Vorgehensweise wird ermöglicht und erleichtert durch die derzeit geltende sie
gilt
noch!
sächsische
VergabeErleichterungsvorschrift, und danach ist eine
Ausschreibung nicht notwendig. Die Vergabevorschriften wurden letztes Jahr nur deshalb erleichtert, um den Kommunen in Zusammenhang mit
der Flüchtlingsunterbringung mehr Handlungsspielraum zu geben. Würden wir das jetzt nicht
nutzen - sie ist noch bis 30.06. gültig -, würde
dies zu einer Verzögerung des Vorhabens führen, was mit Blick auf die Gesamtsituation der
Unterbringung Geflüchteter in der Stadt Leipzig
aus unserer Sicht unverantwortlich wäre.
Meine Herren, meine Damen, wir glauben an das
Gute in dem Projekt. Ja, wir freuen uns auf diese
Einrichtung, und sie soll endlich kommen.
Oberbürgermeister Jung: Herr Hentschel, bitte.
Stadtrat Hentschel (AfD): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Sehr geehrte Beigeordnete
und Stadträte! Verehrte Gäste! Diese Vorlage hat
es in sich. Durch eine aus unserer Sicht verkehrte Asylpolitik des Bundes werden die deutschen
Kommunen vor schwierige Aufgaben gestellt. Die
Kommunen besitzen keine Planungssicherheit.
Sie werden mit dieser Problematik alleingelassen. Eine Gegenfinanzierung überplanmäßiger
Ausgaben in diesem Bereich steht in den Sternen und wird von Bund und Land eher stiefmütterlich behandelt. Eine ehemals propagierte
Eins-zu-eins-Refinanzierung ist sehr unwahrscheinlich. Unabhängig davon: Alle dem Staat
zur Verfügung stehenden Mittel trägt der Steuer-
Oberbürgermeister Jung: Herr Tornau.
Stadtrat Tornau (CDU): Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister! Ich bin froh, dass ich nach
Frau Krefft spreche; denn so kann ich vehement
zurückweisen, dass wir als CDU-Fraktion allen
Vorlagen zu Asylunterkünften nicht zustimmen.
Das ist nicht wahr. Beim letzten Mal - Herr Professor Fabian kann sich sicherlich erinnern - haben wir uns auf ein Verfahren geeinigt und die
beiden Vorlagen positiv votiert. Das sollte man
hier noch einmal erwähnen.
Unser Hauptkritikpunkt - Herr Oberbürgermeister, Sie kennen den schon aus den verschiedenen Ausschüssen - ist, dass eine freihändige
Vergabe stattfinden soll. Die LESG hat im Ausschuss ausgeführt, sie möchte diese Bauleistungen freihändig vergeben. Damit haben wir große
Schwierigkeiten, weil wir einfach nicht wissen, ob
die Kosten, die da aufgerufen sind, tatsächlich
real sind. Deshalb haben wir da große Bauchschmerzen.
Unser zweiter Kritikpunkt wurde hier auch schon
angedeutet. Wir haben ein Problem mit dem für
die Stadt tatsächlich 2 Millionen Euro teureren
Modell, für das die LESG die Finanzierung mitübernehmen soll. An der Stelle möchte ich Herrn
Zenker ganz vehement widersprechen. Es geht
nicht darum, lieber Christopher Zenker, dass die
Stadt das Geld liquiditätsmäßig nicht zur Verfügung hat. Sie könnte ja genauso einen Kredit
aufnehmen, wie es auch die LESG tun wird. Das
Problem ist: Es wird teurer, weil die Finanzierungskosten für die LESG höher sind, als sie für
die Stadt wären. Das wird am Ende der Laufzeit
nach 20 Jahren 2 Millionen Euro ausmachen.
Das ist ein ziemlich erheblicher Unterschied.
Abschließend will ich noch Folgendes anmerken:
Wir haben überhaupt kein Problem mit einer
dauerhaften Unterkunft, auch nicht mit einer Unterkunft an diesem Standort, wohl aber mit dem
Verfahren. Wir hatten das schon in der letzten
Sitzung kritisiert. Solange wir nicht wieder zu einem ordentlichen Vergabeverfahren zurückkeh-
Verlaufsprotokoll vom 09.06.2016
ren - ohne freihändige Vergabe -, haben wir damit Schwierigkeiten und werden diese Vorlage
deswegen ablehnen. - Danke.
Oberbürgermeister Jung: Frau Nagel.
Stadträtin Nagel (DIE LINKE): Ich spreche hier
explizit nicht für meine Fraktion; das wird Herr
Schlegel machen.
Ich teile die Kritik, die hier vorgetragen wurde,
und zwar die Kritik an der Unterbringung in Zelten und in der Messehalle sowie an der Politik
der Notunterkünfte, zu der wir im letzten Jahr
gezwungen wurden. Wir sehen jetzt, welche Folgen das hat: Es gibt Auseinandersetzungen in
den Unterkünften. Aus den Unterkünften bekommen wir das Feedback, dass es den Leuten
dort schlechtgeht, dass sie es da nicht aushalten. Diese Kritik kann ich gut mittragen.
Ich teile auch die Auffassung, dass im Leipziger
Süden die Willkommenskultur offensichtlich gelebt wird. Ich erinnere daran, dass Menschen
dort im letzten Sommer dafür gesorgt haben,
dass Asylsuchende nicht nach Heidenau abtransportiert wurden. Sie haben sich mehrere
Tage lang darum gekümmert, dass es den Geflüchteten dort gutgeht. Da hat man gespürt,
welche Lebendigkeit es in diesem Stadtteil gibt.
Ich habe auch kein Problem damit, dass im Süden eine Unterkunft entsteht, möchte aber noch
einmal auf ein Grundsatzproblem hinweisen. Wir
haben 2012 das Wohn- und Betreuungskonzept
für Flüchtlinge in Leipzig beschlossen. Wir haben
damals umgesteuert: weg von großen Unterkünften, hin zu kleinteiligen Unterkünften. Das war
ein klares Bekenntnis zu dezentraler Unterbringung, also Wohnungsunterbringung. Ich weiß,
dass Leipzig hier eine positive Sonderstellung
einnimmt; denn Wohnungsunterbringung in
Leipzig bedeutet nicht, dass die Stadt Mietverträge abschließt und die Leute gebündelt in
Wohnhäuser einweist, sondern dezentrales
Wohnen bedeutet in Leipzig: Wohnen mit eigenem Mietvertrag. Das schätze ich sehr. Das haben wir 2012 vereinbart.
Wir haben 2013 dieses Konzept fortgeschrieben
und die Größen verändert. Wir haben in der
Fortschreibung des Konzeptes vereinbart, dass
neu errichtete Unterkünfte nicht mehr als 200
Personen beherbergen sollen. Schon das war für
mich und meine Fraktion kritisch; denn das bedeutet, dass sehr viele Menschen an einem Ort
gebündelt zusammenleben müssen.
In der letzten Stadtratssitzung haben wir schon
zwei große Unterkünfte zur Unterbringung von
jeweils 500 Personen beschlossen. Heute wer-
S e i t e | 10
den wir die Neuerrichtung einer Unterkunft für
die Unterbringung von 350 Personen beschließen. Ich persönlich kann trotz der positiven
Rahmenbedingungen - der Standort, ein Neubau, weg von der Politik der Notunterkünfte dieser Fortschreibung von Massenunterbringung
nicht zustimmen und werde mich aus diesem
Grund bei der Abstimmung über die Vorlage enthalten.
Ich möchte aber auch einen Appell an die Stadtverwaltung, an das Sozialdezernat explizit, richten: Lassen Sie uns noch einmal über das Konzept sprechen. Lassen Sie uns das Konzept, das
wir 2012 miteinander vereinbart haben, noch
einmal zur Diskussion stellen. Ich weiß, die
Rahmenbedingungen sind heute anders; es
kommen viel mehr Menschen als damals angenommen. Trotzdem dürfen wir keine neuen
Räume schaffen, wo diese Menschen nur unter
sich sind. Wenn die Menschen in solchen Großunterkünften wohnen, sind sie erst einmal nur
unter sich, und das sehe ich prinzipiell kritisch.
Oberbürgermeister Jung: Herr Schlegel.
Stadtrat Schlegel (DIE LINKE): Sehr geehrter
Herr Oberbürgermeister! Meine sehr geehrten
Damen und Herren Stadträte! Sehr verehrte
Gäste! Frau Nagel wies bereits darauf hin: Nur
wenige Meter entfernt vom Standort ArnoNitzsche-Straße 37 setzten sich junge und ältere
Leipziger zusammen mit Mitgliedern des Deutschen Bundestages und des Landtages und mit
Stadträten dafür ein, dass Flüchtlinge, die erst
wenige Stunden zuvor nach Leipzig gebracht
worden waren, nicht nach Heidenau abtransportiert werden. Genau das sollte nämlich zeitgleich
mit den Auseinandersetzungen rund um die
Flüchtlingsunterkunft in Heidenau geschehen.
Gemeinsam und mit Unterstützung des Polizeipräsidenten Merbitz wurde von der Stadtverwaltung nach Lösungen gesucht; denn die Menschen vor Ort hatten auch gefordert: Diese
Flüchtlinge bleiben in Leipzig. Wir wollen, dass
sie hier untergebracht werden. - Das hatte letztlich zur Folge, dass die Flüchtlinge nicht nach
Heidenau, in die hoch angespannte Situation vor
Ort gebracht wurden.
Ich möchte zu einigen Punkten ausführen, die
immer wieder in die Diskussion eingebracht werden wie heute noch einmal im Grundstücksverkehrsausschuss. Das Recht auf die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung von Asylbewerberunterkünften in Gewerbegebieten ist bis 2019
befristet. Das heißt: Die Kommune darf bis 2019
solche Objekte baurechtlich genehmigen. Danach haben sie dauerhaften Schutz, weil sie genehmigt worden sind. Sie laufen also nicht Ge-
Verlaufsprotokoll vom 09.06.2016
fahr, umgewidmet zu werden. Nur das Erteilen
dieser Genehmigung ist befristet.
Ich muss auch meiner Fraktionskollegin widersprechen. Wir haben uns als Stadträte bei der
LESG dafür eingesetzt, dass die beiden Mittelganghäuser noch in der Planungsphase umgeplant werden. Nach den ursprünglichen Plänen
sollten dort in der Tat 150 und 200 Menschen untergebracht werden. Diese sind jetzt umgeplant
worden in zwei Blöcke mit drei bzw. zwei Häusern. Jeder, der in Mathematik einigermaßen
bewandert ist - dafür reicht schon Grundschulwissen -, weiß, dass in einem Haus dann ungefähr 70 Bewohner leben werden. Also: Schon in
der Planungsphase sind wir tätig geworden, gerade weil wir eine menschenwürdige Unterbringung sicherstellen wollen.
Die Linksfraktion wird der Vorlage und damit dem
Projekt uneingeschränkt zustimmen, abgesehen
von dieser einen Enthaltung.
Die Herausforderungen bei der Aufnahme von
Flüchtlingen und die allseitige Integration der
Asylbewerberinnen und Asylbewerber sind so
groß, dass sie sich nicht für persönliche Profilierungen eignen. Die Bundeskanzlerin, die ja bekanntlich der CDU angehört, hat dies in einem
Satz gesagt, nämlich: „Wir schaffen das.“ - Ich
hatte in der letzten Ratsversammlung gesagt:
Wir haben gar keine andere Chance. Wir müssen es schaffen. - Das heißt auch: Wir müssen
Wege finden, um dieses Projekt zu realisieren.
Wir haben das zum Beispiel auch im Zusammenhang mit der Unterkunft in der Torgauer
Straße so gemacht. Eben wurde ja gesagt, das
sei eine Ausnahmeregelung. Diese Ausnahmeregelungen gibt es bereits seit Jahr und Tag.
Es ist in der VOB/A geregelt, dass dies möglich
ist. Bund und Land haben lediglich klargestellt,
dass genau diese Paragrafen jetzt anzuwenden
sind. Das heißt: Das ist nicht irgendetwas Besonderes, sondern sie haben darauf hingewiesen. Die Stadt Leipzig, das VOB-Gremium und
die Stadtverwaltung hatten angeregt, genau dies
auch beim Objekt Torgauer Straße so umzusetzen.
Und da bin ich beim Punkt: Es wird hier so dargestellt, als würde freihändige Vergabe besagen,
dass ein Bieter, der uns gefällt, einfach mal so
den Auftrag bekommt. Dem ist nicht so. Wer sich
mit den Vergaben beschäftigt, weiß, dass prinzipiell mit mehreren Anbietern gleichzeitig verhandelt wird. Das lässt eben eine freihändige Vergabe zu; denn sie besagt, dass nicht einfach öffentlich ausgeschrieben und dann entschieden wird,
ob das Angebot passt oder nicht. Vielmehr muss
mit einzelnen geeigneten Anbietern verhandelt
werden, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Ziele kurzfristig zu erreichen
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sind. Ich erinnere hier nur an unsere Debatten zu
den DaZ-Klassen. Diese sind ja letztendlich auf
dasselbe Thema zurückzuführen. An allererster
Stelle unserer Verhandlungen stand, dass die
Fertigstellungstermine gesichert sein müssen.
Jetzt geht es um die dieselbe Zielstellung, nämlich dass wir dieses Objekt zeitnah brauchen. Danke.
Oberbürgermeister Jung: Weitere Wortwünsche sehe ich nicht. - Es waren noch einige Fragen aufgetaucht: zur Finanzierung, zur Wirtschaftlichkeit und zum Thema Instandsetzungspauschale. - Herr Morlok, zum Thema Instandsetzungspauschale wird im nichtöffentlichen Vertragsbestandteil ausgeführt. Ich kann öffentlich
nur so viel sagen: Nein, das Geld ist nicht verloren, sondern fließt natürlich, wenn nicht ausgenutzt, zurück. Schauen Sie bitte noch einmal in
den nichtöffentlichen Vertragsbestandteil.
Herr Bonew, wenn Sie es Ihrerseits noch einmal
klarstellen könnten: Natürlich hätten wir auch
selbst bauen können. Das ist nicht die Frage,
rein fiskalisch betrachtet.
Bürgermeister Bonew: Ja, rein fiskalisch hätten
wir das auch selbst tun können. - Unter Abwägung aller Pros und Contras der Eigenentwicklung und der Hinzunahme der LESG hat sich die
Verwaltungsspitze für die LESG entschieden,
auch unter Inkaufnahme der scheinbaren Unwirtschaftlichkeit, wobei zur Ehrlichkeit dazugehört, zu sagen: Keiner weiß, wie sich die Preise
entwickeln. Wenn wir es in der Verwaltung machen würden, es aber wegen der sehr angespannten Kapazitätslage in der Verwaltung aufgrund des Schulbauprogramms nicht im gleichen
Zeitraum schafften wie die LESG, könnte das
aufgrund der Preisentwicklung zu höheren Kosten führen. Diese Wirtschaftlichkeitsentscheidung ist eine Augenblicksaufnahme und unterstellt, dass diese Preise jetzt so erzielt werden
können. Das gehört zur Wahrheit dazu. So richtig
schlau sind wir erst dann, wenn wir den Mietkaufvertrag in 25 Jahren abgewickelt haben.
Aber rückblickend ist man immer schlauer.
Oberbürgermeister Jung: Ich denke, das war
wichtig zur Klarstellung. Ich darf auch noch einmal an die Historie erinnern. In einer Situation,
wo die Zahl der geflüchteten Menschen von Woche zu Woche gestiegen ist, wollten wir eine
schnelle, eine zügige Lösung. Nicht weil wir befürchteten, einen Nachtragshaushalt auflegen zu
müssen, haben wir entschieden, die LESG zu
beauftragen. Vielmehr fiel diese Entscheidung,
um flexibel und dynamisch im Rahmen des jetzt
gültigen Vergaberechts zu agieren. In der Tat er-
Verlaufsprotokoll vom 09.06.2016
S e i t e | 12
scheint es in einem normalen Verfahren - das
sage ich auch in Richtung von Herrn Tornau -,
wie es hoffentlich in Zukunft wieder möglich sein
wird, geboten, sich länger Zeit zu nehmen und
die Angebote so einzuholen, wie es üblich ist.
Aber Sie dürfen nie den Hintergrund der Urentscheidung vergessen, die im September/Oktober
2015 gefallen ist. Insofern denke ich, wir sind gut
beraten, jetzt dieses Projekt auf die Schiene zu
stellen.
Klare Vorvoten. - Wird das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Ich darf Sie um Ihr Handzeichen bitten. Wer stimmt dem Bebauungsplan
zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Herr Bonew hat es auf den Punkt gebracht: Was
am Ende wirtschaftlicher ist, das ist eine sehr,
sehr schwierige Frage angesichts der Unwägbarkeiten, unter denen man baut. Eines scheint
uns klar: Das Projekt ist jetzt so weit fortgeschritten, dass wir hier eine hohe Kostensicherheit
haben. Frau Dubrau, ich denke, das kann ich
sagen. Da wird man am Ende fragen müssen, ob
das nicht auch wirtschaftlich ist.
Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und
Bau
Wenn Sie gestatten, kommen wir jetzt zur Abstimmung. - Ich darf Sie um Ihr Handzeichen bitten. Wer stimmt dieser Vorlage zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Das ist ebenfalls einstimmig.
10.5 Stellungnahme der Stadt Leipzig zur
2. Änderung des Flächennutzungsplanes des Verwaltungsverbandes Eilenburg-West (VI-DS-02741)
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der
Fall. Dann darf ich Sie um Ihr Handzeichen bitten. Wer stimmt dem Beschlussvorschlag zu? Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: Eine Enthaltung. Ansonsten einstimmig so beschlossen.
11.
Informationen I
11.1 2. Änderung der Geschäftsordnung des
Migrantenbeirates (VI-DS-01921)
Einreicher: Dezernat Allgemeine Verwaltung
Abstimmung: Eine Enthaltung, eine Reihe von
Gegenstimmen. Mehrheitlich so beschlossen.
Ich bitte Sie um Kenntnisnahme. - Wird das Wort
gewünscht? - So zur Kenntnis genommen.
TOP 10.2 entfällt.
10.3 Bebauungsplan Nr. 304 „Wendenstraße“, Stadtbezirk Nordwest, Ortsteil Wahren: Satzungsbeschluss (VI-DS-02472)
Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und
Bau
Gibt es Wortwünsche? - Das ist nicht der Fall.
Das ist ein Satzungsbeschluss. Das heißt, wir
müssen das auszählen. - Ich darf Sie um Ihr
Handzeichen bitten. Wer stimmt dem vorgelegten Bebauungsplan Nr. 304 zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
Abstimmung: 65 zu 0 zu 0. So beschlossen.
10.4 Bebauungsplan Nr. 75.3 „Friedhofstraße“, 1. Änderung, Stadtbezirk Nord,
Ortsteil
Eutritzsch:
Aufstellungsbeschluss (VI-DS-02506)
Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und
Bau
11.2 Auswertung der Bewerbung Leipzigs
um den Titel „Hauptstadt des fairen
Handels“ 2015 und Schlussfolgerungen
(VI-DS-02178)
Einreicher:
Sport
Dezernat
Umwelt,
Ordnung,
Wird das Wort gewünscht? - Dann bitte ich Sie
um Kenntnisnahme.
11.3 Jobcenter Leipzig: Zielabrechnung 2015
und Zielvereinbarung 2016, Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2016
(VI-DS-02512)
Einreicher: Dezernat Wirtschaft und Arbeit
Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht
der Fall. Dann bitte ich auch hier um Kenntnisnahme.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am
Schluss der heutigen Sitzung. Ich wünsche
Ihnen einen schönen Feierabend.
Verlaufsprotokoll vom 09.06.2016
Oberbürgermeister:
___________________________________
Schriftführer:
Stadtrat Habicht:
___________________________________
Stadtrat Pellmann:
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Protokollant:
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