Daten
Kommune
Leipzig
Dateiname
1000727.pdf
Größe
225 kB
Erstellt
19.08.14, 12:00
Aktualisiert
25.09.17, 07:21
Stichworte
Inhalt der Datei
Änderungsantrag Nr. DS-00130/14-ÄA-001
Status: öffentlich
Beratungsfolge:
Gremium
Termin
Ratsversammlung
17.09.2014
Zuständigkeit
Bestätigung
Eingereicht von
Rechnungsprüfungsausschuss
Betreff
Sonderprojekt "Gesetzliche Vertretung": Ergebnisbericht zum Beschluss der
Ratsversammlung Nr. RBV-1219/12 vom 16.05.2012
Beschluss:
1. Der Punkt 4 der Vorlage V/3714 wird wie folgt geändert:
Der Oberbürgermeister wird beauftragt zu prüfen, inwieweit eine Fortsetzung des
Sonderprojektes bis Ende 2015 tatsächlich notwendig ist und dem Stadtrat bis zum
31.08.2014 eine Abwägung einschließlich Plan-Ist-Vergleich 2012/2013 incl. der Stellen,
die in anderen Abteilungen abgerechnet werden, vorzulegen. Nahezu alle eventuell
vorhandenen Haftungs- und Schadensersatzansprüche an Beteiligte sind verjährt, so
dass es mindestens wenig sinnvoll erscheint, weitere Personalkosten in erheblicher Höhe
zu verursachen.
2. Der Punkt 3 der Vorlage V/3714 wird wie folgt geändert:
Rechnungsprüfungsausschuss und der Verwaltungsausschuss werden monatlich sowie
der Stadtrat am Ende eines Quartals über den Stand der Prüfung, die Umsetzung der
Beschlüsse und der Maßnahmen sowie aktuelle Entwicklungen informiert.
3. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, alle Ämter und Verwaltungseinheiten einer
geeigneten Prüfung zu unterziehen sowie sicherzustellen, dass die Fach- und
Dienstaufsicht nachweislich wahrgenommen wird (Vier- bzw. Sechs- Augenprinzip) und
Alleingänge und fortgesetzte Fehlhandlungen einzelner Mitarbeiter in Zukunft unmöglich
macht. Die Dienst- und Fachaufsicht ist in der AGA entsprechend aufzunehmen.
4. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, für eine sachgerechte Arbeit des Rechtsamtes
zu sorgen. Dazu gehören fundierte und schriftlich nachvollziehbare Rechtsstandpunkte.
Oberstes Ziel muss die Unterstützung der Stadt und des Stadtrates durch qualifizierte
Rechtsstandpunkte und der offene Umgang mit dem Stadtrat und seinen Ausschüssen
sein.
5. Der Oberbürgermeistern wird gemäß RB 1219/12 erneut beauftragt, bis spätestens
30.10.2014 eine tragfähige , leistungsstarke und umsetzbare Struktur des Rechtsamtes
zu entwickeln und den Verwaltungsausschuss sowie den Rechnungsprüfungsausschuss
darüber zu informieren. Alle bisherigen Strukturvorschläge scheinen nicht zu greifen. Aus
personenschutzrechtlichen Überlegungen verzichten die Ausschussmitglieder auf eine
detaillierte Darstellung der Ist- Situation, setzen allerdings voraus, dass dem
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Oberbürgermeister die aktuellen und zahlreichen Probleme bekannt sind
Prüfung der Übereinstimmung mit den strategischen Zielen:
Sachverhalt:
Anlagen:
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Begründung
1. Einleitung
2. Zeitlicher Ablauf
3. Die Arbeit des Rechnungsprüfungsausschusses
4. Die Bewertung durch den Rechnungsprüfungsausschuss
5. Die Zukunft des Rechtsamtes
6. Strafrechtliche Konsequenzen
7. Auswirkungen für ehemalige Eigentümer und Erben
8. Die Folgen für Leipzig
9. Zusammenfassung, Änderungsantrag und Empfehlungen
1. Einleitung
Mit der Vorlage V/3714 „Sonderprojekt „Gesetzliche Vertretung“: Ergebnisbericht zum
Beschluss der Ratsversammlung Nr. RBV-1219/12 vom 16.05.2012“ hat die
Stadtverwaltung die Arbeit des Sonderprojektes zur Ausarbeitung der Problematik der
Herrenlosen Grundstücke vorgelegt. Die Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses
haben beschlossen, die Thematik auch aus ihrer Sicht zu schildern und legen hiermit ihren
eigenen Abschlussbericht als Ergänzung des Ergebnisberichtes vor. Dabei geht es den
Stadträten weniger um eine rechtliche und /oder zahlenmäßige Aufbereitung, sondern um
eine Darstellung der Ereignisse und Erfahrungen, die sich in Zuge der Befassung mit der
Problematik ergeben haben sowie um Empfehlungen, die dazu beitragen sollen, ähnlich
geartete Fehlhandlungen zu verhindern, strukturelle Risiken zu minimieren, Transparenz
zu schaffen sowie die Arbeit der Stadträte zu erleichtern.
2. Zeitlicher Ablauf
Bereits 1999 und 2001 hatte das Rechnungsprüfungsamt in den Prüfberichten PB 99/1078
und PB 01/1056 darauf hingewiesen, das es Unstimmigkeiten bei sogenannten
Verwahrkonten gab, indem die Rechtsmäßigkeit dieser Konten angezweifelt wurde.
Seitens der Stadtverwaltung wurde, wie so oft, auf die Hinweise des
Rechnungsprüfungsamtes nicht reagiert, so dass schon 1999 die Chance vergeben
wurde, die Unrechtmäßigkeiten im Umgang mit den Grundstücken zu entdecken. Da das
Rechtsamt erst 1997 mit der Bestellung gesetzlicher Vertreter begonnen hatte, wäre das
immense Ausmaß der Fehlhandlungen durchaus vermeidbar gewesen.
Im Mai 2005 verfügte das Rechtsamt über klare Hinweise fehlerhafter Erbenermittlung bei
einem Grundstück und im Mai 2007 wurde der Haftungsfall Lionstrasse bekannt. Im
September 2008 wies das Rechnungsprüfungsamt im Prüfbericht 08/1/0036 zur
Jahresrechnung 2007 erneut auf Unregelmäßigkeiten hin. Und wieder reagierte die
Verwaltung nicht.
Im August 2009 reichten die Erben eines Grundstückes Klage gegen die Stadt Leipzig ein
und eine Woche später wurde der ehemalige Eigentümer der Breitenfelder Straße 70 im
Rathaus vorstellig. Das Rechtsamt führte zwei Wochen später ein Gespräch mit dem
Bearbeiter und attestierte schlechte Arbeitsqualität. Erst ein Jahr später, im Juli 2010,
wurde der Mitarbeiter aufgefordert, die Akten zu vervollständigen.
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Den Anweisungen der Amtsleiterin kam er aber weitestgehend nicht nach und wurde auch
nicht verstärkt kontrolliert.
Im Februar 2011 wurden die Haftungsfälle Breitenfelder und Lionstrasse von Rechtsamt
und dem Ersten Bürgermeister ausgewertet. Der Antikorruptionskoordinator wurde im
März 2011 mit der Prüfung der Fälle beauftragt. Erst im Laufe der öffentlichen Diskussion
gelangte der Erste Bürgermeister Müller zu der Überzeugung, dass die Akzeptanz einer
objektiven und transparenten Aufarbeitung der Vorgänge im Rechtsamt in der
Öffentlichkeit glaubhafter gegeben sein wird, wenn das weisungsfreie RPA die Prüfung der
Vorgänge übernimmt.
Schon einen Tag später hat daher der OBM den Leiter des Rechnungsprüfungsamtes
gebeten, den Prozess der Prüfung zu übernehmen. Weil Akten fehlten und sogar Akten
bereits vernichtet wurden, war aber eine geordnete Übergabe selbst 2011 noch nicht
möglich.
Aufgrund zahlreicher weiterer Medienveröffentlichungen im 2. Quartal 2011 beauftragte
der OBM am 7.7.2011 den Beigeordneten für Allgemeine Verwaltung mit der Prüfung der
Ordnungsmäßigkeit des Verwaltungshandelns des Rechtsamtes in dieser Angelegenheit.
Der Prüfbericht Nummer Nr. 11/1/0074 des Rechnungsprüfungsamtes nennt dann 821
Fälle, die nicht fehlerfrei waren.
Nachdem sich abzeichnete, dass es sich nicht um „bedauerliche Einzelfälle“ handelt,
wurde das Rechnungsprüfungsamt im Juli 2011 direkt tätig und legte am 20.03.2012 die
Endfassung des Prüfberichts vor.
3. Die Arbeit des Rechnungsprüfungsausschusses
Mit dem Tätigwerden des Rechnungsprüfungsamtes zur Prüfung der Thematik wurde der
Rechnungsprüfungsausschuss zum zuständigen Ausschuss des Stadtrates und fungierte
als Akteneinsichtsausschuss. Die erste Sitzung zur Problematik der „Herrenlosen
Grundstücke“ fand am 12.01.2012 statt. Es folgten 35 weitere Sitzungen, in denen der
Ausschuss sich zum einen mit dem Prüfbericht, dem jeweils aktuellen Stand des
Sonderprojektes sowie eigenen Erkenntnissen aus der Sichtung der Akten befasste und
das weitere Vorgehen abstimmte.
Mit einer Informationsvorlage (V/2098) wollte die Verwaltung im Mai 2012 den Stadtrat
über den Prüfbericht und weitere Schritte abschließend informieren. Diese
Informationsvorlage der Verwaltung war den Ausschussmitglieder bei weitem nicht
ausreichend, so dass ein eigener Änderungsantrag erarbeitet wurde, der mit insgesamt
neun Unterpunkten vom Stadtrat beschlossen werden sollte. Dieses Anliegen wurde
zunächst torpediert, indem Verwaltungsmitarbeiter hartnäckig erklärten, dass das so nicht
ginge und der Ausschuss überhaupt nicht befugt sei, die Informationsvorlage zu einer
Beschlussvorlage zu machen. Ungeachtet der Verhinderungsversuche beschloss der
Stadtrat am 16.05.2012 die Vorlage des Rechnungsprüfungsausschusses.
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Die Akteneinsicht wurde zum nächsten Problem. In der Stadtratssitzung am 20.09.2012
sagte OBM Jung auf Nachfrage Erleichterungen zu. Im Protokoll aber tauchten diese
Zusagen zunächst nicht mehr auf. Erst am 25.10.2012 gelang es Stadträten in
Verhandlungen mit der Verwaltung, das Protokoll zu dieser Ratsversammlung zu
vervollständigen.
Ende 2012/ Anfang 2013 haben die Stadträte erneut vor einer erheblichen Hürde
gestanden, da Verschwiegenheitserklärungen unterschrieben werden sollten, auf deren
Unrechtmäßigkeit sogar die Landesdirektion hinweisen musste. Sie teilte am 14.03.2013
mit, dass jeder Stadtrat unabhängig von der Unterzeichnung der Schweige- Erklärungen
ein Recht auf Akteneinsicht habe. Die Unterzeichnung zu fordern, sei mit der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht vereinbar und damit rechtlich nicht
zulässig. „Der Bürgermeister hat bei der Entscheidung, ob er Akteneinsicht gewährt,
keinen Ermessensspielraum.“ Die Verschwiegenheitserklärungen fielen daraufhin weg.
Nachdem die Ausschussmitglieder endlich Zugang zu den Akten bekamen, offenbarte sich
ein neues Problem. Die Akten befanden sich inzwischen im Sonderprojekt und wurden
dort bearbeitet. Nach wenigen Besuchen in den Räumen des Projektes wurde klar, dass
dieser immense Bestand an Fallakten und Papieren – weit über 100.000 Blatt Papier –
von den ehrenamtlich tätigen Stadträten nicht zu überschauen war, weil man Wochen und
Monate in Vollzeit gebraucht hätte, um jede Akte in die Hand zu nehmen und
durchzulesen.
Um auch als Sonderprojekt den Überblick nicht zu verlieren, wurde dort eine Exel- Tabelle
erstellt, die ständig in Benutzung war und je nach Fortschritt von den Mitarbeitern
vervollständigt wurde. Der Ausschuss ließ sich diese Tabelle vorstellen und sie bot einen
recht guten, wenn auch logischerweise sehr umfangreichen Überblick über die 785 Fälle.
Wirklich arbeiten konnten die Ausschussmitglieder damit aber leider nicht, da aus
„Datenschutzgründen“ die Filterfunktionen gesperrt waren. Mehrere Gespräche mit der
Leiterin des Sonderprojektes und dem Datenschützer im Ausschuss führten nicht weiter.
Es kam lediglich als Begründung noch hinzu, dass aus technischen Gründen die Filter
nicht frei geschaltet werden könnten, weil der PC, auf dem die Tabelle zur Verfügung
gestellt würde, keine Möglichkeit des Kopierens der Daten aufweisen dürfte, um eine
unerlaubte Veröffentlichung zu verhindern.
Einzig die „Suchen“- Maske stand zur Verfügung, die allerdings zum einen nicht hilfreich
ist, wenn man nicht weiß, wonach man suchen soll und zum anderen immer nur Sprünge
von Suchbegriff zu Suchbegriff das Ergebnis sind. In stundenlanger und mühevoller
Kleinarbeit haben einige Ausschussmitglieder dann per Hand stichpunktartig Einträge
abgeschrieben, um sich wenigstens in Ansätzen orientieren zu können. Bei der Durchsicht
dieser Notizen sind durchaus Auffälligkeiten sichtbar geworden. Betrachtet man z.B.
ausschließlich die 92 Fälle, in denen ein Zweit- und Drittverkauf erfolgt sind, dann
beschränkt sich die Auswahl der gesetzlichen Vertreter auf einige wenige. Wie in diesem
Fall weiter verfahren werden sollte, ist aber unklar geblieben, da den Ausschussmitglieder
zu jeder Zeit drohend vorgehalten wurde, dass sie sich des Verstoßes gegen den
Datenschutz strafbar machen könnten.
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In dieser Lage wurde beschlossen, dass die Vorsitzende und der Stellvertreter des
Rechnungsprüfungsausschusses ein Gespräch mit der Staatsanwaltschaft führen sollten.
Ziel war unter anderem eine Abstimmung, was seitens der Staatsanwaltschaft in den
nächsten Wochen und Monaten vorgesehen war, ob und wie der Ausschuss unterstützend
tätig werden könne und um welche Bereiche sich die Mitglieder nicht bemühen müssten.
Das zweistündige Gespräch mit dem Sprecher der Staatsanwaltschaft Leipzig war mehr
als ernüchternd. Fazit war, dass eigentlich fast alle Vorgänge der Verjährung unterliegen
würden und es der Behörde in diesen Fällen untersagt sei, weitergehende Ermittlungen
durchzuführen. Alle Hoffnungen auf befriedigende Ergebnisse der Staatsanwaltschaft in
der Aufklärung wurden damit zunichte gemacht.
Da aus dem Bereich der Staatsanwaltschaft nun keine Unterstützung mehr zu erwarten
war, beschlossen die Mitglieder des Ausschusses, den 2. Untersuchungsausschuss des
Landtages Sachsen zu einer gemeinsamen Beratung einzuladen. Die Stadtverwaltung
reagierte umgehend und sehr scharf auf dieses Vorhaben. Eine Stellungnahme des
Rechtsamtes beinhaltete folgendes:
„II. Anhörung eines Mitglieds des Untersuchungsausschusses
Nach § 44 GemO kann der Gemeinderat bzw. ein Ausschuss zur Beratung sachkundige
Einwohner oder Sachverständige hinzuziehen.
Soweit es hier um die Aufklärung von Missständen innerhalb der Verwaltung geht, könnte
ein Mitglied des Untersuchungsausschusses faktisch als Sachverständiger gehört
werden, soweit man den Begriff „Sachverständiger“ weit fasst. Allerdings erfolgt eine
solche Ladung auf freiwilliger Basis. Der Geladene kann sein Erscheinen bzw. seine
Mitarbeit ablehnen. Die Anhörung ist nicht erzwingbar.
Zu beachten ist aber, dass der geladene Mitarbeiter nur aus den Teilen des
Untersuchungsausschusses Kenntnisse einbringen und darüber berichten darf, die
bereits öffentlich sind. Alle Kenntnisse aus nichtöffentlichen Bereichen darf er nicht
weitergeben und den RPA-Ausschuss darüber auch nicht informieren. Er würde sonst
eine Straftat begehen. Eine Aussagegenehmigung gibt es hier nicht. Insofern erschließt
sich der Sinn der Anhörung nicht. Anderseits darf wiederum der RPA-Auschuss seine
Kenntnisse im Rahmen des Gespräches auch nicht an den geladenen Mitarbeiter
weitergeben, da hier das Datenschutzgesetz entgegensteht. Ein faktisches Gespräch
miteinander gibt es so nicht und ist vom Gesetz so auch nicht vorgesehen. Der
Erkenntnisgewinn dürfte daher minimal sein. Allenfalls könnten sich beide Seiten über den
Inhalt der Verwaltungsakten austauschen, die beiden Seiten zugänglich sind. Ob dies
allerdings noch die „Anhörung eines Sachverständigen“ ist, dürfte fraglich sein.
Insofern wäre eine Einladung als Sachverständiger möglich. Das Erscheinen ist aber
freiwillig und der Gesprächsinhalt muss sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen halten.
Einen „Small-Talk“ zwischen beiden Ausschüssen sieht das Gesetz nicht vor.“
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Die Ausschussmitglieder blieben aber hartnäckig, ließen sich von der Verwaltung nicht
einschüchtern und bereiteten eine gemeinsame Beratung für den 14.11.2013 vor. Die
Versuche der Verwaltung, den gemeinsamen Termin doch noch zu boykottieren, nahmen
indes bizarre Formen an. So wurde den Stadträten erklärt, dass sie nur solche Fragen
stellen dürften, die die Mitglieder des Untersuchungsausschusses auch beantworten
dürften.
Die gemeinsame Beratung fand wie geplant statt. Inhaltlich ist festzuhalten, dass der
Rechnungsprüfungsausschuss wohl wesentlich tiefer in einzelnen Vorgängen der
Herrenlosen Grundstücke recherchiert hatte und es dem Untersuchungsausschuss aus
zeitlichen und Sachgründen nicht möglich war, sich trotz der in Dresden teilweise
vorhandenen Kopien der Akten intensiver mit der Thematik zu befassen. Für den
Rechnungsprüfungsausschuss selbst war diese Erkenntnis unbefriedigend, da auch aus
der Richtung des Untersuchungsausschusses keine Hilfe erwartet werden konnte.
Dennoch begrüßten beide Ausschüsse die Zusammenkunft. Problematisch ist aber, dass
die alte SächsGemO sehr restriktiv gewesen ist und keine einzige Gesetzgebung die
Zusammenkunft und den Austausch von Landes- und Kommunalpolitikern vorsah oder
zumindest ermöglichte. Die Landtagsabgeordneten nahmen als Ergebnis mit, die
Möglichkeit der Verankerung einer zukünftigen Zusammenarbeit in die Sächsischen
Gemeindeordnung zu prüfen und aufzunehmen.
Die Arbeit des Rechnungsprüfungsausschusses durchzog wie ein roter Faden die
Weigerung der Stadtverwaltung, die Aufarbeitung zu erleichtern. So löste die Bitte um die
Beiziehung der Grundbuchauszüge wieder eine umfassende Diskussion über die Rechte
des Ausschusses und die Grenzen seiner Arbeit aus. Auch hier blieb wieder nur der
langwierige Weg über einen Antrag an die Ratsversammlung und die Beschlussfassung
dazu. Seit Anfang 2014 können die Grundbuchauszüge für die 92 Grundstücke und
Grundstücke eingesehen werden, die nach dem ersten Verkauf weiterverkauft worden
sind. Dazu erfolgte abermals eine Stellungnahme des Rechtsamtes, die erneut darauf
hinwies, wie die Stadträte mit den Daten verfahren müssen und welche Konsequenzen bei
einem Verstoß dagegen zu erwarten sind:
„1. Das Rechtsamt hatte Bedenken gegen die Zulässigkeit der Datenerhebung. Sowohl
der Sächsische Datenschutzbeauftragte als auch die LDS und das Grundbuchamt haben
dagegen eine Datenerhebung für zulässig erachtet. Da die Daten zum Zwecke der
Kontrolle der Verwaltung erhoben worden sind ist selbstverständlich die Verarbeitung und
Aufbereitung der Daten zulässig. Dabei sind Stadträte und das Sonderprojekt als ein
"Amt" zu sehen, das die Kontrolle durchführt. Insofern ist es nicht richtig, dass eine
Verarbeitung unzulässig wäre. Diese rechtliche Diskussion ist mit der Erhebung der Daten
zum Zwecke der Kontrolle erledigt. Die Erhebung wurde als zulässig erachtet, so dass
selbstverständlich die Verarbeitung auch zulässig ist, sonst hätten die Daten gar nicht
erhoben werden dürfen. Das eine beinhaltet das andere. Sie können mit diesen Daten als
"Kontrollamt", also RPA-Ausschuss und Sonderprojekt, alles machen, was sie für die
Kontrolle für erforderlich erachten. Der Datenschutz wird hier nicht mehr tangiert. Nur die
Weitergabe an Dritte wäre unzulässig. Die Stadträte im RPA-Ausschuss sind aber keine
Dritten sondern hier ausdrücklich das erhebende Amt. Sie sind also in der Art und Weise
der Verarbeitung, Aufarbeitung oder des Umgangs mit den Daten innerhalb ihres
"Kontrollamtes" frei. Sie haben also auch die Möglichkeit, die Daten zu filtern oder Listen
zu erstellen.
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Es sei aber der Hinweis erlaubt, dass hier keine "Kriminalisierung" stattfindet, wie der
Datenschutzbeauftragte meint, sondern Fehler werden neutral untersucht. Keiner der
Grundstückseigentümer kann und darf als "Krimineller" gesehen werden, sondern es wird
nach eventuellen Auffälligkeiten und Fehlern bei dem Umgang mit den herrenlosen
Grundstücken gesucht - mehr nicht.
2. Zu beachten ist aber, dass diese Daten nicht weitergegeben werden dürfen. Die
Stadträte sollten ausdrücklich nochmals darauf hingewiesen werden, dass die Weitergabe
der Daten der Grundstückseigentümer an Personen ausserhalb des "Kontrollamtes" eine
Straftat sein kann. Des weiteren ist mit erheblichen Schadensersatzansprüchen
insbesondere Schmerzensgeldern im 5 stelligen Bereich zu rechnen, die die Stadt zahlen
muss, wenn Daten der Grundstückseigentümer weitergegebenen und dann veröffentlicht
werden. Die Eigentümer würde dann in die Nähe des sogenannten "Sachsensumpfes"
gestellt, was eine erhebliche Beeinträchtigung ihres Rufes darstellen würde. Hier ist eine
sehr sehr hohe Sensibilität gefordert, denn der Kauf oder Besitz eines Grundstück aus
dem Bereich herrenloser Grundstücke sagt über eventuelle Verfehlungen innerhalb der
Stadt oder gar Straftaten gar nichts. Die Stadträte sollten auch bedenken, dass Sie für
Schäden, die der Stadt durch ihr Verhalten entstehen, in Regress genommen werden
können und werden.
3.Fazit
Die Daten können verarbeitet werden, denn auch die Erhebung zu diesem
Verarbeitungszweck, der Kontrolle, wurde als zulässig erachtet. Die Weitergabe der Daten
an Dritte ausserhalb des RPA-Ausschusses oder Sonderprojekts ist unzulässig und kann
hier zu erheblichen finanziellen Schäden bei der Stadt und den handelnden Personen
führen. Dazu wäre dies eine Straftat. Es ist hier eine hohe Sensibilität auch innerhalb des
Ausschusses gefordert.“
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Ausschussmitglieder immer wieder daran
gehindert worden sind, ihre Arbeit zügig, umfassend und gründlich zu erledigen. Sehr
häufig wurde der Datenschutz zunächst als „Totschlag- Argument“ bemüht, hielt aber stets
bei intensiver Prüfung nicht stand. Die „Umwege“ über Beschlüsse der Ratsversammlung
kosteten zum einen wertvolle Zeit, waren aber zum anderen leider die einzige Möglichkeit,
um überhaupt mit den Unterlagen arbeiten zu können. Trotz dieser Hürden hat der
Ausschuss nichts unversucht gelassen, Licht in dieses dunkle Kapitel der Herrenlosen
Grundstücke zu bringen. Ausserdem mussten sich die Ausschussmitglieder mit einer
Vielzahl von Rechtsproblemen befassen, was es in dieser Vielfalt so bisher nicht gab. Die
Aufgaben haben die Stadträte enorm gefordert und gingen weit über das übliche Maß der
Ratsarbeit hinaus.
Immer wieder stellte sich allerdings auch die Frage nach dem „Wozu“. Fast alle Fälle fallen
unter die Verjährung und sind strafrechtlich damit irrelevant. Schadensersatz und Haftung
spielen so auch keine Rolle mehr. So blieb dem Rechnungsprüfungsausschuss nur übrig,
Dienstanweisungen und Beschlüsse in die Wege zu leiten, die derartige Fehlhandlungen
in Zukunft verhindern helfen können und erneut zu mahnen, die begründeten Hinweise
des Rechnungsprüfungsamtes ab sofort tatsächlich ernst zu nehmen.
Seite 6
Von einer wirklichen und gründlichen Akteneinsicht war der Rechnungsprüfungsausschuss
durch immense Berge an Papieren, zahlreiche Hürden und trotz intensiver Bemühungen
weit entfernt. Eine komplette Aufarbeitung der Vorgänge konnte nicht erfolgen.
Im Ergebnis des Sonderprojektes auf Seite 110, Abschnitt D1.3.4. wird ausgeführt: „Ein
systematischer Missbrauch zugunsten bestimmter Marktteilnehmer kann ausgeschlossen
werden.“ Das kann der Ausschuss so nicht bestätigen.
4. Die Bewertung durch den Rechnungsprüfungsausschuss
Das Sonderprojekt für die Gesetzliche Vertretung verweist im Ergebnisbericht unter
anderem auf das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz. Es wird ausgeführt, dass es
Intention des Gesetzgebers war, Verfahren zu beschleunigen , um den wirtschaftlichen
Aufschwung in den neuen Bundesländern zu verbessern. Die Regelungen des § 11b
Vermögensgesetz und des Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB seien gerade dafür geschaffen
worden, um einen zeitaufwändigen Rechercheaufwand bei der Behörde zu vermeiden.
Diese Auffassung ist falsch. Denn wie sich in der Regierungsbegründung zum Zweiten
Vermögensrechtsänderungsgesetz nachlesen lässt, knüpft die Regelung des § 11b
Vermögensgesetz
an
die
Vorschrift
des
§
8
des
Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes vom 16.12.1991 an, vgl. BT-Drs. 12/2480, S. 46.
Es ist davon auszugehen, dass in einer Behörde wie dem Rechtsamt zumindest
Behördenleiter in der Lage sein sollten, mit einfachem juristischen Handwerkszeug
nachzuvollziehen, welche Absichten der Gesetzgeber bei Erlass von Vorschriften hatte.
Bei Zweifeln über den Umgang mit den Regelungen des § 11b Vermögensgesetz bzw. Art.
233 § 2 Abs. 3 EGBGB hätte also ein Blick in die Gesetzesbegründung Klarheit schaffen
können.
In § 8 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes aus dem Jahr 1991 taucht die
Figur des gesetzlichen Vertreters erstmals auf für den Fall, dass die
Eigentumsverhältnisse an einem Grundstück ungeklärt sind. In der Begründung des
Regierungsentwurfs zu § 8 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes heißt es
dann: § 8 trägt dem Umstand Rechnung, dass in den neuen Bundesländern mit
Unkenntnis über die Eigentumsverhältnisse gerechnet werden muss. lässt sich der
Eigentümer eines Grundstückes trotz hinreichender Bemühungen nicht ermitteln und wäre
eine weitere Klärung der Eigentumsverhältnisse mit unverhältnismäßig großem Aufwand
verbunden, so muss für den nicht bekannten Eigentümer ein Vertreter handeln können,
wenn es um die Plangenehmigungen, um Vorarbeiten auf dem Grundstück und die
vorzeitige Besitzeinweisung geht, vgl. BT-Drs. 12/1092, S. 11. Wenn also der Gesetzgeber
im Fall von Verkehrswegeplanungen eine Eigentümerermittlung verlangt, die mit
hinreichenden Bemühungen erfolgen und der Verzicht einer weiteren Klärung der
Eigentumsverhältnisse mit unverhältnismäßig hohem Aufwand gerechtfertigt sein muss,
kann im Gegensatz zu solchen öffentlichen Bauvorhaben bei einer privaten Investitionen
im Bereich der Immobilienwirtschaft kein geringeres Interesse vorhanden sein, nach
Eigentümern bzw. Erben zu recherchieren.
Seite 7
Vor der Bestimmung eines gesetzlichen Vertreters für unbekannte Erben musste die
Verwaltung also zwingend hinreichende Bemühungen für eine Eigentümer- bzw.
Erbenermittlung unternehmen und eine weitere Ermittlung der Eigentumsverhältnisse nur
dann unterlassen, wenn diese mit einem unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden
gewesen wäre. Bei der Bestellung von gesetzlichen Vertretern hat es die Behörde jedoch
bereits schon unterlassen, eigene Register innerhalb der Stadt Leipzig einzusehen, Ämter
anzufragen oder zumindest Ermittlungen beim Nachlassgericht am Amtsgericht der Stadt
Leipzig vorzunehmen. Zumindest die Einsichtnahme von eigenen Registern, die
Nachfrage bei Ämter innerhalb der eigenen Verwaltung und die Recherche beim
Nachlassgericht stellen keinen unverhältnismäßig hohen Aufwand dar und sind daher als
hinreichende Bemühungen im Mindestmaß anzusehen.
Die fehlende Erbenermittlung war daher rechtswidrig und die Unkenntnis über die
tatsächlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters zeugt von
mangelnder fachlicher Aufsicht. Dieser vom Sonderprojekt als „Irrtum“ bezeichnete
Umstand verschleiert, dass bei Anwendung des nötigen juristischen Handwerkszeug
zumindest bei der Amtsleitung des Rechtsamtes rechtzeitig die Voraussetzungen zur
Bestellung von eines gesetzlichen Vertreters hätten erkannt werden können, so dass es
keinerlei Rechtfertigung dafür gibt, dass eine Erbenermittlung nicht durchgeführt worden
ist.
Ob Ursache dafür mangelnde fachliche Kenntnis, Absicht oder zumindest ein
festzustellendes Versagen der fachlichen Aufsicht ist, bleibt unaufgeklärt. Festzuhalten
bleibt, dass nicht nur in einer Vielzahl von voneinander unabhängigen Einzelfällen,
sondern auch in einer nicht nur als statistische Ausreißer zu bezeichnenden Anzahl von
Fällen es zu einer Häufung von Antragstellern oder Erwerbern kam, so dass zu
konstatieren ist, dass die mangelnde fachliche Kenntnis und die nicht vorhandene
Fachaufsicht und Führung Ursache dafür sein können, dass dieser Umstand in einer
zumindest statistisch nicht unerheblichen Weise wirtschaftlich ausgenutzt worden ist.
5. Die Zukunft des Rechtsamts
Der Rechnungsprüfungsausschuss hatte dem OBM anheim gestellt, trotz der bereits
eingeleiteten Veränderungen im Rechtsamt zu prüfen, ob das Amt nicht besser als
Stabsstelle im direkten Befugnisbereich des OBM angesiedelt werden sollte. Diese Ansicht
vertreten die Mitglieder bis heute. Unabhängig von dem Komplex Herrenlose Grundstücke
wäre auch zu prüfen, die in verschiedenen Dezernaten dezentral beschäftigten Juristen
bei Beibehaltung ihres Sachgebietes in einer gemeinsamen 5.Struktur unterzubringen. Die
Ergebnisse der umfangreichen Auswertung des Rechnungsprüfungsamtes verdeutlichen
das Ausmaß der Fehlhandlungen im Rechtsamt eindringlich. So wurde festgestellt, dass
für 721 Grundstücke gesetzliche Vertreter bestellt wurden, davon in 248 Fällen in weniger
als 10 Tagen nach der Antragstellung. Der Bestellung ging in 565 Fällen keine
Eigentümerrecherche voraus, obwohl sie vom Gesetz eindeutig gefordert wird. In 147
Fällen waren Miteigentümer bekannt, die jedoch entgegen der eindeutigen Rechtslage
nicht zu gesetzlichen Vertretern bestellt wurden.
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Die mangelnde Qualität der Sachbearbeitung wird aus Sicht des RPA daran deutlich, dass
667 von 754 erfassten Akten Bearbeitungsfehler aufwiesen. Erklärungsversuche der
Verwaltung dazu: die Ablauforganisation dieses Aufgabengebietes im Rechtsamt ist
äußerst mangelhaft.
Schriftliche amtsinterne Festlegungen zum Ermittlungsumfang des Rechtsamtes vor
Bestellung eines gesetzlichen Vertreters fehlten bis zum Auftreten des zweiten und dritten
Haftungsfalls im Jahr 2009. Die amtsinternen Richtlinien zur Festsetzung der Vergütung
aus den Jahren 2002 und 2005 entsprechen aufgrund ihrer Kürze und der gehäuften
Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe nicht den Anforderungen an schriftliche
Arbeitsanweisungen zur einheitlichen Gesetzesauslegung.
Durch das Rechnungsprüfungsamt wurde im Ergebnis der Einzelfallprüfung festgestellt,
dass aufgrund fehlender Arbeitsanweisungen eine ordnungsgemäße Sachbearbeitung in
vielen Fällen gar nicht gewährleistet war.
Auch nach dem ersten Haftungsfall (Lionstraße 7) im Jahr 2007 wurden keine schriftlichen
Dienstanweisungen erlassen und von arbeitsrechtlichen Konsequenzen ganz abgesehen.
Erst nach dem Bekanntwerden weiterer Bearbeitungsfehler im Jahr 2009 wurden dem
besagten
Sachbearbeiter
schriftliche
Arbeitsanweisungen
in
Form
eines
Gesprächsvermerkes vom September 2009 übergeben und die stellvertretende
Amtsleiterin mit der Überwachung seiner Tätigkeit beauftragt. Von arbeitsrechtlichen
Konsequenzen wurde bis Juli 2011 wegen des bestehenden Altersteilzeitvertrages
weiterhin abgesehen.
Zum derzeitigen Zeitpunkt hat sich die Situation allerdings immer noch nicht gebessert und
die Reorganisation des Rechtsamtes missglückte bisher. Der Punkt 1 des
Ratsbeschlusses 1219/12 wurde aus Sicht des Ausschusses nur unzureichend umgesetzt.
Stattdessen erfolgen mehrfach neue Strukturvorschläge. Und die Arbeitsweise des
Rechtsamtes hat sich ebenfalls nicht geändert. Rechtlich saubere Lösungen und
Änderungsvorschläge fehlen zu oft (z.B. Sondernutzungssatzung, Wahlwerbesatzung,
Zentrale Antragstellung).
6. Strafrechtliche Konsequenzen
Parallel zu den Überprüfungen der Stadt hatte die Staatsanwaltschaft Leipzig Mitte Juni
2011 einen Prüfvorgang eingeleitet, um Anhaltspunkte für strafrechtlich relevante
Handlungen in dieser Angelegenheit zu überprüfen. Im Ergebnis der Prüfung leitete die
Staatsanwaltschaft am 24.11.2011 ein Ermittlungsverfahren gegen drei Mitarbeiter des
Rechtsamtes wegen des Tatverdachts der Untreue zum Nachteil der Stadt Leipzig und von
Grundstückseigentümern ein. Die betreffenden Mitarbeiter wurden daraufhin am
25.11.2011 zunächst vom Dienst freigestellt. Nach einer Pressemitteilung der LVZ vom
15.02.2011 ist zwischenzeitlich auch das Landeskriminalamt in die Ermittlungen
eingebunden.
Von städtischer Seite wurde neben dem eingeleiteten Ermittlungsverfahren der im
Rechtsamt angesiedelte und mit der Bearbeitung der „Herrenlosen Grundstücke“ befasste
Mitarbeiter fristlos gekündigt. Ein anschließender Kündigungsschutzprozess wurde
allerdings zu seinen Gunsten entschieden, so dass das Angestelltenverhältnis planmäßig
gemäß der Altersteilzeit fortgeführt wurde.
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Mit der Amtsleiterin wurde ein Aufhebungsvertrag vereinbart und die stellvertretende
Amtsleiterin wurde in ein anderes Amt versetzt.
Im Übrigen sind die meisten Handlungen, sofern diese gegen Arbeitsrecht oder auch
Zivilrecht verstoßen könnten, jetzt verjährt und ebenfalls nicht mehr strafrelevant.
Die LVZ berichtet am 04.04.2014: Keine Korruption – nur „Rechtsirrtümer“ und „keine
Anhaltspunkte für Netzwerke“. Gleichwohl ist dann weiter zu lesen. „Anklage zugelassen“.
Wie Landgerichtssprecher Hans Jagenlauf auf Anfrage erklärte, hat das Oberlandesgericht
Leipzig eine Anklage gegen sechs Beschuldigte zugelassen. Bei ihnen handelt es sich laut
LVZ- Informationen um Mitarbeiter der Stadt und beteiligte Rechtsanwälte, die von der
Stadt als gesetzliche Vertreter eingesetzt waren. Ihnen wird Untreue vorgeworfen. Ein
Verhandlungstermin steht noch nicht fest. Aber beschäftigt sich ein OLG mit „schlampiger
Arbeit“ und „Rechtsirrtümer“?
7. Auswirkungen für ehemalige Eigentümer und Erben
Auch wenn die datenschutzrechtlichen Bestimmungen eine Auflistung von einzelnen
Fällen nicht zulassen, sind tendenzielle Auswirkungen für die Betroffenen darstellbar. Allen
Verkaufsfällen gleich ist die Tatsache, dass die Berechtigten durch das Handeln der
Stadtverwaltung unrechtmäßig enteignet worden sind. Besonders schwer wiegt dies auch
in den Fällen des Zweit- und Drittverkaufs, da eine eventuell mögliche Wiedergutmachung
durch Rückübereignung ausgeschlossen ist. In diesen Fällen kann ausschließlich monetär
entschädigt werden.
Warum letztlich nur vergleichsweise wenige ehemalige Eigentümer trotz der bundesweiten
medialen Berichterstattung betreffs Schadensersatzes bei der Stadtverwaltung vorstellig
geworden sind, kann nicht beantwortet werden. Wahrscheinlich gibt es vielfältige Gründe.
Aber selbst für die ehemaligen Eigentümer/Erben, die bekannt sind, ist das Thema noch
lange nicht „vom Tisch“. Für die Erbengemeinschaft der Etkar- André- Strasse 30 ist zum
Beispiel eine Entschädigungssumme beim Amtsgericht Leipzig hinterlegt worden.
Voraussetzung für die Auszahlung der Gelder ist die sogenannte „Auseinandersetzung der
Erbengemeinschaft“, bei der alle 106 Erben neben der Vorlage der Erbscheine auch ihr
Einverständnis zur Aufteilung der Gesamtsumme und zur Auszahlung geben müssen.
Seit 2012 versuchen Mitglieder der Erbengemeinschaft die nötigen Dokumente und
Erklärungen zu beschaffen, stoßen dabei aber u.a. auf das Problem, dass bisherige Erben
versterben und Nacherben aufrücken. Bis heute ist es nicht gelungen, alle Erbscheine und
Zustimmungserklärungen vorzulegen. Und bis heute hat eine Auszahlung der Gelder nicht
stattgefunden. Unschwer nachzuvollziehen es zwar, dass sich die Stadtverwaltung jetzt
streng an Recht und Gesetz orientiert, um weiteren Schaden zu verhindern.
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8. Die Folgen für Leipzig - Ansehen, Image und Finanzen
Mehr als drei Jahre mussten die Leipziger Bürger auf Informationen zur Thematik
Herrenlose Grundstücke warten. Das Ergebnis des hierzu eingesetzten „Sonderprojektes“
ist: „Alles halb so schlimm, es wurde nur ein bisschen schlampig gearbeitet“!
In fast zwei Jahrzehnten sind im Rechtsamt Unregelmäßigkeiten aufgetreten, die nicht
hätten passieren dürfen und nicht hätten passieren müssen. Sie waren vermeidbar.
Von Juristen und Mitarbeitern eines Rechtsamtes muss ein diszipliniertes und korrektes
Arbeiten erwartet werden. Gesetze, Anweisungen und Regelungen sind in diesem
Arbeitsumfeld das Handwerkszeug schlechthin. Selbst moralische Gesichtspunkte müssen
hier ganz einfach sehr viel mehr beachtet und gelebt werden, als in anderen Ämtern des
Rathauses. In einem Rechtsamt und bei Mitarbeitern in einem solchen Amt kann die Latte
nicht hoch genug liegen, wenn es um Schlamperei und Leichtsinnigkeit geht. Sorgfältiges
und gewissenhaftes Arbeiten darf ganz besonders in diesem Amt nicht die Ausnahme sein.
Wenn Handlungsanweisungen missachtet werden, ist das mehr als Schlampigkeit, wenn
gegen geltendes Recht verstoßen wird, unter anderem gegen das Vermögensgesetz und
gegen das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch, kann dies nicht schön
geredet werden.
Sehr unbefriedigend war ebenfalls die Verschleppung der Aufarbeitung. Hätte die
Verwaltung frühzeitiger auf die Hinweise des Rechnungsprüfungsamtes reagiert, wären
zahlreiche Vorgänge nicht verjährt. Als Bürgermeister Müller mit diesem Thema vor den
Stadtrat getreten ist – nachdem die Medien schon im März 2011 zu verschiedenen
Vorgängen und über das nicht rechtskonforme Handeln des Rechtsamtes der Stadt
Leipzig bei der Bestellung von gesetzlichen Vertretern und die in diesem Zusammenhang
vorgenommenen Grundstücksveräußerungen berichtet hatten – sprach dieser noch von
nur zwei bedauerlichen Einzelfällen. Im April 2011 wird im Zwischenbericht des AntiKorruptions-Koordinators schon von fünf Vorgänge gesprochen. Der Beigeordnete für
Allgemeine Verwaltung ordnete daraufhin die Überprüfung aller vom Rechtsamt
bearbeiteten Vorgänge im Zusammenhang mit der Bestellung gesetzlicher Vertreter an.
Mit der Prüfung wurde zunächst eine im Personalamt tätige Volljuristin beauftragt.
Erst im Laufe der öffentlichen Diskussion gelangte der Erste Bürgermeister Müller zu der
Überzeugung, dass die Akzeptanz einer objektiven und transparenten Aufarbeitung der
Vorgänge im Rechtsamt in der Öffentlichkeit glaubhafter gegeben sein wird, wenn das
weisungsfreie RPA die Prüfung der Vorgänge übernimmt.
Schon einen Tag später hat daher der OBM den Leiter des Rechnungsprüfungsamtes
gebeten, den Prozess der Prüfung zu übernehmen. Weil Akten fehlten und sogar Akten
bereits vernichtet wurden, war aber eine geordnete Übergabe selbst 2011 noch nicht
möglich.
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Aufgrund zahlreicher weiterer Medienveröffentlichungen im 2. Quartal 2011 beauftragte
der OBM am 7.7.2011 den Beigeordneten für Allgemeine Verwaltung mit der Prüfung der
Ordnungsmäßigkeit des Verwaltungshandelns des Rechtsamtes in dieser Angelegenheit.
Der Prüfbericht Nummer Nr. 11/1/0074 des Rechnungsprüfungsamtes nennt dann 821
Fälle, die nicht fehlerfrei waren.
Über eineinhalb Jahrzehnte greifen OBM und BM Müller nicht ein, obwohl es genügend
Anzeichen für Auffälligkeiten im Zusammenhang mit den Herrenlosen Grundstücken und
über
Unregelmäßigkeiten
im
Rechtsamt
gab.
Mehrere
Berichte
des
Rechnungsprüfungsamtes wurden ignoriert. Und der erste Haftungsfall Lionstrasse 7
wurde bereits 2007 bekannt.
Ansehen und Image der Stadt Leipzig wurden beschädigt. Nicht nur in den hiesigen
Medien, sondern bundesweit wurde in vielen Print- Medien, ebenso in Radio und
Fernsehen sehr negativ über die Vorgänge in Leipzig berichtet, Spott und Häme folgten
und die Vorgänge, gerade wegen der schleppenden Aufarbeitung und der noch
schlechteren Informationspolitik, immer wieder in Verbindung mit dem sogenannten
„Sachsensumpf“ gebracht oder wegen fehlender Detailkenntnis alle Vorgänge in „einen
Topf“ geworfen.
Die Darstellungen insgesamt haben Leipzig bundesweit in einem Licht erscheinen lassen,
dass Verwaltung, Wirtschaft und sogar die Justiz gemeinsame Sache machen und sich
Einzelpersonen auch persönlich bereichern.
Immer wieder wurde die Befürchtung geäußert, dass „wie immer bei solchen Vorgängen,
doch am Ende wieder alles unter den Teppich gekehrt und alles schön geredet wird und
am Ende doch nichts herauskommt!“.
Die finanziellen Auswirkungen sind ebenfalls beachtlich. Die Aufarbeitung kostet von 2012
bis 2014 grob geschätzt mindestens 1,8 Mio € und setzt sich wie folgt zusammen:
a) Vergleiche, Schadenersatz - rund 400.000 Euro (Quelle: Bericht vom 25.03.2014, Herr
Dr. Hien)
b) Aufwendungen für Sonderprojekt nebst Vertrauensperson - mindestens 297.436 Euro in
2012 (DSV/2330) + 2013 + 2014, also schätzungsweise alleine 1 Mio € bis Ende 2014
c) Aufwand für „Beurlaubungen“ Leitung Rechtsamt und Mitarbeiter ohne Gegenleistungen
- mehrere hunderttausend Euro sonstige finanzielle Aufwendungen für übrige Beschäftigte
der Verwaltung und Sachaufwendungen (z. B. Gutachten) - mehr als 129.000 Euro
(Quelle: LVZ vom 13.12.2013)
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9. Zusammenfassung, Änderungsantrag und Empfehlungen
9.1. Zusammenfassung
Die im Nachhinein festgestellte enorme Häufung von Schlamperei, fehlenden
Dienstanweisungen, fehlender fachlicher Kontrolle und nachteiligen Mechanismen, die
sich einspielen konnten, hätte man sich bis zu den ersten öffentlich gemachten Vorgängen
nicht näherungsweise vorstellen können. Dies jedoch nährt die Befürchtung dass ähnliche
bzw. übertragbare Fehlentwicklungen auch in anderen Dezernaten nicht ausgeschlossen
werden können. Solange nur weisungsgebundene Mitarbeiter der eigenen Verwaltung sich
mit dieser Frage beschäftigen dürfen, wird eine ehrliche Einschätzung nicht möglich sein.
Dies aber gilt es aufzuklären, um weiteren Schaden abzuwenden.
Die Fehler, die zum Desaster der Herrenlosen Grundstücke geführt haben, hat nicht per sé
die gesamte Stadtverwaltung, sondern drei Mitarbeiter im Rechtsamt begangen.
Begonnen damit hatte 1997 die damalige Rechtsamtsleiterin. Im Jahr 2000 beauftragte sie
einen neuen Mitarbeiter, der im Zuge der Eingemeindung in das Leipziger Amt gewechselt
war. Wie genau es dazu kommen konnte, dass dieser Mitarbeiter nahezu unbehelligt über
Jahre Grundstücke und Grundstücke „enteignete“ und widerrechtlich verkaufen ließ, lässt
sich heute kaum noch aufklären. Tatsächlich scheint es aber, dass höchstens der
Mitarbeiter, die damalige Amtsleiterin sowie später eine weitere Mitarbeiterin in das
Geschehen
involviert
waren.
Hier
versagten
definitiv
Kontrollund
Personalführungsmaßnahmen, sofern sie überhaupt vorhanden gewesen sind.
Eine häufig vorgetragene Erklärung des Sonderprojektes, warum keine Erben ermittelt
wurden, ist der Verweis auf eine Notiz des Amtsgerichtes auf vielen offiziellen Schreiben,
dass eine Erbenermittlung in Sachsen nicht vorgesehen sei. Auf Nachfrage des
Rechnungsprüfungsausschusses wurde ein derartiges Dokument vorgelegt. Es handelt
sich dabei um einen simplen Stempelaufdruck auf Schreiben des Gerichts. Warum die
damalige Rechtsamtsleiterin als ausgebildete Juristin angeblich keine Kenntnis davon
gehabt haben soll, dass dieser Stempel ausschließlich für das Amtsgericht und nicht für
die Stadtverwaltung Geltung hatte, wird wohl ebenfalls nicht mehr aufzuklären sein.
9.2. Änderungsantrag
Aus den Erfahrungen der vergangenen Monate stellen die Mitglieder
Rechnungsprüfungsausschusses die folgenden Änderungsantragspunkte:
des
1. Der Punkt 4 der Vorlage V/3714 wird wie folgt geändert: Der Oberbürgermeister wird
beauftragt zu prüfen, inwieweit eine Fortsetzung des Sonderprojektes bis Ende 2015
tatsächlich notwendig ist und dem Stadtrat bis zum 31.08.2014 eine Abwägung
einschließlich Plan-Ist-Vergleich 2012/2013 incl. der Stellen, die in anderen Abteilungen
abgerechnet werden, vorzulegen. Nahezu alle eventuell vorhandenen Haftungs- und
Schadensersatzansprüche an Beteiligte sind verjährt, so dass es mindestens wenig
sinnvoll erscheint, weitere Personalkosten in erheblicher Höhe zu verursachen.
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2. Der Punkt 3 der Vorlage V/3714 wird wie folgt geändert: Der
Rechnungsprüfungsausschuss und der Verwaltungsausschuss werden monatlich sowie
der Stadtrat am Ende eines Quartals über den Stand der Prüfung, die Umsetzung der
Beschlüsse und der Maßnahmen sowie aktuelle Entwicklungen informiert.
3. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, alle Ämter und Verwaltungseinheiten einer
geeigneten Prüfung zu unterziehen sowie sicherzustellen, dass die Fach- und
Dienstaufsicht nachweislich wahrgenommen wird (Vier- bzw. Sechs- Augenprinzip) und
Alleingänge und fortgesetzte Fehlhandlungen einzelner Mitarbeiter in Zukunft unmöglich
macht. Die Dienst- und Fachaufsicht ist in der AGA entsprechend aufzunehmen.
4. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, für eine sachgerechte Arbeit des Rechtsamtes
zu sorgen. Dazu gehören fundierte und schriftlich nachvollziehbare Rechtsstandpunkte.
Oberstes Ziel muss die Unterstützung der Stadt und des Stadtrates durch qualifizierte
Rechtsstandpunkte und der offene Umgang mit dem Stadtrat und seinen Ausschüssen
sein.
5. Der Oberbürgermeistern wird gemäß RB 1219/12 erneut beauftragt, bis spätestens
30.10.2014 eine tragfähige , leistungsstarke und umsetzbare Struktur des Rechtsamtes zu
entwickeln und den Verwaltungsausschuss sowie den Rechnungsprüfungsausschuss
darüber zu informieren. Alle bisherigen Strukturvorschläge scheinen nicht zu greifen. Aus
personenschutzrechtlichen Überlegungen verzichten die Ausschussmitglieder auf eine
detaillierte Darstellung der Ist- Situation, setzen allerdings voraus, dass dem
Oberbürgermeister die aktuellen und zahlreichen Probleme bekannt sind.
9.3. Empfehlungen
Die folgenden Empfehlungen beziehen sich u.a. auf die Sächsische Gemeindeordnung
und sind aus den Erfahrungen des Ausschusses im Umgang mit der gesamten Thematik
der Herrenlosen Grundstücke als Anregung einer Anpassung der SächsGemO sowie des
SächsDSG mit der Bitte, diese der Landesregierung zu übergeben, zu verstehen.
I. Im § 28 Absatz 4 der SächsGemO wird eine weitere Öffnung angeregt, die die
Mitgliedern des Rechnungsprüfungsausschusses befugt, bei umfassenden Sachverhalten
Kopien anfertigen zu dürfen, die Prüfberichtes des Rechnungsprüfungsamtes in den
Sitzungen vorliegen zu haben sowie von Beschäftigten der Stadtverwaltung bei
Sachfragen Hilfestellungen zu bekommen. Die Definition einer Akte sollte um
Auswertungsmöglichkeiten am PC ergänzt werden, um die Arbeit der Stadträte zu
erleichtern.
II. Wenn der Rechnungsprüfungsausschuss mehrheitlich eine Notwendigkeit sieht, sollte
es möglich sein, dass andere Stadträte mit den gleichen Rechten und Pflichten an den
Ausschusssitzungen teilnehmen dürfen. Ferner sollte regulär die Möglichkeit eröffnet
werden, mit Ausschüssen des Landes Informationen in gleicher Sache austauschen zu
können. Eine Änderung/Ergänzung des § 43 Absatz 3 der SächsGemO sollte
dahingehend verändert werden.
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III. Analog des Landes Baden-Württemberg sollte in großen Städten der
Rechnungsprüfungsausschuss als pflichtiger Ausschuss eingerichtet und mit
entsprechenden Rechten und Pflichten ausgestattet werden (§ 43 SächsGemO in
Verbindung mit § 103 ff SächsGemO).
IV. Alle Prüfberichte des Rechnungsprüfungsamtes sollten öffentlich gemacht werden bzw.
mindestens den Mitgliedern des Ausschusses vollumfänglich zugängig sein, um die Arbeit
der Stadträte zu erleichtern. Hier wird eine klare Regelung in § 103 SächsGemO angeregt.
V. Immer wieder kam es im Zuge der Bearbeitung der Thematik Herrenlose Grundstücke
zur Kontrolle der Stadträte in Verbindung mit Verpflichtungen nach dem SächsDSG. Hier
fehlt die eineindeutige Klarstellung der Rechte und Pflichten von Stadträten im
Sächsischen Datenschutzgesetz. Dies führte zu erheblichen Behinderungen und
Zeitverzögerungen bei der Aufarbeitung.
VI. Im § 13 des SächsDSG sollte Absatz 3 auf die Tätigkeit der Stadträte in
Rechnungsprüfungsausschüssen zum Zweck der Ausübung von Kontrollfunktionen
erweitert werden.
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