Daten
Kommune
Leipzig
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1440598.pdf
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163 kB
Erstellt
25.09.18, 12:00
Aktualisiert
03.12.18, 19:57
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Inhalt der Datei
Ratsversammlung
Beschlussvorlage Nr. VI-DS-06440
Status: öffentlich
Eingereicht von
Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule
Betreff:
Umgang mit potentiell fehlerhaften Buchungen im Jobcenter Leipzig
Beratungsfolge (Änderungen vorbehalten):
Gremium
voraussichtlicher
Sitzungstermin
Zuständigkeit
Dienstberatung des Oberbürgermeisters
FA Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule
FA Finanzen
Ratsversammlung
12.12.2018
Beschlussfassung
Beschlussvorschlag:
Der Oberbürgermeister wird beauftragt, den gegenseitigen Verzicht auf die Prüfung potentiell
fehlerhafter Buchungen des Jobcenters Leipzig über das IT-Verfahren A2LL und daraus
resultierender Forderungen mit der Bundesagentur für Arbeit zu vereinbaren.
Zusammenfassung:
Anlass der Vorlage:
Rechtliche Vorschriften
Stadtratsbeschluss
Verwaltungshandeln
Sonstiges:
Im Jobcenter Leipzig sind bei der Nutzung des IT-Verfahrens A2LL in den Jahren 2012 bis
2016 Fehlbuchungen zu Lasten eines der beiden Träger Bundesagentur für Arbeit und Stadt
Leipzig entstanden. Das wurde bei mehreren Prüfungen festgestellt.
Eine
Überprüfung
dieser
Fehlbuchungen
ist
nur
mit
unverhältnismäßigem
Ressourceneinsatz realisierbar und würde aller Voraussicht nach zu keinen abweichenden
Ergebnissen führen. Auf eine weitere Prüfung zur Aufdeckung und Korrektur von
Fehlbuchungen aus den Jahren 2012 bis 2016 und anschließender gegenseitiger
Aufrechnung sollte daher verzichtet werden.
1/6
Übereinstimmung mit strategischen Zielen:
nicht relevant
x
Finanzielle Auswirkungen
Kostengünstigere Alternativen geprüft
nein
Folgen bei Ablehnung
nein
x
Handelt es sich um eine Investition (damit aktivierungspflichtig)?
Im Haushalt wirksam
von
Ergebnishaushalt
bis
nein
nein
wenn ja,
ja, Ergebnis siehe Anlage zur Begründung
x
ja, Erläuterung siehe Anlage zur
Begründung
ja, Erläuterung siehe Anlage zur
Begründung
Höhe in EUR
wo veranschlagt
Erträge
Aufwendungen
Finanzhaushalt
Einzahlungen
Auszahlungen
Entstehen Folgekosten oder Einsparungen?
Folgekosten Einsparungen wirksam
Zu Lasten anderer OE
nein
von
wenn ja,
bis
Höhe in EUR
(jährlich)
wo veranschlagt
Ergeb. HH Erträge
Ergeb. HH Aufwand
Nach Durchführung der
Ergeb. HH Erträge
Maßnahme zu erwarten
Ergeb. HH Aufwand (ohne
Abschreibungen)
Ergeb. HH Aufwand aus
jährl. Abschreibungen
Auswirkungen auf den Stellenplan
Beantragte Stellenerweiterung:
x
nein
wenn ja,
x
nein
ja,
Vorgesehener Stellenabbau:
Beteiligung Personalrat
Beschreibung des Abwägungsprozesses:
Die weitere Prüfung zur Aufdeckung und Korrektur von Fehlbuchungen aus den Jahren 2012
bis 2016 im Jobcenter Leipzig hätte keinen positiven Effekt für die Stadt Leipzig, da den
dafür erforderlichen Personal- und Sachkosten voraussichtlich keine Einnahmen aus
Umbuchungen zugunsten des kommunalen Haushaltes entgegenstehen.
2/6
Sachverhalt:
1.
Nichtöffentlichkeits- und Eilbedürftigkeitsbegründung
Nicht erforderlich.
2.
Sachverhalt
2.1
Anlass
Die Landkreise und kreisfreien Städte sind gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit
(BA) Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende gemäß § 6 Abs. 1 Sozialgesetzbuch
Zweites Buch (SGB II). Die Stadt Leipzig betreibt mit der BA die gemeinsame Einrichtung
Jobcenter Leipzig und ist u.a. Kostenträger für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunteralts nach § 22 SGB II (Unterkunft und Heizung), die Abweichende Leistungserbringung
nach § 24 Abs. 3 SGB II und die Gewährung der Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach § 28
ff. SGB II.
Die gemeinsame Einrichtung Jobcenter Leipzig nimmt im Auftrag der Stadt Leipzig die
Entscheidung über die Gewährung der oben genannten Leistungen vor. Dafür hat das
Jobcenter im Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2015 (Ablösung durch eine andere
Software) das von der BA zur Verfügung gestellte IT-Verfahren A2LL genutzt, das zum
01.07.2017 endgültig abgeschaltet wurde.
Das Sozialamt hat Ende 2013 anhand eines manuellen Abgleiches von Buchungslisten des
Jobcenters erstmals Fehlbuchungen, die über das IT-Verfahren A2LL ausgelöst wurden, in
den kommunalen Finanzpositionen Übernahme der Mietschulden (7-68101-04-0003) und
Darlehen Übernahme der Mietschulden (7-86301-04-0013) festgestellt. Aufgrund einer
fehlerhaften Zuordnung von Finanzpositionen auf die beiden Träger BA und Stadt Leipzig
wurden Zahlungen, die die BA hätte tragen müssen, versehentlich aus kommunalen
Haushaltsmitteln ausgereicht. Die damals festgestellte Problematik konnte in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter abschließend geklärt werden. Zu Unrecht aus kommunalen
Finanzpositionen ausgereichte Zahlungen wurden über Umbuchungen des Jobcenters bis
Anfang 2015 vollständig an die Stadt Leipzig erstattet.
Im Jahr 2015 hat das Sozialamt im Rahmen eines regelmäßigen Erfahrungsaustauschs der
16 großen Großstädte Kenntnis davon erhalten, dass auch in anderen Jobcentern, in denen
das IT-Verfahren A2LL zum Einsatz kam, auf verschiedenen Finanzpositionen Fehlbuchungen festgestellt wurden. Aus diesem Anlass führte das Sozialamt in Zusammenarbeit mit
dem Jobcenter Leipzig in den Jahren 2015 und 2016 weitere Prüfungen durch. Da allein auf
kommunalen Finanzpositionen jährlich über eine Million Buchungen erfolgen, konzentrierte
man sich bei der Prüfung auf die Schwerpunkte, die in anderen Großstädten als fehlerträchtig erkannt wurden. Dies waren u.a. die Verein-nahmung von Wohngeld und die
Gewährung von Darlehen für die Erstausstattung der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte (Finanzposition 7-68101-04-0014). In beiden Sachverhalten konnte eine Klärung der
aufgedeckten Fehlbuchungen erreicht werden. Zu Unrecht aus kommunalen Finanzpositionen ausgereichte Zahlungen oder entgangene Bundesbeteiligungen wurden über
Umbuchungen und Erstattungen des Jobcenters zwischenzeitlich vollständig an die Stadt
Leipzig zurückgezahlt.
Aufgrund der Meldungen von verschiedenen kreisfreien Städten und Landkreisen zu
aufgetretenen Fehlbuchungen hat die BA im Jahr 2017 diese Fälle systematisch analysiert
und überprüft. Nach Ansicht der BA haben fehlerhafte oder unterlassene Eingaben von
Anwenderinnen/Anwendern des IT-Fachverfahrens A2LL und daraus folgende verfahrensinterne Umbuchungen dazu geführt, dass in bestimmten Fällen Rückforderungen aus
eingetretenen Überzahlungen im System A2LL falschen Finanzpositionen zugeordnet
3/6
wurden. Dabei ist es auch zu Zuordnungen zu Finanzpositionen des jeweiligen kommunalen
Trägers bzw. zu denen des Bundes gekommen, obwohl eine Finanzposition des jeweils
anderen Trägers zutreffend gewesen wäre.
Im Ergebnis wurde nach Mitteilung des Jobcenters vom 22.09.2017 durch die BA aber
festgestellt,
dass keine systematischen Fehlbuchungen erfolgten,
dass die Buchungen mehrheitlich korrekt waren,
dass es zum Teil infolge individueller Anwendungsfehler im IT-Verfahren A2LL zu
fehlerhaften verfahrensinternen Umbuchungen gekommen ist und
dass diese fehlerhaften Umbuchungen sowohl zu Lasten des Bundes als auch zu
Lasten des kommunalen Haushalts erfolgten.
Da belastbare Daten zur Größenordnung dieser Verschiebungen nicht vorlagen, hat der
Vorstand der BA in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
die eigene Interne Revision SGB II beauftragt, das Thema "Erfassung fehlerhafter
Forderungen in A2LL" dezidiert zu prüfen. Diese Prüfung erfolgte auf Basis eines mit dem
BMAS abgestimmten Prüfkonzepts. Die Prüfung umfasste jeweils 300 Umbuchungen aus
vier Gemeinsamen Einrichtungen.
Im Ergebnis der Prüfung durch die Interne Revision der BA wurde nach Mitteilung des
Jobcenters vom 22.09.2017 festgestellt,
dass 77 % aller Umbuchungen korrekt erfolgten,
dass entsprechend 23 % aller Umbuchungen fehlerhaft waren,
dass davon 37 % zu Lasten der kommunalen Träger und
63 % zu Lasten des Bundes erfolgten.
Der Bund war im Ergebnis der Prüfung sowohl im Hinblick auf die Fallzahlen als auch
hinsichtlich des Betrages deutlich stärker von den Fehlbuchungen im IT-Verfahren A2LL
betroffen.
Aus diesen Erkenntnissen resultiert die Empfehlung der Internen Revision der BA im Bericht
vom 29.03.2017 an die verantwortlichen Akteure vor Ort, auf weitere, aufwändige
Prüfverfahren zur Aufdeckung und Korrektur von Fehlbuchungen in den gemeinsamen
Einrichtungen zu verzichten.
Basierend auf diesen Erkenntnissen hat das Jobcenter Leipzig im Jahr 2017 eine eigene
Prüfung von Umbuchungsvorgängen im IT-Verfahren A2LL durchgeführt. Die Prüfung
erfolgte unter Zugrundelegung des mit dem BMAS abgestimmten Prüfkonzepts. Basis der
Prüfung war zudem eine bei der BA Ende Februar 2017 angeforderte Liste mit allen 202.960
relevanten Leipziger Umbuchungsvorgängen aus den Jahren 2012 bis 2016. Aufgrund der
hohen Anzahl wurde daraus eine Stichprobe von 680 Fällen geprüft. Im Ergebnis wurde
durch das Jobcenter Leipzig festgestellt,
dass es in rd. 71 % der Fälle zu keinen Vermögensverschiebungen zu Lasten
eines Trägers kam bzw. die Buchungen korrekt erfolgten und
dass die fehlerhaften Umbuchungen in 87 % der Fälle zu Lasten des
Bundeshaushaltes und 13 % zu Lasten des kommunalen Haushaltes erfolgten.
Am Ergebnis der Stichprobenprüfung des Jobcenters wird ersichtlich, dass der Bundeshaushalt sowohl im Hinblick auf die Fallzahlen als auch vermutlich hinsichtlich des insgesamt
fehlerhaft verbuchten Betrages deutlich stärker betroffen ist. Die Geschäftsführung des
Jobcenters empfiehlt daher ebenfalls den Verzicht einer weiteren Prüfung von Einzelfällen.
Da keine Kenntnisse darüber vorliegen, bei wie vielen und welchen Buchungen tatsächlich
Fehler aufgetreten sind, kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob sich die
4/6
Fehlbuchungen zugunsten der Stadt Leipzig ausgewirkt haben oder der Stadt Leipzig ein
Schaden entstanden ist. Dies wäre nur mit einer deutlich erweiterten repräsentativen
Stichprobenprüfung zu ermitteln.
Gegen eine erweiterte repräsentative Stichprobenprüfung spricht auch der damit verbundene
erhebliche Aufwand. Zum 01.07.2017 wurde das IT-Verfahren A2LL abgeschaltet und kann
nicht mehr für etwaige erweiterte Prüfungen genutzt werden. Ein Zugriff ist nunmehr nur
noch über ein Archivprogramm möglich. Das Arbeiten in den IT-Archiven ist allerdings sehr
zeitaufwändig, da die erforderlichen Daten nur als PDF-Dateien mit sehr großem
Seitenumfang vorliegen. Zudem sind weitere IT-Systeme und -Archive in die Prüfungen
einzubeziehen. Zum Teil müssten notwendige Prüfdaten erst über die zentrale Haushaltsstelle der BA separat abgefordert werden. Die Fachexperten des Jobcenters und der
Regionaldirektion Sachsen schätzen daher ein, dass eine Sachbearbeiterin bzw. ein
Sachbearbeiter in der Regel ein bis max. zwei Buchungsvorgänge pro Arbeitstag prüfen
kann.
Eine Erweiterung der Stichprobengröße auf 1 % aller Buchungsvorgänge würde unter der
Annahme einer Arbeitsleistung von zwei Fällen pro Arbeitstag einen zeitlichen Prüfaufwand
von insgesamt 416 Arbeitstagen ergeben. Nach Einschätzung des Jobcenters fallen dafür
Personal- und Sachkosten i. H. v. 111.057,98 € an. Die Erweiterung der Stichprobengröße
auf 2 % der gesamten Buchungsvorgänge entspricht unter der Annahme einer Arbeitsleistung von 2 Fällen pro Arbeitstag einem zeitlichen Prüfaufwand von insgesamt 1.062,5
Arbeitstagen mit entsprechenden Personal- und Sachkosten in Höhe von 283.651,70 €.
Unter Berücksichtigung der – auch von der internen Revision der BA – genutzten Methode
zur Berechnung einer repräsentativen Stichprobe ergibt sich ein erheblich größerer Umfang
zu prüfender Buchungsvorgänge. Sofern ein Sicherheitsniveau der Stichprobe von 90 % bei
einem Konfidenzintervall von +/- 5 % zur Ermittlung einer repräsentativen Stichprobe
angenommen wird, verbleiben nach Abzug der bereits geprüften Vorgänge ca. 9.500 weitere
zu überprüfende Buchungen. Unter Annahme einer Arbeitsleistung von 2 Fällen pro
Arbeitstag ergibt sich ein zeitlicher Prüfaufwand von 4.750 Arbeitstagen mit entsprechenden
Personal- und Sachkosten in Höhe von 1.268.089,95 €.
Fazit:
Die vorliegenden Erkenntnisse aus den Prüfungen der Internen Revision der BA und des
Jobcenters Leipzig zeigen, dass der Bundeshaushalt ungleich stärker von fehlerhaften
Umbuchungen als der Haushalt der Stadt Leipzig betroffen war. Weitere Prüfungen wären
nur mit einem unverhältnismäßigen Ressourceneinsatz oder zulasten der laufenden
Antragsbearbeitung realisierbar und würden aller Voraussicht nach zu keinen neuen
Erkenntnissen führen.
Auf eine weitere Prüfung zur Aufdeckung und Korrektur von Fehlbuchungen aus den Jahren
2012 bis 2016 und anschließender gegenseitiger Aufrechnung sollte daher verzichtet
werden.
Das Jobcenter hat zudem in Zusammenarbeit mit der BA bereits durch die Umstellung auf
das IT-Verfahren Allegro, die Einführung des 4-Augen-Prinzips sowie eines Internen
Kontrollsystems (IKS) umfängliche Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Fehlbuchungen
ergriffen.
2.2
Strategische Ziele
Chancengleichheit in der inklusiven Stadt.
Die Stadt ist Kostenträger für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunteralts nach § 22
SGB II (Unterkunft und Heizung), die Abweichende Leistungserbringung nach § 24 Abs. 3
SGB II und die Gewährung der Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach § 28 ff. SGB II. Eine
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rechtmäßige Gewährung dieser Leistungen durch die gemeinsame Einrichtung Jobcenter
Leipzig trägt zur Chancengleichheit in der inklusiven Stadt bei.
2.3
Operative Umsetzung
Die Stadt Leipzig verzichtet auf eine weitere Prüfung potentiell fehlerhafter Buchungen des
Jobcenters Leipzig über das IT-Verfahren A2LL und daraus resultierender gegenseitiger
Aufrechnungen von Forderungen mit der Bundesagentur für Arbeit.
2.4
Realisierungs-/ Zeithorizont
Bis Ende des I. Quartals 2019 wird der Oberbürgermeister eine entsprechende Vereinbarung
mit der Bundesagentur für Arbeit abschließen.
3.
Finanzielle Auswirkungen
Der Beschluss hat keine finanziellen Auswirkungen.
4.
Auswirkungen auf den Stellenplan
Der Beschluss hat keine Auswirkungen auf den Stellenplan.
5.
Bürgerbeteiligung
Es erfolgt keine Bürgerbeteiligung.
6.
Besonderheiten der Vorlage
Die Vorlage weist keine Besonderheiten auf.
7.
Folgen bei Nichtbeschluss
Eine erweiterte Stichprobenprüfung zur Erlangung umfassenderer Erkenntnisse ist nur mit
erheblichem Ressourceneinsatz umsetzbar oder hätte nachteilige Auswirkungen auf die
aktuelle Antragsbearbeitung im Jobcenter Leipzig, wenn die Prüfung eventuell
fehlerbehafteter Buchungsvorgänge stellenneutral erfolgen sollte. Ein von der bereits
durchgeführten Stichprobenprüfung des Jobcenters abweichendes Ergebnis ist in beiden
Fällen nicht zu erwarten. Es besteht allerdings das erhebliche Risiko, dass zugunsten der
Stadt Leipzig vorgenommene Buchungen an die BA zu erstatten sind.
6/6