Daten
Kommune
Leipzig
Dateiname
1272359.pdf
Größe
153 kB
Erstellt
26.04.17, 12:00
Aktualisiert
12.07.18, 17:12
Stichworte
Inhalt der Datei
Antrag Nr. VI-A-04105
Status: öffentlich
Beratungsfolge:
Gremium
Termin
Zuständigkeit
Ratsversammlung
17.05.2017
Verweisung in die Gremien
FA Umwelt und Ordnung
30.05.2017
1. Lesung
Verwaltungsausschuss
07.06.2017
1. Lesung
Eingereicht von
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Fraktion DIE LINKE
Betreff
Konsequentes Eintreten für den Klimaschutz – Auch bei der Fernwärme!
Rechtliche Konsequenzen
Der gemäß Ursprungsantrag gefasste Beschluss wäre
Rechtswidrig und/oder
Nachteilig für die Stadt Leipzig.
Zustimmung
Ablehnung
Zustimmung mit Ergänzung
Ablehnung, da bereits Verwaltungshandeln
Alternativvorschlag
Sachstandsbericht
Beschlussvorschlag:
1. Die Stadt Leipzig bekennt sich zum Ausstieg aus der Braunkohleverstromung.
2. Die Stadt Leipzig legt dem Stadtrat bis zum 4. Quartal 2017 eine Exitstrategie zum Ausstieg aus
dem Fernwärmebezug des Kraftwerks Lippendorf vor.
Die Exitstrategie umfasst Szenarien zum Ausstieg im Jahr 2023, 2026, 2030.
Die Szenarien beinhalten vor allem die technische Machbarkeit, die ökonomischen Folgen für die
SWL bzw. LVV, weiterhin lokale, nachhaltige, erneuerbare und regionale Wertschöpfungsmodelle,
Berechnungen des aktuellen und zukünftigen Wärmeverbrauchs unter Bezugnahme der
Einwohnerentwicklung, Effizienzverbesserung und energetischer Gebäudesanierung und der
finanziellen und sozialen Auswirkung auf den Endkunden.
Seite 1/5
Prüfung der Übereinstimmung mit den strategischen Zielen:
Seite 2/5
Sachverhalt:
Im Kontext der Verpflichtungen unter dem Kyoto-Protokoll und des Ziels der Staatengemeinschaft,
die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu
begrenzen, hat Deutschland maßgebliche Schritte eingeleitet, um zur Reduktion von
Treibhausgasen beizutragen. Ziel der Bundesregierung ist eine Reduktion der
Treibhausgasemissionen von mindestens 40 % bis 2020, 55 % bis 2030, 70 % bis 2040 und 80 bis
95 % bis 2050 jeweils gegenüber 1990. Das soll insbesondere durch den Ausbau erneuerbarer
Energien erreicht werden. Diese Ziele sind in ihren Grundzügen bereits im Energiekonzept der
Bundesregierung von 2010 festgeschrieben [5]. Die Forderung einer lokalen, erneuerbaren und
nachhaltigen Fernwärme steht somit im Zeichen der vereinbarten Klimaziele Deutschlands.
Allerdings können die Klimaziele nicht erreicht werden, wenn im Rahmen der Energiewende nicht
auch die Wärmewende vorangetrieben wird. Mehr als die Hälfte des Endenergieverbrauchs in
Deutschland entfällt auf Wärmeanwendungen (54 %). Der Wärmesektor ist für jährlich rund 26 % der
gesamten deutschen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich [6]. Vor diesem Hintergrund trägt die
Forderung einer grünen Fernwärme einen Beitrag zur notwendigen Wärmewende bei.
Eine dezentrale Erzeugung durch kleine Erzeugungseinheiten, die optimaler Weise unter
Bürgerbeteiligung errichtet und betrieben werden, sehen wir als zielführend an. Aus Gründen der
Flächenschonung im Stadtgebiet Leipzig sollten diese Einheiten möglichst in, an und auf Gebäuden
errichtet werden. Dafür geeignete erneuerbare Energien in Leipzig sind insbesondere Biomasse,
Solarthermie und Erdwärme bzw. Geothermie. Aufgrund der vergleichsweise niedrigen
Temperaturen, die aus Solar- und Geothermie physikalisch gewonnen werden können, sehen wir
beim weiteren Ausbau der Fernwärme in Leipzig die Notwendigkeit zur Installation von NiedrigTemperatur-Wärmenetzen, wie sie derzeit schon in Dänemark flächendeckend errichtet werden [7].
Als „Europäische Energie- und Klimaschutzkommune“ des European Energy Awards [8] steht die
Stadt in der Pflicht, auch bei ihrer Wärmeversorgung nachhaltig und klimaneutral zu agieren.
Hinsichtlich der Notwendigkeit einer Wärmewende zum Gelingen der Energiewende muss die Stadt
Leipzig eine Vorreiterrolle übernehmen. Das bedeutet konkret den Aufbau einer alternativen,
erneuerbaren und CO2-freien Erzeugungsstruktur für die Fernwärme.
Die jetzige Fernwärmeerzeugung aus der Kohleverstromung des Kraftwerkes Lippendorf deckt mehr
als die Hälfte (ca. 60 Prozent) des Leipziger Fernwärmebedarfes. Vor diesem Hintergrund fordern
wir von der Stadt Leipzig eine Exit-Strategie. Damit soll die bisherige Systemrelevanz des
Braunkohlekraftwerkes Lippendorf für die Fernwärmeerzeugung der Stadt Leipzig abgebaut werden.
Diese Exit-Strategie soll einen konkreten Fahrplan für einen Ausstieg aus der Abwärmenutzung aus
dem Braunkohlekraftwerk Lippendorf beinhalten. Mit einem selbstbestimmten Ausstiegsfahrplan
erhält sich die Stadt Leipzig Gestaltungsfähigkeit in der Wärmewende, anstatt im Rahmen eines
nationalen Kohleausstiegs später nur noch reagieren zu können.
Die Kraftwerksblöcke des Standortes Lippendorf wurden in den Jahren 1999 und 2000 in Betrieb
genommen. Laut den Plänen des Think-Tanks „Agora Energiewende“ [1] kann das Kraftwerk
Lippendorf in den Jahren 2032 - 2034 vom Netz genommen werden. Da die Verträge zum
Fernwärmebezug aus Lippendorf im Jahr 2023 neu verhandelt werden ist jetzt der richtige Zeitpunkt
um sich mit einem möglichen Ausstieg zu befassen und eine Exit-Strategie zu entwickeln .Bis jetzt
erhält der Betreiber des Kraftwerks Lippendorf einen Anteil der Umsätze aus dem
Fernwärmeverkauf an die Leipziger Bürger*innen als Kaufpreis für die dort abgenommene
Fernwärme. Der schwedische Staatskonzern Vattenfall verkaufte 2016 den Block R des Kraftwerkes
Lippendorf an die tschechische Energie- und Industrieholding (EPH). Somit gehören dieser Holding
50 % am Kraftwerk in Lippendorf [2]. Die EPH ist ein Konzern mit mehr als 150 von ihr dominierten
Firmen in zwölf Staaten. Das Vermögen der EPH beläuft sich auf 11,3 Mrd. Euro. 2015 machte die
Holding knapp eine Mrd. Euro Gewinn [3]. Zudem ist der Konzern EPH laut der aktuellen Studie
„Schwarzbuch EPH“ von Greenpeace ein sehr intransparenter Konzern, der weltweit in
Steuerparadiesen agiert und dort teils fragwürdigen Geschäften nachgeht. Die Studie von
Greenpeace kommt zu dem Schluss, dass das Finanzgebaren außerdem zu Instabilität neigt und es
somit eine Gefahr für öffentliche Finanzgeber darstellt [4].
Seite 3/5
Die Erzeugungsstruktur soll zukünftig unter dem Gedanken der lokalen Wertschöpfung durch lokale
Akteure errichtet und betrieben werden. Diese Struktur könnte sich aus dem Stadtkonzern, aus
lokalen Anlagenherstellern, Zusammenschlüssen von Bürger*innen sowie aus Handwerksbetrieben
bilden. Die Erzeugungsorte müssen aufgrund der Eigenschaften erneuerbarer Energien dezentral
über das gesamte Stadtgebiet verteilt sein. Daraus ergibt sich die Möglichkeit eines intelligenten
Wärmenetzes, welches auf Basis vieler kleiner Erzeugungseinheiten den städtischen
Fernwärmebedarf effizient und nachhaltig decken kann.
Zur Zielerreichung und zur Aufstellung eines Fahrplans für eine lokale, nachhaltige, erneuerbare und
der regionalen Wertschöpfung fördernde Fernwärme für Leipzig beauftragt die Stadt Leipzig
eine fundierte und umsetzbare Exit-Fachstudie durch einen unabhängigen Gutachter (bspw. eine
wissenschaftliche Institution). Die Studie soll anhand konkreter Maßnahmen einen optimalen ExitPfad mit mittel- und langfristigen Meilensteinen darlegen. Diese Meilensteine aus Einzelmaßnahmen
sollen auf Basis einer technisch-wirtschaftlichen Betrachtung einen möglichst genauen Zeitplan mit
einzelnen Umsetzungsschritten und – Technologien enthalten, um die ökonomisch optimale,
alternative Erzeugungsstruktur zu identifizieren und so eine Roadmap für deren Aufbau zu schaffen.
Quellen:
[1] Agora Energiewende (2016): Was bedeuten Deutschlands Klimaschutzziele für die
Braunkohleregionen.
[2] ZEIT ONLINE (2016): http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2016-04/vattenfallbraunkohleverkauf-eph.
[3] Wolf, U. (2016): http://www.sz-online.de/nachrichten/ausverkauf-anoligarchen-3513528.html.
[4] Greenpeace (2016): Schwarzbuch EPH:
https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/201609
01_greenpeace_schwarzbuch-eph.pdf.
[5] BMUB (2014): http://www.bmub.bund.de/themen/klimaenergie/klimaschutz/nationale-klimapolitik/.
[6] KfW (2016): https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Resear ch/PDFDokumente-Fokus-Volkswirtschaft/FokusNr.-129-Juni-2016-Wärmewende.pdf.
[7] Solar District Heating (2011): http://solardistrictheating.eu/Portals/3/120105_Broschüre_SDH_deutsch.pdf.pdf.
[8] Stadt Leipzig (2014): http://www.leipzig.de/news/news/klimaschutz-stadt-leipzig-bekommteuropeanenergy-award/.
Anlagen:
Seite 4/5