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Vorlage-Sammeldokument

Daten

Kommune
Leipzig
Dateiname
1366888.pdf
Größe
119 kB
Erstellt
08.02.18, 12:00
Aktualisiert
19.05.18, 10:08

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Antrag Nr. VI-A-05446 Status: öffentlich Eingereicht von Fraktion DIE LINKE Betreff: Neugestaltung der Porträt-Galerie von sieben Leipziger Oberbürgermeistern im Neuen Rathaus - Aufnahme Erich Zeigners Beratungsfolge (Änderungen vorbehalten): Gremium Verwaltungsausschuss FA Kultur Ratsversammlung voraussichtlicher Sitzungstermin Zuständigkeit 28.02.2018 Vorberatung Vorberatung 1. Lesung Beschlussvorschlag: Der Oberbürgermeister wird beauftragt: 1. In die Porträt-Galerie wird das Bild von Oberbürgermeister Erich Zeigner aufgenommen. 2. In der angekündigten Erläuterungstafel zur Dauerpräsentation wird auch über das bei allen abgebildeten Oberbürgermeistern jeweils gültige Wahlrecht und dessen Umsetzung informiert. Zusätzlich werden die Oberbürgermeister in der Zeit der DDR (Max Opitz, Hans Uhlich, Walter Kresse, Karl-Heinz Müller, Bernd Seidel und Günter Hädrich) nicht nur namentlich genannt, sondern mit einer Kurzbiografie vorgestellt. Sachverhalt: An verdienstvolle Oberbürgermeister zu erinnern, ist der Erinnerungskultur unserer Stadt grundsätzlich zuträglich. Viele von ihnen werden in unserer Stadt mit Straßennamen geehrt, etwa Otto Georgi, Carl Bruno Tröndlin, Rudolf Dittrich, Carl Friedrich Goerdeler und nicht zuletzt auch Erich Zeigner. Unverständlicherweise fehlt aber der 1919 in die SPD eingetretene, verdienstvolle Oberbürgermeister der Nachkriegszeit und Verfolgte des Naziregimes in der am 2. Februar 2018 von Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) eröffneten Dauerpräsentation „von Porträtaufnahmen aller demokratisch gewählter Oberbürgermeister der Stadt Leipzig aus der Zeit von 1877 bis 1933 sowie von 1990 bis 2005“. (Einladung an die Medien, 31. Januar 2018). Mit dieser Auswahl und ihrer zugrunde liegenden offiziellen Begründung – „Die demokratisch gewählten Oberbürgermeister der Stadt Leipzig seit 1877“ – wird für die Leipziger Stadtgeschichte eine direkte Traditionslinie vom Wilhelminischen Obrigkeitsstaat nach 1871 1/3 über die Anfänge der NS-Diktatur zur demokratischen Neugestaltung nach 1990 beschworen. Das ist aus unserer Sicht eine grobe Geschichtsklitterung und zeugt von einem defizitären, letztendlich totalitarismustheoretisch geprägten Demokratieverständnis, in dem die Nazidiktatur mit der DDR faktisch gleichgesetzt wird. Ein beschämender erinnerungspolitischer Skandal ist vor allem die faktische Aussperrung Erich Zeigners, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen 1923 und Leipziger Oberbürgermeister von Juli 1945 bis April 1949. Dabei wird ein durchsichtiger Kunstgriff angewendet, da Zeigner – wie nach dem Zweiten Weltkrieg in allen Besatzungszonen üblich – am 16. Juli 1945 auf Vorschlag des Antifa-Ausschusses per Befehl Nr. 6 des sowjetischen Militärkommandanten und späteren Leipziger Ehrenbürgers Generalleutnant Nikolai Iwanowitsch Trufanow zum Oberbürgermeister ernannt wurde. Offenkundig hat man an der Stadtspitze auch vergessen bzw. verdrängt, dass Zeigner nach den demokratischen Gemeindewahlen vom 1. September 1946, bei der CDU und LDP die Mehrheit erzielten, bei der 2. Sitzung der Gemeindevertretung am 9. Oktober 1946 einstimmig zum Oberbürgermeister gewählt wurde. An der bis heute in der Leipziger Bevölkerung tief verwurzelten Akzeptanz und Beliebtheit Zeigners – der sich bis zu seinem frühen Tod am 5. April 1949 für die Lösung der gravierenden Nachkriegsprobleme unermüdlich aufopferte – ist nicht zu zweifeln. Seine enormen Verdienste um den Wiederaufbau der Stadt nach dem von Nazideutschland entfesselten Zweiten Weltkrieg sollten der Stadt ohnehin eine Aufnahme in diese Galerie wert sein. Das autoritär fixierte Geschichtsverständnis der Rathausspitze wird besonders deutlich, wenn man sich die Epochen genauer betrachtet, in denen die porträtierten Oberbürgermeister zu ihren Ämtern kamen bzw. sie ausübten. In der Kaiserzeit nach 1871 war man im Deutschen Reich weit entfernt von einem demokratischen Wahlrecht. Seit 1877 wurden der Oberbürgermeister (und der Polizeidirektor) in Leipzig in einem gemeinsamen Wahlkollegium von Stadtverordneten und Rat gewählt. Durch den Ausschluss von Frauen, Sozialhilfe-Empfängern, Soldaten, Nicht-Zahlern von Gemeindesteuern sowie der Teilung der Wähler in von Gemeindesteuern abhängige Klassen (Mehrklassenwahlrecht) und weitere Einschränkungen durfte bei allen Wahlen – und damit auch bei den Kommunalwahlen – nur eine Minderheit der Bevölkerung das Wahlrecht ausüben. Nach der Novemberrevolution fand eine tiefgreifende Demokratisierung des Wahlrechts statt, die nach der Machtübertragung an Hitler am 30. Januar 1933 allerdings wieder verschwand. Auch das spätere mutige Handeln Goerdelers kann nicht darüber hinwegsehen lassen, dass er in der Zeit der NS-Diktatur immerhin fast vier Jahre als Oberbürgermeister im Amt war. Am 22. Mai 1936 erfolgte seine Wiederwahl durch den von den Nazis beherrschten Rat der Stadt Leipzig. Zweifellos waren die Wahlen zu DDR-Zeiten nicht demokratisch und sehr stark vom politischen Machtanspruch der SED geprägt. Eine faktische Gleichsetzung und -behandlung der DDR-Oberbürgermeister mit den NS-Funktionsträgern in der Dauerpräsentation weisen wir aber entschieden zurück, zumal mehrere Oberbürgermeister aktive Antifaschisten waren und ihren Widerstand mit Zuchthaus, KZ und Strafbataillon 999 bezahlen mussten (u. a. Max Opitz und Walter Kresse). Aus den genannten Gründen beantragen wir die o. g. Neugestaltung der Porträt-Galerie. Für historisch Interessierte empfehlen wir zu Fragen des Wahlrechts und der Geschichte der Leipziger Oberbürgermeister insbesondere die beiden folgenden Publikationen: Karin Kühling, Doris Mundus: Leipzigs Regierende Bürgermeister vom 13. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Beucha 2000. Josef Fischer: Wahlen, Wahlrecht und Gewählte in Leipzig. Leipzig 2014 Zu Leben und Werk Erich Zeigners gibt es eine Vielzahl von Veröffentlichungen, darunter in chronologischer Reihenfolge: 2/3 Anneliese und Lothar Matthes,: Erich Zeigner. Eine biographische Skizze. Leipzig 1985 Michael Rudloff (Hrsg.): Erich Zeigner – Bildungsbürger und Sozialdemokrat. Leipzig 1999 Karsten Rudolph: Linke Republikaner als streitbare Demokraten - Gedanken zur mitteldeutschen Geschichte. Erich Zeigner, die SPD und der "deutsche Oktober", in: Deutscher Oktober 1923. Ein Revolutionsplan und sein Scheitern, Hg. Bernhard H. Bayerlein u. a., Aufbau-Verlag, Berlin 2003, S. 65-78. (Reihe Archive des Kommunismus – Pfade des XX. Jahrhunderts, Bd. 3) Mike Schmeitzner: Erich Zeigner. Der Linkssozialist und die Einheitsfront (1923. In: Mike Schmeitzner und Andreas Wagner (Hrsg.): Von Macht und Ohnmacht. Sächsische Ministerpräsidenten im Zeitalter der Extreme 1919-1952. Beucha 2006, S. 125-158. Manfred Hötzel: Erich Zeigner und die Bürger von Calais. Zum 125. Geburtstag von Erich Zeigner. Hrsg.: Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag, Dresden 2011. (Quellen und Zeugnisse linker Politik im Sächsischen Landtag, Heft 2/2011) 3/3