Daten
Kommune
Leipzig
Dateiname
1390232.pdf
Größe
1,3 MB
Erstellt
18.04.18, 12:00
Aktualisiert
23.04.18, 19:56
Stichworte
Inhalt der Datei
Änderungsantrag Nr. VI-DS-05361-ÄA-04
Status: öffentlich
Eingereicht von
Ortschaftsrat Rückmarsdorf
Betreff:
Straßenbenennung 1/2018
Beratungsfolge (Änderungen vorbehalten):
Gremium
voraussichtlicher
Sitzungstermin
Ratsversammlung
18.04.2018
Zuständigkeit
Beschlussvorschlag:
Zu den drei aufzuhebenden Straßennamen (Drei-Linden-Höhe, Grünauer Blick, Möwenweg)
beantragt der Ortschaftsrat Rückmarsdorf, die beiden Straßennamen
- Sorbenweg
- Sachsenlinie
ebenfalls aufzuheben und zwei neue ortsbezogene Namen zu beschließen:
- Helmertstraße
- Nienborgstraße
Sachverhalt:
Helmertstraße
Friedrich Robert Helmert (31.07.1843 in Freiberg/Sa., gest. 15.06.1917 in Potsdam) wird
heute als Begründer der wissenschaftlichen Geodäsie geehrt. Ein Forschungsschiff trägt
seinen Namen, eine Preismedaille ehrt in seinem Namen herausragende Leistungen in der
geodätischen Wissenschaft, Straßen in Potsdam und Karlsruhe tragen seinen Namen,
ebenso ein Krater auf dem Mond.
Auf dem Wachberg steht die Triangulierungssäule Markstein Nr. 112, jetzt als Denkmal an
die Sächsische Gradmessung im Leipziger Raum von 1865, für deren wissenschaftliche
Durchführung Helmert verantwortlich gewesen ist. Die neu zu benennende Straße (in der o.
g. Vorlage bisher „Sachsenlinie“) führt dann genau zu dem im April 1866 errichteten
Markstein Nr. 112.
Der Name „Helmertstraße“ war in Leipzig bereits an anderer Stelle, die aber ohne Bezug
zum Namengeber war, vorgesehen, wurde aber durch RB-925/97 vom 16.07.1997 wieder
aufgehoben.
(siehe dazu Anlage 1 und Leipziger Blätter 67/2015)
Nienborgstraße
1/2
(Angebracht wäre es, die in der o. g. Vorlage „Sorbenweg“ genannte Straße nach Augsut
Nagel zu benennen, der die technisch-praktischen Arbeiten der Triangulierung von 1865
geleitet hat. Da es in Leipzig aber bereits eine Arthur-Negel-Straße gibt, würde das die
Gefahr von Verwechslungen mit sich bringen. Auf Empfehlung des Amtes für Statistik und
Wahlen – siehe hierzu Anlage 2 – schlagen wir den Namen „Nienborgstraße“ vor.)
Hans August Nienborg (6. Juni 1660 in Dresden - April 1729) hat als kursächsischer
Oberlandfeldmesser und Karthograph in den Jahren 1707 bis 1710 den ersten zuverlässigen
Straßen- und Häuserplan der Stadt Leipzig karthographiert. Damit hat er die Grundlage für
spätere Stadtpläne gelegt. Sein Werk ist 1997 auf Veranlassung der Sächsischen Akademie
der Wissenschaften gedruckt worden.)
2/2
Stadt Leipzig
Straßenbenennung 2/2015
Leipzig, April 2015
3. Aufhebungen
3.1., 3.2.
Stadtbezirk Ost, Ortsteil Paunsdorf
Bebauungsplan Nr. 40.2 „Theklafelder“ – Satzungsbeschluss
Es wird vorgeschlagen, die Straßennamen
3.1. Helmertstraße
3.2. Nienborgstraße
aufzuheben
(Änderung des Beschlusses RB-925/97 vom 16.07.1997)
Erläuterung:
Helmertstraße
Friedrich Robert Helmert geb. 31.07.1843 in Freiberg/Sa., gest. 15.06.1917 in
Potsdam, Begründer der modernen Geodäsie. Er studierte und promovierte in
Leipzig unter Carl Christian Bruhns und war seit 1886 Direktor des Geodätischen
Instituts in Berlin und Potsdam sowie des Zentralbüros der Internationalen
Erdmessung.
Nienborgstraße
Hans August Nienborg, geb.um 1660, gest. 1729, Landmesser seit 1695 und seit
1707 kurfürstlicher Oberfeldmesser. Er stellte nach eigenen Vermessungen 17071710 auf mehreren Plänen Leipzig dar und fertigte die "Description über die
Grund-Legung und in richtigen Abriß gebrachte berühmte Handelsstadt Leipzig
Anno 1710", einen Plan der Stadt Leipzig im Maßstab 1 : 2 000, zu dem ein
Verzeichnis der Grundstücke und Gärten mit den damaligen Besitzverhältnissen
gehört.
Begründung:
Für das Plangebiet hatte die Stadtverordnetenversammlung bereits 1991 einen
Bebauungsplan beschlossen. Im Jahre 1997 wurde ein überarbeiteter Entwurf
öffentlich ausgelegt und ein Erschließungsvertrag abgeschlossen. Daraufhin sind
die beiden Straßen zusammen mit der Penckstraße benannt worden. Mit den
Benennungen sollte an die bedeutenden Leipziger Traditionen auf dem Gebiet der
Geowissenschaften erinnert werden.
Erst 2008 wurde das Planungsverfahren wieder aufgenommen, wobei das Gebiet
als Entwicklungsfläche für weiteres Gewerbe favorisiert wurde, und zum Satzungsbeschluss
gebracht. Von den anfänglich drei geplanten Straßen wird nunmehr nur
die Penckstraße, die zum Teil schon gebaut ist, fertig gestellt werden. Die beiden
anderen Straßen werden nicht gebaut. Aus diesem Grund wird die Aufhebung der
Namen und die Aufnahme in den Namensvorrat empfohlen.
Die Aufhebung wird mit ihrer Bekanntgabe im Leipziger Amtsblatt wirksam.
Stadt Leipzig
Der Oberbürgermeister
Stadt Leipzig . Amt für Statistik und Wahlen . 04092 Leipzig
Amt für Statistik und Wahlen
Stadthaus
Burgplatz 1
04109 Leipzig
Heimatverein Rückmarsdorf
Herrn Matthias Götz
Sandberg 24
04178 Leipzig
Bearbeiter/-in:
Jens Vöckler
Raum'.227
Tel.: 0341-123-2841
Fax: 0341-123-2845
E-Mail: jens.voeckler@leipzig.de
lhr Zeichen/lhre Nachricht vom
Unser Zeichen
Datum
31.10.20't6
12.1Noe1822-'16
10.11.20'16
Benennung von StralSen im Gältungsbereich des Bebauungsplans E-237,,Am Wachberg"
Sehr geehrter Herr Götz,
@
o
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N!
Sie haben sich an Frau Zetzsche vom Stadtplanungsamt Leipzig gewandt mit dem Vorschlag, im
Bereich des Bebauungsplanes Nr. E-237 ,,Am Wachberg" eine Straße nach Friedrich Robert
Helmert zu benennen. lhr diesbezügliches Schreiben ist an uriser Amt zur Bearbeitung übergegeben worden, weil das Amt für Statistik und Wahlen für Erarbeitung der Vorlagen zur
Benennung von Straßen zuständig ist.
Für lhren Vorschlag und die beigefügte Begründung danke ich lhnen und möchte Sie zunächst
informieren, dass die Stadt Leipzig bereits im Jahr 1997 die Benennung von drei geplanten
Straßen im Ortsteil Paunsdorf nach Friedrich Robert Helmert, Hans August Nienborg und Albrecht
Penck beschlossen hatte (Beschluss Nr.925/97 vom 16.07.1997). Mit den Benennungen sollte an
die bedeutenden Leipziger Traditionen auf dem Gebiet der Geowissenschaften erinnert werden.
Zwei dleser Straßen, die Helmert- und die Nienborgstraße, werden nun baulich allerdings nicht
realisiert, so da§s die Ratsversammlung die beiden Benennungen wieder aufgehoben hat
(Beschluss Nr. Vl-DS-O1346 vom 08.07.2015).
Da der Name Helmert somit wieder ,,frei" für eine Straßenbenennung ist, würden wir lhrem Vorschlag gern fölgen, insbesondere auch, weil hier mit der Triangulationssäule ein besonderer
örtlicher Bezug gegeben ist. ln diesem räumlichen Zusammenhang bietet sich dann auch die
Benennung einer zweiten Straße nach Nienborg an. Wir möchten lhren Vorschlag daher
dahingehend erweitern, die zwei im Teilbereich A des B-Plans neu zu bauenden Straßen nach
Helmert und Nienborg zu benenneä.
lhnen ist sicher auch bekannt, dass die Namen für die in dem Planungsgebiet vorgesehenen
Straßen bereits im Zuge der Aufstellung des Bebauungsplans in der ursprünglichen Fassung von
der damqligen Gemeinde Bienitz im Jahr 1995 beschlossen worden waren (Beschluss
Nn2781811995). Seit dieser Zeit sind die Straßen Am Wasserturm, An der Sandgrube, Bussardweg, Falkenweg, Franzosenfeld, Milanweg und Wachbergallee entstanden. Für die derzeit noch
nicht bebauten Teilgebiete A und C südlich der Wachbergallee waren die Straßennamen Grünauer
Blick, Möwenweg, Sachsenlinie und. Sorbenweg beschlossen worden. Die Realisierung der
Bebauung, wie sie in der nun vorliegenden 2. Anderung des B-Plans festgesetzt ist, erfordert.die
Aufhebung der Straßennamen Grünauer Blick und Möwenweg, da diese im Teilgebiet C
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vorgesehenen Straßen nicht hergestellt werden. Sollen nun zwei der im Teilbereich A liegenden
Straßen nach Helmert und Nienborg benannt werden, müssten auch die Straßennamen Sachsenlinie und Sorbenweg entfallen und aufgehoben werden.
Da nun bei der Benennung von Straßen dem Ortschaftsrat ein Vorschlagsrecht zusteht, habe ich in
dieser Woche bereits Herrn Freydank von dem Sachverhalt informiert und ihn gebeten, diesen im
Rahmen der Behandlung des B-Plans auf der Sitzung des Ortschaftsratös am 15.11.2016 zu
thematisieren. Das weitere Vorgehen hängt dann davon ab, ob der Ortschaftsrat lhrem bzw. dem
erweiterten Benennungsvorschlag folgt oder es bei der dezeitigen Benennung belassen möchte.
Mit freundlichen Grüßen
!m Auftrag
Abteilungsleiter
Mosaiksteine zur Vermessung der Erde
Die Leipziger Triangulierungssäulen von 1865
Die Vermessung der Welt war im 19. Jahrhundert, das stolz das „Jahrhundert des Ingenieurs“
genannt wurde, eines der ganz großen Themen. Dem uralten Menschheitswunsch, wissen zu
wollen „was die Welt im Innersten zusammenhält“, stand die Frage nicht nach: Wie groß, wie
schwer, wie rund ist die Welt?
Um Gewissheit über die genaue Größe seines Herrschaftsgebietes zu erlangen, hatte schon der
sächsische Kurfürst August (1526-1586) veranlasst, Vermessungen vornehmen zu lassen. Die
dazu geschaffenen Instrumente sind jetzt im Mathematisch-Physikalischen Salon in Dresden
ausgestellt. Sein Thronnachfolger Christian I. (1560-1591) beauftragte dann den Annaberger
Matthias Oeder (†1614), der seine Erfahrungen mit dem Vermessen als Markscheider im
Bergbau erworben hatte, mit der Ersten Kursächsischen Landesaufnahme, die sein Nachfolger
Balthasar Zimmermann (1570-1633) zu Ende führte. Das erste präzise Kartenwerk Sachsens
war das Ergebnis. Die Länge der Wegstrecken in Sachsen vermaß der Pfarrer Adam Friedrich
Zürner (1679-1742). Dazu legten er und seine Gehilfen mit den von ihm konstruierten
Messwagen in fünf Jahren eine Wegstrecke von ca. 18.000 Sächsischen Meilen (etwa 163.000
km) zurück. Ein Ergebnis dieser Arbeit, die seit 1722 erfolgte Aufstellung Kursächsischer
Postmeilensäulen, ist bis heute sichtbar. Im Auftrag von Kurfürst Friedrich August III. (17501827; seit 1806 König Friedrich August I.) leitete ab 1780 der Offizier Friedrich Ludwig
Aster (1732-1804) das Ingenieurcorps der Armee bei der zweiten Landesaufnahme und
fertigte aus den Messergebnissen ein Kartenblattwerk.
Ausgangspunkt für die Neuvermessung Sachsens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
war die rasant einsetzende technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung.
Voraussetzung für exakte Planungen wie beim Bau der ersten deutschen Ferneisenbahn, für
den Ende 1835 der Landerwerb begann, waren zuverlässig erstellte Kartenwerke. Grundlage
dieser Vermessung war die Einteilung des Territoriums in unterschiedlich große Dreiecke –
Triangel – als Grundlage der Triangulation. Die Entfernung von Eckpunkt zu Eckpunkt wurde
unter Zuhilfenahme technischer Geräte ermittelt. So konnten die Koordinaten der
Dreieckspunkte und daraus deren Flächeninhalte berechnet werden, deren Addition ergab die
Größe des Landes. Die Vermesser um den Geodäten Professor Christian August Nagel (18211903) hatten dazu 158 Messpunkte markiert. Für die 36 Messpunkte I. Ordnung nutzten sie
Berge oder auch extra darauf errichtete Türme, die die erwünschte Fernsicht von 30 bis 50
Kilometern gestatteten. Dazu gehörte ein Messpunkt an der Leipziger Sternwarte auf dem
Turm der Pleißenburg. Er ging verloren, als die alte Burg 1895 abgebrochen und das Neue
Rathaus bis 1905 erbaut worden ist. Diese Messpunkte standen in Sichtverbindung zu solchen
in den Nachbarländern Preußen, Thüringen und Böhmen. Um im Zuge der Triangulation eine
noch detailliertere Vermessung vornehmen zu können, entstand das Netz II. Ordnung, dessen
Messpunkte im Durchschnitt lediglich 10 Kilometer voneinander entfernt standen. Zu dieser
Kategorie gehört die Triangulationssäule Nr. 112 auf dem Rückmarsdorfer Wachberg. Er ist
eine der noch heute ca. 125 existenten so genannten „Nagel’schen Säulen“.
Nach Aktenlage (Nagel, August: Astronomisch-Geodätische Arbeiten für die Europäische
Gradmessung im Königreiche Sachsen. Das trigonometrische Netz. Bln. 1890) wurde der
Pfeiler für die Königlich Sächsische Triangulierung 1865 aus Herwigsdorfer Granit gefertigt
und im April 1866 auf dem Wachberg von Rückmarsdorf – damals schrieb man bei
Markranstädt – aufgerichtet. Gutsbesitzer Carl Friedrich Rössler, dem seinerzeit Teile der
Wachbergflur gehörten, hatte dazu auf einem 37 Quadratmeter großen Grundstück das
Baurecht eingeräumt, wofür ihm 15 Mark Entschädigung ausgereicht worden sind. Die
Gründung des Steins erfolgte 1,30 m tief auf kiesigem Sand. Das Fundament wurde aus drei
Steinquadern gefügt, der oberirdische Teil von 1,70 m Höhe als Monolith ausgeführt und mit
einer 11,5 cm starken quadratischen Steinplatte abgedeckt. Ins Fundament wurde, wie bei
anderen Säulen auch, ein verschmolzener Glasbehälter mit Dokumenten eingelegt. Die
Gesamtkosten für Beschaffenheit und Bau des Pfeilers betrugen 200 Mark.
Die Säule 112 auf dem Wachberg stand in heute nicht mehr gegebenen Sichtverbindungen
zum Turm der Pleißenburg, Station 20 im trigonometrischen Netz I. Ordnung, und zu den
Säulen 111 und 113. Der Markstein 111 ist an der Flurgrenze zwischen Göbschelwitz und
Seehausen östlich der Dübener Landstraße errichtet worden. Er war schon einmal umgestürzt,
steht aber wieder am originalen Ort auf dem leicht ansteigenden Terrain nördlich der neu
angelegten Regensburger Straße. Wucherndes Gebüsch verhindert jedoch die
Sichtverbindung zur Säule 112. Der weitgehend original erhaltene Markstein 111 – das
Kürzel „Kön.“ ist irgendwann einmal, wohl in einer „republikanischen“ Anwandlung,
ausgemeißelt worden – steht allerdings in einer recht verwahrlosten Umgebung. Lediglich
ein schmaler Trampelpfad durch kniehohe Gräser deutet darauf hin, dass sich wohl ab und an
ein „Geocacher“ anpirscht.
Den Stein 113 findet man heute im Leipziger Ortsteil Knautnaundorf, jedoch nicht am 1865
zugewiesenen Ort. Das war der Grenzhübel, mit 133 m die höchste Erhebung in der
Umgebung, gelegen unmittelbar an der Grenze zwischen den Gemeinden Knautnaundorf und
Schkeitbar, damals auch die Grenze zwischen den Königreichen Sachsen und Preußen. Die
Baugenehmigung hatte der Grundbesitzer und sächsische Diplomat Karl Adolph Graf von
Hohenthal auf Knauthain (1811-1875) erteilt. In den 1980er Jahren musste die Säule einer
agrotechnischen Anlage weichen. Die Zeit bis zum Herbst 2007 überstand sie eingelagert, die
möglich gewesene Wiedererrichtung am Originalstandort behagte dem jetzigen Pachtherren
nicht. So fand die Säule 113 ihren Platz an einer Straßengabelung in Knautnaundorf, wo sie
zumindest gut zu sehen ist. Beim Abbau der Säule sind damals ihre Fundamentsteine verloren
gegangen, so dass jetzt nur der obere Teil vertieft in die Erde eingelassen werden konnte,
weshalb sie von ihrer ursprünglichen Höhe von 2,20 m mehr als die Hälfte einbüßte.
Die Säulen 111, 112 und 113 gehören zu den ersten, die seinerzeit gesetzt wurden. Alle drei
sind vom selben Steinmetz, dessen Name sich leider nicht mehr ermitteln ließ, aus
Herwigsdorfer Granit gefertigt. Bauführer bei dieser Aktion war der erst
dreiundzwanzigjährige Friedrich Robert Helmert (1843-1917). Nach seiner 1863
abgeschlossenen Ausbildung am Dresdner Polytechnikum bei Prof. Nagel war er als Assistent
der Sächsischen Gradmessung auch im Leipziger Raum tätig. Beim Bau etwa der Hälfte aller
Triangulierungssäulen ist er tätig gewesen. Von November 1866 bis November 1867 studierte
Helmert dann an der Universität Leipzig, wo er am 12. Mai 1868 von Karl Christian Bruhns
(1830-1881), Professor der Astronomie und Direktor der Sternwarte Leipzig, mit seinen
„Studien über die rationellen Vermessungen im Gebiete der höheren Geodäsie“ promoviert
wurde. Heute wird Helmert als Begründer der wissenschaftlichen Geodäsie geehrt. Ein
Forschungsschiff trägt seinen Namen, eine Preismedaille ehrt in seinem Namen
herausragende Leistungen in der geodätischen Wissenschaft, Straßen in Potsdam und
Karlsruhe tragen seinen Namen, ebenso ein Krater auf dem Mond. In Leipzig war 1997 der
Beschluss gefasst worden, eine Straße in einem zu bebauenden Gebiet in Paunsdorf
„Helmertstraße“ zu nennen. Aber die Planung wurde verändert und im April 2015 hieß es
dazu im Amtsblatt: „Aus diesem Grund wird die Aufhebung der Namen und die Aufnahme in
den Namensvorrat empfohlen.“ Da der Straßenname nun wieder frei ist, bietet es sich an, ihn
für Rückmarsdorf zu reservieren. Wenn die noch freie Fläche zwischen Wachbergallee und
Clara-Zetkin-Straße bebaut sein wird, führte eine der dann entstehenden Straßen direkt zu der
von Helmert errichteten Säule 112.
Dass diese, zu einer Gruppe wissenschaftlich-technischer Denkmale von herausgehobener
Bedeutung gehörend, nach 150 Jahren noch erhalten ist, verdient gesonderte Beachtung. Sein
Standort, der Wachberg, mit – lt. Messtischblatt von 1907 - 133,3 m die höchste Erhebung der
Dehlitz-Rückmarsdorfer-Endmoräne, war seit Beginn des 20. Jahrhunderts in seiner Existenz
bedroht. Sieben Sandgruben beuteten den Bodenschatz ohne Rücksicht auf archäologische
Funde hemmungslos aus. Älteste Rückmarsdorfer wissen zu berichten, dass sie als Kinder
von den Grubenbesitzern ermuntert worden sind, keramische Urnen und Knochen zu
zerstören, damit die Leute vom „Sächsischen Heimatschutz“ nicht auf die Idee kämen, den
ertragreichen Abbau zu untersagen. Dass der Berg nicht vollständig abgetragen worden ist,
verdankt er dem 1914/15 erfolgten Bau des Wasserturms (Leipziger Blätter 66). In seiner
Nachbarschaft stand noch bis 1930 die im Jahre 1836 errichtete Holländerwindmühle. Nach
Kriegsbeginn bezog 1940 eine „Flugwache“ auf dem Wachberg Station. Ein Foto aus jener
Zeit zeigt, dass die dem Dorf zugewandte Seite der Triangulierungssäule geteert war und
darauf ein Mann der „FLUWA“ als Napoleon posiert, denn im Volksmund hatte sich
hartnäckig die unzutreffende Bezeichnung „Napoleonstein“ eingebürgert. Am Ende des
Krieges hatte die Säule gelitten, ihre mit Spezialmessingschrauben arretierte Deckplatte war
mutwillig heruntergerissen. Zunächst lag sie noch daneben und diente den Dorfkindern als
willkommener Übungsplatz zum Experimentieren mit Zündhütchen aus
Wehrmachtsbeständen, doch dann hat sie sich wohl irgendwie „im Sande verlaufen“.
Dass die Triangulierungssäule im 150. Jahr ihres Bestehens wieder „in alter Pracht“ auf dem
Wachberg steht, ist ein Verdienst des ehrenamtlichen Rückmarsdorfer Denkmalpflegers
Dieter Schiwek. Seit 1975 gab es in der DDR ein Denkmalpflegegesetz und das Interesse für
Regionalgeschichte wurde „wiederentdeckt“. Wenngleich das für Schiwek und seine
Gleichgesinnten nicht der Grund war, sich für Denkmale der Ortsgeschichte zu interessieren,
so konnte man sich doch hin und wieder darauf berufen. Den ramponierten Stein befreiten sie
1985 zunächst mittels Flusssäure, die so einfach gar nicht zu haben war, von seinem
Teeranstrich. Unter Berufung auf das Gesetz wurden ein Jahr später 500 Mark erhandelt, um die
verloren gegangene Deckplatte aus einem dem Original sehr ähnlichen Granit herstellen zu lassen.
1987 war der Stein gerettet und unter Denkmalschutz gestellt. In der Leipziger
Bezirksdenkmalliste von 1988 stand er allerdings nicht vermerkt. Der 1993 gegründete
Heimatverein hat bewirkt, dass das wiederholt durch Graffiti verunstaltete Denkmal nach
vertrauensvoller Absprache mit dem für Denkmalpflege zuständigen städtischen Amt mehrmals
und nun wieder zum Jubiläum renoviert worden ist. Wenngleich dem Stein heute keine
wissenschaftliche Nutzung mehr zukommt – Satelliten leisten zum größten Teil die Arbeit der
Landvermesser – so ist er doch ein bemerkenswertes Denkmal der Wissenschaftsgeschichte.
Für fachliche Beratung danke ich Herrn Andreas Reinhold.
Bernd Weinkauf
Abbildungen
- Grafik Karte Dreicksnetz (liegt bereits vor)
- Foto 1: Der Triangulationsstein auf dem Wachberg wird fachgerecht restauriert.
- Foto 2: Im Gebüsch versteckt wird Markstein 111 meist übersehen.
- Foto 3: Vom Grenzhübel ist die Säule 113 nach Knautnaundorf umgesetzt worden.
- Foto 4 Ansichtskarte: Kurz nach 1900 war der Stein auf dem Wachberg mit einem hölzernen
Trigonometrischen Punkt überbaut.