Daten
Kommune
Leipzig
Dateiname
1333206.pdf
Größe
199 kB
Erstellt
02.11.17, 12:00
Aktualisiert
16.01.18, 17:10
Stichworte
Inhalt der Datei
Ratsversammlung
Verwaltungsstandpunkt Nr. VI-A-04933-VSP-01
Status: öffentlich
Eingereicht von
Dezernat Kultur
Betreff:
Kein Platz für rassistische und nationalistische Hetze auf der Leipziger Buchmesse
Beratungsfolge (Änderungen vorbehalten):
Gremium
voraussichtlicher
Sitzungstermin
Zuständigkeit
Dienstberatung des Oberbürgermeisters
Verwaltungsausschuss
FA Kultur
Jugendparlament
Ratsversammlung
17.01.2018
19.01.2018
29.01.2018
31.01.2018
Bestätigung
Vorberatung
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
Rechtliche Konsequenzen
Der gemäß Ursprungsantrag gefasste Beschluss wäre
☒
Rechtswidrig und/oder
☐ Nachteilig für die Stadt Leipzig.
☐
Zustimmung
☒ Ablehnung
☐
Zustimmung mit Ergänzung
☐ Ablehnung, da bereits Verwaltungshandeln
☐
Alternativvorschlag
☐ Sachstandsbericht
Beschlussvorschlag:
Der Antrag wird abgelehnt.
1/4
Übereinstimmung mit strategischen Zielen:
x
Finanzielle Auswirkungen
nein
wenn ja,
Kostengünstigere Alternativen geprüft
nein
ja, Ergebnis siehe Anlage zur Begründung
Folgen bei Ablehnung
nein
ja, Erläuterung siehe Anlage zur
Begründung
Handelt es sich um eine Investition (damit aktivierungspflichtig)?
nein
ja, Erläuterung siehe Anlage zur
Begründung
Im Haushalt wirksam
von
Ergebnishaushalt
bis
Höhe in EUR
wo veranschlagt
Erträge
Aufwendungen
Finanzhaushalt
Einzahlungen
Auszahlungen
Entstehen Folgekosten oder Einsparungen?
Folgekosten Einsparungen wirksam
Zu Lasten anderer OE
nein
von
wenn ja,
bis
Höhe in EUR
(jährlich)
wo veranschlagt
Ergeb. HH Erträge
Ergeb. HH Aufwand
Nach Durchführung der
Ergeb. HH Erträge
Maßnahme zu erwarten
Ergeb. HH Aufwand (ohne
Abschreibungen)
Ergeb. HH Aufwand aus
jährl. Abschreibungen
Auswirkungen auf den Stellenplan
Beantragte Stellenerweiterung:
x
nein
wenn ja,
x
nein
ja,
Vorgesehener Stellenabbau:
Beteiligung Personalrat
2/4
Sachverhalt:
Die Fraktion DIE LINKE beantragt, dass die Stadt Leipzig im Rahmen ihrer
Gesellschafterfunktion auf die Leipziger Messe GmbH einwirken soll, dass extrem rechten
und rechtspopulistischen Verlagen (z.B. Compact Magazin GmbH, Verlag Antaios) bei der
jährlich stattfindenden Buchmesse die Teilnahme verwehrt werde.
Rechtslage:
Die Leipziger Messe GmbH unterliegt wie ihre Gesellschafter, die Stadt Leipzig und der
Freistaat Sachsen (jeweils zu 50% der Geschäftsanteile) als Unternehmen der öffentlichen
Hand der Grundrechtsbindung. Der Grundrechtsbindung unterliegt auch ein privatrechtliches
Unternehmen, das im Alleinbesitz des Staates steht oder vom Staat beherrscht wird
(Bundesverfassungsgericht BVerfGE 113, 208 (2011). Der Leipziger Messe GmbH ist es
daher unter dem Gleichbehandlungsgrundsatz, § 3 Abs. 1 GG, verwehrt, willkürlich eine
Präsentation extrem rechter und national-rassistischer Verlage zu unterbinden. Sie hat unter
der Geltung der Meinungsfreiheit, Art. 5 GG, auch solchen Verlagen den Zugang zur Messe
zu gewähren. Meinungsäußerungen von Verlagen sind, soweit es sich nicht um strafbare
Inhalte handelt, kein Ausschlussgrund.
Aus dem gleichen Grund ist gesellschaftsrechtlich eine gemeinschaftliche Weisung der
Gesellschafter an die Geschäftsführung wegen Verstoßes gegen die Guten Sitten nichtig: Da
sowohl Gesellschafter wie Unternehmen der Grundrechtsbindung unterliegen, erfüllt ein
Verstoß gegen diese Bindung hier den Tatbestand des Verstoßes gegen die Guten Sitten.
Unter dem Grundgesetz sind unbestimmte Rechtsbegriffe wie die „Guten Sitten“ durch die
Grundrechtsordnung auszufüllen. Wegen der Nichtigkeit der Weisung müsste die
Geschäftsführung unmittelbar wiedersprechen, um ihre Haftung gegenüber der GmbH für
Schäden aus der Umsetzung der nichtigen Weisung abzuwenden. Schon aus diesem Grund
wird der Freistaat Sachsen für eine gemeinsame Weisung nicht zu gewinnen sein, alleine
kann aber die Stadt Leipzig die Leipziger Messe GmbH nicht anweisen, da sie nur die Hälfte
der Geschäftsanteile hält.
Auf die entsprechende Rechts- und Sachlage wurde bereits in den vergangenen beiden
Jahren hingewiesen, in denen Anfragen in ähnlicher Form formuliert wurden.
Soweit die Antragstellerin in der Begründung zu ihrem Antrag anregt, die Stadtverwaltung
möge im Rahmen Zuständigkeit als Gewerbebehörde im Auftrag des Freistaates Sachsen
gewerberechtlich gegen die Teilnahme der extrem rechten und rechtspopulistischen Verlage
als Aussteller vorgehen, wäre dieses Vorgehen nach den gegenwärtig bekannten
Umständen rechtswidrig:
Die Leipziger Buchmesse ist eine Messe im Sinne der Gewerbeordnung. Für einen
Ausstellerausschluss bedarf es eines „sachlich gerechtfertigten Grundes“ (nach § 70 Abs. 3
GewO) bzw. einer fehlenden „erforderlichen Zuverlässigkeit“ (§ 70a Abs. 1 GewO). Bei der
Prüfung dieser Voraussetzungen ist wiederum die grundrechtlich gesicherte Meinungsfreiheit
der Aussteller zu berücksichtigen. Da die Grenze strafbaren Verhaltens nicht erreicht wird,
liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Ausschluss der Aussteller von der
Messe durch die Stadt Leipzig als zuständiger Gewerbebehörde vor. Ein Ausschluss wäre
daher außerdem willkürlich.
Gleichwohl teilen die Stadt Leipzig und die Leipziger Messe GmbH die Äußerungen von
Verlagen wie Compact Magazin GmbH nicht. Die Stadt Leipzig und die Leipziger Messe
GmbH zeigen eine klare Haltung, schaffen Raum für inhaltliche Kontroversen und befördern
die Auseinandersetzung mit rechtsgerichtetem Gedankengut. Themen wie Meinungsfreiheit,
Minderheitenschutz und eine offene Gesellschaft werden im Rahmen der Buchmesse und
darüber hinaus in einer Reihe von Veranstaltungen, Lesungen und Interviews dezidiert zum
Gegenstand der öffentlichen Debatte gemacht.
3/4
Anlagen:
Interview Leipziger Buchmesse im Tagesspiegel
4/4
Rechte Verlage auf der Buchmesse: Wie Leipzig von Frankfurt lernen ...
http://www.tagesspiegel.de/politik/rechte-verlage-auf-der-buchmesse-...
Rechte Verlage auf der Buchmesse
16.11.2017 19:48 Uhr
Wie Leipzig von Frankfurt lernen will
Nach Tumulten in Frankfurt: Der Direktor der Buchmesse in Leipzig, Oliver Zille, erklärt, wie er die
Auseinandersetzung mit Rechts organisieren will. VON MATTHIAS MEISNER
Proteste gegen den Auftritt von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke auf der Frankfurter Buchmesse Mitte Oktober.
FOTO: FRANK
RUMPENHORST/DPA
Der Tumult um die rechten Verlage auf der Frankfurter Buchmesse war groß. Ein bisschen steckt er auch Oliver Zille in den
Knochen, obwohl er der Direktor der Buchmesse in Leipzig ist, die erst wieder im März stattfindet. Wie lässt es sich vermeiden,
dass Rechte eine Buchmesse zum Ziel ihrer Provokationen wählen, Proteste dagegen wiederum als angebliche
Einschränkung der Meinungsfreiheit brandmarken? "Ich weiß gar nicht, ob wir aus so einer Schleife wirklich herauskommen",
sagt Zille nun dem Tagesspiegel. "Eine perfekte Lösung für das Problem gibt es nicht. Was in der Gesellschaft virulent ist, kann
eine Buchmesse aufzeigen, aber nicht endgültig lösen."
Mitte Oktober in Frankfurt, drei Wochen nach dem AfD-Erfolg bei der Bundestagswahl, hatten Sicherheitsleute und Polizei die
Situation auf der Messe zeitweilig kaum unter Kontrolle. Der ultrarechte thüringische AfD-Chef Björn Höcke war zu Gast bei
Götz Kubitschek und seinem Antaios-Verlag mit Sitz auf dem Rittergut Schnellroda in Sachsen-Anhalt. Kubitschek ist ein
Aktivist der Neuen Rechten, er hatte Höcke schon bei dessen Dresdner Rede im Januar im Ballhaus Watzke begleitet. Es gab
Sprechchöre beider Lager, auch Handgreiflichkeiten. Kritiker wie die antirassistische Amadeu-Antonio-Stiftung sprachen nach
dem Auftritt in Frankfurt von einer "rechtsextremen Raumergreifung".
Der Frankfurter Buchmesse-Direktor Juergen Boos hatte die Einladung an die rechten Verlage verteidigt. Das tut jetzt auch
sein Leipziger Kollege Zille. Er sagt, es gebe "keine Gründe, Verlage des rechten Spektrums grundsätzlich nicht als Aussteller
zuzulassen". Die Leipziger Buchmesse verteidige grundsätzlich die Meinungsfreiheit. "Wir halten uns an das Gesetz. Wenn ein
Verlag verboten wäre oder Personen strafrechtlich verfolgt würden, dann dürfen sie auch nicht auf der Leipziger Buchmesse
ausstellen. Ansonsten steht einer Teilnahme nichts entgegen. Das gilt nicht nur in Leipzig, sondern generell für Buchmessen,
also auch für Frankfurt."
Aber gut vorbereitet will der Leipziger Buchmesse-Direktor sein. Eigene Erfahrungen hatte er bereits im Frühjahr sammeln
können - kontrovers diskutiert worden war damals vor allem über den Stand des rechten "Compact"-Verlages. Nun wird ein
Sicherheitskonzept in Kooperation mit Polizei und Staatsschutz entwickelt, zugleich stimmt sich die Leipziger Messe eng ab
mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Buchmesse in Frankfurt. Sie holt sich auch Rat von Experten, die
die rechtsextreme Szene intensiv beobachten. "Am Ende müssen wir sicherstellen, dass das Publikum jedweder Couleur nicht
zu Schaden kommt", sagt Zille.
Vor allem aber will er der Forderung vieler Verlage Rechnung tragen und eine Auseinandersetzung mit rechtsgerichtetem
Gedankengut mit organisieren und fördern. Der Buchmesse-Direktor kündigt "eine ganze Reihe" von Veranstaltungen an, die
sich um politische Themen wie Meinungsfreiheit, Minderheitenschutz und eine offene Gesellschaft drehen. Kooperationen gibt
es dabei mit der Robert-Bosch-Stiftung und dem Auswärtigen Amt, erstmals wird es auch ein Veranstaltungsformat speziell für
Jugendliche mit der Bundeszentrale für politische Bildung geben. "Das löst das eigentliche Problem, Provokateuren das
Handwerk zu legen, allerdings nicht", gibt Zille zu. "Bisher lief es immer nach dem Muster Aktion und Reaktion", schildert er
den Konflikt um die rechten Verlage. Und appelliert: "Man würde sich bei den Reaktionen manchmal auch eine größere Ruhe
wünschen."
Das meint auch der Berliner Verleger Christoph Links. "Die Frankfurter Buchmesse hat gezeigt, dass man nicht auf jede
Provokation rechter Verlage reagieren muss", sagt er. Und unterstützt die Position von Zille und Boos: "Alles, was nicht gegen
Gesetze verstößt, soll ausgestellt werden dürfen, das gebietet die Meinungsfreiheit. Hierzu muss es dann inhaltliche
Kontroversen geben, wenn es sinnvoll erscheint. Dafür sollte Raum geschaffen werden." Bei gewaltsamen Übergriffen aus
dem Lager rechter Sympathisanten müsse eine Messe "schneller und energischer handeln und von ihrem Hausrecht
Gebrauch machen", fordert Links.
"Charta 2017" gegen "Gesinnungsdiktatur"
Mächtig an Fahrt gewonnen hatte die Diskussion um die rechtsradikalen Verlage nach der Messe in Frankfurt durch die von
1 von 2
07.12.2017 08:55
Rechte Verlage auf der Buchmesse: Wie Leipzig von Frankfurt lernen ...
http://www.tagesspiegel.de/politik/rechte-verlage-auf-der-buchmesse-...
der Pegida-nahen Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen initiierte "Charta 2017". In Anspielung auf die Dissidenten der
"Charta 77" im Ostblock. Dem Börsenverein warf sie vor, er wolle darüber befinden, "was als Meinung innerhalb des
Gesinnungskorridors akzeptiert wird und was nicht". Wenn der Börsenverein zu "aktiver Auseinandersetzung" im "Kampf
gegen Rechts" aufrufe, dann sei "unsere Gesellschaft nicht mehr weit von einer Gesinnungsdiktatur entfernt". Neben rechten
Publizisten wie Matthias Matussek, Vera Lengsfeld, Michael Klonovsky und Jörg Bernig unterzeichneten auch renommierte
Autoren wie Uwe Tellkamp ("Der Turm"). Tellkamp verteidigte seine Unterschrift mit den Worten: "Wir leben wieder im
betreuten Denken." Er sprach davon, dass er in der Bundesrepublik aktuell eine "DDR 2.0" erlebe. Kritiker dagegen nannten
die "Charta 2017" "überheblich und geschichtsvergessen".
Auch der Leipziger Buchmesse-Direktor Zille hat deutliche Vorbehalte gegen die Initiative aus Dresden. Er habe "überhaupt
kein Verständnis" für die sogenannte "Charta 2017", sagt er. Mit ihr werde "Öl ins Feuer gegossen, das geht in eine falsche
Richtung". Zwar müssten sich auch die Organisatoren von Gegenprotesten fragen lassen, ob aus ihrer Sicht Meinungsfreiheit
die Meinungen aller einschließe. "Zugleich ist die von Frau Dagen angestoßene Diskussion schräg: Auf der Frankfurter
Buchmesse war es ja möglich, seine Meinung zu äußern."
Zille erläutert, vom Grundgesetz seien "sogar Meinungen gedeckt, die konkret auf die Abschaffung unserer freiheitlichdemokratischen Grundordnung zielen". Das habe ihn schon nachdenklich gemacht, "zeigt aber auch, wo unser
Handlungsspielraum endet". Die Provokationen auf der Messe lägen oft an der Grenze des Sagbaren und des nicht Sagbaren.
"Wir müssen zuweilen in der Sekunde entscheiden, ob eine Aktion oder Äußerung zulässig ist oder nicht. Daran können wir
auch scheitern."
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07.12.2017 08:55