Daten
Kommune
Leipzig
Dateiname
1321605.pdf
Größe
106 kB
Erstellt
04.10.17, 12:00
Aktualisiert
15.01.18, 10:10
Stichworte
Inhalt der Datei
Ratsversammlung
Neufassung Nr. VI-A-04105-NF-02
Status: öffentlich
Eingereicht von
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Fraktion DIE LINKE
Betreff:
Konsequentes Eintreten für den Klimaschutz – Auch bei der Fernwärme!
Beratungsfolge (Änderungen vorbehalten):
Gremium
voraussichtlicher
Sitzungstermin
Zuständigkeit
Verwaltungsausschuss
FA Umwelt und Ordnung
Ratsversammlung
04.10.2017
17.10.2017
18.10.2017
2. Lesung
2. Lesung
Beschlussfassung
Beschlussvorschlag:
Der Antrag wird auf Grundlage des Alternativvorschlages der Verwaltung neu gefasst:
1. Die Stadt Leipzig bekennt sich grundsätzlich zum schrittweisen Ausstieg aus der
Braunkohleverstromung. Sie ergreift in ihrem Zuständigkeitsbereich Maßnahmen, die
diesem Ziel unter den Aspekten der Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit,
Umweltschutz und Klimaschutz förderlich sind.
2. Dem Verwaltungsausschuss und dem Fachausschuss Umwelt und Ordnung sind bis
Ende des II. Quartals 2018 die Prüfergebnisse hinsichtlich einer Exit-Strategie zum
Ausstieg aus dem Fernwärmebezug des Kraftwerks Lippendorf vorzulegen. Die ExitStrategie umfasst Szenarien zum Ausstieg im Jahr 2023 und 2030. Die Szenarien
beinhalten vor allem die technische Machbarkeit, die ökonomischen Folgen für die
Stadtwerke bzw. den LVV-Konzern sowie den Haushalt der Stadt Leipzig, weiterhin
lokale, nachhaltige, erneuerbare und regionale Wertschöpfungsmodelle,
Berechnungen des aktuellen und zukünftigen Wärmeverbrauchs unter Bezugnahme
der Einwohnerentwicklung, Effizienzverbesserung und energetischer
Gebäudesanierung und der finanziellen und sozialen Auswirkung auf den
Endkunden. Die Prüfergebnisse werden in geeigneter Form der interessierten
Öffentlichkeit vorgestellt.
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Übereinstimmung mit strategischen Zielen:
Finanzielle Auswirkungen
nein
wenn ja,
Kostengünstigere Alternativen geprüft
nein
ja, Ergebnis siehe Anlage zur Begründung
Folgen bei Ablehnung
nein
ja, Erläuterung siehe Anlage zur
Begründung
Handelt es sich um eine Investition (damit aktivierungspflichtig)?
nein
ja, Erläuterung siehe Anlage zur
Begründung
Im Haushalt wirksam
von
Ergebnishaushalt
bis
Höhe in EUR
wo veranschlagt
Erträge
Aufwendungen
Finanzhaushalt
Einzahlungen
Auszahlungen
Entstehen Folgekosten oder Einsparungen?
Folgekosten Einsparungen wirksam
Zu Lasten anderer OE
nein
von
wenn ja,
bis
Höhe in EUR
(jährlich)
wo veranschlagt
Ergeb. HH Erträge
Ergeb. HH Aufwand
Nach Durchführung der
Ergeb. HH Erträge
Maßnahme zu erwarten
Ergeb. HH Aufwand (ohne
Abschreibungen)
Ergeb. HH Aufwand aus
jährl. Abschreibungen
Auswirkungen auf den Stellenplan
Beantragte Stellenerweiterung:
nein
wenn ja,
nein
ja,
Vorgesehener Stellenabbau:
Beteiligung Personalrat
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Sachverhalt:
Im Kontext der Verpflichtungen unter dem Kyoto-Protokoll und des Ziels der
Staatengemeinschaft, die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad Celsius gegenüber
dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, hat Deutschland maßgebliche Schritte
eingeleitet, um zur Reduktion von Treibhausgasen beizutragen. Ziel der Bundesregierung ist
eine Reduktion der Treibhausgasemissionen von mindestens 40 % bis 2020, 55 % bis 2030,
70 % bis 2040 und 80 bis 95 % bis 2050 jeweils gegenüber 1990. Das soll insbesondere
durch den Ausbau erneuerbarer Energien erreicht werden. Diese Ziele sind in ihren
Grundzügen bereits im Energiekonzept der Bundesregierung von 2010 festgeschrieben [5].
Die Forderung einer lokalen, erneuerbaren und nachhaltigen Fernwärme steht somit im
Zeichen der vereinbarten Klimaziele Deutschlands.
Allerdings können die Klimaziele nicht erreicht werden, wenn im Rahmen der Energiewende
nicht auch die Wärmewende vorangetrieben wird. Mehr als die Hälfte des
Endenergieverbrauchs in Deutschland entfällt auf Wärmeanwendungen (54 %). Der
Wärmesektor ist für jährlich rund 26 % der gesamten deutschen Treibhausgas-Emissionen
verantwortlich [6]. Vor diesem Hintergrund trägt die Forderung einer grünen Fernwärme
einen Beitrag zur notwendigen Wärmewende bei.
Eine dezentrale Erzeugung durch kleine Erzeugungseinheiten, die optimaler Weise unter
Bürgerbeteiligung errichtet und betrieben werden, sehen wir als zielführend an. Aus Gründen
der Flächenschonung im Stadtgebiet Leipzig sollten diese Einheiten möglichst in, an und auf
Gebäuden errichtet werden. Dafür geeignete erneuerbare Energien in Leipzig sind
insbesondere Biomasse, Solarthermie und Erdwärme bzw. Geothermie. Aufgrund der
vergleichsweise niedrigen Temperaturen, die aus Solar- und Geothermie physikalisch
gewonnen werden können, sehen wir beim weiteren Ausbau der Fernwärme in Leipzig die
Notwendigkeit zur Installation von Niedrig-Temperatur-Wärmenetzen, wie sie derzeit schon
in Dänemark flächendeckend errichtet werden [7]. Als „Europäische Energie- und
Klimaschutzkommune“ des European Energy Awards [8] steht die Stadt in der Pflicht, auch
bei ihrer Wärmeversorgung nachhaltig und klimaneutral zu agieren.
Hinsichtlich der Notwendigkeit einer Wärmewende zum Gelingen der Energiewende muss
die Stadt Leipzig eine Vorreiterrolle übernehmen. Das bedeutet konkret den Aufbau einer
alternativen, erneuerbaren und CO2-freien Erzeugungsstruktur für die Fernwärme.
Die jetzige Fernwärmeerzeugung aus der Kohleverstromung des Kraftwerkes Lippendorf
deckt mehr als die Hälfte (ca. 60 Prozent) des Leipziger Fernwärmebedarfes. Vor diesem
Hintergrund fordern wir von der Stadt Leipzig eine Exit-Strategie. Damit soll die bisherige
Systemrelevanz des Braunkohlekraftwerkes Lippendorf für die Fernwärmeerzeugung der
Stadt Leipzig abgebaut werden. Diese Exit-Strategie soll einen konkreten Fahrplan für einen
Ausstieg aus der Abwärmenutzung aus dem Braunkohlekraftwerk Lippendorf beinhalten. Mit
einem selbstbestimmten Ausstiegsfahrplan erhält sich die Stadt Leipzig Gestaltungsfähigkeit
in der Wärmewende, anstatt im Rahmen eines nationalen Kohleausstiegs später nur noch
reagieren zu können.
Die Kraftwerksblöcke des Standortes Lippendorf wurden in den Jahren 1999 und 2000 in
Betrieb genommen. Laut den Plänen des Think-Tanks „Agora Energiewende“ [1] kann das
Kraftwerk Lippendorf in den Jahren 2032 - 2034 vom Netz genommen werden. Da die
Verträge zum Fernwärmebezug aus Lippendorf im Jahr 2023 neu verhandelt werden ist jetzt
der richtige Zeitpunkt um sich mit einem möglichen Ausstieg zu befassen und eine ExitStrategie zu entwickeln .Bis jetzt erhält der Betreiber des Kraftwerks Lippendorf einen Anteil
der Umsätze aus dem Fernwärmeverkauf an die Leipziger Bürger*innen als Kaufpreis für die
dort abgenommene Fernwärme. Der schwedische Staatskonzern Vattenfall verkaufte 2016
den Block R des Kraftwerkes Lippendorf an die tschechische Energie- und Industrieholding
(EPH). Somit gehören dieser Holding 50 % am Kraftwerk in Lippendorf [2]. Die EPH ist ein
Konzern mit mehr als 150 von ihr dominierten Firmen in zwölf Staaten. Das Vermögen der
EPH beläuft sich auf 11,3 Mrd. Euro. 2015 machte die Holding knapp eine Mrd. Euro
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Gewinn [3]. Zudem ist der Konzern EPH laut der aktuellen Studie „Schwarzbuch EPH“ von
Greenpeace ein sehr intransparenter Konzern, der weltweit in Steuerparadiesen agiert und
dort teils fragwürdigen Geschäften nachgeht. Die Studie von Greenpeace kommt zu dem
Schluss, dass das Finanzgebaren außerdem zu Instabilität neigt und es somit eine Gefahr
für öffentliche Finanzgeber darstellt [4].
Die Erzeugungsstruktur soll zukünftig unter dem Gedanken der lokalen Wertschöpfung durch
lokale Akteure errichtet und betrieben werden. Diese Struktur könnte sich aus dem
Stadtkonzern, aus lokalen Anlagenherstellern, Zusammenschlüssen von Bürger*innen sowie
aus Handwerksbetrieben bilden. Die Erzeugungsorte müssen aufgrund der Eigenschaften
erneuerbarer Energien dezentral über das gesamte Stadtgebiet verteilt sein. Daraus ergibt
sich die Möglichkeit eines intelligenten Wärmenetzes, welches auf Basis vieler kleiner
Erzeugungseinheiten den städtischen Fernwärmebedarf effizient und nachhaltig decken
kann.
Zur Zielerreichung und zur Aufstellung eines Fahrplans für eine lokale, nachhaltige,
erneuerbare und der regionalen Wertschöpfung fördernde Fernwärme für Leipzig beauftragt
die Stadt Leipzig
eine fundierte und umsetzbare Exit-Fachstudie durch einen unabhängigen Gutachter (bspw.
eine wissenschaftliche Institution). Die Studie soll anhand konkreter Maßnahmen einen
optimalen Exit-Pfad mit mittel- und langfristigen Meilensteinen darlegen. Diese Meilensteine
aus Einzelmaßnahmen sollen auf Basis einer technisch-wirtschaftlichen Betrachtung einen
möglichst genauen Zeitplan mit einzelnen Umsetzungsschritten und – Technologien
enthalten, um die ökonomisch optimale, alternative Erzeugungsstruktur zu identifizieren und
so eine Roadmap für deren Aufbau zu schaffen.
Quellen:
[1] Agora Energiewende (2016): Was bedeuten Deutschlands Klimaschutzziele für die
Braunkohleregionen.
[2] ZEIT ONLINE (2016): http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2016-04/vattenfallbraunkohleverkauf-eph.
[3] Wolf, U. (2016): http://www.sz-online.de/nachrichten/ausverkauf-anoligarchen3513528.html.
[4] Greenpeace (2016): Schwarzbuch EPH:
https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/201609
01_greenpeace_schwarzbuch-eph.pdf.
[5] BMUB (2014): http://www.bmub.bund.de/themen/klimaenergie/klimaschutz/nationaleklimapolitik/.
[6] KfW (2016): https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Resear ch/PDFDokumente-Fokus-Volkswirtschaft/FokusNr.-129-Juni-2016-Wärmewende.pdf.
[7] Solar District Heating (2011): http://solardistrictheating.eu/Portals/3/120105_Broschüre_SDH_deutsch.pdf.pdf.
[8] Stadt Leipzig (2014): http://www.leipzig.de/news/news/klimaschutz-stadt-leipzigbekommt-europeanenergy-award/.
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Anlagen:
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