Daten
Kommune
Leipzig
Dateiname
1309497.pdf
Größe
158 kB
Erstellt
04.09.17, 12:00
Aktualisiert
25.09.17, 14:46
Stichworte
Inhalt der Datei
Ratsversammlung
Änderungsantrag Nr. VI-DS-04384-ÄA-03
Status: öffentlich
Eingereicht von
CDU-Fraktion
Betreff:
Entwicklungsoption Areal Matthäikirchhof - Etablierung eines "Forums für Freiheit
und Bürgerrechte"
Beratungsfolge (Änderungen vorbehalten):
Gremium
voraussichtlicher
Sitzungstermin
Ratsversammlung
Zuständigkeit
Beschlussfassung
Beschlussvorschlag:
Der Beschlussvorschlag wird wie folgt neugefasst:
Grundsatzentscheidung zur Entwicklung eines Teilbereiches des Areal Matthäikirchhof
1. Der Stadtrat bestätigt für einen Teilbereich des Areals Matthäikirchhof die Option zur
Entwicklung zu einem "Forum für Freiheit und Bürgerrechte" (Arbeitstitel).
2. Die Entwicklungsperspektiven im Positionspapier vom März 2017 (ANLAGE1)
werden zur Kenntnis genommen.
3. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) im Zusammenhang mit dessen
Standortsuche für eine archivgerechte Lagerung der Stasi-Unterlagen in Leipzig den
Matthäikirchhof, südlicher Teil, angrenzend an die „Runde Ecke“, als Standort
vorzuschlagen.
4. Bei Übereinkunft zwischen Bund und Stadt Leipzig über die Entwicklungsoption wird wie
folgt vorgegangen:
Projektphase 1: Aufbau von zwei parallelen Projektstrukturen
Erste Struktur: Forum für Freiheit und Bürgerrechte
Aufbau der Projektstruktur (baulich-technisch sowie politisch-wissenschaftlich), inkl.
Beteiligungsverfahren, zur Weiterentwicklung des Konzeptes mit dem Ziel der Ausarbeitung
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des Entwurfs einer umfassenden zwischen den Beteiligten (Bund, Land, Stadt Leipzig sowie
künftigen Nutzern) abzuschließenden Vereinbarung, inkl. Kostenschätzung und Finanzierung.
Der Entwurf der Vereinbarung wird der Ratsversammlung zur Beschlussfassung vorgelegt.
Inhalt ist die Definition des „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“ nach Aspekten der
Zuständigkeit (Stadt, Land, Bund), Größe sowie Inhalt und Art der Wissensvermittlung
und Präsentation. Konkretisierung des Flächenbedarfes bezogen auf die einzelnen
Institutionen und die benötigten gemeinschaftlichen/ teilöffentlichen Flächen
(Ausstellungen, Archiv etc.)
Zweite Struktur: Städtebauliches Werkstattverfahren zum gesamten Areal
Matthäikirchhof
Gemäß dem Vorbild des Verfahrens zum Freiladebahnhof ist dieses Verfahren mit
öffentlicher Beteiligung sowie Beteiligung des Fachausschusses Stadtentwicklung und
Bau und des Gestaltungsforums durchzuführen. Gegenstand des Verfahrens ist die
Definition städtebaulicher Ziele für das Gesamtareal Matthäikirchhof (1,6 ha) nach
Maßgabe des Bebauungsplanes Nr. 45.6 „Stadtzentrum“, unter Berücksichtigung von
Wegebeziehungen, Baufluchten, Struktur von Gassen und möglichen Plätzen. Es sind
Nutzungsanforderungen an das Gelände definieren, wie Erinnerungskultur, Arbeiten,
Leben, Wohnen.
Die im städtischen Eigentum stehenden Grundstücke im Bereich Matthäikirchhof werden bis
dahin nicht für andere Nutzungen in Anspruch genommen bzw. vorgesehen.
Nach Zustimmung zur Vereinbarung und Unterzeichnung sowie einschlägigen
Ratsbeschlüssen folgen:
Projektphase 2 : Planungsphase
Die Ergebnisse beider Projektstrukturen werden bzgl. der inhaltlichen und
städtebaulichen Ziele zusammengeführt und in Form von Leitlinien konkretisiert.
Darüber erfolgt die Abstimmung im Stadtrat und Mittelfreigabe für die weitere
Planung.
Im weiteren Verfahren ist ein internationaler städtebaulicher Architekturwettbewerb
unter Berücksichtigung o.g. Leitlinien und Vorgaben (Vgl. Wilhelm-Leuschner-Platz)
auszuloben, auf dessen Basis die weitere Planung, zunächst für das Gelände des
„Forums für Freiheit und Bürgerrechte“ erfolgt.
Projektphase 3 : Baudurchführung
Projektphase 4: Betreibung
Dazu sind vor der Beauftragung der Baudurchführung Nutzungs- und
Betreibungskonzepte vorzulegen, die eine Abschätzung der Folgekosten und deren
Finanzierung beinhalten.
5. Die im Ergebnis der Planung ermittelten Kosten werden dem Stadtrat vorgelegt.
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Begründung:
Diese Vorlage verbindet unterschiedliche Sachverhalte zu einem komplexen
Beschlussvorschlag: das Standortangebot an den BstU zur Ansiedlung eines Stasi-AktenArchivs, den weiteren Umgang mit dem Thema Freiheits- und Einheitsangebot und vor allem
die Entwicklungsoption für ein „Forum für Freiheits- und Bürgerrechte“, die allerdings
verbunden wird mit einem Moratorium für andere Nutzungen und städtebauliche
Entwicklungen auf dem weitläufigen Areal des Matthäikirchhofes.
Entsprechend differenziert ist der Beschlussvorschlag zu bewerten.
Wir begrüßen
das Angebot an den BstU, das Umfeld der „Runden Ecke“ ist ein guter und
symbolträchtiger Standort für ein zentrales Stasi-Akten-Archiv.
den Vorschlag, die Federführung für das Thema Leipziger Freiheits- und
Einheitsdenkmal an die Stiftung Friedliche Revolution zu übertragen und so die
Zivilgesellschaft besser als bisher einzubinden.
die Grundidee des „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“.
Für uns unverständlich ist jedoch der Vorschlag, bis zu einem fertigen Konzept für das Forum
alle weiteren städtebaulichen Planungen und Entwicklungen auf dem weitläufigen
Gesamtareal Matthäikirchhof zu blockieren.
Der Matthäikirchhof ist die letzte größere städtebauliche Entwicklungsfläche innerhalb des
Ringes und in seiner städtebaulichen Bedeutung und Exponiertheit mit dem seit langem
intensiv diskutierten Wilhelm-Leuschner-Platz vergleichbar. Es ist daher an der Zeit, ein
dieser Bedeutung gerecht werdendes städtebauliches Verfahren mit intensiver
Bürgerbeteiligung zu beginnen.
Nach bisheriger Schätzung werden für das Forum maximal 4.700 qm Baufläche benötigt. Die
Größe des gesamten Baufeldes Matthäikirchhof beträgt aber 16.000 qm.
Es wäre daher problemlos möglich, die benötigte Baufläche im Südteil des Areals,
angrenzend an die „Runde Ecke“, für das Projekt „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“ zu
reservieren, und daran konzeptionell weiter zu arbeiten, und gleichzeitig ein geeignetes
städtebauliches Verfahren für das Gesamtareal einzuleiten.
Dass diese beiden Verfahren miteinander zu verknüpfen sind, versteht sich von selbst. So
kann im weiteren Bereich des Matthäikirchhofes auf die avisierte Startentwicklung, der
Errichtung des „Forums für Freiheit und Bürgerrechte“ mit dem Sächsischen Archiv der
Stasiunterlagen, städtebaulich reagiert werden.
Mit unserem Beschlusspunkt 4 wird eine entsprechend geeignete Verfahrensstruktur
vorgeschlagen.
Den vollständigen Erhalt des Stasi-Neubaues und dessen Einbindung in das Forum lehnen wir
in aller Entschiedenheit ab!
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Der Matthäikirchhof ist der ursprüngliche Siedlungskern der Stadt Leipzig, sozusagen die
etwa 1.000 Jahre alte Keimzelle unserer Stadt, und damit in besonderer Weise historischer
Boden. Er war geprägt von der namensgebenden Matthäikirche, die Opfer der Bombardierung
wurde.
Diese Siedlungsgeschichte ist heute so gut wie nicht erlebbar. Es gibt die gründerzeitlichen
Bauten im südlichen/südwestlichen Bereich. Dominiert wird der Matthäikirchhof aber in
brutaler Weise durch den Stasi-Neubau. Dieser wurde Anfang der 1980er Jahre gebaut und
diente ca. 4-5 Jahre als Sitz der Leipziger Stasi. Zugespitzt gesagt: 1.000 Jahre Geschichte des
Matthäikirchhofes werden okkupiert und überlagert durch wenige Jahre Stasi-Geschichte. Ein
solches Missverhältnis ist für uns untragbar.
Natürlich braucht das „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“ einen authentischen Ort, der die
Stasi-Geschichte sichtbar und erlebbar macht. Dieser Ort ist die „Runde Ecke“ mit ihrem
Museum, zumal dieses Gebäude seit den frühen 1950er Jahren ununterbrochen durch die Stasi
genutzt wurde.
Ein vollständiger Erhalt des Stasi-Neubaues als authentischer Erinnerungsort ist daher
verzichtbar.
Sinnvoll wäre allerdings der Erhalt der bunkerartigen Kelleranlagen und deren museale
Einbindung in das Forum.
Der Abriss würde einen schwerwiegenden städtebaulichen Missstand beheben und auch die
notwendigen Freiheitsgrade für das städtebauliche Verfahren schaffen.
Der Stasi-Neubau erinnert mit seiner bedrohlichen Ausstrahlung auch an die typische
mittelalterliche Situation: ein Feudalherr errichtet inmitten einer aufmüpfigen Stadt eine
Zwingburg, um seine Macht zu demonstrieren und den Widerstand der Bürger zu brechen.
Eine solche Situation gab es bereits in der Leipziger Stadtgeschichte mit der Pleißenburg, die
für die Leipziger jahrhundertelang ungeliebtes Symbol feudalen Herrschaftsanspruchs war.
Letztlich war es dann der Stadt Leipzig möglich, das Gelände der Pleißenburg zu kaufen, um
ihr dringend benötigtes Neues Rathaus zu bauen. Die Burg wurde 1897 abgerissen, und das
Neue Rathaus auf dem Grundriss der Burg und unter Verwendung des Bergfriedes erreichtet.
Auch erinnern seitdem Straßennamen an die Existenz der Pleißenburg. Somit wurde das
ungeliebte Herrschaftssymbol beseitigt, ohne aber die Geschichte zu 100% zu entsorgen.
Dieser Weg kann ein Vorbild für den Umgang mit dem Stasi-Neubau sein.
4/4