Daten
Kommune
Leipzig
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1295060.pdf
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160 kB
Erstellt
10.07.17, 12:00
Aktualisiert
12.09.17, 11:47
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Ratsversammlung
Verwaltungsstandpunkt Nr. VI-A-04105-VSP-01
Status: öffentlich
Eingereicht von
Oberbürgermeister
Betreff:
Konsequentes Eintreten für den Klimaschutz – Auch bei der Fernwärme!
Beratungsfolge (Änderungen vorbehalten):
Gremium
voraussichtlicher
Sitzungstermin
Zuständigkeit
Dienstberatung des Oberbürgermeisters
FA Umwelt und Ordnung
Verwaltungsausschuss
Ratsversammlung
19.09.2017
04.10.2017
18.10.2017
Bestätigung
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
Rechtliche Konsequenzen
Der gemäß Ursprungsantrag gefasste Beschluss wäre
☒
Rechtswidrig und/oder
☒ Nachteilig für die Stadt Leipzig.
☐
Zustimmung
☐ Ablehnung
☐
Zustimmung mit Ergänzung
☐ Ablehnung, da bereits Verwaltungshandeln
☒
Alternativvorschlag
☐ Sachstandsbericht
Beschlussvorschlag:
1. Die Stadt Leipzig bekennt sich grundsätzlich zum schrittweisen Ausstieg aus der
Braunkohleverstromung. Sie ergreift in ihrem Zuständigkeitsbereich Maßnahmen, die
diesem Ziel unter den Aspekten der Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit
förderlich sind.
2. Dem Verwaltungsausschuss und dem Fachausschuss Umwelt und Ordnung sind
bis Ende 2018 die Prüfergebnisse hinsichtlich einer Exit-Strategie zum Ausstieg aus
dem Fernwärmebezug des Kraftwerks Lippendorf vorzulegen. Die Exit-Strategie umfasst
Szenarien zum Ausstieg im Jahr 2023 und 2030. Die Szenarien beinhalten vor allem die
technische Machbarkeit, die ökonomischen Folgen für die Stadtwerke bzw. den LVVKonzern sowie den Haushalt der Stadt Leipzig, weiterhin lokale, nachhaltige,
erneuerbare und regionale Wertschöpfungsmodelle, Berechnungen des aktuellen und
zukünftigen Wärmeverbrauchs unter Bezugnahme der Einwohnerentwicklung,
1/10
Effizienzverbesserung und energetischer Gebäudesanierung und der finanziellen und
sozialen Auswirkung auf den Endkunden
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Übereinstimmung mit strategischen Zielen:
3/10
Begründung:
Zu Beschlusspunkt 1
Der Antrag ist in Punkt 1 in der vorliegenden allgemeinen Formulierung aus rechtlichen
Gründen unzulässig und daher abzulehnen, da eine Entscheidung über den Ausstieg aus
der Braunkohleverstromung nicht in die Zuständigkeit der Ratsversammlung fällt.
Folgt man der Intention des Antrages, dann wäre für dessen Aufgreifen zumindest eine
Konkretisierung im Hinblick auf den beschränkten städtischen Zuständigkeitsbereich unter
gleichzeitigem Verweis auf hier grundsätzlich bestehende Vorbehalte bzgl.
Regelungskompetenzen
auf
Bundesbzw.
Landesebene,
den
Primat
der
Versorgungssicherheit und der wirtschaftlichen Vertretbarkeit erforderlich.
Ein Alternativvorschlag zu BPkt.1, der dem Rechnung tragen würde, könnte etwa wie folgt
lauten:
„Die Stadt Leipzig bekennt sich grundsätzlich zum schrittweisen Ausstieg aus der
Braunkohleverstromung. Sie ergreift in ihrem Zuständigkeitsbereich Maßnahmen, die
diesem Ziel unter den Aspekten der Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit
förderlich sind.“
Zu Beschlusspunkt 2
Hiermit soll die Stadtverwaltung beauftragt werden, ein Strategiekonzept zur mittel- bis
langfristigen
Beendigung
des
Fernwärmebezugs
aus
der
Abwärme
des
Braunkohlekraftwerks Lippendorf zu erarbeiten. Angestrebt werden soll stattdessen eine
kleinteilige, dezentrale, auf erneuerbare Energien gestützte Erzeugungsstruktur im
Stadtgebiet (v. a. Biomasse, Solar- und Geothermie).
Der Antrag ist als Prüfauftrag grundsätzlich zulässig, jedoch kann dieser nur gemeinsam mit
den Stadtwerken Leipzig bzw. dem LVV-Konzern umgesetzt werden und bedarf aufgrund
komplexer Zusammenhänge hinsichtlich damit verbundener Prüfungen mehr Zeit als im
Antrag vorgegeben. Darüber hinaus sind unter den aktuell gegebenen rechtlichen und
politischen Rahmenbedingungen lediglich die Entwicklung bzw. Abschätzung von zwei
Szenarien für einen etwaigen Exit in 2023 und 2030 sinnvoll. Abschließend sei darauf
verwiesen, dass Teilaspekte der mit dem Antrag geforderten Strategie wettbewerbsrelevante
Bestandteile der Unternehmensstrategie der Stadtwerke sind und eine etwaige öffentliche
Debatte im Stadtrat darüber, ungeachtet anderer diesbezüglicher Gremienzuständigkeiten,
für die Stadtwerke von Nachteil sein könnte.
Ein Alternativvorschlag zu BPkt.2, der dem Rechnung tragen würde, könnte dann etwa
wie folgt lauten:
„Dem Verwaltungsausschuss und dem Fachausschuss Umwelt und Ordnung sind bis
Ende 2018 die Prüfergebnisse hinsichtlich einer Exit-Strategie zum Ausstieg aus dem
Fernwärmebezug des Kraftwerks Lippendorf vorzulegen. Die Exit-Strategie umfasst
Szenarien zum Ausstieg im Jahr 2023 und 2030. Die Szenarien beinhalten vor allem die
technische Machbarkeit, die ökonomischen Folgen für die Stadtwerke bzw. den LVVKonzern sowie den Haushalt der Stadt Leipzig, weiterhin lokale, nachhaltige, erneuerbare
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und regionale Wertschöpfungsmodelle, Berechnungen des aktuellen und zukünftigen
Wärmeverbrauchs unter Bezugnahme der Einwohnerentwicklung, Effizienzverbesserung und
energetischer Gebäudesanierung und der finanziellen und sozialen Auswirkung auf den
Endkunden.“
Antragsbezogene Grundlagen und Rahmenbedingungen
Einleitend sei darauf verwiesen, dass die Leipziger Stadtwerke, in Erfüllung ihres öffentlichen
Auftrages, bereits seit Längerem die im Antrag angeführten Prüfungen hinsichtlich denkbarer
Szenarien im Rahmen der Neuausrichtung ihrer Unternehmensstrategie angestoßen haben
bzw. diese hinsichtlich damit verbundener Folgen auf die technische Machbarkeit und
Wettbewerbsfähigkeit hin analysieren. Dabei wird auch dem Anliegen des Antrages, die
Abhängigkeit der Stadt Leipzig von der Abwärmenutzung des Braunkohlenkraftwerks
Lippendorf schrittweise und ggf. auch auf null zu reduzieren und einen mittel- bis
langfristigen Umstieg auf andere, vorrangig erneuerbare Formen der Fernwärmeerzeugung
fachkundig und systematisch vorzubereiten, im Rahmen von Szenario-Betrachtungen
Rechnung getragen. Insofern kann diesbezüglich auch von Unternehmenshandeln
gesprochen werden.
Klimapolitische Zielstellungen
Die Stadt Leipzig hat sich in ihrem Energie- und Klimaschutzprogramm ambitionierte Ziele im
Klimaschutz gesetzt und diese durch zahlreiche Maßnahmen untersetzt, die mit den
nationalen Klimaschutzbemühungen einhergehen. Vor dem Hintergrund der globalen
Auswirkungen des Klimawandels verfolgt die Stadt Leipzig entsprechend geltender
Beschlusslagen der Ratsversammlung das übergeordnete Ziel, den CO2-pro-Kopf-Ausstoß
auf ein verträgliches Maß von 2,5 Tonnen pro Jahr zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen,
soll der Ausstoß alle 5 Jahre um 10 % gesenkt werden. Eine schrittweise Ablösung von
fossilen Energien durch den Ansatz einer ganzheitlichen Energiewende in den Bereichen
Strom, Mobilität und Wärme ist hierfür unabdingbar. Nachdem sich die CO2-Emissionen
durch verbesserte Energieeffizienz lange Zeit reduzieren ließen, verharrt der spezifische
CO2-Ausstoß inzwischen seit einigen Jahren auf einem relativ konstanten Niveau.
Als zentrale Maßnahmen im Bereich der Wärmeversorgung wurde der Ausbau der Fern- und
Nahwärme bei gleichzeitiger Einbindung erneuerbarer Energien in die vorhandenen und
geplanten Wärmenetze im Energie- und Klimaschutzprogramm verankert (Maßnahme 3.1:
Fernwärmeausbau und -verdichtung/Nahwärmeausbau und Maßnahme 3.3.: Konzept zur
zukünftigen Einbindung erneuerbarer Wärme in Wärmenetze) sowie die hierfür strategischen
Weichenstellungen in den Fachkonzepten des Stadtentwicklungskonzeptes (SEKo) und des
derzeit weiterentwickelten Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (INSEK) festgehalten.
Die Transformation der Fernwärme, deren Anteil an der Wärmeversorgung aktuell bei ca.
34 % liegt und die zu 99,6 % auf Basis von Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt wird, spielt eine
entscheidende Rolle bei der Erreichung der gesteckten Zielstellungen. Auf diesem Weg
wurden bereits einige Projekte angestoßen und befinden sich aktuell in Umsetzung (u. a.
Einbindung von Abwasserwärme und Großsolarthermieanlagen). Insbesondere im Zuge des
Bevölkerungswachstums rückt die Erschließung von derzeitigen Brachflächen durch
energieeffiziente, netzgekoppelte Wärmeversorgungslösungen in den Fokus. Das
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Fernwärmesystem in Leipzig bietet für die Zukunft den Vorteil, über die Wahl der Erzeuger
bzw. Technologien flexibel entscheiden und eine schrittweise Einbindung erneuerbarer
Energien vornehmen zu können.
Die städtische Fernwärmeversorgung wird derzeit insbesondere durch das hocheffiziente
Gas- und Dampfkraftwerk (GuD) Zentrum-Nord der Leipziger Stadtwerke mit etwa 540 GWh
sichergestellt. Der Großteil der Fernwärmeversorgung erfolgt dabei durch den Bezug von
Abwärme aus dem Braunkohlenkraftwerk Lippendorf (ca. 1.195 GWh). Letztere beziehen die
Stadtwerke im Rahmen eines Fernwärmeliefervertrages mit der Vattenfall Europe
Generation AG, Cottbus (Laufzeit bis 31.12.2023). Nachdem in früheren Jahren vor allem
das GuD-Kraftwerk den Hauptteil der Fernwärme erzeugte, hat sich der Anteil zuletzt stetig
zugunsten des Braunkohlekraftwerks verschoben. Maßgebliche Ursache hierfür war und ist
die erhöhte Einspeisung erneuerbarer Energien in das Stromnetz, welche den Strompreis an
der Börse senkt. In der Folge werden u. a. teurere Kraftwerke, wie z. B. flexible
Gaskraftwerke, durch günstigere Braunkohlekraftwerke verdrängt („Merit-Order-Effekt“).
Ein einseitiger bzw. alleiniger Rückzug Leipzigs aus der Abwärmenutzung des Kraftwerks
Lippendorf wäre jedoch zur Erreichung der angestrebten Treibhausgasreduzierung ohnehin
nur bedingt geeignet. Die Abwärme des Braunkohlekraftwerks Lippendorf steht als
Nebenprodukt der Braunkohleverstromung zur Verfügung. Da das Kraftwerk primär der
Stromerzeugung dient, würde im Falle des Nichtbezugs der Fernwärme die kontinuierlich
anfallende Abwärme ungenutzt in die Atmosphäre abgegeben. In der TreibhausgasBilanzierung werden deshalb die bei der Kohleverbrennung anfallenden CO2-Emissionen
maßgeblich der Stromproduktion zugerechnet, sodass die Fernwärme mit einem geringen
CO2-Ausstoß bewertet wird. Dieser Tatsache sowie der effizienten Erzeugung der
verbleibenden Fernwärmeeinspeisung im GuD-Kraftwerk der Leipziger Stadtwerke ist es zu
verdanken, dass die Stadt Leipzig im bundesweiten Vergleich der spezifischen CO2Emissionen bis dato sehr gut abschneidet.
Die komplexen Herausforderungen beim Aufbau eines etwaigen dezentralen, auf erneuerbare Energien gestützten Wärmesystems einmal außen vor gelassen, wäre ein einseitiger
Ausstieg Leipzigs bzw. seiner Stadtwerke aus dem Fernwärmebezug bei gleichzeitigem
Weiterbetrieb des Kraftwerks in Lippendorf, zumindest unter den derzeitigen Rahmenbedingungen, klima- und energiepolitisch widersinnig. Ein vollständiger Ausstieg aus dem
Fernwärmebezug wäre insofern nur dann eine auch für den Klimaschutz förderliche
Maßnahme, wenn in Folge dessen oder parallel auch der Betrieb des Kraftwerks Lippendorf
grundsätzlich eingestellt würde. Die dafür ggf. relevanten Entscheidungen werden jedoch an
anderer Stelle getroffen. Auf diese Entwicklungen hat die Stadt Leipzig direkt keinen
Einfluss.
Primat der Versorgungssicherheit und wirtschaftlichen Tragfähigkeit
Die Wärmeversorgung im Stadtgebiet gehört zum Kernbereich der öffentlichen
Daseinsvorsorge als einer Hauptaufgabe der Stadt Leipzig. Jede Veränderung in diesem
Bereich steht daher zunächst unter dem Vorbehalt, dass die kontinuierliche Versorgung mit
Wärme zu marktgerechten und bezahlbaren Preisen keinesfalls gefährdet oder beeinträchtigt
werden darf. Das Geschäftsfeld Fernwärme ist von entscheidender wirtschaftlicher
Bedeutung, nicht nur für die Stadtwerke, sondern für die gesamte Leipziger Gruppe. In
6/10
diesem Bereich werden bisher nachhaltig wesentliche Erträge erwirtschaftet, die für den
jährlichen Defizitausgleich der Leipziger Verkehrsbetriebe im Rahmen des
Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrages unverzichtbar sind. Bereits die öffentliche politische
Diskussion über Ausstiegsszenarien verschlechtert tendenziell die vertriebliche
Verhandlungsposition der Stadtwerke im Fernwärmebereich. Politische Eingriffe in die
Kostenstruktur der Fernwärmelieferungen sind somit dadurch limitiert, dass sie der Leipziger
Gruppe ein vergleichbares Wertschöpfungspotenzial auch zur zukünftigen Sicherung ihrer
finanziellen Leistungs- und Investitionsfähigkeit eröffnen müssen. Anderenfalls wäre die
aktuelle Finanzierungssystematik des öffentlichen Personennahverkehrs in Leipzig als
Ganzes in Frage gestellt. In diesem Zusammenhang müssen daher auch mögliche Folgen
auf den städtischen Haushalt im Rahmen etwaiger Szenarien mit betrachtet werden.
Mit Blick auf die bis dato mehrfach kommunizierten bundespolitischen Zielstellungen ist
damit zu rechnen, dass auch ein schrittweiser und langfristiger Ausstieg aus der
Braunkohleverstromung in Deutschland und damit auch eine schrittweise Substitution der
damit verbundenen Erzeugerkapazitäten ein übergeordnetes klimapolitisches Ziel ist. Der
Antrag, der primär darauf abzielt, zeitnah für die Stadt Leipzig bzw. ihre Stadtwerke eine
Ausstiegsstrategie für braunkohlenbasierte Fernwärme zu erarbeiten, kann daher dem
Grunde nach befürwortet werden, da dieses Szenario mittel- bis langfristig voraussichtlich
ohnehin Realität wird.
Bewertung sonstiger antragsbezogener Sachverhalte
Grundsätzlich stellt ein ökologischer Umbau des Fernwärmesystems unter perspektivisch
vollständigem Verzicht auf die Abwärme des Kraftwerks Lippendorf die Stadt Leipzig und
ihre Beteiligungsunternehmen, insbesondere hier die Stadtwerke, vor erhebliche
technologische und finanzielle Herausforderungen.
Die Begründung des Antrages beinhaltet Aussagen bzw. Verweise, welche Aspekte bzw.
Lösungsansätze bei einer Szenariobetrachtung im Rahmen einer Exit-Strategie zu
berücksichtigen wären. Angesichts der Komplexität der Aufgabe wäre der in der Begründung
des Antrages grob skizzierte Lösungsansatz in mehrerlei Hinsicht zu erweitern bzw. zu
hinterfragen. Zu den Punkten im Einzelnen:
Einbettung in stadtstrategische Zielstellungen
Aus Verwaltungssicht maßgeblich ist die Einbettung eines solchen Ausstiegsplans in eine
gesamtstädtische Energie- und Klimaschutzstrategie. Deshalb ist eine Verzahnung des hier
beantragten Transformationskonzepts mit der voraussichtlich gegen Ende 2017
beginnenden Fortschreibung des Energie- und Klimaschutzprogramms unabdingbar.
Vor dem Hintergrund der energiepolitischen Diskussion um einen nationalen Ausstieg aus
der energetischen Braunkohlenutzung beschäftigen sich auch die Stadtwerke schon seit
geraumer Zeit mit der Substitution des Wärmebezugs aus dem Kraftwerk Lippendorf. Diese
Überlegungen wurden unter dem Eindruck des Pariser Klimaschutzabkommens und auf
Initiative des Gesellschafters im vergangenen Jahr weiter verstärkt. Gegenüber den
Unternehmensgremien, Stadtverwaltung und Stadtrat wurde in einem Impulspapier mit dem
Titel „leipzig.leben.morgen“ dazu unter den Kapitel „Grüne Fernwärme“ zumindest im Ansatz
schon informiert. Die Entwicklung und Bewertung von Szenarien zur Substitution des
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Wärmebezugs aus dem Kraftwerk Lippendorf erfolgt dabei in unternehmerischer
Verantwortung der Stadtwerke. Für spezifische Themen wird bereits externe Expertise
genutzt. Aufgrund der wirtschaftlichen Relevanz sowie den weitreichenden strategischen und
politischen Implikationen wirkt die Leipziger Stadtholding in dieser Initiative direkt mit.
Einbettung in (über-)regionalen Ansatz
Das beantragte Fernwärme-Konzept sollte nicht isoliert von dem absehbaren Strukturwandel
in der gesamten Region Mitteldeutschland infolge eines Braunkohleausstiegs insgesamt
bearbeitet bzw. betrachtet werden.
Die gegenwärtigen energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung führen
perspektivisch auch zu einem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung und damit zu einem
Ende der Braunkohlenförderung. Dies wird voraussichtlich mit einem gravierenden
Strukturwandel bzw. Strukturbruch mit Folgen für Beschäftigung und Kaufkraft in den davon
betroffenen Regionen einhergehen. Um diesen Strukturwandel in den vier deutschen
Braunkohlenrevieren abzufedern bzw. aktiv zu gestalten, plant die Bundesregierung in ihrem
Klimaschutzplan
2050
eine
Kommission
„Wachstum,
Strukturwandel
und
Regionalentwicklung“ sowie ein spezielles Förderprogramm. Zudem können über die
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) geeignete
Maßnahmen in den betroffenen Regionen gefördert werden.
Zur Begleitung des anstehenden Strukturwandels im Mitteldeutschen Braunkohlenrevier hat
sich bereits im Juni 2016 unter dem Dach des Europäische Metropolregion Mitteldeutschland
e. V. eine Projektgruppe „Innovation im Revier“ gegründet. In dieser Projektgruppe sind
relevante Akteure aus Gebietskörperschaften, Unternehmen und Sozialpartnern der Region
vertreten. Die Projektgruppe soll künftig als Beirat die Arbeit im Zusammenhang mit der
GRW-Förderung begleiten. Zur organisatorischen Abwicklung der GRW-Förderung sollen
Zweckvereinbarungen zwischen den beteiligten Gebietskörperschaften und dem
federführenden Burgenlandkreis geschlossen werden. Die Strukturen und damit
verbundenen Verfahren befinden sich aktuell in der Aufbau- bzw. Anlaufphase. Ggf. können
im Zuge dessen auch für ein zukunftsfähiges Alternativ-Konzept Fördermittel akquiriert
werden.
Technologische Offenheit erforderlich
Die im Antrag näher geschilderten technischen Lösungsstrategien sind teilweise nur bedingt
für eine Umsetzung geeignet. Zunächst ist unklar, weshalb bzw. auf welcher Grundlage
Biomasse als geeigneter Energieträger eingestuft wird. Nach derzeitigem Stand der
Wissenschaft gibt es keine größeren Potenziale, die einen flächendeckenden und zudem
noch wirtschaftlichen Einsatz erlauben. Im Allgemeinen wird dieser Technologie nur in
ländlichen Regionen eine Zukunft bescheinigt. Unter ökologischen Gesichtspunkten ist ein
verstärkter Einsatz von Biomasse überdies nur dann sinnvoll, wenn hierfür vornehmlich
Reststoffe eingesetzt werden, die allerdings nur begrenzt zur Verfügung stehen.
Auch wäre eine Installation von Niedrigtemperatur-Wärmenetzen nur bedingt umsetzbar und
sinnvoll. So ist es technisch und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten oftmals nicht
möglich, die bestehenden Netze umzurüsten. Der Aufbau von Niedertemperaturnetzen ist
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deshalb nur bei Netzerweiterungen, wie sie aktuell bei der Entwicklung von Brachflächen
entstehen, eine sinnvolle Option. Dabei muss es sich um Netze handeln, die nahezu
abgekoppelt und nur durch wenige Stränge mit dem Bestandsnetz verbunden sind. Es ist
allerdings auch zu konstatieren, dass die Einspeisung von Solar- und Geothermie nicht allein
an das Vorhandensein eines Niedrigtemperaturnetzes gekoppelt ist. Mittels Wärmepumpen
lassen sich die erzeugten Wärmemengen auch auf andere Temperaturniveaus heben und in
höher temperierten Netzen nutzen. Der diesbezügliche Verweis auf Fernwärme-Strukturen in
Dänemark ist im vorliegenden Fall nicht hilfreich, da diese dort vorwiegend in ländlich
geprägten Regionen zum Einsatz kommen und sich diese vorteilhaften Bedingungen objektiv
so nicht auf Leipzig übertragen lassen.
Verwaltung und Leipziger Gruppe sehen die Zukunft der Leipziger Wärmeversorgung daher
in einer schrittweisen Integration dezentraler Erzeugungsanlagen in das bewährte innerstädtische Erzeugungs- und Verteilungssystem der Stadtwerke. Die zunehmende
Digitalisierung
des
Fernwärmesystems
in
Kombination
mit
Elementen
der
Wärmespeicherung erlaubt einen ressourceneffizienten Ausgleich von stärker
schwankendem Angebot und Nachfrage. Dieser Transformationsprozess muss jedoch
technologieoffen erfolgen. Eine vorschnelle Vorfestlegung auf einzelne Technologieoptionen
zum jetzigen Zeitpunkt wäre daher weder sinnvoll noch sachgerecht.
Interne Erarbeitung des Fernwärme-Konzepts
Eine Prüfung von Szenarien und Handlungsmöglichkeiten wird seitens der Leipziger
Stadtwerke bereits im Rahmen ihrer strategischen Neuausrichtung vorgenommen. Als
Ergebnis der bisherigen Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung und Leipziger-Gruppe in
diesem Zusammenhang zeigte sich, dass derartige Herausforderungen nur in Kooperation
und auf Basis einer gemeinsamen, abgestimmten und fundierten Strategie bewältigt werden
können. Hierzu werden sowohl in der Stadtverwaltung als auch bei den Leipziger
Stadtwerken integrierte Koordinierungsstellen erforderlich, die in gemeinsamen Strategieund Arbeitsgruppen arbeiten, wie es bereits im Entwurf des Fachkonzeptes Energie und
Klimaschutz des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (INSEK) verankert ist. Nur unter
dieser
Voraussetzung
kann
eine
zielorientierte,
koordinierte
technische
Infrastrukturentwicklung (klimaangepasst, effizient, resilient und finanzierbar) und die
Entwicklung einer zukunftsfähigen Versorgungsstruktur unter steigendem Anteil von KraftWärme-Kopplung und erneuerbaren Energien sowie der Nutzung von Energiespeichern
gelingen.
Die Integration von erneuerbaren Energien ist grundsätzlich im gesamten Stadtgebiet
möglich, wie erste Potenzialanalysen hinsichtlich der Nutzung von Solarthermie,
Photovoltaik, Geothermie und, mit noch einigen Abstrichen, auch im Ansatz bei der
Windenergie bereits gezeigt haben. Hiermit wird eine zunehmende Digitalisierung und
Kopplung mit dem Stromsektor erforderlich, um die Versorgungssicherheit und Netzstabilität
zu gewährleisten.
Ein generelles Outsourcing der Erstellung von Machbarkeitsstudien zum geplanten
Fernwärme-Transformationsprozess wird seitens Verwaltung und Unternehmen weder für
sachgerecht noch für zielführend angesehen. Ein Beiziehen externer Expertise im jeweiligen
Einzelfall erfolgt bereits bzw. wird auch weiterhin aufgrund komplexer Einzelthemen
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notwendig werden. Dabei werden selbstverständlich auch Ergebnisse von Studien von
Institutionen bzw. wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen in die einschlägigen
Abwägungen einbezogen und unter den spezifischen Bedingungen vor Ort zu bewerten sein.
Längerer Zeitraum für eine sachgerechte Szenarienbetrachtung
Der im Antrag in BPkt. 2 vorgesehene Zeitpunkt für die Vorlage bzw. womöglich auch noch
Veröffentlichung von Ergebnissen ist vor dem Hintergrund der zu beachtenden komplexen
Themenstellungen und Zusammenhänge zu knapp bemessen. Bis zum 4. Quartal 2017 kann
eine derart komplexe Studie in Abstimmung und Beteiligung zahlreicher Akteure unter
Beantwortung einer Vielzahl an bisher ungeklärten Fragestellungen nicht zielführend
erarbeitet werden. Der diesbezügliche Alternativvorschlag zu BPkt. 2 sieht daher eine
Erarbeitung der Ausstiegsszenarien bis frühestens Ende 2018 vor.
Maximal zwei Szenarien
Die eng gestaffelten Zeitpunkte für die im Antrag geforderten drei Szenarien sind unter
Kosten-Nutzen-Aspekten nicht sinnvoll, insbes. da vor allem das Jahr 2026 gegenüber den
beiden anderen Szenarien nach aktueller Einschätzung seitens der Unternehmen keinen
Mehrwert darstellen würde. Der Alternativvorschlag sieht daher einen Verzicht auf ein
zusätzliches Ausstiegsszenario für das Jahr 2026 vor.
Zusammenfassung
Ein Votum über den Antrag in der vorliegenden Form kann vor dem Hintergrund der
dargelegten Implikationen nicht empfohlen werden. Der Alternativvorschlag zum Antrag
würde aus Sicht von Verwaltung und Unternehmen den rechtlichen und zum jetzigen
Zeitpunkt abschätzbaren Entwicklungen sowie den rechtlichen bzw. wirtschaftlichen
Erfordernissen zielorientiert Rechnung tragen.
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