Daten
Kommune
Leipzig
Dateiname
1274613.pdf
Größe
1,1 MB
Erstellt
04.05.17, 12:00
Aktualisiert
21.05.17, 10:04
Stichworte
Inhalt der Datei
Ratsversammlung
Beschlussvorlage Nr. VI-DS-04310
Status: öffentlich
Eingereicht von
Dezernat Allgemeine Verwaltung
Betreff:
Aufhebung des Beschlusses VI-P-01752 vom 24.04.2016 (Beschlusspunkt 5)
betreffend des Verbotes von Wildtieren in Zirkussen
Beratungsfolge (Änderungen vorbehalten):
Gremium
FA Umwelt und Ordnung
Dienstberatung des Oberbürgermeisters
Ratsversammlung
voraussichtlicher
Sitzungstermin
Zuständigkeit
21.06.2017
Vorberatung
Bestätigung
Beschlussfassung
Beschlussvorschlag:
Der Beschluss der Ratsversammlung vom 24.02.2016, VI-P-01752, wird insofern
aufgehoben, als dass gemäß dem letzten Beschlusspunkt städtische Flächen nicht mehr für
Zirkusbetriebe zur Verfügung gestellt werden dürfen, die nichtmenschliche Primaten,
Elefanten, Großbären, Nashörner, Flusspferde und Giraffen mitführen.
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Übereinstimmung mit strategischen Zielen:
nicht relevant
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Sachverhalt:
1. Die Ratsversammlung hat am 24. Februar 2016 mit der Beschlussvorlage VI-P-01752
folgenden Beschluss gefasst:
Die Verwaltung wird bei der Überlassung von Plätzen an Zirkusunternehmen zukünftig die
Platzüberlassungsverträge um die bundesweit geltenden Leitlinien für die Haltung,
Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder ähnlichen Einrichtungen vom
26.10.2005 (sog. Zirkusleitlinie) als Anlage zum Vertrag erweitern.
Des Weiteren soll zukünftig im Platzüberlassungsvertrag den Zirkussen explizit mitgeteilt
werden, dass die Haltung, das Mitführen und der Auftritt von Tieren ausschließlich unter
Einhaltung des geltenden Tierschutzrechts zu erfolgen hat.
Die Zirkusunternehmen sollen weiterführend mit dem Vertrag verpflichtet werden, sofern
Tiere gewerblich gehalten und vorgeführt werden, sich spätestens eine Woche vor Beginn
des Gastspiels beim Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt der Stadt Leipzig zu melden.
Darüber hinaus wird sich die Stadt Leipzig zukünftig in den Verträgen ein außerordentliches
Kündigungsrecht vorbehalten, sofern schwerwiegende Verstöße gegen das Tierschutzrecht
bzw. die benannte Zirkusleitlinie festgestellt werden.
Städtische Flächen dürfen nicht mehr für Zirkusbetriebe zur Verfügung gestellt werden, die
nichtmenschliche Primaten, Elefanten, Großbären, Nashörner, Flusspferde und Giraffen
mitführen
Der Beschluss wurde auf Grund einer Petition gefasst, der mit dem Beschluss stattgegeben
worden ist.
Bereits in der damaligen Vorlage wurde darauf hingewiesen, dass der Beschluss rechtlich
problematisch ist.
2. Mit Schreiben der Landesdirektion Sachsen vom 30. Januar 2017 wurde mitgeteilt, dass
beabsichtigt ist, den Beschluss zu beanstanden. Dabei wurde auf eine neue Entscheidung
des Verwaltungsgerichts Hannover vom 12.01.2017 verwiesen.
Die Verwaltung hat mit Schreiben vom 15.3.2017 seitens des Rechtsamtes Stellung
genommen. Mit Schreiben vom 11.04.2017, zugegangen am 19.04.2017, hat nunmehr die
Landesdirektion mit einem Bescheid den Beschluss bezüglich des letzten Beschlusspunktes,
also nur betreffend des Verbotes der Nutzung von Flächen durch Zirkusse, die
nichtmenschliche Primaten, Elefanten, Großbären, Nashörner, Flusspferde und Giraffen
mitführen, beanstandet. Die sonstigen Beschlusspunkte wurden nicht gerügt. Gleichzeitig hat
die Landesdirektion die sofortige Vollziehung ihres Bescheides angeordnet und die Stadt
Leipzig aufgefordert, bis spätestens zum 21. Juni 2017 den betreffenden Beschlusspunkt
aufzuheben.
Die Landesdirektion verweist darauf, dass die Stadt Leipzig im Bereich des Tierschutzes
keine Kompetenz habe. Insbesondere das Recht der Gemeinden, alle Angelegenheiten der
örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, gebe kein Recht zum Tierschutz.
Der Tierschutz stelle einen überörtlichen Belang dar und keine örtliche Angelegenheit. Allein
das Tierschutzgesetz könne eine Untersagung des Haltens von Tieren oder des Mitführens
von Tieren beinhalten. Eine einschränkende Regelung wurde jedoch nicht erlassen. Zwar
besteht die Möglichkeit durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz das zur Schau Stellen von Tieren
wildlebender Arten an wechselnden Orten zu beschränken. Dies allerdings auch nur, wenn
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diese nur unter erheblichen Schmerzen oder Schäden gehalten werden oder zu den
wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden befördert
werden können. Von dieser Ermächtigung hat das Ministerium keinen Gebrauch gemacht.
Raum für eine abweichende Regelung durch die Gemeinden gebe es daher nicht. Die
Landesdirektion verweist insbesondere auch auf die nunmehr vorliegende Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 2.3.2017, Az. 10 ME 4/17.
Außerdem verstoße das Verbot gegen das Rechtsstaatsprinzip, da das Tierschutzgesetz
Vorrang habe. Des Weiteren würde das Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 GG
eingeschränkt sowie gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG
verstoßen.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass der Beschluss rechtswidrig ist und daher aufzuheben
wäre. Für die Einzelheiten sei auf den anliegenden Bescheid verwiesen.
Zur Wahrung aller Rechtsmittel wurde vorsorglich Widerspruch gegen den Bescheid
eingereicht, um eine ordnungsgemäße Beschlussfassung durch die Ratsversammlung unter
Abwägung aller Varianten zu ermöglichen.
3. Mit der Vorlage wird empfohlen, den Beschluss entsprechend der Rüge durch die
Landesdirektion aufzuheben.
Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung lag noch keine obergerichtliche Entscheidung zur
Frage der Beschränkung von Zirkussen vor. Erstmalig hat das Oberverwaltungsgericht
Lüneburg mit seinem Beschluss vom 02.03.2017 als oberinstanzliches Gericht zur Frage des
Verbots von Wildtieren in Zirkussen Stellung genommen. Das Gericht führt dabei in
nachvollziehbarer Weise aus, dass im Bereich des Tierschutzes allein der Bund zuständig
ist. Dies vor allem, da mit § 11 Abs. 4 TierSchG dem Bundesministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Möglichkeit gegeben wurde durch
Rechtsverordnung ein Verbot umzusetzen. Ein Raum für abweichende Regelung gibt es
demnach nicht. Damit folgt das Gericht den Entscheidungen der Verwaltungsgerichte
Hannover, Chemnitz und Darmstadt. Das Verwaltungsgericht München hatte mit Urteil vom
06.08.2014 als einziges Verwaltungsgericht bisher ein solches Verbot für zulässig erachtet.
Dabei hatte das Gericht ausgeführt, dass die Beschränkung auf ein bestimmtes Angebot und
einen bestimmten Zuschnitt der Darstellungen im Rahmen des gemeindlichen
Gestaltungsspielraumes zulässig ist. Es sei nicht sachfremd oder willkürlich, wenn sich die
Gemeinde am Publikumsinteresse oder den Wünschen und Bedürfnissen ihrer Bevölkerung
bzw. der Besucher orientiert. Allerdings war die Besonderheit in dem Verfahren, das generell
die Anzahl der Aufführungen auf zwei pro Jahr beschränkt worden war und die Auswahl der
Anbieter unter anderem das Verbot von Großwildtieren vorsah. Demgegenüber wurden in
den anderen Fällen ausdrücklich ein Verbot nur für Zirkusse mit Wildtieren vorgesehen und
keine weitere Auswahl getroffen.
Aufgrund der nunmehr vorliegende Entscheidung insbesondere Oberverwaltungsgericht
Lüneburg wie auch der Ausführung der Landesdirektion wird empfohlen, den Beschluss
aufzuheben. Alternativ wäre es allenfalls möglich gegen den Bescheid der Landesdirektion
Widerspruch einzulegen und dann Klage zu erheben vor dem Verwaltungsgericht und im
weiteren dann vor dem Oberverwaltungsgericht Bautzen. Allerdings ist davon auszugehen,
dass die Klage kaum Aussicht auf Erfolg hat.
Insbesondere die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zeigt, dass mit
hoher Wahrscheinlichkeit auch das Oberverwaltungsrecht Bautzen die Klage abweisen
würde. Streitig ist die Frage, wie weit das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden geht.
Hierzu hat die Landesdirektion zu Recht ausgeführt, dass die Frage des Tierschutzes keine
gemeindliche und vor allem keine örtliche Angelegenheit ist. Dazu kommt, dass die
Gemeinde nicht einmal in der Lage ist den Beschluss auch innerhalb ihres Stadtgebietes
umzusetzen, da auch eine Durchführung der Veranstaltung auf privatem Gelände weiter
zulässig wäre. Insofern handelt es sich nur um Regelungen für die eigenen Flächen. Hier ist
festzustellen, dass gemäß dem Tierschutzgesetz das Mitführen der im Beschluss genannten
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Tiere zulässig ist. Sollte im Einzelfall ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vorliegen ist
es auch mit dem Bescheid der Landesdirektion weiterhin möglich im Einzelfall eine
Untersagung der Nutzung der Flächen auszusprechen. Es ist aber einem Zirkus
unbenommen im durch das Tierschutzgesetz vorgegebenen Rahmen Tiere mitzuführen,
aufzuführen und vorzuführen. Die Gemeinde ist nicht berechtigt Regelungen für den
Tierschutz zu treffen. Dies obliegt allein dem Bund.
Weiterhin ist das Aufführen von Tieren eine zulässige Tätigkeit nach Art. 12 GG, so dass
jede Einschränkung außerhalb des Tierschutzgesetzes auch eine Einschränkung des
Grundrechts auf Berufsfreiheit ist. Eine solche Einschränkung kann nur durch ein Gesetz
oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das aber nicht vorliegt und für dessen Erlass die
Kompetenz allein beim Bund liegt. Insofern ist davon auszugehen, dass bei einer Klage
gegen den Bescheid der Landesdirektion mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Gerichte die
Klage abweisen werden. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München stellt eine
Besonderheit in einem Einzelfalle dar, der vorliegend nicht gegeben ist.
Es wird daher empfohlen, den Beschluss insofern er beanstandet worden ist, aufzuheben.
Sollte dem vorliegenden Beschluss nicht zugestimmt werden, so fasst dies die Verwaltung
als Genehmigung zur Durchführung einer Klage – nach entsprechendem Widerspruch sowohl in erster als auch in zweiter Instanz gegen den Bescheid der Landesdirektion auf.
Hier ist darauf hinzuweisen, dass die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet
worden ist, das heißt bis zur abschließenden rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts, die
den Bescheid aufhebt, ist weiterhin ein Zirkus mit Wildtieren zulässig. Ein Eilverfahren ist im
jeden Fall nicht geboten aus den oben genannten Gründen. Weiterhin ist ein Verfahren nur
für die erste Instanz im Hinblick auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Lüneburg
wenig sinnvoll, so dass für den Fall, dass vor dem Verwaltungsgericht die Klage verloren
geht, in jedem Fall auch eine Klage in der Berufungsinstanz geboten ist.
Im Ergebnis wird empfohlen mit dem Beschluss den ursprünglichen Beschluss abzuändern
und aufzuheben.
Anlagen:
Eilbedürftigkeitsbegründung
Bescheid vom 11.04.2017
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Eilbedürftigkeit
Da bis zum 21.06.2017 der Bescheid der Landesdirektion umgesetzt sein muss,
bedarf es einer zügigen Entscheidung. Eine Entscheidung normalen
Verfahrensablauf ist nicht möglich. Weiterhin ist zu beachten, dass bereits
vorsorglich Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt worden ist, da die
Widerspruchsfrist nur einen Monat beträgt und über die Frage, ob der Widerspruch
aufrechterhalten wird oder nicht kurzfristig entschieden werden muss.