Daten
Kommune
Leipzig
Dateiname
1054837.pdf
Größe
11 MB
Erstellt
02.05.17, 12:00
Aktualisiert
10.05.17, 18:59
Stichworte
Inhalt der Datei
Informationsvorlage Nr. VI-DS-02442
Status: öffentlich
Eingereicht von
Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport
Betreff:
Lebendig grüne Stadt am Wasser - Freiraumstrategie der Stadt Leipzig
Beratungsfolge (Änderungen vorbehalten):
Gremium
Dienstberatung des Oberbürgermeisters
FA Umwelt und Ordnung
FA Stadtentwicklung und Bau
Ratsversammlung
voraussichtlicher
Sitzungstermin
Zuständigkeit
21.06.2017
Information zur Kenntnis
Information zur Kenntnis
Information zur Kenntnis
Information zur Kenntnis
Die Freiraumstrategie „Lebendig grüne Stadt am Wasser“ wird zur Kenntnis genommen.
1/8
Übereinstimmung mit strategischen Zielen:
nicht relevant
2/8
Sachverhalt:
1.
Anlass, Motivation und Entstehungsprozess
Zu Beginn des Jahres 2012 hat sich das Amt für Stadtgrün und Gewässer, veranlasst und
motiviert durch die damaligen strategischen Ziele der Kommunalpolitik, die
Handlungsschwerpunkte
des
SEKO
2009
sowie
die
Vorzeichen
des
Bevölkerungswachstums und das bereits damals formulierte Leitbild „Leipzig wächst
nachhaltig“ auf den Weg gemacht, sein gesamtes Aufgabenfeld vor diesem Hintergrund zu
betrachten.
„Leipzig wächst nachhaltig“ ist somit mittlerweile nicht nur Titel des Arbeitsprogramms des
Oberbürgermeisters geworden, sondern war von Beginn an auch Leitmotiv der vorliegenden
Freiraumstrategie für die grün-blaue Entwicklung der Stadt. Es liegt im Wesen dieser
Strategie, die politischen Ziele des Arbeitsprogrammes 2020 (AP 2020) mit dem fachlichen
Fokus entsprechend zu untersetzen und auszudifferenzieren.
Dies gilt im Kern natürlich für die Handlungsfelder der grün-blauen Infrastruktur und die im
AP 2020 dazu formulierte Zielsetzung der Qualitätsverbesserung im Bestand und der
gezielten Ergänzung. Hier wird für alle einzelnen Bestandteile dieser Infrastruktur, wie z. B.
Parkanlagen, Grüne Stadtplätze und die Gewässer, aber auch für Kleingartenanlagen und
Spielplätze aufgezeigt, was Qualitätsverbesserung im Bestand und eine gezielte Ergänzung
jeweils bis 2030 heißt, welche Handlungsansätze dazu verfolgt und welche Anforderungen
an das Management damit verbunden werden. Aber auch zu anderen Handlungsfelder aus
dem AP 2020, die für das Amt für Stadtgrün und Gewässer aufgrund seines ständigen und
vielfältigen Kontaktes mit den Nutzerinnen und Nutzern des Freiraums von großer
Bedeutung sind, wie z. B. Inklusion, Anerkennungskultur für das Ehrenamt, Förderung von
Freiraum und Kreativität, Gesunde-Städte-Netzwerk oder Infrastrukturpolitik für
benachteiligte Stadtteile oder Sportförderung formuliert die Freiraumstrategie einen Beitrag
und entsprechende Ziele.
Intention des Amtes für Stadtgrün und Gewässer war es vor allem, den Beitrag von
Stadtgrün und Gewässern für eine auch zukünftig attraktive und lebendige Stadt zu
analysieren und daraus fachliche Ziele mit dem Zeithorizont des Jahres 2030 abzuleiten.
Eine weitere Intention war es, im Amt selbst einen umfassenden Austausch- und
Diskussionsprozess zu vollziehen. Im Ergebnis ist ein gemeinsames Selbstverständnis zum
fachlich zielgerichteten Umgehen mit zukünftigen Herausforderungen erarbeitet worden, mit
dem auch für die Politik und Öffentlichkeit valide Grundhaltungen des Amtes nachvollziehbar
und als Grundlage für zukunftsorientierte Diskussionen zur Entwicklung der Stadt Leipzig
insgesamt offengelegt werden.
Die Erarbeitung erfolgte somit im ersten Schritt im Wesentlichen im Rahmen eines
amtsinternen Beteiligungsprozesses mit mehreren Workshops und zahlreichen
Abstimmungen. Die Zwischenergebnisse wurden mit den städtischen Partnern, aber auch
mit Blick auf andere Städte sowie die gegenwärtige, bundesweite Fachdiskussion weiter
entwickelt. Im nächsten Schritt wurden sie gemeinsam mit den korrespondierenden
Aufgabenfeldern der Landschaftsplanung im Stadtplanungsamt, der Landwirtschaft im
3/8
Liegenschaftsamt und dem Eigenbetrieb Stadtreinigung weiter ausformuliert und mit den
weiteren vom Themenfeld berührten Ämtern und Dezernaten abgestimmt.
2.
Inhalte und Kernaussagen
Das Ergebnis dieses Prozesses, in dem auch aktuelle Entwicklungen und Diskussionen
(Integration bzw. Inklusion, Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements) sowie jüngste
Erfahrungen (Clara-/ Johanna-Park-Prozess) zuletzt noch einmal aufgenommen wurden,
wird hiermit in Form der Freiraumstrategie „Lebendig grüne Stadt am Wasser“ vorgelegt.
Darin wird erstmals eine umfassende Standortbestimmung zur Ausprägung und Struktur, zu
Funktionen und zur Nutzungsvielfalt der grünen und blauen Infrastruktur Leipzigs unter dem
Titel „Leipzig heute“ erarbeitet. Diese Standortbestimmung bietet die Basis und eröffnet die
Chance, den Blick nach vorn zu richten. Unter dem Motto „Leipzig im Jahr 2030“ werden die
mittelfristigen fachlichen Zielvorstellungen entwickelt. In diesen Zielvorstellungen werden die
angesprochenen Grundhaltungen und das zukunftsgerichtete Selbstverständnis zur
Freiraumentwicklung der Stadt deutlich. Sie geben eine Orientierung und sollen für die
kommenden Jahre handlungsleitend sein.
Horizontal zu dieser dargestellten und für alle behandelten Themen angelegten Struktur von
„Leipzig heute“ und „Leipzig im Jahr 2030“, ist die Freiraumstrategie in drei Teile gegliedert.
Im ersten Teil werden die „Freiraumkategorien der Stadt“ vom übergreifenden
Gesamtsystem der grünen und blauen Infrastruktur bis hinunter zu seinen kleinsten
Bestandteilen, etwa den grünen Stadtplätzen oder den Kleingärten, behandelt (siehe
Inhaltsverzeichnis in der Anlage 1 „Lebendig grüne Stadt am Wasser“). Aufgrund ihrer
Zugehörigkeit zum System des Stadtgrüns und der Gewässer sowie aufgrund diverser
Aufgabenverzahnungen werden hier sämtliche Kategorien unabhängig von Zuständigkeiten
thematisiert, so etwa auch das private Grün im Wohn- und Arbeitsumfeld oder die
Außenräume von Kindergärten und Schulen.
Im zweiten Teil werden die „übergreifenden Handlungsfelder“ behandelt. So unter der
Überschrift „Stadtgrün und Gewässer für die Menschen“ die soziokulturellen Aspekte, unter
„Stadtgrün und Gewässer für Klima und Umwelt“ ökologische Aspekte und unter „Stadtgrün
und Gewässer als Wirtschaftsfaktor“ auch ökonomische Aspekte. Damit werden alle Säulen
der Nachhaltigkeit in die Betrachtung und Positionierung einbezogen.
Der dritte Teil widmet sich dem „Management von Stadtgrün und Gewässern“ und damit vor
allem den Aufgaben der Erhaltung und Verbesserung der Funktions- und Nutzungsfähigkeit
im Bestand und ihrer zielgerichteten Erweiterung bzw. Weiterentwicklung. Zum Management
des Aufgabenfeldes gehören aber auch die Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung, der
Wissenstransfer, das Kompensationsflächenmanagement oder die interkommunale
Zusammenarbeit.
Unter dem Leitmotiv der nachhaltig wachsenden Stadt, die den prognostizierten
gesellschaftlichen und umweltbedingten Veränderungen gerecht werden muss, zeichnet sich
in der Summe der formulierten Zielvorstellungen der Strategie insgesamt ein gut vernetztes,
4/8
in gestalterischer und funktionaler Qualität weiter verbessertes Freiraumsystem aus
Stadtgrün und Gewässern als handlungsleitend ab.
Die dafür erforderliche Qualitätssicherung und -entwicklung basiert auf zwei Säulen: Zum
Einen ist eine erhöhte Aufmerksamkeit auf den Bestand zu richten, mit dem Fokus
vorhandene Werte zu erhalten und die Funktions- und Nutzungsfähigkeit des Bestandes zu
sichern und weiter zu verbessern. Zum Anderen bleibt die gezielte Ergänzung des Freirauminkl. des Gewässersystems, synchronisiert mit dem Wachstum insgesamt, eine wichtige
Aufgabe.
Beispielhaft sollen hier aus Teil I der Strategie einige Zielformulierungen für „Leipzig im Jahr
2030“ herausgegriffen werden, die diese qualitätsorientierte Entwicklungslinie in einzelnen
Kapiteln untersetzen:
„Grün-blaue Infrastruktur“:
•
•
Höchste Aufmerksamkeit auf die Vernetzung und Erreichbarkeit der
Erholungsangebote unter dem Motto „Stadt der kurzen Wege“ (Freiraumversorgung)
Stellung von Flächen im Freiraumsystem als maßgebliche Entscheidungsgrundlage
für oder gegen bauliche Inanspruchnahme (Freiraumvernetzung)
„Parks“:
•
•
•
Erfüllung beachtlicher sozialer Funktionen, Garanten der Offenheit und Gastlichkeit
Leipzigs, frei und unentgeltlich zugänglich
Entwicklungskonzeptionen für besonders intensiv genutzte Parkanlagen
Neue Parkanlagen mit teilweise extensiven Formen der Gestaltung bei hoher
Gestaltqualität
„Stadtbäume“:
•
Gesund und vital aufgrund bestmöglicher Standort- und Wachstumsbedingungen
„Wald“:
•
•
Nachhaltige Sicherung einer großen Baumartenvielfalt und eines hohen
Strukturreichtums
Gesamtkonzept des Auenerhaltes und der Auenentwicklung
„Gewässer“:
•
•
•
Gewässerverbund in der Stadt und mit dem Umland prägt und gliedert die
Stadtlandschaft
Gewässer als attraktive, gut zugängliche Erholungs- und Erlebnisräume
Gewässer mit gewässertypischen Lebensräumen mit gutem ökologischen Zustand
bzw. Potenzial
„Friedhöfe“:
•
•
•
Orte der Bestattung und der Trauerbewältigung, zugleich Ruhe- und Erholungsraum
für alle sowie Entfaltungsraum der Stadtnatur
Stärkung der Einbindung in das städtische Freiraumsystem
Gesamtkonzeption für den Südfriedhof unter dem Motto „Friedhof im Park“
5/8
„Kleingärten“:
•
•
Entwicklung offener und attraktiven Anlagen weckt Interesse bei neuen
Nutzergruppen
Erhöhung der Funktion für die Allgemeinheit durch verstärkte Einbindung in das
Freiraumsystem
„Spielräume“:
•
•
•
Die Stadt als Ganzes als attraktives Lebensumfeld für Kinder und Jugendliche
Konzept „Spielen in der Stadt“ und quartiersbezogene Spielpässe als obligatorische
Entscheidungsgrundlage in allen Planungsprozessen
Spielangebote generationsübergreifend nutzbar
„Sondergärten und Gedenkorte“:
•
Gedenkorte als zeitgemäße Antwort zur Erinnerung im öffentlichen Raum
„Brachflächen“:
•
Revitalisierung im ausgewogenen Verhältnis zwischen baulicher und
freiraumbezogener Nutzung
„Landwirtschaft und Gartenbau“:
•
•
3.
Wichtiger Wirtschaftszweig für die Versorgung der Stadt mit regionalen Produkten
Erhalt und Entwicklung der Kulturlandschaft
Weitere Schritte
Mit der vorliegenden Freiraumstrategie „Lebendig grüne Stadt am Wasser“ möchte die Stadt
ihr Selbstverständnis sowie ihre Grundhaltungen und damit ihr fachliches Leitbild im Kontext
des übergeordneten Leitbildes „Leipzig wächst nachhaltig“ und die damit verbundenen
Herausforderungen der Zukunft offen darlegen.
Darüber hinaus möchte die Stadt damit aber auch eine Grundlage legen, für
fachübergreifende und durchaus öffentliche Diskussionen über die zukünftige,
gesamtstädtische Entwicklung der grünen und blauen Infrastruktur in Leipzig sowie deren
Wert und zukünftige Funktionen.
Gleichzeitig strebt die Stadt unter Federführung des Amtes für Stadtgrün und Gewässer eine
räumliche Konkretisierung ihrer Strategie an, um mittel- bis langfristig das Freiraumsystem
flächenbezogen sichern und entwickeln zu können.
Entsprechend sind als weitere Schritte die
• Veröffentlichung der Freiraumstrategie sowie
• räumliche Konkretisierung in Form eines Entwicklungskonzeptes für die grün-blaue
Infrastruktur (Arbeitstitel „Masterplan Grün Leipzig 2030“) unter Beteiligung der
Öffentlichkeit
vorgesehen.
6/8
3.1
Veröffentlichung
Nur mit einer Veröffentlichung wird es möglich, das erarbeitete Selbstverständnis und die
entsprechenden fachlichen Grundhaltungen sowie die herausgearbeiteten Potenziale der
grünen und blauen Infrastruktur für eine nachhaltig wachsende Stadt Leipzig für alle
nachvollziehbar vorzustellen und diese Erkenntnisse aus dem fachlich fokussierten
Diskussionsprozess für weitere, gesamtstädtische und querschnittsorientierte, trans- und
interdisziplinäre Diskussions-, Beteiligungs- und Entwicklungsprozesse zur Verfügung zu
stellen (siehe 3.2). Aktuell kann eine Veröffentlichung vor allem auch den laufenden Prozess
zur Fortschreibung des INSEK befruchten, nicht nur im Fachkonzept Freiraum und Umwelt
auch zum Beispiel im Fachkonzept Sport.
3.2
Räumliche Konkretisierung durch ein entsprechendes Entwicklungskonzept
Auch der Bund, speziell das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit (BMUB), arbeitet derzeit intensiv am Thema Stadtgrün und wird dazu im
laufenden Jahr ein Handlungsprogramm mit konkreten Maßnahmen zur Stärkung des
Stadtgrüns vorlegen. Es ist bereits angekündigt, dass in Zukunft entsprechende
Förderprogramme zur Stadtentwicklung insbesondere die grün-blaue Infrastruktur gezielt
einbeziehen werden.
Der Erarbeitungsprozess zur vorliegenden Freiraumstrategie hat die großen Potenziale eines
über Jahrhunderte angelegten Grün- und Gewässersystems, aber auch offenkundige
Defizite - begründet durch unterbliebene Investitionen in die Substanz und die
Komplettierung des Freiraumsystems, durch gestiegene Nutzungsintensitäten und
intensivere Nutzungsformen, durch klimatische Veränderungen und andere Umwelteinflüsse
- deutlich gemacht.
Die vorliegende Freiraumstrategie hat bereits während des Bearbeitungsprozesses aktuelle
Anknüpfungspunkte für die Fortschreibung des INSEK, insbesondere im Fachkonzept
Freiraum und Umwelt geliefert. Um zukünftig auch außerhalb der Schwerpunkträume des
INSEK für anstehende Entscheidungen zur räumlichen Entwicklung der Stadt, d. h. als
raumkonkrete Untersetzung von INSEK und Freiraumstrategie, ein gesamträumliches
Konzept zur Sicherung und Ergänzung von zukunftsrelevanten Freiraumfunktionen zur
Verfügung zu haben, soll bis zum Jahr 2019 ein entsprechend flächenbezogenes
Entwicklungskonzept für die grün-blaue Infrastruktur (Arbeitstitel „Masterplan Grün Leipzig
2030“) erarbeitet werden. Dazu ist ein entsprechender Beteiligungsprozess vorgesehen.
Ein solches Freiraumentwicklungskonzept soll als beständiges, GIS-gestützes
Managementinstrument entwickelt werden, das vor allem auch eine Bewertung der
Freiraumfunktionen in Verschneidung mit den sozialräumlichen Daten der Quartiere
ermöglicht. Um auf entsprechende Herausforderungen und Veränderungen in der
wachsenden Stadt adäquat, d. h. stringent, fokussiert und nachhaltig reagieren und
dauerhaft eine hohe Lebensqualität garantieren zu können, muss dieses System alle in der
Freiraumstrategie thematisierten Freiraumkategorien und Handlungsfelder abbilden. Es wird
angestrebt, damit mittelfristig ein einheitliches Basissystem für das Amt für Stadtgrün und
Gewässer, den Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig sowie die Bauhöfe zur
7/8
querschnittsorientierten Steuerung
Freiraumqualitäten zu entwickeln.
der
Freiraumentwicklung
sowie
Sicherung
der
Zur Erarbeitung einer ersten Fassung dieses „Masterplan Grün Leipzig 2030“ bis zum Jahr
2019 konnte vom Amt für Stadtgrün und Gewässer Ende des Jahres 2016 eine Projektskizze
in den kurzfristigen Projektaufruf des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung
(BBSR) für ein neues ExWoSt-Forschungsfeld „Green Urban Labs“ eingebracht werden.
Kurz vor Jahresfrist erfolgte die Rückmeldung, dass diese Projektskizze als förderfähig
beurteilt worden ist, so dass am 06.12.2016 noch eine konkrete Antragstellung erfolgen
konnte. Mit Eingang eines Schreiben des BBSR am 05.01.2017 liegt dem Amt für Stadtgrün
und Gewässer dazu nunmehr ein Zuwendungsbescheid in Höhe von 158.000 € für die
Konzeptentwicklung inkl. Beteiligungsprozess und Managementansatz im Zeitraum von 2017
bis 2019 vor. Der zusätzlich erforderliche Eigenanteil in gleicher Größenordnung kann aus
dem vorhandenen Budget des ASG durch Finanzmittel in Höhe von 75.000 € sowie
entsprechende „unbare“ Eigenleistungen (Personaleinsatz) in den Jahren 2017 bis 2019
gedeckt werden.
Anlage:
8/8
LEBEndig Grüne stadt am wasser
Freiraumstrategie Der Stadt Leipzig
Lebendig grüne Stadt am Wasser
Freiraumstrategie der Stadt Leipzig
Redaktion:
Torsten Wilke und Peter Fibich
INHALT
ZWEITER TEIL: Übergreifende Handlungsfelder
Stadtgrün und Gewässer für die Menschen - soziokulturelle Aspekte
101
Passive Erholung
101
Aktive Erholung
104
Vorwort
2
Veranstaltungen und Gastronomie
108
Einleitung
5
Inklusion
110
Planungs- und Baukultur
112
ERSTER TEIL: Die Freiraumkategorien der Stadt
Grün-blaue Infrastruktur und Landschaftsplanung
15
Stadtgrün und Gewässer für Klima und Umwelt - ökologische Aspekte
117
Parks
23
Daseinsvorsorge
117
Grüne Stadtplätze und Grünanlagen
29
Biodiversität
118
Stadtbäume
33
Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel
121
Wald
37
Stadtgrün und Gewässer als Wirtschaftsfaktor - ökonomische Aspekte
125
Gewässer
43
Tourismus
125
Erholungsgebiete
49
Wertschätzung und wirtschaftlicher Ertrag
128
Friedhöfe
55
DRITTER TEIL: Das Management von Stadtgrün und gewässern
Kleingärten
59
Grünflächenmanagement und Monitoring
135
Gemeinschaftsgärten
65
Gewässermanagement
141
Wohnumfeld
67
Partizipation und bürgerschaftliches Engagement
145
Arbeitsumfeld
71
Öffentlichkeitsarbeit
149
Spielräume
75
Wissenstransfer, Forschung und Kooperation
153
Freiräume an Kindertageseinrichtungen und Schulen
81
Kompensationsflächenmanagement
157
Sondergärten und Gedenkorte
85
Interkommunale Kooperationen
163
Brachflächen
89
Fazit
167
Landwirtschaft und Gartenbau
95
Kommentar
168
1
vorwort
Wir haben Förderprogramme von EU, Bund und Land gezielt genutzt, die Gewässer bis ins Stadtzentrum ans Licht geholt und diese Grundstrukturen planvoll
ergänzt, wo sich Möglichkeiten dazu ergaben, etwa wenn Nutzungen aufgegeben wurden und neue Freiräume, Grün- und Gewässerachsen entwickelt werden
konnten.
Heute haben sich die Vorzeichen geändert. Die in Zeiten der Schrumpfung sehr
erfolgreiche und bundesweit beachtete Freiraumpolitik der Stadt muss neu
justiert werden. Flächeninanspruchnahme und der Nutzungsdruck auf unsere
grüne und blaue Infrastruktur steigen mit dem Bevölkerungszuwachs. Die Auswirkungen des Klimawandels werden fühlbar, etwa wenn Extremereignisse wie
Starkregen, aber auch Hitzebelastungen zunehmen.
Liebe Leipzigerinnen und Leipziger, verehrte Gäste,
Leipzig ist eine attraktive und derzeit überaus dynamische Stadt. Dass das Stadtgrün und die Gewässer dazu einen wesentlichen Beitrag leisten, zeigen uns unter
anderem die Ergebnisse der Bürgerumfragen, die regelmäßig hohe Zufriedenheitswerte über das Angebot und die Qualität von Grünflächen belegen. Gleiches
gilt bezüglich der Entwicklung der Gewässerlandschaft in Stadt und Umland.
„Leipzig wächst nachhaltig“ – das ist nicht nur der Lohn langjähriger Anstrengungen, sondern auch Verpflichtung und Aufgabe. Nie waren unsere Parkanlagen
und Gewässer, die allen Menschen unentgeltlich offen stehen, so vielfältig und
intensiv genutzt wie heute. Wir erleben eine Renaissance der öffentlichen städtischen Räume.
„Wenig andere Städte des Kontinents können eine ähnlich günstige Grundlage
für ihre Grünpolitik aufweisen“, schrieb Stadtbaurat Hubert Ritter über Leipzig
bereits vor 90 Jahren. Er spielte dabei insbesondere auf die ausgedehnten Flächen des Leipziger Auwaldes an, welche die Stadt von Nordwesten nach Süden
im breiten Band durchziehen.
Diese Grundstrukturen der Landschaft sind bis heute in unserer Stadt ablesbar.
Sie genießen einen hohen, in weiten Teilen sogar europäischen Schutzstatus.
2
Unsere grüne Infrastruktur ist durch die in Art und Umfang neuen Anforderungen der Freizeit- und Erholungsnutzung vielfältig gefordert. Um dem gerecht zu
werden, muß die Stadtentwicklung noch stärker als bisher auch vom Freiraum,
das heißt von den landschaftlichen Grundstrukturen her, gedacht werden. Nur
mit einem entsprechenden Vorsorgeansatz wird es uns gelingen, Leipzig auch in
Zukunft in jeder Hinsicht lebenswert zu gestalten.
Angesichts dieser neuen Herausforderungen, die das erfreuliche Wachstum der
Stadt und die neue Lust der Menschen am Aufenthalt im städtischen Freiraum,
aber auch der Klimawandel mit sich bringen, ist zuerst einmal eine konsequente
Bewahrung des Bestehenden erforderlich, damit die Versorgung der Stadtbevölkerung mit dem für Erholung und Gesunderhaltung so grundlegenden „Grün“ und
„Blau“ aufrechterhalten werden kann. Um aber dem Anstieg von Nutzungsdruck
und Nutzungsvielfalt gerecht werden zu können, stellt darüber hinaus auch die
weitere Qualifizierung der vorhandenen Freiräume, auch in Bezug auf die Stärkung ihrer ökologischen Funktionen, eine zentrale Herausforderung dar. Letztlich
geht es künftig auch um räumliche Erweiterungen dort, wo Lücken im bestehenden Freiraumverbund zu schließen sind.
Die Freiraumstrategie der Stadt Leipzig „Lebendig grüne Stadt am Wasser“ gibt
eine umfassende Standortbestimmung zur Ausprägung und Struktur, zu Funktionen und zur Nutzungsvielfalt des Leipziger Grün- und Gewässersystems. Im
ersten Schritt ist hiermit eine strukturierte Analyse und strategisch-konzeptionelle Betrachtung vorgelegt worden, um darauf aufbauend Ziele für die Zukunft
zu definieren und an die veränderten Rahmenbedingungen angepasste Schwerpunktsetzungen und Handlungsansätze zu entwickeln.
Die Freiraumstrategie thematisiert das Stadtgrün und die Gewässer in soziokultureller, ökologischer und ökonomischer Hinsicht und arbeitet auf diese Weise
deren Bedeutung für die Stadtgesellschaft heraus. Schließlich zeigt sie die
Bemühungen, welche die Stadt zur Erhaltung und Weiterentwicklung ihrer grünblauen Infrastruktur in der Vergangenheit bis in die Gegenwart aufgebracht hat.
Denn wie der Baumeister Fritz Schumacher bereits im Jahr 1932 treffend feststellte: „Freiflächen verschwinden, wenn man sich nicht um sie kümmert!“ Es
bedarf eines großen Aufwandes an Investitionen, an Werterhaltungs- und Pflegemaßnahmen wie auch an Managementaufgaben, um das Freiraumsystem der
Stadt allein in seiner heutigen Form und Größe aufrecht zu erhalten.
Mit der Freiraumstrategie zeigen wir die Bedeutung der vielfältigen Formen und
Funktionen von Stadtgrün und Gewässern auf und legen die Prämissen zum
zukünftigen Umgang mit dieser für die Umwelt- und Lebensqualität in Leipzig
wichtigen, grün-blauen Infrastruktur dar. Auf dieser Basis werden wir nun bei der
Erarbeitung des „Masterplan Grün Leipzig 2030“, jeweils räumlich konkretisiert,
den Dialog mit der Bürgerschaft suchen. Lassen Sie uns im Gespräch bleiben und
das mittlerweile fest verankerte Motto für das gemeinsame Engagement Vieler für den Clara-Zetkin- und Johannapark: „Unser Park“ auf die gesamte Stadt
übertragen und weiterentwickeln zu einem gemeinsamen Entwicklungsziel für
„Unsere Lebendig grüne Stadt am Wasser“.
Nachhaltiges Wachstum einer Stadt bedeutet auch, dass die für die Umwelt- und
damit Lebensqualität wichtige grün-blaue Infrastruktur entsprechend mitwachsen muss, sowohl qualitativ als auch quantitativ. Es braucht dazu Schwerpunktsetzungen im Ausgleich zwischen unterschiedlichen Nutzungsansprüchen, aber
auch Rückzugsräume, die hier und da auch zu Nutzungseinschränkungen und
Schutzmaßnahmen führen können.
Ihr Heiko Rosenthal
Es braucht eben so sehr einen wohl abgewogenen Ausgleich zwischen baulicher
Innenentwicklung und Nachverdichtung auf der einen und der Freihaltung von
Flächen, die wir für die künftige Freiraumentwicklung benötigen, auf der anderen Seite. Diese Strategie wird mit dem Schlagwort „Doppelte Innenentwicklung“
beschrieben.
Bürgermeister und Beigeordneter für Umwelt, Ordnung, Sport
In der vorliegenden Strategie werden dafür Leitbilder und Qualitätsziele mit Perspektive auf das Jahr 2030 entwickelt. Sie sollen zukünftig Maßstab für Entscheidungen im Umgang mit Freiflächen, deren Planungen und für konkrete Aufgabenstellungen sein.
Damit ist der Prozess der Auseinandersetzung mit aktuellen Herausforderungen nicht abgeschlossen. Nun steht die Aufgabe an, das hier Dargelegte in die
Tat umzusetzen. Zuvorderst ist – nicht zuletzt aufgrund der großen Bautätigkeit in der Stadt – eine Übersetzung der Freiraumstrategie in konkrete räumliche
Schwerpunktsetzungen und Entwicklungsvorstellungen vonnöten. Die aktuellen
Arbeiten am Integrierten Stadtentwicklungskonzept INSEK 2030 und das darin
enthaltene Fachkonzept Freiraum und Umwelt liefern dafür wichtige Ansatzpunkte. Wir haben uns vorgenommen, in einer Art „Masterplan Grün Leipzig
2030“ die Entwicklungsvorstellungen räumlich für die Gesamtstadt zu konkretisieren, um Leipzig weiter als lebendig grüne Stadt am Wasser zu entwickeln.
3
4
Einleitung
Zielstellung und Methodik Die vorliegende Freiraumstrategie nimmt
einerseits eine Standortbestimmung vor. Wie steht es um das Stadtgrün und die
Gewässer in Leipzig heute? Welche Kategorien werden betreut, welche Aufgaben
zu ihrer Erhaltung und Weiterentwicklung übernimmt die Stadt? Diese Bestimmung und Einordnung des Status quo unter dem Titel „Leipzig heute“ erfolgt
sowohl nach innen – als Selbstvergewisserung der Aufgabenfelder in der Verwaltung – als auch nach außen als Instrument der so wichtigen Öffentlichkeitsarbeit
in diesem Themenfeld, dessen Wahrnehmung und Wertschätzung nicht immer
selbstverständlich ist.
Leipzig ist eine grüne Stadt! Der Blick von einem der Türme der Stadt
bietet dem Betrachter das Bild einer in dichtes Grün eingebetteten Bebauung.
Insbesondere der große, in Innenstadtnähe zur Parklandschaft ausdifferenzierte
Grünzug des Auwaldes, der Leipzig von Süden nach Nordwesten durchzieht, tritt
als kräftiges grün-blaues Rückgrat der Stadt in Erscheinung. Hinzu gesellen sich
zahlreiche Parks, grüne Plätze und Grünanlagen, Friedhöfe, Kleingartenanlagen
und viele weitere Freiräume, welche das Leipziger Stadtgrün zu einem engmaschigen und vielgestaltigen Netz verweben.
Andererseits, und hier liegt das inhaltliche Gewicht dieses strategischen Papiers,
werden mittelfristige Zielvorstellungen formuliert. Diese Ziele, wie wir uns Leipzig, sein Stadtgrün und die Gewässer im Jahr 2030 vorstellen, sind in vielen Fällen
übergreifender Natur. Sie betreffen aber auch zahlreiche Details des so vielseitigen Agierens in den jeweiligen Handlungsfeldern. Wo wollen wir hin? Was wollen
wir künftig erreichen? In den Zielstellungen, entwickelt aus der zukünftigen Sicht
des Jahres 2030, werden Grundhaltungen und das künftige Selbstverständnis
festgelegt. Die Zielvorstellungen geben eine Orientierung und sollen für die kommenden Jahre handlungsleitend sein. Aus der Vielzahl von Handlungsoptionen
werden vor dem Hintergrund begrenzter Mittel Ziele fokussiert und die zukunftsfähigen unter ihnen ausgewählt.
Leipzig ist eine lebendig grüne Stadt! Das Titelbild dieser Broschüre,
aufgenommen im Richard-Wagner-Hain am Ufer des Elsterbeckens an einem
Sonntag im Frühjahr, ist dafür typisch. Die städtischen Freiräume sind offen für
alle. Sie laden jeden Menschen unabhängig seines Alters, seiner sozialen, nationalen oder religiösen Herkunft, seiner Neigungen, seines Gesundheitszustandes
und seines Geschlechtes zum Besuch. Die etwa seit Mitte der 1990er Jahre wiederentdeckte und stetig wachsende Urbanität mitteleuropäischer Städte spielt
sich in hohem Maße im Freiraum ab: auf den Straßen und Plätzen, insbesondere
aber auch in den grünen Stadträumen und auf den Gewässern. Die Einladung zur
„Besitzergreifung des Rasens“ und des Wassers wurde nach 1990 neu ausgesprochen und wird vom Publikum seither tausendfach angenommen. Die Kreativität und Offenheit bei der Nutzung der öffentlichen Freiräume durch die Bürgerinnen und Bürger der Stadt und ihre Gäste hat ungeahnte Dimensionen und
überaus vielgestaltige Formen angenommen. Dieser Prozess, eine internationale
Erscheinung im Zuge der Reurbanisierung unserer Städte, ist sehr zu begrüßen
und stellt zugleich eine große Herausforderung an die Planung, Verwaltung und
Werterhaltung der Grünflächen und der Gewässer dar.
Und schließlich: Leipzig ist eine lebendig grüne Stadt am Wasser!
Der „Leipziger Gewässerknoten“, über Jahrhunderte künstlich überformt und
schließlich im Zuge der Industrialisierung und des Braunkohlenbergbaus devastiert und überwölbt, wird seit 1990 ans Licht geholt, saniert und der neuerlichen
Nutzung und Wirkung im Stadtraum zugeführt. Leipzig ist zudem Bestandteil
des Leipziger Neuseenlandes, das sich im weiten Radius vom Norden (BitterfeldWolfen) über die westlichen Regionen an der Saale bis nach Süden an die thüringische Landesgrenze erstreckt.
Horizontal zu dieser, alle behandelten Themen betreffenden Vertikalstruktur ist
„Lebendig grüne Stadt am Wasser“ in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil werden die Freiraumkategorien vom übergreifenden System bis hinunter zu den
kleinsten Bestandteilen, etwa den grünen Stadtplätzen oder den Kleingärten,
behandelt. Die Typologie dieser Kategorien orientiert sich an den in der Profession gängigen Einordnungen sowie an den Leipziger Besonderheiten. So werden
etwa Brachflächen, die andere Städte nicht in diesem Umfang besitzen, als eine
gesonderte Kategorie thematisiert. Nicht berücksichtigt sind allerdings vereinsgebundene Sportflächen, die vom Amt für Sport betreut werden und ganz speziellen Anforderungen unterliegen.
Foto Seite 4:
Der Blick von oben
offenbart die enge Verzahnung von Auwald,
Parks und Siedlungsstrukturen in Leipzig.
Wichtig ist der Hinweis, dass die im ersten Teil behandelten Freiraumkategorien
in der Zuständigkeit unterschiedlicher Ämter liegen und nicht allein vom Amt
für Stadtgrün und Gewässer verantwortet werden. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum System des Stadtgrüns als Ganzes und wegen diverser Aufgabenüberschneidungen werden sie hier unabhängig von Zuständigkeiten thematisiert. Die
Rede ist von Freiräumen des zumeist privaten Wohn- und des Arbeitsumfeldes,
von den Flächen der Landwirtschaft und des Gartenbaus (verantwortet durch
5
das Liegenschaftsamt), von grünen Sportfreiflächen (in Verwaltung des Amtes
für Sport) sowie den Außenräumen von Kindertageseinrichrtungen und Schulen
(Amt für Jugend, Familie und Bildung). Letztere werden bei Neu- und Umgestaltungsmaßnahmen häufig durch das Amtes für Stadtgrün und Gewässer als Baufachamt vertreten.
Im Kern behandelt die Strategie aber die Arbeitsgebiete des Amtes für Stadtgrün
und Gewässer der Stadt Leipzig. Themenbezogen gibt es jedoch viele Schnittmengen zu benachbarten Arbeitsfeldern, die zum Stadtgrün und den Gewässern
in Sach- und Arbeitszusammenhängen stehen. So gibt es viele Berührungspunkte zur Landschafts- und Grünordnungsplanung (Stadtplanungsamt), welche
in einem Exkurs thematisiert wird, zur Sport- und Sportstättenplanung (Amt für
Sport) sowie zur Grünflächenunterhaltung (Eigenbetrieb Stadtreinigung).
Die Freiraumstrategie argumentiert im ersten Teil vielfach mit den Schlagworten „Grün“ und „Blau“. Dennoch sind keineswegs nur Grünräume und Gewässer
gemeint, sondern in ihrem Kontext stets auch das „Grau“ der Stadt: die Wege
und Verkehrsflächen in den Grünanlagen, der Außenraum in seiner gesamten
Vielfalt und Komplexität. Gleichwohl spielen die von Vegetation und vom Wasser
geprägten Freiräume hier eine zentrale Rolle.
Im zweiten Teil werden übergreifende Arbeitsfelder der Freiraumsicherung und
-entwicklung behandelt: soziokulturelle Aspekte wie Erholung und Veranstaltungen, gesundheitliche Aspekte wie Bewegung und Sport, ebenso das Thema der
zunehmend an Bedeutung gewinnenden Inklusion. Weiterhin gehört das Interesse dieses Teils der Freiraumstrategie ökologischen und ökonomischen Aspekten der grün-blauen Infrastruktur.
Im dritten Teil schließlich sind Fragen des Managements des Stadtgrüns und der
Gewässer behandelt, außerdem Sonderthemen wie das Kompensationsflächenmanagement und die interkommunale Kooperation mit den Umlandgemeinden.
Die Behandlung der vielfältigen Themen erfolgt maßnahmen- und zielorientiert.
Für Aufgaben, welche sich aus den sozialen, funktionalen, verkehrstechnischen,
klimatischen und weiteren Veränderungen der Stadt und ihrer Grünflächen und
Gewässer ergeben, werden übergreifende wie auch konkrete Ziele formuliert.
Im Zuge der Darstellung des Status quo, mehr aber noch bei der Formulierung
der Ziele, stellt sich die Frage nach nachvollziehbaren und „abrechnungsfähigen“
Indikatoren. Es wurde weitgehend darauf verzichtet, dies in Zahlen und Fakten
widerzuspiegeln. Zahlreiche Parameter in diesem Themenfeld sind nicht exakt
6
zähl- oder messbar; derartige Versuche scheitern immer wieder oder sie sind
ohne Auswirkung auf das tatsächliche Leben. Selbst der Versorgungsgrad der
Bewohner mit Freiräumen ist - an der Realität gemessen - ein überaus kritisch zu
bewertender Indikator. Die durchschnittliche Versorgung mit öffentlichem Grün
liegt in Leipzig derzeit bei 15,9 Quadratmetern pro Einwohner. Dies ist im Bundesvergleich ein durchschnittlicher Wert. Doch ist die Freiraumversorgung stark
von der Lage der Stadtteile zum Auwald und anderen großen Freiräumen, von
der Zugänglichkeit und tatsächlichen Nutzbarkeit abhängig, was in derartigen
Gesamtzahlen keine Berücksichtigung findet.
Indikatoren werden daher nur aufgeführt, wenn sie sinnvoll erscheinen und überprüfbar sind. Alle weiteren Zielstellungen sind verbaler Natur und enthalten Perspektiven und Lösungsansätze, genährt aus der täglichen Erfahrung bei der Verwaltung, Planung, Bau und Unterhaltung des Stadtgrüns und der Gewässer.
Die Erarbeitung der Freiraumstrategie erfolgte auf der Basis eines Beteiligungsprozesses im Amt für Stadtgrün und Gewässer mit mehreren Workshops und
zahlreichen Gesprächen. Die Zuarbeiten aus den Abteilungen wurden durch die
Redakteure nicht zuletzt mit Blick auf andere Städte und die aktuellen Fachdiskussionen ausdifferenziert sowie in einem Abstimmungsprozess zunächst
innerhalb des Amtes für Stadtgrün und Gewässer, mit den korrespondierenden
Aufgabenfeldern der Landschaftsplanung im Stadtplanungsamt und der Landwirtschaft sowie dem Eigenbetrieb Stadtreinigung diskutiert.
Geschichte des Leipziger Stadtgrüns und der Gewässer Ihre entscheidende Prägung als eine grüne, moderne Großstadt hat Leipzig im Zuge
der Industrialisierung und des sprunghaften Stadtwachstums seit Mitte des 19.
Jahrhunderts erfahren. Zu dieser Zeit wurde der Grundstock des heutigen Grünsystems angelegt. Entscheidende Weichenstellungen wie die weitblickende Freihaltung des Auwaldes von Bebauung oder die Anlage von Parks und begrünten
Stadtplätzen erfolgten zu dieser Zeit.
Doch reichen die Kulturleistungen zur Gestaltung des Stadtgrüns und der Gewässer selbstverständlich weiter zurück. Das natürliche Gewässersystem Leipzigs
wurde mit Beginn des 11. Jahrhunderts durch die Anlage von Gräben zum Betreiben von Mühlen und später zur Wasserversorgung der Siedlungen ergänzt. Die
Anlage schützender Stadtgräben und später von Gerbergräben vervollständigte
das künstliche Gewässersystem. Auch hat die Stadt eine lange Entwicklung ihres
Grüns vorzuweisen. Ein Kranz reich ausgestatteter Bürgergärten umgab seit
dem 17. Jahrhundert das seinerzeit noch auf die Fläche der heutigen Innenstadt
beschränkte, durch Wallanlagen befestigte Leipzig und kündete vom Reichtum
seiner Bürgerschaft. Das Gohliser Schlösschen ist ein letztes bis heute erhaltenes
Beispiel dieser Phase. Einst weit über die Stadtgrenzen hinaus berühmte Anlagen wie der Großbosische Garten oder der Apelsche Garten wurden später überbaut. Letzterer ist nur noch durch den Verlauf von Straßenzügen und Kopien
barocker Skulpturen im Stadtraum ablesbar. Die barocke Tradition begründete
den damaligen Ruf Leipzigs als Stadt der großbürgerlichen Gärten. Denn stets
entstanden diese Gartenkunstwerke nicht dank fürstlicher Auftraggeber, sondern aus der Kraft des Leipziger Bürgertums. Pläne des Regenten August des
Starken, im Rosental einen höfischen Park anzulegen, scheiterten hingegen an
der geschickten Weigerung der Stadt, die Kosten für das Vorhaben zu tragen.
Allein in der bereits freigeschlagenen großen Wiese des Rosentals und einiger
barocker Strukturen sind heute noch Spuren dieses absolutistischen Großprojektes ablesbar.
In Kompensation zur forschen Bebauung der alten Bürgergärten im Zuge des
Stadtwachstums verstand es Leipzig als eine der ersten deutschen Städte, die
ab 1777 geschliffenen Wallanlagen zu öffentlichen Parkanlagen umzugestalten.
Bereits um 1700 waren öffentliche Promenaden mit Alleepflanzungen auf den
Wällen angelegt worden. Nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763), in dem
sich die Befestigungsanlagen überwiegend als nutzlos erwiesen hatten, entledigte sich Leipzig als eine der ersten deutschen Städte seiner einengenden Mauern. Die frei werdenden Flächen wurden nicht wie andernorts bebaut, sondern
es entstanden öffentliche gärtnerische Anlagen. Möglicherweise kann die Stadt
damit den ersten kommunalen Landschaftspark ihr eigen nennen. Er wurde zum
Grundstock des nun schrittweise weiterentwickelten Promenadenringes mit seinen vielfältigen Schmuckanlagen. Der Promenadenring ist bis heute, wenngleich
durch Verkehrsanlagen und Bauprojekte immer wieder beschnitten, ein Gartendenkmal von europäischem Rang.
Alte wie neue Parks
zählen zu den Sehenswürdigkeiten der
Stadt, im Bild der historische Johannapark.
zuvorderst wirtschaftlichen Interessen dienten, beeinflussten die weitere Stadtentwicklung stark.
Diese Siedlungsentwicklung verlief ab 1870 überaus stürmisch. Auen, Teiche,
Lehmgruben, Flussmäander, Verbindungs- und Entwässerungsgräben verschwanden. Einzelne Persönlichkeiten wie der Industrielle Dr. Karl Heine (18191888) prägten durch Planung und Bau eines künstlichen Gewässersystems aus
der Innenstadt in das westliche Umland die Stadt nachhaltig. Neben der Umgestaltung des Leipziger Wasserknotens, der infrastrukturellen Erschließung der
Vorstädte und der Schaffung von Bauland, verfolgte er bis zu seinem Tod die
große Vision des Anschlusses der Stadt Leipzig an die Weltmeere. Widrige
Umstände insbesondere im Baugrund hinderten ihn daran, die Saale zu erreichen.
Der bis 1863 ebenfalls nach Plänen Lennés geschaffene Johannapark geht wiederum auf die private Initiative eines Leipziger Bürgers zurück. Für die heutige Freiraumstruktur war damit eine weitere bedeutende Grundlage geschaffen. Östlich der Innenstadt zeugt zudem bis heute eine Teilfläche des Alten
Johannisfriedhofes von der frühesten Begräbnisfläche der Stadt außerhalb der
Befestigungsanlagen.
Die Idee, die Randbereiche des Auwaldes in Stadtnähe gartenkünstlerisch auszuformen, setzte sich mit dem Gelände der 1897 eröffneten Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung (später König-Albert-Park, heute
Clara-Zetkin-Park) in Richtung der Rennbahn Scheibenholz fort. Bedeutende
städtische Flächen waren damit weitblickend der Bebauung einer rapide anwachsenden Großstadt entzogen.
Mit dem Ziel der Entsumpfung der natürlichen Überschwemmungsgebiete legten ab 1850 die Ingenieure Kohl und Georgi Pläne für die Begradigung und die
Anlage neuer Flussläufe vor. Die umfangreichen Flussregulierungen, welche
Der radikale Umbau des Leipziger Gewässersystems wurde zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts nach den Plänen von Kohl und Georgi weiter vorangetrieben, etwa mit dem Bau des Elsterbeckens und des Palmengartenwehres. Die
7
Mühlgräben wurden zudem ab 1879 bis 1961 schrittweise überwölbt oder verrohrt
und das alte Flussbett der Weißen Elster 1930 zugeschüttet.
Bereits die Hochwasserereignisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigten indes,
dass das neue Gewässersystem nicht funktionierte. In der Folge verschwanden
dennoch fünf Kilometer innerstädtische Gewässer aus dem Stadtbild. Die letzten
verbliebenen Mühlgräben wurden in den 1950er Jahren überdeckelt, weil von den
Kloaken Gesundheitsgefahren ausgingen. Die Entwicklung des Bergbaus und der
braunkohleverarbeitenden Industrie beeinflusste die Qualität und Quantität der
Gewässer in der Leipziger Tieflandsbucht stark. Das Gewässersystem verlor seine
natürliche Funktionalität und bedarf seither der Steuerung durch den Menschen.
Die Entwicklung des Leipziger Stadtgrüns zu einem Netz funktionsfähiger und
zugleich schöner Freiräume verschiedenster Kategorien war eng mit der Etablierung einer leistungsfähigen Gartenverwaltung verknüpft. In der Verpflichtung
des ersten Leipziger Ratsgärtners Carl Friedrich Kühns im Jahr 1796 sowie seines Nachfolgers Hermann Rudolph Siebeck von 1846 bis 1858 drückte sich frühzeitig die Wahrnehmung des öffentlichen Grüns als wichtige kommunale Aufgabe aus. War Siebeck nur für den Promenadenring und das Rosental zuständig,
wuchs für seinen Nachfolger, den von Lenné empfohlenen Gartenkünstler Carl
Otto Wittenberg, das Themenspektrum seit 1858 bis hin zu stadtplanerischen
Aufgaben an. Im Zuge des rasanten Stadtwachstums waren vielfältige Fragen
von der Platz- über die Parkgestaltung bis hin zur Planung des Südfriedhofes zu
lösen. Die Anlage großer Parks wie des Volksgartens Sellerhausen (1893-1895)
und des Volkshains Stünz (1896), des Südteils des Eutritzscher Parks (1896) und
des König-Albert-Parks im gleichen Jahr gehen auf Wittenberg zurück. Es handelte sich um „Spazierparks“ im Geiste dieser Zeit mit ausgewiesenen Funktionsbereichen, etwa für das Kinderspiel und die freie Bewegung.
Im Jahr 1900 wurde Wittenberg, der sechs Jahre zuvor den Titel des Stadtgartendirektors erhalten hatte, pensioniert. Mit Carl Hampel (1849-1930) folgte ihm
von 1901 bis 1920 wiederum ein Gartenkünstler ersten Ranges. Hampel hinterließ
formale Stadtplätze und Schmuckanlagen, so am westlichen Promenadenring,
sowie die weiträumigen Freiräume am Völkerschlachtdenkmal (heute WilhelmKülz-Park). Zudem machte er sich um den weiteren Ausbau des Stadtgartenamtes in Leipzig zu einer über die Stadtgrenzen hinaus bedeutenden Institution
verdient.
Nachdem Hampels engster Mitarbeiter Nikolaus Molzen (1881-1954) im Jahr 1920
das Amt des Stadtgartendirektors übernahm, gehörten die Fertigstellung des
8
Mariannenparks unter Weiterentwicklung des Entwurfs des Gartenarchitekten
Leberecht Migge sowie die Anlage des Volksparks Kleinzschocher zu den bedeutendsten Werken dieser Ära. Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts als sozialreformerische Idee entstandene Volkspark-Bewegung hat damit in Leipzig zwei
bedeutende Beispiele hinterlassen.
Bereits im 19. Jahrhundert finden sich Beispiele des Bemühens, unterprivilegierte
Bevölkerungsschichten mit dem für Erholung und Gesundheit so notwendigen
Stadtgrün zu versorgen. Der in den 1860er Jahren geschaffene Schreberplatz und
die daraus entstandene Kleingartenbewegung, die ab 1888 errichteten Meyerschen Höfe mit ihren großzügigen wohnungsnahen Freiräumen, durchgrünte
Wohngebiete wie die Gartenstädte Marienbrunn und Mockau oder der Rundling als Siedlung des Neuen Bauens mit seinem Wohngrün zeugen bis heute
von der sozialen Verantwortung, welche die Stadt im Hinblick auf das Stadtgrün
wahrnahm.
Aus der Zeit des Nationalsozialismus ist der Richard-Wagner-Hain – wenngleich
noch in der Weimarer Republik als Bauaufgabe und Entwurf konzipiert – die prägendste Hinterlassenschaft.
Nikolaus Molzen wurde 1948 im Zuge der Entnazifizierung der öffentlichen Verwaltung entlassen. Vier Jahre kappte man die Tradition einer eigenständigen
Grünflächenverwaltung. Die Aufgaben des früheren Garten- und Friedhofsamtes fielen an die neu gegründeten volkseigenen Betriebe für Garten- und Landschaftsgestaltung bzw. für Friedhofswesen. Als Ausführungsbetriebe waren sie
der Planwirtschaft unterworfen und Auftraggeber und –nehmer in einem.
Nach einer Phase der „Trümmerbegrünung“ und der Gestaltung zahlreicher
Stadtplätze und Grünanlagen in den 1950er und 60er Jahren machte sich Leipzig die zentral verfügte Anlage von „Kulturparks“ zu eigen. Der Clara-Zetkin-Park
zeugt bis heute von dieser Ära. Innerstädtische Neuanlagen wie die Grünanlagen
am Ringcafé, die Fritz-von-Harck-Anlage, der „Sachsenplatz“, die Grimmaische
Straße oder die Grünanlage zwischen Marktplatz und Thomaskirchhof waren
Bestandteil des Wiederaufbaus. Der umfangreiche Einsatz von Wechselflorpflanzungen und von Wasserspielen zeichnete diese Anlagen aus.
Ab den 1970er Jahren wurde die Schaffung des Wohnumfeldes in den Neubaugebieten zur Hauptaufgabe in der Freiraumgestaltung. Die Gestaltung mehrerer neuer Parkanlagen (Friedenspark, Landschaftspark Lößnig-Dölitz, Rabet,
Park der Freundschaft/Etzoldsche Sandgrube, Einrichtung des Wildparks), die
Anlage von Naturbädern und wichtiger Grünverbindungen (Plastikkgarten am
Neuen Rathaus), die Aufforstung von Landwirtschaftsflächen und die Einrichtung stadtnaher Erholungsgebiete (Kulkwitzer See) konnten trotz großer materieller Einschränkungen in den 1970er und 80er Jahren geplant und umgesetzt
werden. Die großzügige Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten sollte weiteren Substanzverlusten durch Bebauung und schädigenden Umwelteinflüssen
aus Industrie und Bergbau entgegen wirken. Aufgrund der offensichtlichen Defizite des Stadtgrüns kam es 1979 in Leipzig wie in anderen Großstädten der DDR
zur Wiedereinrichtung eines städtischen Gartenamtes, wenngleich mit eingeschränktem Handlungsspielraum.
Nach der von Leipzig ausgegangenen Friedlichen Revolution im Herbst 1989,
die neben den politischen Verhältnissen entscheidende Beweggründe in den
Umweltsünden und der vernachlässigten Bausubstanz Leipzigs besaß, erfuhr
auch die städtische Grünanlagenverwaltung eine baldige Neustrukturierung. Am
1. November 1990 wurde vom Stadtrat die Einrichtung eines Grünflächenamtes
mit neuer Struktur und erweitertem Aufgabenbereich beschlossen. Dem seit 1991
existierenden Grünflächenamt wurde auch die Verantwortung über die Stadtforsten übertragen. Bedeutende Maßnahmen zur Sanierung und Erweiterung
des Freiraumsystems konnten unter der Amtsleitung von Inge Kunath umgesetzt werden. Bezüglich des Gewässernetzes wurden Entwicklungskonzepte und
Umsetzungen seit 1992 in Verantwortung des Amtes für Umweltschutz vorangetrieben, bevor diese Aufgaben im Jahr 2008 an das neu gebildete Amt für Stadtgrün und Gewässer übergingen (siehe unten).
Im Zuge einer abrupt einsetzenden Entindustrialisierung gewannen die entstehenden Freiräume einen besonderen Stellenwert bei der Transformation der
industriell geprägten Viertel. Die Freiraumentwicklung wurde zum Vorreiter der
Stadtentwicklung in diesen Gebieten. Die Revitalisierung des Karl-Heine-Kanals,
die Neuanlage des Stadtteilparks Plagwitz und des Henriettenparks, die neu
geschaffenen Freiraumverbindungen auf Grundlage der städtebaulichen Idee
der „Grünen Finger“ waren bedeutende Projekte, welche der Stadterneuerung im
Leipziger Westen den Boden bereiteten. Im Ostteil der Stadt entsprachen der
Neubau des Lene-Voigt-Parks und der sich anschließenden Anger-Crottendorfer
Bahnschneise, die Erweiterung und Neuanlage des Stadtteilparks Rabet, die Einrichtung des Grünen Bogens Paunsdorf auf Konversionsflächen des Militärs wie
auch die Besetzung von Brach- und Zwischenflächen durch Freiraumgestaltungen unter dem Titel „Lichter Hain“ und „Dunkler Wald“ diesem Anspruch.
Die Mühlgräben sind als charakteristisches Moment des Stadtraumes in der Leipziger Innenstadt wieder wahrnehmbar geworden. Die erste Flussöffnung vollzog
Der Pleißemühlgraben
als Teil der (nächtlichen) Stadt.
sich 1996–1998 am Dittrichring; der Pleißemühlgraben wurde nun wieder erlebbar. Seither wurden mehr als 2.000 Meter Gewässer ans Licht geholt. Die offengelegten Flüsse dienen als innerstädtische Leitlinien, als wichtige Verbindungen
zwischen der Innenstadt und den Grünräumen. Die Gewässer sind nicht nur sichtbar, sondern erlebbar geworden: Aus städtischen Brachen sind neue Kulturräume
entstanden.
Großprojekten wie dem Bau der Neuen Messe samt anspruchsvoller Freianlagen,
die Landschaftsgestaltung im Inneren wie im Umfeld von Industrieansiedlungen
im Leipziger Norden traten kleinteilige, stark an Nutzerinteressen orientierte
Wohnumfeldverbesserungen im Süden gegenüber, etwa in der Südvorstadt und
im Stadtbezirk Grünau. Die Gestaltung und Einbindung des Cospudener Sees in
das Leipziger Freiraum- und Gewässersystem konnten einer bergbaulich geprägten, geschundenen Landschaft im Südraum ein positives Image verleihen. Die
landschaftsarchitektonischen Projekte der Zeit nach 1990 standen unter dem
Anspruch, stets das große Ganze im Blick zu behalten und die einzelnen Projekte
im Freiraumverbund der Stadt zu vernetzen.
Die vormals im Grünflächenamt angesiedelte Landschafts- und Grünordnungsplanung erfolgt seit dem Jahr 2002 im Stadtplanungsamt. Außerdem wurde mit
der Übetragung der Pflege und Unterhaltung der öffentlichen Freiräume auf den
9
Auf strategischer und gesamtstädtischer Ebene sind wichtige Ziele, welche das
Stadtgrün und die Gewässer betreffen, bereits im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (SEKo) im dortigen Fachkonzept „Freiraum und Umwelt“ abgebildet. Die Entwicklung des öffentlichen Grüns ist dabei eng an die Stadtentwicklung gekoppelt und spielt sowohl in konzeptionellen Stadtteilplänen eine
wichtige Rolle, als auch in der Bauleitplanung. Hier werden entsprechende Festsetzungen zum öffentlichen Grün und zur Bebauungsdichte getroffen.
Grün und Blau sind im
Leipiger Freiraumsystem eng miteinander
verknüpft. Im Bild das
Palmgartenwehr mit
dem Elsterbecken.
Eigenbetrieb Stadtreinigung im Jahr 2003 die bis dato bewährte Vereinigung von
Grünflächenplanung und -bewirtschaftung unter einem Dach aufgegeben. Durch
Eingemeindungen und die Neuordnung von Flächenzuständigkeiten wuchs allein
der Flächenanteil des öffentlichen Grüns, für dessen Erhaltung und Entwicklung
das Grünflächenamt zuständig zeichnet, zwischen 1990 und 2000 um 50 Prozent. Allerdings obliegt die Pflege und Unterhaltung der eingemeindeten Flächen
bis heute den in den Ortsteilen ansässigen Bauhöfen.
Im Jahr 2008 wurde das Grünflächenamt zum Amt für Stadtgrün und Gewässer.
Anlass war eine Verwaltungs- und Funktionalreform des Freistaates, in deren
Folge das Amt für Umweltschutz eine Reihe landesbehördlicher Aufgaben übernahm. Im Gegenzug dieser Aufgabenerweiterung wurden die Aufgabenbereiche
Gewässerentwicklung, Gewässerunterhaltung, Flächenmanagement und Interkommunale Zusammenarbeit, die bis dahin ebenfalls im Amt für Umweltschutz
angesiedelt waren, dem damiligen Grünflächenamt übertragen, das seither als
Amt für Stadtgrün und Gewässer fungiert. Seit 2008 ist somit die strategische
Entwicklung der grün-blauen Infrastruktur in einem Amt konzentriert, was zu
Synergien und qualitativen Vorteilen gereichte.
Vorliegende Planungen und Strategien
Die vorliegende Freiraumstrategie wurde auf Grundlage des Arbeitsprogramms
des Oberbürgermeisters erarbeitet. Dessen Titel „Leipzig wächst nachhaltig“
ist das Leitmotiv dieser Konzeption für die grün-blaue Entwicklung der Stadt.
Es liegt dabei im Wesen dieser Strategie, die politischen Ziele des Arbeitsprogramms entsprechend zu untersetzen und auszudifferenzieren.
10
Die vorliegende Freiraumstrategie steht zudem im Kontext zahlreicher vorliegender Planwerke und Konzeptionen der Stadt Leipzig sowie des Grünen Ringes
Leipzig. Dazu gehören:
Integriertes Stadtentwicklungskonzept 2020 (SEKo) der Stadt Leipzig
Flächennutzungsplan (2015)
Landschaftsplan (2013)
Integriertes Gewässerkonzept (2004)
Mittelfristiges Programm zu Hochwasserschutz- und ausgewählten
Gewässerentwicklungsmaßnahmen für Gewässer II. Ordnung in der Stadt
Leipzig (2014)
Tourismuswirtschaftliches Gesamtkonzept (TWGK) für die Gewässerlandschaft im mitteldeutschen Raum (2014)
Wassertouristisches Nutzungskonzept (WTNK) für das Leipziger Neuseenland (2007)
Regionales Handlungskonzept 2014 des Grünen Rings Leipzig (2015)
„Spielen am Wege“ - Spielraumkonzept Innenstadt Leipzig (2008)
Entwicklungskonzept zur Erschließung touristischer Potenziale des Landtourismus im Bereich Wandern (2014)
Sportprogramm 2024
Radverkehrsentwicklungsplan 2010 -2020 (2012)
Touristischer Entwicklungsplan (TEP) der Stadt Leipzig bis 2019 (2015)
Forsteinrichtung.für den Wald der Stadt Leipzig 2014 - 2023 (2015)
Die genannten Konzeptionen stehen wiederum im Kontext entsprechender Planungen auf räumlich oder fachlich übergeordneter Ebene (zum Beispiel Regionalplan Westsachsen, Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme nach
europäischer Wasserrahmenrichtlinie EG-WRRL). Die vorliegende Freiraumstrategie reflektiert die Ergebnisse dieser Planwerke und Konzeptionen und leitet
aus ihnen Schlussfolgerungen für die jeweilige Thematik ab.
LANDSCHAFTSPLAN
DER
STADT
LEIPZIG
LANDSCHAFTSPLAN
DER
STADT
LEIPZIG
LAND
LANDSCHAFTSPLAN
Flächennutzung
Grünfläche
Stadt
Stadt Leipzig
LAN
LANDSCHAFTSPLAN K
WASS
GRÜNFLÄCHEN
Maßstab:
1:30.000
Stand:
Maßstab:
16.10.2013
Datum / Unterschrift
Bearbeitung:
Planfassung gemäß:
§ 1(5), (6) Nr. 7 u. 8 BauGB, § 2, 2a, 3, 4 BauGB,
§§ 1, 1a, 1b, 2, 3 SächsNatSchG, insbes. §§ 4, 6 SächsNatSchG
Stadtplanungsamt Leipzig, SG
Landschafts- und Grünordnungsplanung: Leipziger Stadtgrün (ohne
Wald).
1:30.000
Dezernat S
Stadtplanu
Abteilung G
Sachgebiet
Dezernat Stadtentwicklung und Bau
Stadtplanungsamt
Abteilung Generelle Planung und Projekte
Sachgebiet Landschafts- und Grünordnungsplanung
Stadtplanungsamt Leipzig, SG
Landschafts- und Grünordnungsplanung: Leipziger Gewässersystem.
11
12
ERSTER TEIL: Die Freiraumkategorien der Stadt
13
14
LANDSCHAFTSPLAN
DER
STADT
LEIPZIG
LAN
Grün-blaue Infrastruktur
unD landschaftsplanung
GESA
RADIAL
NÖRDLICHE
AGRARLANDSCHAFT
LINDENTHALER
WÄLDCHEN
Z
U
E
FUCHSBERG
Seehausen
I
E
T
Das Leitbild des Leipziger Grünsystems kann als Ring-Radial-System beschrieben
werden, das im Landschaftsplan der Stadt Leipzig ausführlich dargestellt ist. Drei
grüne Ringe gliedern die Stadt und werden durch radiale Grünachsen ergänzt.
Diese radialen Achsen orientieren sich zumeist entlang von Fließgewässern und
ihren ehemaligen Auen. Das Gewässersystem Leipzigs folgt zumindest in seiner
groben Struktur noch heute dem ursprünglichen Verlauf der landschaftsprägenden Fließgewässer.
A
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Grünrin
Altstadt
G
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Leipzig heute
Grünrad
ÖSTLICHE
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SANDGRUBE
Wasser
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---
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Stadtgr
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Haupts
Markkleeberg
A
Stadtplanungsamt
Leipzig, SG Landschafts- und Grünordnungsplanung.
Knauthain
---
Das Leitbild des
Leipziger Freiraumsystems mit seiner
Radial-Ring-Struktur
Bahn
E
WESTLICHE
AGRARLANDSCHAFT
S
AGRA
LANDSCHAFTSPARK
COSPUDEN
S
Auf Grundlage der naturräumlichen Situation und der historischen Stadtentwicklung verbinden die grünen Radialen entlang der Flüsse, Bachläufe und
Kanäle sowie auf ehemaligen Verkehrstrassen heute das Stadtzentrum mit dem
Umland. Unter ihnen ist der Leipziger Auwald in der Flussniederung von Luppe,
Pleiße und Weißer Elster der bedeutendste und größte Grünzug. Er erstreckt sich
als Rückgrat des Leipziger Freiraumsystems von Nordwesten bis nach Süden und
tangiert die Innenstadt – in deren Nähe er durch städtische Parkanlagen ersetzt
und ergänzt wird. Mit der direkten Verbindung zum Umland über das Gewässernetz, insbesondere zum Cospudener und Zwenkauer See, ist die Bedeutung des
Auwaldes als Schwerpunkt des Leipziger Freiraumsystems weiter gestiegen.
Knautnaundorf
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Stad
Z
LAN
GES
Maßstab:
G
Z I
I P
L E
Planfassung gemäß:
0
0,5
1
2
3
4
5
Kilometer
und setzen gegenüber der gebauten Umgebung, mit der sie über zahlreiche Verbindungen vernetzt sind, stadträumliche Zäsuren.
Neben dem Auwald zählen die Parthe- und die nördliche Rietzschkeaue, der Grünzug Südost (vom Friedenspark über die Alte Messe, den Wilhelm-Külz-Park, den
Südfriedhof und den Erholungspark Lößnig-Dölitz samt seinem Arboretum über
die Weinteichsenke bis hinaus zum Störmthaler See), ferner die neu geschaffene
Achse vom Lene-Voigt-Park über die Anger-Crottendorfer Bahnschneise zu den
bedeutendsten Radialen im Leipziger Freiraumsystem. Mit den Parks am Bayerischen Bahnhof sowie am Plagwitzer Bahnhof sind derzeit weitere Grünzüge auf
ehemaligem Gleisgelände in Planung. Zudem ist die gewässerbezogene Radiale
zum Markkleeberger und Störmthaler See von großer Bedeutung – nicht zuletzt
vor dem Hintergrund der Vernetzung von Stadt und Umland.
Foto Seite 14:
Die zum Stadtzentrum orientierten Grünkeile finden in drei grünen Ringen ihre
stadträumlich wirksame Ergänzung. Sie sind aus Freiräumen unterschiedlichster
Kategorien zusammengesetzt, machen das historische Stadtwachstum ablesbar
Der Plastikgarten aus
den 1980er Jahren verknüpft den Promenadenring direkt mit dem
Johannapark.
1:40.000
Dezernat
Stadtplan
Abteilung
Sachgeb
Der gartenhistorisch bedeutsame Promenadenring, entstanden auf der Fläche
der alten Wallanlagen, umschließt als innerer Ring das Stadtzentrum. Im Landschaftsplan der Stadt Leipzig heißt es weiter: „Der mittlere Ring liegt als Stadtring zwischen der zusammenhängend bebauten Kernstadt und randlich liegenden Siedlungsschwerpunkten (ehemalige Dorfkerne, Großsiedlung Grünau etc.).
Er verbindet verschiedene größere Grünräume miteinander (z. B. Südlicher und
Nördlicher Auwald, Agra Park, Cospudener See, Partheaue, Schönauer Lachen).“
Der äußere Ring besitzt wiederum für die Vernetzung von Stadt und Umland eine
hohe Bedeutung. Er besteht vorwiegend aus Landwirtschaftsflächen und kleineren Waldungen außerhalb des städtischen Siedlungsgebietes. Er grenzt die Stadt
räumlich vom ländlich geprägten Umland ab und wirkt so einer Zersiedelung des
Stadtrandes entgegen.
15
§ 1(5), (6
§§ 1, 1a,
Zahlen und Fakten zum Grünsystem der Stadt Leipzig
896 ha
Quelle: Stadt Leipzig:
Statistisches Jahrbuch
2015.
öffentliche Grünanlagen (Parks, Stadtplätze und weitere)
2450 ha Wald
1229 ha Kleingärten
182 ha
Friedhöfe (121 ha davon städtisch, 61,5 ha kirchlich)
1101 ha
Wasserflächen
61.063 * Straßenbäume
179,5 km Fließgewässer II. Ordnung
10297 ha Landwirtschaftsfläche
Neben dieser stadtgliedernden Großstruktur auf der Makroebene findet das
Leipziger Freiraumsystem in zahlreichen Freiräumen auf der Meso- und Mikroebene seine weitere Differenzierung. Das Mesosystem enthält stadtgliedernde,
in der Regel radial auf das Stadtzentrum orientierte Grünkeile. Das Mikrosystem
wird durch Grünverbindungen im Straßenraum, durch Stadtplätze und quartiersbezogene Grünanlagen gebildet.
Das Leipziger Stadtgrün setzt sich somit aus einem Netz von Freiräumen unterschiedlichster Kategorien zusammen, welche das Stadtbild prägen und die Stadt
interessant und vielseitig machen. Von den großen extensiven Wald- und Erholungsgebieten sowie den Landwirtschaftsflächen über die intensiver gestalteten
und genutzten Parks und Friedhöfe, die kleineren grünen Stadtplätze und Grünanlagen, die Kleingartenanlagen bis hin zu den wohnungsnahen Freiräumen oder
mit Zwischennutzungen und unterschiedlichen Sukzessionsstadien belegten
Brachflächen ist dieses Netz der grünen Infrastruktur überaus vielfältig.
Leipzig liegt zwar nicht an einem großen Strom, dennoch ergänzt ein weitläufiges Netz unterschiedlicher Fließ- und Stillgewässer das Grünsystem und ist
intensiv mit diesem verwoben. Pleiße, Weiße Elster, Parthe, Luppe, Rietzschke
und Zschampert, Batschke, Paußnitz, Nahle sowie zahlreiche weitere Fließgewässer bildeten einstmals ein weit verzweigtes Binnendelta. Leipzig war somit
von jeher von Gewässern geprägt. Heute vereinigen sich diese Flüsse, meist
stark künstlich überformt, mit zahlreichen von Menschenhand angelegten Kanälen zum „Leipziger Gewässerknoten“. Dieser Gewässerknoten ist durch zahlreiche Offenlegungen in den vergangen Jahren, die in ihrem Zusammenwirken vor
16
* Eine Korrektur in der
Flächenzuweisung von
Baumstandorten in der
Kategorie Straßenbäume hat im Jahr 2016
dazu geführt, dass der
Straßenbaumbestand
in der Statistik von
Ende 2016 mit 55.900
angegeben wird.
allem dem präventiven Hochwasserschutz dienen, bis in Innenstadtnähe wieder
mehr und mehr für die Leipzigerinnen und Leipziger sowie ihre Gäste sicht- und
erlebbar. Gewässer stehen mittlerweile in einigen Leipziger Stadtquartieren für
eine besondere Wohn- und Lebensqualität. Hinzu kommen die vorhandenen
Stillgewässer bis hin zu den bestehenden oder sich derzeit füllenden Seen des
Südraumes.
Eine lebendige, urbane Stadt zeichnet sich durch Vielfalt aus – diese bildet sich in
Leipzig auch im Reichtum des Stadtgrüns und der Gewässer ab.
Im Sinne der Vernetzung von Stadtgrün und Gewässern über die Stadtgrenzen hinaus wird das regionale Grünsystem bereits heute durch erste Bausteine
(Kurse) des touristischen Gewässerverbundes ergänzt, dessen Ziel darin besteht,
die neuen Seen der Bergbaufolgelandschaft mit den Fließgewässern und Kanälen der Stadt Leipzig und der Region bootsgängig zu verknüpfen und wassertouristisch zu entwickeln.
Funktionen Das Freiraumsystem mit seinen Grünzügen, Wasserstraßen und
Wegeverbindungen bis hin zu den kleinteiligen Mosaiksteinen des Meso- und
Mikrosystems dient der räumlichen Strukturierung des Stadtgefüges. Freiräume
prägen das Leipziger Stadtbild mindestens ebenso wie bedeutende Gebäude und
setzen Zäsuren zwischen dicht bebauten Quartieren und Stadtteilen. Besonders
wirksam tritt in dieser Hinsicht in Leipzig der Auwald in Erscheinung, der die
Stadt in einen West- und einen Ostteil gliedert.
Das Leipziger Freiraumsystem gibt Orientierung und verleiht Stadtteilen ihre
Identität. Als Beispiel genannt sei der Grünzug der Alten Salzstraße, der dem
Stadtteil Grünau eine identitätsstiftende Mitte gibt oder die Stadtelster im
Zusammenspiel mit dem Karl-Heine-Kanal, die die hohe Attraktivität der Stadtteile Schleußig und Plagwitz begründen.
Die Grünzüge und Gewässer haben zudem eine hohe Bedeutung für das Stadtklima. Insbesondere die radialen Freiraumverbindungen sorgen für Frischluftzufuhr aus den Kaltluftentstehungsgebieten in der Peripherie hinein in die Stadt.
Aber auch kleinräumig wirken innerstädtische Freiräume klimatisch positiv in die
umgebenden, bebauten Quartiere. Darüber hinaus dienen Grün- und Gewässerverbindungen dem Biotopverbund.
Im Gewässersystem des Leipziger Gewässerknotens wird der Fokus vor allem auf
die Wiederherstellung der Funktion für den Hochwasserschutz und die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie gelegt. Grundlagen diverser Offenlegun-
gen und Revitalisierungen an den Leipzigern Fließgewässern liefern neben der
EG-WRRL und den Hochwasserschutzkonzepten auf übergeordneter Ebene vor
allem das in den Jahren 2003/2004 erarbeitete Integrierte Gewässerkonzept.
Darauf bauen weitere Konzepte insbesondere für die wassertouristische Nutzung in Stadt und Region auf.
Rad- und Fußwege in
der Anger-Crottendorfer Bahnschneise
im Leipziger Osten.
Darüber hinaus kommt dem Freiraumsystem insgesamt die bedeutende Funktion zu, den Menschen Mobilität abseits der motorisierten Verkehrswege zu Fuß,
mit dem Fahrrad oder dem Boot zu ermöglichen. Es ist damit für die Entwicklung
zukunftsfähiger, nachhaltiger Verkehrssysteme in der Stadt von großer Bedeutung. Das System vernetzt sowohl die Freiräume untereinander, als auch die Freiräume mit der gebauten Stadt. Die Fuß- und Radwege entlang der Flüsse, durch
den Auwald und die größeren Parks sind die attraktivsten, führen sie doch durch
eine grüne, erholsame Umgebung. Die Verbindungen werden zu ausgedehnten
Touren, zur erholsamen Fortbewegung zwischen entlegenen Zielen innerhalb der
Stadt sowie zwischen Stadt und Umland genutzt, oder auch für sportliche Aktivitäten - vor allem aber als Alltagsrouten zwischen den Wohn- und Arbeitsstätten
und den Zielen der Freizeitgestaltung.
che den sich hier Bewegenden ein eigenes, vom motorisierten Verkehr unabhängiges System bieten. Die postindustrielle Stadt bietet zu einem Ausbau dieser
Bewegungsachsen gute Grundlagen, wie die zu Freiraumverbindungen umgewandelten Gleise und Kanäle des Leipziger Westens zeigen. Doch bestehen noch
viele Fehlstellen und Lücken im System. Auch ist die Versorgung der Stadtteile
mit derartigen Vernetzungen unterschiedlich.
In der Realität sind es nicht selten die zarten, im Stadtgrundriss kaum sichtbaren
Elemente, die für das Leipziger Freiraumsystem charakteristisch und von großer
Bedeutung sind: die Rad- und Fußwege entlang der Verkehrswege oder durch
Kleingartenanlagen hindurch, die engen Kanäle und Pfade durch die Stadt, wel-
Neben den verschiedenen Fortbewegungsformen zu Fuß (Gehen, Joggen, Nordic
Walking) oder mit dem Rad, gewinnt der Verbund der Leipziger Gewässer eine
zunehmende Bedeutung. Zum Ausbau dieses Fließgewässerverbundes wurden
seit 1990 große Anstrengungen unternommen. Durch Öffnung von Fließgewässerabschnitten und die Verbindung mit der Seenlandschaft im Süden soll die
durchgängige Befahrbarkeit ausgewählter Wasserwanderkurse hergestellt werden (siehe. Kap. Gewässer). Auf Grundlage eines von 2005 bis 2007 entwickelten „Wassertouristischen Nutzungskonzepts“ entsteht ein Netz aus acht wassertouristischen Kursen, welches sowohl touristische als auch Umweltbelange
berücksichtigt.
Die Bewegung im Netz
der grün-blauen Infrastruktur erfreut sich
großer Beliebtheit.
Freiraumversorgung der Stadtteile Die räumliche Nähe zum Wohnen
ist ein entscheidender Faktor für die Wirksamkeit des städtischen Freiraumsystems. Durch eine kluge Vernetzung, durch eine barrierefreie und Verkehrswege
gefahrlos überwindende Anbindung können auch räumlich weiter entfernte
17
Das Luftbild aus dem
Jahr 2010 zeigt neben
Teilen des Leipziger
Auwaldes die vom
Bergbau beeinflussten
Qualitätsunterschiede
im Gewässersystem,
hier am Zusammenfluss von Weißer Elster
und Pleiße (rechts) mit
ihrer hohen Eisensulfatfracht.
Aufgrund ihrer naturräumlichen Lage und ihrer historischen Entwicklung weisen die einzelnen Stadtteile einen sehr unterschiedlichen Versorgungsgrad mit
öffentlichem Grün auf. Allein die Nähe zum großen Grünzug des Leipziger Auwaldes beeinflusst die Lagegunst der angrenzenden Stadtteile gravierend. Entsprechend steht die Verbesserung des Freiraumangebotes in den mit Grün schlechter
versorgten Quartieren auch auf der Agenda des Fachkonzeptes „Freiraum und
Umwelt“ des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (SEKo), das im Jahr 2009
verabschiedet und seither sukzessive fortgeschrieben bzw. durch Fachkonzepte
ergänzt wurde. Trotz großer Anstrengungen in der jüngeren Vergangenheit bleibt
beispielsweise die Minderung der Grünflächendefizite in den stark verdichteten
Quartieren des Leipziger Ostens weiterhin ein wesentliches Ziel, um einen konkurrenz- und zukunftsfähigen Stadtteil zu entwickeln.
Entwicklungsimpulse im Sinne des im SEKo verankerten Schwerpunktes zur
Freiraumvernetzung gingen dabei in den letzten Jahren von der Umsetzung
bedeutender Projekte im Leipziger Osten aus. Hier hatte bereits im Jahr 2002 der
Konzeptionelle Stadtteilplan mit seinem Leitbild „Grüne Räume vernetzen“ die
Grundlage dafür gelegt. Das „Grüne Rietzschkeband” bietet heute mit abwechslungsreichen Aufenthaltsräumen Platz für verschiedene Freizeitaktivitäten. Zentrales Element des Grünzuges, der insbesondere entlang der Wurzner Straße mit
experimentellen Baumpflanzungen („Dunkler Wald“ und „Lichter Hain“) stadträumlich wirksam wurde, ist der knapp zehn Hektar große Stadtteilpark Rabet.
Der Lene-Voigt-Park auf dem Gelände des ehemaligen Eilenburger Bahnhofes ist
die größte Investition in das innerstädtische Grün seit 1990 und folgt derselben
Zielsetzung. Die Rad- und Fußwegverbindung entlang der Anger-Crottendorfer
Bahnschneise führt die Nutzer des Parkes bis an den äußeren Grünen Ring hinaus. Die aktuell diskutierte Vision zu einem „Parkbogen Ost“ zielt auf eine weitere Verbesserung des Freiraumangebotes im Leipziger Osten.
Grünflächen und Gewässer näher an die Wohnquartiere rücken und der Unterversorgung einiger Stadtteile entgegen wirken.
18
Aktuelle Herausforderungen Eine lebendige, zukunfts- und wettbewerbsfähige Stadt, die auch unter den Bedingungen von Zuzug und vielfältigen
Nutzungsansprüchen auf ein nachhaltiges Wachstum setzt, muss sich auch
unter diesen geänderten Vorzeichen durch Vielfalt im Erscheinungsbild und in
den Angeboten für die Bürger und Gäste auszeichnen. Zu dieser Vielfalt trägt in
Leipzig heute das Stadtgrün in all seinen Facetten, vom Einzelbaum über Stadtparks bis zu Wäldern bei. Im Zusammenspiel mit den sie prägenden Gewässern
bilden die Fluss- und Bachauen das Rückgrat einer vielfältigen und verzweigten
Erholungslandschaft, zu der auch die Seenlandschaft infolge des Bergbaus zählt.
Sie steht für passive wie für aktive Erholungsformen zur Verfügung.
Die Entwicklung einer eng vernetzten grün-blauen Infrastruktur hat in den letzten zwei Jahrzehnten komplementär zum Gebauten entscheidend zur Attraktivität und Unverwechselbarkeit der Stadtlandschaft Leipzigs beigetragen. Die
Erfahrungen zeigen, dass Stadtgrün und Gewässer wichtige soziale, ökologische,
kulturelle, sportliche und ökonomische Funktionen erfüllen und in diesem Sinne
auch Initialzündungen für eine positive Quartiersentwicklung sein können.
Diese Qualitäten gilt es in Zukunft, aufbauend auf den Erfahrungen in der Vergangenheit, unter den geänderten Vorzeichen von Bevölkerungswachstum und
Nutzungsintensivierung nachhaltig zu sichern sowie beständig weiter zu verbessern und auszubauen. Es wird dabei mehr und mehr auf eine ausgewogene
Mischung von baulicher (Nach-)Verdichtung und einer begleitenden Freiraumentwicklung ankommen. Eine in diesem Sinne „doppelte Innenentwicklung“ belebt
attraktive innerstädtische Quartiere und hilft damit gleichzeitig, die weitere
Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke am Stadtrand zu
reduzieren.
Aktuell wird deutlich, dass das erfreuliche Wachstum der Stadt Leipzig bereits
zu einem spürbaren Bebauungs- und Nutzungsdruck nicht zuletzt auf bestehende oder potenzielle Grünflächen führt. Letzterer macht sich auch auf und an
den Gewässern bemerkbar. Freiraumpolitische Argumente müssen daher weiter
geschärft und kommuniziert werden! Potenzielle Flächen des zukünftigen Freiraumsystems, welche die Lebensqualität einer sich zunehmend verdichtenden
Stadt bestimmen werden, müssen von Bebauung freigehalten, Gewässer weiter
geöffnet und mit hohem Gestaltungsanspruch in das Stadtbild integriert werden.
Entsprechend ist auch die wachsende Stadt Leipzig weiterhin verstärkt vom
Freiraum her zu denken und zu planen. Der erfolgreich beschrittene Weg, Leipzig durch Investitionen in die grüne und blaue Infrastruktur als Wohn- und Wirtschaftsstandort attraktiv zu machen, darf auch in Zukunft nicht verlassen werden. Es gilt, Freiraumqualitäten weiter zu entwickeln, zu ergänzen und Erreichtes
zu sichern. Dabei kann auf Gedanken zurückgegriffen werden, die sich auch in
Leipzig selbst in Zeiten der „schrumpfenden Stadt“ bestätigt haben. So schrieb
Fritz Schumacher bereits im Jahr 1932 bezogen auf Hamburg: „Bauflächen entstehen, auch wenn man sich nicht um sie kümmert. Freiflächen verschwinden,
wenn man sich nicht um sie kümmert. Nur durch systematische städtebauliche
Pflege können sie als dauerndes Gut gewonnen werden.“
Dazu bedarf es mehr denn je der gesamtstädtischen Perspektive, wie sie in der
kommunalen Landschaftsplanung erarbeitet und regelmäßig fortgeschrieben
wird.
Exkurs: Landschaftsplanung
Parallel zur baulichen Entwicklung ist es also mindestens ebenso wichtig, die Freiräume der Stadt strategisch zu betrachten und zu planen. Dies bedarf zunächst
einer regelmäßigen Analyse der Freiraumsituation mit all ihren Facetten. Auf
dieser Basis sind Ziele und Maßnahmen zu Natur und Landschaft wie auch zu
den innerstädtischen Freiräumen abzuleiten. Das kann in der Konsequenz zu Veränderungen in der Stadtentwicklung führen.
Derartige Betrachtungen erfolgen auf den unterschiedlichsten Ebenen. Besonders bedeutsam ist der Blick auf die gesamtstädtische Entwicklung und damit
die Stadt- und die Landschaftsplanung. Wie bereits einführend erläutert, ist letztere im Stadtplanungsamt der Stadt Leipzig angesiedelt. Ein klares gesamtstädtisches Leitbild und übergeordnete Entwicklungsziele, an denen sich konkrete
Planungen und Maßnahmen orientieren, sind unabdingbar für eine nachhaltige
Entwicklung der Stadt mit ihren vielfältigen Themen und Funktionen. Insbesondere für die städtischen Freiräume, die Natur und das Gewässersystems übernimmt die kommunale Landschaftsplanung für Leipzig eine zentrale Funktion
auf gesamtstädtischer Ebene. Sie liefert Schlüsselinformationen zu Natur und
Umwelt und dient als Maßstab für die Umwelt- und Raumverträglichkeit von
Vorhaben und Planungen der Stadtentwicklung. Zudem formuliert sie klare Ziele
und Maßnahmen zur Sicherung, Pflege und Entwicklung von Natur, Landschaft
und Freiraum. Mit der vorliegenden Freiraumstrategie, welche die Handlungsfelder des Amtes für Stadtgrün und Gewässer in räumlicher und funktionaler Hinsicht sowie die Ausrichtung des künftigen Managements anspricht, ist die Landschaftsplanung eng verknüpft.
Der Landschaftsplan ist ein „Wegweiser“ für die städtische Entwicklung. Er
macht vorhandene räumliche Qualitäten sichtbar.
steckt die notwendigen Ziele zur Entwicklung des Naturhaushaltes ab.
verweist auf die Entwicklungsmöglichkeiten für das landschaftliche Umfeld
der Stadt.
leitet die dafür notwendigen und empfehlenswerten Maßnahmen ab und
zeigt konkrete Umsetzungswege auf.
bündelt und koordiniert das Zusammenspiel der vielen verschiedenen Instrumente und Regelungen.
19
wickelt. Diese werden im weiteren Planungsprozess untereinander abgewogen
und im sogenannten Integrierten Entwicklungskonzept zusammengeführt. Dieses stellt das zentrale Ergebnis des Landschaftsplanes dar und bildet die wichtigsten Planungsziele ab. Im Mittelpunkt stehen dabei die Entwicklung, Erhaltung und nachhaltige Sicherung eines funktionsfähigen Naturhaushaltes, der
Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen für die Menschen und eine lebenswerte
Stadtlandschaft. Deshalb enthält der Landschaftsplan teilräumliche Leitbilder
für alle typischen Stadt- und Landschaftsräume Leipzigs. Mit seinen Daten und
Umweltbewertungen dient er auch als Entscheidungshilfe für eine umweltverträgliche Planung von Standorten für den Wohnungsbau, die Entwicklung von
Gewerbe und Industrie, für Verkehrs- und Infrastrukturbaumaßnahmen.
Der Landschaftsplan thematisiert Konfliktsituationen hinsichtlich der Umweltbelange und zeigt Handlungsbedarf auf, wo es einer weiteren planerischen Bearbeitung bedarf.
Der Landschaftsplan behält als Planungsinstrument die gesamte Stadt
mit ihren Freiräumen
im Blick.
Die aktuelle Version des Landschaftsplanes der Stadt Leipzig wurde im Jahr 2013
durch den Stadtrat beschlossen. Dieser Landschaftsplan ist jedoch nicht als ein
abgeschlossenes, nur periodisch fortzuschreibendes Planwerk zu verstehen.
Vielmehr ist er ein modulares Instrument, das ständig auf aktuelle Bedürfnisse
reagiert und als querschnittsorientierter Planungsansatz laufende Planungen,
Programme und Verfahren mit Schlüsselinformationen zu Umweltbelangen versorgen kann. Landschaftsplanung ist somit eine Daueraufgabe für Verwaltung,
Politik und Öffentlichkeit.
Die kontinuierliche Aktualisierung der Informationen und Analysen, die Weiterentwicklung der Inhalte des Landschaftsplanes werden in Abständen von etwa
zehn Jahren in einer förmlichen Fortschreibung zusammengeführt. Die Öffentlichkeit und Träger öffentlicher Belange werden beteiligt und das Planwerk den
politischen Gremien zur Entscheidung vorgelegt, so dass seine ökologischen
Grundlagen und Planaussagen die Stadtentwicklung mitbestimmen können.
Im Zuge der Erarbeitung des kommunalen Landschaftsplanes werden für die
einzelnen Schutzgüter wie Boden, Wasser, Klima/Luft, Arten und Biotope, Biodiversität, Kulturlandschaft, Landschaftsbild und Erholung aktuelle Bestandserhebungen und -bewertungen erstellt und auf dieser Grundlage Zielkonzepte ent20
Mit seinen Inhalten und planerischen Aussagen stellt der Landschaftsplan für die
konkrete Entwicklung von Freiräumen und Gewässern wichtige Grundlagen für
die konkrete raum- oder objektbezogene Planung zur Verfügung und gibt Ziele
für den angestrebten Zustand von Natur und Landschaft vor.
Die Landschaftsplanung ist damit die gesamträumlich konkretisierte und regelmäßig politisch legitimierte planerische Konzeption zur langfristigen Steuerung
der Stadtentwicklung unter den Gesichtspunkten des Naturhaushaltes und wichtiger Bestandteil der Daseinsvorsorge der Stadt.
Eine enge Verzahnung und eine gutes Zusammenwirken der Aufgaben der
gesamträumlich angelegten Landschaftsplanung mit jenen, die in der vorliegenden Freiraumstrategie dargelegt sind, ist für deren erfolgreiche Umsetzung
unabdingbar. Dies gilt andersherum aber auch für die Umsetzung der Leit- und
Zielvorstellungen des Landschaftsplanes mit Hilfe konkreter Schutz-, Pflegeund Entwicklungsansätze für einzelne Gebiete. Für die Umsetzung von Maßnahmen zur Sicherung, Pflege und Entwicklung sind sowohl ergänzende Konzepte
der Landschafts- und Freiraumplanung unerlässlich (Spielraumkonzept, Kleingartenkonzeption etc.), als auch projektbezogene Planungen zur Entwicklung
von konkreten Freiräumen und von Gewässern, wie sie im Amt für Stadtgrün
und Gewässer erarbeitet werden. Ebenso ist ein entsprechendes Pflegeregime
der Flächen, wie es in Zusammenarbeit zwischen dem Amt für Stadtgrün und
Gewässer und dem Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig entwickelt und umgesetzt wird, von großer Bedeutung.
Der Grünzug Alte Salzstraße ist das grüne
Rückgrat des Stadtbezirkes Grünau.
Der Ausbau des Leipziger Freiraumsystems wurde auf allen Ebenen weiter
vorangebracht. Freiräume sind umso wirksamer und bedeutsamer im Stadtgefüge, je besser sie in das Freiraumsystem eingebunden sind. Die verstärkte
Vernetzung der bestehenden Freiräume und Gewässer untereinander erwies
sich daher als eine der zentralen Aufgaben und bleibt es auch in Zukunft.
Der Vernetzung und Erreichbarkeit der Erholungsangebote wurde unter dem
Motto der „Stadt der kurzen Wege“ höchste Aufmerksamkeit zuteil. Die in
Leipzig durchschnittliche Freiraumversorgung pro Kopf der Bevölkerung von
15,9 Quadratmetern ist vergleichsweise hoch, in den verschiedenen Stadtteilen (insbesondere durch die Lage zum Auwald) jedoch weiterhin sehr unterschiedlich. Durch Lage, Vernetzung, Qualität und Zugänglichkeit jedem Bürger die Möglichkeit zu geben, die Potenziale des städtischen Freiraumsystems
nutzen zu können, blieb das übergeordnete Ziel.
Eine nachhaltige Stadtentwicklung kann nur mit einer nachhaltigen Sicherung
und Entwicklung der grün-blauen Infrastruktur gelingen. Dafür ist das enge
Zusammenspiel und Zusammenwirken der Landschaftsplanung mit dem konkreten Management zur Erhaltung und Entwicklung von Freiräumen, Grünstrukturen und Gewässern unter Berücksichtigung aller Interessen notwendig.
Leipzig im Jahr 2030
Entscheidungen zur Neuanlage und Vernetzung von Grünflächen in Leipzig
folgten stets dem im Landschaftsplan festgelegten Ring-Radial-System, um
dessen Lücken weiter zu schließen. Die Revitalisierung des Gewässersystems
vollzog sich im vergleichbaren Sinne auf Grundlage entsprechender Gesamtkonzepte (vor allem des Integrierten Gewässerkonzeptes und des Wassertouristischen Nutzungskonzeptes) unter strikter Berücksichtigung der Anforderungen der europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Bei der Beschäftigung mit
Freiräumen unterschiedlichster Kategorien blieb daher - ungeachtet ihrer
Größe, Funktion und Gestalt – stets das große Ganze, das gesamtstädtische
Freiraum- und Gewässersystem im Blick.
Die im Zuge des Wachstums einiger Stadtteile notwendige bauliche Innenverdichtung wurde durch eine Sicherung bestehender oder gezielte Entwicklung
zuvor brachliegender Freiraumpotenziale in den Quartieren begleitet. Bei der
Entscheidung für oder gegen die Bebauung oder bauliche Nachverdichtung
von Grundstücken war und bildet insbesondere deren Stellung im Freiraumsystem eine maßgebliche Entscheidungsgrundlage. Damit konnte in Leipzig
den Anforderungen an eine „Doppelte Innenentwicklung“ mit entsprechender
Freiraumversorgung und –qualität umfassend Rechnung getragen werden.
Im Zusammenhang von Vernetzung, Verbesserung von Versorgungsgraden
und doppelter Innenentwicklung haben gesamträumliche, freiraumorientierte Planungsinstrumente wie die Landschafts- und Grünordnungsplanung,
aber auch ergänzende Planungen wie Spielraum- oder Sportplanungen wieder mehr an Bedeutung gewonnen. Die kommunale Landschaftsplanung ist,
gestützt auf das geografische Informationssystem (GIS), als Koordinierungsinstrument zu einer wichtigen Grundlage der Entscheidungsfindung und Steuerung der grünen und blauen Stadtentwicklung geworden. Sie ist eng verzahnt
mit einem gesamtstädtischen, nutzung- und funktionsbezogenen Freiraumkonzept sowie untersetzt durch ein Grünflächeninformationssystem, dem
nicht nur die konkrete Pflege und Entwicklung zu entnehmen ist, sondern das
dem Management der gesamten grün-blauen Infrastruktur dient.
21
22
PARKS
Leipzig ist eine Stadt urbaner Parks. Es gibt eine Vielzahl von Anlagen aus mehreren Epochen von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.
Die Innenstadt ist vom Promenadenring als einem der ältesten kommunalen
Landschaftsparks in Deutschland umgeben. Ebenso prägen die großen Parks in
unmittelbarer Nähe der Innenstadt das Image Leipzigs als eine lebendig grüne
Stadt am Wasser im besonderen Maße. Die alten Zeugnisse des Leipziger Stadtgrüns bilden gemeinsam mit den neuen Resultaten grüner Stadterneuerung das
so leistungsfähige wie auch attraktive Netz der hiesigen Parkanlagen.
Definition Parks sind die „klassischen“, bis heute überaus wichtigen Elemente
des städtischen Grüns. Es handelt sich um landschaftsarchitektonisch gestaltete, überwiegend von Vegetation geprägte Freiräume von mindestens einem
Hektar Größe. Aufgrund ihrer Ausmaße, ihrer funktionalen Vielfalt und ihrer
gestalterischen Qualität zählen sie zweifellos zu den bedeutendsten und effektivsten Freiräumen der Stadt.
Der Lene-Voigt-Park
hat sich als beliebter Erholungsraum
etabliert.
dauerhaft aufrecht zu erhalten. Die Übernutzung der Wege und Rasenflächen,
Gehölzbestände und Ausstattungen beanspruchen die Substanz der Parks in den
intensiv genutzten Bereichen stark. Verschmutzung, Vandalismus und Hundekot, ebenso der mitunter entstehende Lärm bergen für benachbarte Anwohner
und für ruhesuchende Nutzer der Parks Konfliktpotenzial. Es entsteht ein erhöhter Sanierungsbedarf; der Aufwand für die Werterhaltung ist gestiegen. Diese
Leipzig heute
Die Leipziger Parkanlagen bieten überaus zahlreichen und unterschiedlichen
Aktivitäten Raum. Sie sind bereits heute Garanten eines urbanen, lebendigen
Stadtgrüns.
Funktionen und Nutzung
Angezogen auch durch die vielerorts wieder
reaktivierten oder neu geschaffenen kulturellen und gastronomischen Angebote,
finden viele tausende Leipziger und deren Gäste den willkommenen Freiraum für
unterschiedlichste Aktivitäten in unseren Parks.
Die passive, ruhige Erholung ist die Kernfunktion unserer Parks (siehe Kap. Passive
Erholung). Gleichzeitig ist ein zunehmender Trend zu aktiven Erholungsformen
zu verzeichnen. Die neuen Nutzungen sind vielfältig und erweitern sich stetig
(siehe Kap. Aktive Erholung). So ist in den Parks der Stadt Leipzig, insbesondere
in Innenstadtnähe und nahe von dicht besiedelten Wohngebieten, seit mehreren
Jahren eine starke Zunahme intensiver Betätigungsformen zu verzeichnen. Die
Leipziger Parks sind dabei auch überregional beliebt; dies spiegelt sich in stetig
wachsenden Besucherzahlen wider.
Diese positive Entwicklung einer Reurbanisierung der Parks bringt aber auch
Probleme mit sich, die zu lösen sind, um die Attraktivität des städtischen Grüns
Die Sachsenbrücke im
Clara-Zetkin-Park übt
als Treffpunkt und
städtische Bühne eine
enorme Anziehung aus.
Foto Seite 22 :
Der Clara-Zetkin-Park
muss zahlreichen
Nutzungsinteressen
genügen.
23
Entwicklung ist Anlass, für ausgewählte Anlagen auf der Grundlage von Analysen Zukunftskonzeptionen und konkrete Maßnahmenpläne zu entwickeln und
schrittweise umzusetzen.
Trotz dieser Probleme und Konflikte ist die intensive Inanspruchnahme der Leipziger Parks eine erfreuliche Entwicklung. Besonders junge Menschen nehmen die
Freiräume mit großer Kreativität und Intensität in Anspruch. Die Parkanlagen
entfalten dabei eine hohe soziale und gesundheitsfördernde Bedeutung, sind sie
doch kostenlose und jederzeit frei zugängliche Aufenthalts- und Betätigungsorte
für alle Menschen.
Der Richard-WagnerHain gehört zu den hoch
frequentierten Parks
mit Aufenthaltsqualität
und als gewässerbegleitende Wegeachse für
Rad- und Fußverkehr.
Neben der Nutzung durch die Menschen erfüllen die Parkanlagen wichtige Funktionen innerhalb der Stadtnatur. Sie beeinflussen das Stadtklima positiv, indem
sie zur Abkühlung, Staubbindung und Erhöhung der Luftfeuchtigkeit beitragen.
Die Grünanlagen sind Heimat zahlreicher Pflanzen- und Tierarten und erhöhen
die Biodiversität in der Stadt. In dieser Eigenschaft sind sie Orte der intensiven
Naturerfahrung und Umweltbildung für die Menschen.
gesamt 896 Hektar. Wald, Kleingärten und Friedhofsflächen sowie Sportplatzanlagen der Sportvereine sind in dieser Größenangabe nicht enthalten. Parks,
begrünte Stadtplätze und Grünanlagen nehmen damit einen Anteil von 3,4 Prozent der Gesamtfläche der Stadt ein.
Zahlen und Fakten Die Stadt Leipzig verfügt gegenwärtig über Parkanlagen mit einer Gesamtfläche von 516 Hektar. Hinzu treten kleinere Grünanlagen
und von Grün dominierte Stadtplätze mit einer Fläche von 380 Hektar (siehe Kap.
Grüne Stadtplätze und Grünanlagen). Gemeinsam bilden sie das Netz des intensiver gestalteten und genutzten öffentlichen Stadtgrüns mit einer Fläche von ins-
Rund 50 Prozent dieser Grünflächen sind als Kulturdenkmale erfasst. Es sind dies
vor allem die Stadtparks aus der Blütezeit der Leipziger Stadtentwicklung von
der Gründerzeit bis zum Zweiten Weltkrieg, aber auch einige frühere Gutsparks
sowie zum Park umgewandelte Friedhöfe. Die Erhaltung dieser Gartendenkmale ist eine Pflichtaufgabe der Stadt. Es wurden bereits große Anstrengungen
unternommen, diese Parks zu sanieren und fortlaufend zu pflegen. Dennoch
gibt es weiterhin wichtige Anlagen mit einem hohen Sanierungsbedarf, etwa
der Richard-Wagner-Hain, der Mariannenpark, der Abtnaundorfer Park oder der
Volkshain Stünz.
Die Leipziger Parks
sind Aufenthaltsund Betätigungsort
in überaus vielfältiger Art und Weise.
24
Aus der Erkenntnis des starken Bedarfs an Naherholungsflächen für Leipzig
begann man bereits in der DDR-Zeit, neue Parks anzulegen (Friedenspark, „Park
der Freundschaft“ - heute Park an der Etzoldschen Sandgrube, Landschaftspark Lößnig-Dölitz als Ersatzmaßnahme für die Folgen des Braunkohlenbergbaus). Seit 1990 sind zahlreiche Parkanlagen im Prozess der Stadterneuerung
neu entstanden, insbesondere im Zuge der Umstrukturierung von ehemaligen
Industrie-, Militär- und Infrastrukturflächen: Lene-Voigt-Park, Henriettenpark,
Stadtteilpark Plagwitz und Grüner Bogen Paunsdorf. Die Stadtparks der jüngeren Vergangenheit trugen spürbar zur Aufwertung von bislang mit Freiräumen
LANDSCHAFTSPLAN
DER
STADT
LEIPZIG
LANDSCHAFTSPLAN
öffentliches Grün
Stadt Leipzig
LANDSCHAFTSPLAN K
ÖFFENTLICHES GRÜN
Stadtplanungsamt Leipzig,
SG Landschafts- und Grün
ordnungsplanung:
Maßstab:
1:30.000
Stand: 31.12.2010
Dezernat Stadtentwicklung und Bau
Stadtplanungsamt
Abteilung Generelle Planung und Projekte
Sachgebiet Landschafts- und Grünordnungsplanung
Öffentliche und Grünanlagen im
Stadtgebiet Leipzig.
Datum / Unterschrift
Bearbeitung:
25
Der Staudengarten
des Mariannenparkes
bildet einen Raum für
passive Erholung und
die Freude an Pflanzenbildern.
Alltag im Rosental.
unterversorgten Wohngebieten bei. Anlieger können das Grün vor der Haustür
für Sport und Bewegung nutzen. In den von Umbrüchen gezeichneten Stadtteilen
gaben Parks und Grünflächen entscheidende Initialzündungen für die jeweilige
Quartiersentwicklung und haben zu Nachfolgeinvestitionen und Zuzug geführt.
Die Immobilien in der Nähe der Parks konnten einen deutlichen Wertzuwachs
verzeichnen. Städtisches Leben wuchs, wo vormals Brachen waren; Kreative und
gemeinnützige Vereine siedelten sich an. So haben sich Parks als bedeutende
Instrumente der Stadterneuerung erwiesen.
Die Leipziger Stadtparks sind Bestandteile des übergreifenden städtischen Freiraumsystems (siehe Kap. Grün-blaue-Infrastruktur). Dieser Vernetzungsgedanke,
welcher die lange bestehenden wie auch die seit den 1990er Jahren neu angelegten Parks bestimmt, erhöht die Nutzbarkeit, aber auch die ökologische Leistungsfähigkeit der jeweiligen Freiräume immens.
26
Leipzig im Jahr 2030
Die Hauptaufgabe der Jahre 2016-2030 war die qualitative Sicherung, Werterhaltung und Weiterentwicklung der bestehenden Parks. Dabei wurde dem
Druck zunehmender Nutzungsintensität, neuen Nutzungsformen sowie drohenden Qualitätsverlusten im Bestand entsprochen.
Die Schaffung neuer Parks hat sich als Instrument der Leipziger Stadtentwicklung weiter bewährt, um sowohl bestehende, mit Stadtgrün unterversorgte,
als auch neu zu entwickelnde Gebiete mit Freiräumen auszustatten und das
Netz des Leipziger Grünsystems auszubauen.
Die Parkanlagen erfüllen beachtliche soziale und gesundheitsfördernde Funktionen in der Stadt, sie sind Garanten der Offenheit und Gastlichkeit Leipzigs
und üben Anziehungskraft auch auf die Besucher der Stadt aus. Die Parks sind
frei und unentgeltlich zugänglich.
Gastronomie-Einrichtungen sowie Spiel- und Sportgelegenheiten in den
Parks erwiesen sich weiterhin als wichtige Garanten ihrer Attraktivität. Art
und Umfang dieser Einrichtungen wurden entsprechend der Gegebenheiten
und der Definition gestalterischer, funktionaler und quantitativer Vorgaben
zugelassen.
Mit abgestuften Pflegeintensitäten wurde in den Parkanlagen nicht nur der
Nutzungsvielfalt und unterschiedlichen Nutzungsdichte entsprochen, sondern auch neue Lebensräume für Flora und Fauna geschaffen. Die Pflege
erfolgt so naturverträglich, wie es mit der Zweckbestimmung, Gestaltung und
Nutzung sowie der kulturellen und historischen Bedeutung der Anlagen vereinbar ist.
In den neuen Parkanlagen wurden teilweise extensive Formen der Parkgestaltung entwickelt und mit hoher Gestaltqualität umgesetzt, um mit geringerem
Investitions- und Unterhaltungsaufwand relativ große Areale für die Erholungsnutzung bereit zu stellen. Auch in bestehenden Parks und Erholungsgebieten werden Offenlandbereiche in Kooperation mit Landwirten extensiv
bewirtschaftet. Gleichzeitig wurde damit ökologischen Anforderungen weitergehend entsprochen.
Fragen der Freiraumvernetzung innerhalb der Stadt sowie mit dem Umland
behielten bezüglich der Parks besondere Bedeutung, da sie deren Nutzbarkeit
und Effektivität auch ohne Flächenzuwachs wesentlich steigern.
Denkmalgeschützte Parks als bedeutender Teil des vorhandenen Bestands
wurden als Kulturgut behandelt und erhalten. Aktualisierte denkmalpflegerische Zielstellungen bildeten die Grundlage der Werterhaltung und Entwicklung. Die Zielstellungen beinhalten Kompromissvorschläge zu einer verträglichen Integration neuer Nutzungen.
Neuen Trends der Freiraumnutzung wurde in den Parkanlagen Raum gegeben. Für besonders intensiv genutzte Parks wurden Entwicklungskonzeptionen erstellt, welche die nachhaltige Funktions- und Nutzungsfähigkeit der
Anlagen sichern. Die Konzepte enthalten Maßnahmenpläne zu notwendigen
Investitionen, zur Pflege und Werterhaltung sowie zur Gewährleistung der
Sicherheit und Ordnung in den Parks. Sie wurden in Beteiligungsprozessen
erarbeitet.
27
28
Grüne Stadtplätze und
Grünanlagen
Grünanlagen im hier thematisierten Sinne kommen typologisch den begrünten
Plätzen nahe, besitzen stadträumlich jedoch nicht den Rang eines Platzes. Vielmehr besetzen sie oft Nebenflächen, welche in vielen Fällen ursprünglich bebaut
waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg zerstörte und nicht wieder bebaute Grundstücke, aber auch dezidiert für öffentliche Freiräume vorgesehene Flächen werden von Grünanlagen eingenommen. Ein prominentes innerstädtisches Beispiel
ist die Grünanlage am Thomaskirchhof, ein seit der Nachkriegszeit von Bebauung freigehaltenes, früheres Baufeld zwischen Marktplatz und Thomaskirche.
Die Fläche wurde trotz eines starken Interesses zur Neubebauung als Grünanlage
erhalten und bietet in seiner hochwertigen Gestaltung mit Wasserspiel, Vegetation und zahlreichen Sitzplätzen heute einer intensiven Nutzung Raum.
Die Stadt Leipzig verfügt über eine Vielzahl hochwertiger grüner Stadtplätze
und Grünanlagen. Sie zeugen von der vielschichtigen Vergangenheit ebenso wie
von den Anstrengungen der letzten Jahrzehnte, diesen Bestand zu erhalten und
auszubauen.
Definition Im Einzelnen sind die Freiräume dieser Kategorie in der Regel nicht
größer als ein Hektar; dennoch zählen sie zu den bedeutendsten Bestandteilen
des Leipziger Stadtgrüns. Ihre große Zahl und Vielfalt, ihre funktionale Intensität
sowie ihre Nähe zu den Stätten des täglichen Lebens - zur Wohnung, Arbeitsstelle
und zu öffentlichen Einrichtungen - verleiht ihnen ihre jeweilige Bedeutung.
Leipzig heute
Stadtplätze – das sind räumliche, funktionale und gestalterische Höhepunkte
einer Stadt. Dabei ist hier – im Unterschied zu den vorrangig befestigten Plätzen
- von den überwiegend vegetativ geprägten Stadtplätzen die Rede. Befestigte
Plätze können selbstverständlich auch Baumbestand aufweisen, der wie jener
entlang der Straßen durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer betreut wird
(siehe Kap. Stadtbäume).
Die grünen Stadtplätze und Grünanlagen,
hier der Steinplatz in
der Südvorstadt, sind
bedeutende Bausteine
der „Stadt der kurzen
Wege“.
Foto Seite 28:
Die Grünfläche zwischen Marktplatz und
Thomaskirche ist ein
äußerst beliebter Aufenthaltsort und Treffpunkt in der Innenstadt.
Rolle und Wertschätzung Grünanlagen und Plätze stehen meist in einem
engen Zusammenhang zur umgebenden Bebauung. Selbst sind sie jedoch zum
überwiegenden Teil von Vegetation geprägt. Trotz ihrer oft geringen Größe ist ihre
soziale Rolle bedeutsam: Nicht selten ist es der unspektakuläre Freiraum unweit
der Haustür, ausgestattet mit einer Bank, vielleicht einem Spiel- oder Sportgerät
und dem so wichtigen „Stück Natur“, der den Bürgern ans Herz gewachsen ist und
zur Verbundenheit mit dem heimatlichen Stadtraum beiträgt. Größe und historische Bedeutung sind dabei weniger ausschlaggebend als Aspekte der Nähe
zur Wohnung, der Einbindung in das Freiraumsystem sowie der räumlichen und
gestalterischen Qualität. Insbesondere in den baulich verdichteten, mit Freiräumen geringer versorgten Stadtgebieten kommt den Freiflächen dieser Kategorie
eine überragende Bedeutung zu. Wohnungsnahe Plätze und Grünanlagen erhöhen die Wertschätzung eines Wohnstandortes.
Funktion und Nutzung Die funktionale Dichte und die Frequenz der Nutzung ist auf begrünten Stadtplätzen und in Grünanlagen stets besonders hoch.
Zahlreiche Funktionen finden hier Raum zur Entfaltung. Sie dienen der aktiven
und passiven Erholung, sie sind Orte der Begegnung und Kommunikation. Kinder, Jugendliche und Erwachsene spielen und betätigen sich hier. Stadtplätze und
Grünanlagen bieten Möglichkeiten zum Verweilen im Grünen und den Stadtraum
abseits der motorisierten Verkehrswege zu durchqueren. Sie sind Zeugnisse der
Stadtgeschichte bis in die Gegenwart. Auch die Repräsentation der Stadtgesellschaft, etwa im Kontext wichtiger Gebäude oder Denkmäler, kann eine Funktion
grüner Stadtplätze sein.
29
Begrünte Stadtplätze und Grünanlagen übernehmen trotz geringer Größe sowohl
für den Freiraumverbund als auch für die Stadtnatur (Biotopverbund) wichtige
Aufgaben als Trittsteine und Korridore. Sie sind Heimat der städtischen Tier- und
Pflanzenwelt und erhöhen damit die Biodiversität in der Stadt. Sie bieten den
Bürgern Naturerlebnisse, etwa Blütenduft und Vogelstimmen. Sie verbessern
das Mikroklima der Stadt, fördern Gesundheit und Wohlbefinden ihrer Bürger.
Wasserspiel in der
Von-Harck-Anlage
mit Blick auf das
Neue Rathaus.
In Leipzig existieren derzeit begrünte Stadtplätze und Grünanlagen mit insgesamt 380 Hektar Fläche. Insbesondere in den 1990er Jahren ist den Freiräumen
dieser Kategorie, durch die hohen Sanierungsdefizite aus der DDR-Zeit begründet,
eine größere Aufmerksamkeit zuteil geworden. Investitionen sind in die Restaurierung denkmalgeschützter Anlagen geflossen, aber auch in die Neugestaltung
von funktional und gestalterisch überholungsbedürftigen Freiräumen. Besonders große Anstrengungen wurden und werden den Spiel- und Bewegrungsangeboten auf den Plätzen und in den Grünanlagen zuteil (vgl. Kap. Spielräume).
In der jüngeren Vergangenheit hat die Stadt Leipzig zudem eine Reihe von Plätzen
und Grünanlagen neu geschaffen oder bestehende umgestaltet. Quartiersplätze
wie der Robert-Koch-Platz folgen in der Regel der traditionellen Funktionsmischung aus Ruhe- sowie Spiel-, Sport- und Bewegungsbereichen in zeitgenössischer Formensprache. Ein prominentes innerstädtisches Beispiel ist die Fritz-vonHarck-Anlage zwischen dem Reichsgerichtsgebäude und dem Neuen Rathaus,
die Aufenthaltsqualität und repräsentative Ausstrahlung verknüpft.
Probleme und Konflikte Bei einem großen Teil der Plätze und Grünanlagen ist nach wie vor ein Sanierungsbedarf zu verzeichnen, der die erneute
Zuwendung zu diesem vielfältigen Aufgabenbereich begründet. Auf zahlreichen
begrünten Plätzen und Grünanlagen sind die Oberflächenbefestigungen, die
Bepflanzung und Ausstattung sanierungsbedürftig.
Gemeinschaftliches
Picknick in der Grünanlage am Johannisplatz.
30
Wie Parks und andere Freiräume sind auch die Plätze und Grünanlagen einer
gestiegenen Beanspruchung ausgesetzt. Die Menschen halten sich häufiger im
Freien auf und frequentieren den öffentlichen Raum mit neuen, vielfältigen
utzungen. Gleichzeitig besteht der Wunsch nach ungestörtem Aufenthalt in
N
natürlich geprägter Umgebung. Beide Ansprüche sind einander widersprechend
und gerade in räumlich begrenzten Freiräumen nur schwer zu erfüllen. Erhöhte
Ansprüche an die Werterhaltung der Plätze und Grünanlagen sind eine Folge dieser Entwicklung.
Brunnen und Wasserspiele erhöhen die
Aufenthaltsqualität
von Grünanlagen und
Plätzen, hier in der
Stuttgarter Allee in
Leipzig-Grünau.
Da die Einwohnerdichte in mehreren Stadtteilen inzwischen stark gestiegen ist,
ist aktuell auch ein verstärkter Bebauungsdruck auf Grünflächen zu verzeichnen.
Der schmerzliche Verzicht auf Grünanlagen ist nicht immer abzuwenden. Entscheidend ist jedoch die Sicherung von Flächen, die für die Freiraumversorgung
im Wohnumfeld und den Grünverbund von unersetzlicher Bedeutung sind.
Exkurs: Brunnen und Wasserspiele
Stadtplätze und Grünanlagen werden in starkem Maße von ihren Ausstattungen
geprägt. Brunnen und Wasserspiele sind dabei Gestaltungselemente von besonderem künstlerischen und technischen Wert, die ebenfalls in der Verantwortung
des Amtes für Stadtgrün und Gewässer liegen - unabhängig davon, ob sie auf
begrünten oder befestigten Plätzen stehen.
Aktuell existieren 37 Brunnenanlagen im öffentlichen Grün und auf den Plätzen
der Stadt. Im Jahr 2015 waren davon 31 Anlagen in Betrieb. Zwei Brunnen waren
aufgrund von Baumaßnahmen im Umfeld nicht aktiviert. Fünf Anlagen mussten aufgrund von baulichen und technischen Schäden außer Betrieb gesetzt werden, ein Brunnen (Jungfernstiege) war wegen Sanierungsarbeiten nicht aktiv. Die
Brunnen-Saison dauert in Leipzig von Ostern bis zum 3. Oktober. Täglich laufen
die Fontänen von 11 bis 20 Uhr, in der Innenstadt je nach Standort bis maximal
22:00 Uhr.
Leipzig im Jahr 2030
Begrünte Stadtplätze und Grünanlagen sind trotz ihrer geringen Größe Höhepunkte des Leipziger Stadtgrüns. Als Mosaiksteine sehr unterschiedlicher
Form und Größe ergänzen sie überaus wirksam das lebendige Netz des Leipziger Freiraumsystems.
Die Plätze und Grünanlagen sind aufgrund ihrer Aufenthaltsqualität wichtige Treffpunkte und Orte der Kommunikation; sie bieten Raum für vielfältige
Nutzungen. Sie sind grundsätzlich frei und unentgeltlich zugänglich.
Die quantitative und qualitative Sicherung des Bestehenden wurde auch bei
den Freiräumen dieser Kategorie ein zentrales Ziel der städtischen Freiraumpolitik. Ein Programm zur Sanierung der Stadtplätze und Grünanlagen wurde
umgesetzt.
Die Wasserspiele bereichern wirkungsvoll das Stadtbild, unter ihnen sind bedeutende Kunstwerke. Sie sind überregional bekannt und daher auch von touristischer Bedeutung. Für die Leipziger Bürgerinnen und Bürger sowie die Besucher
der Stadt stellen sie beliebte Treffpunkte dar und stiften Identität - davon zeugt
nicht zuletzt die hohe Aufmerksamkeit, welche die Öffentlichkeit den gelegentlichen Problemen und Defekten an den Brunnen entgegen bringt.
Die Neuanlage von begrünten Stadtplätzen und Grünanlagen blieb ein Instrument der Leipziger Stadtentwicklung, das der Aufwertung bestehender, mit
Stadtgrün unterversorgter oder neu zu entwickelnder Wohngebiete diente.
Der Aufwand zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit ist hoch. Die vorhandenden Mittel zur baulichen Instandhaltung und zum Betreiben sind in Bezug zu den
kostenintensiven Aufwendungen relativ begrenzt. Probleme bereitet dabei vor
allem der zunehmende Vandalismus.
Begrünte Stadtplätze und Grünanlagen wurden stets mit Blick auf ihre
gesamtstädtische Lage angelegt und entwickelt. Ihre Einbindung in das städtische Freiraumsystem erhöhte ihre Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit
entscheidend.
31
32
Stadtbäume
Mit Stadtbäumen sind einerseits die Bäume auf Straßen und Plätzen (Straßenbäume) sowie andererseits jene in Parks und Grünanlagen gemeint. Bäume sind
bedeutende Elemente des Stadtgrüns im Kontrast zur baulichen Substanz. Die
Pflege und Entwicklung des Baumbestandes in der Stadt unter den Aspekten
der Erhaltung ihrer Vitalität, aber auch der Verkehrssicherheit sind bedeutende
Aufgaben des Amtes für Stadtgrün und Gewässer.
Leipzig heute
StraSSenbäume Während man im Jahr 1932 in Leipzig bei deutlich kleinerer
Stadtfläche 38.200 Straßenbäume zählte, waren es Ende 2015 an Leipzigs Strassen 60.913 Bäume. Dabei handelt es sich um rund 12.000 Bäume in der Altersklasse bis zwanzig Jahre. Im Bestand sind ferner etwa 34.000 Straßenbäume
mittleren Alters zwischen zwanzig und fünfzig Jahren. Die verbleibenden 15.000
Straßenbäume schließlich sind über fünfzig Jahre alt.
Die Allee am Cottaweg enthält sehr alte
Exemplare neben neu
gepflanzten Straßenbäumen.
bäume in grünflächen Die in Leipzigs Grünflächen wachsenden Bäume
sind aktuell noch nicht detailliert erfasst. Die Zahl dieser Bäume wird auf rund
100.000 geschätzt. Jährlich werden etwa 250 Bäume in Parks und Grünanlagen
sowie auf kommunalen Friedhöfen neu gepflanzt. In den öffentlichen Räumen
der Kleingartenanlagen existieren zudem aktuell etwa 2.000 Bäume.
Aufgrund des großen Nachholbedarfs wurden in den Jahren von 1995 bis 2003
jährlich 2.000 Neu- und Nachpflanzungen an Straßen und Plätzen vorgenommen. Die Zahl gepflanzter Bäume ging in den Folgejahren zurück und stabilisierte
sich seit 2010 bei rund 1.000 Straßenbäumen pro Jahr, im Jahr 2015 waren es 680.
Funktionen und Nutzungen Die Funktion der Stadtbäume reicht unabhängig von ihrem Standort weit über ihre ästhetische und städtebauliche Bedeutung hinaus. Für jede Stadt sind Bäume als raumbildende Gestaltungselemente
unverzichtbar. Zudem sind sie in hohem Maße mitverantwortlich für die Aufenthaltsqualität im städtischen Raum; sie spenden Schatten, absorbieren Schall
und sorgen für eine Verbesserung des Stadtklimas. So sorgen sie bei hohen
Temperaturen für Abkühlung und tragen durch die staubbindende Wirkung ihrer
Blätter zur Luftreinhaltung bei. Darüber hinaus sind sie wichtige Garanten der
städtischen Biodiversität, indem sie selbst zum Artenreichtum beitragen und
Lebensraum zahlreicher Tierarten sind.
Die Pflanzung eines Straßenbaumes kostet einschließlich Planung aktuell durchschnittlich 1.660 Euro, das Setzen eines Parkbaumes 900 Euro. Die Folgekosten
für die Pflege eines neu gepflanzten, jungen Straßenbaumes betragen aktuell im
Jahr durchschnittlich 55 Euro.
In der Artenzusammensetzung der Straßenbäume trägt die Stadt ihrer Tradition Rechnung, als „Stadt der Linden“ zu gelten. So gehören 36 Prozent aller
Straßenbäume der Gattung Tilia in verschiedenen Arten an. Ahorn, Esche und
Platane machen zusammen einen annähernd gleich großen Anteil aus. Das verbleibende Drittel wird durch rund 35 weitere Baumarten gebildet, zum Beispiel
Zierformen der Birne und Kirsche, durch Eichen, Rosskastanien oder Robinien.
In aller Regel sind die Straßenbäume als Alleen oder Baumreihen gepflanzt. Sie
entfalten dadurch eine stadtgliedernde und raumbildende Wirkung. Unter den
Leipziger Alleen befinden sich mehrere von hoher historischer und städtebaulicher Bedeutung, für deren Schutz und Erhaltung große Anstrengungen unternommen werden.
Foto Seite 32:
Die Lindenallee an der
Friedrich-Ebert-Straße
beschattet einen bedeutenden Grünzug am
Waldstraßenviertel.
Erfassung der Stadtbäume Die genaue Kenntnis des Baumbestandes
ist eine wesentliche Voraussetzung, um gezielte Maßnahmen hinsichtlich der
Bestandsentwicklung, Sanierung und Gesunderhaltung (Baumpflege) ableiten
zu können. Deshalb wurde 1992 begonnen, ein Straßenbaumkataster mit präzisen Angaben zu jedem Exemplar aufzubauen. Bereits 1994 wurde das Kataster
für das damalige Stadtgebiet fertig gestellt und mit jeder neuen Eingemeindung
fortgeschrieben.
Der Schwerpunkt bei den Erfassungen lag bislang auf den Straßenbäumen. Deren
Lebenserwartung ist wegen der extremen Standortbedingungen wesentlich
33
Vorhandene Straßenbäume und ihre Baumscheiben sind grundsätzlich geschützt.
Bei anstehenden Baumaßnahmen werden Schutzregelungen gegenüber Bäumen
wirksam - sowohl im sichtbaren Bereich als auch im Tiefbau. Zwischen Baumpflanzungen und Versorgungstrassen müssen Mindestabstände eingehalten
werden.
geringer ist als die der Bäume in den Grünflächen. Mit deren Erfassung wurde
wiederum im Jahr 2013 begonnen. Derzeit sind im neuen Grünflächenbaumkataster rund 37.000 Standorte erfasst.
Probleme und Konflikte Durch Oberflächenversiegelung und Verdichtung,
Einschränkungen des Wurzelraumes, hohe Temperaturunterschiede und Trockenheit sowie durch die winterliche Belastung durch Streusalz sind insbesondere die Straßenbäume äußerst extremen Belastungen ausgesetzt. Damit sie
sich dennoch vital entwickeln können, müssen bereits bei der Planung besondere
Voraussetzungen berücksichtigt werden. Dazu hat das Amt für Stadtgrün und
Gewässer Standards für die Planung und Ausschreibung von Straßenbegleitgrün
erarbeitet und schreibt sie entsprechend neuer Erkenntnisse fort.
Viele Bürgerinnen und Bürger engagieren sich für den Erhalt der Baumsubstanz
ihrer Stadt auf finanziellem Wege. Mit Baumpatenschaften tragen sie dazu
bei, den Bestand an Straßen- und Parkbäumen zu verjüngen. Die Spenden- und
Pflanzaktion „Für eine baumstarke Stadt“ wurde 1996/97 auf Beschluss des
Stadtrates eingerichtet. Heute existieren annähernd 4.000 Patenbäume an den
Straßen und Plätzen sowie in den Parks und öffentlichen Friedhöfen Leipzigs.
Die Bedeutung, welche die Bäume und das Grün im Straßenraum für die Stadtbewohner haben, wird auch in den von Anwohnern initiierten Bepflanzungen von
Baumscheiben deutlich. Damit durch dieses im Grunde zu begrüßende Engagement für eine grüne Stadtgestaltung keine Probleme für die Bäume selbst verursacht werden, sind „Tipps für die Bepflanzung von Straßenbaumscheiben“ erarbeitet worden, die im Internet zur Verfügung stehen.
Ferner muss die Auswahl der Baumarten auf die extremen Standortbedingungen
abgestimmt werden. Die sich abzeichnenden Klimaveränderungen haben Anpassungen in der Artenauswahl der künftigen Straßenbäume zur Folge. Hier ist die
Straßenbaumliste der GALK (Gartenamtsleiterkonferenz) eine wichtige Entscheidungshilfe zur Festlegung der jeweils zu pflanzenden Baumarten und -sorten.
Auch in den Parkanlagen sind die Bäume einem zunehmenden Nutzungsdruck
ausgesetzt – einerseits durch die intensive Inanspruchnahme der Wege, Wiesenund Rasenflächen, andererseits durch die direkte Nutzung der Bäume zum Spielen und Klettern. Der aktuelle Trend, Slacklines an Parkbäumen zu befestigen,
führt beispielsweise zu hoher Beanspruchung und mitunter gravierenden Schäden. Mit Mitteln der Information, Aufklärung und Bewusstseinsbildung, weniger
durch Anordnungen und Verbote wird versucht, auf solche neuen, konfliktträchtigen Nutzungen zu reagieren (vgl. Kap. Öffentlichkeitsarbeit).
In Umsetzung des Landesrechts mussten Einschränkungen des Geltungsbereiches der kommunalen Baumschutzsatzung hingenommen werden. Infolge
der gelockerten Regelungen ist insbesondere auf privaten Grundstücken eine
schmerzhafte Verringerung des Baumbestandes zu verzeichnen.
Wertschätzung Die Leipzigerinnen und Leipziger wissen den Wert ihrer
Stadtbäume sehr zu schätzen. Dies wird nicht zuletzt anhand der Proteste bei
unvermeidbaren Baumfällungen im öffentlichen Raum deutlich. Rechtzeitige
Information und Aufklärung über die Gründe der anstehenden Maßnahmen sind
hier besonders wichtige Elemente der Öffentlichkeitsarbeit So werden im Internet aktuelle Listen zu Baumpflanzungen und -fällungen für alle einsehbar zur
Verfügung gestellt.
34
Seit 1990 wurden zahlreiche Straßenbäume in
Leipzig neu gepflanzt,
um Defizite und Verluste auszugleichen. Im
Bild: Richard-LehmannStraße.
Leipzig im Jahr 2030
Das Straßenbaumkonzept als erster Teil des Konzeptes „Baumbestand im
öffentlichen Raum“ wurde ab dem Jahr 2017 Grundlage der Erweiterung des
Bestandes und des Umganges mit Straßenbäumen.
Die Straßenbäume der Stadt sind gesund und vital. Sie haben auf Grundlage
der geltenden Normen und Richtlinien bestmögliche Standort- und Wachstumsbedingungen erhalten, so dass die Wirkungen der Bäume für Stadtklima,
Luftreinhaltung und Gestaltung voll zum Tragen kommen und zugleich ihre
Langlebigkeit erzielt wird. Ihre Zahl ist infolge des Stadtwachstums proportional zur Zunahme der Wohnbauflächen und der Infrastruktur auf rund 70.000
gestiegen.
Die Stadt hat sich kontinuierlich zum Nutzen des Stadtbildes, stadtklimatischer und ökologischer Aspekte erfolgreich für Verbesserungen der Rechtsgrundlagen im Baumschutz eingesetzt, um die Verluste von Stadtbäumen
durch private Grundstückseigentümer zu reduzieren.
In unterversorgten, baulich stark verdichteten Stadtteilen werden in enger
Zusammenarbeit mit anderen Fachämtern neue strukturbildende Pflanzungen geschaffen. Neu angelegte Straßen wurden stets mit Straßenbäumen
besetzt.
Im Bestand wurden abgehende Bäume ersetzt und Lücken geschlossen.
Um eine hohe Qualität der Stadtbäume zu sichern, wurden meist größere
Abstände als im historischen Bestand gewählt.
Das Engagement der Bürgerinnen und Bürger für die Stadtbäume führte
im Rahmen von Spendenaktionen zur Finanzierung von zahlreichen
Baumpflanzungen.
Das seit März 2013 im Aufbau befindliche Grünflächenbaumkataster mit
schätzungsweise 100.000 Bäumen wurde 2018 abgeschlossen.
Der Bestand an Parkbäumen blieb im Verhältnis zur Fläche der Parkanlagen
weitgehend unverändert. Für eine ausgewogene Entwicklung offener Räume
und raumbildender Pflanzungen in den Parks und Grünanlagen wurde Sorge
getragen. In denkmalgeschützten Anlagen orientiert sich der Umgang mit dem
Baumbestand an den jeweiligen denkmalpflegerischen Zielstellungen.
Bei Neupflanzungen wurden standortgerechte Arten und Sorten verwendet,
die auf der Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse den Anforderungen des Klimawandels genügen.
In der Baumpflege und Unterhaltung wurde stets zugunsten des Baumes
gearbeitet. Neben dem bedeutenden Aspekt der Verkehrssicherheit wurden
lebenserhaltende Maßnahmen unter möglichst weitgehender Wahrung des
artspezifischen Habitus durchgeführt. Die Bedeutung alter Bäume für das
Stadtbild und als Lebensraum für viele Organismen wurde bei der Pflege verstärkt berücksichtigt.
Hain der Friedenslinden im Park LößnigDölitz, gepflanzt zum
200. Jahrestag der
Völkerschlacht 2013.
35
36
Wald
Obwohl seine tatsächliche Fläche relativ gering ist, spielt der Wald für Leipzig eine
überaus wichtige Rolle. Die Stadt ist insbesondere wegen der günstigen Lage des
Leipziger Auwaldes intensiv mit ihrem Wald verbunden. Als größter, zusammenhängender städtischer Auwald in Europa ist er von überragender Bedeutung.
Definition Unter Wald versteht man nach dem Sächsischen Waldgesetz jede
mit Forstpflanzen (Waldbäumen und –sträuchern) bestockte Fläche, die durch
ihre Größe geeignet ist, eine Nutz-, Schutz- oder Erholungsfunktion auszuüben.
leipzig heute
Der nördliche und südliche Auwald, die Wälder im Naherholungsgebiet Lößnig–
Dölitz, aber auch kleinere Waldflächen wie das Stötteritzer, das Mölkauer und das
Plaußiger Wäldchen ergeben zusammen die Waldfläche Leipzigs von 2.450 Hektar. Dies sind lediglich ca. acht Prozent der gesamten Stadtfläche. Das Territorium
Leipzigs gehört damit zu den waldärmsten Gebieten des Freistaates Sachsen, ist
jedoch mit weiteren Waldgebieten im Umland vernetzt.
Trotz dieses relativ geringen Anteils an der Gesamtfläche gehören die Wälder zu
den wichtigsten Erholungsräumen der Stadt. Insbesondere ihre Lage im Stadtgebiet verleiht den Waldgebieten eine hohe Bedeutung und Wirkung. Ein großer Teil
der Wälder liegt im Auenbereich der Flüsse Elster, Pleiße und Luppe. Diese Wälder, die gemeinsam den „Leipziger Auwald“ bilden, befinden sich inmitten des
dicht besiedelten Stadtgebietes. Aufgrund dieser Lage haben sie eine enorme
Bedeutung für die Erholungssuchenden als Aufenthalts- und Bewegungsraum.
Zudem gehören die Wälder aufgrund ihres Artenreichtums und ihrer vielfältigen
Struktur zu den wertvollsten Biotopen im Stadtgebiet.
Spätsommer im Leipziger Auwald nahe
dem Rosental.
Etwa 75 Prozent der Wälder auf dem Territorium der Stadt Leipzig befinden sich
im Eigentum der Stadt Leipzig (Stadtwald). Die verbleibenden 25 Prozent sind
Eigentum des Freistaates Sachsen (Landeswald), von privaten Waldbesitzern
und der Kirchen. Im Eigentum der Stadt Leipzig sind darüber hinaus Waldflächen
in den Gemeinden Zwenkau, Markkleeberg und Taucha.
Foto Seite 36:
Artenzusammensetzung und Altersstruktur Rund 40 Baumarten
kommen in den Leipziger Wäldern flächig vor. Die ökologisch und ökonomisch
wichtigsten Baumarten sind die Stieleiche (zur Zeit 20 Prozent), die Gemeine
Der Leipziger Auwald
ist zu jeder Jahreszeit,
hier im Frühjahr zur
Bärlauchblüte, ein reizvolles Erholungsgebiet.
Esche (35 Prozent) und Ahorne (20 Prozent). Relativ geringfügige Reinbestände
werden durch Gemeine Esche, Ahorne und Pappeln gebildet.
Ungünstig ist derzeit die Altersstruktur der wichtigsten Baumarten. Es gibt noch
viele alte, ökologisch wertvolle Stieleichen, aber nur wenig mittelalte und junge
Stieleichenbestände. Bei den Gemeinen Eschen haben viele Bestände ihr natürliches Abgangsalter erreicht. Als Ersatz gibt es relativ wenig Verjüngung – ein
37
Umstand, der durch das Eschentriebsterben aktuell noch verstärkt wird. Bei den
Ahornen gibt es hingegen kaum Altbestände, dafür viele Bestände im mittleren und jüngeren Alter. Viele ökologisch wertvolle Bäume werden ihr natürliches
Höchstalter bald erreichen, Nachwuchs ist von diesen Baumarten zu wenig vorhanden. Außerdem gibt es viele Flächen, die von einer oder wenigen Baumarten im gleichen Alter dominiert sind, die aber ein hohes Entwicklungspotenzial
in Richtung baumartenreicher, gut strukturierter, ungleichaltriger Mischbestände
aufweisen. Durch die ungünstige Altersverteilung sind der Artenreichtum und
eine hohe Biodiversität nur gesichert, wenn forstliche Maßnahmen ergriffen
werden.
Funktionen des Waldes Aufgrund ihrer Lage in der Stadt, ihres Baumarten- und Strukturreichtums sowie der Lage eines Großteils in den Leipziger Auen
erfüllen die Wälder eine große Zahl von Funktionen. So wurden 75 Prozent der
Wälder im Stadtgebiet als Erholungswald eingestuft.
Jedes Waldgebiet hat bis zu sieben Funktionen gleichzeitig zu erfüllen, die einander überlagern. Die meisten Waldflächen sind mit mindestens drei Naturschutzfunktionen bzw. entsprechenden Schutzkategorien belegt (Naturschutzgebiet,
Landschaftsschutzgebiet, besonders geschützter Biotop etc.)
Die Bevölkerung der Stadt Leipzig liebt den Wald! Besonders die baumartenreichen und reich strukturierten Wälder in den Flussauen, am Bienitz oder im
Umfeld des Cospudener Sees sind für viele Leipziger und Besucher der Stadt
nicht nur beliebt als Ausflugsziel und Bewegungsraum, sondern darüber hinaus
ein Aspekt der Identifikation mit der Stadt. Die Akzeptanz für den Wald in der
Stadt ist hoch; auftretende Bestrebungen zur Umwandlung von Wald in andere
Nutzungsformen stoßen auf Widerstand in der Bevölkerung. Die Neupflanzung
von Wald wird von den Bürgern nicht nur begrüßt, sondern aktiv unterstützt.
Die in den Flussauen wachsenden Hartholzauenwälder stellen zugleich einen
seltenen und artenreichen Biotop von überregionaler, internationaler Bedeutung
dar. Sie sind Habitat für seltene und vom Aussterben bedrohte Arten.
Aufgrund der vielen verschiedenen Baumarten gewinnen die Wälder zunehmend
an Bedeutung als Lieferant für den nachwachsenden Rohstoff Holz. Besonders
wichtig ist zudem die positive Wirkung der Stadtwälder auf das regionale Klima.
Perspektivisch nimmt ihre ökonomische und ökologische Bedeutung bezüglich
der Reduktion des Kohlendioxids in der Atmosphäre zu.
38
Zur Sicherung der vielen Funktionen des
Stadtwaldes ist die Bewirtschaftung unerlässlich. Hier Holzeinschlag
im Leipziger Auwald.
Nutzung des Waldes Je nach Waldfunktion gibt es unterschiedliche Nutzergruppen. Aufgrund des relativ hohen Holzzuwachses von über sechs Kubikmeter pro Hektar und Jahr kann im Stadtgebiet von den Waldbesitzern eine relativ große Menge Holz (ca. 10.000 Kubikmeter) nachhaltig genutzt werden. Ein
großer Teil dieses Holzes wird von gewerblichen Forstdienstleistern eingeschlagen. In den letzten Jahren ist aber auch die Zahl der Bürger, die Brennholz für
ihren privaten Haushalt in Leipzigs Stadtwäldern aufarbeiten, enorm gestiegen.
Gegenwärtig sind dies über 300 Personen pro Jahr. Ebenfalls nicht unbedeutend
für die Waldnutzung ist die Gruppe der Jäger. Das sind sowohl die Mitarbeiter der
Landes- und Stadtforstverwaltung als auch Gastjäger und private Jagdpächter.
Ordnungsgemäße Forstwirtschaft und Jagd sind wesentliche Voraussetzungen
für eine nachhaltige Sicherung aller Waldfunktionen und der Biodiversität.
LANDSCHAFTSPLAN
DER
STADT
LEIPZIG
LANDSCHAFTSPLAN
Waldflächen
Stadt Leipzig
LANDSCHAFTSPLAN K
WALDFLÄCHEN
Maßstab:
1:30.000
Stadtplanungsamt Leipzig,
SG Landschafts- und Grün
ordnungsplanung:
Stand: 31.12.2010
Dezernat Stadtentwicklung und Bau
Stadtplanungsamt
Abteilung Generelle Planung und Projekte
Sachgebiet Landschafts- und Grünordnungsplanung
Datum / Unterschrift
Bearbeitung:
Waldflächen in Leipzig.
39
stark in lokale Konzepte eingebunden, welche die Lebensqualität der Stadtteile
und die Erholungsvorsorge zum Ziel haben.
Finanzierung Während sich die Arbeiten zur Bewirtschaftung des Waldes und zur Erhaltung und Verbesserung der Biodiversität in der Regel aus sich
selbst finanzieren, ist der finanzielle Aufwand zur Erhaltung und Entwicklung der
Erholungsfunktion beträchtlich. Verglichen mit der Gesamtfläche der Wälder im
Stadtgebiet und dem Erlebniswert, also dem tatsächlichen Nutzen für die Bevölkerung, ist dieser Aufwand allerdings relativ, so dass die Wälder in Leipzig in
Bezug auf Aufwand und Nutzen sehr effizient zur Erholungsvorsorge beitragen.
Pflanzarbeiten zur
Waldverjüngung.
Die meisten und größten Nutzergruppen aber resultieren aus der Erholungsfunktion. Je nach Art dieser Nutzung schwankt die Zahl ihrer Vertreter von einigen
hundert, wie zum Beispiel bei den rund 500 Reitern bis zu geschätzten einigen
tausend Nutzern bei den beliebten Aktivitäten Wandern, Radfahren, Ausdauerlauf und Nordic Walking.
Erforderliche Bewirtschaftungs- und Erhaltungsmaßnahmen einschließlich der
Jagd stoßen wiederum oft auf wenig Akzeptanz bei den erholungssuchenden
Bürgern. An die Waldbesitzer im Stadtgebiet werden hohe Ansprüche gestellt,
die weit über die forstliche Notwendigkeit hinausgehen.
In den Nutzungsansprüchen sind große Schwankungen und Veränderungen zu
verzeichnen. So haben sich jüngst die Ansprüche der Tagestouristen und Wanderer stark gewandelt. Das Wanderpublikum hat sich in den letzten Jahren deutlich verjüngt, der Wunsch nach Erlebnissen und Abenteuern hat sich vergrößert.
Der Wildpark als Teil des Auwaldes besitzt in diesem Zusammenhang besondere
Bedeutung.
Vernetzung des Waldes im Freiraumsystem Der Leipziger Auwald ist
das Rückgrat des städtischen Freiraumsystems und gibt ihm als ein von Süden
und Nordwesten zur Innenstadt verlaufender Grünzug dessen radial-konzentrische Grundstruktur vor. Er ist überdies, zumeist entlang der Gewässer, weit in das
Umland hinein vernetzt. Seine Betrachtung in naturräumlichen Abgrenzungen
hat stets Vorrang gegenüber administrativen und Eigentumsgrenzen; dies gilt
ebenso für die Jagd oder auch für wissenschaftliche Forschungen.
Aufgrund ihrer Lage mitten in den dicht besiedelten Räumen des Stadtgebietes
sind die Wälder eng mit den bebauten Gebieten und anderen, für die Erholungsvorsorge wichtigen Bestandteilen des Stadtgrüns verbunden. Die Wälder sind
40
Probleme und Konflikte Die Lage der Wälder mitten im urbanen Raum,
die starke Funktionsüberlagerung und Nutzungsdichte führt auch zu erheblichen Konflikten und Problemen. Eine der größten Herausforderungen ist die
Verkehrssicherung entlang von Eisenbahnlinien, öffentlich gewidmeten Straßen
und Nachbargrundstücken. Häufiges Konfliktpotenzial birgt die starke Frequentierung im Rahmen der Erholungsnutzung und die damit verbundene Störung
der Biotope.
„Urbaner Wald“: im Rahmen eines Erprobungsund Entwicklungsvorhabens experimentiert die
Stadt mit der Pflanzung
von Wald auch auf kleineren Brachflächen.
Leipzig im Jahr 2030
Die Waldfläche konnte leicht vergrößert werden. Die in Umweltqualitätszielen der Stadt Leipzig vorgesehene Erhöhung des Anteils des Waldes von ca.
8 Prozent auf ca. 10 Prozent des Gesamtterritoriums bleibt weiterhin das langfristige Ziel.
Eine Schlüsselrolle kam der Schaffung von Wäldern im direkten urbanen Kontext zu. Die in Leipzig geprägte Flächenkategorie des „urbanen Waldes“ auch
auf kleineren, vormals brachliegenden Arealen inmitten von Siedlungsstrukturen hat einen hohen Wert für die Erholungsvorsorge, für das Klima und die
Biodiversität, langfristig aber auch wirtschaftlichen Nutzen. Im Gegensatz zu
anderen Erholungsarealen sind sie relativ kostengünstig in der Anlage und
Unterhaltung.
Bei den vorhandenen Wäldern konnte die Biodiversität durch forstliche
Bewirtschaftungsmaßnahmen in Kombination mit einer angemessenen Bejagung gesichert und in Teilen verbessert werden. Eine wichtige Rolle spielte
dabei die nachhaltige Sicherung einer großen Baumartenvielfalt und eines
hohen Strukturreichtums der Gehölze durch forstliche Nutzung der Wälder.
Durch eine konstante Verjüngung wurde eine lineare Altersverteilung bei allen
Baumarten angestrebt. Zugleich wurde der Anteil an ökologisch wertvollem
Totholz im Wald flächendeckend erheblich gesteigert.
kungen auf die auentypische Biodiversität. Die länderübergreifende und interkommunale Zusammenarbeit hat sich dabei als maßgeblicher, befördernder
Faktor erwiesen.
Durch die stärkere Lenkung des Besucherverkehrs und die Konzentration auf
bestimmte Erlebnisbereiche und Strecken wurde die Frequentierung in anderen Bereichen verringert. Auf diese Weise konnte der Erholungs- und Erlebniswert der Wälder verbessert sowie zum Schutz störungsempfindlicher
Arten beigetragen werden. Lokale und überregionale Wanderrouten und Reitwege wurden auf Grundlage eines überregional vernetzten Wegekonzeptes
gekennzeichnet.
Für bestimmte Flächen setzte die Stadt Leipzig spezifische, interkommunal
vernetzte Entwicklungskonzepte um, etwa zur Schaffung von historischen
Waldbewirtschaftungsformen. Sondernutzungen wie Mittel-, Nieder- oder
Hutewald trugen zur Erhaltung und Vergrößerung der Biodiversität bei, erhöhten den Erlebniswert und die Breite des wirtschaftlichen Nutzens der jeweiligen Areale.
Um die Bewirtschaftungs- und Erhaltungsmaßnahmen im Wald verständlich
zu machen, wurde eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt.
Die konkrete, flächenbezogene Bewirtschaftung erfolgte auf der Grundlage
der „Forsteinrichtung“ für den Zeitraum 2014-2023 sowie im Besonderen nach
der „Konzeption zur forstlichen Pflege des Leipziger Auenwaldes“.
Neben der Bewirtschaftung spielte vor allem im Auwald die Wiederherstellung der ursprünglichen hydrologischen Verhältnisse, zum Beispiel hartholzauentypische Überschwemmungen und Wiederbespannung von Altarmen,
eine wichtige Rolle. Konfliktpotenzialen bei der uneingeschränkten Erholungsnutzung wurde durch Öffentlichkeitsarbeit begegnet.
In Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen führte die Stadt
zahlreiche Forschungsprojekte durch, etwa zum Monitoring auf Beweidungsflächen, zur Brutvogelkontrolle im Auwald oder zur Erfassung von Käfer- und
Falterarten.
Die Realisierung des Projektes Lebendige Luppe als ein Baustein im Gesamtkonzept des Auenerhaltes und der Auenentwicklung zeigt erste positive Wir41
42
Gewässer
Das Gewässersystem, hier auch als „blaue Infrastruktur“ bezeichnet, bildet einen
bedeutenden Bestandteil des Leipziger Freiraumsystems. Es dient nicht nur
der Daseinsvorsorge, sondern es bietet auch eine in dieser Region noch nie da
gewesene Nutzungsvielfalt und abwechslungsreiche Erholungsmöglichkeiten.
Die Wasserwege werden zum Wasserwandern genutzt, entlang der Kanäle und
Flüsse erstrecken sich die meisten Radialen des Leipziger Grünverbundes von der
Innenstadt bis ins Umland, geprägt von den mehr oder weniger noch vorhandenen Auen und dem Leipziger Auwald.
LEIPZIG HEUTE
Nach Sächsischem Wassergesetz werden die Gewässer auf dem Territorium der
Stadt in Gewässer I. Ordnung und II. Ordnung unterschieden. Zu den Gewässern
I. Ordnung, für deren Unterhaltung der Freistaat Sachsen zuständig ist, gehören
die Parthe, die Pleiße, die Weiße Elster, die Kleine Luppe, die Neue Luppe und
die Nahle. Bei Gewässern II. Ordnung ist die Stadt Leipzig für Unterhalt und Ausbau zuständig. Zum Zuständigkeitsbereich der Stadt gehören somit 96 Fließgewässer mit einer Länge von insgesamt 179,55 Kilometern. Hinzu kommen 105
Standgewässer II. Ordnung, die zusammen eine Wasserfläche von 156 Hektar
einnehmen.
Standorte am Wasser
wie hier in Wahren
sind begehrte Wohnlagen, in denen auch
ehemalige Industriebauten eine Sanierung erfahren.
nach Sächsischer Fischgewässerverordnung und können deshalb im gesamten
Stadtgebiet als Angelgewässer genutzt werden.
Die vielfältigen Funktionen der Gewässer können hier nur kurz beleuchtet werden. Im Vordergrund stehen die Ziele und Herausforderungen, die zur Aufrechterhaltung und zukünftigen Verbesserung dieser Funktionen von besonderer
Bedeutung sind. Viele Ziele sind gesetzlich fixiert und nicht immer widerspruchsfrei bzw. ohne umfassende Abwägung untereinander umzusetzen. Es wurden in
diesem Sinne bereits zahlreiche übergeordnete Konzepte (zum Beispiel gemäß
der EG-WRRL, Hochwasserschutzkonzepte, Regionales Handlungskonzept des
Grünen Rings Leipzig, Integriertes Gewässerkonzept, Wassertouristisches Nutzungskonzept) erarbeitet, die eine umfassende und detaillierte Grundlage für die
avisierte nachhaltige Entwicklung des Leipziger Gewässersystems liefern.
Nach Jahrzehnten der extremen Belastung durch Industrie und Bergbau, in deren
Kontext auch zahlreiche Gewässer in der Stadt verrohrt oder verfüllt worden
sind, hat sich der Zustand der Leipziger Gewässer seit 1990 stark zum Positiven
gewandelt. Gleichwohl sind die Folgen der Industrie-Epoche im Gewässernetz
und bei der Wasserqualität noch immer anhaltend spürbar. Insgesamt aber birgt
das weitgehende Aufgeben des aktiven Bergbaus in der Region für die Zukunft
große Potenziale zu einer günstigen Entwicklung der Gewässer. Das Ziel, das
Leipziger Gewässernetz weitgehend wieder in seiner ursprünglichen Eigenschaft
als Lebensader der Region und Leipzig wieder zu einer Stadt am Wasser zu entwickeln, bestimmt aktuell unser Handeln auf verschiedenen Ebenen.
Dabei befinden sich die von der Stadt Leipzig unterhaltenen Gewässer aktuell auf
Grund der urbanen Überprägung in einem nach Wasserrahmentrichtlinie eingestuften schlechten oder mäßigen Zustand. Sie werden turnusgemäß nach wasserwirtschaftlichen und gesetzlichen Erfordernissen unterhalten und gepflegt
(siehe Kap. Gewässermanagement). Sie erfüllen die Gewässerqualitätsparameter
Foto Seite 42:
Der Karl-Heine-Kanal
ist seit seiner Revitalisierung in den 1990er
Jahren eine der ersten
Adressen für Wasserwanderer.
FUNKTIONEN UND NUTZUNG Anforderungen an die Gewässer und deren Nutzungen sind sehr vielfältig. Intakte und saubere Gewässerlandschaften bereichern die Lebens- und Erholungsqualität im Stadtgebiet wesentlich und eröffnen
auch neue Möglichkeiten für Sport und Bewegung, für Kunst, Kultur und Tourismus oder die Durchführung von wasserbezogenen Veranstaltungen. Mit der
Offenlegung der Mühlgräben erhalten die anliegenden Stadtviertel nicht nur ein
neues Gesicht, Wohn- und Lebensqualität steigen merklich.
Damit werden auch überregional Akzente gesetzt. Die innerstädtischen Gewässer
entfalten mittlerweile große Außenwirkung auch über das Stadtgebiet hinaus.
43
Im Innenstadtgebiet,
wie hier am Mendelssohnufer des Pleißemühlgrabens, hat die
Öffnung der Gewässer
zu einer enormen Steigerung stadträumlicher
Qualität geführt.
Dabei können Gewässer im Sinne des Gemeingebrauchs nach Sächsischem Wassergesetz von allen Menschen genutzt werden. Unsere Gewässerlandschaften
im urbanen Stadtgebiet sind aber auch Lebensräume und Rückzugsgebiete für
geschützte Tier- und Pflanzenarten.
Die vielfältigen Nutzungen der Leipziger Gewässer, die sich hauptsächlich auf die
Sommermonate konzentrieren, üben auf die Gewässerstandorte einen hohen
Nutzungsdruck aus. Dieser führt daher immer wieder zu Konflikten und Problemen mit anderen genannten Funktionen und bleibt z. B. nicht ohne Auswirkungen auf die Wasser- und ruhige Erholungsqualität oder auf die Rückzugsgebiete
von Tier- und Pflanzenarten.
Gewässer enden nicht an den Grenzen der kommunalen Zuständigkeit, so dass
ihre Funktionen von übergeordneter Bedeutung sind. Entsprechend unterliegen
Schutz und Entwicklung vielfältigen Anforderungen von der europäischen bis hin
zur kommunalen Ebene.
Durch die im Jahr 2000 verabschiedete europäische Wasserrahmenrichtlinie (EGWRRL) besteht erstmalig die Verpflichtung, für alle wichtigen Gewässer einen
Zielzustand (guter ökologischer Zustand oder gutes ökologisches Potenzial) zu
definieren und mit entsprechenden Maßnahmenprogrammen zu verfolgen. Für
die in der Zuständigkeit der Stadt Leipzig liegenden Gewässer II. Ordnung bilden
in diesem Zusammenhang Floßgraben, Pösgraben und Zschampert sowie der
Elstermühlgraben die Schwerpunktgewässer.
Die Gewässer im Stadtgebiet sind Bestandteil des unmittelbaren, städtischen
Lebensumfeldes und erfüllen dabei vielfältige Funktionen: Sie dienen der Rückhaltung oder schadlosen Ableitung von Niederschlagswasser in besiedelten Ortslagen. Dorfteiche sind oftmals auch Löschwasserteiche und übernehmen damit
in den betroffenen Ortslagen Funktionen für den Brandschutz. Gewässer sind
Orte der Naherholung. Sie bieten Ruhe, Entspannung und Naturerlebnisse, stehen aber auch für aktive Erholungsformen und Freizeitgestaltung zur Verfügung.
44
Technische Bauten
gehören zur blauen Infrastruktur, im Bild das
Palmengartenwehr.
LANDSCHAFTSPLAN
DER
STADT
LEIPZIG
LAND
W
Stadt L
LAND
Stadtplanungsamt Leipzig, SG Landschaftsund Grünordnungs
planung:
WASSE
Maßstab:
1:30.000
Dezernat Stad
Stadtplanung
Abteilung Ge
Sachgebiet L
Gewässer im
Stadtgebiet Leipzig.
Bearbeitung:
45
Zur Umsetzung der Ziele ist insbesondere der Ausgleich unterschiedlicher
Nutzungsinteressen von Bedeutung, so dass hier ein Grundkonsens über die
Entwicklung der Gewässer im Raum Leipzig nur in Kooperation und Koordination
unterschiedlicher Akteure zu erreichen ist.
Von grundsätzlicher Bedeutung bleibt das Thema Hochwasserschutz. Aus wasserwirtschaftlicher Sicht sind zur Gewährleistung des öffentlichen Hochwasserschutzes im Stadtgebiet aktuell 39 wasserbauliche Maßnahmen als dringend
erforderlich identifiziert worden, um bestehende hydraulische Defizite an Gewässern II. Ordnung schrittweise abzubauen. Durch zielgerichtete Renaturierung von
Gewässerabschnitten, zusätzliche Grabentaschen und Schaffung von Stauraum
kann das Rückhaltevermögen an den Gewässern II. Ordnung weiter erhöht werden. Dadurch werden bei exponierten Wetterlagen die Gewässer I. Ordnung im
Stadtgebiet entlastet.
Auf den künstlichen
Gewässern des Leipziger Neuseenlandes,
entstanden durch die
Flutung ehemaliger
Braunkohletagebaue,
ist landschaftliche
Weite spürbar.
Darüber hinaus müssen die Gewässer nicht nur hydraulisch in der Lage bleiben
und in diese versetzt werden, die Niederschlagswasserableitungen des Siedlungsraumes sicher zu stellen, sondern auch qualitativ die Mischwasserentlastungen verkraften und kompensieren zu können. Zunehmend wichtige Funktionen bekommen die Gewässer auch im Kontext mit einem sich entwickelnden
Wassertourismus in Leipzig und der Region (siehe Kap. Tourismus).
Naturschutzes unterliegen. Insbesondere die wassertouristische Nutzung der
Gewässer muss mit diesen Belangen in Einklang gebracht werden, um zum einen
den gesetzlichen Anforderungen Rechnung zu tragen und zum anderen eine
nachhaltige wassertouristische Nutzung zu ermöglichen, die selbst auf die Erhaltung des Naturraumes angewiesen ist, weil die stadtnahe Auenlandschaft die
Attraktivität der Leipziger Gewässer ausmacht. Eingriffe durch große Wasserbaumaßnahmen sind grundsätzlich zu vermeiden. Unvermeidbare Eingriffe müssen durch entsprechenden Ausgleich kompensiert werden.
Gerade entlang der Gewässer haben sich in der Stadt Leipzig vielfältige und
schutzwürdige Lebensräume entwickelt, die entsprechenden Kategorien des
PROBLEME UND KONFLIKTE Alle Fließgewässer im Stadtgebiet wurden von
Menschen gegenüber dem natürlichen Zustand in den letzten Jahrhunderten
erheblich verändert. Diese Veränderungen sind unter den gegebenen, berechtigten Nutzungsansprüchen in absehbarer Zeit und mit vertretbarem Aufwand
nicht wieder rückgängig zu machen.
Ein großer Teil der
Leipziger Gewässer ist
für die Menschen nutzund erlebbar. In einigen
Abschnitten hat aber
der Schutz der wertvollen Auenlebensräume
Vorrang.
46
WERTSCHÄTZUNG Die öffentliche Aufmerksamkeit für die Leipziger Gewässer
ist groß. Die Besucher, Erholungssuchenden, Bootsnutzer, Anwohner oder Gastronomen sind hoch sensibilisiert, was den Zustand der Gewässer angeht. Sie
melden der Gewässerunterhaltung auffällige Ereignisse jeder Art, wie Abfallablagerungen, tote Fische, unnatürliche Wasserschwankungen, Überflutungen oder
umgestürzte Bäume.
Der jährliche Mitteleinsatz der Stadt Leipzig zur Gewässerunterhaltung und
auch die Investitionen für den Ausbau und zur Revitalisierung des vorhandenen
Gewässernetzes sind erheblich. Dabei haben Revitalisierungsmaßnahmen, wie
LEIPZIG IM JAHR 2030
Leipzig ist eine Stadt am Wasser. Der Gewässerverbund in der Stadt und mit
dem Umland prägt und gliedert die Stadtlandschaft wesentlich. Über 80 Prozent der ehemals verrohrten Gräben und Fließgewässer sind geöffnet.
Das Projekt "Lebendige Luppe" verfolgt das
Ziel, ehemalige Wasserläufe zu einer neuen
Lebensader der Auenlandschaft und ihrer
typischen Biodiversität
zu verbinden.
etwa Gewässeröffnungen, Schaffung von neuen Gewässerverbindungen oder
die Beseitigung von Querbauwerken in Gewässern oberste Priorität. Mit diesen
Wasserbaumaßnahmen werden Gewässerdurchgängigkeit, die Vernetzung von
Gewässerstandorten und der Hochwasserschutz für das Stadtgebiet nachhaltig verbessert. Die Maßstäbe und Qualitätsanforderungen an die Sanierung und
Entwicklung werden dabei von der genannten WRRL gesetzt.
Mit der Instandsetzung und Erweiterung des innerstädtischen Gewässernetzes
werden bestehende Defizite weiter zielgerichtet abgebaut. Allerdings setzen
diese Erweiterungen auch neue Maßstäbe an das vorhandene Unterhaltungsbudget und das Gewässerunterhaltungsmanagement, damit im gesamten
Stadtgebiet flächendeckend die erforderlichen Gewässerunterhaltungsarbeiten umgesetzt und die Erwartungshaltungen erfüllt werden können (siehe Kap.
Gewässermanagement).
Die Gewässer bieten attraktive und an vielen Stellen gut zugängliche Erholungs- und Erlebnisräume. Sie haben sich zum prägenden Element des Stadtbildes entwickelt, Wohnquartiere wurden durch revitalisierte Fließgewäser
und Gräben weiter spürbar aufgewertet. Die innerstädtischen Wasserbauprojekte (Offenlegung der Mühlgräben) genügen nicht nur höchsten stadtgestalterischen Aspekten. Es wurde, soweit bautechnisch umsetzbar, auch der
Zugang zum Wasser durch hochwertig gestaltete, abgesenkte Uferbereiche
ermöglicht.
Trotz des weiter gestiegenen Nutzungsdruckes ist es gelungen, artenreiche
Gewässer mit typischen Lebensräumen in kulturlandschaftlicher Ausprägung
zu entwickeln und zu erhalten, welche die vielfältigen Funktionen des Gewässers für das menschliche Dasein nachhaltig übernehmen.
Im Sinne der WRRL weisen alle Fließgewässer ein gutes ökologisches Potenzial oder einen guten ökologischen Zustand auf. Innerhalb der Grenzen durch
die Nutzung als Vorfluter, Kühl- und Brauchwasserspeicher, gestaltendes
Landschaftselement und Wasserweg ist ein gutes ökologisches Potenzial oder
ein guter ökologischer Zustand gekennzeichnet durch
einen guten chemischen Zustand und das Vorhandensein einer gewässertypischen Artengemeinschaft,
die freie Durchwanderbarkeit für Fische und andere
Fließgewässerorganismen,
eine der Referenz-Fischzönose und der Ausprägung als verzweigte Flussaue entsprechende, typische Fischartenzusammensetzung,
eine Sedimentdynamik in Längs- und Querrichtung, die natürlichen Verhältnissen nahe kommt und verhindert, dass der Leipziger Gewässerknoten wieder zur Sedimentfalle im Gesamtsystem wird.
47
48
ERholungsgebiete
Erholungsgebiete haben einen übergeordneten Charakter, beinhalten sie doch
stets andere hier besprochene Freiraumkategorien wie den Wald, Landwirtschaftsflächen, Parks sowie – in den meisten Fällen – Gewässer. Letztere sind für
den Status eines Erholungsgebietes nahezu von ausschlaggebender Bedeutung,
weil die Seen und Flüsse mit ihren vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten besonders große Anziehungskraft für Erholungssuchende besitzen.
Als Erholungsgebiete werden dementsprechend großräumige Freiräume von
gesamtstädtischer Bedeutung bezeichnet. Aus Waldgebieten und Gewässern,
offenen Landschaftsräumen und Parks bestehend, sind sie beliebte Aufenthaltsorte auch über einen längeren Zeitraum (halbe, ganze oder mehrere Tage). In der
Regel weisen Erholungsgebiete landschaftliche Bezüge auf oder liegen selbst
außerhalb des bebauten Siedlungsgebietes.
Eine besondere Rolle spielt dabei der Cospudener See, der zur Seenlandschaft im
Süden Leipzigs überleitet. Die im Jahr 2000 am Cospudener See etablierten und
seitdem kontinuierlich ausgebauten Freizeit- und Erholungsangebote sind direkt
in das Leipziger Freiraumsystem eingebunden. Die überaus hohe Besucherfrequenz an diesem stadtnahen See hat mittlerweile zur Notwendigkeit von Neuordnungs- und Sanierungsmaßnahmen geführt.
Das Erholungsgebiet
Kulkwitzer See ist Teil
einer Bergbaufolgelandschaft.
LEIPZIG HEUTE
Leipzig verfügt über eine Reihe attraktiver Erholungsgebiete, die im Stadtgebiet
oder in dessen unmittelbarer Nähe liegen. Sie geben den Menschen Gelegenheit,
ihr Bedürfnis nach aktiver und passiver Erholung zu befriedigen, ohne weite Fahrten zu unternehmen.
Wiederum ist es der Leipziger Auwald, welcher aufgrund seiner zentralen Lage,
seiner Gewässer und seiner intensiven Vernetzung im Leipziger Freiraumsystem
als Erholungsgebiet von hoher Wirksamkeit hervorzuheben ist. In unmittelbarer Verbindung zum Auwald stehen große Parks mit intensivierten Erholungsfunktionen. Innerhalb des (südlichen) Auwaldes ist der ca. 45 Hektar umfassende
Wildpark eines der für die Naherholung interessantesten Gebiete. Der Wildpark
ist nicht nur ein beliebter Erholungsraum, sondern er bietet darüber hinaus mit
seinen rund 250 Tieren die Möglichkeit zu kostenfreier Bildung und Information.
Mit dem Leipziger Neuseenland ist eine große Erholungslandschaft im Entstehen, welche die historisch gewachsenen Defizite im Erholungsangebot dieser
Stadt, die durch Industrie und Bergbau verursacht wurden, entscheidend verringert und in das Gegenteil verkehrt. Hatte Leipzig mit zunehmender Industrialisierung und Nutzung der Braunkohlevorkommen bis in die 1990er Jahre einen
regelrechten „Erholungsnotstand“ zu beklagen, wird die Stadt nunmehr im
Stadtgebiet und im unmittelbaren Umland mit einer Erholungslandschaft von
großer Anziehungskraft verknüpft.
Foto Seite 48:
Der Cospudener See ist
ist seit seiner Freigabe
als Außenstandort der
Expo 2000 eines der
wichtigsten Erholungsgebiete Leipzigs.
Das Erholungsgebiet Kulkwitzer See in Leipzig-Grünau, der Auensee in Wahren
oder das Naturbad Nordost im Stadtteil Thekla besitzen als ältere Erholungsgebiete im Abbau von Bodenschätzen ihren Ursprung. Der Kulkwitzer See mit
seinem Umfeld ist seit 1973 ein beliebtes Erholungsgebiet, das wie der Cospudener See aus einem aufgegebenen Braunkohlentagebau entstand. Mit seinen
Stränden, einem Campingplatz und zahlreichen Freizeitmöglichkeiten auf einer
Fläche von rund 450 Hektar ist das Erholungsgebiet Kulkwitzer See von großer
Bedeutung für alle Leipziger und die Nachbargemeinde Markranstädt. Auch das
Erholungsgebiet um den in den 1980er Jahren landschaftlich gestalteten Erholungspark Lößnig-Dölitz mit seinen benachbarten Flächen – etwa dem großen
Waldarboretum, einer begehbaren Altdeponie sowie ausgedehnten Kleingarten- und Sportflächen – befindet sich auf einer Fläche früherer bergbaulicher
Aktivitäten.
Ein Erholungsgebiet, das noch hohe Entwicklungspotenziale besitzt, ist die Parthenaue. Sie ist zugleich eine wichtige Radiale im Leipziger Freiraumsystem, die
über den Grünen Ring in die Peripherie hinausreicht.
49
SCHWERPUNKTE FREIRAUM UND ERHOLUNG IM GRÜNSYSTEM DER STADT LEIPZIG
Stadtplanungsamt Leipzig, SG Landschaftsund Grünordnungs
planung:
Erholungsgebiete (rot
umrandet) im Grünsystem der Stadt Leipzig.
50
Freiraumkategorien
Freiraumsystem
Räume
Hinzuweisen ist zudem auf die Landschaft im Leipziger Norden, die in ihrer Verbindung zwischen Industrie und offener Landschaft sowie in ihrer infrastrukturellen Ausstattung für bestimmte Erholungsformen attraktiv ist, insbesondere
für Sport und Bewegung, etwa das Radfahren oder Inline-Skaten. Zunehmend
gewinnen auch devastierte Flächen (Deponien, Brachflächen, brachliegende
Gleisanlagen usw.) mit ihren botanisch wie ästhetisch interessanten Sukzessionen für die Naherholung an Bedeutung.
PLANUNG Zur Erholungsplanung liegt der Stadt eine detaillierte Konzeption
aus dem Jahr 2002 vor, welche noch immer gültige Argumente liefert. Mit den
auf der Erholungskonzeption aufbauenden Aussagen des Landschaftsplanes
verfügt die Stadt zudem über ein aktuelles gesamtstädtisches Instrumentarium
zur Erholungsvorsorge. Das Freiraumsystem mit seiner Radial-Ring-Struktur
vernetzt die Erholungsräume, wobei der Verbindung zwischen dem Stadtinneren
und der Peripherie entlang der Radialen der „grün-blauen Infrastruktur“ besondere Bedeutung zukommt.
Die Vernetzung von Erholungsgebieten untereinander und ihre Erreichbarkeit mit
dem öffentlichen Nahverkehr, per Fahrrad oder zu Fuß sind neben ihrer Erhaltung
und Weiterentwicklung zentrale Themen. Der Touristische Gewässerverbund
Leipziger Neuseenland mit seinen acht Kursen bietet als ein Schlüsselprojekt die
Chance, urbane, naturnahe und kulturelle Landschaften zu verbinden. Kurs 1 vom
Stadthafen Leipzig über den Auwald bis zum Cospudener See ist bereits durchgängig befahrbar.
Der Wildpark in Connewitz ist ein besonders
gut besuchter Teil des
Leipziger Auwaldes.
Wasserwanderkurse
sind wichtige Komponenten der Leipziger
Erholungslandschaft.
51
Um die genannten Gebiete für die Naherholung nutzbar zu machen, sind große
Aufwendungen vonnöten. Rund 132 Kilometer Waldwege im Stadtwald, einerseits für die Bewirtschaftung des Forstes notwendig, müssen andererseits für
die Erholungsnutzung hergestellt und gepflegt werden. Zahlreiche Sitzgelegenheiten, Schutzhütten, Picknickplätze und Aussichtsmöglichkeiten werden bereitgestellt. Waldspielplätze sind das Ziel für Familien mit Kindern, drei öffentliche
Grill- und Lagerfeuerplätze im Auwald stehen nach Beantragung zur Nutzung
bereit. Dieses Angebot wird seit 2015 auch außerhalb des Waldes ergänzt durch
weitere fünf neue Grillplätze in Leipziger Parkanlagen. Verschiedene Laufstrecken
und ein Fitnesspfad dienen dem Freizeit- und Breitensport. Interessierten Waldbesuchern vermitteln zwei Naturlehrpfade im Küchenholz und im Rosental Wissenswertes über Flora und Fauna. Die „Auwald-Erlebnispfad-App“, entwickelt
von der Auwaldstation Leipzig, begleitet seit 2013 Nutzerinnen und Nutzer auf
einem vier Kilometer langen Rundweg durch die Natur und seit 2014 interaktiv
auch durch den Schlosspark Lützschena.
Der Leipziger Auwald
ist eines der wichtigsten Erholungsgebiete
der Stadt.
FUNKTIONEN Erholungsgebiete dienen der passiven und der aktiven Erholung. Sportliche Aktivitäten wie das Joggen, Radfahren, Nordic Walking oder
Inline-Skating, Fitness und Gymnastik sind auch in den Erholungsgebieten auf
dem Vormarsch. Im Verein wie auch zunehmend individuell erfolgt das Reiten
auf dafür ausgewiesenen Wegen. In den Gewässern sind neben dem Baden und
Angeln aktivere Erholungsformen wie das Freiwasserschwimmen Bootfahren,
das Surfen, Segeln sowie das Tauchen beliebt.
Die intensive Nutzung zieht einen erhöhten Pflegeaufwand nach sich und
Sanierungen sind häufiger nötig. Aufgrund Ihrer Großräumigkeit bieten die
Erholungsgebiete aber auch Raum für experimentelle und zukunftsweisende
Bewirtschaftungsansätze, etwa Beweidungsprojekte oder andere extensive
Landschaftspflegemethoden. Sie eröffnen zudem Möglichkeiten für neue Erlebnisse und Naturerfahrungen, die diese Räume von den großen Parkanlagen
unterscheiden.
Entsprechend dieser Funktionen sind in den Erholungsgebieten Wege in verschiedener Oberflächenqualität, Badestellen, Campingplätze, Spiel- und Sportmöglichkeiten, gastronomische Einrichtungen und vieles mehr notwendig. Nutzbarkeit und Attraktivität des Gewässerverbundes sind abhängig von einer intakten
Beschilderung sowie von Schleusen, Steg- und Slipanlagen und Umtrageeinrichtungen, die auch gestalterisch ansprechend entwickelt und erhalten werden
müssen. Die Erholungsgebiete sind in unterschiedlicher Qualität durch Linien des
öffentlichen Nahverkehrs angebunden und besitzen Parkplätze in ihrer Nähe.
PROBLEME UND KONFLIKTE Die Erholungsnutzungen stehen teilweise mit
Schutzausweisungen und Nutzungsbeschränkungen (Restriktionen) im Konflikt.
Aufgrund des großen Andranges gibt es in bestimmten Erholungsgebieten zu
Spitzenzeiten zudem Konflikte zwischen den verschiedenen Nutzungs- und Fortbewegungsarten, beispielsweise zwischen Spaziergängern und Radfahrern bzw.
Inline-Skatern.
52
Der Aussichtsturm an
der Bistumshöhe und
das Bisongehege an
seinem Fuß sind Höhepunkte des Erholungsgebietes am Cospudener See.
LEIPZIG IM JAHR 2030
Für Nutzungen, die auf ein Netz an Wegen und Strecken angewiesen sind,
wie das Radfahren, Wanden, Walken, Joggen und Reiten sowie für entsprechende Nutzungen im Gewässerverbund, wurde auf konzeptioneller Grundlage ein dichtes Netz von Angeboten entwickelt. Vernetzung, auch mit kleineren Freiräumen, war im Sinne der Nutzungsoptimierung der Erholungsgebiete
ein Erfolgsrezept. Die Verbesserung der Infrastruktur der Erholungsgebiete
und der mit ihnen verbundenen Bereiche einschließlich der Gewässer erfolgte
durch die Neuanlage von Wegen, Beseitigung von Barrieren und Einordnung
von Querungsmöglichkeiten, Beschilderung von Erholungszielpunkten, Schaffung und Betonung öffentlicher Zugänge und mehr. Die Chancen zum Knüpfen überregionaler Verbindungen, zum Beispiel auf stillgelegten Bahntrassen,
wurden konsequent genutzt.
Die vorhandenen Erholungsgebiete zu erhalten und weiter zu entwickeln, ist
zentrales Ziel der städtischen Freiraumpolitik geblieben. Sie mussten einem
steigenden Besucheransturm gewachsen sein, ohne ihre naturräumlichen
Qualitäten zu verlieren.
Es erfolgte die Entwicklung neuer Erholungsgebiete. Seit 2018 sind mit dem
verknüpften Cospudener und Zwenkauer See 16 Quadratkilometer Wassersportfläche nutzbar. Weil hier zumeist Stadtrandlagen bzw. der Erholungsverbund im Mittelpunkt standen, war die interkommunale Zusammenarbeit in
diesem Themenfeld von besonderer Bedeutung.
Durch räumliche Konzentration der Erholungsinfrastruktur auf ausgewählte
Bereiche, bei Konflikten mit Schutzzielen auch durch räumliche und/oder
zeitliche Einschränkungen, konnten Konflikte zu den Lebensräumen für Tiere
und Pflanzen abgemildert werden. Eine entsprechende Besucherlenkung auf
Basis spezieller Konzepte erfolgt so, dass die Besucher selbst diese Lenkung
möglichst wenig wahrnehmen.
Pflege und Bewirtschaftung von Erholungsgebieten erfolgen so naturverträglich wie möglich. Insbesondere die durch Beweidungsprojekte offengehaltenen Landschaftsräume konnten erweitert werden und bieten besondere Eindrücke und Naturerfahrungen. Ebenso konnten durch den Einsatz historischer
Bewirtschaftungsformen im Wald (Mittelwald, Niederwald, Waldweide) in
Kooperation mit landwirtschaftlichen Partnern besonders interessante Waldbilder kostengünstig entwickelt werden. Dies trug zur Attraktivität der Erholungsgebiete bei.
Für alle Bevölkerungs- und Nutzergruppen wurden innerhalb der Stadt (bzw.
im Einzugsbereich des öffentlichen Nahverkehrs) Erholungsmöglichkeiten in
quantitativ und qualitativ ausreichender Form geschaffen. Die dabei bestehenden Defizite einer öffentlichen Verkehrsanbindung wurden schrittweise
abgebaut, so dass die Freizeit- und Sportinfrastruktur von stadtweiter Bedeutung auf möglichst kurzem Wege oder mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln erreicht werden kann.
Die Inhalte des Tourismuswirtschaftlichen Gesamtkonzeptes zur intermodularen Entwicklung des mitteldeutschen Raumes erzeugten auch in der Stadt
Leipzig eine völlig neue Qualität für die Erholungsnutzung. Die im Prozess der
„Charta Leipziger Neuseenland“ geäußerten Wünsche der Bürgerinnen und
Bürger nach Vielfalt und Umweltverträglichkeit der Angebote bildeten die
Grundlage der Entwicklung von Erholungsgebieten, die meist über den Stadtrand hinaus reichen.
Mit dem neu geschaffenen Durchstich des
Karl-Heine-Kanales zum
Lindenauer Hafen hat
sich die Nutzbarkeit der
Erholungslandschaft
erneut erweitert.
Auf veränderte Nutzungsgewohnheiten und Trends erfolgte eine flexible
Anpassung der Gestaltung und Ausstattung (Spiel- und Sportangebote, Sitzgelegenheiten, Geo-Caching usw.). Die Wahrung des Gebietscharakters blieb
dabei stets Maßstab und begrenzender Faktor der Anpassungsfähigkeit.
53
54
LANDSCHAFTSPLAN
Friedhöfe
DER
STADT
LEIPZIG
LANDSCHA
Friedhöfe
Friedhöfe sind Gedenk- und Erinnerungsorte, welche der Würde des Menschen,
den allgemeinen sittlichen Vorstellungen und den anerkannten gesellschaftlichen Regeln entsprechen. Der hiesigen Bestattungskultur folgend, werden auch
die Leipziger Friedhofsanlagen vom Grün dominiert. Sie sind somit bedeutsame
Bestandteile des öffentlichen Stadtgrüns und dienen damit auch der Erholung.
Friedhöfe haben darüber hinaus als Lebensräume für Tiere und Pflanzen eine
hohe Bedeutung für die Stadtnatur ebenso wie für das Stadtklima.
Der Arbeit zur Bewirtschaftung der Friedhöfe und der Durchführung der Bestattung liegt das Positionspapier des Deutschen Städtetages zur Strukturdebatte
im Friedhofswesen sowie seine Handlungsempfehlungen von 2004 zu Grunde.
Als Bestattungsplätze dürfen Friedhöfe die Gesundheit der Allgemeinheit nicht
beeinträchtigen. Boden- und Grundwasserverhältnisse müssen für einen Friedhof geeignet sein. Ebenso ist die Totenruhe zu gewährleisten. Es sind die Belange
der Landschafts- und der Denkmalpflege in den zumeist kulturgeschichtlich und
gartenkünstlerisch bedeutsamen Friedhöfen zu berücksichtigen. Ihre Anlage
und Unterhaltung ist eine Pflichtaufgabe der Kommune. Sie sollen in einer ruhigen Lage, aber verkehrsgünstig gelegen sein. In geeigneter Weise sind sie nach
außen hin abzuschirmen.
Leipzig heute
Auf dem Gebiet der Stadt Leipzig befinden sich 49 Friedhöfe, davon sind sieben
Friedhöfe in städtischem Besitz. Zwei Friedhöfe gehören der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig, alle übrigen unterstehen der evangelischen Kirche.
Der Anteil an Friedhofsflächen in Leipzig ist jedoch überwiegend kommunal. So
wird von der Abteilung Friedhöfe im Amt für Stadtgrün und Gewässer eine Friedhofsfläche von 121 Hektar bewirtschaftet, von den Religionsgemeinden hingegen
etwa die Hälfte. Alle kommunalen Friedhöfe sind nach dem Sächsischen Denkmalschutzgesetz als Kuturdenkmale geschützt.
Zahlen und Fakten Auf den städtischen Friedhöfen finden ca. 2.700 Bestattungen im Jahr statt, davon ca. 2.560 Urnenbeisetzungen und 160 Erdbestattungen. Damit werden 54 Prozent der in Leipzig verstorbenen Menschen auf
kommunalen Friedhöfen beigesetzt, bei den Kremationen beträgt der Anteil 56
Prozent. Aktuell gibt es auf den städtischen Friedhofsflächen ca. 120.000 Grä-
Stadtplanungsamt
L eipzig, SG Landschafts- und Grün
ordnungsplanung:
Stadt Leipzig
LANDSCH
FRIEDHÖFE
Maßstab:
Friedhöfe in Leipzig;
sieben von 49 sind in
städtischer Hand.
Bearbeitung:
ber. Nach derzeitigen Prognosen unter Berücksichtigung eines anhaltenden Bevölkerungswachstums in Leipzig lässt die vorhandene Fläche eine Nutzung der
bestehenden Friedhöfe bis zum Jahr 2045 zu. Es gibt größere Grabfeldbereiche,
die aufgrund von Problemen in der Standsicherheit in Zukunft nicht wieder neu
belegt werden können..
Foto Seite 54:
Hauptachse des Südfriedhofes mit dem
Turm des Kapellenkomplexes.
1:30.000
Dezernat Stadtentwicklung und
Stadtplanungsamt
Abteilung Generelle Planung u
Sachgebiet Landschafts- und G
Da über 50 Prozent der Verstorbenen der Stadt Leipzig auf kommunalen Friedhöfen bestattet werden, haben diese Flächen Bedeutung für ca. zwei Drittel der
Leipziger Bevölkerung. Sie besuchen diese als Angehörige, Freunde und Bekannte der Bestatteten. Für die anliegenden Wohngebiete sind die Friedhöfe zudem
beliebte Ziele von Spaziergängen; sie dienen der passiven Erholung.
Südfriedhof Der bedeutendste unter den städtischen Begräbnisplätzen ist
der Südfriedhof, der im Juni 1886 eröffnet wurde und durch Erweiterungen zum
55
Im Jahr 2009 wurde die Möglichkeit geschaffen, Urnen an einem Baum beizusetzen. Ihr Anteil ist rund 0,4 Prozent an den Gesamtbeisetzungen nahezu
konstant geblieben. Hingegen sind seit 1996 die anonymen Beisetzungen wieder rückläufig. Ihr Anteil in Urnengemeinschaftsanlagen ging von 52,4 Prozent
auf 17,2 Prozent im Jahre 2015 zurück. Bei den Erdreihengräbern ist eine relative
gleichbleibende Nutzung seit 1996 zu verzeichnen, sie liegen bei 1,27 Prozent aller
Bestattungen. Die Nutzung von Erdwahlgrabstätten ist hingegen seit 1996 (4,67
Prozent) rückläufig (2,9 Prozent im Jahr 2015). Die Entwicklung der neu erworbenen Urnenwahlgräber zeigt seit 1996 einen Rückgang von 13,61 Prozent auf 9,4
Prozent. Der Anteil der Beisetzungen in Urnenreihengräbern blieb dagegen fast
gleich (ca. 13 Prozent).
heute drittgrößten Friedhof in Deutschland wuchs. Der mit geschwungenen
Wegen und umfangreichem Baumbestand landschaftlich angelegte Friedhof ist
ein bundesweit bedeutendes Gartendenkmal. Er findet zudem aufgrund seiner
reichen Rhododendronbestände, seiner bemerkenswerten historischen Grabanlagen sowie des großen Trauerhallenkomplexes überregionale Beachtung. Wegen
seiner großzügigen Gestaltung als Parkfriedhof sowie wegen der Tendenz von
der Erd- zur Feuerbestattung seit 1970 werden aktuell nur zirka 60 Prozent der
Fläche für Gräber genutzt.
Beisetzungsarten Die kommunalen Friedhöfe geben die Möglichkeit zu
vielfältigen Grabformen. Für die Urnenbeisetzung, welche mit 93 Prozent am
meisten gewünscht wird, kann man zwischen einem Wahlgrab (Familiengrab),
einem Reihengrab (Einzelgrab) und den Gemeinschaftsanlagen mit und ohne
Namen wählen. Die 1996 eingeführte Urnenbeisetzung in einer Urnengemeinschaftsanlage mit namentlicher Nennung hat deutliche Steigerungsraten. So
wuchs ihr Anteil von 4,5 Prozent im Jahr 1996 auf 23,8 Prozent im Jahr 2001 und
liegt 2015 bei 25 Prozent.
Wirtschaftliche Aspekte Für dem Betrieb der kommunalen Friedhöfe
werden jährlich mehrere Millionen Euro ausgegeben. Diese Summe refinanziert
sich über die Einnahme von Gebühren. Der Schwerpunkt ist und bleibt die rentable Betrieb der Friedhöfe unter dem gleichzeitigen Anspruch, dass diese ihren
vom Grün geprägten, parkartigen Charakter bewahren. Die Fläche von 121 Hektar wird vollständig gepflegt, da die Gesamtfläche für Bestattungshandlungen
ständig zur Verfügung stehen muss. Der Pflegeumfang der Grabanlagen und des
rahmenden Grüns wird differenziert nach der Menge der in Nutzung befindlichen
Gräber.
Außerdem ist die Urnenbeisetzung im Kolumbarium und als Baumbestattung
möglich. Bei der Erdbestattung (sieben Prozent) gibt es Erdwahlgräber mit unterschiedlicher Zahl von Grabplätzen (bis zu zwanzig Bestattungen) und Erdreihengräber für nur eine Bestattung. Auch die Nutzung einer Gruftanlage ist möglich.
Die beiden Bestattungsarten werden seit etwa zwanzig Jahren mit unveränderten Anteilen auf den kommunalen Friedhöfen gewählt.
In der Abteilung Friedhöfe des Amtes für Stadtgrün und Gewässer sind 67 Mitarbeiter beschäftigt, davon 42 in der Pflege der Friedhofsflächen.
Probleme und Konflikte Nicht für die Bestattung genutzte Flächen auf
den Friedhöfen stellen eine große Herausforderung im Hinblick auf einen wirtschaftlichen Betrieb dieser städtischen Einrichtungen dar.
Dringende Investitions- und Baumaßnahmen sind im Bereich der Mauern und
Einzäunungen, der Eingangstore, der Straßen- und Wegeflächen, der Wasserleitungen und an den Gebäuden notwendig. Der Anteil an hochwertigen Pflanzungen (Wechselflor und Stauden) ist wegen des Pflegeaufwandes zurück gegangen.
Die Unterhaltung und Verkehrssicherung der denkmalgeschützten Grabmale
muss dauerhaft erfolgen. Hier werden sich Aufwand und Kosten in den nächsten
Jahren erhöhen, weil viele der vorhandenen großen Wahlgrabstätten und Erbbegräbnisse aus dem privaten Nutzungsrecht an die Stadt fallen werden.
Der Südfriedhof ist der
größte und bedeutendste der Leipziger Friedhöfe. Im Bild eine Abteilung mit Erdgräbern.
56
Probleme bereitet auch die Tatsache, dass Bürger vielfältige Materialien in die
Friedhöfe einbringen, welche die Gestaltung der Grabflächen und auch den grünen, landschaftsbezogenen Gesamteindruck der Friedhöfe beeinträchtigen.
chen Themen statt. Im Zentrum steht dabei meist die Information zu den Möglichkeiten der Bestattung. Seit Oktober 2009 können Fragen von interessierten
Bürgern und Gästen rund um die städtischen Friedhöfe und zu einem Sterbefall
im dafür eingerichteten Infocenter auf dem Südfriedhof beantwortet werden.
Zahlen und Fakten zu den kommunalen Friedhöfen Leipzigs
121 Hektar
städtische Friedhofsfläche
120.000
Grabstätten im Bestand (Gesamt)
8.102
Kriegsgräber
2.560
Urnenbestattungen pro Jahr
160
Erdbestattungen pro Jahr
9
Trauerhallen
Leipzig im Jahr 2030
Leipzigs Friedhöfe sind Orte der Bestattung und der Trauerbewältigung. Sie
bieten Trauernden eine pietätvolle und besinnliche Umgebung. Zugleich stehen die Friedhöfe allen Bürgerinnen und Bürgern als Ruhe- und Erholungsraum zur Verfügung und sind Entfaltungsraum der Stadtnatur.
Öffentlichkeitsarbeit und Akzeptanz Es wird darum geworben, mit
Hilfe von Patenschaften für Grabmale diese Aufgabe der öffentlichen Hand durch
bürgerschaftliches Engagement zu unterstützen. Auch Baumpatenschaften auf
den städtischen Friedhöfen im Rahmen der Aktion „Baumstarke Stadt“ sind beliebt.
Ihre Einbindung in das städtische Freiraumsystem wurde mit Hilfe neuer
Zugänge und Durchwegungen gestärkt. Die Friedhöfe öffneten sich im Zuge
eines gewandelten gesellschaftlichen Umganges mit Trauer und Tod vorsichtig
neuen Funktionen, ohne ihren Charakter und ihre Hauptaufgabe aufzugeben.
Die städtischen Friedhöfe sind Bestattungsplätze, auf denen neue Bestattungsformen und Grabarten sowie die moderne Gestaltung von Trauerhandlungen entsprechend der gewandelten gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Bedürfnisse eine Heimat finden. Neue Bestattungsformen wurden in
den erhaltenswerten Charakter der Friedhöfe integriert, so dass der Gesamteindruck und denkmalpflegerische Aspekte gewahrt bleiben.
Die kommunalen Friedhöfe erfahren in der Bevölkerung eine hohe Wertschätzung. Sie werden nicht nur als Bestattungsfläche, sondern auch als Ruhe- und
Erholungsräume geschätzt. Entsprechend vielfältig sind auch die Nutzergruppen
auf den städtischen Friedhöfen. Neben den Hinterbliebenen der Verstorbenen
und den Ruhe- und Erholungsuchenden gehen Bürgerinnen und Bürger mit speziellen Interessen auf die Friedhöfe, beispielsweise Dendrologen, Ornithologen und
historisch Interessierte. Mit einer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit werden den
Besuchern vielfältige Informationen zu den Friedhöfen angeboten. Die Resonanz
auf diese Angebote ist groß. So finden regelmäßig Führungen zu unterschiedli-
Im Zusammenhang mit der zwischenzeitlich erfolgten Liberalisierung gesetzlicher Grundlagen für Urnenbeisetzungen wurden neue Konzepte entwickelt,
um die öffentlichen Bestattungsplätze weiterhin konkurrenzfähig zu machen.
Für den Südfriedhof wurde eine Gesamtkonzeption unter Berücksichtigung
denkmalpflegerischer, bestattungskultureller, verkehrstechnischer, ökonomischer und ökologischer Belange erarbeitet. Die Neuausrichtung des Friedhofes unter dem Motto „ Friedhof im Park“ wurde entsprechend der Konzeption
umgesetzt.
Auf den Friedhöfen
finden sich nicht zuletzt Kriegsgräber und
Gedenkstätten als bedeutende Zeugnisse der
Zeitgeschichte.
Die als Kulturdenkmale geschützten städtischen Friedhöfe werden nach den
Prämissen des Denkmalschutzes behandelt und gepflegt.
Die Friedhöfe bieten zahlreichen Pflanzen und Tieren einen Rückzugsraum.
Diese ökologischen und stadtklimatischen Aspekte wurden durch Planung,
Nutzung und Werterhaltung bewahrt und gezielt gefördert.
57
58
Kleingärten
des Lehrers Ernst Innocenz Hauschild gegründet (KGV „Dr. Schreber“ e. V. 1864,
KGV „Schreber-Hauschild“ 1884).
Leipzig ist seit Beginn des Industriezeitalters eine Stätte der Kleingartenkultur.
Diese ist aus verschiedenen Ideen und Bedürfnissen hervorgegangen. Die heute
noch erhaltenen historischen Vereinsnamen legen – besonders in Leipzig – Zeugnis über die Vielschichtigkeit der Entstehungsgeschichte ab.
Eine weitere Ursprungslinie war das Bemühen der Naturheilreformer im 19.
Jahrhundert, ein Gegengewicht zur wachsenden Industrialisierung und Urbanisierung sowie der damit verbundenen (ungesunden) Lebensweise zu schaffen.
Ausgangspunkt waren häufig Luft-, Sonnen- und Schwimmbäder, die im Umfeld
durch kleine Gärten erweitert wurden (KGV „Priessnitz-Morgenröthe“ e. V. 1908,
KGV „Verein für naturgemäße Gesundheitspflege“ e. V. 1886).
Geschichte Als älteste Kleingartenanlagen sind bereits im frühen 19. Jahrhundert Armengärten entstanden. Die im Jahr 1832 begründete Kleingartenanlage im
Johannistal ist dafür ein noch heute existierendes Beispiel.
Gesellschaftliche Veränderungen haben stets auch das Kleingartenwesen
geprägt. Besonders in Kriegszeiten spielten die Gärten als Versorgungsquelle
eine wichtige Rolle und dienten teilweise als Behelfsheime. Auch in der DDR-Zeit
waren die Gärten als Obst- und Gemüselieferanten wichtig. Zudem waren sie private Rückzugsorte und wurden häufig zum Lebensmittelpunkt.
Ein weiterer Ursprung der Kleingartenbewegung sind jene Gartenanlagen, die
Fabrikanten und Grubenbesitzer für ihre Arbeiter und Angestellten anlegen ließen, um deren Loyalität gegenüber dem Unternehmen zu sichern und einen AusDas Kleingärtnermuseum in der Schreber-Anlage gibt einen Einblick
in die Geschichte der
Kleingartenbewegung,
auch anhand historischer Lauben.
1989/90 veränderten sich die Rahmenbedingungen erneut. Das Kleingartenwesen stellt nun stärker als zuvor eine Freizeitaktivität neben vielen anderen Möglichkeiten dar. Mit der Pacht eines Kleingartens verbundene Verpflichtungen und
die Teilnahme am Vereinsleben werden zunehmend als Belastung empfunden.
Der Erhalt und die Stärkung der Attraktivität des Kleingartenwesens ist heute
eine wichtige Aufgabe, der sich vorrangig die Kleingartenvereine und -verbände
stellen müssen.
Kleingärten können
Refugien der Stadtnatur
und Orte der Gartenkultur sein, hier in der KGA
Partheland.
gleich für die oft schwere und monotone Arbeit zu schaffen (1891 Arbeitergärten der Maschinenfabrik Karl Krause, heute KGV „Kultur“ e. V.). Zu dieser Gruppe
gehört auch die große Zahl der Eisenbahnlandwirte. Bis heute fallen entlang
von Schienen- und Gleisanlagen die zahlreichen Kleingartenanlagen auf (KGV
„Reichsbahn Connewitz“ e. V. 1908, KGV „Eisenbahn Leipzig Plagwitz“ e. V. 1946).
Mit den Schrebergärten, die aus einer schulischen Spielplatzinitiative hervorgegangen waren, liegt in Leipzig der wohl bekannteste Ursprung der deutschen
Kleingartenbewegung. Im Jahr 1864 wurde der erste Schreberverein auf Initiative
Foto Seite 58:
Kleingartenanlagen sind
Teil des Stadtgrüns, hier
in kleinteiliger Ergänzung des Friedensparks.
59
PLA
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STADT
LANDSCHAFTSPLAN
LANDSCHAFTSPLAN
Kleingärten
Kleingärten
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sonstige Gärten /
Wochenendgärten
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Wochenendgärten
Wochenendgärten
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Stadt Leipzig
LANDSCHAFTSPLAN K
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KLEINGÄRTEN/SONSTIGE GÄRTEN
Stadtplanungsamt Leipzig,
SG Landschafts- und Grünordnungsplanung:
Maßstab:
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Kleingärten im Stadtgebiet
Leipzig.
Bearbeitung:
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1:30.000
Stand: 31.12.2010
Dezernat Stadtentwicklung und Bau
Stadtplanungsamt
Abteilung Generelle Planung und Projekte
Sachgebiet Landschafts- und Grünordnungsplanung
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Datum / Unterschrift
Öffentliche Räume
in Kleingartenanlagen können wichtige
Funktionen im Freiraumsystem der Stadt
übernehmen, hier im
Johannistal.
Zahlen und Fakten In Leipzig gibt es aktuell 276 Kleingartenvereine, die
eine Fläche von insgesamt rund 1.200 Hektar nutzen (Stand 2015). Auf Grundlage
der Festlegungen des Bundeskleingartengesetzes sowie der Kleingartenordnung
der Verbände sind sie gemeinnützig tätig und folgen einem dort festgelegten
Reglement in Bewirtschaftung und Gestaltung. Die Einhaltung der gesetzlichen
Rahmenbedingungen sichert den Kleingärtnern im Gegenzug einen gesetzlich geregelten Pachtzins (derzeit 0,12 Euro pro Quadratmeter und Jahr) für ihre
Gartenflächen.
235 dieser Vereine liegen zumindest teilweise auf kommunalen Flächen (rund
800 Hektar). Insgesamt gibt es rund 38.000 Parzellen in der Stadt – dies entspricht rund sieben Kleingärten pro 100 Einwohner. Darüber hinaus gibt es rund
1000 „Freizeit- und Erholungsgärten“ in Obhut des Amtes für Stadtgrün und
Gewässer, die nicht dem Bundeskleingartengesetz unterliegen.
Probleme und Konflikte Bereits in der Kleingartenkonzeption aus dem Jahr
2005 wird konstatiert, dass aufgrund der rückläufigen Einwohnerzahl der Bedarf
an Kleingärten statistisch mehr als gedeckt ist. Obwohl sich Leipzig bezüglich
der Einwohnerzahlen inzwischen wieder eines Anstieges erfreut, besteht das
Problem des Leerstandes von Kleingärten in einigen Anlagen weiterhin und wird
aufgrund der hohen Altersstruktur der Pächter mancherorts weiter zunehmen.
Einzelne Anlagen können vom Einwohnerzuwachs hingegen bereits heute profitieren. Neben der Leerstandsproblematik sind Einbruchskriminalität und Brandstiftungen nicht zu unterschätzende Probleme in manchen Kleingartenanlagen.
Leipzig heute
Mit rund 25 Quadratmetern Kleingartenfläche je Einwohner nimmt Leipzig heute
nach wir vor einen Spitzenwert im deutschen wie auch im europäischen Maßstab
ein. Die Stadt wird deshalb auch „Hauptstadt der Kleingärtner“ genannt.
Funktionen und Nutzung Kleingärten sind mit rund 30 Prozent Flächenanteil ein sehr bedeutender Bestandteil des Leipziger Stadtgrüns. Sie dienen der
Erholung und sinnvollen Freizeitgestaltung wie auch der Eigenversorgung der
Pächter. Sie sind darüber hinaus bedeutende bioklimatische Ausgleichsräume.
Gärten erfüllen wichtige soziale Funktionen im Sinne der Integration, Kommunikation und des Zusammenlebens in lebendigen Vereinen. Veränderungen
im sozialen Miteinander und gesellschaftlichen Gefüge werden hier besonders
deutlich. Außerdem gibt es in vielen Gartenanlagen öffentlich nutzbare Wege,
Spielplätze und Grünflächen sowie Vereinshäuser mit Gaststätten. Im Rahmen
der Erfüllung ihrer gemeinnützigen Aufgaben dienen die Gemeinschaftsanlagen
der Kleingartenvereine nicht nur der Erholung der einzelnen Gartennutzer, sondern darüber hinaus gesellschaftlichen Interessen wie der Freiraumvernetzung
und der öffentlichen Nutzung. In ausgedehnten „Kleingartenparks“ haben diese
Aspekte besondere Relevanz.
Vernässung und Überschwemmungen sind
Probleme zahlreicher
Kleingärten in Leipzig.
61
Die Gestaltung von
Kleingärten unterliegt
Regeln, lässt aber auch
Raum zu Individualität.
Aktuell werden in Leipzig 1.573 ungenutzte Parzellen gezählt. Es gibt dabei starke
Unterschiede zwischen den Kleingartenanlagen - abhängig von der Erschließung
und der Lage im Stadtgebiet. Die Ermittlung einer gesicherten Bedarfszahl von
Gärten für Leipzig ist von hoher Bedeutung, um die künftige Entwicklung besser
einschätzen und planerische Schlüsse ableiten zu können.
Die Förderung der Kleingärtnervereine muss sich stärker an den in der Kleingartenkonzeption dargestellten Zielen ausrichten und dem Erhalt und der weiteren
Gestaltung der Gemeinschaftsflächen dienen. Für die Umsetzung weiterer Ziele
der Kleingartenkonzeption sind zusätzliche finanzielle Aufwendungen nötig.
Vernässungen und Überflutungen sind weitere aktuelle Probleme, die aus Starkregenereignissen und Veränderungen der Grund- und Oberflächenwasserverhältnisse für die Gärten resultieren. Viele Anlagen reichen weit in ehemalige
Auenbereiche hinein. Die Freilenkung vernässter Gärten muss als naheliegende
Schlussfolgerung aus der Leerstandsproblematik angegangen werden.
Kleingärten sind sehr
kleinteilige und vielgestaltige Bestandteile des Stadtgrüns. Die
Durchquerung der Anlagen muss möglich sein,
um dieses Potenzial
allen zu erschließen.
62
Kommunale Aufgaben Mit dem Fachbereich Gärten im Amt für Stadtgrün
und Gewässer verfügt die Stadt über eine Anlaufstelle für Fragen der Verpachtung
gärtnerisch genutzter Flächen und die Förderung des Gartenwesens. Der Fachbereich vertritt die Stadt gegenüber den Verbänden, Vereinen und dem Kleingartenbeirat. Als Untere Kleingartenbehörde obliegt dem Fachbereich Gärten zudem die
Prüfung der Gemeinnützigkeit der Vereine nach dem Bundeskleingartengesetz.
Außerdem sind die nicht dem Bundeskleingartengesetz unterliegenden „Freizeitund Erholungsgärten“ Gegenstand der Arbeit. Der Fachbereich ist zudem auch als
Anlaufstelle für neue Gartenformen in der Stadt (vgl. Kap. Gemeinschaftsgärten).
Neben dem bereits entstandenen Kleingartenpark Nord wurden konkrete
Schritte unternommen, um die Kleingartenparks West, Rosental und Südost
zu entwickeln. Letzterem kam im Zusammenhang mit der Etablierung des
„Parkbogen Ost" Priorität zu.
Mit Zuwendungen an die Vereine unterstützt die Stadt das Kleingartenwesen.
Wettbewerbe wie „Soziale Stadt – Soziale Gärten“ und „Naturnaher Kleingarten“ dienen der Öffentlichkeitsarbeit zur Gartenkultur in Leipzig. Zudem sorgt
das von einem Verein getragene Deutsche Kleingärtnermuseum mit seiner Ausstellung, seinen Publikationen und Veranstaltungen stark für die Popularisierung
des Themas.
In Anbetracht des Leerstandes von Parzellen in einigen Anlagen war hier eine
Neuordnung und Lenkung unumgänglich. In vernässten und zeitweise überfluteten Bereichen wurden gezielt Gartenflächen aufgegeben, um sie in eine
naturnahe Entwicklung zu überführen. Wenn diese Anlagen Fließgewässer
einschlossen, wurde die Etablierung eines Gewässerrandstreifens von 10 bis
15 Meter Breite umgesetzt.
Die beste Öffentlichkeitsarbeit hingegen sind – wie in anderen Kategorien des
Stadtgrüns und der Gewässer auch – attraktive und lebendige Gartenanlagen,
die nicht nur für die Pächter selbst, sondern für die Menschen ein durchwegbares,
interessantes und erholsames Lebensumfeld bieten.
Durch die Unterstützung bei präventiven Maßnahmen, inbesondere gegenüber Einbruchskriminalität, und durch gestärkte Eigenverantwortung der Vereine und Pächter konnten entsprechende Delikte eingeschränkt werden.
Der erstmals im Jahr 2014 ausgelobte Wettbewerb „Naturnaher Kleingarten“
hat sich etabliert. Flankiert von einer wirksamen Öffentlichkeitsarbeit hat er
dazu beigetragen, dass sich ein verstärktes Bewusstsein für die ökologische
Bedeutung von Kleingärten entwickelt hat. Leipzigs Kleingärtnerinnen und
Kleingärtner engagieren sich in ihren Vereinen, Anlagen und auf ihren Parzellen verstärkt für die Bewahrung und Nutzung der ökologischen Vielfalt.
Leipzig im Jahr 2030
Um neben den neuen Formen des Gärtnerns bestehen zu können, hat sich
das Kleingartenwesen geöffnet und durch attraktive Anlagen mit öffentlichen Räumen und Kinderspielplätzen, durch Kooperationen mit Schulen, Kindertageseinrichtungen und anderen Partnern für sich und um neue Gärtner
geworben. Neue Gestaltungs- und Nutzungsvorstellungen, die insbesondere
für junge Menschen Anziehungskraft besitzen, machten die Kleingartenanlagen für neue Nutzergruppen interessant. Die Stadt regte die Vereine weiter an,
ihren gemeinnützigen Aufgaben vielfältig gerecht zu werden.
Das Amt für Stadtgrün und Gewässer ist für die Verpachtung und bedarfsorientierte Entwicklung aller Gartenflächen der Stadt Leipzig verantwortlich. Als
Basis wurde dafür eine aktualisierte gesamtstädtische (Klein-)Gartenkonzeption erarbeitet, welche auf Grundlage einer Bedarfsprognose konkrete Schwerpunkte setzt und Antworten auf aktuelle und künftige Probleme gibt. Vorhandene Planungen wurden unter Akquirierung von Fördermitteln umgesetzt.
Die Nutzbarkeit dieser flächenmäßig erheblichen Kategorie des Stadtgrüns
für die Allgemeinheit wurde erhöht durch die weitere Öffnung der Anlagen
und ihre Einbindung in das städtische Freiraumsystem (Grünverbund, Wegevernetzung, äußeres Erscheinungsbild).
Kleingärten können
Stätten ökologischer
Vielfalt sein.
63
64
Gemeinschaftsgärten
Im Zuge ihres sozialen Anspruchs können Gemeinschaftsgärten, wie mehrere
Leipziger Projekte demonstrieren, soziokulturelle Zentren im Freien sein. Einige
von ihnen stehen der Öffentlichkeit zum Besuch und zum Mitmachen offen, sie
organisieren kulturelle und kulinarische Veranstaltungen und sind offene Orte
der Kommunikation.
Aktuell gehen auch von Leipzig Impulse zu neuen Gartenformen aus, die das
gemeinschaftliche Gärtnern in der Stadt zum Inhalt haben. Urban gardening ist
ein Trend, der sich in vielen Großstädten abzeichnet und einer neuen Gartenlust
unter den Menschen Ausdruck gibt. Es spiegeln sich hier der Wunsch nach Natur
und Betätigung im Freien, nach Inanspruchnahme des städtischen Raumes, das
Streben nach Nachhaltigkeit sowie Eigenversorgung mit gesunden und in ihrer
Herkunft bekannten Lebensmitteln.
Die ebenso selbst initiierten Projekte der „solidarischen Feldwirtschaft“ oder
„Food-COOPs“ sind vorrangig auf die Produktion gesunder, selbst hergestellter
Nahrungsmittel ausgerichtet. Auch Selbsterntegärten mit mehr oder weniger
abgegrenzten Parzellen entwickeln sich. Es gibt derzeit drei solche Initiativen in
und um Leipzig. Auch hier besteht neben den Aspekten der nachhaltigen Flächennutzung und Nahrungsmittelherstellung und der Gesundheitsvorsorge ein
starkes soziales Moment des Gemeinschaftlichen.
Ähnlich wie in den Kleingartenvereinen ist bei den Gemeinschaftsgärten das
gemeinschaftliche Handeln im urbanen Raum ein wesentlicher Aspekt der Motivation. Die soziale Komponente des gärtnerischen Engagements steht bei einigen dieser Projekte sogar stark im Vordergrund. Dabei sind hier aufgrund geringer Reglementierung größere Handlungsspielräume gegeben als in klassischen
Kleingärten, die dem Bundeskleingartengesetz und entsprechenden Kleingartenverordnungen unterliegen.
Probleme und Konflikte Ein Garten verlangt nach einer gewissen Kontinuität, welcher vor dem Hintergrund des Stadtwachstums Leipzigs in Widerspruch zu konkurrierenden Flächennutzungen treten kann. Der Drang zum Fortbestand der Gemeinschaftsgärten stellt ebenso wie das schwindende Angebot
an geeigneten wohnungsnahen, quartiersbezogenen Flächen ein zunehmend
wachsendes Problem für derartige alternative Zwischennutzungen dar.
Eine Gruppe von Menschen nimmt sich einer meist brachliegenden Fläche an,
regelt mit den Eigentümern im Rahmen eines Gestattungsvertrages oder einer
Pacht den rechtlichen Rahmen, nutzt diesen in Anspruch genommenen Stadtraum zum gemeinschaftlichen Aufenthalt und gestaltet ihn nach eigenem Gusto,
ohne dabei gestalterischen Regeln unterworfen zu sein. Meist wird Gartenbau
betrieben, auch Kleintiere werden gehalten. Auf interne Abgrenzungen zwischen
Pächtern, welche die Kleingartenanlagen prägen, wird hier verzichtet.
LEipzig im jahr 2030
In Leipzig haben neue neben traditionellen Formen der Gartenkultur ihren
Platz. Sie sind Teil der lebenswerten, lebendigen und zukunftsfähigen Stadt
und tragen durch die Schaffung neuer Aneignungsmöglichkeiten zur Belebung
und Differenzierung des Stadtgrüns bei. Flächen für derartige Nutzungen
konnten trotz des Baumbooms in vielen Fällen erfolgreich freigehalten werden. Neue, kreative Formen der Flächennutzung erfahren städtische Unterstützung (siehe Kap. Brachflächen).
LEipzig heute
Gegenwärtig existieren in Leipzig sieben derartige Projekte. Ihre Wirkung und ihre
Bedeutung reicht trotz der relativ geringen Zahl (etwa im Vergleich zu den Kleingärten) jedoch weit über das Gärtnerische oder Gestalterische hinaus. Es entstehen neue Formen des Zusammenlebens im urbanen Umfeld, die nicht selten
dazu beitragen, ein Viertel wieder zu beleben. Bis dahin brach liegende Flächen
werden selbstbestimmt in Nutzung genommen, was eine verstärkte Bindung
und Identifikation mit dem Viertel bewirken und schließlich auch aktiv zu dessen
Imagewandel beitragen kann. Gemeinschaftsgärtner wirken als „Raumpioniere“
in der Stadtentwicklung, wie sich dies in Leipzig bereits mehrfach gezeigt hat.
Auch fügen die Gartenprojekte der Stadt neue, bereichernde Mosaiksteine des
Stadtgrüns hinzu und können unter Umständen dazu beitragen, Flächen als Freiräume zu sichern.
Foto Seite 64:
Gemeinschaftsgärten
sind Orte der Begegnung
und des Austausches
(nicht zuletzt von Pflanzen). Im Bild der Garten
Anna Linde.
Weitere innovative Konzepte der Gartennutzung sind entstanden. Die Stadt
übernahm als Impulsgeber und bei der Etablierung konkreter Projekte in
Zusammenarbeit mit den Initiatoren Mitverantwortung. Das Sachgebiet Gärten des Amtes für Stadtgrün und Gewässer hat sich als zentrale Anlaufstelle
für Kleingärten wie auch für Gemeinschaftsgärten und ähnlich ausgerichtete
Initiativen der solidarischen Feldwirtschaft etabliert und trägt damit zum
Austausch zwischen den Akteuren bei..
65
66
Wohnumfeld
Ob eine Wohnung von Grün umgeben ist, ob dieses Umfeld nutzbar und zugleich
ästhetisch ansprechend ist – dies sind überaus bedeutsame Indikatoren für die
Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner. Insbesondere für die weniger
mobilen Menschen, für Senioren, Kinder oder Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen ist die Präsenz und Funktionalität sowie die Erreichbarkeit der im
unmittelbaren Umfeld der Wohnung liegenden Freiräume von enormer Wichtigkeit. Dabei sind die Ansprüche an dieses Wohnumfeld so verschieden wie die
Lebensentwürfe der in den Wohnungen lebenden Menschen; entsprechend vielfältig sind seine Erscheinungsformen.
rinnen und Anwohner bis in die Wohnungen spürbaren mikroklimatischen Effekten wie der Minderung der Baumassenaufheizung, der Reduzierung der nächtlichen Wärmeabstrahlung und sommerlichen Hitzebelastung.
Zum Wohnumfeld gehören auch die individuell
gestalteten Balkone, die
für die Menschen überaus wichtige Freiräume
von hoher Aufenthaltsqualität sein können,
die zudem ins Stadtbild
wirken.
Definition
Wohnumfeld – dies sind die Freiräume in unmittelbarer Nähe
der Wohnung und in direkter Beziehung zum Haus sowie in wenigen Gehminuten Entfernung. Die Formen des Wohnumfeldes sind so unterschiedlich wie die
Typologie der Häuser und des Stadtraumes, die Funktion der Freiräume sowie die
Ansprüche der Besitzer und Bewohner. In den Blockstrukturen aus der Bauzeit
von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre sind andere,
halböffentlich oder privat nutzbare Gärten und Wohnhöfe entstanden als an den
Zeilenbauten der Nachkriegsjahre, deren Wohnumfeld eher einen öffentlichen
Charakter trägt. In Wohnvierteln wie Leipzig-Grünau sind aufgrund der historischen Entwicklung weite Teile des Wohnumfeldes in städtischer Verantwortung.
Die zahllosen Privatgärten in der Stadt sowie die halböffentlichen, gemeinschaftlich genutzten Wohnhöfe und –gärten zählen zu den am intensivsten gestalteten und genutzten Freiräumen der Stadt. Sie ergänzen insbesondere in den dicht
bebauten gründerzeitlichen und innerstädtischen Quartieren die öffentlichen
Freiräume. Aufgrund ihrer Abschirmung nach außen sowie ihres privaten oder
halböffentlichen Charakters sind sie im öffentlichen Stadtraum hingegen nur
eingeschränkt wirksam.
Das „grüne“ Wohnumfeld kann sich auf einen individuell gestalteten und
bepflanzten Balkon beschränken, der für die Menschen dennoch ein überaus
wichtiger Freiraum von hoher Aufenthaltsqualität sein kann.
Leipzig heute
Leipzig ist wieder eine wachsende Stadt. Im Jahr 2030 wird aktuellen Prognosen
zufolge mit bis zu 720.000 Einwohnern zu rechnen sein. Bei der bereits begonnenen baulichen Verdichtung der Stadt sind es immer wieder auch Grünflächen,
die das Interesse baulicher Nutzung auf sich lenken. Im Sinne des Konzeptes der
„Doppelten Innenentwicklung“ darf das unmittelbare Wohnumfeld mit seinen
Grünflächen jedoch nicht ins Hintertreffen geraten. Denn bei der Umsetzung
der Idee von der Stadt der kurzen Wege genießt die Erholung in Wohnungsnähe
einen ganz besonderen Stellenwert.
Eine qualitätvolle Gestaltung des Wohnumfeldes, insbesondere mit Großgrün
und entsprechender Schattenwirkung, führt zu relevanten und für die Anwohne-
Foto Seite 66:
Vorgarten an einem
Plattenbau in LeipzigGrünau.
Das unmittelbare Wohnumfeld befindet sich in der Regel in Obhut der Eigentümer
der Wohnungen, also meist der Wohnungsgesellschaften oder -genossenschaften sowie von privaten Hausbesitzern. Baugruppen, also der gemeinschaftliche
Besitz eines Hauses von mehreren Eigentümern, Vereine und freie Zusammenschlüsse von Bürgern bringen aktuell neue – gemeinschaftlich gebaute und
genutzte – Formen des Wohnumfeldes hervor, die sich nicht zuletzt äußerlich
von den gewohnten, althergebrachten Erscheinungsformen unterscheiden.
Im Rahmen von städtebaulichen bzw. Grünordnungsplanungen, von Sanierungszielen, Stadtteilplänen sowie von Bebauungsplänen und Baugenehmigungen
67
Die Meyerschen Häuser sind ein bedeutender Beleg für die
Bedeutung, welche
dem Wohnumfeld bereits in der Geschichte
zuteil wurde.
Charakter und Nutzbarkeit des Wohnumfeldes steht zur städtebaulichen Typologie der Wohnbebauung in einem engen Zusammenhang. Während die Blockrandbebauung der gründerzeitlichen Quartiere in der Regel räumlich gefasste
Innenhöfe und –gärten hervorbringt, die sich einer hohen Nutzungs- und Gestaltungsintensität erfreuen, hat die offene Zeilenbebauung seit den 1920er Jahren ein im öffentlichen Raum wirksameres, jedoch weniger nutzungsintensives
Wohnumfeld zur Folge.
Leipzig verfügt aufgrund seiner ausgedehnten gründerzeitlichen Stadtgebiete
über zahllose Beispiele individuell gestalteter, intensiv genutzter Innenhöfe. Mit
den Meyerschen Häusern gibt es darüber hinaus Beispiele eines planvoll gestalteten Wohnumfeldes aus reformorientiertem Ansatz in der Geschichte. Als herausragendes Beispiel der Gartenstadt-Bewegung zeigt die Gartenvorstadt Marienbrunn ein differenziertes System aus privaten und halböffentlichen Wohn- und
Nutzgärten, im öffentlichen Raum wirksamen Vorgärten und öffentlichen
Freiräumen.
nimmt die Stadt auf die Lage und Größe der Bauten wie auch auf die verbleibenden Außenräume Einfluss. Grünordnerische Vorgaben können etwa die Lage
von städtebaulich relevanten Großgehölzen, übergeordnete Wegebeziehungen,
die Einordnung von Spiel- und Bolz- oder Streetballplätze sowie den Charakter
der Bepflanzung bestimmen. Da sich das Wohnumfeld überwiegend in nichtöffentlicher Hand befindet, beschränkt sich der Einfluss der Stadt bezüglich der
weiteren Gestaltung des Wohnumfeldes auf punktuelle Fragen im Zuge genehmigungspflichtiger Baumaßnahmen. Auf der Grundlage der Sächsischen Bauordnung kann etwa Einfluss auf Lage und Maße von Abstandsflächen genommen
werden. Paragraph 8 regelt zudem, dass nicht überbaute Flächen der bebauten
Grundstücke „wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen“ sowie „zu
begrünen oder zu bepflanzen“ sind, „soweit dem nicht die Erfordernisse einer
anderen zulässigen Verwendung der Flächen entgegenstehen.“ Durch Festlegungen im Bebauungsplan oder andere Satzungen kann die Stadt darüber hinausreichende Festsetzungen zu den Freiräumen treffen.
Bei der Errichtung von Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen schreibt die
Sächsische Bauordnung zudem vor, auf dem Baugrundstück oder in unmittelbarer Nähe einen ausreichend großen Spielplatz für Kleinkinder anzulegen, sofern
nicht in unmittelbarer Nähe eine Gemeinschaftsanlage oder ein Spielplatz vorhanden ist. Neben diesen gesetzlichen Vorschriften erkennen Vermieter zunehmend selbst die große Bedeutung eines attraktiven Wohnumfeldes für die
Zufriedenheit ihrer Mieter.
68
Die historische Entwicklung des Wohnumfeldes lässt sich ferner in den modernen
genossenschaftlichen Siedlungen der 1920er und 30er Jahre (Rundling) ebenso
ablesen wie in den Bauten der DDR-Zeit. Die in industrieller Bauweise errichteten
Wohngebiete und Großsiedlungen (Schönefeld, Lößnig-Dölitz, Grünau) erhielten
wohnungsnahe Freiräume, die im Vergleich zum Wohnumfeld der Vergangenheit
einen extensiveren Charakter trugen. Ihre Großzügigkeit hat dennoch bis heute
im Geschosswohnungsbau seine Berechtigung und leistet wichtige Beiträge zum
Die Vorgärten, Höfe
und Privatgärten in
der Gartenvorstadt
Marienbrunn stehen
ebenfalls für den hohen Rang des Wohnumfeldes und seine
vielseitige Ausformung in Leipzig.
Stadtgrün, etwa im Sinne der stadträumlichen Strukturierung, Freiraumvernetzung und zur Feinstaubbindung.
In der Gegenwart findet die Pluralität der Wohn- und Lebensformen der Menschen in einer neuen Vielfalt der Erscheinungs- und Nutzungsformen des Wohnumfeldes ihren Ausdruck. Das Wohnumfeld gewinnt in dem Maße, in dem die
Menschen wieder stärker den Außenraum in Anspruch nehmen, als Begegnungsund Kommunikationsraum an Bedeutung. Private wie auch gemeinschaftliche
Freiräume bilden den Wunsch ab, das Lebensumfeld selbst zu gestalten und zu
nutzen. Aktuelle Trends wie das Urban Gardening (Gärtnern in der Stadt) erfüllen das Wohnumfeld mit neuem Leben (siehe Kap. Gemeinschaftsgärten). Das
Wohnumfeld muss heute möglichst viele Funktionen in unmittelbarer Nähe
abdecken. Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Erholung sollen im Sinne der Stadt
der kurzen Wege nah beieinander liegen. An die Freiraumvernetzung und den
Abbau von Barrieren im Wohnumfeld sind daher hohe Anforderungen gestellt.
Nicht zuletzt die Immobilienwirtschaft ist dabei, die Bedeutung eines qualitätvoll gestalteten Wohnumfeldes zu erkennen. Dem Wohnumfeld ist beim Bau
und der Sanierung einer Wohnung eine ebensolche Beachtung zu schenken wie
den Aufgaben im Hochbau. Fragen der Zonierung und Abschirmung, der Raumbildung und pflanzlichen Ausstattung, der Bereitstellung von Sitzgelegenheiten
und Spielmöglichkeiten, aber auch die schlüssige Integration von Nebenanlagen
wie Fahrradstellplätzen oder Mülltonnenstandorten erfordern individuelle planerische Antworten.
Probleme und Konflikte Konkurrierende Ansprüche bei Gestaltung und
Nutzung des Wohnumfeldes haben auch in Leipzig vielfach zu dessen Einschränkung, Verringerung bis hin zur kurzsichtigen Beseitigung geführt. Bebauung
und insbesondere die Bereitstellung von Stellplätzen für Autos dezimierten das
grüne Wohnumfeld. Das Schaffen von Orten für Kinderspiel und Kommunikation
auf der einen Seite sowie fehlendes Verständnis für die Bedürfnisse der Mitmenschen auf der anderen Seite führen zu Konflikten im Wohnumfeld.
Bei der Neugestaltung oder Sanierung sowie bei der Unterhaltung des Wohnumfeldes wird die immense Bedeutung der wohnungsnahen Freiräume für die
Wohnzufriedenheit der Mieter noch nicht ausreichend erkannt.
Leipzig im Jahr 2030
Ausreichend große, gut bepflanzte und funktional ansprechend ausgestattete
wohnungsnahe Freiräume prägen das Lebensgefühl in Leipzig. Dabei werden
die Interessen aller Altersgruppen berücksichtigt und eine generationsübergreifende Nutzung gefördert.
Eine neue Vielfalt an Wohn- und Lebensformen stellte neue Anforderungen
an das Wohnumfeld. Trends wie gemeinschaftliche Wohnformen und die neu
entdeckte Hinwendung zum Gärtnern gaben dem wohnungsnahen Freiraum
einen neuen Aufschwung.
Die zunehmende Zahl älterer Menschen sowie von Bürgerinnen und Bürgern
aus anderen Kulturkreisen hatten Anpassungen und Neuerungen im Wohnumfeld zur Folge. Sitzgelegenheiten und neue Betätigungsmöglichkeiten bis
hin zum Gemüseanbau in Wohnungsnähe waren Schlussfolgerungen aus der
demografischen Entwicklung.
Der Erhaltungs- und Pflegezustand zahlreicher Freiräume des Wohnumfeldes in Leipzig wurde verbessert. Die Stadt regte die Wohnungseigentümer
durch das Vorbild öffentlicher Grünflächen, durch Öffentlichkeitsarbeit und
Wettbewerbe dazu an. Parzellenübergreifende Spielkonzepte und eine gute
Vernetzung mit dem öffentlichen Freiraumsystem erhöhen die Qualität des
Wohnumfeldes insbesondere für Kinder und Jugendliche. Die städtische Freiraumpolitik trug daher für eine gesamtheitliche Betrachtung des Freiraumsystems unabhängig von Besitz- und Zuständigkeitsgrenzen Sorge.
Nach dem Vorbild anderer Städte (z. B. Hamburg) wurden in dicht besiedelten Stadtgebieten Regelungen getroffen, um Innenhöfe und Mietergärten der
Freiraumnutzung anstelle dem Parken vorzubehalten. Flachdächer, Fassaden
und andere ungenutzte Freiflächen wurden in hoch verdichteten Stadtgebieten als Flächenressource für das grüne Wohnumfeld erschlossen.
Die Wohnlagen am Wasser sind heiß begehrt. Die wassergeprägten Stadträume leben mit dem Wasser. Die Menschen genießen die Zugänge zum sauberen Wasser und beobachten die Lebendigkeit der Wasserwege bei unterschiedlichen Wasserführungen.
Am Lindenauer Hafen entstandene Wohn- und Gewerbequartiere sind Musterbeispiele für den in der Charta Leipziger Neuseenland formulierten Anspruch
nach Wohnen, Arbeiten und Erholung an einem Ort bzw. in einem Quartier.
69
70
Arbeitsumfeld
Einen großen Teil ihrer Lebenszeit verbringen die meisten erwachsenen Menschen an der Arbeitsstätte. Die Außenräume der Büro-, Industrie- und Gewerbestandorte dienen daher keineswegs nur deren Repräsentation und als „Aushängeschild“, sondern sie sind Aufenthaltsort und Lebensumfeld für die dort Tätigen
und die Besucher. Zudem prägen auch sie den Stadtraum und komplettieren das
Leipziger Freiraumsystem auf vielgestaltige Art und Weise.
Besitzer, sie dienen dem Wohlbefinden der Angestellten, Kunden oder Patienten.
Viele Bauherren haben dies erkannt und investieren in die Außenräume - mitunter über die Grenzen ihres Grundstückes hinaus. In anderen Fällen stehen private
Grundstücke als Hybridräume zur öffentlichen Nutzung zur Verfügung.
Arbeitspause in der
Spinnerei.
Leipzig heute
Großräumigen Anlagen mit vielbeachteter landschaftsarchitektonischer Gestaltung wie den Parkanlagen der Neuen Messe, den Freiräumen an den Autowerken
im Leipziger Norden oder dem MDR-Gelände stehen vielfältige kleinere Grünflächen gegenüber. In den meisten Fällen sind sie in privater Hand, häufig aber
öffentlich zugänglich und nutzbar.
Eine besondere Rolle spielen die Freiräume von Krankenhäusern und Kliniken,
welche zusätzlich für die Genesung der Patienten an der frischen Luft sowie als
Aufenthaltsraum für die Besucher bedeutende Funktionen im medizinischen Alltag besitzen. Außenanlagen wie wie jene an den Klinikstandorten in Probstheida
und in der Liebigstraße dienen in unterschiedlicher Art und Weise der Rekonvaleszenz und dem Aufenthalt, nicht zuletzt auch für das Klinikpersonal. Wie das
Wohnumfeld und die Außenräume an Büro- und Gewerbestandorten befinden
sich diese Freiräume in der Regel nicht in städtischer Verantwortung, stehen aber
dennoch als öffentliche oder halböffentliche Räume vielen Menschen zur Erholungsnutzung zur Verfügung.
Die genannten Freiräume leisten wie das Wohnumfeld wichtige Beiträge zur
Aufwertung der Stadt. Erst die Mischung aus öffentlichen, halböffentlichen und
privaten Außenräumen unterschiedlichster Kategorien erzeugt jene Urbanität
Flachdächer von Industrie- und Gewerbebauten sind Flächenressourcen für Grün, aber
auch für Nutzungen.
Die in eine Landschaft neuen Typs eingebundenen Industrie- und Gewerbestandorte im Leipziger Norden machen deutlich, welche Bedeutung insbesondere größere Ansiedlungen und deren Außenräume für das Freiraumsystem der Stadt
und das Umland besitzen. Ebenso nimmt der Gewerbe- und Wissenschaftsstandort der Alten Messe eine wichtige Stellung als Bindeglied in einem radialen
Grünzug aus der Innenstadt bis ins Leipziger Neuseenland ein.
Wie das Wohnumfeld sind die Außenräume der Betriebe, Büros, Institute und
Kliniken äußerst vielgestaltig und stark abhängig von der städtebaulichen Struktur und Bauform der Gebäude, von den Funktionen und nicht zuletzt vom Selbstverständnis und Anspruch der ansässigen Firmen und Einrichtungen. Die Gestaltung und der Pflegezustand der Außenanlagen sind gleichsam Visitenkarten der
Foto Seite 70:
Die Baumwollspinnerei wird nicht zuletzt
wegen ihrer inspirierenden Freiräume
geschätzt.
71
Firmen wie „Leipziger
Leuchten“ haben die
Rolle der Außenanlagen
als positives Arbeitsumfeld und „Visitenkarte“
erkannt.
Bei Kliniken besitzt die
Qualität der Außenräume eine besondere Bedeutung. Im
Bild der Zugang zum
Elisabeth-Krankenhaus
in Connewitz.
des öffentlichen Raumes, für die Leipzig bekannt und beliebt ist. Zudem leistet
das Umfeld der Gewerbe-, Industrie- und Wissenschaftsstandorte Beiträge zur
Abmilderung von Staub-, Lärm- und Geruchsemmissionen und zur Verbesserung
des Stadtklimas. Wie alle begrünten Freiräume tragen auch diese im Rahmen
ihrer Möglichkeiten zur Erhöhung der städtischen Biodiversität bei.
Wie beim Wohnumfeld kann die Stadt im Rahmen von städtebaulichen Planungen und Bebauungsplänen sowie im Zuge genehmigungspflichtiger Baumaßnahmen auf die Lage und Größe der Außenräume Einfluss nehmen. In Zuge der Grünordnungsplanung werden konzeptionelle Vorgaben etwa zur Berücksichtigung
von übergeordneten Wegebeziehungen oder von Dach- und Fassadenbegrünung
gemacht. Auch hier kann auf Grundlage der Sächsischen Bauordnung Einfluss
auf Lage und Maße von Abstandsflächen, in eingeschränktem Maße auch auf
Wasseraufnahmefähigkeit der Befestigungen und auf Begrünung genommen
werden.
Probleme und Konflikte In der Realität bleiben die Freiräume bei den
betreffenden Bautypen häufig sowohl quantitativ als auch qualitativ hinter den
steigenden Anforderungen zurück. Technologische Voraussetzungen, Flächenkonkurrenz der Nutzungen und die Notwendigkeit effektiver Baulandausnutzung
schränken die zur Begrünung vorgesehenen Flächen ein und die Begrünung und
Gestaltung des Arbeitsumfeldes ist nur in Einzelfällen beispielhaft.
72
Leipzig im Jahr 2030
Die Bauten des Gewerbes, der Industrie, von Büros, Instituten und Kliniken in
Leipzig haben in der Qualität ihrer Außenräume stark hinzugewonnen.
Aufgrund ihrer staub- und lärmemissionsmindernden Wirkung wurde Gehölzen, insbesondere in Gestalt von Laubbäumen, an Industrie- und Gewerbebauten besondere Bedeutung zuerkannt.
In den zum Teil großflächigen Standorten wurde der Anteil versiegelter Flächen minimiert, Flachdächer nach Möglichkeit als Gründächer ausgeführt,
Fassaden im Eignungsfall begrünt.
Einrichtungen zur Pausengestaltung wie Sitzgelegenheiten und Pflanzungen
wurden in diese Freiräume integriert.
Der Erhaltungs- und Pflegezustand von Freiräumen dieser Kategorie wurde
verbessert. Die Stadt regte die Eigentümer durch das Vorbild ihrer öffentlichen
Grünflächen, durch Öffentlichkeitsarbeit und Wettbewerbe dazu an.
Die Außenräume
des Eigenbetriebes
Stadtreinigung zeigen
Materialkreisläufe,
aber auch Stauden zur
Verwendung im öffentlichen Raum.
Freiräume dieser Kategorie sind wichtige Bestandteile des städtischen Grünsystems. Mit der Landschafts-, städtebaulichen und Grünordnungsplanung
machte die Stadt Vorgaben hinsichtlich ihrer Positionierung, Struktur und
Gestaltung.
Die Stadt hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, bislang ungenutzte und mit
Kompensationsmaßnahmen belegte Flächen im Kontext von Gewerbeansiedlungen der öffentlichen Nutzung zugänglich zu machen.
73
74
Spielräume
Der Steinplatz in der
Südvorstadt ist ein
beliebter Spielraum
für alle Altersstufen.
Spielen ist die natürliche Art und Weise von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, sich mit sich selbst und ihrer Umwelt auseinander zu setzen: zu begreifen
- in körperlicher wie geistiger Hinsicht -, zu erkennen, auszuprobieren, zu erforschen und dabei auch zu verändern.
Kinder und Jugendliche spielen überall – nicht nur auf Spiel- oder Bolzplätzen,
Streetball- oder Skateanlagen, sondern im gesamten bebauten und unbebauten
Stadtraum. Familie, Schule und Betreuungseinrichtungen sind für Kinder und
Jugendliche die wesentlichen Sozialisationsinstanzen. Und gleichfalls hat das
nähere Wohnumfeld eine große Bedeutung. Hier sind insbesondere Höfe, Straßen, Plätze, Parks und Grünanlagen zu nennen. Für eine gesunde körperliche und
geistige Entwicklung von Kindern und Jugendlichen müssen daher wohnungsnahe Freiräume, die unterschiedliche Erfahrungs-, Spiel- und Bewegungsräume
umfassen, so gestaltet sein, dass sie anregend, vielseitig und gut erreichbar sind.
Kinder und Jugendliche sind selbst Experten, wenn es um die Bewertung und Verbesserung ihrer Spielsituation geht. Für Kinder ist nicht erstrangig der Ort entscheidend, sondern was man dort tun kann. Spielorte sind prinzipiell überall. Sie
sind dort, wo man sich bewegen kann und es etwas Interessantes, Verlockendes,
Veränderbares zu entdecken gibt – auf vielen Flächen der Stadtlandschaft.
Leipzig Heute
Ungeplante Spielräume in der Stadt sind
für Kinder von besonderem Reiz.
Foto Seite 74:
Spielplätze wie jener
am Auensee gehören
zum Repertoire, sind
jedoch nur ein Teil der
kinderfreundlichen
Stadt.
Die Stadt richtet ihr Handeln stärker auf Kinder, Jugendliche und Familien aus.
Freiraumpolitisch bedeutet dies, dass die Bestandteile des Stadtgrüns für diese
Gruppen besonders attraktiv zu gestalten sind. Neben einem Zuhause mit einem
kinderfreundlichen Wohnumfeld, neben Betreuungs- und Bildungseinrichtungen
mit Freiräumen in ausreichender Quantität und Qualität benötigen Kinder und
Jugendliche sowie deren Eltern öffentliche Räume, die zur aktiven Freizeitgestaltung, zu Spiel, Sport und Erholung im Freien, zur Kommunikation und zum Erproben körperlicher Fähigkeiten einladen.
Spielraum Stadt Wichtig sind für Kinder und Jugendliche nicht nur speziell ausgestattete, ihnen vorbehaltene Freiräume, wie Spielplätze, Ballspielfelder
oder Skate-Anlagen – vielmehr ist die Stadt als Ganzes in ihrer vielfältigen Raumund Erlebniswelt der Lebensraum! Spielen soll überall dort erlaubt und möglich
sein, wo es nicht mit Gefahren verbunden ist. Die Stadt Leipzig verfolgt beim
Thema „Spielen in der Stadt“ daher einen umfassenden, integrierten Ansatz, der
schon dem 1999 veröffentlichten „Kinder- und Familienbericht der Stadt Leipzig“ zugrunde liegt. Mit Spielangeboten in der City nach dem Spielraumkonzept
Innenstadt „Spielen am Wege“ hat Leipzig öffentlichkeitswirksame Schritte in
diese Richtung unternommen.
75
Die Skater-Anlage auf
dem Richard-WagnerPlatz geht in der Gesamtkonzeption der
Platzgestaltung auf,
ohne als Sondereinrichtung zu wirken.
Sand etc.) zu gewähren. Hier liegt der Schwerpunkt darin, Gefahrenpotenziale
(etwa zum motorisierten Verkehr) zu reduzieren.
Spielplätze Öffentliche Spielplätze spielen nach wie vor eine wichtige Rolle.
Viele Kinder und Jugendliche suchen täglich einen solchen, eigens zum Spielen
eingerichteten und ausgestatteten Freiraum auf. Sie verbringen dort oft einen
großen Teil ihrer Freizeit, da Spielplätze die an anderer Stelle oft verloren gegangene Eignung des öffentlichen Raumes zum Spielen kompensieren. Insbesondere
die Straße ist mit der Entwicklung des motorisierten Verkehrs seit hundert Jahren
Jahren den Kindern als Spiel- und Lebensraum weitgehend verloren gegangen.
Zahlen und Fakten Öffentliche Spielplätze werden daher weiterhin in hoher
Zahl und guter Qualität gebraucht. Sie behalten in der Freiraumversorgung der
Bevölkerung einen festen Platz. In Leipzig gibt es rund 300 öffentliche Spielplätze im Stadtgebiet. Diese werden ergänzt durch einige spezielle Ballsport- und
Skateanlagen. Viele dieser Spielräume sind in Parks, in den Wald, in Stadtplätze
und öffentliche Grünanlagen integriert. So bleibt das Spiel nicht auf den ausgewiesenen Platz begrenzt, sondern es können umliegende Bereiche in das Spiel
einbezogen werden. Außerdem gibt es zahlreiche Spielplätze in Kleingartenanlagen, die jedoch teilweise nur eingeschränkt zugänglich sind.
Für Spielplätze ist die Nähe zur Wohnung von besonderer Bedeutung. Neben
der räumlichen Entfernung sind es Fragen wie die Notwendigkeit der Querung
gefährlicher Straßen, die distanzierend wirken können. Mitunter befinden sich
Mit der Studie „Spielen in der Stadt“ liegt eine konzeptionelle Grundlage vor, um
Leipzig als Ganzes zu einem für Kinder und Jugendliche attraktiven Lebensumfeld
zu entwickeln. Basis ist eine flächendeckende Analyse für das Stadtgebiet. 353
„Spielpässe“ berichten über das Spielpotential der einzelnen Quartiere. Diese dienen als Entscheidungsgrundlage, um im Rahmen der Stadtentwicklung sowie bei
konkreten Planungen das Thema Spielen zu berücksichtigen.
Freiflächen wie der Wald stehen als große, unreglementierte Spielräume allen
zur Verfügung. Parks und Grünflächen in ihren vielfältigen Funktionen sind auch
abseits der eigens eingerichteten Spielplätze für die Kinder da. Diese Freiräume
kommen meist ohne spezielle Ausstattungen aus, um dem Nachwuchs ein vielseitiger Spielraum zu sein und Zugang zu elementaren Elementen (Wasser, Erde,
76
Spielplätze wie auf
dem Buddeplatz sind
im Idealfall Teil einer
Grünanlage, in der
freies Spiel möglich
ist.
LANDSCHAFTSPLAN
DER
STADT
LEIPZIG
LANDSCHAFTSPLAN
Freiflächen Symbole
Parkanlage / öffentl, Grün- und Erholungsfläche
Spielplätze
Flächennutzung
Grünfläche
Stadtplanungsamt
Stadt Leipzig
L eipzig,
SG LandschaftsLANDSCHAFTSPLAN
und GrünordnungsplaÖffentliches Grün
nung:
Maßstab:
1:30.000
Spielplätze im Stadtgebiet Leipzig vor dem Hintergrund des Stadtgrüns
(gesamt).
K
Stand:
Dezernat Stadtentwicklung und Bau
Stadtplanungsamt
Abteilung Generelle Planung und Projekte
Sachgebiet Landschafts- und Grünordnungsplanung
Datengrundlage:
DSK 5 Stadt Leipzig
Amt für
Geoinformation und Bodenordnung
Stand:
02 / 2009
Herausgeber:
Stadtplanungsamt
Datum / Unterschrift
Planfassung gemäß:
§ 1(5), (6) Nr. 7 u. 8 BauGB, § 2, 2a, 3, 4 BauGB,
§§ 1, 1a, 1b, 2, 3 SächsNatSchG, insbes. §§ 4, 6 SächsNatSchG
77
Bolzplätze im öffentlichen Raum sind
bedeutsame Bestandteile der städtischen
Spiel- und Sportangebote. Ihre Neuplanung ist aufgrund
rechtlicher Rahmenbedingungen schwieriger geworden.
Wertschätzung Die meisten Spielangebote im Stadtgebiet werden sehr gut
angenommen. Die Intensität dieser Nutzung ist freilich stark von der aktuellen
Bevölkerungsdichte sowie der Altersstruktur des jeweiligen Wohngebietes, auch
vom Zustand, der Zugänglichkeit, der Nähe zur Wohnung und nicht zuletzt von
der Gestaltung abhängig. So ist ein besonders hoher Nutzungsdruck auf den
Spielplätzen der dicht besiedelten Stadtteile mit jüngerer Altersstruktur zu verzeichnen, etwa in der Südvorstadt, in Connewitz oder Schleußig. Auf ihre Weise
stehen Spielplätze für die Attraktivität eines Quartiers, für seine Familienfreundlichkeit. Auch macht die Lage in Erholungsgebieten oder in beliebten städtischen
Parks die Spielangebote zu besonderen Anziehungspunkten. Spiellandschaften
wie jene im Clara-Zetkin-Park sind hoch frequentierte Ausflugsziele für Familien
mit ihren Kindern.
Spielplätze aber auch bewusst weitab der Wohnviertel, etwa in Erholungsgebieten. Die Spielplätze sind in diesen Fällen Ausflugsziele für Familien mit Kindern
und Treffpunkte von hoher Anziehungskraft, besonders für junge Leute – so im
Auwald, an den Seen oder in den großen Parks.
Funktionen und Nutzung Die Zugänglichkeit der öffentlichen Spielplätze
in Leipzig ist ebenso wenig eingeschränkt wie die der Parks und Grünanlagen,
in denen das Spielen auf vielseitige Weise möglich ist. Spielräume und -plätze
erfüllen umfassende soziale und pädagogische Funktionen. Sie versammeln
Menschen aller sozialen Schichten und nationaler Identität. Sie fördern die soziale, geistige, körperliche und emotionale Entwicklung der jungen Generation; für
Kinder wie Erwachsene sind sie Treffpunkte und Stätten der Kommunikation. Sie
sind Orte des sozialen Lernens und der generationenübergreifenden Begegnung.
Spielplätze sind vielleicht die am intensivsten genutzten Orte unserer Parks und
Grünflächen - nirgendwo sonst finden auf der gleichen Fläche so zahlreiche, vielfältige Aktivitäten statt.
Spielräume dienen auf vielseitige Weise der Förderung der Gesundheit – besonders natürlich der Kinder. Wie kaum ein anderer Freiraum unterbreitet der Spielplatz gleichwohl ein altersübergreifendes Angebot: an die Jüngsten adressiert,
schließt er die älteren Generationen keineswegs aus.
Ausgewiesene Spielplätze sind im Idealfall so gestaltet, dass sie die körperlichen, kognitiven und geistigen Fähigkeiten der Kinder auf besondere Weise
78
fordern und fördern. Die eigens für das Spiel verschiedener Altersgruppen entwickelten, aufeinander abgestimmten Oberflächenformen und -beläge, Spielgeräte und deren Kombinationen bieten den Heranwachsenden eine inspirierende,
Körper und Geist herausfordernde Erfahrungswelt. Zugleich sind Spielplätze für
Erwachsene erholsame Aufenthaltsorte. Die Bandbreite der vielfältigen Körperund Sinneserfahrungen, welche diese Orte offerieren, ist hoch. Eigens für den
jeweiligen Spielplatz konzipierte Kombinationen, in Zusammenarbeit zwischen
Landschaftsarchitekten, Spielgestaltern und der interessierten Öffentlichkeit
geplant, sorgen in vielen Fällen für unverwechselbare Spiellandschaften von
hohem Identifikationswert.
Die beiläufige Integration von Spielmöglichkeiten im öffentlichen Raum ist unter
dem Motto „Spielen
am Wege“ in der
Grimmaischen Straße
umgesetzt worden.
Zustand und Form der Spielplätze werden in der Bevölkerung intensiv wahrgenommen. Neu und gut gestaltete Spielplätze werden wertgeschätzt, Defizite
umgehend reflektiert. Planungen begegnet man mit hoher Erwartungshaltung,
Veränderungen gewohnter Spielplätze stehen die Nutzer wiederum mit hoher
Sensibilität gegenüber. Der Bürgerbeteiligung im Planungsprozess, insbesondere
auch der Einbeziehung der Kinder und Jugendlichen, kommt bei Spielplätzen
eine besondere Bedeutung zu. (siehe Kap. Partizipation und bürgerschaftliches
Engagement).
Um den Bewohnern und Gästen der Stadt dieses reiche Angebot nahe zu bringen,
wurden Informationen zu den öffentlichen Spielplätzen im Internet publiziert.
Angaben zur Lage im Stadtgebiet, zur Ausstattung, Gestalt und Größe sind dort
abrufbar. (siehe Kap. Öffentlichkeitsarbeit)
Die Stadt hat in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen, zahlreiche Spielplätze umzugestalten oder instand zu setzen. So kann der Zustand
der Spielplätze im Allgemeinen als befriedigend eingeschätzt werden. Unter den
300 Spielplätzen gibt es gleichwohl noch zahlreiche, die als sanierungsbedürftig
gelten müssen. Eine besonders hohe Frequentierung von Spielplätzen führt zu
starkem Verschleiß und dies wiederum zu einer Erhöhung des Instandhaltungsund Investitionsdruckes.
bieten neu zu planen. Lärmschutzgutachten müssen angefertigt werden, bevor
besonders geräuschintensive Anlagen, wie beispielsweise Ballsportfelder, gebaut
werden können. Andererseits sind Kinderspielplätze oft unzureichend vor Verkehrslärm geschützt.
Leipzig im Jahr 2030
Die Stadt Leipzig hat sich zu einem für Kinder und Jugendliche attraktiven
Lebensumfeld als Ganzes entwickelt.
Die zur Umsetzung des Konzeptes „Spielen in der Stadt“ erarbeiteten Spielpässe sind eine obligatorisch zu berücksichtigende Entscheidungsgrundlage
in allen auf den Stadt- und Freiraum bezogenen Planungsprozessen. Das Konzept selbst unterliegt einer regelmäßigen Fortschreibung, die sich vor allem
aus den Erfahrungen der Praxis und den durchgeführten Beteiligungsverfahren ergibt.
Öffentliche Spielplätze sind weiterhin die wichtigsten Elemente, um Spielangebote in den Stadtraum zu integrieren. Maßnahmen zu Ihrer Erhaltung und
Erneuerung bleiben laufend erforderlich. Ihre Gestaltung und Ausstattung
wird individuell an die jeweiligen Orte angepasst.
Zur Aufrechterhaltung der Spielfunktionen auf den Plätzen und der Sicherheit der
Kinder werden die Spielplätze regelmäßig kontrolliert und gewartet. Ein Ersatz
der Geräte ist oftmals nach Ablauf einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von
ca. 15 Jahren notwendig. Ein großer Teil der Spielplätze wurde in den 1990er Jahren neu gestaltet. Diese Spielplätze sind nun häufig wieder Sanierungsfälle.
Durch einen stärkeren Ausbau des Angebotes für Jugendliche wurde diese
Nutzergruppe besser berücksichtigt und ins Freie gelockt. Trends und Interessen Jugendlicher wurden frühzeitig aufgegriffen und in Spiel-, Sport- und
Bewegungsangeboten berücksichtigt. Die Idee von Naturerfahrungsräumen
wurde aufgegriffen und konnte bereits mehrfach umgesetzt werden.
Die Stadt hat ein „Programm zur Instandhaltung und Entwicklung öffentlicher
Spielpätze in Leipzig“ aufgelegt, um diesem Sanierungsbedarf zu begegnen.
Spiel-, Sport- und Bewegungsangebote wurden in der Regel generationsübergreifend nutzbar gemacht, da alle Altersgruppen mehr denn je gesundheitsfördernde Angebote zur Bewegung, Begegnung und Erholung benötigen.
Konflikte und Probleme Die in nahezu allen Kategorien des Stadtgrüns
und der Gewässer auftretenden Probleme wie Vandalismus, Hundekot und
Müll treten auch auf den Spielplätzen auf. Der zunehmende Abfall, den die
Nutzer in die Anlagen mitbringen, stellt die Bewirtschafter vor immer größere
Herausforderungen.
Viele Spielgelegenheiten in der Stadt sind nur eingeschränkt zugänglich, etwa
in Kleingartenanlagen und auf Schulhöfen. Weitere Probleme bilden zunehmend die Lärmemissionen, die von Freizeitanlagen ausgehen. So erschwert es
die Rechtssituation, Freizeitanlagen für Jugendliche in der Nähe von Wohnge-
Das Flächenpotenzial von Spielplätzen wurde gesichert. Insbesondere in
unterversorgten Stadtteilen mit hohem Zuzug junger Familien wurden die
Spielangebote ausgebaut. Dabei stand die Gestaltung, welche Spielfunktionen für alle Zielgruppen gewährleistet, genauso im Fokus wie Maßnahmen
zur Verbesserung der Erreichbarkeit für alle Menschen (inklusiver Grundsatz).
Spielräume und –plätze wurden vornehmlich offen in zusammenhängende
Grün- und Freiräume integriert. Eingefriedete Plätze, etwa zur Abgrenzung
des Stadtverkehrs, blieben die Ausnahme.
79
80
Freiräume an KinderTageseinrichtungen und Schulen
vier bis sechs Quadratmetern pro Kind zu Grunde gelegt. Neben der Dimensionierung von ausreichendem Aufenthalts- und Bewegungsraum auf dem Grundstück sind darüber hinaus Fragen wie die Nähe weiterer nutzbarer Freiräume
und Spielplätze, die Lage im städtischen Raum und im Freiraumsystem wichtig.
Und schließlich spielen qualitative Fragen wie die Gestalt und Funktionalität der
Außenanlagen von Kindertageseinrichtungen und Schulen, die in Grundschulen
in der Regel zugleich als Hortgelände genutzt werden, eine entscheidende Rolle.
Die Außenräume der Betreuungs- und Bildungseinrichtungen haben für die
Kinder und Jugendlichen eine mindestens gleichberechtigte Bedeutung wie die
Gebäude. Dort ist Bewegung im Freien, der Aufenthalt außerhalb geschlossener
Räume an der frischen Luft, Erfahrungen der Pflanzen- und Tierwelt bis hin zum
Eindruck der Tages- und Jahreszeiten oder des Wetters möglich. Die Außenanlagen der Schulen und Kindertageseinrichtungen mit ihren Gehölzen, Rasen- und
befestigten Flächen, ihren Spielgeräten, Sport- Bewegungsmöglichkeiten und
Freiraumausstattungen haben demzufolge einen besonderen Einfluss auf das
Wohlbefinden und die Entwicklungsfortschritte der Heranwachsenden.
Der vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales im Jahr 2006 herausgegebene „Sächsische Bildungsplan“ gibt für die Gestaltung und Ausstattung einige
Anregungen. Eine von der „Kindervereinigung Sachsen e. V.“ im Jahr 2009 herausgegebene Broschüre „Bildung und Freiraumqualität. Ein Leitfaden“ macht auf
der Grundlage des Bildungsplanes weiter reichende Aussagen zur frühkindlichen
Förderung durch kindgerechte Freiraumgestaltung.
Kinder und Jugendliche halten sich zu einem gewichtigen Teil des Tages in den
Betreuungs- und Bildungseinrichtungen auf. Ihnen ausreichend dimensionierte
und ansprechend gestaltete Außenräume zu geben, muss daher Anspruch
städtischer Bildungspolitik sein. Diesen Freiräumen ist mindestens ebensolche
Bedeutung beizumessen wie dem Wohnumfeld.
Qualität und Quantität Gesetzliche Festlegungen zur Bemessung und
Gestaltung von Kindertageseinrichtungen sind Ländersache. Im sächsischen
Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen (SächsKitaG) wird zur
Quantität und Qualität der Außenräume jedoch keine nähere Aussage getroffen. Laut einer Empfehlung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales zu
den räumlichen Anforderungen an Kindertageseinrichtungen aus dem Jahr 2005
soll für jedes Kind eine Freispielfläche von zehn Quadratmetern zur Verfügung
stehen.
Leipzig heute
Nimmt man eine kindgerechte körperliche, geistige, seelische Entwicklung und
soziale Ziele zum Maßstab, so ergibt sich in den Leipziger Schulen und Kindertageseinrichtungen eine Bandbreite von ausreichend großer bis hin zu einer sehr
geringen Freiflächenbereitstellung im Einzelfall. Der Bedarf an Schulsportflächen
wird in den Einrichtungen ebenfalls sehr unterschiedlich abgedeckt.
Schulen benötigen
wie Kindergärten
intensiv gestaltete Bereiche. Im Bild
Eröffnung der neuen Freiräume der
Ernst-Pinkert-Schule
(2012).
Da für Kinder nach dem 1. Geburtstag seit dem 1. August 2013 ein Rechtsanspruch
auf einen Betreuungsplatz besteht und die Geburtenrate in Leipzig erfreulicherweise wieder steigt, hat die Stadt auf diesem Gebiet große Aufgaben zu bewältigen. Plätze für Kindertageseinrichtungen müssen darüber hinaus „in einem
bedarfsgerechten Umfang“ zur Verfügung gestellt werden. Die Verantwortung
für die Sicherstellung des Angebotes trägt die Stadt.
Die aktuellen gesetzlichen Mindeststandards für Kindertageseinrichtungen liegen, gemessen an den tatsächlichen Anforderungen für eine gesunde Entwicklung der Kinder, relativ niedrig. So wird bei der Planung von Grundschulen gegenwärtig eine Pausenfreifläche von zehn, bei Oberschulen und Gymnasien von
Foto Seite 80:
Eröffnung eines sanierten Schulgeländes
in Leipzig-Leutzsch.
81
Kinder verbringen
einen beträchtlichen
Teil des Tages in den
Betreuungs- und Bildungseinrichtungen.
Der Nutzungsdruck
auf deren Freiräume
ist besonders hoch.
Auch hinsichtlich der Qualität der Freiraumgestaltung ist die Bandbreite groß.
Es gibt zahlreiche Schulstandorte mit professionell geplanten, attraktiven und
funktionierenden Freianlagen. Andere wiederum sind veraltet, gering ausgestattet oder sanierungsbedürftig.
Probleme und Konflikte Insbesondere in dicht besiedelten, von Zuzug
geprägten Stadtgebieten stellt es eine große Herausforderung dar, die erforderlichen Flächen für Kindertageseinrichtungen und Schulen bereit zu stellen. Die
aktuell intensiv betriebene Schaffung von zusätzlichen Betreuungsplätzen durch
Neu-, An- oder Umbau von Einrichtungen trägt zur Verkleinerung der Freiflächen
der bestehenden Einrichtungen bei. Daher ist eine Anpassung der Zuschüsse für
die Werterhaltung der Freiflächen erforderlich, um nicht nur die Qualität der verbleibenden Freiflächen trotz des erhöhten Nutzungsdrucks zu sichern, sondern
auch den quantitativen Flächenverlust durch Qualitätssteigerung im Sinne einer
erhöhten Funktionalität der verbleibenden Freiflächen ausgleichen zu können.
Bei der Erneuerung der Freiräume an Kindertageseinrichtungen und Schulen
konnten in den letzten Jahren mit Hilfe von Förderprogrammen bereits Verbesserungen erzielt werden. Der Umfang der noch zu sanierenden Freianlagen und
die langfristige Sicherung ihrer Instandhaltung stellen allerdings weiterhin eine
große Herausforderung dar.
Bereits in der Netzplanung besteht der Bedarf einer vorsorgenden Flächenbevorratung und Flächensicherung, um befriedigende Flächengrößen, -zuschnitte und
-benachbarungen in Bezug auf die erforderlichen Freiraumfunktionen zu erhalten. Dies gilt ebenso für den Bereich Schulsport.
In der Regel werden die Außenräume den Einrichtungen durch entsprechende
Einzäunungen unmittelbar zugeordnet und sind daher für eine öffentliche Nutzung nicht zugänglich.
82
Leipzig im Jahr 2030
Die Freiräume an Kindertageseinrichtungen und Schulen haben sich weiter zu
einer attraktiven, lehrreichen und nach Möglichkeit naturnahen Umgebung
für Spiel, Sport und Bildung entwickelt.
Es wurde verstärkt darauf Wert gelegt, dass die Außenräume der Kindertageseinrichtungen und Schulen ausreichend bemessen und ausgestattet sind.
Ein Katalog städtischer Standards für Freiräume an Kindertageseinrichtungen
und Schulen war hilfreich, um die Quantität und Qualität dieser Freiräume
zu sichern und weiter zu entwickeln. Das Amt für Stadtgrün und Gewässer
stellte den zuständigen Ämtern seine Fachkompetenz in diesen Fragen zur
Verfügung.
Die Bereitstellung ausreichend großzügiger Freiräume, der für eine positive Entwicklung der Kinder und Jugendlichen so wichtig ist, wurde anderen Ansprüchen übergeordnet, etwa der Bebauung oder der Nutzung für
Stellplätze.
In den Grundschulen
ist der Außenraum in
der Regel nicht nur
Schul-, sondern auch
Hortgelände.
Im Zuge einer allgemeinen Nutzungsintensivierung des öffentlichen Freiraumes und der Verdichtung der Stadt wurde die Öffnung der Sport- und Spielanlagen für die öffentliche Nutzung an mehreren Standorten erfolgreich umgesetzt. Insbesondere beim Neubau von Einrichtungen wurde die Fläche auch für
eine Nutzung aus dem Quartier heraus ausgerichtet und als solche zeitweise
den Anwohnern als Erholungs- und Freizeitfläche zur Verfügung gestellt. Die
hierfür erforderlichen Rahmenbedingungen wurden geschaffen.
Aktivitäten der freien Träger und der Elternschaft zur Verbesserung der Freiräume an Schulen und Kitas wurden von der Stadt aktiv unterstützt.
Der Schulhof der 57.
Oberschule in Leutzsch
wurde im Frühjahr 2015
neu gestaltet.
83
84
Sondergärten und
Gedenkorte
Der Apothekergarten
im Friedenspark ist als
Einrichtung der Universität ein Ort der Bildung und Erholung.
In der Stadt Leipzig gibt es eine Perlenkette besonderer Freiräume und Gärten,
die speziellen Themen und Funktionen verpflichtet sind. Sie bilden Höhepunkte
des städtischen Raumes von besonderer Qualität. In der Regel sind diese Sonder- oder Themengärten in öffentliche Grünanlagen integriert und Teil des städtischen Freiraumsystems. In ihrer räumlich oft geschlossenen Wirkung sind sie
zugleich Rückzugsorte und vermitteln besondere ästhetische Erfahrungen. Oft
handelt es sich um Freiräume, in denen dem Publikum darüber hinaus historisches, gartenkulturelles oder naturkundliches Wissen vermittelt wird.
Unter den Themengärten sind die Gedenkorte von spezifischer Eigenart. Sie
erinnern an historische Ereignisse und Persönlichkeiten. Im Unterschied zum
bildkünstlerisch gestalteten Monument bedienen sie sich vordergründig landschaftsarchitektonischer Gestaltungsmittel, die oft durch Schrift, bildkünstlerische Darstellungen und mitunter sogar Klänge ergänzt werden.
jahr hinweg verschiedene Blühaspekte im öffentlichen Stadtraum präsentieren.
Aufgrund des hohen Unterhaltungsaufwandes sind sie nur wenigen, besonderen
Orten vorbehalten. Die Pflanzungen erzielen überaus positive Effekte, sie dienen
der Repräsentation der Stadt und dem Wohlbefinden ihrer Bürger und Gäste. Ihre
Wirkung im Stadtraum ist groß; Wechselflorpflanzungen sind damit sozusagen
Öffentlichkeitsarbeit für das öffentliche Grün. Der Dahliengarten im Clara-Zetkin-Park etwa vermittelt einen Eindruck von großer Farbkraft und Vielfalt.
Leipzig heute
Sondergärten Die besonderen Freiräume präsentieren oft spezielle Pflanzensammlungen und –zusammenstellungen. Herausragend ist der Botanische
Garten, welcher wie der Apothekergarten im Friedenspark eine Einrichtung der
Universität Leipzig ist. Der Duft- und Tastgarten im Friedenspark ist vor allem für
Menschen mit Sehbehinderungen bestimmt, die dort Pflanzenerfahrungen jenseits der optischen Wahrnehmung machen können. Der Garten steht zu seinen
Öffnungszeiten selbstverständlich auch allen Besuchern offen. Die Bewirtschaftung erfolgt ebenfalls durch die Universität Leipzig, Fachbereich Botanischer Garten. Diese Kooperation garantiert eine dauerhafte und intensive Pflege.
In Staudengärten wie jenen im Clara-Zetkin-Park, im Mariannenpark oder im
Richard-Wagner-Hain sind winterharte Stauden zu sehen. Aufgrund ihres hohen
Pflegeaufwandes sind sie im öffentlichen Raum ansonsten nur noch selten anzutreffen. Rosengärten wie im Volkspark Kleinzschocher und im Mariannenpark
präsentieren die beliebte Pflanze in großzügigen Flächen. Ebenfalls in diese Kategorie zu zählen sind die Wechselflorpflanzungen im Stadtgebiet. Es handelt sich
um Blumenpflanzungen, die in ein- bis zweimaligem Wechsel über das Garten-
Der Dahliengarten im
Clara-Zetkin-Park erfreut alljährlich durch
seine Pracht. Solche
Sondergärten erfordern intensive, fachgerechte Pflege.
Foto Seite 84:
Der Rosengarten im
Volkspark Kleinzschocher.
85
Staudenpflanzungen
wie am Ringcafé gehören zum Repertoire des
Stadtgrüns an besonderen Orten.
Der Botanische Garten
als eine Einrichtung der
Universität Leipzig ist
ein bedeutsamer Bestandteil des Leipziger
Stadtgrüns.
spiel dieser Kategorie, genauso der am Rande des Friedhofes befindliche Gedenkort für die Opfer der Gewaltherrschaft nach 1945.
An verschiedenen Orten der Stadt werden Wildblumenmischungen im öffentlichen Raum eingesetzt, die Blühaspekte bei einer relativ extensiven Pflege
gewähren. Hier sind verschiedene Pflanzenzusammenstellungen in Erprobung.
Weiterhin zählen in diese Kategorie die Gehölzsammlungen oder Arboreten.
(siehe Kap. Wald und Stadtbäume). Der „Hain der Jahresbäume“ in Kleinzschocher
zeigt den jährlich bundesweit gekürten „Baum des Jahres“ in kleinen Gruppen.
Die Anlage findet im „Weg der Jahresbäume“ im Grünen Bogen Paunsdorf seit
2015 eine Fortsetzung. Der „Tertiärwald“ im Landschaftspark Cospuden sowie
der wiederbelebte „Braunkohlewald“ im agra-Park enthalten Baumarten, welche
zur Zeit der Braunkohlebildung in der Region wuchsen. Im großen Waldarboretum im Norden des Erholungsparkes Lößnig-Dölitz sind Baumarten verschiedener Kontinente zu besichtigen.
Aus der Zeit nach 1990 ist die Gedenkstätte für die zerstörte Synagoge in der
Gottschedstraße ebenso hervorzuheben wie das unweit gelegene Mahnmal für
den früheren Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler am Neuen Rathaus.
Beide Anlagen bedienen sich nicht zuletzt landschaftsarchitektonischer Gestaltungsmittel, um ihre Aussage zu unterstreichen und im Stadtraum zu verankern.
Der Gedenkort für
die verstorbenen
Kinder der Stadt
ist ein stiller Ort
der Trauer im Friedenspark.
Neben der Wissensvermittlung bieten die Themengärten ästhetische Reize und
dienen der Erholung. Der alte gärtnerische Leitsatz, dass Gärten in erster Linie
schön zu sein haben, trifft bei den Freiräumen dieser Kategorie in ganz besonderer Weise zu.
Gedenkorte Landschaftsarchitektonisch geprägte Gedenkorte haben in Leipzig eine lange Tradition. Die Außenanlagen des Völkerschlachtdenkmals mit dem
zugehörigen Wilhelm-Külz-Park sind hier ebenso anzuführen wie die Ehrenhaine
für die Toten von Kriegen, die auf verschiedenen Friedhöfen existieren. Der in
der DDR-Zeit unter propagandistischer Zielsetzung entstandene „Ehrenhain der
Sozialisten“ in der zentralen Achse des Südfriedhofes ist ein vielschichtiges Bei86
Der Gedenkort in der
ehemaligen Etzoldschen Sandgrube erinnert an die zerstörte
Paulinerkirche.
Probleme und Konflikte Aufgrund ihrer oft separaten, räumlich umgrenzten Lage und der Sensibilität ihrer Gestaltungsmittel sind die Themengärten und
Gedenkorte in besonderer Weise Erscheinungen wie Vandalismus, Diebstahl und
unsachgemäßer Nutzung ausgesetzt. Mitunter entspricht der Erhaltungs- und
Pflegezustand nicht dem gestalterischen Anspruch dieser besonderen Orte. Beispielsweise trifft dies für einige Staudengärten zu. Teilweise unterstützen Interessengruppen und Vereine die Existenz von Themengärten in der Ausstattung
und Pflege.
Leipzig im Jahr 2030
Ebenfalls gartenkünstlerisch gestaltet sind jene Erinnerungsstätten, die in jüngerer Zeit im Friedenspark entstanden - der „Gedenkort für die verstorbenen
Kinder unserer Stadt“ sowie der Gedenkort für die Opfer der KindereuthanasieVerbrechen der Nationalsozialisten. Im Park an der Etzoldschen Sandgrube weist
ein Gedenkort auf die hier verschütteten Reste der zerstörten Paulinerkirche hin.
Funktion und Nutzung Die Themengärten und Gedenkorte im Stadtgebiet
sind in der Regel uneingeschränkt zugänglich; in einigen Fällen bestehen zeitliche und saisonale Begrenzungen. Sie dienen der Verbreitung und Förderung der
Kultur, insbesondere der Gartenkultur. Das Publikum kann hier besondere ästhetische, naturkundliche und historische Erfahrungen sammeln. Die Gartenanlagen
dienen vorrangig der passiven Erholung; sie sind Rückzugsräume und Orte der
Identifikation. In besonderer Weise sind sie Gegenstand des bürgerschaftlichen
Engagements.
Themengärten und Gedenkorte sind feste Bestandteile des Leipziger Stadtgrüns, wenngleich sie Ausnahmen bleiben. Als spezielle Nische für Interessierte und als besondere Elemente unserer Grünanlagen wurden die Themengärten erhalten und teilweise behutsam ausgebaut.
Neben die unabdingbare kontinuierliche Werterhaltung und die Wiederherstellung sanierungsbedürftiger Sondergärten trat - im Einzelfall - die Neuanlage von Themengärten und Gedenkorten. Sie bereichern das Angebot
öffentlicher Räume und sind Alleinstellungsmerkmale im Hinblick auf die
Außenwirkung der Stadt.
Gedenkorte erwiesen sich nach wie vor als zeitgemäße Antwort auf das nach
wie vor existierende Bedürfnis, an historische Ereignisse und Persönlichkeiten im öffentlichen Raum zu erinnern. Landschaftsarchitektonische Mittel
lenken die Konzentration auf die räumliche Erfahrung, verankern den Ort im
Stadtraum und sind abstrahierender Natur.
Sie üben eine überregionale Anziehungskraft aus und fördern den Tourismus der
lebendig grünen Stadt Leipzig.
Wechselflorpflanzungen blieben ebenso wie Staudenflächen ein Instrument
der städtischen Freiraumgestaltung in ausgewählten Fällen. Die besondere
Wirkung, die allein mit arten- und formenreichen Blühaspekten erreicht werden kann, rechtfertigt den erhöhten Aufwand.
Themengärten und Gedenkorte werden vorrangig von interessierten Bürgern aufgesucht sowie von jenen, die sie wegen ihrer Ruhe und besonderen Ausstrahlung
schätzen. Die Anlagen ziehen das Fachpublikum an, sie sind das häufige Ziel von
Führungen. Vereine und Fachverbände wissen ihr Potenzial zu schätzen.
Für eine blütenreichere Gestaltung der Stadt wurden mit Erfolg spezielle
blütenreiche Saatgutmischungen eingesetzt, die mit zusätzlichem Nutzen
für blütenbesuchende Insekten verbunden sind und die dadurch biologische
Vielfalt der Stadtnatur fördern.
87
88
Brachflächen
Gegenüber vielen anderen deutschen Großstädten ist Leipzig in einer besonderen Situation: Aufgrund der Tatsache, dass die Stadt von der Gründerzeit bis zur
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen unvergleichlichen Aufschwung erlebte,
nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges jedoch einen gravierenden Bevölkerungsverlust erlitt, gibt es hier noch immer eine große Zahl an ungenutzten
Bauten und Flächen. Diese Situation birgt für die zukünftige Stadt- und Freiraumentwicklung zugleich Probleme und Chancen, wobei letztere im Zuge des
aktuell wieder einsetzenden Stadtwachstums klar überwiegen.
Die große Brache des
ehemaligen Gleisgeländes in Plagwitz
wird künftig in eine
extensive Freiraumnutzung überführt,
die deren Charakter
bewahrt.
Definition Brachflächen im hier behandelten Zusammenhang sind Freiflächen in der Stadt, auf denen keine Nutzung stattfindet oder deren ursprüngliche Nutzung aufgegeben worden ist. Leer stehende Häuser gehören nicht zum
Aufgabenfeld des Brachflächenmanagements, das im Amt für Stadtgrün und
Gewässer angesiedelt ist.
Aber auch Brachen an sich bieten durchaus Qualitäten, die der Stadtbevölkerung
zugute kommen. Fehlende menschliche Nutzung einer Fläche bedeutet nicht,
dass dieses Gelände ohne Nutzen ist. Gerade Stadtbrachen entwickeln sich durch
natürliche Sukzessionen häufig zu ökologischen Nischen und können dadurch für
den urbanen Naturschutz hohe Bedeutung erlangen.
Leipzig heute
Für viele Menschen besitzen Brachen als informelle Grünflächen und Naturerfahrungsräume einen Wert. Darüber hinaus kommt ihnen als klimatische Ausgleichsräume in verdichteten Stadtquartieren Bedeutung zu. Mit diesen Funktionen können Stadtbrachen durchaus „von allein“ zu erhaltenswerten Freiräumen
werden. Im Stadtraum können Brachflächen auch ohne bewusste Gestaltung
wichtige Zäsuren in baulich verdichteten Quartieren sein.
Anspruch des Brachflächenmanagements der Stadt Leipzig ist es im Sinne der
übergeordneten Strategie der „doppelten Innenentwicklung“, durch Nutzung
der urbanen Brachflächenpotenziale neuen Flächenversiegelungen am Stadtrand entgegenzuwirken. Brachen sind Flächenreserven für die Stadtentwicklung,
welche eine Alternative zur Neuinanspruchnahme bisher unversiegelter Flächen
darstellen, die beispielsweise der Landwirtschaft dienen. Durch eine bauliche
Entwicklung auf innerstädtischen Brachen kann die Flächeninanspruchnahme
im suburbanen und ländlichen Raum reduziert werden, so dass wertvolle Böden
geschützt und deren Funktionen dauerhaft gesichert werden können. Gleichzeitig bieten Brachen aber auch Potenziale als zukünftige Freiräume, die es auch bei
der Innenentwicklung zu erhalten gilt.
Neu- oder Nachnutzungen folgen damit der Strategie der „doppelten Innenentwicklung“. Das bedeutet, dass die Entwicklung ehemaliger Brachflächen mit
dem Ziel der baulichen Nachverdichtung auf der einen Seite mit unterschiedlich
gestalteten Freiraumkategorien bis hin zu akzeptierter Stadtnatur gekoppelt
wird. Nur in dieser Kombination aus baulicher und Freiraumentwicklung kann
Nachverdichtung erfolgreich sein und eine innerstädtische Lebensqualität erhalten und etabliert werden, welche die Stadt als Wohn- und Arbeitsort attraktiv
macht.
Foto Seite 88:
Der Kran auf dem
„Jahrtausendfeld“
in Plagwitz zeigt an,
dass für einen Teil
dieser Brache eine
bauliche Nutzung
ansteht.
Stadtentwicklung In städtebaulicher Hinsicht bergen Brachen das Potenzial für Entwicklungen jeglicher Art. Sie sind der Flächenpool Leipzigs, um der
Stadtentwicklung – sowohl für zukünftige Wohn- und Gewerbestandorte, aber
eben auch für die Freiraumentwicklung – nach innen Raum zu geben. Im Jahr
2015 wurde durch die Stadtverwaltung im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (INSEK) ein Fachteil
Brachen erarbeitet, welcher diese Potenziale aufgreift und die Revitalisierung
besonders raumwirksamer Brachflächen in exponierten Lagen forcieren soll.
Auch als Kompensationsflächen sind Brachen ein Potenzial für die Stadtentwicklung (siehe Kap. Kompensationsflächenmanagement). Auf ihnen können bauliche
Eingriffe in der Stadt oder direkt in dem vom Eingriff betroffenen Quartier kompensiert werden. Die Kompensationsmaßnahmen wiederum tragen nicht nur
89
Brachflächen
Brachflächen
IKOBRA - Brachflächenkataster
Brachflächen
IKOBRA
- Brachflächenkataster
Stand 20.1.2015
IKOBRA
- Brachflächenkataster
Brachflächen
Stand 20.1.2015
Brache
Brache
Stand
20.1.2015
Brache
IKOBRA - Brachflächenkataster
Revitalisierung
Brache
Revitalisierung
Revitalisierung
Stand 20.1.2015
Bautätigkeit
Revitalisierung
BautätigkeitBrache
Bautätigkeit
Bautätigkeit
Revitalisierung
Bautätigkeit
Stadtplanungsamt
StadtplanungsamtLeipzig,
Leipzig
SG
LandschaftsundGrünordnungsplanung
GrünLandschaftsund
Stadtplanungsamt
Leipzig
ordnungsplanung:
Landschaftsund Grünordnungsplanung
Stadtplanungsamt
Leipzig
Maßstab: 1:85.000
Stadtplanungsamt
Leipzig
Landschaftsund
Grünordnungsplanung
Brachflächen
im
Stadtgebiet
Landschaftsund Grünordnungsplanung
Maßstab: 1:85.000
Leipzig.
Maßstab: 1:85.000
Maßstab: 1:85.000
90
dazu bei, die durch Eingriffe gestörte Natur und Landschaft wiederherzustellen.
Gleichzeitig leisten sie Beiträge zur Verbesserung der Funktionen des Naturhaushaltes, zur Aufwertung der Quartiere sowie zur Biotopvernetzung im Stadtgebiet. Die Entwicklung von Brachen als Kompensationsflächen wird in Kooperation
mit den Umlandgemeinden im Grünen Ring Leipzig auch interkommunal vorangetrieben (siehe Kap. Interkommunale.Kooperation).
nung für Besucher und Veranstaltungen übernehmen sie wichtige Aufgaben im
Sinne der sozialen Integration und Kultur. Sie dienen der Selbstversorgung mit
zumeist biologisch angebauten Lebensmitteln, übernehmen aber auch bedeutende soziale Funktionen dadurch, dass hier das gemeinschaftliche Gärtnern im
Vordergrund steht. Zwischennutzungen bereiten langfristige Nutzungen durch
Interimslösungen vor und werten Stadtquartiere auf.
In der Öffentlichkeit werden Brachen zum Teil aber auch als störende Elemente
im Quartier und als Zeichen städtebaulicher Defizite wahrgenommen. Das städtische Ziel besteht daher vielerorts darin, den Brachen durch eine – zumeist extensive – Gestaltung eine positive Ausstrahlung zu geben. Allerdings befinden sich
80 Prozent der Brachflächen in Privateigentum.
Zahlen und Fakten Das Mosaik der Brachflächen ist über das gesamte
Stadtgebiet von Leipzig verteilt, wobei bestimmte Ortsteile besonders hohe
Anteile aufweisen. Besonders viele Brachen gibt es im Leipziger Osten sowie
im Südwesten, also in den ehemals stark von industrieller Nutzung geprägten
Quartieren.
Zwischennutzungen Brachen sind nicht nur ruhendes Potenzial. Sie stehen
zudem für vielfältige Nutzungsmöglichkeiten und Gestaltungsspielräume in der
Stadt: Sie sind Freiräume im doppelten Wortsinn. Sie werden daher von Teilen
der Bevölkerung für kreative Nutzungen nachgefragt. Die Zwischennutzungen
tragen zur Bereicherung der Stadt bei, machen sie interessant und im besten
Sinne urban. Brachen stehen für die Tatsache, dass in Leipzig im Unterschied zu
vielen anderen deutschen Städten nicht jeder Quadratmeter fest mit Funktionen
und Restriktionen belegt ist, sondern noch Raum für kreative Lösungen und Nutzungen besteht. Der aktuell zu verzeichnende Zuzug gerade von jungen Leuten
ist zweifellos auch in diesen Handlungsspielräumen begründet.
Mit Stand vom 2. Oktober 2015 werden im Brachflächenkataster der Stadt Leipzig, welches gleichzeitig Bestandteil des interkommunalen Kompensationsflächenkatasters IKOBRA ist, 3.903 brachliegende Flurstücke geführt. Die Brachen
Leipzigs nehmen eine Fläche von ca. 1.050 Hektar ein, was 3,54 Prozent der
Stadtfläche entspricht. Die Fläche der Brachen gleicht damit aktuell annähernd
Rund 170 Brachflächen in Leipzig sind aktuell von Zwischennutzungen belegt.
Gemeinschaftliche Formen des Gartenbaus und der Landwirtschaft sind in der
Stadt auf dem Vormarsch. Als Initiativen von unten entstanden, existieren zahlreiche Projekte des Urban Gardening in verschiedenen Stadtgebieten (vgl. Kap.
Gemeinschaftsgärten).
Zwischennutzung spielt eine aktive Rolle als Interimsbegrünung von Baugrundstücken, die in absehbarer Zeit keine Bebauung erwarten lassen. Sie stellt damit
eine Möglichkeit dar, um flexibel auf aktuelle Entwicklungen auch im Freiraumsystem zu reagieren. Als „grünes Instrument“ des Stadtumbaus beschäftigt
sie die Leipziger Stadtplanung seit Jahren und ist in strategischen Konzepten
enthalten.
Den Grundstückseigentümern kommt die Stadt dabei im Rahmen von Gestattungsverträgen mit einem Erlass der Grundsteuerbeträge entgegen. Gruppen
von Bewohnerinnen und Bewohnern aus dem Viertel nehmen die Brachflächen
in Anspruch, geben ihnen zeitweilige Gestalt und Funktion. Durch zeitweise Öff-
Brachen sind „wilde
Orte“ und damit nicht
zuletzt Refugien der
Stadtnatur.
91
jener, welche die gestalteten Parks, begrünten Stadtplätze und Grünanlagen insgesamt einnehmen!
Aktuell finden auf 61 Hektar dieser Flächen Baumaßnahmen statt. Damit schreitet die Reduzierung der Brachflächen weiter voran. Das Brachflächenkataster
enthält heute bereits 4.312 Flurstücke mit einer Fläche von ca. 658 Hektar, welche seit 1997 revitalisiert worden sind. Nach derzeitigem Datenstand wurden an
die 20 Prozent aller revitalisierten Brachflächen einer freiraumrelevanten, sprich
„grünen“ Nutzung zugeführt. Dies entspricht ca. 110 Hektar. Die anderen Revitalisierungsarten sind dem „grauen“ Bereich, sprich einer erneuten baulichen Nutzung zuzuordnen.
Mit der positiven Bevölkerungsentwicklung der Stadt Leipzig durch Zuzug und
eine hohe Geburtenrate hat das Management der Brachflächen weiter an Bedeutung gewonnen. Nach den Jahren der „schrumpfenden Stadt“ ist seit 2012 wieder
eine deutlich erhöhte Nachfrage nach Bauflächen zur Schaffung von privatem
Wohneigentum zu verzeichnen. So sind spätestens seit 2013 verstärkte Nutzungskonkurrenzen bei Brachflächen zu beobachten.
War Mitte bis Ende der 1990er Jahre unter den privaten Eigentümern noch viel
eher die Bereitschaft vorhanden, Flächen für Zwischennutzungen zur Verfügung
zu stellen, so sehen sich diese mittlerweile einem starken Investitionsdruck
durch die Immobilienbranche ausgesetzt. Insbesondere alternative Nutzungen
können den monetären Erwartungen der Eigentümer oft nicht mehr gerecht werden. Dies führt dazu, dass Brachflächen zwar noch vorhanden sind, sich soziale
Initiativen, Gemeinschaftsgärten und ähnliches immer schwerer realisieren lassen. Verdrängungsprozesse werden in einigen Quartieren bereits sichtbar. Dies
ist unter anderem an der unterschiedlichen Anzahl bereits revitalisierter ehemaliger Brachflächen in den einzelnen Ortsteilen ablesbar.
Grundsätzlich ist das Bestreben der Stadtverwaltung darauf ausgerichtet, Gentrifizierungs- und Segregationsprozesse durch Aufwertungen des öffentlichen
Raumes, insbesondere in benachteiligten Quartieren, abzumildern. Hierfür können vorhandene Brachflächen eine wesentliche Rolle spielen.
92
Die Begrünungen in
der Wurzner Straße
unter den Titeln „Lichter Hain“ (oben) und
„Dunkler Wald“ (unten)
waren Versuche, im
Zuge der schrumpfenden Stadt Lücken zu
schließen.
Leipzig im Jahr 2030
Die verstärkte Revitalisierung von Brachflächen in der Stadt Leipzig hat erfolgreich dazu beigetragen, das Ziel des Freistaates Sachsen zur Reduzierung der
täglichen Flächeninanspruchnahme zu erreichen. Damit konnten hochwertige
Böden vor Versiegelungen bewahrt werden und in ihrer naturnahen Ausprägung weiterhin positive Wirkungen für den Naturhaushalt entfalten.
Auf einem Großteil der ehemaligen Brachflächen ist im Sinne der doppelten
Innenentwicklung ein ausgewogenes Verhältnis an qualifizierten Nachnutzungen entstanden. Es wurden sowohl erneute bauliche Nutzungen als auch
unterschiedlich gestaltete Freiraumkategorien bis hin zu akzeptierter Stadtnatur (Stadtwildnis) etabliert.
Die Verbindung von Wohn- und Freizeitfunktionen, welche durch die Reaktivierung von Flächenpotenzialen ehemaliger Brachen erreicht wurde, hat zu
einer erheblichen Steigerung der Lebensqualität für die Einwohner der Stadt
Leipzig geführt.
Durch die Renaturierung von versiegelten Brachflächen wurden Klimakomfortinseln geschaffen, die in besonders überhitzten klimatischen Bereichen
die Entstehung von Kaltluftzonen unterstützt und somit eine qualitative Verbesserung des Stadtklimas bewirkt haben.
Im Amt für Stadtgrün und Gewässer wurde auf Grundlage eines qualifizierten
Brachflächenentwicklungskonzeptes ein entsprechendes interkommunales
Brachflächenmanagement als Basis für die strategische Entwicklung der Flächen etabliert. Es wird von der Stadtverwaltung übergreifend eingesetzt und
sowohl von Eigentümern als auch zukünftigen Nutzern nachgefragt.
Die Entwicklung eines Teiles der Brachflächen als Rückzugsraum für wilde
Stadtnatur ermöglicht das spontane individuelle Entdecken und Erleben der
Natur im Wohnumfeld. Durch Öffentlichkeitsarbeit wurde die Akzeptanz von
„Stadtwildnis“ und einer dynamischen und weitgehend ungesteuerten Naturentwicklung auf einem Teil der Flächen gestärkt.
Auf einzelnen Brachflächen entstanden Naturerfahrungsräume. Auf den
naturbelassenen Freiflächen können Kinder aktiv werden, selbstbestimmt
spielen und Entdeckungen machen.
Brachfläche mit Begrünung durch eine
Staudenmischung in
Plagwitz.
93
94
Landwirtschaft und
Gartenbau
Die Biomasseproduktion zur Energiegewinnung hat auf den Leipziger Landwirtschaftsflächen in der jüngeren Vergangenheit zu vergleichsweise geringen Veränderungen geführt. Die Nahrungsmittelproduktion steht hier weiterhin eindeutig im Vordergrund. Vor allem Betriebe der Tier- und Milchproduktion mit
entsprechendem Gülleaufkommen haben ihre Kreislaufwirtschaft im Sinne der
Düngemittelverordnung auf die energetische Nutzung der anfallenden Biomasse
(Biogasanlagen) umgestellt und speisen auch Pflanzenproduktionsreste in diese
Anlagen ein.
In der öffentlichen Wahrnehmung ist die Tatsache wenig verankert, dass es in
Leipzig beträchtliche Landwirtschaftsflächen gibt. Mehr als ein Drittel - rund 35
Prozent - des Stadtgebietes werden landwirtschaftlich genutzt; dies sind rund
10.300 Hektar. Die administrative Verwaltung dieser Flächen erfolgt durch das
Liegenschaftsamt der Stadt.
Die Landwirtschaftsflächen sind auch in historischer Hinsicht typische Kulturlandschaftselemente der Leipziger Tieflandsbucht. Die Bodenfruchtbarkeit ist
relativ hoch. Aus diesem Grund sowie infolge der Industrialisierung und Ent
privatisierung der Landwirtschaft seit Mitte des 20. Jahrhunderts gibt es große,
zusammenhängende Schläge, denen es häufig an gliedernden Feldgehölzen,
Waldclustern, extensiven Ackerrandstreifen, Hecken und großen Einzelbäumen
zur Aufwertung ihres Landschaftsbildes und zur Verbesserung der klimatischen
Eigenschaften mangelt. So sind Erosionserscheinungen durch Wind zu verzeichnen. Meliorationsmaßnahmen haben recht homogene Standortbedingungen
herbeigeführt. Aktuell verlieren diese wegen mangelnder Instandhaltung in einigen Bereichen mehr und mehr ihre Wirksamkeit, was wiederum zu zunehmender
Vernässung führt. Die Landwirtschaftsflächen werden nach den Prinzipien der
guten fachlichen Praxis bewirtschaftet.
Landwirtschaft hat für die Stadt nicht nur als Wirtschaftszweig Bedeutung.
Sie spielt als Bewirtschafter auch für die Landschaftspflege, das heißt für die
Pflege und Entwicklung der urban geprägten Landschaft und noch vorhandener
Bestandteile der historischen Kulturlandschaft, eine wichtige Rolle. Die großflächigen, agrarisch geprägten Offenlandschaften konzentrieren sich in Leipzig vor
allem im Südwesten sowie im Norden und Nordosten der Stadt.
LEIPZIG HEUTE
Gegenwärtig haben 41 Landwirtschaftsbetriebe ihren Sitz in Leipzig. Die Größe
und Struktur dieser Betriebe ist auch in der Landschaft ablesbar. Aufgrund ihrer
Betriebsstruktur sind die einzelnen Landbewirtschafter in unterschiedlicher
Weise in der Lage, mit zunehmenden Nutzungskonkurrenzen umzugehen. Deshalb ist die Kenntnis dieser Strukturen von großer Bedeutung.
Entsprechend dem bundesweiten Trend herrscht seit 1990 auch in Leipzig ein
hoher Umnutzungsdruck auf landwirtschaftliche Flächen. Bebauung und Versiegelung haben im Zuge von Großprojekten die Leipziger Landwirtschaftsflächen reduziert (Weidenweg, Neue Messe, Paunsdorf-Center und andere). Andere
haben Kompensationsmaßnahmen neu entstandener Gewerbegebiete aufnehmen müssen. Der prozentuale Anteil der Landwirtschaft im Stadtgebiet ist
daher im Rückgang begriffen. Die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme für
Siedlungs- und Verkehrszwecke und der Vorrang der Innenentwicklung des Siedlungsraumes dient damit vor allem auch dem Erhalt von landwirtschaftlichen
Produktionsflächen und der Sicherung entsprechender Flächenpotenziale.
31 Betriebe mit jeweils unter 100 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche
bewirtschaften im Leipziger Stadtgebiet insgesamt rund 690 Hektar. Unter ihnen
sind 16 Kleinbetriebe, die unter 10 Hektar nutzen. Sieben Betriebe wirtschaften in
einer Größenordnung zwischen 100 und 1.000 Hektar auf insgesamt 2.700 Hektar.
Drei Betriebe arbeiten schließlich auf jeweils über 1.000 Hektar landwirtschaftlich
genutzter Fläche und bewirtschaften zusammen 6.092 Hektar. Die Struktur der
in Leipzig ansässigen Landwirtschaftsbetriebe ist also recht differenziert.
Ackerland, auf dem vorwiegend Weizen, Mais, Gerste, Raps und Zuckerrüben
angebaut werden, bildet mit 87 Prozent der Landwirtschafsflächen deren Hauptnutzung. Dauergrünland (Wiesen und Weiden) nimmt hingegen 13 Prozent der
genutzten Flächen ein. Die Tierhaltung bewegt sich auf einem stabilen Niveau
und wird in Leipzig von der Rinderhaltung dominiert.
Foto Seite 94:
Große Schläge, im Bild
ein Feld in LeipzigProbstheida, dominieren die Landwirtschaftsflächen der
Stadt.
Dass es im Umfeld einer wachsenden Großstadt trotz dieser grundsätzlichen Zielrichtung immer wieder zur Inanspruchnahme von landwirtschaftlich genutzten
Flächen kommen kann, ist dabei allen Akteuren bewusst. Um in diesen Fällen,
wo es unvermeidbar ist, dass landwirtschaftlich genutzte Flächen anderen Nutzungsansprüchen weichen müssen, eine für die betroffenen Betriebe möglichst
verträgliche Lösung zu finden, hat sich in den letzten Jahren eine frühzeitige
95
Andererseits sind Landwirtschaft und Gartenbau in der Stadt auch als produzierende Wirtschaftszweige und als Unternehmen von Bedeutung, die der Sicherung von Arbeitsplätzen dienen. In diesem Sinne kommen der Landwirtschaft
und dem Gartenbau unter Beachtung des Naturhaushaltes die Aufgaben zu,
nachhaltig zur Versorgung der Bevölkerung mit gesunden Nahrungsmitteln, zur
Wirtschaft mit Rohstoffen, zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen wie
auch zur Gewinnung von erneuerbaren Energien sowie zur Kulturlandschaftspflege und Erholungsvorsorge beizutragen.
Beteiligung der betroffenen Akteure etabliert. Dieser Ansatz und die darauf aufbauende Kooperation, auch für die verbleibenden Flächen eine Struktur gemeinsam zu entwickeln, die den Anforderungen der landwirtschaftlichen Bewirtschafter gerecht wird, sind bewährte Instrumente geworden.
Weiterhin hat sich von kommunaler Seite ein strategisches Flächenmanagement
zur Lösung derartiger Probleme als entscheidend erwiesen, um Spielräume auf
Flächen im kommunalen Eigentum (strategischer Flächenerwerb) entwickeln zu
können.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist zudem die Kooperation auf regionaler
Ebene. Die Flächenstruktur der Betriebe ist nicht an kommunalen Gebietsgrenzen orientiert; zudem ist nur auf diesem Wege Flächenkonkurrenzen anderer
Anforderungen zu begegnen. Hier ist insbesondere das interkommunale Kompensationsflächenmanagement von großer Bedeutung. Außerdem bietet die
Struktur im Grünen Ring Leipzig mit der AG Landwirtschaft für die Belange der
Landwirtschaft eine wichtige Kommunkations- und Kooperationsplattform.
Wie überall in Großstädten und deren Umfeld ist im Kontext dieses Themas auch
die Entwicklung des Reitsportes sowie die Nutzung von Grünlandflächen zur
Pferdehaltung von Bedeutung. Reiterhöfe haben sich auch in Leipzig aus vormals
landwirtschaftlichen Standorten (Stadtgütern und Hoflagen) entwickelt und sind
in Bezug auf den Pferdebesatz der Flächen auch weiterhin an die (Förder-) Richtlinien des Agrarsektors gebunden. Als Pächter kommunaler Flächen unterliegen
sie denselben Rechten und Pflichten wie die entsprechenden Landwirtschaftsbetriebe. Konfliktpotenzial besteht dabei weniger auf den Weide- und Wiesenflächen selbst, als vielmehr mit der eigentlichen Freizeitnutzung der umgebenden
Landschaft für den Reitsport, da hier häufig landschaftlich attraktive Bereiche
aufgesucht werden, die auch für den Naturschutz oder andere Erholungssuchende von Bedeutung sind.
Funktionen
Die Landwirtschafts- und Gartenbauflächen prägen die Lebens- und Umweltqualität der Stadt entscheidend mit. Mit ihrer Infrastruktur sowie ihrem ästhetischen
und ökologischen Potenzial dienen auch die landwirtschaftlich und gartenbaulich
genutzen Landschaftsräume in Leipzig vielen Menschen als Erholungsraum. So
werden die Wege entlang der Wiesen und Felder zum Wandern, Radfahren und
Joggen genutzt; die Menschen genießen die Weite der offenen Landschaft im
Kontrast zur urbanen Dichte. Die Landwirtschaft sowie der Obst- und Gemüseanbau haben einen Anteil am Image eines lebendig grünen Leipzig.
96
Flächen des Gartenbaus, im Bild eine
gemeinschaftlich betriebene Nutzfläche in
Stüntz, können bereits
durch ihr vielfältiges
Erscheinungsbild zur
Aufwertung der Stadt
beitragen.
Im Rahmen dieser Aufgaben sind die Landwirte wichtige Partner, um die Kulturlandschaft zu erhalten und zu entwickeln. Vor allem die Beweidung hat für die
Bewahrung der Kulturlandschaft, historischer Landschaftsstrukturen und -bilder,
aber auch für die naturschutzorientierte Bewirtschaftung großflächiger Kompensationsmaßnahmen eine hohe Bedeutung. Im Grünen Bogen Paunsdorf, rund
um die Standorte der Autoindustrie im Leipziger Norden und Nordosten oder im
Landschaftspark um den Cospudener See finden sich solche Beispiele. Nur mit
dieser Kooperation und einer angemessenen Honorierung gelingt es, die hier prägenden Offenlandbiotope zu erhalten, historische Waldnutzungsformen (Hutewald) zu reaktivieren oder die Beweidung von Deichanlagen sicher zu stellen.
Darüber hinaus werden auch weitere, teilweise kommunale Aufgaben von den
Landwirten mit übernommen, so bei der Instandhaltung der Wege und Pflege
der Flurgehölze.
Landwirtschaftsflächen dienen insbesondere dort, wo sie über ausreichende
Feldgehölze und Randstreifen verfügen, dem Arten- und Biotopschutz. Weitere
wichtige Funktionen sind der Bodenschutz, der Wasser- bzw. Grundwasserschutz
sowie der Klimaschutz. So sind die offenen Landschaftsräume jene Gebiete, an
denen Kaltluft entsteht, die dem Siedlungsraum zuströmen kann.
LEIPZIG 2030
Landwirtschaft und Gartenbau sind für eine funktionierende und lebenswerte
Stadt und ihre Bewohner auch in Zukunft unverzichtbar. Sie erhöhen die
Lebensqualität, tragen zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen bei.
Ihr Anteil an der Versorgung der Stadt durch regionale Produkte wächst, befördert durch ein etabliertes Netzwerk „Landwirtschaft und Ernährung“ und den
Ausbau der ökologisch orientierten Landwirtschaft im Stadtgebiet.
Durch intensive Kommunikation, Kooperation und frühzeitige Einbindung der
Unternehmen in struktur- und raumrelevante Planungs- und Entwicklungsentscheidungen ist es gelungen, die Agrarstruktur zu sichern und entsprechend der aktuellen Anforderungen zu entwickeln.
Die Konzentration auf eine bauliche Innenentwicklung, qualifiziert durch
eine entsprechende Freiraumentwicklung („Doppelte Innenentwicklung“),
hat dazu beigetragen, die Flächeninanspruchnahme von Landwirtschaftsflächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke sowie für entsprechende, hinzukommende Kompensationsflächen deutlich zu verringern.
Grundlegende Ziele zum Erhalt und zur Entwicklung, wie die weitgehende
Erhaltung von Offenlandbereichen, Strukturanreicherungen und der Schutz
vor Zersiedelung sind im Landschaftsplan der Stadt Leipzig verankert. Landschaftsplanung, agrarstrukturelle Entwicklungsplanung und auch die Erholungsplanung der Stadt Leipzig greifen heute eng ineinander. Auch auf Projektebene werden diese Belange miteinander betrachtet und weisen vielfältige
Synergien auf.
Im Sinne dieser Synergien ist es einerseits gelungen, an vielen Stellen linienhafte Landschaftsstrukturen und gliedernde Pflanzungen zu reaktivieren,
die nicht nur die Erlebnisqualität der landwirtschaftlich geprägten Freiräume,
sondern auf den Nutzflächen auch die Bodenfruchtbarkeit erhöhen. Andererseits konnten auch bei der Sicherung und Entwicklung eines funktionsfähigen
Wegesystems im Zusammenspiel von Erholungsnutzung und Landwirtschaft
Fortschritte erzielt werden.
Die Erhaltung, Pflege und Entwicklung der Kulturlandschaft gelingt nur in
Kooperation mit der Landwirtschaft. Es ist gelungen, die Bedeutung, Wertschätzung und auch Honorierung des Beitrages der Landwirtschaft für eine
attraktive und lebenswerte Stadtlandschaft zu erhöhen. Zusätzlich konnten neue „Standbeine“ bzw. Wertschöpfungsketten für die Bewirtschafter
der historischen wie auch der neuartigen Kulturlandschaft (Bergbaufolgeund moderne Industrielandschaft) etabliert werden - so zum Beispiel im
Freizeit-, Erholungs- und Tourismussektor oder im Bereich der Umwelt- und
Gesundheitsbildung.
Es ist gelungen, europäische Fördermöglichkeiten stärker zu nutzen, um
auch die Landschaftspflegeleistungen, welche landwirtschaftliche Betriebe
im Stadtgebiet erbringen, nachhaltig zu sichern. Die stärkere Ausrichtung der
Agrarförderung auf nachhaltige und ökologische Flächenelemente (Feldgehölze, Dauergrünland, Blühstreifen und andere) hat das Erscheinungsbild der
großflächigen, intensiven Landwirtschaft verändert.
Es werden extensive parkartige Strukturen („Landwirtschaftsparks“) am
Stadtrand entwickelt, welche Waldgebiete, Streuobstbestände und Landwirtschaftsflächen als Bestandteile des städtischen Freiraum- und Biotopverbundsystems einbeziehen.
Durch ein strategisches, planerisch untersetztes Flächenmanagement ist es
gelungen, einen Pool auch für zukünftige Landwirtschafts- und Gartenbauflächen vorzuhalten. Dabei konnten der regionale Ansatz und die entsprechenden Stadt-Umland-Beziehungen, gestützt auf die Strukturen des Grünen Ringes Leipzig, weiter ausgebaut werden. Wichtigster Anlass dafür ist die
anhaltende Nachfrage nach unbelasteten Böden für die gartenbauliche und
landwirtschaftliche Nutzung, sowie die weiterhin steigende Nachfrage nach
regionalen und den Kriterien des ökologischen Landbaus genügenden Flächen.
97
98
zweiTER TEIL: Übergreifende Handlungsfelder
99
Stadtgrün und Gewässer
für die Menschen:
SozioKulturelle Aspekte
100
In Leipzig heißt es: Willkommen in unseren Grünanlagen und auf unseren Gewässern! Die herzliche Einladung ist Programm, die Funktionen unseres Stadtgrüns
und der Gewässer sind in erster Linie sozialer Natur.
Das Stadtgrün bietet den Menschen
Orte der Ruhe und
Entspannung.
Die vielfältigen Nutzungen als Ort der Kommunikation und als Treffpunkt, als
Stätte der ruhigen, passiven Erholung wie auch der aktiveren Nutzungsformen,
so des Freizeit-, Breiten- und Leistungssportes und des Spieles wie auch die
grundsätzliche Eigenart der Freiräume, für jeden jederzeit und frei zugänglich zu
sein – diese und viele weitere Funktionen machen das Stadtgrün und die Gewässer zu überaus bedeutenden Elementen der sozialen Versorgung. Durch ihr Vorhandensein im unmittelbaren Wohnumfeld erlangen Grünräume und Gewässer
auch unter gesundheitlichen Aspekten Bedeutung.
Darüber hinaus sind die Freiräume samt der Gewässer in ihren vielfältigen Formen Orte der Kultur. Gemeint sind hier zunächst die Arten der kulturellen Nutzung, etwa durch Veranstaltungen. Ferner ist von den Formen des Zusammenlebens bis hin zu den Herausforderungen die Rede, welche die Inklusion an die
öffentlichen Räume stellt. Fragen der Sicherheit und Ordnung sind ebenso als
soziokulturelle Aspekte zu begreifen wie schließlich die Planungs- und Baukultur:
Wie stellt sich die Gesellschaft mit ihren Formvorstellungen und Nutzungsansprüchen in den landschaftsarchitektonisch geformten Räumen dar? Diese Frage
interessiert sowohl hinsichtlich der neuen oder umzugestaltenden Freiräume als
auch im Hinblick auf den Umgang mit denkmalgeschützten Anlagen.
Das Stadtgrün ist Ort der
Begegnung und Kommunikation.
Passive Erholung
Foto Seite 100:
Es gibt zahllose Formen
der passiven wie auch
der aktiven Erholung im
Stadtgrün und auf den
Gewässern.
Die Menschen finden sowohl in ruhigen als auch in aktiven, bewegungsbetonten
Formen im öffentlichen Freiraum Erholung. „Passive Erholung“ meint jene sanften Nutzungsformen, von denen keine Störungen für andere Erholungssuchende
ausgehen und die selbst die Ruhe und natürlich geprägte Umgebung suchen.
Passive Erholung spielt nach wie vor, trotz der Zunahme und Vielseitigkeit aktiver Nutzungsformen, eine zentrale Rolle unter den Funktionen des Stadtgrüns
und der Gewässer! Viele Menschen erwarten von den grünen und blauen Freiräumen insbesondere, dass sie in ihnen Ruhe, naturnahe Eindrücke und Entspannung finden. Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Dynamik im Leben
vieler Menschen unserer Gesellschaft, von Erscheinungen wie Stress und psychischen Belastungen kommt der passiven Erholung im Grünen oder an und auf den
Gewässern besondere, kaum auf anderem Wege kompensierbare Bedeutung zu.
101
Das Angeln ist ebenfalls
zu den passiveren Erholungsformen zu zählen.
Passive Erholung beinhaltet den ruhigen, von geringer Aktivität geprägten Aufenthalt im Freien. Wenn Menschen spazieren gehen, gemächlich radeln oder mit
dem Boot fahren, geben sie sich der passiven Erholung hin. Sie halten stehend
inne, sitzen auf Bänken oder lagern auf dem Rasen. Sie nehmen ihre Umgebung,
die vorwiegend von Vegetation und der in ihr lebenden Tierwelt geprägt ist, mit
allen Sinnen wahr: Sie lauschen den Vogelstimmen und dem Rauschen des Windes, sie riechen die Blüten und Aromen der Blätter, sie schmecken Früchte der
Natur und erfahren die Vielgestalt ihrer Umgebung. Die städtischen Freiräume
sind damit auch wichtige Orte der Umweltbildung. Darüber hinaus genießen die
Bürgerinnen und Bürger die frische Luft und die Abkühlung, welche die Pflanzen
und Gewässer an heißen Tagen erzeugen. Sie nehmen Wettereinflüsse und den
Wandel der Jahreszeiten auf.
Für diese Art der Erholung bieten grüne und blaue Freiräume ein einzigartiges,
durch nichts zu ersetzendes Potenzial. Ansonsten sind derartige Erfahrungen
erst außerhalb der Stadt, in den landschaftlich geprägten Räumen des Umlandes, wieder möglich. Die städtischen Freiräume sind daher eine unverzichtbare
Grundlage für die Gesundheit und die Rekreation der Bevölkerung und diesbezüglich auch von hoher wirtschaftlicher Bedeutung.
Gesundheit Die städtischen Freiräume wirken sich in vielerlei Hinsicht positiv auf die Gesundheit aus. Das Stadtgrün und die Gewässer leisten nicht nur
durch die beschriebenen Möglichkeiten zur ruhigen Erholung wie zur aktiven,
oft sportlichen Betätigung einen Beitrag zur Gesundheitsförderung (siehe Kap.
102
Aktive Erholung). Sie tragen darüber hinaus in der Stadt auch durch Staubfilterung und -bindung sowie kleinklimatische Effekte zu gesunden Umwelt- und
Lebensbedingungen bei. Dieser Aspekt ist in der Geschichte des Städtebaues
eine entscheidende Motivation gewesen, die Entwicklung öffentlicher Grünflächen voranzutreiben. Insbesondere im Zuge der Industrialisierung mit der einhergehenden Urbanisierung seit der Gründerzeit wurden mit Fokus auf die sozialen und gesundheitlichen Funktionen von Grün- und Freiräumen bahnbrechende
Konzepte für die Stadtentwicklung erarbeitet und umgesetzt. Es entstanden
Grüngürtel, Stadtplätze, Parks und Gärten in den Quartieren. Unter dem Stichwort „Hygiene“ rückten sanitäre und funktionale Aspekte des Stadtgrüns und
der Gewässer in den Vordergrund. Auch die Errichtung von Gartenstädten, die
Schaffung der großflächigen Volksparks mit Spiel- und Sportanlagen sowie
Kleingartenanlagen geschah im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert unter der
Motivation, den ungesunden Lebensverhältnissen vor allem der Arbeiter entgegen zu wirken.
Heute stehen die Themen Gesundheit, gesunde Lebenbedingungen und Gesundheitsförderung wieder im Fokus der Gesellschaft, insbesondere der städtischen
Bevölkerung. Sie sind wichtige Aspekte der Stadt- und Freiraumentwicklung,
auch unter den Vorzeichen des Klimawandels. Aus diesem Grund hat sich das
Amt für Stadtgrün und Gewässer aktiv diesen Themen gewidmet und am Forschungs- und Entwicklungsvorhaben „Grün, natürlich, gesund: Die Potenziale
multifunktionaler städtischer Räume“ mitgearbeitet und ist intensiv in die Arbeiten zur „gesundheitsförderlichen Umwelt“ in Leipzig im Rahmen des GesundeStädte-Netzwerkes eingebunden.
Lärmimmissionen Ruhe und Abschirmung vor Lärm, der etwa von den Verkehrswegen, aber auch von aktiven Erholungsformen ausgehen kann, ist dabei
eine entscheidende Voraussetzung für passive Erholung. Neben raumbildenden
und lärmschützenden Maßnahmen ist dazu in vielen Fällen eine ausreichende
Flächengröße vonnöten. In Leipzig sind daher vor allem der Wald, die Gewässer
und die Erholungsgebiete, die großen Parks, Friedhöfe und Kleingartenanlagen
jene Orte, die zur passiven Erholung am besten geeignet sind. Hier haben die
sanften Erholungsformen einen Schwerpunkt.
Im Rahmen der Lärmaktionsplanung wurden vom Amt für Umweltschutz ruhige
Gebiete in unterschiedlichen Kategorien identifiziert. Sofern es sich um größere
Parkanlagen handelt, in denen der Nutzungsdruck durch Erholungssuchende und
Sporttreibende zu Lärmentwicklungen führt, ist die Schaffung von Ruhezonen
eine sinnvolle Maßnahme, die auch der Lärmaktionsplan herausgearbeitet hat.
Leipzig im Jahr 2030
Städtische Freiräume sind Orte der passiven Erholung geblieben. Ausgedehnte
ruhige Gebiete wurden konsequent erhalten, Ruheräume und –inseln wurden
gezielt geschützt und ergänzt.
Damit die Menschen auch in den wohnungsnahen Freiräumen Ruhe und Entspannung finden, wurde auch im kleinen Maßstab der Schaffung von Rückzugsbereichen Sorge getragen. Diese Elemente des Stadtgrüns haben vor
allem für Menschen besondere Bedeutung, die weniger mobil sind. Der Barrierefreiheit für diese Art der Nutzung in Wohnungsnähe wurde daher besonderes Augenmerk gewidmet.
Durch die Schaffung und Ausweisung von Ruhe- und Aktivzonen in den hoch
frequentierten Parks und Grünanlagen und durch die gezielte Lenkung von
Besucherströmen und Veranstaltungen in bestimmte Bereiche konnte auf
Grundlage einer entsprechenden Rahmenplanung das Konfliktpotenzial verringert werden.
Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit wurde für gegenseitige Rücksichtnahme
in den städtischen Freiräumen und auf den Gewässern geworben. Durch die
Kennzeichnung von sogenannten Fairnesszonen wurde vor Ort zur gegenseitigen Rücksichtnahme aufgefordert, wo sich konfliktträchtige Nutzungen räumlich nicht separieren lassen. Den Aspekten der Selbstbindung und
Selbstkontrolle bei der Einhaltung der geltenden Regeln wurde ein hoher Stellenwert gegeben. Wo dies nicht erfolgreich war, wurde unter Bezugnahme auf
die kommunizierten Regeln deren Einhaltung eingefordert, so durch die Erhöhung der Präsenz in den öffentlichen Anlagen.
Die ersten Sonnenstrahlen des Jahres locken
zahllose Menschen in
die Parks der Stadt, im
Bild die Lenné-Anlagen
des Promenadenringes.
103
Das Balancieren auf
Slacklines gehört zu den
neu aufgekommenen
Betätigungen, die nicht
ohne Risiko für die Vegetation sind.
Aktive Erholung - dies umfasst die überaus vielseitigen und sich immer weiter
entwickelnden Betätigungsformen im öffentlichen Freiraum. Eine Aufzählung
dieser aktiven Erholungsformen muss daher stets unvollständig bleiben. Die
häufigsten Aktivitäten sind aktuell:
Spazierengehen, Wandern
Joggen
Nordic Walking
Radfahren in verschiedensten Varianten
Inline-Skating, Rollerski, Rollstuhlsport
Boule, Vikingerschach
Ballsportarten (Fußball, Handball, Volleyball, Basketball und andere)
Aktive Erholung
Tischtennis, Federball, Frisbee
Dass die vielfältigen Elemente des Stadtgrüns und der Gewässer für die aktive
Erholung freigegeben und bestimmt sind, hat in Leipzig eine lange Tradition. So
besitzt die Stadt mit dem Mariannenpark ein bedeutendes Beispiel der Volksparkbewegung, die bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts die sozialen Aspekte des
Stadtgrüns hervorhob. Die Stadt ist dieser Tradition heute mehr denn je verpflichtet, da ihre Freiräume und Gewässer in hohem Maße der Betätigung der
Menschen im Freien dienen.
Yoga, Gymnastik, Meditation
Kraftsport, Fitness
Akrobatik, Jonglieren
Rodeln, Skilanglauf, Schlittschuhlauf
Balancieren (Slackline), Klettern
Rudern, Paddeln, Segeln, Surfen, Kiten
Baden, Schwimmen, Tauchen, Angeln.
Die aktiven Formen der Freiraumnutzung haben in den letzten Jahren in Leipzig
einen großen Aufschwung und Wandel erfahren. Dies ist eine Entwicklung, die
in vielen deutschen und europäischen Großstädten beobachtet wird. Nie wurden
städtische Freiräume und Gewässer derart intensiv als aktiver Erholungsraum
genutzt wie heute!
Auch das Schlittschuhlaufen ist eine der (selteneren) Betätigungen
im Park, hier: temporäre
Spritzeisbahn im erholungsgebiet DölitzDösen.
104
Dies ist eine positive Entwicklung, ist sie doch eine Folge der Renaissance des
urbanen öffentlichen Raumes. Zudem muss sie als Kompensation zur starken
Veränderung der Arbeits- und Lebenswelt im Zuge der Digitalisierung verstanden
werden. Die Menschen einschließlich der Kinder bringen mehr Zeit denn je vor
Bildschirmen zu. Hierzu finden sie einen willkommenen Ausgleich in den öffentlichen Freiräumen der Stadt.
Bevorzugt liegen diese Erholungsräume heute in der Nähe des Wohn- und
Arbeitsortes. Entgegen früheren städtebaulichen Trends der Funktionstrennung
besteht das Ziel heute darin, Wohnen, Arbeiten und Freizeit räumlich zu vereinen. Der Begriff der Naherholung gewinnt vor diesem Hintergrund neue Bedeutung – er bezeichnet das Ziel, dass die Menschen ihre Freizeit in oder in der Nähe
der Stadt verbringen, ohne dafür große Strecken überwinden zu müssen.
Abendliches Fußballmatch im Volkspark
Kleinzschocher.
Sportliche Aktivitäten Sport und Bewegung haben bei der Freiraumnutzung stark an Bedeutung gewonnen. Zugleich ist eine starke Differenzierung und
Spezialisierung der Betätigungen zu beobachten. Allein der Radverkehr hat zahlreiche Sonderformen hervorgebracht, die besondere Anforderungen an die Freiräume stellen. Montainbiker, Rennradfahrer oder Downhill-Sportler stellen spezielle Anforderungen an den öffentlichen Raum.
So haben sich die sportlichen Aktivitäten im öffentlichen Grün in den letzten
Jahren sehr dynamisch entwickelt und intensiviert. Sport wird in zunehmendem
Maße individuell oder in freien Gruppen in den öffentlichen Freiräumen getrieben.
Neben dem Freizeit- und Breitensport findet auch der Leistungssport in Leipzig
im öffentlichen Grün und auf den Gewässern ein gern genutztes Trainingsgebiet.
Rund zehn Prozent des Vereinssports finden schon heute im frei zugänglichen,
öffentlichen Raum statt.
In der Regel stellen diese Nutzungen kein Problem für die Anlagen dar. Auf einigen Flächen und bei kontinuierlicher Nutzung durch Mannschaftssportarten wie
Fußball ist die Nutzungsintensität allerdings mittlerweile so hoch, dass diese
Sportnutzungen deutliche Spuren hinterlassen. Die Flächen und deren Unterhaltung sind nicht auf derartige Dauerbelastungen ausgelegt, oder es kommt zu
Nutzungskonflikten zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen. Dies betrifft
auch die Gewässer, wo Konflikte der aktiven Erholungsformen zur Fahrgastschifffahrt, zum Leistungssport sowie zu Zielen des Naturschutzes zu verzeichnen sind. Einige Nutzergruppen haben selbst die Nachhaltigkeit Ihrer Aktivitäten
im öffentlichen Grün thematisiert und sich entsprechende Regeln auferlegt (z.B.
Charta des City Boot Camps). Sie beteiligten sich bereits aktiv an der Erhaltung
des von ihnen genutzten Grüns.
Die demographische Entwicklung mit immer mehr älteren Menschen in der
Gesellschaft hat ebenfalls veränderte Erholungsformen zur Folge. So sind sportliche Aktivitäten immer stärker mit Gesundheitsaspekten verknüpft. Bewegungs- und Betätigungsformen sind einem Wandel unterworfen, wie das Aufkommen des Nordic Walking gezeigt hat. Diese Funktionswandlungen haben
wiederum Auswirkungen auf das Stadtgrün und die Gewässer, auf deren Anlage
und Werterhaltung.
Dass es nicht nur um die sportliche Betätigung an sich, sondern zugleich um die
Aktivität in landschaftlich reizvoller Umgebung geht, ist im gegenwärtigen Trend
zum Wandern ablesbar. Dieser Trend hat keineswegs nur die älteren Generationen erfasst, sondern begeistert durchaus auch jüngere Menschen und führt die
Menschen weit bis in das Leipziger Umland.
Die gegenwärtigen Betätigungsformen im öffentlichen Freiraum sind stärker
erlebnisorientiert als früher. Die stillen Formen der passiven Erholung haben weiterhin ihre Daseinsberechtigung (siehe Kap. Passive Erholung). Das starke Bedürfnis danach ist vorhanden – vermehrt demgegenüber jedoch auch der Drang zum
Erlebnis. Der soziale Kontakt und die Kommunikation werden zur Party, das Picknick wird durch das Grillen ergänzt; das Wandern erhält durch Geo-Caching neue
Anreize. Auch diese Trends führen mitnunter zu Konflikten gegenüber dem Charakter der in Anspruch genommenen Flächen oder zwischen den Wünschen verschiedener Nutzergruppen.
Besondere Aufmerksamkeit muss daher der Vernetzung unterschiedlicher
Räume, Flächen und Angebote und damit dem Wegesystem gewidmet werden.
Gerade Sportarten wie Radfahren und Joggen sind darauf angewiesen. Aber auch
für platz- oder anlagengebundene Sportarten, für die unsere Grünanlagen zahlreiche Möglichkeiten bieten, ist die Vernetzung unter dem Aspekt der Erreich105
Parks sind die attraktivsten, führen sie doch durch eine grüne, erholsame Umgebung fernab des motorisierten Verkehrs, auch wenn ihre Wegeoberflächen noch
nicht überall hohen Anforderungen genügen.
barkeit von großer Bedeutung. Mit einer guten Verknüpfung und Anbindung an
die Quartiere steigt der Einzugsbereich dieser speziellen Angebote, die mitunter
nicht in jedem Stadtteil vorhanden sind. Gleichzeitig tragen Sport- und Freizeitangebote in Wohnungsnähe, die Grünanlagen und Bolzplätze vor der Haustür,
deutlich zur Entlastung der stark frequentierten Freiräume bei.
Für flächengebundene, das heißt auf bestimmte Plätze, Geräte oder Infrastruktur angewiesene Sportarten, kann das öffentliche Grün nur begrenzt Räume
zur Verfügung stellen. Die Integration dieser Angebote bedarf einer gezielten
Rahmenplanung.
Das Radfahren entlang
der Gewässer ist von besonderem Reiz, hier im
Richard-Wagner-Hain.
Gleichzeitig erlangen Radwege auch zunehmend touristische Bedeutung, sie
erschließen touristische Höhepunkte und landschaftliche Besonderheiten der
Stadt, aber auch der Region, verbinden damit umliegende Städte und Gemeinden und tragen so auch dazu bei, das Heimatgefühl und die Verbundenheit der
Bewohner der Region selbst zu stärken. Hier ist insbesondere auf die Bedeutung
des Wegesystems, aber auch die weit darüber hinaus gehende Kooperation der
Städte und Gemeinden in der Organisationsstruktur des Grünen Rings Leipzig
hinzuweisen. Das Leipziger Radwegenetz ist über den inneren und äußeren Ringradweg sowie radiale Verbindungen intensiv mit dem Umland verknüpft. Zudem
sind die Leipziger Radwege in regionale und überregionale Netze eingebunden.
(siehe Kap. Interkommunale Kooperation).
Der enorme Zuspruch birgt Konfliktpotenzial gegenüber anderen Erholungsund Fortbewegungsformen. Er verlangt allen Verkehrsteilnehmern Vorsicht und
gegenseitige Rücksichtnahme ab. In hochfrequentierten Bereichen sind planerische Antworten der Verkehrslenkung, der Separierung des Radfahr- und des
Fußgängerverkehrs sowie der Wegeverbreiterung notwendig.
Radverkehr
Das Fahrradfahren gewinnt in Leipzig eine immer größere
Bedeutung. Sein Anteil wird sich künftig weiter erhöhen. Im „Radverkehrsentwicklungsplan 2010 – 2020“ sind drei messbare Ziele zur Förderung des Radverkehrs festgelegt. So soll der Radverkehrsanteil an den täglichen Wegen der Menschen durchschnittlich von 14,4 Prozent (2008) auf 20 Prozent bis 2020 steigen.
Zudem soll die Verkehrssicherheit für Radfahrer verbessert und die Attraktivität
des Radverkehrssystems insgesamt gesteigert werden. Die Förderung des Radverkehrs ist ein wichtiger Bestandteil der integrierten Verkehrsplanung in Leipzig.
Die Radwege im öffentlichen Verkehrsraum haben sich seit dem Jahr 1990 von
74 Kilometer auf über 400 Kilometer mehr als vervierfacht. Darüber hinaus sind
die meisten der Leipziger Grünverbindungen für den Radverkehr freigegeben. Die
Fuß- und Radwege entlang der Flüsse, durch den Auwald und durch die größeren
106
Der Radverkehr auf den öffentlichen Wegen des Grünsystems führt zudem zu
erhöhtem Verschleiß und damit einem steigenden Pflege- und Unterhaltungsaufwand sowie zu verkürzten Intervallen der grundhaften Sanierung. Der Investitions- und der Unterhaltungsaufwand steigen. Im Besonderen betreffen dies die
weniger befestigten Oberflächen (sandgeschlämmte Schotterdecken, wassergebundene Decken oder unbefestigte Waldwege). Diese haben jedoch im Leipziger
Freiraumsystem weiterhin ihren festen Platz, da sie zum Charakter bestimmter
Anlagen und Landschaftsräume gehören und bei entsprechender Unterhaltung
gut nutzbar sind.
Leipzig im Jahr 2030
Die öffentlichen Räume in Leipzig stehen aktiven Erholungsnutzungen stets
frei und unentgeltlich zur Verfügung. Die städtische Freiraumpolitik stellt den
Bürgern und Gästen eine vielseitige und funktionsfähige grün-blaue Infrastruktur bereit, die das Image einer lebendig grünen Stadt am Wasser prägt
und die Stadt mit dem Umland verbindet. Das bestehende Erholungsangebot
wurde in hoher Qualität gesichert und ausgebaut.
In diesem Kontext wurden für bestimmte Nutzungen auch Flächen im Umfeld
der öffentlichen Grünanlagen einbezogen, um alternative Angebote in Verbindung mit dem öffentlichen Grün zu entwickeln. Eine Diskussion über die
Mehrfachnutzung von Sport- und Schulflächen, wie Sie zum Beispiel in der
Stadt Wien seit Jahren unter dem Motto „einfach - mehrfach“ stattfindet,
erwies sich als unumgänglich. Sie führte zu einer Entlastung der durch Mannschaftssportarten stark strapazierten Parks und Grünanlagen.
Nicht jeder Freiraum muss alles leisten. Die Lenkung auf geeignete, gegebenenfalls auch bislang nicht beanspruchte, „unentdeckte“ Flächen oder Anlagen auch über die Stadtgrenzen hinaus war hilfreich im Sinne einer konfliktarmen Nutzung. Den intensivierten Bereichen wurden an anderer Stelle Gebiete
mit extensiver Nutzung und entsprechender Pflege gegenüber gestellt. Für die
Wasserflächen wurden weitere Differenzierungen für verschiedene Nutzungsarten vorgenommen, orientiert an Gewässermorphologie, Wasserqualität,
Einzugsgebiet und Naturschutzbelangen. Maßnahmen zur räumlichen Gliederung, zur Schaffung von Themenbereichen sowie von getrennten Wegeführungen wurden geprüft und umgesetzt. Nutzer wurden „sanft“ von Räumen
ferngehalten, indem sie durch besondere Attraktivität (gastronomische Einrichtungen, Spiel- und Sportangebote) in andere Freiräume gelenkt wurden.
Trotz des Konfliktpotentials bleibt das Radfahren in unseren Anlagen grundsätzlich auf den Wegen zugelassen. Zum Schutz anderer Nutzungen oder um
anderen Nutzungen wie Spazierengehen, Spielen etc. den Vorrang zu geben,
wurde im Einzelfall das Radfahren auf bestimmten Wegen bzw. in bestimmten Räumen durch bauliche Maßnahmen (Schwellen, „schlafende Polizisten“)
gelenkt und in Ausnahmefällen auch untersagt. Die Differenzierung der Wegebeläge je nach Nutzungsintensität trug zu einer Verbesserung des Zustandes bei. In Extremfällen hoher Verkehrsdichte (z. B. Cospudener See) war die
räumliche Trennung langsamer und schneller Fortbewegungsarten eine planerische Option. In besonderen Bereichen, wo sich durch Nutzungsüberlagerungen Probleme ergeben könnten, wurde durch sogenannte „Fairnesszonen“
auf die gegenseitige Rücksichtnahme besonders hingewiesen.
Gleiches galt für die Gewässer, wo die Ströme der Erholungssuchenden, des
Breiten- und des Leistungssports wie die Fahrgastschiffe zu lenken und zu
harmonisieren waren, so dass auch die bedeutsamen sportlichen Entwicklungen weiter verfolgt werden konnten. Entscheidende Grundlage war hier
der interkommunale bzw. regionale Ansatz und das Wassertouristische Nutzungskonzept mit seinen räumlichen und zeitlichen Empfehlungen, wo und
wann welche Nutzungsarten erlaubt sind.
Von rund 225 Kilometern Wasserwegen werden ca. 200 Kilometer durch die
Menschen differenziert genutzt. Der Bau von Steganlagen an den Gewässern,
die den Bürgerinnen und Bürgern freien Zugang mit Booten ermöglichen und
die Nutzung auf verträgliche Bereiche lenken, wurde weiter vorangebracht.
Nicht für jede (Trend-)Sportart können öffentliche Flächen zur Verfügung
gestellt werden. Sobald aber aus der Bürgerschaft heraus eine mittel- bis langfristige Lösung zum Betreiben derartiger Angebote entwickelt und ein Bedarf
in der Bevölkerung deutlich wird, ist es Aufgabe des Amtes für Stadtgrün und
Gewässer, die Flächensuche in enger Kooperation mit dem Amt für Sport und
in Absprache mit anderen Ämtern und Dritter zu unterstützen.
Die Leipziger Gewässer
sind nicht zuletzt Orte
des Sports und der aktiven Erholung, im Bild
Triathleten am Kulkwitzer See.
107
Veranstaltungen und Gastronomie
Die städtischen Freiräume – es wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen –
sind die Orte, an denen die Stadt per se als Gemeinwesen, als städtische Bühne
und öffentlicher Raum wahrgenommen wird. Die Parks und Plätze, die großen
Erholungsgebiete wie die kleineren Grünanlagen sind jene städtischen Räume,
in denen die Menschen einander begegnen, wo sie sich treffen, miteinander
kommunizieren. Orte wie die Sachsenbrücke oder der Richard-Wagner-Hain,
der Lene-Voigt-Park oder das Mendelssohnufer haben sich als stark frequentierte Treffpunkte etabliert. Die zentralen Parkanlagen wie der Johannapark und
der Clara-Zetkin-Park sind bedeutende städtische Orte für Jung und Alt. Die
Besucherzahl dieser beiden Parks wird aktuell jährlich auf rund zwei Millionen
geschätzt.
Die Parks sind begehrte
Veranstaltungsorte
unterschiedlichster
Formate, hier: Übertragung eines Fußballspiels.
Die Begegnung der Menschen, ihre Kommunikation und ihr soziales Miteinander sind zentrale Funktionen des Stadtgrüns und der Gewässer. Es ist das Anliegen der Stadt, die Freiräume in diesem Sinne für alle nutzbar und zugänglich
zu machen. Vorrangig erfolgt diese Nutzung individuell; man trifft sich im Park
allenfalls in kleineren Gruppen. Die Möglichkeit und Freiheit, sich im öffentlichen
Grün ungezwungen zu treffen, hier zu sein und zu kommunizieren, gilt es auch in
Zukunft zu gewährleisten und wo immer machbar zu ermöglichen. Die Erhaltung
und Entwicklung beruhigter Rückzugsräume innerhalb der Anlagen hat hier hohe
Bedeutung.
Spezielle Räume, die diese Funktion in Verbindung mit Aufenthalt und Begegnung im Grünen befördern, entwickeln sich dynamisch und zunehmend auch aus
bürgerschaftlicher Initiative. Insbesondere die neuen gemeinschaftsorientierten Gartenprojekte (Urban gardening, Urban farming) entfalten wichtige soziale
Funktionen: Sie sind Treffpunkte, Orte der Identifikation und Integration, leisten
wichtige Beiträge zur Umweltbildung und zur Gesundheitsvorsorge. Sie sind auch
aufgrund dieser Funktionen von der Stadt zu unterstützen (siehe Kap. Gemeinschaftsgärten sowie Brachflächen).
Darüber hinaus bewilligt die Stadt jährlich rund 200 Anträge zu Veranstaltungen
in den Anlagen des öffentlichen Grüns. Das Stadtgrün ist ein wichtiger Kulturund Sportstandort. Konzerte, Freilichtkino- und Theateraufführungen, Kunstinstallationen und –ausstellungen, Feste, Tanzveranstaltungen, Turniere und vieles
mehr findet vorrangig in den Sommermonaten „im Grünen“ statt. In der Regel
tragen diese Kulturveranstaltungen zur Erhöhung der Attraktivität der Anlagen
bei, sie steigern deren Akzeptanz und ihren Bekanntheitsgrad. So haben beliebte
108
Formate wie der „Hörspielsommer“ zur öffentlichen Wahrnehmung des zunächst
wenig beachteten Richard-Wagner-Hains immens beigetragen.
Unsere Grünanlagen, aber auch das Gewässernetz werden dabei immer häufiger auch zum Ort von kulturellen, sportlichen und anderen Großveranstaltungen unterschiedlicher Veranstalter mit oft kommerziellem Interesse und zum
Teil hohen Besucherzahlen. Diese Entwicklung gilt es konstruktiv zu steuern, um
die Hauptfunktion der Anlagen für den öffentlichen und möglichst ungestörten
Nächtliche Theater
aufführung im WilhelmKülz-Park im Oktober
2013.
Gebrauch, vor allem zu Erholungszwecken, nicht zu beeinträchtigten. Dem seit
einigen Jahren international zu beobachtenden Trend der „Eventisierung“ und der
Kommerzialisierung des öffentlichen Grüns in den Großstädten sind daher Grenzen zum Schutz des Bestandes und der alltäglichen Nutzungen zu setzen.
Gastronomische Einrichtungen können sehr zur Erhöhung der Attraktivität und
Nutzungsintensität von öffentlichen Freiräumen beitragen. Sie werden von der
Bevölkerung stark nachgefragt und genutzt. Mit Erfolg werden auch alternative
Formen der gastronomischen Versorgung (Kaffeefahrrad, Imbisswagen) im Freiraum zugelassen. Problematisch ist mitunter die Tatsache, dass aus dem privilegierten Standort ortsfester gastronomischer Betriebe im Grünen kaum unmittelbar Mittel zu diesem Grün zurückfließen, um den erhöhten Pflegeaufwand im
Umfeld der Einrichtungen zu kompensieren.
Die Bereitstellung von öffentlichen Toiletten ist bei Veranstaltungen, aber auch
im alltäglichen Gebrauch der Grünanlagen von großer Bedeutung. Erreichbarkeit
und Barrierefreiheit der Toiletten sind insbesondere in den großen Parks und in
den Erholungsgebieten zu berücksichtigen. Hier gibt es Nachholbedarf.
Leipzig im Jahr 2030
Es sind großzügige städtische Freiräume erhalten geblieben, die von ökonomischen Erwägungen und Großveranstaltungen weitgehend ausgenommen
sind, wie zum Beispiel der Mariannenpark oder der Palmengarten. Andere
ausgewählte Freiräume und auch Parkanlagen, wie zum Beispiel das Rosental, der Clara-Zetkin-Park oder der Agrapark, bieten dagegen regelmäßig Platz
und Kulisse für Großveranstaltungen, von denen auch eine touristische Wirkung ausgeht.
Die öffentliche Nutzbarkeit ist das höchste Gut der öffentlichen Grünflächen
und des Gemeingebrauchs der Gewässer. In diesem Sinne werden Events nur
genehmigt, wenn sie nicht zu Lasten dieser öffentlichen Nutzbarkeit gehen
und diese höchstens kurzfristig beeinträchtigen und keine irreversiblen Schäden im Bestand zu erwarten sind.
Die Nachsorge wurde weiterreichend in die Verantwortung der Veranstalter gelegt. Dazu wurden strikte Modelle der Kooperation und Finanzierungsübernahme mit Sicherheitshinterlegungen entwickelt, die diese Nachsorge so
gewährleisten, dass eine nachhaltige Sicherung der Funktionen unserer Anlagen garantiert ist.
Der Imbisswagen im
Richard-Wagner-Hain
hat nicht unwesentlich
zu dessen Wiederentdeckung beigetragen.
Die Ansiedlung und der nachhaltige Betrieb gastronomischer Einrichtungen in
den Grünanlagen und an den Gewässern wird weiterhin begrüßt. Entsprechenden Genehmigungen liegt eine umfassende Abwägung im Verhältnis zu Charakter und Größe der Anlage sowie denkmalpflegerischen und funktionalen
Interessen der öffentlichen Nutzung zugrunde.
Die Empfehlung des Tourismuswirtschaftlichen Gesamtkonzeptes, wassertouristische Anlagen mit gastronomischen und kulturellen Einrichtungen zu
vernetzen und somit Besucher zu lenken, hat sich bewährt. Diese wird mittlerweile auch umgesetzt, um die touristische Attraktivität der vielfältigen, von
historischer wie auch von zeitgenössischer Landschaftsarchitektur geprägten
Leipziger Parks und Gärten zu erhöhen.
Neben bleibenden Niederlassungen hat sich die Vergabe von Lizenzen für temporäre Gastronomieangebote (Imbiss-Stände, Kaffeefahrräder und anderes)
weiter erfolgreich etabliert. Um Gastronomie und Stadtgrün sowie Gewässer
zum gegenseitigen Nutzen zusammenzuführen, haben sich zeitlich angemessene Laufzeiten von Pachtverträgen sowie konkrete Auflagen hinsichtlich der
möglichen Ausdehnung und Gestaltung als wichtige Instrumente erwiesen.
Die Betreiber habe ihre Lagegunst in und nahe von attraktiven Grünanlagen
und Gewässern schätzen gelernt und leisten einen regelmäßigen freiwilligen
Beitrag zur Unterhaltung und Entwicklung des öffentlichen Raumes.
Kinder- und seniorengerechte Planungen beziehen öffentliche Toiletten im
Stadtgrün und an den Gewässern ein. Wo gastronomische Einrichtungen Kundentoiletten anbieten, sind diese gegen eine geringe Nutzungsgebühr grundsätzlich auch der Allgemeinheit zugänglich.
109
inklusion
Inklusion, also die gleichberechtigte Bereitstellung von Lebensbedingungen für
alle Menschen unabhängig von individuellen Fähigkeiten, ethnischer wie sozialer
Herkunft, Geschlecht oder Alter, ist ein für das öffentliche Grün überaus bedeutsames Thema.
Definition
Inklusion beschreibt die Vision gesellschaftlicher Akzeptanz,
Wertschätzung und Teilhabe aller Menschen in ihren Individualitäten, Möglichkeiten und Fähigkeiten. Dabei müssen sich die Menschen nicht gesellschaftlichen
Strukturen anpassen, sondern vielmehr passt die Gesellschaft ihre Strukturen so
an, dass sich alle Menschen mit ihren individuellen Merkmalen darin frei bewegen können und die Teilhabe jedes Einzelnen möglich ist. Ein solches Konzept
der Inklusion wird abgegrenzt vom Ansatz der Integration, welche die Annahme
der Andersartigkeit beibehält und festigt, indem „die Anderen“ in „das Normale“
eingefügt werden.
Mit dem Ziel der Inklusion ist eine Änderung unserer Alltagskultur verbunden,
das heißt von Werten, Normen, Vorschriften, Techniken, Strukturen usw. In diesem Sinne gilt es auch Gestaltung und Nutzbarkeit der öffentlichen Grünräume
und Gewässer diesem Ziel entsprechend auszurichten. Fragen der Barrierefreiheit der Erschließung, der Orientierbarkeit und der Bereitstellung von Freizeitund Erholungsmöglichkeiten für alle Bevölkerungsgruppen stellen große Herausforderungen an die Planung und Unterhaltung von öffentlichen Freiräumen und
Gewässern. Letztere sind unter anderem mit barrierefreien Zugängen, Steganlagen und Einstiegstellen sowie mit der Information und Öffentlichkeitsarbeit über
Nutzungsmöglichkeiten und Angebote betroffen.
Zentrales Thema der Teilhabe an der Nutzung des öffentlichen Grüns ist aktuell
vor allem die „Barrierefreiheit“. Dieses Thema wiederum fokussiert vor allem auf
Menschen mit Behinderungen sowie auf die steigende Zahl an älteren und hochbetagten Menschen.
Über 20 Prozent der deutschen Bevölkerung sind älter als 65 Jahre, Tendenz steigend. Eine „altersgerechte“ Planung und Ausstattung des öffentlichen Raumes
muss dieser Entwicklung Rechnung tragen. Die barrierefreie Nutzbarkeit der
Freiräume ist dabei ein zentrales Thema, aber auch Fragen der Orientierbarkeit,
des Sicherheitsaspektes und der Gesunderhaltung durch altersgerechte Formen
der Erholung spielen eine große Rolle
110
Alltag in der Grünanlage am Thomaskirchhof
Der alle Menschen umfassende Anspruch der Inklusion geht aber weit über diese
Gruppen hinaus, die aktuell im Fokus der Diskussionen stehen.
Die Freiräume sind so zu gestalten und zu unterhalten, dass jeder Mensch die
Möglichkeit erhält, das Angebot gleichberechtigt zu nutzen und sich an allen
gesellschaftlichen Prozessen ungehindert zu beteiligen. Die Beteiligungsprozesse zur Planung, Umsetzung und Nutzung sind so zu organisieren, dass alle
Bevölkerungsgruppen Zugang und Gehör (auch sprachlich) finden. Bei der Planung von Spielbereichen sind die besonderen Belange von Kindern mit Beeinträchtigungen ebenso zu berücksichtigen wie bei der Auswahl von Sitzgelegenheiten und anderen Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten.
Kulturelle Herkunft bestimmt das Freizeit- und Nutzungsverhalten im öffentlichen Raum und damit auch die Anforderungen an dessen Gestaltung. In vielen Kulturen findet das familiäre und gesellschaftliche Leben viel weitreichender
als in unserem Kulturkreis draußen statt. Öffentliche Freiräume sind Orte der
Begegnung und für Zusammenkünfte. Das bedeutet, es müssen auch Möglichkeiten und Flächen für derartige Nutzungen und Funktionen bereit gehalten werden und in der Diskussion von Regelungen und gewünschten Beschränkungen
müssen entsprechende Auswirkungen auf diese Anforderungen berücksichtigt
werden.
In Bezug auf Menschen mit Behinderungen gilt es, das 2006 von der UNO-Generalversammlung in New York verabschiedete und im Jahr 2008 in Kraft getretene
Leipzig im Jahr 2030
Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen umzusetzen. Der von der Bundesrepublik und der Europäischen Union ratifizierte Vertrag
konkretisiert die Menschenrechte für die Lebenssituation behinderter Menschen,
um ihnen die gleichberechtigte Teilhabe und Teilnahme am gesellschaftlichen
Leben zu ermöglichen. Hier finden sich neben grundlegenden Festlegungen zu
allgemeinen Menschenrechten wie dem Recht auf Leben oder dem Recht auf
Freizügigkeit viele spezielle Bestimmungen, die auf die Lebenssituation behinderter Menschen eingehen.
Die vielfältig nutzbaren Grün- und Gewässerstrukturen der Stadt stehen allen
Mitbürgerinnen und Mitbürgern sowie Ihren Gästen zur Verfügung, d. h. Menschen aller Bevölkerungsgruppen können Ihre Freizeit hier nach persönlichen
Vorlieben und Interessen verbringen.
Das Angebot an grüner und blauer Infrastruktur wird von allen intensiv angenommen und trägt wesentlich zur Durchmischung der Stadtbevölkerung in
sozialer Hinsicht bei. Der öffentliche Freiraum mit seinen Grün- und Gewässerstrukturen ist der Ort, an dem sich Arm und Reich, Jung und Alt, Menschen
mit unterschiedlich ausgeprägten Fähigkeiten, Angehörige verschiedenster
Kulturkreise, Mobilität, Bildungsgrade und Berufe begegnen und Ihre Freizeit
individuell oder in Gruppen verbringen können.
Unter den Grundsätzen der Konvention sind für die Außenräume der Stadt insbesondere von Belang: die Nichtdiskriminierung; die volle und wirksame Teilhabe
an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft; die Chancengleichheit;
die Zugänglichkeit; die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie die Achtung
vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen und die
Achtung ihres Rechtes auf Wahrung ihrer Identität.
Universal Design verfolgt das Ziel, Freiräume so zu gestalten, dass sie für die
größtmögliche Vielfalt von Menschen gleichberechtigt genutzt werden können. Diesen Ansatz verfolgen wir mit Blick auf das Gesamtnetz der grünen und
blauen Infrastruktur.
Auch wenn es aufgrund der vorhandenen räumlichen Rahmenbedingungen
nicht in jedem Fall gelingen wird, Barrierefreiheit beim Zugang zu Grün und
Gewässern umzusetzen, so ist dieser Aspekt immer mit höchster Priorität
zu prüfen und darf nur im Ausnahmefall unberücksichtigt bleiben, wenn an
anderer Stelle im Gesamtnetz der grünen und blauen Infrastruktur ausreichend barrierefreie Zugänge zur Verfügung stehen, welche die Nutzbarkeit
gewährleisten.
Das Informationsangebot des Amtes für Stadtgrün und Gewässer vor allem im
Internet ist barrierefrei, das heißt die wesentlichen Informationen sind auch
blinden und sehschwachen Nutzern zugänglich.
Der Spielplatz am Auensee besitzt Elemente, die auch für Kinder
mit Behinderungen gut
nutzbar sind.
Sprachbarrieren wurden durch die intensive Nutzung von Sprachmittlern in
Beteiligungsprozessen sowie im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit (Informationsmaterialien) abgebaut.
111
Planungs- und Baukultur
Das Stadtgrün wie auch die Gewässer einer Stadt sind wie die Gebäude Spiegel
ihrer Planungs- und Baukultur. Leipzig verfügt in dieser Hinsicht über große Traditionen, von denen zahlreiche Parks, Gewässer und ihre Ufer, viele Plätze, Friedhöfe und andere Freiraumkategorien bis hin zu Sondergärten bis heute Zeugnis
ablegen.
Leipzig heute
Auch in der jüngeren Vergangenheit, inbesondere seit 1990, sind von Leipzig
starke Impulse für die zeitgenössische Landschaftsarchitektur ausgegangen, die
weit über die Grenzen der Stadt hinaus wahrgenommen und rezipiert wurden.
Zahlreiche Preise bei nationalen und internationalen Wettbewerben sowie eine
starke Resonanz in den fach- und populärwissenschaftlichen Medien sind sprechende Beweise dieser Tatsache. In erster Linie jedoch ist es die selbstverständliche und wohlwollende Nutzung der grün-blauen Infrastruktur durch die Menschen, welche dieser ihre Anerkennung verleiht. Denn die gelungensten Projekte
sind nach Leipziger Selbstverständnis jene, welche durch die Bewohnerinnen und
Bewohner angenommen, genutzt und geachtet werden.
Die Von-Harck-Anlage
am Bundesverwaltungsgericht stellt dem
historischen Gebäude
einen zeitgenössischen
Außenraum zur Seite.
Aus Konversionsflächen früherer Industrie-, Bahnverkehrs- und Militärareale sind
neue Parks wie der Lene-Voigt-Park und der Grüne Bogen Paunsdorf im Leipziger
Der Aids-Abeba-Platz
zwischen Brüder- und
Leplaystraße ist einem
hohen baukulturellen
Anspruch verpflichtet.
112
Osten, der Henriettenpark und der Stadtteilpark Plagwitz im Westen als vielbeachtete Park-Neuschöpfungen entstanden. Im Umgang mit den Problemen der
zeitweise „schrumpfenden Stadt“ entstanden innovative Lösungsansätze unter
dem Titel „Dunkler Wald“ und „Lichter Hain“ entlang der Wurzner Straße. Vielfältige Freiraumvernetzungen wurden entlang früherer Gleisanlagen unter anderem
in Plagwitz und Schleußig sowie in Anger-Crottendorf entwickelt. Bereits bestehende Parks, Plätze und Grünanlagen wurden einer Sanierung, Umgestaltung
und Erweiterung unterzogen. Große Beispiele dieser Arbeit sind der Stadtteilpark
Rabet an der Eisenbahnstraße sowie die vielfältigen Grünflächen im Wohngebiet Leipzig-Grünau, aber auch innerstädtische Grünanlagen (von-Harck-Anlage,
Adis-Abeba-Platz zwischen Brüder- und Leplaystraße, Grünfläche am Thomaskirchhof). Die Offenlegung verrohrter oder überwölbter Gewässer in der Innenstadt Leipzigs mit anspruchsvoll gestalteten Zugängen zum Wasser waren wie
die Sanierung von Still- und Fließgewässern im Stadtgebiet von großer Wirkung
für die Stadtentwicklung. Bei der Bewältigung der Hinterlassenschaften des
Braunkohlenbergbaues am Cospudener See wurden ebenso wie mit der Einbindung der Gewerbeansiedlungen im Leipziger Norden Landschaften neuen Typs
an der Peripherie Leipzigs geschaffen. Aktuelle Projekte zielen auf die Ergänzung
und Erweiterung der gesamtstädtischen grün-blauen Infrastruktur wie auch
auf Binnenentwicklung der Quartiere (Parks am Plagwitzer und am Bayerischen
Bahnhof, Parkbogen Ost, Durchstich Karl-Heine-Kanal und andere).
Der Anspruch bei der
Offenlegung verrohrter
Gewässer ist es, diese
erreichbar und erlebbar
zu machen.
Die kurze, unvollständige Aufzählung jüngerer Projekte steht für eine hohe
Bandbreite landschaftsarchitektonischer Aufgaben in Leipzig, bei denen kreative
Lösungen für die spezifischen städtebaulichen oder landschaftlichen Herausforderungen des Ortes, für ökologische und funktionale, denkmalpflegerische und
ästhetische Belange sowie Fragen der Werterhaltung gefunden wurden. Jeder
der neu entstandenen oder umgestalteten Seen und Flussläufe, Parks, Gärten,
Erholungsgebiete und Grünverbindungen gibt individuell Antwort auf die jeweilige Umgebung und die Ansprüche der im Planungsprozess frühzeitig eingebundenen Bürgerinnen und Bürger.
Trotz des Trends zu weniger „durchgestalteten“, nutzungsoffeneren Arealen bedürfen städtische Freiräume stets auch raumbildender, funktionaler und
gestalterischer Rahmenbedingungen, die durch landschaftsarchitektonische
Eingriffe zu setzen sind. Zum urbanen Repertoire gehören nach wie vor Freiräume, deren Gestalt und Funktion spezifisch und deren Ausstattungsgrad und
Pflegezustand hoch ist. Urbane Außenräume müssen erschlossen, zu Räumen
unterschiedlichster Größe und Eignung geformt und – je nach städtebaulichem
Zusammenhang und Funktion - in mehr oder minder starker Intensität auch
gestaltet werden. Die Ästhetik städtischer Freiräume, ihre räumliche, materielle
und pflanzliche Qualität ist eine wichtige Komponente, die zu den sozialen und
kulturellen Aufgaben des Stadtgrüns und der Gewässer zu zählen ist.
Landschaftsarchitektur in Leipzig ist grundsätzlich einem hohen planungsund baukulturellen Anspruch verpflichtet. Hohe Qualitätsstandards sind auch
auf interkommunaler Ebene vereinbart und mit Kriterienkatalogen untersetzt.
So wurde zuletzt auch in der „Charta Leipziger Neuseenland 2030“ die These
„Höchste Baukultur als Bestandteil des Landschaftsumbaus verwirklichen“ mit
dem Ziel verankert, Alleinstellungsmerkmale zu erzielen, die dem Leipziger Neuseenland ein unverwechselbares Gesicht mit hohem Wiedererkennungswert
verschaffen.
Gartendenkmale wie
der Palmengarten
unterliegen einem gesetzlichen Schutz.
In aktuellen Planungsprozessen zeichnet sich dabei ab, dass die Nutzungsinteressen so individuell und wandelbar sind, dass in den Partizipationsverfahren zunehmend nutzungsoffene, nicht bis ins letzte Detail fixierte Anlagen gewünscht
werden. Der Trend zu extensiver gestalteten und gepflegten Anlagen resultiert
nicht allein aus den Möglichkeiten und Grenzen der Werterhaltung, sondern auch
aus dem Wunsch der Menschen nach nutzungsoffenen, naturnahen und ökologisch vielseitigen Arealen.
Die große, vielseitig nutzbare Wiese, der weite ungestörte Raum ist gerade in der
Stadt von besonderem Wert. Historische Beispiele in Leipzig wie das Rosental,
der Mariannenpark oder der Palmengarten zeigen ebenso wie jüngere Projekte
(Lene-Voigt-Park), von welcher sozialen, funktionalen und auch ästhetischen
Bedeutung die schlichte Weite ist.
113
Das Amt für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig betreut die Sanierungs- und Neubauprojekte der im ersten Teil dieser Freiraumstrategie genannten Flächenkategorien von der Projektvorbereitung über die Planung, Genehmigung, Vergabe, den Bau bis hin zur Abrechnung und Projektdokumentation.
Das Amt verfügt über eigene Kapazitäten zur Freiraum-Objektplanung in der
Abteilung Planung und Bau, vergibt zudem zahlreiche Planungsleistungen an
Landschaftsarchitekturbüros.
Die Wiederherstellung
des Rosengartens im Mariannenpark gelang mit
Hilfe privater Spenden.
Neben den Neugestaltungsaufgaben, die in der gewachsenen Stadt naturgemäß auf wenige, wegweisende Projekte beschränkt sind, besteht bereits in der
Gegenwart die Hauptaufgabe im Umgang mit dem Bestand. Sanierungsmaßnahmen mit notwendigen Umgestaltungen und partiellen Erweiterungen sind
der Alltag der landschaftsarchitektonischen Praxis in Leipzig. In diesem Zusammenhang ist der große Bestand an denkmalpflegerisch relevanten Objekten hervorzuheben, die dabei eine besondere Sensibilität erfordern. Über 500 Hektar der
Leipziger Freiflächen unterliegen als Kulturdenkmale des Freistaates Sachsen
einem besonderen Schutz. An der Erhaltung der Gartendenkmale besteht aufgrund ihrer städtebaulichen, geschichtlichen und gartenkünstlerischen Bedeutung ein öffentliches Interesse; Eingriffe bedürfen laut dem Sächsischen Denkmalschutzgesetz der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung. Die Stadt Leipzig
hat im Jahr 2006 den Schwerpunkt „Unterhaltung Gartendenkmal“ folgerichtig
als eine Pflichtaufgabe eingestuft. Im Amt für Stadtgrün und Gewässer der Stadt
widmet sich das Sachgebiet Gartendenkmalpflege in der Abteilung Planung und
Bau dieser besonderen Aufgabe.
Gartendenkmale im städtischen Rahmen sind als historische Zeugnisse stets
nutzbar, wobei ihrer Belastbarkeit je nach Art durchaus Grenzen gesetzt sind. Ein
Volkspark wie der Mariannenpark, von Beginn an als vielfältig nutzbares, soziales
Grün konzipiert, besitzt eine andere Strapazierbarkeit als ein feingliedriger Landschaftspark aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts oder ein Schmuckplatz.
Probleme und Konflikte Der hohe bau- und planungskulturelle Anspruch
an Bauprojekte im Außenraum kann aufgrund des finanziellen Budgets, konkurrierender Interessen und Gegebenheiten (Versorgungsleitungen, Verkehr, Hochbaumaßnahmen und anderes) nicht immer umgesetzt werden.
Eine besondere Problematik bildet die Tatsache, dass Investitionen und entsprechende Förderprogramme die Herstellung, nicht aber die laufende Werterhaltung von Freiräumen betreffen. Ein Park oder Garten jedoch bedarf der ständigen Pflege. Das Unterbleiben kontinuierlicher Maßnahmen der Werterhaltung im
Außenraum kann zu dessen Wertverlust führen. Die Fördermittelkulisse erlaubt
es leider nicht, den Mehraufwand in der Werterhaltung von Gartendenkmalen zu
finanzieren.
Wechselflorfläche im
Promenadenring, einem
Gartendenkmal von besonderer Bedeutung.
114
Denkmalgeschützte Grünflächen im Kontext öffentlicher Gebäude sind mitunter
vernachlässigte Bereiche im Hinblick auf denkmalschutzrechtliche Belange. Eine
besondere Problematik sind zudem langfristige Erbpachtverträge für gastronomische und andere Einrichtungen in historischen Parks, welche die Restriktionen
und Grenzen der Nutzung nicht hinreichend fixieren.
Leipzig im Jahr 2030
Leipzig hat sich im Hinblick auf baukulturelle Belange des Stadtgrüns und der
Gewässer weiter profiliert. An städtische Freiräume in Leipzig werden höchste
gestalterische Anforderungen gestellt. Für neue Bauvorhaben und Umgestaltungen sowie für die laufende Werterhaltung der jeweiligen Freiraumkategorien wurden bindende Qualitätsstandards erarbeitet und angewendet.
Die Behandlung ausgewählter Anlagen erfolgte auf Grundlage denkmalpflegerischer Zielstellungen in enger Abstimmung mit den Denkmalschutzbehörden. Die Erhaltung des Überkommenen in seiner Vielschichtigkeit und
Authentizität ist das Kernziel der denkmalpflegerischen Bemühungen.
Bildende Kunst hat im öffentlichen Freiraum Leipzigs wieder Einzug gehalten
und Anziehungspunkte sowohl für die Bewohnerinnen und Bewohner als auch
für Touristen geschaffen.
Die frühzeitige Partizipation der künftigen Nutzer hat sich als unabdingbar und ausschlaggebend für den Erfolg von Projekten erwiesen. Wichtige
Projekte wurden über das Instrument des Wettbewerbes zu hoher Qualität
geführt.
Auf gesellschaftliche und ökologische Herausforderungen – Interkulturalität,
demografischer Wandel, Klimawandel - wurden kreative, wissenschaftlich
fundierte Lösungen gefunden. Das Funktionsprogramm der Freiräume wurde
angesichts neuer Trends und Gewohnheiten neu überdacht; neue Formen wurden neben den bewährten Nutzungen in den Freiräumen zugelassen.
Neben den Investitionskosten bei Neuerrichtung rückten die Aufwendungen
für die nachfolgende Werterhaltung in den Fokus der Planung.
Bestimmte Freiraumtypen und Ausstattungen in der Stadt tragen eine wiederkehrende Gestalt, um ihre Wiederkennbarkeit zu gewährleisten und Nutzung
zu vereinfachen (z.B. Schleusen). Dieser Ansatz wurde über die Stadtgrenzen
hinaus auch in der interkommunalen Zusammenarbeit für das Leipziger Neuseenland verwirklicht. Die Kooperation der Kommunen im Grünen Ring hat
dabei Maßstäbe gesetzt.
Die Stadt Leipzig wandte sich weiter dem Wasser zu. Vielfach wurde Zugang
zum Wasser gewährt und die Erlebbarkeit der Gewässer verbessert. Die
Menschen erfahren die Dynamik des Wassers, seine natürliche Besonderheit, Kraft und auch seine Gefährlichkeit – stets unter der Maßgabe des
Hochwasserschutzes.
Die Stadt Leipzig bekennt sich zu ihrem gartenkulturellen Erbe, das zugleich
Verpflichtung wie auch großes Potenzial im Sinne der Bewahrung hoher
Lebensqualität der Bewohner und Anziehungspunkt für Besucher ist.
Werke der bildenden
Kunst können dem öffentlichen Freiraum besondere Akzente geben .
Im Bild: Kunstobjekt am
Stöckelplatz in LeipzigSchönefeld.
115
Stadtgrün und Gewässer
für Klima und Umwelt:
Ökologische Aspekte
116
Daseinsvorsorge
Deren Aussagen sollen hier nicht im Detail wiederholt werden. Vielmehr sind hier
nur die grundsätzliche Ausrichtung des Handelns des Amtes für Stadtgrün und
Gewässer vor diesem Hintergrund sowie darüber hinausgehende Aktivitäten zu
thematisieren.
Das Stadtgrün und die Gewässer sind für die Umwelt- und damit auch die Lebensbedingungen in der Stadt von grundlegender Bedeutung. Nur wenn die Lebensgrundlagen gesichert sind kann darauf aufbauend die Lebensqualität verbessert
werden. Der Erhaltung natürlicher Lebensgrundlagen kommt damit auch in der
Stadt höchste Priorität zu.
Definition Unter der öffentlichen Daseinsvorsoge werden Tätigkeiten der
öffentlichen Hand verstanden, die einer grundlegenden Versorgung der Bevölkerung mit wesentlichen Gütern und Dienstleistungen dienen. Klassische Aufgabenbereiche sind die Versorgung mit Wasser, Gas, Strom, die Bereitstellung von
Schulen, Friedhöfen, Feuerwehr, öffentlichem Personennahverkehr, Abfallentsorgung etc. Auch wenn Grün-, Freiraum- und Gewässerentwicklung in der Definition nicht benannt sind, so leistet dieses Aufgabengebiet im urbanen Kontext
doch einen wichtigen Beitrag zur existentiellen Versorgung der Bevölkerung und
zur Verpflichtung eine angemessen sowie gesundheitserhaltende und -fördernde
Wohn- und Lebensqualität zu garantieren.
Leipzig im Jahr 2030
Das Ziel der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen hat für uns die
höchste Bedeutung und ist Grundlage unseres Handelns.
Der Slogan: „Leipzig – lebendig grüne Stadt am Wasser“ ist zum Sinnbild unseres aufgabenbezogenen Beitrages zur Daseinsvorsorge geworden.
„Lebendig“ steht dabei für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen,
die höchste Priorität besitzt. „Lebendig“ steht aber darüber hinaus auch für
eine hohe Lebensqualität, welche die grüne und blaue Infrastruktur in Leipzig
garantiert.
Leipzig heute
Schon bei der Planung, insbesondere aber beim Bau, der Pflege und Bewirtschaftung unserer Anlagen finden die gesetzlichen Bestimmungen zum
Schutz und zur Erhaltung aller Umweltgüter (Boden, Wasser, Klima, Luft etc.)
umfassende Berücksichtigung. Monitoringansätze sichern die Einhaltung
beim Bau und Betrieb der Anlagen und sind Grundlage für regelmäßige Nachsteuerung. Bei komplexen Baumaßnahmen sowie bei Maßnahmen in vorbelasteten oder geschützen Gebieten ist eine ökologische Baubegleitung zum
Standard geworden.
Die Bedeutung diese Themas in Leipzig wird im aktuellen Arbeitsprogramm 2020
des Oberbürgermeisters unter dem strategischen Entwicklungsziel „Leipzig setzt
auf Lebensqualität“ formuliert. Neben den relevanten Themen „Gesunde und
sichere Stadt“ und „Vorsorgende Klima-, Umwelt- und Energiepolitik“ wird dort
explizit auch der „Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen“ thematisiert. Als
zentrale Handlungsfelder werden dabei sowohl die „Grüne Infrastruktur“ als auch
die „Blaue Infrastruktur“ in ihrer Bedeutung und Zielsetzung erläutert.
Durch Lage und Gestaltung der Grün- und Gewässerstrukturen ist gewährleistet, dass sie Feinstaub an Straßen binden, Kaltluftentstehung begünstigen und Frischluftbahnen garantieren, womit sie auch zur Anpassung an
den Klimawandel beitragen. Außerdem übernehmen sie Lärmschutz- und
Hitzeschutzfunktionen.
Insbesondere für die Luftreinhaltung und den Lärmschutz, aber auch für den
Bodenschutz, den Grundwasserschutz, die Grundwasserneubildung und den
Gewässerschutz in der Stadt leisten Freiräume, Grünflächen und –strukturen
sowie die Gewässer einen entscheidenden Beitrag. Unter den Vorzeichen des Klimawandels wird diesbezüglich die Bedeutung dieser Flächen und Strukturen in
Zukunft weiter wachsen.
In Leipzig kommt den Auenbereichen von Pleiße, Elster, Luppe und Parthe zudem
auch für den Hochwasserschutz eine hohe Bedeutung zu. Diese Themen sind in
Fachplänen zum Lärmschutz, zur Luftreinhaltung, zum Bodenschutz, zum Hochwasserschutz sowie in raum- und flächenbezogener Hinsicht auch im Landschaftsplan der Stadt dargestellt.
Foto Seite 116:
Geschützte Langgraswiese auf dem Südfriedhof.
Die Projekte und Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung der blau-grünen Infrastruktur sind so angelegt, dass sie nicht nur die gesetzlich geforderte
Daseinsvorsorge berücksichtigen, sondern darüber hinaus möglichst umfangreiche Beiträge zur Verbesserung der Umweltbedingungen und der Lebensqualität in der Stadt leisten. Auf eine derartige Multifunktionalität wird schon
bei der Planung großen Wert gelegt.
117
Biodiversität
Das öffentliche Grün und die Gewässer sind nicht nur Lebensraum der Menschen
in der Stadt, sondern auch für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Die Vielfalt der
Freiräume und Gewässer, ihre Struktur und Vernetzung untereinander, die Art
ihrer Bewirtschaftung und Nutzung bestimmen die Vielgestaltigkeit der Lebensräume und Ökosysteme, die Vielfalt der hier lebenden Arten (Artenvielfalt), aber
auch die Vielfalt innerhalb der Arten (genetische Vielfalt), sprich die städtische
Biodiversität. Städte weisen durch die vielfältige Mischung bzw. das enge Nebeneinander von verschiedenen Nutzungen unterschiedlichste ökologische Nischen
und damit eine hohe Biodiversität auf. Hier haben viele Tier- und Pflanzenarten
einen Rückzugs- und Ersatzlebensraum gefunden. Zugleich ist die Artenvielfalt
in der Stadt äußerst fragil und durch die Intensität und Dichte der Nutzungen,
des Verkehrs und durch Überbauung gefährdet. Die anhaltende Flächeninanspruchnahme von bisher nicht für Siedlungs- und Verkehrszwecke vorgesehenen
Freiflächen bedroht nicht nur diese Lebensräume innerhalb der Stadt, sondern
vor allem durch die Ausdehnung der Flächeninanspruchnahme an den Siedlungsrändern auch die bisher „freie“ Landschaft.
Die Biodiversität ist heute weltweit gefährdet. Der Schutz der biologischen Vielfalt ist somit eine weltweite Aufgabe und gehört neben dem Klimaschutz zu den
großen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte, der sich auch die Städte
weltweit stellen müssen. Mit dem Ziel, die biologische Vielfalt weltweit zu erhalten, ist im Jahr 1992 das „Übereinkommen über die biologische Vielfalt“ von der
Weltgemeinschaft auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und
Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro verabschiedet worden. Die Völkergemeinschaft macht darin deutlich, dass das Problem des irreversiblen Verlustes der
biologischen Vielfalt sehr komplex ist und nicht durch isolierte Naturschutzaktivitäten gelöst werden kann. Das Übereinkommen ist daher keine reine Naturschutzkonvention und fokussiert damit nicht nur auf den Schutz der Vielfalt,
sondern insbesondere auch auf die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile sowie
eine gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung genetischer Ressourcen ergebenden Vorteile zwischen den Staaten bzw. den Menschen.
Für Deutschland hat die Bundesregierung im Jahr 2007 die „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“ beschlossen. Darin werden auch die Städte und
Gemeinden in unterschiedlichen Themenfeldern in die Verantwortung genommen, ein Themenfeld widmet sich unter anderem speziell den „Urbanen Landschaften“ und formuliert entsprechende Ziele.
118
Totholz als Lebensraum im Volkspark
Kleinzschocher.
Die Erhaltung der Biodiversität im öffentlichen Grün und den Gewässern ist im
Sinne von Ökologie und Nachhaltigkeit zwingend erforderlich und in vielen Fällen
rechtlich verankert. Zugleich dient sie den Menschen, die in der Stadt Naturerfahrungen machen wollen. Ohne ein Lebensumfeld, das von Pflanzen und Tieren
geprägt ist, wäre dem Menschen ein Leben schlichtweg nicht möglich. Gerade in
Städten, die bisweilen trocken, überhitzt und staubig sind, haben diese Ökosystemleistungen, die die Natur bereitstellt, wie Luftreinigung, Kaltluftentstehung,
Grundwasserneubildung etc. immense Bedeutung für die Menschen und spürbare Auswirkungen auf Lebensqualität, Wohlbefinden und Gesundheit.
Um diese Funktionen zu erhalten, entsprechende Ziele gemeinsam anzugehen
und sich dabei über Lösungsansätze und sinnvolle Maßnahmen auszutauschen,
haben sich im Jahr 2010 Städte und Gemeinden in Deutschland zum Bündnis
„Kommunen für biologische Vielfalt“ zusammengeschlossen. Diesem Bündnis ist auch die Stadt Leipzig im Jahr 2012 beigetreten. Alle Bündniskommunen
haben gleichzeitig – wie auch zahlreiche weitere Kommunen – die Deklaration
„Biologische Vielfalt in Kommunen“ unterzeichnet und sich damit eine Selbstverpflichtung gegeben, die in dieser Deklaration konkretisierten Ziele in den Themenfeldern „Grün- und Freiflächen im Siedlungsbereich“, „Arten- und Biotopschutz“, „Nachhaltige Nutzung“ sowie „Bewusstseinsbildung und Kooperation“
zu unterstützen.
Gerade die wilde
Stadtnatur zieht die
Menschen an, sie
wollen nicht nur von
gestaltetem Stadtgrün
umgeben sein.
Leipzig heute
In Leipzig sind heute ca. 1000 Gefäßpflanzenarten nachgewiesen, zu den Tierarten gibt es keine abgesicherte Gesamtzahl. Nur von ausgewählten Tierarten sind
Zahlen für das Stadtgebiet bekannt. So sind aktuell 139 Brutvogelarten, 47 Libellenarten, 35 Heuschreckenarten und 53 Tagfalterarten nachgewiesen.
achsen und Trittsteine auch im besiedelten Stadtbereich die Ausbereitung und
den Gen-Austausch zu gewährleisten. Die Stadt bleibt nur so auch für wandernde
Spezies und Arten, die auf das Zusammenspiel unterschiedlicher Biotoptypen
angewiesen sind, als Lebensraum geeignet. Dieser Aspekt der Vernetzung spielt
neben speziellen Flächenansprüchen bestimmter Arten eine wesentliche Rolle
bei der Entwicklung und Unterhaltung von Grünflächen und Gewässern. Dabei
wird es nur so viel biologische Vielfalt geben, wie die Bewirtschafter der Flächen
es zulassen und die Eigentümer der Flächen es nachhaltig durchsetzen.
Für die biologische Vielfalt in Leipzig sind dabei nicht nur die naturschutzrechtlich geschützten Flächen oder Naturelemente von Bedeutung, vielmehr bedingt
gerade das Mosaik unterschiedlicher Flächen die Vielfalt an Lebensräumen in der
Stadt. Auch auf Brachflächen oder in neu entstandenen Anlagen sowie bei Planungsprozessen muss daher diesem Aspekt Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Das Grün- und Gewässersystem insgesamt ist dabei insbesondere unter Aspekten der Vernetzung, das heißt des Biotopverbundes von Bedeutung. Unterschiedliche Grünflächenkategorien tragen im Zusammenspiel dazu bei, durch VerbundDie Stadt ist Lebensraum von Tier- und
Pflanzenarten auch
auf kleinen Flächen,
hier: Wildlumen der
„Leipziger Mischung“
am Bayerischen Platz.
Eine Reihe von deutschen Städten hat zur Erhaltung der biologischen Vielfalt
eigene Strategien erarbeitet und verabschiedet. Für die hier im ersten Teil der
vorliegenden Strategie dargestellten Flächenkategorien haben wir entsprechende Ziele in die Zielformulierungen aufgenommen. Auch in Teil II und III dieser Freiraumstrategie sind diese Aspekte in unsere Aufgabenbestimmung für die
Zukunft eingeflossen.
Darüber hinaus wurden unter dieser Zielsetzung bereits zahlreiche besondere
Ansätze der extensiven Unterhaltung und Entwicklung erarbeitet und Maßnahmen umgesetzt, zum Beispiel in Form von Beweidungskonzepten, die gerade für
größere Landschaftsräume wie am Cospudener See, im Industriepark Nord oder
im Grünen Bogen Paunsdorf von Bedeutung sind. In aktuellen Großprojekten
wie der „Lebendigen Luppe“ oder auch dem Projekt „Stadt-Parthe-Land: Kulturlandschaftsmanagement als Brücke zwischen Metropole und ländlichem Raum“
spielen Erhaltung und Entwicklung der Biodiversität in Stadt und Umland eine
entscheidende Rolle.
119
In Kooperation mit dem Amt für Umweltschutz, dem Leipziger Gartenprogramm
und der Deutschen Umwelthilfe hat das Amt für Stadtgrün und Gewässer begonnen, die Bedeutung von „Wildnis“ für die Stadt und speziell für Leipzig zu thematisieren. Gerade mit zunehmenden Nutzungsdruck geraten auch bisher vergessene Flächen, auf denen sich eine neue Art von Stadtnatur mit einer ganz
eigenen Artenvielfalt entwickelt hat, wieder in den Fokus. Hier sind Konzepte und
Maßnahmen zu entwickeln, wie zumindest ein Teil dieser Entwicklungs- bzw.
Sukzssionsprozesse gesichert werden kann.
Steigender Erholungsbedarf und das starke Bevölkerungswachstum sind nicht
zuletzt im Leipziger Auwald spürbar und resultieren aus der europaweit einzigartigen Situation eines großflächigen Auwaldgürtels inmitten einer Großstadt.
Um hier mittel- bis langfristig die typischen Strukturen und Prozesse der Auenlandschaft zu erhalten und zu revitalisieren und gleichsam die wichtige Funktion nachhaltig zu entwickeln, die dem Auwald in Leipzig als Erholungsraum
zukommt, wird ein Gesamtkonzept erforderlich, aus dem einzelne Maßnahmen
resultieren. Dieses ist eng mit den Konzepten zur Gewässerentwicklung, insbesondere des Hochwasserschutzes, zu verzahnen.
Somit stellt die vorliegende Freiraumstrategie für die hier abgebildeten Handlungsfelder gleichsam unsere kommunale Strategie zur Sicherung und Entwicklung der biologischen Vielfalt in Leipzig dar. Die Ziele sind dabei – wie beschrieben
– in alle dargestellten Themenfelder integriert und werden hier nicht noch einmal
zusammengefasst. Stattdessen werden hier die übergeordneten Ansprüche formuliert, die wir unserem Handeln auch zukünftig zugrunde legen wollen.
Leipzig im Jahr 2030
Die Zielsetzung des Erhaltes der biologischen Vielfalt spielt in allen Entscheidungen zum Stadtgrün und den Gewässern eine wichtige Rolle.
Die Erhaltung und Entwicklung von ruhigen, naturnahen Bereichen sowie eine
entsprechende Nutzungsdifferenzierung und –lenkung in unseren Grünanlagen, in den Erholungsgebieten, im Wald und auf den Gewässern haben auch
für die Biodiversität eine besondere Bedeutung und konnten zum Schutz dieser beitragen.
120
Für ausgewählte, besonders bedeutende Stadt- und Landschaftsräume wie
den Cospudener See oder den Auwald wurden zukunftsorientierte Gesamtkonzepte entwickelt, in denen Erholungs- und Schutzansprüche gleichermaßen
berücksichtigt sind. Für die Parthenaue konnte auf Grundlage des Projektes
„Stadt-Parthe-Land“ ein dauerhaftes, nachhaltiges Landmanagementkonzept
entwickelt und umgesetzt werden.
Ebenso konnte auf Basis der Erkenntnisse und Praxiserfahrungen aus dem
Projekt „Lebendige Luppe“ eine Gesamtstrategie für die Entwicklung des
Leipziger Auwaldes, flankiert von einem breiten Beteiligungsprozess, erarbeitet werden.
Um naturnahe Bereiche zu unterhalten werden weiter innovative Ansätze der
extensiven oder kulturlandschaftsgerechten Bewirtschaftung erprobt. Dabei
wird auf langjährige Erfahrungen und eine ausgezeichnete Kooperation mit
wissenschaftlichen Einrichtungen in Leipzig und darüber hinaus zurückgegriffen und es können entsprechende Förderprogramme in Anspruch genommen
werden.
Die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und das Leitbild der „doppelten Innenentwicklung“ haben sich unter dem Vorzeichen des Stadtwachstums
als entscheidende Maßnahmen zur Erhaltung der Biodiversität erwiesen.
Intelligente Lösungen, die den Erhalt der Lebensqualität, die Schaffung von
Ruhe-, Rückzugs- und Erholungsräumen mit Anforderungen an den Erhalt
und die Förderung der biologischen Vielfalt verknüpfen, konnten für viele
Flächen gefunden werden. Die Lenkung von Kompensationsverpflichtungen
zur Schaffung neuer Nischen für Mensch und Natur war in diesem Sinne ein
Schlüssel zum Erfolg.
Wo es zum Schutz von Natur und Landschaft erforderlich war, konnten bestehende Schutzgebiete weiter qualifiziert werden. Im Einzelfall wurden Schutzgebiete auch erweitert oder neu ausgewiesen. Gesetzliche Anforderungen und
fachliche Erkenntisse bildeten die Grundlagen, so das Vorkommen besonderer
Arten und Lebensräume, ein zunehmender Nutzungsdruck oder der notwendige Ausgleich eines erhöhten Nutzungsdrucks in anderen Räumen.
Klimaschutz und Anpassung an den
Klimawandel
Wärmebild vom Leipziger Osten, rot die
wärmsten Bereiche
(Baugebiete).
Städte tragen aufgrund ihres hohen Energieverbrauches und Kohlendioxid-Ausstoßes zur Beschleunigung des Klimawandels bei und haben damit auch eine
besondere Verantwortung, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Gleich
zeitig sind Städte aufgrund ihrer Struktur mit verdichteter Bauweise und hoher
Flächenversiegelung schon heute im Vergleich zum Umland besonders warme,
trockene Standorte und aufgrund der hohen dichte an Infrastruktur auch besonders durch Extremereignisse gefährdet. Gerade diese Verhältnisse werden sich
im Zuge des Klimawandels weiter verschlechtern, so dass sich in Städten die
Auswirkungen des Klimawandels frühzeitig und intensiver auswirken werden
und entsprechende Anpassungsstrategien an den Klimawandel zeitnah zu entwickeln sind.
Leipzig heute
Klimaschutz Leipzig hat sich verpflichtet, die Treibhausgase langfristig
auf ein nachhaltiges Niveau von 2,5 Tonnen pro Einwohner und Jahr zu senken.
Mit dem beschlossenen Energie- und Klimaschutzprogramm 2014-2020 wurden Energieeinsparung, Energieeffizienz und Einsatz von umweltfreundlicher
Energie als zentrale Themenfelder herausgearbeitet. Die Maßnahmen konzentrieren sich insbesondere auf technische, organisatorische und kommunikative
Lösungsansätze. Sie berühren das hier behandelte Thema vor allem in Bezug auf
die energetische Verwertung von Biomasse, die auch bei der Bewirtschaftung
von Grün- und Gewässerstrukturen in Leipzig anfällt. Außerdem ist die Bindung
von Treibhausgasen durch das Stadtgrün von Bedeutung. Auch das Thema der
ressourcenschonenden und energieeffizienten Flächeninanspruchnahme bei der
Revitalisierung von Brachflächen wird dabei thematisiert.
Urbanes Grün kann im weiteren Sinne aber auch aufgrund seiner Verschattungswirkungen und der Schaffung wohnungsnaher „Klimakomfortinseln“ zum Klimaschutz beitragen. Diese Effekte können wiederum den Einsatz von Klimatisierungstechnik verringern und den Strombedarf bei zunehmender Hitze in der
Stadt drosseln helfen.
Die hier behandelten Themen der Grün- und Gewässerstrukturen in Leipzig und
ihrer Funktionen sind im Hinblick auf faktische und potenzielle Beiträge zum Kli-
maschutz, ergänzend aber auch unter umweltwissenschaftlichen, ökosystemaren Zusammenhängen zu berücksichtigen.
Insbesondere die Art der Grün- und Freiflächen sowie die Gewässer, d. h. ihre
Vegetationsstruktur, ihre Nutzung und die Art der Pflege tragen in unterschiedlichem Maße zum Klimaschutz bei. Je nach dem werden dabei unterschiedliche
Mengen an klimarelevanten Treibhausgasen freigesetzt oder gebunden. Das
heißt, auch mit einer entsprechenden standortangepassten, ressourcenschonenden Ausrichtung der Flächennutzung kann ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden.
Im Rahmen der Vulnerabilitätsanalyse der Region Westsachen im Klima-MORO
sind diese Aspekte intensiv untersucht worden. Die nachfolgenden Ausführungen gründen sich auf die Ergebnisse dieses Forschungsvorhabens und liefern
wichtige Hinweise für eine Klimaschutzorientierung. Als Ausgangpunkt werden
in der Analyse drei wesentliche, klimarelevante Wirkfaktoren von Landnutzungen, Ökosystemen und Böden benannt, die gleichzeitig Steuerungsmöglichkeiten für die Planung und das Management der Flächen und Ihrer Nutzungen
aufzeigen.
Die Landnutzungsformen sowie die Art und Struktur von Ökosystemen haben
Einfluss auf die Bindung von Kohlendioxid in organischen Kohlenstoffverbindungen durch fotosynthetische Prozesse und damit auf die Senkung der Kohlendi121
oxid-Konzentration der Luft; ferner auf den Aufbau von Kohlenstoffvorräten in
Form von Biomasse oder organischer Substanz im Boden. So können sie organisch gebundenen Kohlenstoff speichern (Speicher- bzw. Rückhaltepotenzial für
Treibhausgase),
Sie können im Umkehreffekt aber auch Zersetzungs- und Mineralisierungsprozesse von organischer Substanz befördern und damit über das natürliche Maß
hinaus zum Emittieren von Treibhausgasen beitragen (Emissionsrisiken).
Grundsätzlich binden Böden die größten terrestrischen Kohlenstoffvorräte,
wobei vor allem Böden feucht-nasser, kühler Standorte ein hohes Speicherpotenzial aufweisen. Gerade diese Böden sind entsprechend empfindlich gegenüber nutzungsbedingten Änderungen und bergen ein erhöhtes Emissionsrisiko.
Die Bewirtschaftung ist daher darauf auszurichten, die Bodenwasserverhältnisse zu stabilisieren und hat standortverträglich zu erfolgen, bzw. ist durch
Extensivierung und ggf. Nutzungsaufgabe oder naturnahe Eigenentwicklungen
anzupassen.
Das höchste Senkenpotenzial in der Region besitzen neben dauerhaft nassen
Boden (Gleye), die im Stadtgebiet eher selten sind, vor allem Böden mit wechselnden Nässe- und Trockenverhältnissen, in Leipzig insbesondere die Auenböden. Intensive Bodenbearbeitung, -umbruch oder Melioration erhöhen die Kohlenstoff-Umsatzrate in Böden erheblich und führen zu Kohlendioxid-Emissionen
aus den Böden, ebenso bewirken steigende Bodentemperaturen und sinkende
Bodenfeuchte erhöhte Kohlendioxid-Freisetzungen.
Die Art der Nutzung kann aber auch die Kohlendioxid-Bindefähigkeit in Ökosystemen oder die Anreichung von organischer Substanz befördern. Dies ist vor allem
bei naturnaher, extensiver Bewirtschaftung der Fall. Sehr hohe Kohlenstoffvorräte in Biomasse, Streu und Totholz befinden sich in Leipzig vor allem in den Wäldern. Die Wälder in den Flussauen haben diesbezüglich die größten Vorräte und
gleichzeitig das höchste Senkenpotenzial. Vitale Wälder mit struktur- und artenreichen Beständen sind auch unter Klimaschutzaspekten von großer Bedeutung.
Waldmehrung ist daher auch als Klimaschutzziel zu sehen. Eine erstes, konkret
darauf ausgerichtetes Projekt stellt zum Beispiel der Klimaschutzwald dar.
Hohe Kohlenstoffvorräte in Biomasse und Böden weisen vor allem Feuchtgebietskomplexe, Röhrichte, feucht-nasse Ruderalfluren sowie feuchte und nasse
Grünländer auf. Hier sind geringe Nutzungsintensitäten (extensives Dauergrünland, Wiesen und Weiden; Abbau von Düngeüberschüssen) und Bewirtschaftungsturni, bzw. längere Umtriebszeiten sinnvoll.
122
Insgesamt muss der Beitrag zu einer wirksamen Kohlendioxid-Minderung, der
mit den im ersten Teil behandelten Flächenkategorien und der Art Ihrer Bewirtschaftung erreicht werden kann, eher als gering eingeschätzt werden. Einen
zusätzlichen Beitrag leisten gut erreichbare Parks, Grünanlagen, Stadtplätze
und Erholungsgebiete dabei auch, indem sie vielen Stadtbewohnern Raum für
Erholung, Naturerfahrung und Sport in Wohnungsnähe bieten und im Sinne der
„Stadt der kurzen Wege“ für eine Reduzierung des Verkehrs sorgen.
Anpassung an den Klimawandel Grün- und Gewässerstrukturen können
aber nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Sie sind relevante Einflussfaktoren auf das Stadtklima selbst, wobei ihnen eine zentrale Bedeutung bei der
Anpassung der Stadtstrukturen an den Klimawandel zukommt. Dabei gilt es,
die Grün- und Gewässerstrukturen zum Beispiel durch entsprechende Pflanzenauswahl, Landnutzungen und Pflegemanagements selbst an diese verschärften
Rahmenbedingungen in Bezug auf Trockenheit, Wärme und Extremereignisse
anzupassen, damit sie sich auch unter diesen Bedingungen vital und funktionsfähig entwickeln können.
So reduzieren gehölzbestandene Flächen die Hitzebelastung durch Schattenwurf und Verdunstung am Tage sowie durch Kaltluftbildung und Luftaustausch
in der Nacht. Hier geht vor allem von Wiesenflächen eine kühlende Wirkung aus.
Diese Funktionen des Stadtgrüns werden unter den verschärften Bedingungen
des Klimawandels immer wichtiger. Dabei kann es durch die Freihaltung von
Bebauung, durch Reduzierung von Versiegelung und Verdichtung grundsätzlich
zu Zielkonflikten mit anderen Maßnahmen zum Klimaschutz kommen, wenn
etwa unter dem Motto der „Doppelten Innenentwicklung“ andererseits kompakte, verdichtete Bauweisen angestrebt werden, die flächen-, verkehrs- und
damit auch energiesparend sind (siehe Kap. Brachflächen). Hier muss das richtige Maß an Nachverdichtung und Innenentwicklung auf der einen sowie Erhaltung von Grünflächen und Gewässerstrukturen auf der anderen Seite gefunden
werden. Die Straßenraumbegrünung durch Straßenbäume, aber auch Dach- und
Fassadenbegrünungen sind unter diesem Aspekt besonders zu fördern. Besondere Bedeutung kommt dabei Grünanlagen und grünen Stadtplätzen zu. Gerade
diese kleinen Flächen und ihr Zusammenwirken - ihre Verteilung, Vernetzung
und Gestaltung - spielen für kühlende Effekte im Quartier eine besondere Rolle.
Die Sicherung und Entwicklung von Wasserflächen auch im innerstädtischen
Bereich bewirkt ebenfalls eine ausgleichende Wirkung auf die Lufttemperatur.
Die weitere Öffnung von Gewässern bleibt auch unter diesem Aspekt ein Ziel der
Zukunft.
Neben der sich verstärkenden Hitzebelastung sind im Kontext des Klimawandels
und der vorsorgenden Anpassung vor allem Strategien zur Verringerung der Auswirkungen von Extremereignissen von Bedeutung. In der Stadt geht es dabei vor
allem um die Anpassung an Starkregenereignisse und die notwendige Schaffung
von natürlichen Rückhalte- und Versickerungsflächen, die naturgemäß vor allem
mit dem Grün- und Gewässersystem im Zusammenhang stehen.
Leipzig im Jahr 2030
Extensive Landnutzungs- und Bewirtschaftungsmethoden, insbesondere im
Leipziger Auwald sowie auf den auengeprägten Grünlandstandorten, tragen
dazu bei, dass das Senkenpotenzial dieser Ökosysteme optimal genutzt wird.
Das Bedürfnis der Stadtbewohner nach Abkühlung in den Sommermonaten steigt weiterhin und erhöht damit den Nutzungsdruck auf das Grün- und
Gewässersystem. Dem gestiegenen Bedarf an schattenspendender Vegetation und an Gewässern (Badegewässern) kann mit dem weiterhin verfolgten
Ansatz der Neu- und Nachpflanzung von Straßen- und Parkbäumen und durch
vitale Waldflächen sowie durch das ausgebaute Gewässernetz mit gestiegener
Wasserqualität begegnet werden.
Besonders von Überhitzung betroffene Quartiere können durch regelmäßige
Stadtklimauntersuchungen identifiziert werden, ebenso wie die relevanten Kaltluftenstehungsgebiete und Frischluftbahnen, die differenziert zu
betrachten sind. Die daraus gewonnen Erkenntnisse werden stadtplanerisch
umfassend berücksichtigt und entsprechender Handlungsbedarf identifiziert
und umgesetzt. So wurden erste zusätzliche sogenannte Klimakomfortinseln
in Form von begrünten Stadtplätzen und urbanen Waldinseln auf ehemaligen
Brachflächen gezielt entwickelt.
Die notwendige Anpassung an den Klimawandel hat starke Auswirkungen auf
die Pflanzenauswahl in der Stadt. Die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Auswirkung des Klimawandels auf die städtische Vegetation werden
intensiv verfolgt. Die Auswahl stadtklimaverträglicher Baum- und Pflanzenarten wird entsprechend erprobt und bei Bedarf angepasst. Dabei wird auch
der Anspruch zur Verwendung heimischer Arten berücksichtigt, so dass eine
vielfältige, anpassungsfähige Pflanzenzusammensetzung und Baumartenwahl gewährleistet ist.
Auch bei der Auswahl von Bodenbelägen für Wege und Plätze im öffentlichen Grün und entlang der Gewässer werden Anpassungen unter Berücksichtigung der Gestaltqualität der Anlagen vorgenommen, so zum Beispiel durch
die vorrangige Verwendung von hellen Bodenbelägen, wasserdurchlässigen
Materialien sowie die Versickerung des Oberflächenwassers in angrenzende
Vegetationsflächen.
Der Rückbau von versiegelten Flächen wird auch im öffentlichen Grün, insbesondere aber im Rahmen des Kompensations- und Brachflächenmanagements, weiter betrieben. Dabei wird wiederum ein ausgewogenes Verhältnis
von Nachverdichtung unter Klimaschutzaspekten und Freiraumsicherung
auch auf Brachflächen mit dem Ziel der Anpassung an den Klimawandel,
sprich eine doppelte Innenentwicklung angestrebt.
Waldmehrung findet weiterhin statt und es ist gelungen, die Grünlandflächen
in den Auen zu erhalten bzw. teilweise sogar von ackerbaulicher Nutzung wieder in eine extensive Grünlandnutzungzurückzuführen.
Wo es Nutzungsart und -intensitäten sowie gestalterischer Anspruch und
Werterhaltungsmaßnahmen zulassen, wird auch in Parkanlagen und Erholungsgebieten eine extensive Nutzung verfolgt und organisches Material
(Laub, Äste etc.) in den Flächen belassen.
Weiterhin anfallendes Landschaftspflegematerial, d. h. die Biomasse, die insbesondere bei Gehölzpflege, Waldbewirtschaftung, Wiesenmahd und in der
Gewässerunterhaltung anfällt, wird zu 100 Prozent verwertet. Aufbauend auf
den Erfahrungen aus dem 2015 etablierten interkommunalen Modellgebiet
zum Kulturlandschaftsmanagement in der Parthenaue konnten ökonomisch
tragfähige Wertschöpfungsketten mit unterschiedlichen, auch energetischen
Nachnutzungspfaden aufgebaut werden.
Um Extremereignissen besser zu begegnen, sind auch an den Gewässern II.
Ordnung Retentionsräume geschaffen worden, die die Wasserrückhaltung in
der Landschaft verbessern und damit nicht nur dem Menschen dienen, sondern wichtige Funktionen für Flora und Fauna erfüllen. Auch über das Jahr
anderweitig genutzte Flächen (z. B. Platzflächen) konnten, dort wo keine Flächen zur Wasserrückhaltung zur Verfügung stehen, zum Teil so umgebaut
werden, dass sie bei Starkregenereignissen gezielt geflutet werden können,
ohne Schaden zu nehmen.
123
Stadtgrün und Gewässer
als Wirtschaftsfaktor:
Ökonomische Aspekte
124
tourismus
Die grün-blaue Infrastruktur der Stadt dient in erster Linie der Erhaltung der
Lebensgrundlagen, der Herstellung lebenswerter Umweltbedingungen sowie
der Verbesserung der Lebensqualität für die Bevölkerung. Darüber hinaus tragen Struktur und Qualität sowie die Nutz- und Erlebbarkeit des Stadtgrüns und
der Gewässer in einem hohen Maße zur Außenwirkung der Stadt bei. „Grün“ und
„Blau“ haben das Potenzial, wichtige Magneten für die Besucher Leipzigs zu sein.
Eine lebendig grüne Stadt am Wasser sendet positive Signale nach außen und
zieht Touristen an.
Der Zoo als einer der
touristischen Magneten der Stadt ist über
das Zoofenster im
Rosental mit dem öffentlichen Stadtraum
verknüpft.
Leipzig heute
Große Anziehungskraft geht heute von den starken Elementen des Naturraumes
Leipziger Auwald und des Leipziger Neuseenlandes sowie von der Kombination
der Reize der kulturvollen Stadt Leipzig mit dem kulturlandschaftlich, in Folge
des Bergbaues aber gleichzeitig neu geprägten Umland aus. Auch die Profilierung
der Themen Landschaftswandel und Industriekultur bieten weitere touristische
Potenziale. Diese Zusammenhänge sind am eindrucksvollsten über die grüne und
blaue Infrastruktur zu erleben.
Alleinstellungsmerkmale Auch für die verschiedenen Sonderinteressen
bietet die Stadt geeignete Ziele. Das gartenkulturell interessierte Publikum findet historisch bedeutsame Anlagen wie den Promenadenring und den Johannapark, den Alten Johannisfriedhof, den Südfriedhof oder die Schreber-Anlage vor.
Touristen, die Beispiele innovativer Stadtentwicklung der jüngeren Vergangenheit suchen, finden in Leipzig Freiräume von hoher Aussagekraft – etwa im Leipziger Westen. „Notenspur“ und „Notenrad“ locken musikinteressierte Menschen
nicht zuletzt in die Freianlagen.
Eine nachhaltige Nutzung und Erschließung dieser Potenziale gelingt nur, wenn
sie zugleich erhalten werden können. In Bezug auf die Grün- und Gewässerstrukturen heißt dies insbesondere, dass nur solche Strategien zum Erfolg führen,
welche das Landschafts- und Naturraumpotenzial schonen und auf nachhaltige
Weise touristisch nutzen.
Wassertourismus
Die touristische Entwicklung der Leipziger Gewässer
erfolgt auf Grundlage des Wassertouristischen Nutzungskonzeptes (WTNK) und
im Kontext des Tourismuswirtschaftlichen Gesamtkonzeptes für die Gewässer
im mitteldeutschen Raum (TWGK). Mit der Umsetzung der ersten von insgesamt acht Wasserwanderkursen und der Errichtung der Schleusen Cospuden und
Connewitz, welche die Verbindung mit dem Leipziger Neuseenland herstellen,
hat die wassertouristische Nutzung die gewollte enorme Entwicklung aufgenommen. Dies sind die ersten Schritte im Rahmen der Umsetzung des WTNK.
Weitere Baumaßnahmen wie der Ausbau des Stadthafens, die Anbindung des
Saale-Elster-Kanals an den Lindenauer Hafen und die Errichtung der MARINA
Leipzig-Lindenau sollen folgen.
Unter Jugendlichen haben sich wiederum andere Anziehungspunkte im Freien
etabliert. Stadträume wie die Sachsenbrücke, der Stadthafen, der Fockeberg oder die Außenanlagen an der Moritzbastei sind weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Aufenthalts- und Betätigungsräume, besonders in den
Sommermonaten.
Foto Seite 124:
Infolge der Sanierung
der Gewässer ist das
Erlebnis der Wasserseite Leipzigs eine
touristische Attraktion geworden.
Aus der touristischen Bedeutung erwachsen wiederum besondere Anforderungen an den Erhaltungs- und Pflegezustand der Grünflächen und Gewässer.
Entsprechend existieren eine Reihe weiterer Anlagen, die Potenziale für einen
Park- und Gartentourismus bieten, wenn ihre ursprüngliche Formensprache,
Attraktivität und Qualität durch entsprechende Pflanzungen und Pflege wieder
in Szene gesetzt werden könnte.
125
In touristischer Hinsicht gibt es aber gerade hinsichtlich der grünen und gewässerreichen Stadt nicht nur Qualitätsanforderungen an Gestalt und Unterhaltung,
die zu erfüllen sind, sondern auch bezüglich der Steigerung von Bekanntheitsgrad und Vermarktung sind weitere Potenziale vorhanden. Es ist über die Stadtgrenzen und die Region hinaus zu wenig publik, dass Leipzig über ein attraktives
Grünsystem und zahlreiche Gewässer in der Stadt und im Umland verfügt. Das
Image einer grünen Stadt am Wasser spielt bei der Außenwahrnehmung Leipzigs
bislang keine große Rolle.
Dabei gilt es in diesem Bereich auch zukünftig weniger auf große „Events“ im
Grünen oder Großereignisse zu setzen, die sich in Ihrer Nachhaltigkeit bisher
nur selten bewährt haben. Vielmehr muss die Beständigkeit und Erlebbarkeit
im authentischen Kontext des Lebens in Leipzig dargestellt werden. Die Neuen
Medien spielen im Zuge dieser Außendarstellung eine besondere Rolle, sind sie
es doch, in denen das Image von Städten und Regionen heute geprägt wird - insbesondere bei jungen Menschen.
Der Karl-Heine-Kanal
ist aus dem touristischen Angebot der
Stadt nicht mehr wegzudenken.
Die grün-blaue Infrastruktur im Leipziger
Westen ist für Bewohner
wie Gäste der Stadt gleichermaßen attraktiv.
126
Leipzig im Jahr 2030
Leipzig wird international als eine lebendig grüne Stadt am Wasser wahrgenommen und geschätzt. Die Stadt ist Teil eines attraktiven Erholungsgebietes
in Mitteldeutschland und hat sich zu einer angesagten Urlaubsadresse für inund ausländische Touristen entwickelt. Die touristische Entwicklung und Vermarktung erfährt aus dem Bereich des Stadtgrüns und der Gewässer massive
Unterstützung.
Die Verbindung von historischer und zeitgenössischer Landschaftsarchitektur mit dem Auwaldgürtel inmitten der Stadt sowie der an der Industriekultur ausgerichteten Landschaftsgestaltung im Leipziger Neuseenland hat sich
zu einer Adresse für Garten- und Parktouristen, aber auch Naturtouristen
entwickelt.
Ziel war und ist eine für Natur und Umwelt, aber auch für die Lebensqualität
der Menschen verträgliche, ressourcenschonende Entwicklung des Tourismus
in der Stadt und im Umland.
Für die zentralen Bereiche des Auwaldes und des Leipziger Neuseenlandes
wurde gemeinsam mit allen Akteuren eine Gesamtstrategie entwickelt, um
weiter in Richtung eines umweltverträglichen, zukunftsfähigen und damit
nachhaltigen Tourismus zu steuern. Diese Strategie beinhaltet ein entsprechendes Zonierungskonzept bis hin zu nutzungsfreien Bereichen. Sie gründet sich auf eine laufende Beobachtung der aktuellen Entwicklungen und eine
entsprechende Betrachtung von möglichen Alternativen.
Der Wassertourismus hat sich auf Grundlage der Charta Leipziger Neuseenland 2030 sowie des Masterplanes 2030 und der Schlüsselprojekte aus dem
„Tourismuswirtschaftlichem Gesamtkonzept für die Gewässer im mitteldeutschen Raum“ (TWGK) zu einem spürbaren Wirtschaftsfaktor in der Region
entwickelt.
Die Anbindung des Leipziger Gewässernetzes an die Saale über den SaaleElster-Kanal mit einem innovativen Schiffshebewerk konnte weiter konkretisiert werden und steht kurz vor der Realisierung.
Mit der Anbindung der Stadt Leipzig an den Markkleeberger und den Störmthaler See auf der einen sowie an den Cospudener und den Zwenkauer See auf
der anderen Seite haben sich generationsübergreifende Attraktionen herausgebildet, die verschiedenste Freiräume und bergbaulich begründete Gewässer
der Stadt und der Region miteinander verbinden.
Die Kombinationsmöglichkeiten von wasser- mit städtetouristischen und
naturbezogenen Angeboten konnten zu einem Alleinstellungsmerkmal der
Gewässerlandschaft im mitteldeutschen Raum ausgebaut werden. Aber auch
die wassertouristischen Aktivitäten an sich bieten eine große Bandbreite. Das
Zielgruppenspektrum, das damit angesprochen wird, ist umfassender als in
vielen anderen Urlaubsregionen.
Die Elektromobilität hat sich im gesamten Leipziger Neuseenland etabliert
(Fahrgastschiffe und Verleihboote). Diese Ausstattung wird ergänzt durch
Elektromobilitätsangebote des ÖPNV, von E-Bikes und elektrisch angetriebenen PKW. Verbrennungsmotoren sind auf den Gewässern der Stadt und auch
im Leipziger Neuseenland nicht mehr erlaubt. Diese Entwicklung war die Basis
dafür, das Label einer klimaneutralen Tourismusregion zu erlangen. Es wird
durch ein weitreichendes Konzept für klimafreundliche Mobilität, regionale
Kreislaufwirtschaften und Verbraucherfreundlichkeit mit nachvollziehbaren
und überprüfbaren Indikatoren ergänzt.
Durch die intermodulare Vernetzung des gesamten Leipziger Neuseenlandes
einschließlich der Stadt Leipzig sind ideale Voraussetzungen zur Nutzung der
Gewässerlandschaft und des Grünsystems gegeben (ÖPNV, Rad- und Fußverkehr, Teilautos usw.).
Fachkongresse und andere, auf das Stadtgrün und Gewässer bezogene Veranstaltungen tragen zur Investitionsfreudigkeit in der Stadt und in der Region
bei und stärken den Status Leipzigs als Kongressstadt.
Die MARINA Leipzig-Lindenau hat sich aufgrund der guten Erreichbarkeit und
des eingerichteten Bootsshuttles zum ausgebauten Stadthafen zu einem interessanten Einstiegsort für Bustouristen in das Leipziger Gewässernetz und als
Zwischenstop für den Bootsverkehr entwickelt.
127
Wertschätzung und Wirtschaftlicher
Ertrag
Im ersten Teil der vorliegenden Strategie sind für die einzelnen Grünflächenkategorien und Gewässer auch die Funktionen dargestellt worden, die diese für die
Stadtbevölkerung in Leipzig übernehmen. Der Beitrag, den sie zur Lebensqualität
in Leipzig liefern, ist insbesondere in den im zweiten Teil thematisierten sozialen
und kulturellen Aspekten, aber auch in den ökologischen Leistungen im Kontext
von Daseinsvorsorge, Biodiversität und Klimaschutz deutlich geworden.
Diese Leistungen, welche die grüne und blaue Infrastruktur erbringt, sind dabei
nur schwer mess- oder bezifferbar und erst recht - trotz zahlreicher Versuche kaum in monetäre Werte zu fassen. In der Wissenschaft werden diese Leistungen, welche urbanes Grün und Gewässer für den Menschen erbringen, aktuell
unter dem Begriff der „Ökosystemdienstleistungen“ diskutiert. Das Ziel ist es,
diese Dienstleistungen systematisch zu bewerten, um bessere Argumente für
deren Erhaltung zu haben. Denn aufgrund des Fehlens bezifferbarer Werte ist die
Wertschätzung, die den mit Grünstrukturen belegten Flächen entgegengebracht
wird, häufig zu gering. Sie können gegenüber konkurrierenden Nutzungen, deren
wirtschaftliche Effekte sich scheinbar leichter kalkulieren lassen, im Zuge des
Wachstums schwer bestehen.
Wohnlagen am Wasser
gehören zu den begehrtesten Wohnformen,
ebenso das Wohnen in der Nähe des
Stadtgrüns.
Leipzig heute
Umfragewerte Ein Gradmesser für den Wert städtischer Grün- und Gewässerflächen sind Umfragen und Erhebungen. Wenn Gründe für die Wahl eines
Wohn- und Lebensumfeldes benannt werden, nimmt die Nähe zum „Grün“ oder
„Blau“ stets vordere Ränge ein. Die Menschen wollen gerne am Park oder am
Wasser oder zumindest in deren Nähe wohnen. Die Erhöhung des monetären
Wertes von Grundstücken in der Nähe neu geschaffener oder revitalisierter Parks
und Grünanlagen ist ebenfalls eine Erkenntnis von stets aktueller Bedeutung:
Anrainer profitieren von den städtischen Aktivitäten zur Anlage und Unterhaltung städtischen Grüns.
Die Anlage des Henriettenparks auf einer
Industriebrache hat
Impulse für die Sanierung des umliegenden
Quartiers gegeben.
128
Die Wertschätzung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Gäste der Stadt gegenüber dem Stadtgrün und den Gewässern drückt sich jedoch in erster Linie nicht
in den (durchaus vorhandenen) verbalen Äußerungen und Umfragen, sondern
zuvorderst in deren Inanspruchnahme und Nutzung aus. Die für das Publikum
kostenfreie, für die Stadt jedoch keineswegs kostenlose grüne und blaue Infrastruktur Leipzigs ist eine Sozial- und Kulturleistung per excellence. In ihr spiegelt
sich soziales Selbstverständnis der Stadtgesellschaft wider.
Die Zufriedenheit der Bevölkerung mit ihren öffentlichen Grünanlagen ist regelmäßig Gegenstand der kommunalen Bürgerumfrage in Leipzig. Die Ergebnisse
liefern wichtige Orientierungen zum Handlungsbedarf und zu Bürgerwünschen.
Wie wichtig waren bei der Suche Ihrer neuen Wohnung / Haus folgende Lagemerkmale? (Auswertung nach Alter der Befragten)
Wanderungsbefragung 2014
sehr wichtig
0%
10%
20%
30%
eher wichtig
40%
teils/teils
50%
eher unwichtig
60%
70%
unwichtig
80%
90%
100%
Lage der Wohnung insgesamt
gute Anbindung an Bus und Bahn
Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten
Nähe zu Parks und Grünanlagen
genügend Parkmöglichkeiten
Nähe zur Arbeitsstelle bzw.Ausbildungsstelle
Ordnung und Sauberkeit im Wohngebiet
Verwandte oder Freunde in der Nähe
Ruf des Wohngebietes
Nähe zu Kindergarten / Schule
vielfältige kulturelle Szene in der Nähe
Auszug aus der Wanderungsbefragung (2014).
Freizeit-/Spielangebote für Kinder
und Jugendliche
Die Nähe zu Parks und
Grünanlagen hat eine
hohe Relevanz bei der
Wahl einer Wohnlage für
die Befragten.
Freizeitangebote für Senioren
Die Zufriedenheit mit den öffentlichen Grünanlagen und Parks ist in den letzten Umfragen stetig gestiegen. Laut einer Bürgerumfrage im Jahr 2014 waren 82
Prozent der Leipzigerinnen und Leipziger „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“ mit
dem städtischen Grün, dem Ausbau der Erholungsgebiete (ebenfalls 82 Prozent)
und dem Zustand der Gewässer (72 Prozent). Damit nehmen diese drei Themen
Spitzenplätze bei der Zufriedenheit ein - sowohl was die gesamte Bürgerschaft
betrifft als auch in Bezug auf die einzeln ausgewerteten Gruppen „junge Erwachsene“, „Eltern“ und „ältere Erwachsene“. Bei der Frage „Sparen oder Nicht-Spa-
ren“ wird der Themenbereich „Naherholung, Grünanlagen, Parks“ 2014 weiterhin dem Block „Nicht Sparen“ zugeordnet. Im internationalen Vergleich ist die
Zufriedenheit der Leipzigerinnen und Leipziger mit den öffentlichen Freiräumen
relativ hoch, wie unter anderem die EU-Umfrage zur Lebensqualität in europäischen Städten aus dem Jahr 2009 bestätigt. Solche Umfragen liefern Argumentationshilfen, wenn weiche Faktoren in scheinbar ökonomisch orientierten Diskussionen nicht akzeptiert und Entscheidungen gegen Freiräume und naturnahe
Gewässer gefällt werden. Die Bewertung von Grünflächen und Gewässern durch
129
Grundstücks-Wertsteigerungen Nachweisbar und messbar ist hingegen die Wertsteigerung benachbarter Grundstücke aufgrund der Existenz öffentlichen Grüns oder von Gewässern. Diese Auswirkungen sind seit langer Zeit
bekannt und wurden zum Teil zur Refinanzierung bei der Anlage und Unterhaltung von Grünanlagen eingesetzt.
die Menschen ist stark von emotionalen Komponenten geprägt. Lebensqualität
durch Wohlbefinden, die Möglichkeit, Sport im öffentlichen Raum treiben zu
können, hier Freunde zu treffen und vieles mehr - dies lässt sich kaum in messbare Werte fassen.
Wirtschaftliche Erträge Der wirtschaftliche Ertrag ist nicht der ausschlaggebende Maßstab für die Bedeutung und Leistungsfähigkeit unseres Grünund Gewässersystems. Doch gibt es auch Bereiche, welche Erträge erwirtschaften - wie die Forst- und die Friedhofsverwaltung. Auch in diesen Bereichen sind
die nicht messbaren Werte gleichermaßen in Entscheidungen einzubeziehen.
In den meisten Fällen lässt sich aber kein eindimensionaler, kausaler Zusammenhang mit der Wertsteigerung von Immobilien darstellen, da diese Steigerung in
der Regel von vielen Faktoren abhängig ist. Dennoch ist die Wertzunahme unbestritten, davon zeugt schon alleine der massive Einsatz des Faktors Grün in der
Werbung, gerade im Immobiliensektor. Und auch unterschiedliche Befragungen
zur Wahl von Wohnstandorten weisen nach, dass die Nähe zu Grün und Parkanlagen einen der wichtigsten Entscheidungsfaktoren darstellt.
So kann zum Beispiel für den Wald zwar der Wert des vermarkteten Holzes und
damit die ökonomische Funktion des Stadtwaldes beziffert werden. Der Wert
des Waldes als Erholungsraum, der für die Leipziger und Leipzigerinnen viel
bedeutender ist, oder auch der Beitrag zum Klimaschutz, kann dagegen kaum
gemessen und in Zahlen oder gar in Euro ausgedrückt werden, auch wenn sich bei
letzterem bereits der Geldwert für die Kohlendioxid-Senkenfunktion des Waldes
berechnen lässt.
Holzentnahme im Leipziger Auwald
Und auch unsere Friedhöfe in Leipzig sind wichtige Orte der Erholung, deren Wert
sich nicht an den Einnahmen aus der Gebührenordnung festmachen lässt. Ebenso
lässt sich der Wert der Kleingartenanlagen kaum über die Pachtzinseinnahmen
oder über den Beitrag zur Selbstversorgung mit Lebensmitteln bemessen.
130
Ähnliche Effekte hat in Leipzig auch die Nähe zu Gewässern. Mit der Offenlegung der Mühlgräben erhalten die anliegenden Stadtviertel nicht nur ein neues
Gesicht. Die Wasserbaumaßnahmen führen, wie bereits an vielen Stellen in
Leipzig sichtbar, zu einer maßgeblichen Aufwertung der umgebenden Wohnquartiere. Diese Attraktivität spiegelt sich in den hochwertigen Neubauten und
Sanierungen entlang der geöffneten Gewässerabschnitte wider. Wasserlagen
von Grundstücken sind heute in Leipzig äußerst begehrt, was sich in Kauf- oder
Mietpreisen niederschlägt.
Im Auftrag der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz wurde im Forschungsvorhaben „Bedeutung von Freiräumen und Grünflächen in deutschen Groß- und
Mittelstädten für den Wert von Grundstücken und Immobilien“ eine repräsentative Datengrundlage erarbeitet, mit deren Hilfe ökonomische Effekte auf den
Bodenrichtwert verdeutlicht werden konnten. An dieser Studie hat sich auch die
Stadt Leipzig beteiligt. In einer speziellen Auswertung wurde durch die Autoren
das Resümee gezogen, dass auch für Leipzig die Wirkungen von Freiräumen auf
den Grundstückswert nachweisbar und quantifizierbar sind. Je nach Voraussetzung, Funktion und Ausstattung können einzelne Freiraummerkmale den Grundstückswert um bis zu ca. 30 Prozent beeinflussen. Dabei messen die Autoren den
Aktivitäten der Grünflächenämter in Bezug auf Pflegeintensität, Aufenthaltsqualität und Gestaltungsintensität höchste Bedeutung für die Wirkung der Freiräume auf den Grundstückswert bei.
Und auch über die Immobilienwirtschaft hinaus wird mit dem Stadtgrün geworben, wie zahlreiche Beispiele zeigen. Für Veranstaltungen und auch für Produkte
bedient sich die Wirtschaft nur zu gern der Parks oder der Gewässer als Kulisse.
in dem der aktuelle Kenntnisstand zu den Beiträgen der Stadtnatur für gesunde
städtische Lebensverhältnisse aufbereitet worden ist. Auch daraus lassen sich
wichtige Argumentationslinien entnehmen, was „Grün“ und „Blau“ in der Stadt
wert sind.
Leipzig im Jahr 2030:
Bienenhaltung im
Stadtpark.
Sowohl von den Immobilienpreisen als auch von der Lagegunst bestimmter
gewerblicher Einrichtungen in Park- oder Gewässernähe profitieren aber vor
allem einzelne Personen, Betriebe oder Institutionen. Grüne und blaue Infrastruktur stellt in diesem Kontext primär einen individuellen Wert dar, obwohl das
öffentliche Grün dem Wesen nach auf das Gemeinwohl ausgerichtet ist. Schon
darin zeigt sich die Problematik derartiger ökonomischer Bewertungsansätze, die
immer nur begrenzte Hilfskonstrukte sein können, um den Wert ansatzweise zu
verdeutlichen. Die Tatsache, dass Mieter und Käufer von Wohnungen für Lagen
am Grün und an den Gewässern höhere Preise zu zahlen bereit sind, drückt direkt
aus, dass diesen ein hoher Wert beigemessen wird. Diese Argumentationslinie,
untersetzt mit konkreten Zahlen und Preiszusammenhängen, kann für planerische- und politische Entscheidungen durchaus hilfreich sein, obwohl der Wert
von Grün und Gewässern damit eine recht eindimensionale Betrachtung erfährt.
Wert der Gesundheit Ein weiteres Themenfeld, das eindrücklich den Wert
von Grün in der Stadt verdeutlich und Kostendimensionen auf volkswirtschatlicher Ebene aufzeigt, ist das Thema Gesundheit. Der fundamentale Beitrag des
Stadtgrüns und der Gewässer zur Gesunderhaltung der Bevölkerung ist heute
unbestritten und wird in der jüngeren Vergangenheit vor dem Hintergrund der
gesellschaftlichen Entwicklung, des demographischen und des klimatischen
Wandels wieder intensiver diskutiert (vgl. Kap. Passive Erholung).
Das Amt für Stadtgrün und Gewässer hat sich daher an einem Forschungs- und
Entwicklungsprojekt des Bundesamtes für Naturschutz mit dem Titel „Grün,
natürlich gesund: Die Potenziale multifunktionaler städtischer Räume“ beteiligt,
Die wissenschaftliche Diskussion um Ökosystemdienstleistungen, an denen
sich auch das Amt für Stadtgrün und Gewässer als Praxispartner in unterschiedlichen Forschungsprojekten beteiligt hat und die auch zur Vermittlung
der Werte im Projekt „Lebendige Luppe“ eingesetzt wurde, hat gezeigt, dass
diese Funktionen und Leistungen der grünen und blauen Infrastruktur nur
sehr begrenzt monetär fassbar sind.
Über intensive Kommunikations- und Beteiligungsprozesse ist es gelungen,
den Wert des Grüns und der Gewässer für das Leben in Leipzig darzustellen
und zu vermitteln. Ökologische, soziale und nicht zuletzt kulturelle Werte
wurden dabei berücksichtigt.
Ausgehend von dieser gestiegenen Wertschätzung setzt sich die Stadtgesellschaft in Leipzig seit Jahren kreativ mit Lösungsansätzen zur Bereitsstellung
von Ressourcen zur Erhaltung unserer wertvollen Kulturlandschaft auseinander. Auf Grundlage der Erkenntnisse aus dem Projekt „Stadt-Parthe-Land“
konnten Ideen für neue Wertschöpfungsketten auch auf andere Landschaftsräume der Stadt übertragen und umgesetzt werden.
Infolge dieser Erkenntnisse werden in planerischen und politischen Entscheidungsprozessen ebenso wie in Haushaltsdebatten um Kosten-Nutzen-Rechnungen auch weiche Faktoren und Indikatoren in die Abwägung für oder
gegen die Grün- und Gewässerentwicklung einbezogen. Die Wertschätzung ist
damit sogar gestiegen.
Wo sich individuelle Wertsteigerungen, insbesondere in Form von betriebswirtschaftlichen Zusatzgewinnen, auf die Nutzung besonderer Lagegunst im
öffentlichen Grün zurückführen lassen, konnten die Gewerbetreibenden überzeugt werden, freiwillig einen Beitrag zum Erhalt dieses öffentlichen Gutes zu
leisten, von dem sie privat profitieren.
131
132
DrittER TEIL: Das Management von Stadtgrün und Gewässern
133
134
Grünflächenmanagement
und Monitoring
zukünftig nur im Einzelfall möglich sein, vor allem wenn neue Siedlungsgebiete
hinzukommen. Daher stehen insbesondere Fragen der Vernetzung vorhandener
Anlagen sowie die Werterhaltung, Qualifizierung und gegebenenfalls erforderliche Funktionsanpassungen und -änderungen des Bestandes im Fokus.
Unter den dargestellten Rahmenbedingungen wachsen gerade die bestandsorientierten Managementaufgaben infolge der sich permanent erhöhenden Nutzungsintensität in den Anlagen an. Erhöhte und veränderte Nutzungsanforderungen, das daraus resultierende Pflege- und Sauberkeitsmanagement und die
Pflegeintensität in den Bestandteilen des Freiraumsystems sind die Themen,
die an Bedeutung gewonnen haben. Denn jeder Garten oder Park, jeder Friedhof
oder Landschaftsteil benötigt kontinuierliche Pflege, um den an das Stadtgrün
und die Gewässer gestellten Anforderungen zu genügen und um in seinem Wert
erhalten zu werden.
Das Grünflächenmanagement ist eine der übergeordneten Kernaufgaben des
Amtes für Stadtgrün und Gewässer in Leipzig.
Definition Nach der Definition der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz
(GALK) aus dem Jahr 2012 umfasst Grünflächenmanagement „ganzheitlich alle
ökologischen, ökonomischen und sozialen Aufgaben, die mit der Versorgung und
Gestaltung einer Stadt mit Grün(-flächen) und deren Pflege zusammenhängen.
Es ist die obligatorische Aufgabe eines Eigentümers von Grün, sich um Bedarfsfeststellung, Marktanalysen, Qualitäts- und Quantitätsvorgaben (-ziele), Ausstattungs- und Gestaltungsstandards, Wirtschaftlichkeitsfragen, Pflege- und
Entwicklungsziele etc. zu kümmern.“
Dabei hat sich das Management an den Zielen der jeweiligen Flächenfunktionen
sowie der übergeordneten Funktionen im gesamtstädtischen Kontext auszurichten und ist insofern nicht nur nach dem aktuellen Stand des technischen Wissens laufend weiter zu entwickeln, sondern auch an geänderte Anforderungen
der Stadtgesellschaft anzupassen.
Leipzig Heute
Mit der hier vorliegenden Freiraumstrategie wird eine umfassende Grundlage für
ein zukunftsorientiertes und nachhaltiges Grünflächenmanagement in Leipzig
geschaffen. Es geht in allen Themenfeldern darum, den Schutz, die Erhaltung
und die Entwicklung der uns überkommenen Freiräume zu gewährleisten und
das Grünsystem Leipzigs zielorientiert weiter zu entwickeln. Hier werden daher
sowohl das Aufgabenfeld des strategischen, als auch wesentliche Aspekte des
operativen Managements abgebildet.
Um dies umfassend gewährleisten zu können, ist neben der entsprechenden
Qualifikation und Fortbildung der in diesem Themenfeld tätigen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter auch ein detaillierter Kenntnisstand über den aktuellen Zustand
der Flächen erforderlich. Nur mit dieser Kenntnis kann negativen Erscheinungen
vor Ort entgegen gewirkt, können positive Entwicklungen unterstützt und weitergeführt werden. Im Abgleich und unter Fortschreibung übergeordneter Leitbilder sind entsprechende Konzeptionen für einzelne Flächen und Anlagen zu
entwickeln.
Dieses Kapitel konzentriert sich daher im Wesentlichen einerseits auf die Darstellung des Selbstverständnisses eines ganzheitlichen Ansatzes. Zum anderen
werden Zielsetzungen im Hinblick auf die zu schaffenden Rahmenbedingungen
formuliert, um der Aufgabe unter den Vorzeichen der wachsenden Stadt und der
bereits thematisierten Wandlungsprozesse (demographischer Wandel, Klimawandel etc.) gerecht zu werden.
Dabei sind für die Stadt Leipzig Fragen von Unterhaltung und Bewirtschaftung,
wozu auch die Sauberkeit gehört, sowie Instandhaltung und Sanierung des
Stadtgrüns und der Gewässer als die vordergründigen, kontinuierlich bestehenden Aufgaben der Zukunft zu sehen. Eine gezielte Erweiterung des Grün- und
Freiraumsystems ergänzt dieses auf den Bestand ausgerichtete Handlungsfeld,
wird aber aufgrund der steigenden Flächennachfrage für bauliche Nutzungen
Foto Seite 134:
Bei den Pflegearbeiten in den öffentlichen
Freiräumen kommen, so
weit möglich, Maschinen
zum Einsatz.
Ausgangspunkt dafür ist das seit den 1990er Jahren genutzte Grünflächeninformationssystem (GRIS), das derzeit Schritt für Schritt für die einzelnen Flächenkategorien und Aufgabenstellungen mit dem geografischen Informationssystem
(GIS) verknüpft wird, um flächenbezogene Informationen als Managementgrundlage liefern zu können. Dieses Informationssystem gilt es zukünftig mit
entsprechend handlungsbezogenen Informationen zur Unterhaltung und Pflege
aus dem System der Flächenbewirtschafter zu verzahnen. Dies sind der Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig, der aktuell 806 Hektar öffentliches Grün und 49.266
Straßenbäume bewirtschaftet. Ferner pflegen die städtischen Bauhöfe 90 Hektar öffentliches Grün und 11.893 Straßenbäume. Hinzu kommen die Stadtforsten,
135
Effektive Laub
beräumung im Park mit
einem Laubsammler.
hier die Schnittstellen zwischen dem Amt für Stadtgrün und Gewässer mit der
Kernzuständigkeit für „Planen“ und „Bauen“ und der Abteilung Grünanlagen im
Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig sowie den Bauhöfen für „Pflegen“ liegen.
Darüber hinaus ist die enge Zusammenarbeit mit der gesamtstädtischen Fachplanung erforderlich. Diese Aufgabe übernimmt in Leipzig das Sachgebiet Landschafts- und Grünordnungsplanung im Stadtplanungsamt.
Die Qualitätssicherung in den Freiräumen der Stadt ist in hohem Maße eine Frage
der Pflege. Diese wird hier umfassend verstanden im Sinne von Werterhaltung.
Sie ist dauerhaft auf einen Zustand orientiert, der eine funktionsfähige Anlage in
ihren Werten nachhaltig sichert. Damit verbunden sind Anpassungen an sich veränderte Nutzungsansprüche, auf die mit entsprechenden Maßnahmen reagiert
wird.
Dabei beginnt die Qualitätssicherung für das Grün bereits entscheidend bei
der Planung, die verantwortlich ist für das spätere Funktionieren einer Anlage,
aber auch grundsätzlich die späteren Bewirtschaftungskosten festlegt. Die
Einflussmöglichkeiten auf die Pflegekosten sind für eine gut funktionierende
Bewirtschaftung vergleichsweise gering. Stärkere Aufwandsreduzierungen können dann in der Bewirtschaftung in der Regel nur noch durch Abbau der Ausstattungen oder Rücknahme von intensiver Bepflanzung erreicht werden, und
beeinträchtigen dann häufig auch die Substanz und damit die Funktionalität der
Anlagen. Daher hat die Planung auch bereits Aspekte der effizienten „Bewirtschaftbarkeit“ im Sinne der nachhaltigen Sicherung und Finanzierbarkeit der
Zweckverbände, der Stadtverband der Kleingärtner und beauftragte Dienstleister. Nur mit einem übergeordneten System kann in Zukunft der erforderliche
Informationsfluss, d. h. der Austausch und die Verarbeitung bis hin zur Beauftragung der Maßnahmen und Leistungen effektiv gewährleistet und überprüft,
sprich organisiert werden.
Dieser ständige Informationsfluss ist durch ein gezieltes gesamtstädtisches
Monitoring zu flankieren, um auch die Gesamtentwicklung gemäß der formulierten Ziele für die einzelnen Flächen sichern und entwickeln zu können. Prioritäten
liegen hier im Zustands- und Nutzungsmonitoring des Grün- und Gewässersystems in Verzahnung mit den von anderen Stellen vollzogenen, gesetzlich fixierten Monitoringaufgaben zur Umweltüberwachung.
Grünflächenmanagement im hier umrissenen Sinne umfasst also die Planung,
den Bau, die Bewirtschaftung und das Monitoring der Grünanlagen und ist entsprechend als Einheit zu betrachten.
Die Untersuchungen der GALK haben gezeigt, dass die Qualität des Stadtgrüns
entscheidend vom Zusammenspiel der Aufgabenfelder „Planen“, „Bauen“ und
„Pflegen“ abhängt. Sie müssen als eine Einheit wahrgenommen werden. Als
optimale Struktur für ein erfolgreiches Management, das unmittelbar ein „Voneinander-Lernen“ zwischen allen drei Ebenen auf kurzem Wege ermöglicht,
wird von der GALK die Bündelung dieser Aufgaben unter einer Leitung beurteilt
(GALK 2012). In Leipzig hat man sich für einen anderen Weg entschieden, so dass
136
Zu den Aufgaben des
Eigenbetriebs Stadtreinigung gehört auch der
Winterdienst auf den
Wegen entlang der städtischen Freianlagen.
Auch extensive Bereiche
bedürfen der Pflege, so
die Mahd von Uferbereichen.
Stauden- und Sommerblumenpflanzungen
gehören zu den Freiräumen mit höchster
Pflegeintensität und
fachlichem Anspruch
an die Gärtner.
angestrebten Qualität der Anlage zu berücksichtigen. In Hinblick auf die Kostenstruktur ist der Richtwert von Bedeutung, dass die Investitionskosten nur rund
15 Prozent der gesamten Lebenszykluskosten einer Anlage ausmachen, der Rest
der Kosten aber für den Betrieb und den Unterhalt anfällt.
Aktuell ist die Pflege der Grünanlagen in vier Pflegekategorien gegliedert:
Werden dennoch Anpassungen erforderlich, bei denen grundsätzlich in die
Gestaltung einer Anlage eingegriffen wird, es also zu Umgestaltungen oder
Ergänzungen bestehender Anlagen kommt, handelt es sich nicht mehr um die
hier angesprochene Werterhaltung im Rahmen der Pflege, sondern um investive
Maßnahmen. Ebenso verhält es sich, wenn mit der Pflege eine Werterhaltung
nicht mehr möglich oder wirtschaftlich nicht mehr vertretbar ist und Maßnahmen erforderlich werden, die über planmäßige Instandhaltungsmaßnahmen hinausgehen. Auch derartige Maßnahmen bzw. Investitionen gehören bei Grünanlagen zum üblichen Lebenszyklus, können aber aufgrund zahlreicher Einflüsse
(Planung, Bewirtschaftung, Nutzung u.a.) mehr oder weniger schnell notwendig
werden.
I
repräsentative Anlagen
II
intensiv gepflegte Anlagen
III
für extensive Pflege
IV
für naturnahe Pflege / Verkehrssicherung.
Nach fast 15 Jahren Erfahrung mit diesem System im Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig, Abteilung Grünanlagen sowie bei den Bauhöfen seit deren Eingemeindung ist diese Praxis zu überprüfen und das System gegebenfalls an den
aktuellen Kenntnisstand, insbesondere aber an die aktuell dominierenden Nutzungen anzupassen und für einzelne Anlagen zu differenzieren. Ein enger Kontakt und beständige Rückkoppelung zwischen den Arbeitsebenen im Amt für
Stadtgrün und Gewässer und der Umsetzungsebene vor Ort ist vonnöten, um
eine qualifizierte Pflege aufrechtzuerhalten und diese insbesondere an den als
prioritär definierten Funktionen und der damit verbundenen Nutzbarkeit durch
die Bevölkerung auszurichten.
In Bezug auf extensiv und naturnah zu pflegende Flächen sind vielfältige Erfahrungen auch durch verschiedene Beweidungskonzepte unter Federführung der
Abteilung Stadtforsten vorhanden.
137
Leipzig im Jahr 2030
Der Prozess um die Weiterentwicklung und Qualifizierung der seit 2003 existierenden Leistungsvereinbarung hat sich als Grundlage für eine konstruktive
und enge Zusammenarbeit zwischen dem Amt für Stadtgrün und Gewässer
und der Abteilung Grünanlagen im Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig erwiesen. Vergleichbare Regelungen wurden mit den Bauhöfen getroffen.
Auf Grundlage dieser Rahmenvereinbarung wurden gemeinsam Qualitätsziele
für einzelne Anlagen und deren Teilflächen entwickelt. Diese sind ausreichend
präzise, um einerseits ein zielorientiertes und reaktionsfähiges Pflegemanagement in Verantwortung des Eigenbetriebes zu etablieren. Andererseits
ermöglichen sie auch dem Amt für Stadtgrün und Gewässer entsprechende
Qualitätskontrollen, welche die Grundlage für gemeinsame Zielkorrekturen
und einen fachlichen Austausch über die Art der Umsetzung ermöglichen.
Die gemeinsame Diskussion und Entscheidung über zielführende Maßnahmen zur Pflege und Werterhaltung basiert seit dem Jahr 2015 zusätzlich auf
einer detaillierten, nachvollziehbaren Kosten-Leistungs-Rechnung im Eigenbetrieb, die mittlerweile auch für die Bauhöfe existiert. Erst damit ist im
Abgleich mit den gemeinsam angestrebten Qualitätszielen tatsächlich eine
wirksame Bewertung und Steuerung effizienter Unterhaltungsmethoden
möglich geworden.
Als weitere wichtige Grundlage für ein zielorientiertes und dennoch flexibles
Grünflächenmanagement im Zusammenspiel der für Planung, Bau und Unterhaltung verantwortlichen Bereiche hat sich die Weiterentwicklung des Grünflächeninformationssystems (GRIS) auf Basis eines aktuellen geografischen
Informationssystems (GIS) entwickelt. In diesem Bereich wurde in den Jahren
2017 bis 2020 auf Basis der bis dahin bereits existierenden Bausteine in ein
umfassendes, über die Verantwortungsbereiche hinweg einheitliches Basissystem investiert.
Die Investition in ein solches Qualitäts- und Kostenmanagement, gestützt von
einem entsprechenden modernen (Geo-)Datenmanagement, ist zur Basis für
die konstruktive Zusammenarbeit von der Planung über den Bau bis hin zur
einvernehmlichen Abschätzung und Absicherung von Folgekosten geworden.
Dies ist die Grundlage zur Umsetzung der vereinbarten Qualitätsziele in der
Unterhaltung durch den Eigenbetrieb und die Bauhöfe.
138
In Reaktion auf die veränderten Nutzungsanforderungen und Wertschätzungen, aber auch auf materielle und personelle Möglichkeiten, waren Differenzierungen im Pflege- und Sauberkeitsmanagement vonnöten und konnten
bedarfsgerecht finanziert und umgesetzt werden. Damit konnte in besonders
stark frequentierten Bereichen eine hohe Qualität des Zustandes aufrechterhalten werden, so dass Leipzig auch in Zukunft „Perlenketten“ gut gepflegter Anlagen vorweisen kann. Parallel ist die gezielte Entwicklung extensiver
Pflegekonzepte für bestimmte Areale ausgebaut worden, die ihrerseits durch
Naturnähe und eine „rauere“ Ästhetik eigene Qualitäten entwickeln. Gerade
das Mosaik von hochwertig erhaltenen Anlagen der historischen und modernen Landschaftsarchitektur und großflächig naturnahen Landschaftsbereichen, die aber i. d. R. ebenfalls einer gestalterischen Grundidee folgen, die
Stadtnatur und städtische Wildnis integriert, hat sich zum Alleinstellungsmerkmal des Grünsystems der Stadt Leipzig entwickelt.
Im Sinne des dargestellten Managements folgt auch die Unterhaltung in einzelnen Anlagen(-teilen) keinem starren Pflegezustand, sondern die Pflege
berücksichtigt eigenverantwortlich die Entwicklung von Nutzungen, aber
auch der Pflanzungen. Damit konnte die Verantwortung der Mitarbeiter vor
Ort gestärkt und die Motivation und Qualifizierung des Personals gefördert
werden.
Es wurde eine intensive und konstruktive Zusammenarbeit auch auf Arbeitsebene etabliert. Die Gebietsbetreuung durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer wurde darauf ausgerichtet, nicht nur neue Projekte und investive Maßnahmen im Zusammenhang mit der grünen Quartiersentwicklung zu koordinieren,
sondern auch im laufenden Austausch mit den jeweiligen Bewirtschaftern vor
Ort, die im Quartier für die Pflege und Unterhaltung zuständig sind, zu stehen.
Dadurch konnten erforderliche Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden
und man stand sich gegenseitig beratend zur Seite.
Von den städtischen Grünflächen geht große Vorbildwirkung aus, an ihrem
Erscheinungsbild orientieren sich zum Beispiel private Besitzer mit ihren Vorgärten und Freiräumen. Somit hat sich der qualitätvolle Zustand der Grünanlagen zum wirksamsten Instrument der Öffentlichkeitsarbeit und Wertschätzung von Freiräumen entwickelt. Dies betrifft sowohl deren Grundsubstanz
als auch deren Pflege und Reinigung. Der schleichende Verfall von Anlagen
und die damit oft einhergehende Zunahme des Vandalismus konnte durch die
Schwerpunktsetzung auf den Bestand verhindert werden. Als Garant für die
Akzeptanz des Freiraumes hat sich ein qualitätvolles Gestalt- und Funktionsprogramm erwiesen, das viele Belange der Nutzer berücksichtigt.
Der Erfolg dieses Managements bei der Wert- und Qualitätserhaltung ist auf
allen Entscheidungsebenen erkannt und akzeptiert, so dass ausreichende Mittel sowohl für diese Art der Pflege als auch für erforderliche Erweiterungen
und Umbaumaßnahmen (Lebenszykluskosten) sowie die Reinigungsarbeiten
zur Verfügung stehen. Insgesamt konnte erreicht werden, dass schon durch
eine Planung, die auf den Bedarf und die Gewohnheiten der Nutzer und eine
effiziente Bewirtschaftung Wert legt und eine entsprechend ausgerichtete
Bewirtschaftung selbst, eine nachhaltigere und länger währende Werterhaltung möglich geworden ist. Damit konnten Investitionskosten für Maßnahmen, die über die übliche Instandhaltungsmaßnahmen hinaus gehen, verringert werden, weil diese erst in längeren Abständen erforderlich wurden.
Dies konnte aber nur gelingen, weil die eingesparten finanziellen Ressourcen
gezielt dazu genutzt werden konnten, um ein solches Pflegemanagement zu
etablieren und umzusetzen.
Unter den Vorzeichen des nachhaltigen Wachstums der letzten Jahre ist die
Bedeutung der Planungsinstrumente für eine gesamt- und teilräumliche strategische Steuerung und Entwicklung wieder gestiegen. Dazu zählen vor allem
die Landschafts- und Grünordnungsplanung sowie gesamträumliche/-städtische Fachpläne für einzelne Flächenkategorien, wie Kleingärten, Spielräume,
Waldflächen, etc. Diese konnten turnusmäßig fortgeschrieben werden und
sind durch entsprechende Beschlusslagen legitimiert. Aber auch Pflege- und
Entwicklungspläne, Parkpflegewerke und insbesondere Objektplanungen für
die einzelnen Anlagen unterstützen und konkretisieren das strategische und
operative Management.
Aufgrund des Konkurrenzdruckes durch andere, vor allem bauliche Flächennutzungen verlief der Zuwachs des Grünsystems weniger rasant als in den Jahren bis 2015. Ein weiteres quantitatives Wachstum war auch aus fachlicher
Sicht für den Versorgungsgrad und die Funktionserfüllung des öffentlichen
Grüns nur in bestimmten Quartieren erforderlich. Insgesamt konnte durch
die verbesserte Qualität und Vernetzung der vorhandenen Anlagen auch ohne
große Flächenzuwächse eine weiter verbesserte Funktion und Nutzbarkeit
des öffentlichen Grüns erreicht werden – nicht zuletzt weil auch die zuvor für
die Entwicklung neuer Anlagen erforderlichen finanziellen Ressourcen dem
Amt erhalten geblieben sind und gezielt für eine nachhaltige Sicherung und
Entwicklung der vorhandenen Flächen eingesetzt werden konnten.
Insofern ist nicht der Flächenzuwachs an öffentlichen Grünflächen der maßgebliche Indikator für den Erfolg des Grünflächenmanagements, sondern die
Funktions- und Werterhaltung und somit die Qualität, in der die Anlagen für
unterschiedlichste Aneignungen und Nutzungen durch die Bevölkerung bereit
stehen.
139
140
Gewässermanagement
Folgekosten schon bei der Planung von Neubau- und Sanierungsmaßnahmen
umfassend berücksichtigt werden können. Zum anderen können Anforderungen an die Unterhaltung, die sich aus den Entscheidungsprozessen im Rahmen
der Planung ergeben haben, direkt an die Gewässerunterhaltung weitergegeben
werden, die zum Großteil per Auftrag an Dritte vergeben wird.
Neben dem Grünflächenmanagement stellt, wie der Name des Amtes für Stadtgrün und Gewässer verdeutlicht, das Gewässermanagement die zweite Kernaufgabe des Amtes dar. Dabei werden hier die behördlichen Aufgaben der Unteren
Wasserbehörde, die in Leipzig beim Amt für Umweltschutz angesiedelt ist, ausdrücklich nicht mit abgedeckt. Entsprechend sind alle Ausbau-, Unterhaltungsund Entwicklungsmaßnahmen mit der Behörde abzustimmen sowie, wenn notwendig, von dieser zu genehmigen.
Die Entwicklungsziele im Bereich der Gewässer in der Stadt Leipzig sehen für die
nächsten Jahre weitere, umfassende Umbaumaßnahmen im Gewässerknoten
zur umfassenden Revitalisierung der Grundfunktionen der Gewässer vor, außerdem Maßnahmen zur Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, darüber hinaus aber auch der Ausbau des Wassertourismus (siehe Kap. Gewässer
sowie Tourismus). Auch wenn damit – anders als bei der grünen Infrastruktur
– weiterhin ein größerer Schwerpunkt auf dem Umbau und Ausbau liegt, wird
mittelfristig auch im Bereich der blauen Infrastruktur die zentrale Aufgabe in der
Unterhaltung und Bewirtschaftung, Instandhaltung und Sanierung des Bestandes gesehen. Es gilt ein größeres Augenmerk auf Funktions- und Qualitätssicherung und -verbesserung im Bestand zu richten.
Leipzig Heute
Der Handlungsrahmen für die Umsetzung der dargestellten Entwicklungsstrategien, die in Leipzig insbesondere das Ziel des vorsorgenden Hochwasserschutzes und der Steigerung der Attraktivität für wasserbezogene Erholungsformen
bzw. eine entsprechende Tourismusentwicklung verfolgen, ist dabei durch die im
Kapitel Gewässer dargestellten gesetzlichen Grundlagen determiniert. Auch die
Unterhaltung im Sinne der Erhaltung und Entwicklung der Funktionsfähigkeit
der Gewässer ist an diese Grundlagen gebunden, bzw. dient der Umsetzung der
gesetzlich geregelten Sicherung und Entwicklung dieser Funktionen.
Unter den dargestellten Rahmenbedingungen der wachsenden Stadt und steigenden Attraktivität auch für Besucher und Gäste wachsen gerade die bestandsorientierten Managementaufgaben infolge der sich permanent erhöhenden Nutzungsintensität auf den Gewässern überproprotional an.
Vom Grundverständnis unterscheidet sich die Wahrnehmung der Aufgabe des
Gewässermanagements nicht von dem im vorigen Kapitel dargestellten Grünflächenmanagement. Auch das Gewässermanagement muss in diesem Sinne alle
Belastungen, Nutzungen und Schutzanliegen sowie die wesentlichen politischen,
rechtlichen, institutionellen, ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aspekte einbeziehen. Ein derart integriertes Gewässermanagement zielt
damit auf eine nachhaltige Entwicklung und Bewirtschaftung der Gewässer zur
dauerhaften Gewährleistung ihrer Funktions- und Nutzungsfähigkeit ab (Gewässer- und Wasserqualität, Wasserrückhaltung und -ableitung, Hochwasserschutz,
energetische Nutzung, Nahrungsmittelproduktion, Erholung sowie Gewährleistung der ökologischen Funktionen und der emotionalen Werte der Gewässer).
Dieser Ansatz erfordert ebenso die enge Verzahnung von Planung, Bau und
Bewirtschaftung/Unterhaltung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gewässerunterhaltung und -entwicklung flussgebietsbezogen erfolgen muss. Ober- und
Unterlieger sind enge Partner, denn ihre Aktivitäten beeinflussen sich maßgeblich. Deshalb erfolgt das Management ausnahmlos im interkommunalen Kontext. Die Voraussetzungen sind in diesem Bereich im Amt für Stadtgrün und
Gewässer gegeben, so dass zum einen Bewirtschaftungsanforderungen und
Dabei hat sich die Gewässerunterhaltung aktuell an folgenden gesetzlichen
Anforderungen auszurichten: Erhaltung, Räumung und Reinigung des Gewässerbettes zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses; Erhaltung der Ufer, insbesondere durch Erhaltung und Neupflanzung einer standortgerechten Ufervegetation, sowie die Freihaltung der Ufer für den Wasserabfluss;
Erhaltung der Schiffbarkeit an schiffbaren Gewässern mit Ausnahme der besonderen Zufahrten zu Häfen und Schiffsanlegestellen; Erhaltung des Gewässers in
einem Zustand, der hinsichtlich der Abführung oder Rückhaltung von Wasser,
Geschiebe, Schwebstoffen und Eis den wasserwirtschaftlichen Bedürfnissen
entspricht; Erhaltung und Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit des
Gewässers insbesondere als Lebensraum von wild lebenden Tieren und Pflanzen.
Foto Seite 140:
Bei der Gewässerunterhaltung - hier mit einem
Ampibienfahrzeug - sind
zahlreiche gesetzliche
Anforderungen zu beachten.
Zusätzliche Anforderungen ergeben sich aus der durch die europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) vorgegebenen Zielsetzung der Erreichung eines guten
Gewässerzustandes (siehe Kap. Gewässer). Diese Zielsetzung hat ebenfalls
oberste Priorität für alle Baumaßnahmen an Gewässern und auch die Gewässer
unterhaltung insgesamt muss den Anforderungen entsprechen, die in den
141
jeweiligen Maßnahmenprogrammen nach der WRRL an die Gewässer gestellt
werden. Damit verbunden sind folgende Aufgaben: Konsequente Umsetzung
ingenieurbiologischer Bauweisen anstatt eines unspezifischen Hartverbaus an
Stellen, an denen ein Verbau unumgänglich ist; Durchführung einer angepassten
Gewässerunterhaltung (z. B. schonende Krautung, Belassen von Totholz und Kolken, Beschattungsmaßnahmen, Einrichten von Gewässerrandstreifen); Verbesserung der Durchgängigkeit der Gewässer durch systematische Beseitigung von
Wanderhindernissen, beginnend an der Mündung; Verbesserung der Sohlstruktur und Entschlammung von Wehrrückstauen; Verknüpfung und Abgleich der
Maßnahmenumsetzung aus den Managementplänen nach der WRRL mit denen
aus der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL); Lenkung von Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen an die Gewässer.
Zusätzliche Kapazitäten und Mittel sind für die Behebung von (Vandalismus-)
Schäden, die Müllberäumung und zum Teil auch für die künstliche Wasserzufuhr
und Wasserbelüftung von Stillgewässern erforderlich.
Zur Umsetzung der Ziele ist insbesondere der Ausgleich unterschiedlicher Nutzungsinteressen von Bedeutung, so dass hier ein Grundkonsens über die Gewässerentwicklung im Raum Leipzig nur in Kooperation und Koordination unterschiedlicher Akteure zu erreichen ist.
Die Entkrautung und
Entschlammung gehört
zu Unterhaltungsaufgaben an Gewässern.
Eine weitere große Herausforderung für Ausbau und Bewirtschaftung ist die
Gewährleistung des vorsorgenden Hochwasserschutzes in den einzelnen Gewässern, insbesondere aber im Gesamtsystem des Leipziger Gewässerknotens.
Die Nutzung der vorhandenen Retentionsflächen im Auwald, die Umgestaltung
des Gewässerknotens in Anlehnung an die aktuellen Erkenntnisse und Ziestellungen des Integrierten Gewässerkonzeptes (IGK) sowie die Schaffung zusätzlicher Retentionsflächen sollen den Hochwasserschutz gegenüber immer häufiger
auftretenden Extremereignissen nachhaltig verbessern. Von großer Bedeutung
sind Maßnahmen zur Reduzierung von Niederschlagsmengen im Bereich der
Gewässer II. Ordnung, damit es nicht zu Überlagerungen der Hochwasserwellen
in den Gewässern I. Ordnung mit dem Abfluss der Niederschläge aus dem Stadtgebiet über die Gewässer II. Ordnung kommt.
Die Gewässer der Stadt Leipzig, insbesondere das Elsterbecken, der Elstermühlgraben, die Stadtelster sowie die Flutbetten sind gegenwärtig von enormen
Schlammablagerungen betroffen. Jährlich gelangen über die Weiße Elster und
die Pleiße ca. 26.000 Kubikmeter Sediment und Schwebstoffe nach Leipzig. Um
dieses Problem zu lösen ist ein ungehinderter Geschiebe- und Schwebstofftransport sowie ein ungehinderter Wasserabfluss erforderlich. Auch die mittlerweile
zahlreichen und noch im Ausbau befindlichen Einrichtungen zur Attraktivitätsund Qualitätssteigerung im wassertouristischen Sektor bedürfen einer intensiven Betreuung. Schleusen, Stege, Umtrageeinrichtungen, Slipanlagen etc. müssen ständig funktionsfähig sein und einem hohen Gestaltungsanspruch gerecht
werden. Von dieser ständigen Kontrolle und Wartung als Grundlage der Qualitätssicherung, zusätzlich zur gesetzlich vorgeschriebenen Gewässerunterhaltung, ist das wassertouristische Image von Stadt und Region abhängig.
142
Gleichzeitig ist die Bedeutung der angemessenen, auf die Funktionsfähigkeit der
Gewässer ausgerichteten Unterhaltung in der Bevölkerung zu kommunizieren.
Nur so kann die Finanzierung der Unterhaltung über die Gewässerunterhaltungssatzung dauerhaft abgesichert werden. Auch die Unterstützung der Bevölkerung
durch die Übernahme von Gewässerpatenschaften ist Ausdruck der Bedeutung,
die den Gewässern in der Öffentlichkeit zukommt.
Das Gewässermanagement ist nicht nur aufgrund einer ständigen Weiterentwicklung der gesetzlichen Anforderungen und des aktuellen Standes des technischen Wissens laufend zu vervollkommnen (Qualifikation und Fortbildung),
sondern auch an geänderte Anforderungen der Stadtgesellschaft und andere
Wandelprozesse (Klimawandel) anzupassen.
Die dargestellten Kontrollaufgaben zur Funktionserhaltung und Qualitätssicherung, aber auch der Anspruch, die Bewirtschaftung laufend an veränderte Nut-
zungsansprüche und Rahmenbedingungen anzupassen, erfordern ein kontinuierliches Monitoring der Gewässer und des Gewässernetzes insgesamt. Um dies
organisatorisch zu bewältigen, muss das Management eine digitale Grundlage
erhalten und auf das geografische Informationssystem (GIS) gestützt werden.
Nur damit kann auch die Gebührenerhebung der Gewässerunterhaltungssatzung
auf eine solide und rechtssichere Grundlage gestellt werden. Sinnvoll erscheint
es, für die Arbeit des Amtes insgesamt ein System zu entwickeln, mit dem
sowohl das Grün- als auch das Gewässermanagement bewältigt und sinnvoll
miteinander verzahnt werden kann.
An geeigneten Stellen im Gewässerverlauf konnten Retentionsflächen angelegt werden, die größere Niederschlagsmengen längere Zeit zurückhalten und
stark gedrosselt wieder abgeben können. Sie sind zeitweilig überschwemmt
und schützen Siedlungen, Wohn- oder Gewerbegebiete vor Überflutungen.
Die Unterhaltung und Gestaltung der Fließ- und Standgewässer ist auf die
Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, die Erholungsbedürfnisse der Bürger und Gäste sowie auf den Erhalt der Biodiversität abgestimmt. Dabei wird
differenziert:
Leipzig im Jahr 2030
In Parkanlagen und in innerstädtischen Bereichen haben landschaftsästhetische und stadtgestalterische Aspekte Vorrang gegenüber der naturnahen
Gestaltung. Dies bedingt einen hohen Pflege- und Unterhaltungsaufwand.
Der Schutz vor Hochwasser ist situationsgerecht gelöst. Die hydraulische Auslegung aller Wasserbau- und Unterhaltungsmaßnahmen berücksichtigt die
Ergebnisse des Hochwasserschutzkonzeptes (HWSK) des Freistaates Sachsen,
der Stadt Leipzig sowie der Ober- und Unterlieger.
Wo immer möglich, wird Naturnähe und Landschaftsästhetik miteinander verbunden (natürliche Übergänge Böschung – Wasser, standorttypische
Bepflanzung, Belassen von Totholz, wenn die Verkehrsicherheit gegeben ist).
Das „Integrierte Gewässerkonzept“ und der Maßnahmenplan für Gewässer II.
Ordnung leiten das Handeln der Stadt im vorbeugenden Hochwasserschutz.
Der vorbeugende Hochwasserschutz versteht sich als Hochwasser-Risikomanagement, das Kosten für vorbeugende Maßnahmen (einschließlich Erhalt der
Bauwerke und ökologische Schäden) und Kosten im Schadensfall gegeneinander abwägt. Ziel war und ist dabei nicht der Vollschutz gegen jedes denkbare
Hochwasserereignis.
Durch folgende Maßnahmen konnte die zur Entlastung der Gewässer I. Ordnung notwendige Reduzierung des Abflusses von Niederschlagsmengen im
Bereich der Gewässer II. Ordnung, erreicht werden:
Durch die Öffnung ehemals verrohrter Gewässer, Sohlberäumungen, zum Teil
mit Entschlammungen, sowie den Rückbau von gewässerbehindernden Einbauten im Abflussprofil konnte die Zuführung großer Wassermengen in die
Gewässer I. Ordnung minimiert werden.
Zusätzlicher Stauraum, der ein größeres Aufnahmevermögen des Niederschlagswassers sowie einen langsameren Abfluss gewährleistet, ist durch
Grabenverschwenkung (gewundener Verlauf), das Anlegen von Grabentaschen (Aufweitungen, Verbreiterung des Profils), Böschungsabsenkung und
das Anlegen von kleinen, bei höherem Wasserdargebot zu flutende Senken
erreicht worden.
Wichtige Gewässerverbindungen (Pleiße, Elsterflutbett, Weiße Elster bis
Antonienstraße, Floßgraben) werden in einer für Wasserfahrzeuge, welche die Parameter des LeipzigBootes einhalten, nutzbaren Tiefe und Gestalt
unterhalten.
Die Bewirtschaftung der Gewässer erfolgt insgesamt nachhaltig im ausgewogenen Abgleich zwischen allen genannten Interessen und stellt sicher, dass
der Hochwasserschutz für ein 150-jähriges Hochwasser gesichert ist.
Soweit innerhalb der Grenzen der städtischen Funktionen und Nutzungen
(Vorfluter, Kühl- und Brauchwasserspeicher, Wasserweg etc.) möglich, sind
die Gewässer abschnittsweise renaturiert bzw. naturnah gestaltet und weisen
ein gutes ökologischen Potential oder einen guten ökologischen und chemischen Zustand auf.
Im Sinne der Multifunktionalität garantieren sie gleichzeitig ein Höchstmaß an Nutzungsmöglichkeiten für Erholung und Sport an, auf und in den
Gewässern.
Die Art des Managements genießt bei den Leipzigerinnen und Leipzigern
hohe Bedeutung und Akzeptanz, was sich durch wenige Widersprüche bei der
Umsetzung der Gewässerunterhaltungssatzung, eine intensive Beteiligung
bei der Abstimmung von konkreten Projekten und die hohe Zahl an Gewässerpatenschaften ausdrückt.
143
144
Partizipation und Bürgerschaftliches Engagement
digkeitsübergreifend, gemeindeübergreifend. Der Grüne Ring ist auch in dieser
Hinsicht eine bedeutsame Organisationsstruktur.
Mit der Reurbanisierung des öffentlichen Raumes geht aktuell eine zusätzliche
Zunahme der öffentlichen Aufmerksamkeit gegenüber der Entwicklung dieser
Flächen einher. Interessengruppen widmen sich dem öffentlichen Grün- und
Gewässersystem insgesamt oder auch der Nutzbarmachung einzelner Flächen
zu bestimmten Zwecken. Die Bewegung zur Etablierung eines Parkbogen Ost ist
dafür ein aktuelles Beispiel. Dieser Trend ist sehr zu begrüßen. Das mittlerweile
über die Stiftung Bürger für Leipzig etablierte „Leipziger Gartenprogramm“ und
das sich in diesem Kontext entwickelnde „Netzwerk Stadtnatur“ ist ein weiterer
Ausdruck der neuen, proaktiven und aktivierenden Kommunikation und Kooperation mit Akteuren außerhalb der Verwaltung. Die langjährige Unterstützung von
Umweltbildungsangeboten und –projekten des Ökolöwen, Umweltbund Leipzig
e. V. sowie die spezielle Kooperation am Auensee mit dem Parkeisenbahnverein
sind weitere Beispiele dieser Zusammenarbeit.
Die Partizipation der Bevölkerung bei der Planung neuer oder umzugestaltender
Freiräume, aber auch beim Umgang mit dem Bestehenden, ist in Leipzig seit der
Friedlichen Revolution von 1989/90 ein besonders hohes Gut. Zu dieser Zeit etablierte Initiativen wie die „Volksbaukonferenz“ und die Bewegung „Pleiße ans
Licht“ haben alte Denkweisen einer Planung und Verwaltung ‚von oben‘ kritisiert,
um ihnen demokratische Prinzipien einer direkten Bürgerbeteiligung gegenüber
zu stellen.
Definition Partizipation meint die Teilhabe und Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen. Partizipation wird hier in Anlehnung an ein modernes Planungsverständnis der
Raum- und Umweltplanung verstanden, als ein Prozess kollektiver Bestimmung gemeinsamer Entwicklungspfade.
Motivation und Herausforderung Die Bedeutung von Partizipation
nimmt weiter zu. Planungsideen für öffentliche Räume können und sollen weniger denn je von ‚oben herab‘ durchgesetzt werden – Partizipation wird zum Teil
bereits im Stadium der Erarbeitung einer Aufgabenstellung für eine Planung oder
ein Bauvorhaben gepflegt. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am Planungsprozess, die Aufnahme ihrer Anregungen, Kritiken und Wünsche erhöht
die Akzeptanz der entstehenden Anlagen und senkt ihre Anfälligkeit gegenüber
Vandalismus und ungenutzten Ressourcen. Auch mit Kindern bilden intensive,
die Planung anregende Beteiligungsverfahren die Grundlage zur Neugestaltung
von Spielplätzen und Freiräumen an Schulen und Kindertageseinrichtungen.
Allein seit 2012 sind rund 50 derartige Beteiligungs- und Abstimmungsprozesse
mit Kindern und Jugendlichen durchgeführt worden.
Bürgerschaftliches Engagement bezeichnet hier das freiwillige, nicht auf
finanzielle Vorteile gerichtete, sondern das öffentliche Grün und die Gewässer fördernde Engagement ‚von unten‘.
Leipzig heute
Insbesondere im Zuge der Öffnung der verrohrten und überwölbten Gewässer
Leipzigs zeigte sich das große Bedürfnis der Bürger, sich in Fragen der Stadtentwicklung einzumischen und Impulse zu geben. Die Arbeit von Vereinigungen wie
Neue Ufer, Pro Leipzig oder Wasserstadt e. V., aber auch der Umweltverbände
zeigten, dass die Themen des Stadtgrüns und der Gewässer in Leipzig untrennbar mit Partizipation verbunden sind, nicht zuletzt im Zuge der geforderten
Überwindung der Folgen des Braunkohlenbergbaues und der Industrie.
Das Amt für Stadtgrün und Gewässer ist in seiner Zuständigkeit für bedeutende
Teile des öffentlichen Raumes eines der städtischen Ämter mit dem engsten
Kontakt zur breiten Bürgerschaft.
Die Anhörung und Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in die sie stets direkt
betreffenden Belange der Freiräume wird seither in Leipzig in unterschiedlichsten Formen gepflegt. Die Träger öffentlicher Belange sind wichtige Multiplikatoren. Auch Partizipationsprozesse gehen über die Stadtgrenzen hinaus: Zustän-
Foto Seite 144:
Partizipation im Planungsprozess eines
Quartiersplatzes in der
Südvorstadt.
Während Öffentlichkeitsarbeit (siehe Kap. Öffentlichkeitsarbeit) und Partizipation
bei einzelnen Projekten und Umgestaltungsmaßnahmen mittlerweile etabliert
ist, stellt der Umgang mit Ideen aus der Bürgerschaft oder auch der Austausch
über Leitbilder für die Gesamtstadt oder größere Stadträume neue Herausforderungen an Kommunikation und Beteiligung. Zu stadtteilbezogenen Fragen
existiert ein direkteres Interesse als zu übergeordneten, gesamtstädtischen Themen. Die aktuellen Prozesse im Kontext von „Leipzig Weiterdenken“, die Initiierung des Parkbogens Ost oder auch die Diskussionen im Zusammenhang mit der
Freiraumgestaltung des Bayerischen Bahnhofes sowie zum Entwurf der Entwicklungskonzeption zum Clara-Zetkin-Park zeigen dies.
145
Bürgerschaftliches Engagement hat die Aufstellung von Bänken am
Fockeberg ermöglicht,
im Bild deren inszenierte
Einweihung.
Auf regionaler Ebene konnten mit dem Kommunikations- und Beteiligungsprozess zur Charta Leipziger Neuseenland 2030 aktuell umfassende Erfahrungen
mit verschiedenen Formaten von Veranstaltungen, Workshops und Umfragen
gesammelt werden. Aus den Umfrageergebnissen geht aber auch hervor, dass
die Befragten ihre eigenen Einflussmöglichkeiten auf die Entwicklung eher als
schlecht bewerten. Somit müssen weitere Anstrengungen unternommen werden, den Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden, Entscheidungen und Entwicklungen aktiv mit zu gestalten und transparent zu verfolgen.
Mit Blick auf andere Städte und Projekte sind unterschiedlich einsetzbare Mitmach- und Beteiligungsformate, Workshops, Zukunftswerkstätten und andere,
neue Formen gefragt.
Gleichwohl sind die Möglichkeiten der Partizipation nicht bei allen Belangen des
Stadtgrüns und der Gewässer gleich geartet. Es gibt Projekte mit großem Entscheidungsspielraum und damit größere Möglichkeiten, Bürgerwünsche einzubringen, aber auch solche, bei denen derartige Möglichkeiten durch Restriktionen
und Vorgaben eingeschränkt sind. Auch ist nicht überall, wo Freiräume entwickelt werden, eine unmittelbar interessierte Bürgerschaft vorhanden – etwa in
größeren Landschaftsräumen oder Parks ohne direkten Bezug zur Wohnbebauung. Dort stiften Initiativen wie die Aktion „Baumstarke Stadt“ oder „Eine Bank
für Leipzig“ Identität und Aufmerksamkeit für die Belange des Stadtgrüns.
146
Derartige Spendenaktionen und Patenschaften sind in Leipzig erfolgreich praktizierte Mittel, um die Bevölkerung an den Belangen des Stadtgrüns teilhaben
zu lassen. Die Spenden- und Pflanzaktion „Für eine baumstarke Stadt“ wurde
bereits 1996/97 auf Beschluss des Stadtrates eingerichtet. Mit ihren Spenden
ermöglichen die Paten die Pflanzung von Bäumen in öffentlichen Parks, an Strassen, auf Plätzen sowie auf städtischen Friedhöfen. Die Baumspenden leisten
mittlerweile einen beträchtlichen Beitrag zur Neupflanzung von Bäumen in der
Stadt und zeigen das Interesse der Bevölkerung für dieses Thema. So sind bisher
bis Ende 2015 rund 1,08 Millionen Euro gespendet worden, so dass der Bestand an
Patenbäumen aktuell ca. 4.100 Bäume umfasst. Doch ist der Erfolg dieser Aktionen nicht allein in Zahlen messbar. Mit vergleichsweise geringen Mitteln ist hier
viel zu erreichen: Bürgerinnen und Bürger kehren kontinuierlich zu den von ihnen
oder ihren Angehörigen gespendeten Bäumen und Bänken wie auch zu den Grünanlagen zurück, an deren Entstehung sie beteiligt waren. Diese Wertschätzung
und Identifizierung mit den Grünräumen und Gewässern ist Basis für weiterreichendes bürgerschaftliches Engagement. So finden sich mittlerweile regelmäßig
aktive Bürgerinnen und Bürger auch zu Parkpflegeeinsätzen ein, bei denen sie
unter fachkundiger Anleitung einfache Pflegemaßnahmen ehrenamtlich umsetzen. Es gibt ein starkes Potenzial für bürgerschaftliches Engagement, aber es
ist nicht zum Nulltarif zu haben. Bürgerschaftliche Initiativen müssen entdeckt,
angehört und unterstützt werden und es muss – ohne sie zu vereinnahmen – den
dort geäußerten Trends und Wünschen nachgegangen werden.
Die durch Beteiligung und bürgerschaftliches Engagement entstandene Identifikation wird auch zwischen Generationen weitergegeben: Wer als Kind in die
Planung eines Spielplatzes involviert war, kehrt später auch mit eigenen Kindern
gern zu diesem Spielplatz zurück. Kinder suchen die von ihren Eltern oder Großeltern gespendeten Bäume auf und schauen nach ihrem Gedeihen. Wer erlebt hat,
wie aufwendig es ist, historische Sichtachsen frei zu halten oder invasive Pflanzenarten zurück zu drängen, wird die hohe Aufenthalts- und Gestaltqualität in
den Grünanlagen und an den Gewässern der Stadt schätzen.
In der Geschichte der Stadt Leipzig ist auch das Mäzenatentum vielfältig und allgegenwärtig, vor allem in der Kunst und Kulturgeschichte. Beispiele in der reichhaltigen Gartenkultur der Stadt Leipzig sind uns überkommen, jedoch überwiegend nicht im Gedächtnis der Bürgerinnen und Bürger verankert. In Zeiten des
Wachstums kann auch dieses Instrument wieder verstärkt aufgegriffen werden,
um einen Beitrag zum Erhalt der Grün-und Gewässerstrukturen zu leisten.
Leipzig im Jahr 2030
Das wachsende Bedürfnis nach Partizipation wird aktiv aufgegriffen und
der Kontakt mit den Nutzern wird intensiv gepflegt. Die Verwaltungs- und
Managementvorgänge sind für die Bürgerinnen und Bürger transparent.
Es existiert eine Anlaufstelle für alle Partizipationsprozesse, die auf die
erfolgreichen Prozesse unter „Leipzig weiterdenken“ aufbaut, um die notwendige Bürgernähe bei der Entwicklung des Stadtgrüns und der Gewässer
zu gewährleisten sowie um Transparenz in den vielfältigen Tätigkeitsfeldern
gegenüber den Bürgern zu schaffen.
Eine Kontaktstelle für Bürgerschaftliches Engagement, z. B. für alle Formen
von Patenschaften, Parkpflegeeinsätze aber auch für privatwirtschaftliches
Engagement (private-public partnership) ist etabliert.
Ein Netzwerk mit zahlreichen Partnern außerhalb der Verwaltung wurde aufund ausgebaut. Etablierte Strukturen der Zusammenarbeit werden intensiv
genutzt, um sich gegenseitig zu unterstützen. Die Umweltverbände leisten
über die formalen Beteiligungsverfahren hinaus einen wichtigen Beitrag zur
Sicherung und Entwicklung der Funktionen von Stadtgrün und Gewässern.
Neben den Aktivitäten der Vereine, die seit mehr als 30 Jahren die Entwicklung der Wasserstadt Leipzig aktiv begleiten und unterstützen, ist auch das
„Leipziger Gartenprogramm“ als ehrenamtliche Initiativen mit unterschiedlichen Akteuren seit 20 Jahren eine feste Instanz, die das Bewusstsein für das
Leipziger Stadtgrün und seine Entwicklung vielfältig befördert. So hat sich
das Gartenprogramm als feste Instanz jährlicher Veranstaltungen zum Stadtgrün nachhaltig etabliert und erfährt mit seinen unterschiedlichen Akteuren
weiterhin städtische Unterstützung.
Die Kooperation auf Grundlage der Charta Leipziger Neuseenland hat sich verstetigt und zu einem effektiven Austausch zwischen Verwaltung und Bürgerschaft entwickelt. Problemen wie der Übernutzung und der Nutzungsschäden,
des Vandalismus und der gegenseitigen Störung der Erholungssuchenden im
öffentlichen Freiraum wird vorrangig durch Moderation und Mediation begegnet. Die Kommunikation und der Austausch zwischen Verwaltung und Bürgerschaft hat sich auf diese Weise weiter entwickelt.
Verbote in den Freiräumen blieben die Ausnahme. Stets haben die Kommunikation von Regeln und das Verständnis für bestimme Einschränkungen den
Vorrang. Allerdings musste - wo dieses Verständnis nicht vorhanden war - die
Einhaltung durch entsprechende Maßnahmen eingefordert und gewährleistet
werden.
Nach dem Vorbild des Beteiligungsprozesses für den Clara-Zektin-Park werden Verfahren zur Entwicklung und Umsetzung von Konzepten durchgeführt,
die den sich verändernden Nutzungsanforderungen konkret Rechnung tragen.
Als innovative Form der Partizipation wird die Möglichkeit genutzt, Dinge
im öffentlichen Raum auszuprobieren, ehe sie baulich zur Form gerinnen. Es
werden mitunter temporäre Nutzungen zugelassen, die eventuell in der Lage
sind, bleibenden Nutzungen im öffentlichen Raum den Boden zu bereiten.
Partizipation bei der Entwicklung des öffentlichen Freiraumes geht auf die
betroffenen und interessierten Menschen zu und erwartet nicht, dass diese
zur Verwaltung kommen. Es werden immer häufiger auch Wege zu jenen Bürgern gefunden, die sich nicht zu Wort melden, aber durchaus eine Meinung
haben.
Kritische wie positive Anregungen werden ernst genommen und ausgewertet; Netzwerke von ehrenamtlich Wirkenden werden in Fragen der Öffentlichkeitsarbeit und Partizipation eingebunden. Mit den Ansprechpartnern in den
einzelnen Stadtbezirken wird Austausch und Verbindung über für die Quartiere zuständige Mitarbeiter gepflegt.
Das Anforderungsprofil an ein erfolgreiches Management von Stadtgrün und
Gewässern hat sich gewandelt. Es bedarf nicht nur des gärtnerischen, landschaftsarchitektonischen und stadtplanerischen Sachverstandes, sondern
mehr und mehr der Kompetenz im Bereich von Kommunikation, Moderation
und Prozessbegleitung, um das vorhandene Engagement zur Verbesserung
der Freiraumqualität in Leipzig effektiver zu nutzen und einen Ausgleich zwischen den immer vielfältigeren und zum Teil sehr differenzierten Interessen
und Nutzungsansprüchen zu finden. Diesen Anforderungen werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch entsprechende Qualifizierungen im Rahmen der Aus- und Weiterbildung gerecht. Darüber hinaus gibt es gerade bei
speziellen Nutzungsansprüchen einen intensiven Austausch mit den jeweils
fachkundigen Ämtern und Institutionen.
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Öffentlichkeitsarbeit
zum Beispiel der Grüne Bogen Paunsdorf, Projekte des Grünen Ringes Leipzig
oder im Kontext von „Leipzig weiterdenken“ das Entwicklungskonzept ClaraZetkin- und Johannapark sowie die Charta Leipziger Neuseenland 2030.
Das Amt für Stadtgrün und Gewässer ist in seiner Verantwortung für den grünblauen öffentlichen Raum eines der städtischen Ämter, welche engen Kontakt
zu Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen haben. So ist auch die vorliegende
Freiraumstrategie darauf ausgerichtet, die Funktionen und die Bedeutung der in
unserer Obhut liegenden Flächen darzustellen und unser Aufgabenverständnis
sowie die damit verbundenen nachhaltigen Ziele für die Zukunft zu formulieren.
Die Herausforderung besteht darin, jede Gelegenheit zu nutzen, mit den Menschen hinsichtlich unserer Aufgaben und Dienstleistungen dauerhaft und nachhaltig in Kontakt zu kommen. Entsprechend viel Zeit ist in diese Art der Öffentlichkeitsarbeit des Amtes zu investieren. Dies ist nur leistbar, wenn wir dieser
Aufgabe in Zukunft eine entsprechende Bedeutung beimessen, sie entsprechend
strategisch ausrichten und ausstatten. Im Ergebnis wissen wir aber, dass diese
„Beziehungsarbeit“ und der dadurch beförderte Dialog mit der Bevölkerung nachhaltiger und effektiver ist als jede eindimensionale Pressearbeit oder kurzfristige
Werbung.
Die Zielgruppe unseres Handelns sind alle Menschen, die in Leipzig leben, arbeiten oder der Stadt einen Besuch abstatten - und die dabei unsere Grünflächen
und Gewässer genießen und nutzen möchten. Unsere Aufgabe verstehen wir als
Dienstleistung für diese Menschen. Wir wollen ihnen Erholungsflächen, Rückzugsräume, Treffpunkte und eine gesunde, lebenswerte Umwelt zur Verfügung
stellen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wird dem Kontakt mit der
Bevölkerung und den Besuchern eine übergeordnete Bedeutung beigemessen.
Der Austausch über unsere (häufig gesetzlich determinierten) Handlungsgrundlagen und Vorstellungen mit den Ideen und Wünschen der Menschen auf der
anderen Seite bedeutet für uns Öffentlichkeitsarbeit. Nur so kann Interesse, Verständnis und Wertschätzung für unsere Themen gefördert werden, nur so können wir unsere Ziele formulieren.
Dabei verwenden wir das Wort „Öffentlichkeitsarbeit“ hier synonym mit dem
englischen Begriff „Public Relations“ (PR), weil er die „öffentliche Beziehung“
zum Ausdruck bringt, auf die es uns in der Kommunikation mit den Menschen
ankommt. „Was ist Öffentlichkeitsarbeit? Arbeit mit der Öffentlichkeit, Arbeit
für die Öffentlichkeit, Arbeit in der Öffentlichkeit. Öffentlichkeitsarbeit ist das
bewusste, geplante und dauernde Bemühen, gegenseitiges Verständnis und Vertrauen aufzubauen und zu pflegen“, so lautet ein Merksatz von Prof. Dr. Albert
Oeckl, der seit den 1950er Jahren diesen Begriff wesentlich geprägt hat. In diesem
Sinne verstehen wir Öffentlichkeitarbeit als Instrument, um Beziehungen aufzubauen, zu gestalten und zu pflegen.
In vielen Bereichen sind hier gute Ansätze vorhanden, indem aktiv über die Themenvielfalt der Arbeit des Amtes im Internet oder aus Anlass konkreter Projekte
berichtet wird. Bei einzelnen Projekten hat die Öffentlichkeitsarbeit gemeinsam
mit Beteiligungsprozessen (auch in Kooperation mit „Leipzig weiterdenken“)
bereits strategische Dimensionen angenommen. Für diese Art des Projektmanagements konnten auch Fördergelder akquiriert werden. Zu nennen sind hier
Öffentlichkeitsarbeit in unserem Themenfeld des Stadtgrüns und der Gewässer
ist gleichzeitig (Umwelt-)Bildungsarbeit, insbesondere hinsichtlich ökologischer
Funktionen und historischer Bezüge des Leipziger Systems an Grün und Gewässern. Weil Umweltbildung nicht Kern unseres Aufgabenfeldes ist, können wir diese
nur teilweise im Zuge unserer Öffentlichkeitsarbeit integrieren. Wir versuchen
dies vor allem im Rahmen von Kooperationen mit Umweltbildungsträgern (wie z.
B. Ökolöwe, Auwaldstation, Grüner Ring Leipzig oder Zweckverband Parthenaue,
Stiftung Bürger für Leipzig und Netzwerk für Stadtnatur, Naturschutzverbände)
sowie mit Unterstützung des städtischen Umweltinformationszentrums oder
Führung der Abteilung
Friedhöfe des Amtes für
Stadtgrün und Gewässer
auf dem Südfriedhof .
Foto Seite 148:
Führung im Rahmen des
Leipziger Gartenprogrammes im Mariannenpark.
149
des Naturkundemuseums sowie im Rahmen von Projekten, wie zum Beispiel mit
einem speziellen Baustein Umweltbildung im Rahmen des Projektes Lebendige
Luppe abzudecken. Mit Bezug zum Stadtwald kann allein der Wildpark in größerem Maßstab einen Beitrag zur Umweltbildung in Leipzig leisten.
Ein weiterer wichtiger Baustein im Kontext von Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung speziell zum Thema der Stadtbäume ist der „Hain der Jahresbäume“ im
Volkspark Kleinzschocher, wo seit dem Jahr 2000 jährlich der „Baum des Jahres“
gepflanzt wird. Ab 2015 findet dies im „Weg der Jahresbäume“ im Grünen Bogen
Paunsdorf seine Fortsetzung. Die Vielfalt an Baumarten kann aber nicht nur in
Kleinzschocher erlebt werden, auch die Arboreten am Nordufer des Cospudener
Sees und im Erholungspark Lößnig-Dölitz bieten entsprechende Informationen.
Führungen locken die
Menschen nicht nur in
gestaltete Freiräume,
sondern auch zu brachliegenden Flächen der
Stadt. Im Bild: ehemaliger Postbahnhof.
Leipzig im Jahr 2030
Die Einbeziehung von
Kindern in die Gestaltung von Spielräumen
bringt meist eine neue
Sicht auf die Planung
und erhöht die Identifikation mit dem realisierten Projekt.
150
Auf der Basis eines im Jahr 2017 erarbeiteten Konzeptes zur strategischen
Öffentlichkeitsarbeit konnten entsprechende Ressourcen für eine weitere
Professionalisierung der aktiven, dauerhaften Öffentlichkeitsarbeit im Themenfeld Stadtgrün und Gewässer geschaffen werden. Dieser Prozess hat auch
zu Organisation und Strukturierung eines einheitlichen Verfahrens zur Umsetzung des Konzeptes beigetragen und bildet eine Grundlage, die ein geschlossenes Auftreten des Amtes ermöglicht hat. Damit verbunden ist eine spürbare
Verbesserung des Images unserer Arbeit, insbesondere aber der Wertschätzung für die grüne und blaue Infrastruktur in Leipzig.
Vielfältige Formen und Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit werden auf dieser strategischen Grundlage genutzt und stets neue Möglichkeiten erschlossen. Parkführer, Handbücher, Publikationen in der Fach- und Tagespresse
sowie im Internet, Ratgeber, Apps, Ausstellungen sowie Führungen sind zu
viel genutzten Instrumenten im „Werkzeugkasten“ der strategischen Öffentlichkeitsarbeit geworden. Flyer, aber auch Hinweisschilder in den Freiräumen
haben dazu geführt, dass die Grün- und Gewässerstrukturen in der öffentlichen Wahrnehmung präsent sind. Innovative Angebote bringen den Gästen
und Bewohnern der Stadt die Leipziger Park- und Gewässerlandschaft nahe,
etwa durch Apps, Talk-Walks, „grüne Stadtrundfahrten“ und Bootstouren.
Die Bedeutung online verfügbarer Informationen ist weiter gewachsen. Insbesondere junge Menschen treffen ihre Entscheidungen zur Wahl eines Wohnortes immer mehr auf Grundlage der im Internet publizierten Informationen
und des dort geprägten Images einer Stadt. Die Präsentation des Leipziger
Stadtgrüns und der Gewässer ist ein zentraler Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit der Stadt insgesamt geworden.
In der Stadtöffentlichkeit ist durch vielfältige öffentlichkeitswirksame Maßnahmen das Verständnis für die Möglichkeiten, aber auch Grenzen der Nutzbarkeit des Stadtgrüns und der Gewässer gewachsen, ein umwelt- wie sozialverträgliches Nutzungsverhalten ist die Folge und verbessert das Image
weiter.
Mit Mitteln der Information, Aufklärung und Bewusstseinsbildung als
Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit wird auf neue, konfliktträchtige Nutzungen reagiert.
Von den städtischen Grünflächen geht weiterhin große Vorbildwirkung aus, an
ihrem Erscheinungsbild orientieren sich auch private Besitzer mit ihren Vorgärten und Freiräumen. Als wirksamste Öffentlichkeitsarbeit für Stadtgrün
und Gewässer hat sich deren qualitätvoller Zustand erwiesen.
Die gegenseitige Lärmbelästigung im Zuge des Aufenthaltes und der Betätigung im öffentlichen Raum ist in erster Linie eine Frage des gegenseitigen
Verständnisses und der Rücksichtnahme. Im Unterschied etwa zu den Lärmbelästigungen, die von den Straßen und Autobahnen ausgehen, ist der Lärm,
den Menschen im Freiraum verursachen, wesentlich geringer und eher positiver Art. Die Reurbanisierungstendenzen des öffentlichen Raumes bringen
einen erhöhten Geräuschpegel dieses öffentlichen Raumes mit sich. Urbanität
ist eine grundsätzlich positive Tendenz der Stadtentwicklung und wird auch
so in unserer Öffentlichkeitsarbeit dargestellt.
Für die touristisch genutzten Radrouten konnte nach dem Vorbild des im Jahr
2015 gestarteten Modells für die Parthenaue die Einrichtung einer Wegebetreuung durch so genannte Wegwarte über ämterbezogene Zuständigkeiten
hinweg erreicht werden, die die Routen regelmäßig kontrollieren und Missstände zur Beseitigung anzeigen.
Im Zuge der Öffentlichkeitsarbeit ist gegenüber allen Nutzern des Freiraumsystems auf Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme sowie auf die Einhaltung geltender Regeln hinzuwirken, aber auch auf die Konsequenzen bei
deren Nichtbeachtung.
Zur Lenkung bestimmter Nutzungen auf geeignete Flächen ist auch in Zukunft
vor allem in Dialog zu den Nutzergruppen zu treten, um für den Erhalt des
Charakters der Anlagen zu sensibilisieren und Möglichkeiten zur Schaffung
spezieller Angebotsflächen zu prüfen. Unter Umständen sind derartige Anfragen auch auf geeignete private Flächen zu lenken, falls sie im öffentlichen
Raum nicht umsetzbar sind.
Von speziellen Nutzergruppen ist dabei allerdings ein hohes Eigenengagement zur nachhaltigen Entwicklung und Erhaltung zu fordern. Je begrenzter die Nutzungsmöglichkeiten und je individueller die Anforderungen sind,
umso mehr Eigenengagement und Rücksichtnahme muss gefordert werden,
um einen Kompromiss im öffentlichen Raum zu finden.
In unserer Öffentlichkeitsarbeit spielt die Vermittlung der Bedeutung von
Grün- und Gewässerstrukturen, sprich der Stadtnatur, für die Sicherung von
Lebensgrundlagen eine wichtige Rolle. In Konkurrenz zu den wachsenden Flächenansprüchen für andere Nutzungen weisen wir immer wieder darauf hin,
welche existenziellen (Ökosystem-)Leistungen die Stadtnatur für den Menschen bereitstellt und warum städtische Lebensqualität unmittelbar von diesen Leistungen abhängig ist.
Um das vielfältige Wegesystem auf unseren Flächen bekannt und damit nutzbarer zu machen, war eine Verbesserung der Informationen notwendig. Sie
werden in Form von Karten, internetgestützten Angeboten und einer aktuellen, einheitlichen Beschilderung von wichtigen Zielpunkten dem Publikum
nahe gebracht, die durch das Netz von Parkanlagen zu erreichen sind.
151
152
Wissenstransfer,
Forschung und Kooperation
entsprechendes Wissen identifizieren zu können. Kooperationen sind erforderlich, um den Austausch und die Integration des Wissens in die Partnerinstitution
zu organisieren, sowie gegebenenfalls in gemeinsamen Projekten neues Wissen
zu generieren.
Der Umgang mit städtischen Freiräumen ist eine überaus komplexe Aufgabe, die
stets neue Lösungswege einfordert. Um die Qualität und Funktionsfähigkeit von
Freiräumen zu erhalten und entsprechend zukünftiger Ansprüche weiter zu entwickeln, reicht der Rückgriff auf althergebrachte Methoden nicht aus. Es gilt vielmehr, für neue Aufgaben und Probleme innovative Lösungen zu finden.
LEIPZIG HEUTE
Das gilt für Leipzig wie für andere Großstädte in Deutschland, Europa und weltweit. Auch wenn die gesellschaftlichen, räumlichen oder klimatischen Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich sind und im Detail individuelle Lösungen
erfordern – was auch innerhalb einer Stadt gilt - so lassen sich aus erfolgreich
praktizierten Lösungsansätzen doch oft übertragbare Erkenntnisse gewinnen. Je
vielfältiger der gesammelte Erfahrungsschatz, um so besser sind wir den künftigen Aufgabenstellungen und Herausforderungen gewachsen.
Im Rahmen großer europäischer Projekte, oft in Kooperation mit anderen Ämtern
der Stadt, oder auf interstädtischer Ebene im alltäglichen Austausch - stets war
und ist die Leipziger Freiraumentwicklung ein Forschungs- und Experimentierfeld gewesen. Die städtische Entwicklung hat davon stets profitiert und ihrerseits beispielhafte Ansätze entwickeln können.
Das betrifft nicht nur die Erfahrungen aus der Praxis anderer Städte, sondern
auch die Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung - besonders, wenn
diese einen praxis- und umsetzungsorientierten Ansatz verfolgen. Auch unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungshintergründe können helfen, den Blick
zu weiten. Gerade im Hinblick auf Herausforderungen, denen viele Städte gleichermaßen gegenüber stehen, ist Wissenstransfer und Kooperation unerlässlich. Aktuelle Erscheinungen wie demografische Veränderungen und Migration,
klimatischer Wandel oder die Gleichzeitigkeit der Urbanisierung und Entleerung
von Teilräumen, die soziale Polarisierung in den Städten, verändertes Freizeitverhalten sowie enger werdende finanzielle Handlungsspielräume beschäftigen alle
Städte. Solche Themen sind auch Inhalt aktueller Forschungsprogramme. Insofern sind Wissenstransfer, Erfahrungsaustausch und Vernetzung sowohl innerhalb der Verwaltung als auch mit externen Partnern aus Praxis und Wissenschaft
existentiell, um effizient agieren zu können.
Definition
Als Wissenstransfer wird hier die Identifikation, der Austausch und die Integration von fachlichem Knowhow zwischen unterschiedlichen Institutionen und
Organisationen sowie zwischen Wissenschaft und Praxis verstanden. Dieser Austausch sollte stets in alle Richtungen stattfinden. Die Vernetzung mit anderen
Fachleuten, die an verwandten Themen arbeiten, ist Voraussetzung dafür, um
Seit seiner Neugründung nach der Friedlichen Revolution waren Wissenstransfer,
Kooperationen und Vernetzung mit fachlichen Partnern aus Wissenschaft und
Praxis eine Säule der Arbeit des Amtes für Stadtgrün und Gewässer.
So beteiligte sich Leipzig an der EXPO 2000 als Außenstandort unter dem Motto
„Den Wandel zeigen“ mit vier Projekten, wovon zwei die Freiraumentwicklung
zum Inhalt hatten. So enthielt das Projekt „Landschaftsnutzung – Landschaftswandel. Vom Kontrast zum Konsens“ die Renaturierung des Tagebaus Cospuden.
Das Projekt „Plagwitz auf dem Weg ins 21. Jahhundert. Ein Beispiel für nachhaltigen Stadtumbau“ thematisierte die Freiraumentwicklung im Stadtumbau, hier
entstand der Stadtteilpark Plagwitz als benutzbares Ergebnis.
Der Stadtteilpark Plagwitz ist Ergebnis eines
Projektes im Rahmen
der EXPO 2000.
Foto Seite 152:
Tagungen und Konferenzen sind zentrale
Instrumente des Wissenstransfers, hier Auftaktveranstaltung im
Projekt Lebendige Luppe
(2013).
153
Auslesen der Daten zum
Grundwasserstand im
Rahmen des Projekts
Lebendige Luppe.
tur zum Wohlergehen der Menschen in der Stadt sowie die Impulse, die neue
Ansätze der Revitalisierung von Stadtgrün und Gewässern zur nachhaltigen
Stadtentwicklung setzen können. Diese Fragen werden zum Beispiel im Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben „Urbäne Wälder“ unter Federführung des
Stadtplanungamtes oder im Projekt „Lebendige Luppe“ im Rahmen des Bundesprogrammes Biologische Vielfalt erörtert und in der Praxis untersucht. Beide
Projekte werden von Forschungseinrichtungen (Technische Universität Dresden,
Universität Leipzig, UfZ) umfassend wissenschaftlich begleitet und vom Bundesamt für Naturschutz unterstützt. Die finanzielle Förderung erfolgt mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Mit dem Bundesamt für Naturschutz und dessen Außenstelle in Leipzig hat
sich über konkrete Förderprojekte hinaus ein intensiver Austausch entwickelt.
Ein weiteres, größer angelegtes Verbundprojekt mit Partnern aus Wissenschaft
und Praxis wird aktuell vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
gefördert. Im Projekt „stadt PARTHE land“ geht es um ein nachhaltiges Kulturlandschaftsmanagement entlang der Parthe. Der Fluss wird hier als Brücke zwischen Metropole und ländlichem Raum thematisiert.
Das Stadtgrün stand bereits vor über zehn Jahren im Fokus einiger von der Europäischen Kommission geförderter Projekte. URBAN GREEN ENVIRONMENT 2001
– 2004 (URGE) befasste sich mit der Förderung von Grünflächen zur Verbesserung der Lebensqualität in Städten und urbanen Räumen. Unter der Gesamtkoordination des Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle GmbH (UfZ) war die
Stadt Leipzig hier mit zwei Fallstudien beteiligt, dem Lene-Voigt-Park und dem
Stadtteil Grünau. Die Kooperation mit dem UfZ setzte sich im Projekt Greenkeys
(URBAN GREEN as a key for sustainable cities; 2006 – 2008) fort. Dieses Mal
stand die Entwicklung des Grünen Bogens Paunsdorf im Fokus - als ein Beispiel,
wie Grünflächenentwicklung zur nachhaltigen Entwicklung entleerter und abgewerteter Stadtquartiere beitragen kann.
Die aktive Mitwirkung an Forschungsprojekten, aber auch deren Initiierung
betreiben wir immer wieder, um gemeinsam mit der Wissenschaft nicht nur
Kenntnisse über den aktuellen Zustand, über Risiken und Potenziale von Stadtgrün und Gewässern im Kontext aktueller Wandlungsprozesse zu gewinnen. Im
Kern geht es stets darum, übertragbare Lösungsansätze für konkrete Problemstellungen wie dem demographischen Wandel, Klimaveränderungen, Freizeittrends oder Gesundheitsvorsorge zu gewinnen.
Aktuell stehen unter anderem die sogenannten Ökosystemdienstleistungen der
Stadtnatur im Fokus, das heißt der Beitrag der grünen und blauen Infrastruk154
Über die Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen hinaus ist die Vernetzung mit anderen Städten und Regionen, die ähnliche Fragestellungen zu
bewältigen haben, ein wichtiges Anliegen. Dies wird im Thema Stadtgrün sowie
besonders intensiv im Aufgabenfeld der Gewässerentwicklung praktiziert. Zu
nennen sind hier die Kooperationen in entsprechenden Gremien, Arbeitsgruppen und Projekten, so der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz, dem Bündnis
Gründliche Bestandsaufnahme: Im
Projekt L ebendige
Luppe wurden die
Eigenschaften von
rund 3300 Gehölzen
dokumentiert.
Die Gartenamtsleiterkonferenz in Leipzig im
Frühjahr 2014 war ein
Höhepunkt der Kooperation und des Wissenstransfers der jüngeren
Vergangenheit.
LEIPZIG 2030
Wissenstransfer, Forschungskooperation und Vernetzung sind in der globalisierten und schnelllebigen Stadtentwicklung wichtige Voraussetzungen, um
schnell, effizient und innovativ auf jeweils aktuelle Herausforderungen für
die Freiraumentwicklung reagieren zu können. Aufgrund der weiter gewachsenen Informationsvielfalt sind verlässliche Partnerschaften und Netzwerke
zum Schlüssel für den Zugang zu aktuellem Wissen geworden.
Diese Partnerschaften und Netzwerke bedürfen der Pflege sowie einer zielorientierten, von gemeinsamen Interessen geleiteten Organisation sowie
einer aktiven Mitarbeit, so dass auch im Amt für Stadtgrün und Gewässer entsprechende Ressourcen dafür eingesetzt werden.
ommunen für Biologische Vielfalt, dem Netzwerk der Grüngürtel/Grünen Ringe,
K
der World Canals Conference und anderen.
Ein Schlüssel zum zielorientierten Wissenstransfer lag darin, den Austausch
selbst anzustoßen und eigene Fragestellungen gezielt in gepflegte Netzwerke
einzuspeisen, um gemeinsam im Verbund mit der Wissenschaft und anderen
Städten entsprechende Lösungen entwickeln zu können.
Regelmäßig tritt Leipzig dabei auch selbst als Veranstalter von nationalen und
internationalen Fachtagungen und -kongressen auf. Beispiele aus der jüngeren
Vergangenheit sind die Gartenamtsleiterkonferenzen 1998 und 2014 oder das
European Forum on Urban Forestry 2012. Zu unserem Selbstverständnis gehört
auch die aktive Teilnahme an derartigen Veranstaltungen andernorts, wo beispielhafte Projekte und aktuelle Fragestellungen aus Leipzig präsentiert werden.
Die Erfahrungen mit den ersten umfassenden Verbundprojekten wie Green
Keys, Lebendige Luppe oder stadtPARTHEland waren Ausgangspunkt für die
regelmäßige Beteiligung an entsprechenden Verbundforschungen. Sie führten zu Lösungsansätzen, die nur in derartigen Kooperationen möglich sind,
weil hier zusätzliche Ressourcen zur Verfügung stehen, um innovative und
mittel- bis langfristige Konzepte parallel zum täglichen Aufgabenfeld zu
erarbeiten.
Ähnlich verhält es sich mit Fachpublikationen, in denen das Leipziger Grün und
Blau facettenreich vorgestellt und rezipiert wird. Die Fachwelt schaut auf diese
Stadt, weil sich hier immer wieder interessante Entwicklungen und beispielgebende Lösungswege zeigen.
Voraussetzung für derartig ertragreiche Vernetzungen und Austauschstrukturen war die Bereitschaft, unsere eigenen Erfahrungen ebenfalls frei zur Verfügung zu stellen und regelmäßig zu publizieren.
Aus dem gemeinsamen Stand des Wissens und der Technik entsprechende
zukunftsorientierte Qualitätsstandards für das fachliche Aufgabengebiet zu
setzen, stellt eine weitere, im Zusammenwirken mit anderen Interessenvertretern auch schwierige Aufgabe dar. Sie kann nur in Kooperation gelöst werden.
Entsprechende Gremien in der Grünen und Blauen Branche, wie zum Beispiel die
Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL) sind
unersetzlich. Sie werden aktiv durch Mitwirkung bei der Erarbeitung entsprechender Empfehlungen und Regelwerke unterstützt.
Fachliche Standards ermöglichten uns nicht nur selbst eine entsprechende
Qualitätssicherung. Unsere aktive Mitwirkung an deren Entwicklung eröffnete
uns auch die Chance, auf die praxisorientierte Weiterentwicklung von Standards Einfluss zu nehmen.
155
156
Kompensationsflächen-
management
Kompensationsflächen der Stadt Leipzig (Stand Ende 2015)
Leipzig wächst wieder. Dieses Wachstum kommt nicht von ungefähr. In den vergangenen 25 Jahren sind vielfältige Anstrengungen unternommen worden, um
Stadt und Region für die Ansiedlung von Arbeitsplätzen in Industrie, Gewerbe
und Dienstleitung sowie als Wohnstandort insbesondere für Familien attraktiv
zu machen. Entsprechende Industrieansiedlungen - ablesbar insbesondere an
der anhaltenden Entwicklung im Nordraum - und der nun intensiv einsetzende
Zuzug in die Stadt zeugen vom Erfolg dieser Anstrengungen.
Baumaßnahmen können Eingriffe in den Naturhaushalt zur Folge haben. Nach
dem Bundesnaturschutzgesetz und dem Baugesetzbuch sind Verursacher eines
Eingriffes in Natur und Landschaft verpflichtet, diesen durch Maßnahmen des
Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen oder zu ersetzen.
erfasste Flächen
149
zugeordnet (Planverfahren abgeschlossen)
5
zuordnungsfähig (Prüfverfahren positiv abgeschlossen)
50
angeboten (Bestandteil eines laufenden Planverfahrens)
255
derzeit nicht geeignet
342
in Prüfung
161
umgesetzte Maßnahmen
der Stadt zu unterstützen, insbesondere in Bezug auf Gewerbeansiedlungen in
Leipzig. Das Kompensationsflächenmanagement hat auf Grundlage einer Erfassung potenziell geeigneter Flächen folgende Aufgaben:
Leipzig heute
In den 1990er Jahren erfolgte zunächst eine erhebliche Inanspruchnahme bisher
nicht für Siedlungs- und Verkehrszwecke genutzter Flächen: Es wurde vielfach
auf der ‚grünen Wiese‘ gebaut. Die Gründe lagen in großmodularen Ansiedlungen
einerseits und dem Trend der 1990er Jahre zum Ein- und Mehrfamilienhaus am
Stadtrand. So wuchs die Stadt nach außen, obwohl ein Rückgang der Einwohnerzahl zu verzeichnen war. Entsprechend hoch war der Bedarf an Flächen, die
zur Erfüllung der naturschutz- und baurechtlichen Anforderungen für die Kompensation von Eingriffen benötigt worden. Dieser Bedarf ist bis heute unter den
Vorzeichen des Wachstums nicht gesunken, auch wenn die gestiegene Nachfrage
nach Wohnraum und Eigentumsbildung aktuell zum Großteil erfolgreich in den
Bestand und den Innenbereich gelenkt werden kann.
962
verwaltungsinterne Abstimmung zur Entwicklung der Flächen
Abstimmung mit den Eigentümern
Abschluss von Verträgen zur Umsetzung der Kompensationsmaßnahmen
Tierhaltung im ehemaligen Militärgelände im Grünen Bogen
Paunsdorf.
Um diesen Bedarf zu erfüllen, hat sich die Stadt Leipzig frühzeitig der Frage einer
nachhaltigen Bereitstellung von Kompensationsflächen gestellt und ein strategisches Management nicht nur für das Stadtgebiet, sondern in Zusammenarbeit
mit den Umlandgemeinden auf regionaler Ebene ein interkommunales Kompensationsmanagment (IKOMAN) initiiert.
Aufgabe des seit 2000 in der Stadt bestehenden Kompensationsflächenmanagements ist es also, die Eingriffsregelung mit den entsprechenden Kompensationsanforderungen optimal umzusetzen und damit gleichzeitig die Entwicklung
Foto Seite 156:
Kompensationsflächen im Grünen Bogen
Paunsdorf.
157
Umsetzung der Kompensationsmaßnahmen für den Investor nach finanzieller Ablösung auf Grundlage des Vertrages
Führung des städtischen Ökokontos.
Folgende Arten von Kompensationsmaßnahmen kommen in Leipzig zur
Anwendung:
Entsiegelung und Begrünung von Brachflächen
Rückbau und Begrünung von Verkehrsflächen
Pflanzung von Straßenbäumen
Umwandlung von Acker in Grünland
produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen (z. B. Pflanzung von
Feldhecken, Blühstreifen)
Aufforstung
Weideflächen mit Wildpferden auf einer Kompensationsfläche am
Porsche-Werk.
Der überwiegende Teil der Flächen mit umgesetzten Kompensationsmaßnahmen
befindet sich in kommunalem Eigentum und wird entsprechend der festgelegten Pflegekategorie des öffentlichen Grüns bzw. entsprechend der Bewirtschaftungsmaßnamen im Wald gepflegt, nachdem sie aus der Fertigstellungs- und
Entwicklungspflege entlassen worden sind.
Gewässerrenaturierung (z. B. Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie durch
Rückbau von Staustufen)
Waldumbau (z. B. Hutewald)
Offenhaltung von Offenlandbiotopen.
Im Fokus stehen bis heute vor allem brachgefallene Flächen, die nicht in eine
bauliche oder anderweitige Nutzung zurückgeführt werden können. Eine enge
Verzahnung von Brach- und Kompensationsflächenmanagement hat sich hier
als Erfolgsrezept erwiesen, zumal die landesgesetzlichen Regelungen in Sachsen
auch den Rückbau von Hochbauten und die Entsiegelung von Flächen als Kompensationsmaßnahme durch eine Bonunsregelung besonders honorieren.
Im Rahmen einer Kompensationsmaßnahme für den Bau des
Porsche-Werkes wurden
Kasernen in Brandis
abgerissen - gleichzeitig
ein Beispiel der guten
interkommunalen Kooperation in diesem Aufgabenfeld.
158
Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen des verstärkten Wachstums hat sich
die Konkurrenz, aber auch die Bodenspekulation mit zukünftigen Potenzialen von
Brachflächen erheblich gesteigert, so dass die Verfügbarkeit von Kompensationsflächen zu finanzierbaren Preisen immer schwieriger wird. Umso wichtiger ist
ein weit vorausschauendes strategisches Flächenmanagement auch in diesem
Zusammenhang. Eine weitere Perspektive, um den Kompensationsanforderungen gerecht zu werden, bieten innovative Ansätze, die auch in der Vergangenheit in Leipzig immer wieder beispielhaft erprobt und erfolgreich etabliert werden
konnten.
Ein solcher Ansatz beruht auf der Multifunktionalität solcher Flächen. Insbesondere die Kombination von Kompensations- und Erholungsfunktionen im urbanen
Umfeld bietet zahlreichen Funktionen Raum, die sich nicht zwangsweise widersprechen müssen. Dies zeigen Beispiele wie im Grünen Bogen Paunsdorf oder
auch im Neuseenland, so dass diese Strategie mittlerweile eine hohe Akzeptanz
genießt. Das hat dazu geführt, dass die eingriffsnahe Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen heute von Politik und Bürgerschaft aus der Motivation heraus gefordert wird, die mit der Flächeninanspruchnahme auch verlorengehende
Lebensqualität zu kompensieren. Problematisch ist dabei - vor allem im Außenbereich - dass hier durch den Eingriff wie auch durch die flächenhafte Kompensation bis heute landwirtschaftlich genutzte Flächen in Anspruch genommen werden, zumal eingriffsnah selten Brachen revitalisiert werden können.
Der Spielplatz Kinderreich entstand anstelle
von Messehallen des
agra-Geländes.
In der Stadt hilft diese Kombination aber dabei, Brachen als Freiräume wohnungsnah auch für Erholungszwecke zu sichern und naturnah zu gestalten, wie
auch die aktuell in Entwicklung befindliche „grüne Achse“ hinter dem Bayerischen Bahnhof zeigt. Hier werden Kompensationsmaßnahmen aus dem Bau des
Citytunnels die ersten Grünstrukturen bilden.
Mit Novellierung des Baugesetzbuches wurde 1998 die Möglichkeit geschaffen, Kompensationsmaßnahmen räumlich und zeitlich entkoppelt vom Eingriff
umzusetzen. Damit konnte der Suchraum für Kompensationsflächen/-maßnahmen erweitert werden. Das Kompensationsflächenmanagement ist so immer
stärker zu einer regionalen Aufgabe geworden, der sich der Grüne Ring Leipzig
intensiv angenommen hat.
Aber auch die Potenziale, die ein regionaler Ansatz bietet, sind oft schwierig zu
erschließen und verstärkten Nutzungskonkurrenzen ausgesetzt, u. a. auch vor
dem Hintergrund der eingeläuteten Energiewende, die entsprechende Flächen
beansprucht.
Eine weitere Möglichkeit, die Aufgabe unter weniger Druck frühzeitig und strategisch anzugehen, ist die zeitliche Entkopplung von Eingriff und Kompensation.
Grundsätzlich sind auch dazu die rechtlichen Möglichkeiten gegeben und wurden
auch frühzeitig vom Grünen Ring Leipzig aufgegriffen. Mit dieser zeitlichen Entkopplung können auf verfügbaren Flächen schon vor dem Eingriff Kompensationsmaßnahmen umgesetzt werden, so gegebenenfalls zukünftigen Nutzungskonkurrenzen und Preissteigerungen entzogen und strategisch genutzt werden,
um großflächige, Naturschutz-Komplexmaßnahmen geschlossen umzusetzen
und diese dann später kommenden Eingriffen zuzuordnen. In der Praxis gestal-
tet sich dieser Weg, der häufig als Maßnahmenpool oder Ökokonto gehandhabt
wird, vor dem Hintergrund begrenzter kommunaler Finanzressourcen zur Vorfinanzierung und unsicherer Entwicklungsprognosen ebenfalls schwierig. Entsprechende Ansätze werden aber stetig weiter verfolgt. Mittlerweile haben auch
private Unternehmen Ökokonten eingerichtet, die sie einerseits zum eigenen
Bedarf nutzen, andererseits auch der Stadt Leipzig zur Zuordnung anbieten.
Insofern sind weitere Innovationen und neue Strategien zu entwickeln. Aktuell
liegt der Fokus vor allem auf Ansätzen einer produktionsintegrierten Kompensation. Gemeint ist dabei eine Extensivierung von landwirtschaftlichen Nutzungen, die dabei möglichst ökonomisch rentabel bleiben sollen, gleichzeitig aber
eine ökologische Aufwertung der Flächen erreichen, die als Kompensation angerechnet werden kann. Damit wird vor allem das Ziel verfolgt, der Landwirtschaft
keine weiteren Flächen zu entziehen, sondern innerhalb der landwirtschaftlichen
Bewirtschaftung eine ökologische Aufwertung zu erreichen, die dem Landwirt
über die Eingriffsregelung auch finanziell abgegolten wird. In der Forstwirtschaft sind solche Ansätze ebenfalls denkbar. Auch eine zusätzliche Aufwertung
bereits hochwertiger Naturschutzflächen oder die Aufrechterhaltung hochwertiger Naturschutzqualitäten, die aktuell nicht mehr gesichert sind, stehen zur
Diskussion.
159
Der Abbruch eines Beriebsgebäudes (Foto
links), die Entsiegelung
und Bepflanzung (Foto
unten) war Gegenstand
einer Kompensationsmaßnahme am Krematorium auf dem Südfriedhof.
Vor diesem Hintergrund werden im Kompensationsflächenpool der Stadt Leipzig
seit dem Jahr 1998 Flächen erfasst, welche, ausgehend von vorliegenden Planungen der Stadt Leipzig bzw. des Grünen Ringes Leipzig, ein Potenzial für eine Kompensationsmaßnahme darstellen. Nach der Erfassung erfolgt ein umfassendes
Eignungsprüfverfahren um zu klären, ob die Fläche
planungsrechtlich dauerhaft als „begrünte“ Fläche gesichert ist/werden
kann,
im Sinne des Naturschutzrechtes aufwertungsfähig ist
eigentumsrechtlich dauerhaft verfügbar ist bzw. entsprechende Zustimmungen des Eigentümers und Pächters erbracht werden können
dauerhaft gepflegt werden muss und kann, um den Zielzustand zu erreichen
und zu erhalten.
Auf regionaler Ebene steht den Kommunen seit 2007 mit dem IKOMAN ein Internet-basiertes Instrument zum Interkommunalen Kompensationsflächenmanagement zur Verfügung. Eng verzahnt auch hier mit einem entsprechenden Tool
zum Interkommunalen Brachflächenmanagement, dem IKOBRA.Nach Erfassung
der Flächen erfolgt ein umfassendes Eignungsprüfverfahren.
160
Leipzig im Jahr 2030
Ein strategisches Kompensations(-flächen-)management hat sich in den letzten 20 Jahren als erfolgreich erwiesen und bleibt auch in Zukunft unerlässlich, um Wachstum zu ermöglichen und gleichzeitig Natur und Landschaft zu
bewahren und die damit verbundene Lebensqualität auch im urbanen Raum
zu sichern.
Das Kompensationsflächenmanagement hat sich darüber hinaus als ein
bedeutendes Instrument zur Entwicklung des Freiraumsystems von Stadt
und Region etabliert. Je nach Art der Kompensationsmaßnahmen konnten die
Flächen in entsprechende Grünkonzepte, die Wald- und Gewässerentwicklung
sowie Pflege- und Entwicklungspläne eingebunden werden. Dazu war geodatentechnisch die enge Verschneidung des Kompensationsflächenmanagements mit dem Geoinformationssystem des Amtes für Stadtgrün und Gewässer, mit dem auch das GRIS unterstützt wird, erforderlich.
Der Ansatz, Kompensationsmaßnahmen vor allem in die Stadt und deren
Brachflächen zu lenken, konnte erfolgreich aufrechterhalten werden.
In enger Kooperation mit den Landwirten konnte, ausgehend von den erfolgreichen Pilotprojekten in der Parthenaue, die produktionsintegrierte Kompensation etabliert werden. Die Landwirtschaft steht diesem Ansatz positiv
gegenüber und unterstützt die Weiterentwicklung aktiv mit konstruktiven
Vorschlägen.
Die prioritären Ansätze des interkommunalen Kompensationsmanagements
wirken dem Entzug von Landwirtschaftsflächen zur Nutzung für Kompensationsmaßnahmen entgegen, so dass das im Jahr 2015 verankerte Ziel, dafür
keine landwirtschaftlich genutzten Flächen zusätzlich in Anspruch zu nehmen, von allen Seiten anerkannter Standard in der Region Leipzig geworden
ist und bundesweite Beispielwirkung entfaltet hat.
Das Kompensationsflächenmanagement konnte auch in Bezug auf die umgesetzten Maßnahmen ausgebaut und qualifiziert werden, so dass auch die seit
2017 neu umgesetzten Kompensationsflächen einer umfassenden Funktionsund Erfolgskontrolle unterzogen werden.
Im Sinne der Entwicklung von nachhaltigen und kostengerechten Kompensationsmaßnahmen ist die vollständige Entwicklung des Biotopes zu erbringen
(Zielbiotop). Es konnte erreicht werden, dass darüber hinaus auch die dauerhafte Erhaltung des Zielzustandes in der Regel auf die Dauer von 25 Jahren
durch den jeweiligen Kompensationspflichtigen abgelöst (d. h. vorfinanziert)
wird, so dass insgesamt eine dauerhafte Sicherung gewährleistet werden
konnte.
Der regionale Ansatz, sprich die räumliche Flexibilität bei der Zuordnung von
Kompensationsmaßnahmen zu weiter entfernten Eingriffen auch in anderen
Kommunen, hat sich als der Schlüssel zum Erfolg erwiesen.
Die Bedeutung von Natur und Landschaft und eines gut vernetzten Freiraumsystems wurde erkannt. Auf dieser Grundlage konnten mit Hilfe von vorgezogenen Komplexmaßnahmen wichtige Grünachsen weiter entwickelt werden,
die als Maßnahmenpool im Sinne eines Ökokontos eingerichtet worden sind.
Diese Maßnahmen, die späteren Eingriffen zugeordnet werden, sichern nicht
nur die Entwicklung des Freiraumsystems, sondern gleichzeitig die baulichen
Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt.
Durch gezielte Lenkung von Kompensationsmaßnahmen in die Gewässerentwicklung im Rahmen des Kompensationsflächenmanagements konnten auch
Gewässer II Ordnung gemäß der Wasserrahmenrichtlinie entwickelt werden.
161
162
Interkommunale
Kooperationen
im Jahr 2003 definierten Handlungsfelder wurden im Rahmen der Fortschreibung im Jahr 2014 in ihrer Grundstruktur erhalten, vor dem Hintergrund aktueller
Zukunftsthemen aber neu ausgerichtet und thematisch erweitert zu den folgenden Handlungsfeldern:
Grünstrukturen und Gewässer enden nicht an kommunalen Grenzen. Eine erfolgreiche Sicherung und Entwicklung sowie nachhaltige Nutzung kann daher nicht
an den Grenzen der Stadt Leipzig halt machen, sondern braucht in vielen der
bereits aufgezählten Handlungsfeldern die Einbeziehung der regionalen Ebene,
insbesondere der Umlandgemeinden. Die intensive Vernetzung des Grün- und
Gewässersystems der Innenstadt über den Stadtrand bis hinein in das Umland
und die Nachbarkommunen ist vor allem seit der gemeinsamen Entwicklung der
Bergbaufolgelandschaft ein Alleinstellungsmerkmal der Destination Leipzig.
Starke Landschaft / stabile Ökosysteme
Erlebbare Landschaft
Essbare Landschaft
Innovative Landschaft.
In diesen Handlungsfeldern werden im RHK 2014 insgesamt 14 Schlüsselprojekte
identifiziert, die in sechs Arbeitsgruppen (Gewässer; Interkommunales Flächenmanagement; Landschaft; Landwirtschaft; Touristische Infrastruktur; Umwelttechnik) bearbeitet werden. Diese Schlüsselprojekte werden in der Regel gemeinsam umgesetzt, ohne dass in die jeweilige Planungshoheit eingegriffen wird. Die
gemeinsamen Projekte (seit Gründung 87 Planungen, Konzepte und investive
Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von 5,3 Mio. Euro) konnten bisher auf
der Grundlage umfassend akquirierter Fördermittel umgesetzt werden. Weitere
Projekte wurden mit Hilfe der Umlage der Mitgliedskommunen kofinanziert und
in die Umsetzung gebracht (97 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 400.000
Euro (GRL 2014). Die Hauptaufgabenfelder und Schlüsselprojekte weisen große
Schnittmengen mit den Themen der vorliegenden Freiraumstrategie des Amtes
Vor dem Hintergrund zukünftiger regionaler und überregionaler Herausforderungen (Klimawandel, Bevölkerungsentwicklung, Förderkulissen) wird auch die länder- und aktionsraumübergreifende Zusammenarbeit immer wichtiger.
Geprägt wird diese Kooperation heute vornehmlich durch den Grünen Ring Leipzig, aber auch weitere Kooperationsformen in Zweckverbänden und weniger formalisierten Formen der strategischen Zusammenarbeit. Sie reicht letztlich auch
im Themenfeld Freiraum und Gewässer bis hin zur Europäischen Metropolregion
Mitteldeutschland.
Grüner Ring Leipzig
Seit 1996 arbeiten im Grünen Ring Leipzig (GRL) Kommunen und Landkreise
mit dem Ziel der Attraktivitätssteigerung und umweltverträglichen Entwicklung der Kulturlandschaft als Grundlage für eine lebenswerte Region erfolgreich in einem freiwilligen, gleichberechtigten, transparenten und bürgeroffenen
Netzwerk zusammen. Der Grüne Ring Leipzig sieht sich als Motor für verschiedenste Entwicklungen in der Region. Er entwickelt nicht nur interkommunale
und länderübergreifende Strategien und Projekte, sondern sorgt im Rahmen des
Umsetzungsmanagements auch für die Realisierung der strategischen Ansätze.
Besonderes Augenmerk richtet er dabei auch Nachhaltigkeit sowie auf die Übertragbarkeit seines Vorgehens auf andere Regionen in Deutschland und Europa.
Einer der Leitgedanken ist die unerlässliche Kommunikation, um miteinander im
Raum zu agieren.
Heute kooperieren im Grünen Ring Leipzig 13 Kommunen und zwei Landkreise.
Handlungsgrundlage ist das Regionale Handlungskonzept (RHK). Die bereits
Die Sehenswürdigkeiten und Erholungsgebiete des Grünen
Ringes Leipzig werden
auf Schautafeln im wiedererkennbaren Design
gezeigt.
Foto Seite 162:
Im Süden der Stadt ist
der Grüne Ring Leipzig
von den aufgehenden
Seen der Bergbaufolgelandschaft geprägt.
163
Zweckverband Kommunales Forum Südraum Leipzig
Dieser Zweckverband ist ein Zusammenschluss von 13 Städten und Gemeinden
des Landkreises Leipzig, dem Landkreis Leipzig selbst und der Stadt Leipzig, mit
Sitz in Markkleeberg. Das Anliegen des 1996 gegründeten Zweckverbandes ist
die gemeinsame Entwicklung der Bergbaufolgelandschaft im Südraum Leipzig.
Ziel ist es, die neu entstehende Gewässerlandschaft im gemeinsamen Interesse
zu entwickeln, d. h. aktiv mitzugestalten und diese Neugestaltung für die Entwicklung neuer Wirtschaftsbereiche und Infrastrukturen in seiner ganzen Vielfalt
zu nutzen. Inhaltliche Schwerpunkte, die miteinander abgestimmt, gemeinsam
beraten und vertreten werden, sind die Verkehrs- und technische Infrastruktur,
die Region als Wirtschafts- und Lebensraum, die wasserwirtschaftliche Sanierung, die Landschaftsgestaltung, die Tourismusförderung sowie Fragen der
Flächenverfügbarkeit. Dabei greift der Zweckverband nicht in die Zuständigkeiten und Befugnisse der Kommunen und anderen Zweckverbände ein. Aktuelle
Projekte des Zweckverbandes sind im Bereich „Touristischer Gewässerverbund
Leipziger Neuseenland“ die Störstellenbeseitigung in der Pleiße, die Verbindung
Markkleeberger See - Pleiße sowie Umtrageeinrichtungen am Agra-Wehr. Darüber hinaus hat sich der Zweckverband in Abstimmung mit den regionalen Partnern dazu entschlossen, das Management der wassertouristischen Anlagen im
Leipziger Neuseenland zu übernehmen.
für Stadtgrün und Gewässer auf. Auch organisatorisch bestehen enge Bezüge
zwischen dem Amt für Stadtgrün und Gewässer und dem Grünen Ring Leipzig, weil die strategische Arbeit sowie das Projekt- und Finanzmanagement im
Grünen Ring Leipzig der Stadt Leipzig obliegen und im Amt für Stadtgrün und
Gewässer verankert sind. Die Geschäftsstelle des GRL ist in Borsdorf angesiedelt,
sie ist zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungs- und AG-Organisation
sowie die Netzwerkarbeit.
Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland
„Die Steuerungsgruppe ist ein Gremium von Entscheidungsträgern aus Kommunen, Landkreisen, Behörden, der Braunkohlesanierung und Institutionen, die an
Aktivitäten zum Ausbau des Gewässerverbundes zwischen der Stadt Leipzig und
den Gewässern des Nord-, West- und Südraumes, zur Standortentwicklung an
den Seen und dem Marketing beteiligt sind.“ (Geschäftsordnung Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland).
Der Geopfad am Markkleeberger und Störmthaler See verdeutlicht
die Erdgeschichte der
Bergbaufolgelandschaft.
164
Ziel ist die Schaffung eines attraktiven und leistungsfähigen gewässertouristischen Verbundes in der Region Leipzig, der in das natürliche Gewässersystem
wasserwirtschaftlich sinnvoll und naturverträglich eingebunden ist. Hier werden entsprechende Maßnahmen abgestimmt und Schwerpunkte gesetzt ohne
dass die Planungs- und Finanzierungshoheit der Kommunen und des Freistaates
Sachsen dadurch berührt wird.
„Die Ergebnisse der Beratungen bilden die strategische Grundlage für das Handeln der einzelnen Mitglieder im Rahmen der Umsetzung des Wassertouristischen Nutzungskonzeptes und einer nachhaltigen Entwicklung der Destination
Erholung kennt keine
Stadt- oder Gebietsgrenzen, im Bild das Südufer
des Cospudener Sees.
Leipziger Neuseenland.“
Neuseenland).
(Geschäftsordnung
Steuerungsgruppe
Von der Steuerungsgruppe ging im Jahr 2011 die Initiative zur Erarbeitung einer
Charta Leipziger Neuseenland 2030 aus. In einem umfangreichen Beteiligungsprozess, gemeinsam mit allen Akteuren, aber auch der breiten Öffentlichkeit
,wurden die Inhalte diskutiert. Die Endfassung wird im Mai 2015 verabschiedet.
Ziel ist es, eine Selbstverpflichtung aller Akteure und eine gemeinsame Qualitätsvereinbarung zu verabschieden, die die strategische Ausrichtung der Entwicklung des Leipziger Neuseenlandes vorgibt. In diesem Sinne wird die Charta
auch die hier vorliegende Strategie des Amtes für Stadtgrün und Gewässer der
Stadt Leipzig im Themenbereich der interkommunalen, das heißt regionalen
Entwicklung des Leipziger Neuseenlandes mit gleichem Zeithorizont ergänzen.
Leipziger
In diesem Sinne reichen die Aufgaben der Steuerungsgruppe von der allgemeinen Lobby-Arbeit für die Region und der Fortschreibung des „Wassertouristischen Nutzungskonzeptes Region Leipzig“ über die Begleitung der Entwicklung
weiterführender konzeptioneller Grundlagen (Infrastrukturmasterplan, Regionalmarketing inkl. Kommunikationskonzept, Strategie der Öffentlichkeitsarbeit,
Organisationsstruktur für das Leipziger Neuseenland) sowie die Unterstützung
der Finanzierung entsprechender Schlüsselmaßnahmen des Gewässerverbundes
bis hin zur Förderung der Entwicklung von buchbaren Produkten.
Koordiniert und unterstützt wird die Arbeit der Steuerungsgruppe durch eine
Geschäftsstelle. Die inhaltliche Bearbeitung der Aufgaben findet in den drei
Arbeitsgruppen „Gewässerverbund Region Leipzig“, „Standortentwicklung“ und
„Marketing“ statt.
Die Arbeitsgruppe (AG) Gewässerverbund wird vom Amt für Stadtgrün und
Gewässer geleitet. Hier wird auch der inhaltliche und fachliche Input aus der
Region und der Stadtverwaltung Leipzig koordiniert und qualifiziert. Eine der
Hauptaufgaben ist das Erkennen und Thematisieren von Problemen in der Entwicklung des Leipziger Neuseenlandes und die gemeinsame Erarbeitung von
Lösungen für die regionale Entwicklung.
Das Leipziger Neuseenland besitzt für die touristische Entwicklung
in der Region zentrale
Bedeutung. Im Bild: Hafen im Stadtgebiet Markkleeberg.
Zweckverband Parthenaue
Der Zweckverband Parthenaue mit Sitz im Leipziger Stadtteil Plaußig vereint
alle Kommunen des Parthelandes. Er wurde 1992 mit dem Hauptziel des Erhaltes der Kulturlandschaft Parthenaue und deren Erschließung für die Naherholung
gegründet. Er ist für die Pflege und Entwicklung von kommunalen Gewässern,
die Biotoppflege, -entwicklung und deren Monitoring sowie die Pflege und Entwicklung der Erholungsinfrastruktur im Partheland zuständig. Darüber hinaus
engagiert sich der Zweckverband in der Umweltbildung und begleitet Projekte
und Konzepte zur Regionalentwicklung im Partheland.
165
Das Projekt „Lebendige
Luppe“ ist ebenfalls interkommunal angelegt.
Links der gegenwärtige Verlauf des Flusses,
rechts sein altes Bachbett im Auwald.
Auf der Grundlage des in den Jahren 2014 bis 2019 erfolgreichen Projektes
Stadt-Parthe-Land haben sich neue Wertschöpfungsketten eröffnet, die sich
mittlerweile etabliert haben und eine nachhaltige, auch ökonomisch tragfähige Kulturlandschaftsentwicklung im Partheland auch zukünftig absichern.
Damit konnte das Partheland aus dem Schatten der durch neue Seen geprägten Region des Grünen Ringes Leipzig heraustreten, was vor allem einer nun
deutlich sichtbaren regionalen Landwirtschaft zu verdanken ist, deren Produkte von den Großstädtern umfassend nachgefragt werden.
Die Qualität der wassertouristischen Anlagen konnte durch das Wirken des
Zweckverbandes Kommunales Forum Südraum Leipzig in der Region auf
einem einheitlich hohen Level gehoben werden und hat sich zu einem eigenständigen Qualitätsmerkmal Leipziger Neuseenlandes entwickelt.
Durch die gemeinsame Anstrengung über Verwaltungsgrenzen hinweg ist das
Leipziger Neuseenland mit seinen vielfältigen landschaftlichen Qualitäten zu
einem zentralen Imagefaktor geworden, nicht nur im Bereich des Tourismus
sondern auch bei der Entscheidung über einen Zuzug in die Region.
Leipzig im Jahr 2030
Die interkommunale Zusammenarbeit hat dazu beigetragen, dass Stadt und
Umland über Grün- und Gewässerstrukturen vielfältig vernetzt sind und eine
nachhaltige Kulturlandschaftsentwicklung weiterhin in allen drei Dimensionen (ökologisch, sozial, ökonomisch) gemeinsam verfolgen.
Die durch die interkommunale Zusammenarbeit garantierte Abstimmung
gemeinsamer Entwicklungslinien hat zu einer eigenen Identität im StadtUmland-Kontext geführt, die nicht nur in der Landschaft ablesbare Qualitäten aufweist, sondern auch bei der Bevölkerung angekommen ist. Die urbane
Lebens- und Erholungsqualität in Leipzig wird wesentlich von dem Zusammenwirken von Stadt und Umland bestimmt.
Die Zusammenarbeit im Grünen Ring Leipzig hat sich in den letzten Jahren auf
Grundlage der Fortschreibungen des Regionalen Handlungskonzeptes und des
Tourismuswirtschaftlichen Gesamtkonzeptes für den mitteldeutschen Raum
weiter etabliert. Die Umsetzung der Schlüsselprojekte aus dem fortgeschriebenen Regionalen Handlungskonzept 2014 ist weit vorangeschritten, weil
gemeinsam agiert wurde und vielfältige Förderquellen erschlossen werden
konnten.
166
Die Zusammenarbeit an Themen der Landschafts- und Gewässerentwicklung
hat sich über die schon länger bestehenden Stadt-Umland-Kooperationen hinaus im mitteldeutschen Raum intensiviert.
Durch das interkommunale Agieren bei der Investorenansiedlung im gesamten mitteldeutschen Raum ist es gelungen, einen Wettbewerbsvorteil in
Europa zu schaffen. Durch das interkommunale Brachflächenkataster und
das entsprechende Kompensationsflächenkataster konnte die Flächensuche
sowohl für Gewerbeansiedlungen als auch für die erforderlichen Kompensationsflächen in vielen Fällen erleichtert werden. Diesen Service aus der Region
schätzen die Investoren.
fazit
Die Stadt Leipzig präsentiert mit der vorliegenden Freiraumstrategie die ganze
Aufgabenfülle, welche die grün-blaue Infrastruktur des Stadtgebiets bereithält.
Die Objekte der unterschiedlichen Freiraumkategorien von sehr unterschiedlicher
Größe, Gestalt und Nutzung, die innerhalb des Radial-Ring-Systems miteinander
wie auch mit dem Umland vernetzt sind, erfüllen dabei umfassende soziokulturelle, gesundheitsfördernde, ökologische wie auch ökonomische Funktionen. So
wird deutlich: Ein „Verwalten“ der Flächen und Gewässer kann diesen Anforderungen nicht genügen. Es bedarf eines umfassenden und mitwirkungsorientierten Managementansatzes.
Die auf Grundlage einer kurzen, zusammenfassenden Bestandsaufnahme des
Status quo skizzierten Zielvorstellungen, wie sich das Leipziger Grün und Blau
im Jahr 2030 präsentieren soll, bilden den Schwerpunkt dieser Freiraumstrategie.
Das sich in den zahlreichen, detaillierten Zielvorstellungen abzeichnende Leitbild
ist das eines gut vernetzten, in gestalterischer und funktionaler Qualität verbesserten Freiraumsystems aus Stadtgrün und Gewässern. Das bedeutet, dass der
Arbeitsschwerpunkt der kommenden Jahre in der Werterhaltung, in der Sicherung eines funktions- und nutzungsfähigen Zustandes sowie in der Weiterentwicklung von Freiräumen der unterschiedlichen Kategorien liegen wird. Diese
Erhaltungsmaßnahmen betreffen sowohl grundlegende Sanierungen als auch
die kontinuierlichen Werterhaltungsmaßnahmen.
Zuwächse in der Quantität des Stadtgrüns und der Gewässer muss es unter den
Vorzeichen der „wachsenden Stadt“ künftig vor allem dort geben, wo sie das
Radial-Ring-System komplettieren. Besonders in den dichter werdenden Quartieren ist der Beitrag für das örtliche und - vor allem - für das gesamtstädtische
System der grün-blauen Infrastruktur für künftige Generationen abschließend zu
verhandeln. Im Zuge möglicher Gebietsreformen (Eingemeindungen), von Siedlungserweiterungen und der Entwicklung von Brachflächen wird es weiterhin Flächenzuwächse geben. Nach Jahren der Neuanlage von Parks und Grünflächen in
Leipzig besteht die Herausforderung der Zukunft allerdings vordergründig in der
Erhaltung und Weiterentwicklung des Bestehenden.
sität und intensivere Nutzungsformen, durch klimatische Veränderungen und
andere Umwelteinflüsse entstanden. Um die Freiräume der Stadt Leipzig in
ihrer Substanz zu sichern und sie den weiter wachsenden Anforderungen gerecht
werden zu lassen, sind Investitionen in das öffentliche Grün und Blau weiterhin
unumgänglich.
Die vorliegende Freiraumstrategie legt dar, welchen Intentionen diese Investitionen und die Werterhaltung in Bezug auf die Funktions- und Nutzungsfähigkeit
der Freiräume in Zukunft vorrangig zu folgen haben.
In der Endphase der Erarbeitung dieses Papiers hat die Bertelsmann-Stiftung im
Juli 2015 eine neue Bevölkerungsvorausberechnung vorgelegt. Danach behält die
Stadt Leipzig die größte Anziehungskraft in Mitteldeutschland auch in Zukunft,
ihr wird ein Wachstum von fast 14% bis 2030 zugetraut.
Bei der Herausforderung, dieses Wachstum nachhaltig, das heißt ohne negative
Auswirkungen auf die Lebensqualität zu gestalten, kommt der Freiraumstruktur,
der Freiraumversorgung und der Qualität, Zugänglichkeit, Nutzbarkeit und Funktionsfähigkeit des öffentlichen Grüns und der Gewässer eine große Bedeutung
zu.
Die Stadt stellt hier vor, wie sie diesen Herausforderungen in Zukunft gerecht
werden will. Da dieses Aufgabenfeld vielfältig mit anderen Themen der Stadtentwicklung und der städtischen Gesellschaft verknüpft ist, soll das vorliegende
Papier Handlungs- und Diskussionsgrundlage im Kontext der zukünftigen Entwicklung der Stadt Leipzig insgesamt werden.
Leipzig, im April 2017
Die großen Potenziale eines über Jahrhunderte entwickelten Grün- und Gewässersystems, aber auch offenkundige Defizite begründen diese Qualitätsoffensive. Die Defizite sind durch unterbliebene Investitionen in die Substanz und die
Komplettierung des Freiraumsystems, durch eine gestiegende Nutzungsinten167
Die Stadt vom Freiraum aus denken – Der erfolgreiche Landschaftswandel bildet die Basis für eine zukunftsfähige und
lebenswerte Stadt!
Ein Kommentar von Rüdiger Dittmar, seit dem 01.08.2015 Leiter des Amtes für
Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig
Meine persönlichen Erfahrungen mit den Potenzialen und Herausforderungen des
Leipziger großräumigen Stadtgrüns und seinen zahlreichen Gewässern, sprich
der grünen und blauen Infrastruktur in dieser Stadt, sind erst einige Monate alt.
Vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen mit grüner und blauer Infrastruktur in
unterschiedlichen Städten und meinen Einblicken in Leipzigs intensiv durch grün
und blau geprägte Stadtlandschaft liegen für mich aber einige wichtige Erkenntnisse bereits auf der Hand.
Wesentlich ist für mich, in Leipzig bilden Stadt und Landschaft eine ganz besondere Verbindung, aus der sich herausragende Potenziale für die Stadtentwicklung ergeben. Diese Potenziale wurden in den vergangenen 25 Jahren mit großer
Tatkraft und Expertise genutzt und eine neue Stadtlandschaft mit vielfältigen
Verknüpfungen zur Region geschaffen. Diese Entwicklung gilt es vor den nunmehr geänderten Vorzeichen einer stark wachsenden Stadt, eingebunden in eine
sich weiterhin im Wandel begriffene Region, fortzusetzen.
Dies spiegelt auch die vorliegende Freiraumstrategie wider, die sich als Fortschreibung des bisher Erreichten versteht. Dem Status quo wird hier entsprechend Raum gegeben. Die Perspektive dessen, was im Jahr 2030 vorgefunden
werden soll, erscheint darauf aufbauend wie eine konsequente Fortschreibung
des bisher verfolgten Weges.
Gleichzeitig hat Leipzig im Vergleich der europäischen Großstädte noch große
Potenziale und die Möglichkeit, aus der Landschaftstransformation der vergangenen 25 Jahre neue Wege und Antworten für zukünftige Entwicklungen und
Herausforderungen zu liefern. Vorhandene Lücken zu schließen oder bestehende
Brüche zu beheben sind dabei die naheliegenden Aufgaben. Darüber hinaus
müssen Antworten auf Zukunftsfragen, wie Klimaveränderungen, gesellschaftlichen Wandel durch Demografie, Migration und Integration oder den uralten
Wettbewerb der Städte um Wohlstand und Entwicklung, gefunden werden.
Diese Herausforderungen bedürfen einer ständigen Reflektion der Aufgaben
des gesamten Amtes sowie der gesamtstädtischen Freiraumentwicklung. Der
Grundstein für diese Einbeziehung und Reflexion gesellschaftlicher, aber auch
168
ökologischer und ökonomischer Werte, ist mit Teil 2 der Strategie gelegt.
Entscheidend wird sein, auf Basis klarer fachlicher Haltungen Lösungswege
für die künftigen Anforderungen zu finden, welche für die Leipzig spezifische Situation formuliert werden. Die von der Lage in einer charakteristischen
Auenlandschaft geprägte Stadtlandschaft zeigt bis heute mit den europaweit
bedeutenden Relikten des Leipziger Auwalds in unmittelbarer Großstadtlage
ein besonders naturnahes Gesicht. Diese Naturnähe wird durch ein verzweigtes
Gewässernetz und unterschiedlichste Grünstrukturen bis in die Innenstadt getragen. Die wesentliche Herausforderung der kommenden Jahre wird sein, diesen
einmaligen, grün-blauen Charakter weiter herauszuarbeiten und für künftige
Generationen zu stärken. Die zunehmenden Nutzungs- und Interessenkonflikte,
begleitet durch sich verstärkende ökonomischen Anforderungen, bedürfen Antworten, denen eine klare Haltung der grün-blauen Fachverwaltung zu Grunde
liegen muss. Diese müssen der langfristigen Sicherung dieser einmaligen Stadtlandschaft gerecht werden und Ziele für eine grün-blaue Infrastruktur formulieren, die das Stadtgebiet möglichst vollständig durchzieht, gleichzeitig vielfältige
Nutzungen zulässt und langfristige Werte schafft, ohne ökonomische Zwänge
auszublenden.
Aus meiner Sicht können Stadtgrün und Gewässer die Lebens- und Standortqualität von Leipzig auch in Zukunft wesentlich bestimmen, wenn es gelingt,
den einmaligen Charakter der naturnahen Stadtlandschaft mit ihren historisch
bedeutenden Parkanlagen und Gewässersystemen weiter zu stärken. So muss
der begonnene Landschaftswandel auf der Grundlage qualitätsvoller Landschaftsarchitektur zur Sicherung des unverwechselbaren Charakters Leipzigs
fortgesetzt werden. Gesellschaftlicher und umweltbedingter Wandel muss zum
Motor dieser Weiterentwicklung werden und so Leipzig für das Stadt- und Standortmarketing sowie den Tourismus entscheidend positionieren.
Der Wert der grün-blauen Infrastruktur ist den vielen Menschen, die unsere Flächen auf vielfältige Weise und vor unterschiedlichsten Hintergründen rücksichtsvoll nutzen sowie mit viel Engagement begleiten, bereits heute bewusst. Damit
sich dieses Bewusstsein weiter schärft und auch künftig die gesamtstädtischen
Planungsentscheidungen prägt, ist es wichtig, aus fachlicher Sicht die Qualitäten
aber auch Defizite und notwendige Schritte für künftige Entwicklungen deutlich zu machen. Sie sind nachvollziehbar zu beschreiben und zu kommunizieren
sowie mit Politik und Gesellschaft zu diskutieren. Dazu ist es erforderlich, fachliche Erkenntnisse, Haltungen und Ziele offenzulegen, damit sie Grundlage eines
öffentlichen Diskurses werden. Die vorliegende Strategie leistet hierzu einen
wichtigen Beitrag und muss gleichzeitig in diesem gesellschaftlichen Diskurs
weiter an Konturen gewinnen, um an zentralen Stellen künftig auch eindeutigere
Positionen herausarbeiten zu können.
Gerade weil häufig eine Gesamtstrategie oder ein „grün-blaues Leitbild“ fehlen,
welche die unterschiedlichen Themen zusammenführen und mit ausreichender
Klarheit Ziele für die Gesamtstadt formulieren, gelingt es nicht, die knappen Ressourcen für die wesentlichen Themen- und Aufgabenfelder einzusetzen. Insofern
freue ich mich, dass sich das Amt für Stadtgrün und Gewässer, unterstützt von
anderen, fachlich berührten Ämtern, in den letzten Jahren auf den Weg gemacht
hat, fachlich begründete Haltungen zu entwickeln und diese mit daraus abgeleiteten Zielsetzungen in der vorliegenden Freiraumstrategie zu formulieren.
Aus meiner Sicht liegt gerade im Offenlegen dieser Haltungen und Ziele als Basis
für den politischen und öffentlichen Diskurs der besondere Wert der hier vorgelegten Freiraumstrategie. Ich freue mich daher, nun auf dieser Basis einen intensiven Dialog über Leipzigs grün-blaue Infrastruktur und eine Diskussion über die
gemeinsamen Ziele und deren Ausrichtung für die künftigen Generationen führen zu können.
Machen wir uns gemeinsam auf den Weg zu einer von der Leipziger Stadtgesellschaft mitgetragenen Umsetzung der Gesamtstrategie und einer räumlichen
Konkretisierung, an der wir unser Handeln für ein zukunftsfähiges „grün-blaues“
Leipzig möglichst transparent ausrichten können.
Die ersten Sonnenstrahlen des Jahres locken
stets die Menschen in die
Parks und an die
Gewässer.
169
ImPressum
Abbildungsnachweis
Amt für Stadtgrün und Gewässer: S. 38, 40 (li), 53, 57, 61 (re), 81, 104 (u), 119 (li),
121, 130, 137 (li), 140, 142, 106 (beide), 166.
Herausgeber:
Stadtplanungsamt Leipzig, SG Landschafts- und Grünordnungsplanung: S. 11
(beide), 15, 25, 39, 40 (re), 45, 50, 51, 55, 60, 77, 90.
Stadt Leipzig
Amt für Statistik und Wahlen: S. 129.
Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport
Amt für Stadtgrün und Gewässer
Amt für Umweltschutz: S. 121.
Jens Dietrich, Eigenbetrieb Stadtreinigung: S. 73, 134, 136 (li).
Grüner Ring Leipzig: S. 10, 17 (li), 163.
Fa. Leipziger Leuchten: S. 72 (re).
Redaktion:
Dipl.-Ing. Torsten Wilke, Amt für Stadtgrün und Gewässer
Dr.-Ing. Peter Fibich, Freiraumkonzepte GbR, Landschaftsarchitekten
Porsche Leipzig: S. 158 (re).
LMBV mbH: S. 18, 162.
NABU LV Sachsen e.V.: S. 47, 154 (beide).
Andreas Wolf/ Leipziger Gartenprogramm: S. 64.
Steffen Runke, Die Bildermanufaktur: S. 158 (li), 159.
Gestaltung/Layout:
Freiraumkonzepte GbR, Landschaftsarchitekten
Renner: S. 86 (li).
Günther von Szombathely: S. 157.
Karin Lange: S. 152
Helmut Kern: S. 155.
Druck:
Jascha Fibich: S. 24 (li), 23 (u), 24 (li), 36, 46 (re), 52 (o), 71 (o), 72 (li), 75 (li), 101
(li), 104 (o), 108 (o), 131.
Susan Richter, Freiraumkonzepte GbR: S. 44 (li), 76 (li), 83 (beide), 100, 101 (re).
Redaktionsschluss:
20. April 2017
170
Peter Fibich, Freiraumkonzepte GbR: Titelbild, S. 4, 7, 9, 12-13, 14, 17 (re), 20, 21,
22, 23 (o), 24 (re), 26 (beide), 28, 29, 30 (beide), 31, 32, 33, 34, 35, 37, 42, 43, 44
(re), 46 (li), 48, 49, 51 (beide), 52 (u), 54, 56, 58, 59 (beide), 61 (li), 62 (beide), 63,
66, 67, 68 (beide), 70, 71 (u), 74, 75 (re), 76 (re), 78 (beide), 80, 82, 84, 85 (beide),
86 (re), 87, 88, 89, 91, 92 (beide), 93, 94, 96, 98-99, 102, 103, 104 (o), 105, 106, 107,
108 (u), 109, 110, 111, 112 (beide), 113 (beide), 114 (beide), 115, 116, 118, 119, 124, 125,
126 (beide), 128 (beide), 132-133, 136 (re), 137 (re), 144, 146, 148, 149, 150 (beide),
154, 156, 164 (beide), 165 (beide),
171
172