Daten
Kommune
Leipzig
Dateiname
1055717.pdf
Größe
252 kB
Erstellt
11.03.16, 12:00
Aktualisiert
09.06.16, 14:51
Stichworte
Inhalt der Datei
Antrag Nr. VI-A-02487
Status: öffentlich
Beratungsfolge:
Gremium
Termin
Zuständigkeit
Ratsversammlung
22.06.2016
Verweisung in die Gremien
Fachausschuss Kultur
24.06.2016
1. Lesung
Fachausschuss Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule
11.08.2016
1. Lesung
Eingereicht von
Behindertenbeirat
Betreff
Errichtung eines Gedenksteins zur Mahnung an die NS-Kindereuthanasie in Leipzig
Beschlussvorschlag:
Die Stadt Leipzig errichtet unmittelbar vor dem Haupteingang des Universitätsneubaus – Neues
Augusteum auf städtischem Grund in Blickrichtung Augustusplatz einen Gedenkstein zur Mahnung,
Erinnerung und Auseinandersetzung mit der NS-Kindereuthanasie, die in Leipzig ihren Anfang
nahm.
Sachverhalt:
Im Jahr 2005 bildete sich im Auftrag des Behindertenbeirates eine zeitweilige – Arbeitsgruppe
„Euthanasieverbrechen“ zur Schaffung eines Mahnmales, um an den Beginn der Ermordung von
behinderten Kindern in Leipzig, an der Mitarbeiter der Universität und der Stadtverwaltung direkt
bzw. indirekt beteiligt waren, zu erinnern, mahnend der Opfer zu gedenken und sich mit diesem
Thema in der Gegenwart auseinander zu setzen. In dieser Auseinandersetzung geht es
insbesondere um das Menschenbild und die Unantastbarkeit der Würde des Menschen.
War es doch gerade der Versuch, dieses Töten als den Akt einer Gnaden- und Erlösungshandlung
zu vermitteln, um so gesellschaftliche Akzeptanz zu erzielen.
Gleichzeitig wurden wirtschaftliche Aspekte mit der Begründung bemüht, dass die freiwerdenden
Ressourcen anderen Menschen zu Gute kommen können, die einen Mehrwert für die Gesellschaft
zu schaffen im Stande sind. Es wurde folglich zwischen unwertem und wertvollem Leben
unterschieden. Die Freigabe zur Vernichtung lebensunwerten Lebens wurde schon 1920 von Hoche
und Binding in einem in Leipzig gedruckten Buch gefordert. Bindung war viele Jahre
Hochschullehrer als Straf- sowie Staatsrechtler und mehrere Jahre Rektor der Leipziger Universität.
Die ihm 1909 von der Stadt Leipzig verliehene Ehrenbürgerwürde wurde erst 2010 wegen seiner
grundlegenden Argumentation für die Vernichtung „lebensunwerten“ Lebens und deren Folgen
aberkannt.
Wie leicht und wie schnell derartige Argumente auch in der Gegenwart verfangen können, ist aus
unterschiedlichen Diskussionen bekannt. Wegen der Möglichkeiten der Pränataldiagnostik wird
Eltern mit behinderten Kindern z.T. der Vorwurf gemacht, dass sie deren Dasein doch hätten
verhindern können. Und in der Umkehrung verklagen Eltern von behinderten Kindern Ärzte auf
Schadensersatz mit der Begründung, dass sie diese Behinderung doch hätten feststellen können
und so eine Abtreibung möglich gewesen wäre. Behinderung also als Schadenskategorie.
Ständig gibt es Diskussionen um Kostenfaktoren in der Eingliederungshilfe für behinderte
Menschen. Eine Vielzahl von ethischen Fragen stellen sich und viele Bereiche der Gesellschaft sind
berührt, medizinische, juristische, wirtschaftliche, philosophische und religiöse.
Die Arbeitsgruppe mit Vertretern des Behindertenbeirates, der Kirchen und weiterer
gesellschaftlicher Gruppen war sich schnell darin einig, dass das Mahnmal in Form eines
Gedenksteines im Zentrum der Stadt und der geistigen Bildung bzw. Ausbildung, dem
Universitätsneubau errichtet werden soll.
Das Anliegen wurde 2007 über das Rektorat an die Universität Leipzig herangetragen und bewirkte
einen langen Prozess der Diskussion, aber auch Irritation und Auseinandersetzung. Ideen mussten
aufgegeben werden, da sich die Rahmenbedingungen änderten, aber es entwickelte sich über
diesen langen Zeitraum ein klares Bekenntnis seitens der Vertreter der Universität, dieses Anliegen
umsetzen zu wollen.
Über den Gedenkstein hinaus soll eine Dauerausstellung zum Thema „Leipzig und die
Euthanasieproblematik“ im Campus- Neubau der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät in der
Jahnallee im Bauprozess mit entstehen. Dort ist beabsichtigt, dass die Studierenden sich mit der
Problematik auseinandersetzen.
Es befindet sich dann in einer Achse zum Sächsischen Psychiatriemuseum. Im Erziehungscampus
wird sich auch das Sächsische Weiterbildungszentrum für Lehrer befinden. Dadurch wird ein
Personenkreis im Rahmen der Aus- und Weiterbildung erreicht, der der gewollten
Multiplikatorenrolle bestens gerecht werden kann.
Der Gedenkstein bzw. das Mahnmal soll aber weiterhin im Zentrum der Stadt und vor dem
Hauptgebäude der Universität aufgestellt werden und so in die Öffentlichkeit hinein Wirkung
entfalten können und zugängig für jedermann sein. Eine Realisierung innerhalb des
Universitätsgebäudes hätte insbesondere wegen der Schließzeiten (z.B. am Sonntag) nicht diese
Wirkung entfalten können.
Der Standort neben dem Haupteingang des Neuen Augusteums ist diesbezüglich ideal. Die
Vertreter der Universität sind mit dieser Lösung einverstanden, aber es obliegt der Entscheidung der
Stadt, da sich der Gedenkstein auf städtischem Boden befinden würde.
Die Form der Gestaltung soll über die Stilisierung durch Bausteine sofort auf Kinder hinweisen. Der
obere schräge Stein trägt die Aufschrift: „Wider das Vergessen in Vergangenheit
Gegenwart
Zukunft“ mit einem darunter eingelassenen Metallschild mit dem Schriftzug: „Leipzig – 1939 -----Beginn der Tötung behinderter Kinder ----- Genannt: Euthanasie“
Der Text wird seitlich auch in Englisch und Braille- Schrift angebracht. Ein ebenfalls seitlich
angebrachter QR- Code ermöglicht einen Online-Sofortzugang zu weiteren Informationen.
,/
"'..*r..-
ry__y_