Daten
Kommune
Leipzig
Dateiname
1048038.pdf
Größe
12 MB
Erstellt
20.08.15, 12:00
Aktualisiert
04.05.16, 14:07
Stichworte
Inhalt der Datei
Ratsversammlung
Informationsvorlage Nr. VI-DS-01757
Status: öffentlich
Beratungsfolge:
Gremium
Termin
Zuständigkeit
Dienstberatung des Oberbürgermeisters
Fachausschuss Finanzen
Fachausschuss Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule
Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau
Ratsversammlung
20.04.2016
Information zur Kenntnis
Eingereicht von
Dezernat Stadtentwicklung und Bau
Betreff
Aktueller Sachstand zum Thema 'Kooperative Baulandentwicklung'
Der Report zur 16. Leipziger Stadtwerkstatt zum Thema 'Kooperative Baulandentwicklung' und das
Verfahren zur Vorbereitung der Entscheidung über die Einführung einer 'Kooperativen Baulandentwicklung' in Leipzig werden zur Kenntnis genommen.
Prüfung der Übereinstimmung mit den strategischen Zielen:
nicht relevant
Sachverhalt:
I. Aufgabe
Leipzig wächst. Die Einwohnerzahl stieg im Dezember 2014 laut Melderegister auf 551.871 Einwohner (2010: 506775). Dabei haben sich die Wanderungsgewinne im Vergleich zu 2010 verdoppelt.
Insbesondere die Altersgruppe der 18-35-Jährigen wächst, darunter befinden sich auch viele Familien mit Kindern. 2014 gab es erstmals nach der Wende einen Geburtenüberschuss. Angesichts
dieser dynamischen Bevölkerungsentwicklung, die auch die positivste Variante der Leipziger
Bevölkerungsvorausschätzung nicht vorhergesehen hat, steht die Stadt Leipzig vor zahlreichen
neuen Herausforderungen.
Insbesondere bei der Finanzierung erforderlicher Kindertagesstätten und Schulen besteht Handlungsbedarf. Zwischen 2010 und Mai 2015 wurden ca. 6.000 neue Betreuungsplätze für Kinder geschaffen, weitere ca. 6.800 Plätze werden voraussichtlich benötigt. Darüber hinaus müssen bis 2025
neben Gymnasien und Oberschulen mindestens sechs Grundschulen neu gebaut und vier
ehemaligen Standorte reaktiviert werden, um den Bedarf der steigenden Schülerzahlen zu decken.
Weitere Auswirkungen der dynamischen Bevölkerungsentwicklung zeigen sich bereits auf dem
Wohnungsmarkt. Absehbar ist, dass die ca. 7 % derzeit leerstehenden Wohnungen - von denen
etwa 50 % marktaktiv sind - bis zum Jahr 2020 zu großen Teilen bewohnt sein werden. Demnach
wird die Sicherstellung eines angemessenen und ausreichenden Wohnungsangebotes in allen
Segmenten für die Stadt Leipzig zukünftig eine neue Herausforderung sein.
Derzeit wird neuer Wohnraum im Geschosswohnungsbau überwiegend über Baulückenschließung
(§34 BauGB/Innenentwicklung) geschaffen. Hält das Bevölkerungswachstum an, werden in
absehbarer Zeit auch verstärkt neue Flächen entwickelt und hierzu Bebauungspläne aufgestellt
werden müssen.
In diesem Zusammenhang ermöglicht das deutsche Planungsrecht durch Abschluss städtebaulicher Verträge die Mitfinanzierung der erforderlichen Infrastruktur durch die Planungsbegünstigten
sowie die Festlegung wohnungspolitischer Zielsetzungen. Hierbei sind bestimmte Voraussetzungen
einzuhalten. Einige deutsche Städte haben bereits Grundsatzregelungen entwickelt und dafür unterschiedlichste Begrifflichkeiten gefunden. Die Stadt München zum Beispiel nennt die Thematik seit
über 20 Jahren Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN).
Zur Klärung der Übertragbarkeit eines derartigen Instruments auf Leipzig, hat der Stadtrat mit Stadtratbeschluss A-00537/14 die Verwaltung beauftragt, eine Stadtwerkstatt durchzuführen und in deren
Auswertung einen Verfahrensvorschlag zu erarbeiten. Benannt ist die „Prüfung des Instruments zur
sozialgerechten Bodennutzung“ auch im Entwurf des wohnungspolitischen Konzepts im Kapitel
Instrumente und Maßnahmen.
II. Stadtwerkstatt zum Thema 'Kooperative Baulandentwicklung'
Ein erster Baustein der Vorbereitungen für die Stadtwerkstatt war eine vom Stadtplanungsamt
durchgeführte Befragung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Städtetag. Das Ziel war es, einen
Überblick zu erhalten, welche Städte ein Modell zur 'Kooperativen Baulandentwicklung' entwickelt
und umgesetzt haben bzw. was ein Modell in der Regel beinhaltet. 16 Städte haben sich an der
Umfrage beteiligt und den Fragebogen ausgefüllt. Der große Rücklauf bildete eine gute Entscheidungsbasis, auf der im Ergebnis die drei Städte Berlin, Potsdam und München zur Stadtwerkstatt
eingeladen wurden, um ihre gesammelten Erfahrungen darzustellen.
Die Erkenntnisse der Stadtwerkstatt vom 25.06.2015 sind in einem Report (siehe Anlage) zusammengefasst.
Einordnung eines Modells zur 'Kooperativen Baulandentwicklung'
Grundsätzlich ist die Idee aller Modelle, die Planungsbegünstigten an den Kosten und Lasten angemessen zu beteiligen, die durch das Entwicklungsprojekt und die dafür notwendige kommunale
Bauleitplanung ursächlich ausgelöst werden. Im Rahmen städtebaulicher Verträge können Regelungen zur Kostenübernahme bzw. Herstellungsverpflichtungen gemäß § 11 BauGB getroffen
werden, zum Beispiel für
• Planungs- und Gutachterkosten
• Erschließungskosten
• (kausal veranlasste) Infrastruktur (Kita, ggf. Grundschule)
• Wohnungspolitische Zielstellungen wie z. B. ein Anteil geförderter Wohnungen,
gegebenenfalls im Zusammenhang mit Belegungsbindungen
Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB gilt: „Die Vereinbarung einer vom Bauwilligen zu erbringenden
Leistung ist unzulässig, wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung
hätte.“ Das bedeutet, dass städtebauliche Verträge nur bei Vorhaben Anwendung finden können,
für die ein Bebauungsplan aufgestellt oder wesentlich geändert werden muss, es sei denn es
handelt sich um die Sicherung der für die Bebauung erforderlichen Erschließung.
Städtebauliche Verträge in Kooperation mit den Planungsbegünstigten sind in Leipzig gängige Praxis. Beispielsweise werden bisher Verträge zur Erschließung sowie Verträge zur Übernahme der
Planungs- und Gutachterkosten geschlossen. In den letzten Jahren war kein inhaltlicher Bestandteil
der städtebaulichen Verträge die Themen soziale Infrastruktur und wohnungspolitische Zielstellungen. Grund hierfür war die demografische Entwicklung in Leipzig seit Mitte der 1990er Jahre. Im
Rahmen eines Leipziger Modells zur 'Kooperativen Baulandentwicklung' könnten diese Themen zukünftig wieder Gegenstand der städtebaulichen Verträge sein.
Wirkungen eines Modells zur 'Kooperativen Baulandentwicklung'
Die Beispielstädte haben im Rahmen der Stadtwerkstatt verschiedene Wirkungen eines Modells zur
'Kooperativen Baulandentwicklung' benannt. Zum Beispiel sei Transparenz und Berechenbarkeit für
alle Beteiligten durch einen intensiven Dialog mit den Akteuren zu erreichen. Ein weiterer Erfolgsfaktor sei die Gleichbehandlung der Betroffenen durch einheitliches Verwaltungshandeln.
Für die Investoren sei auch die Kalkulierbarkeit der Kosten, Lasten und Bindungen von Nutzen.
Außerdem schaffe ein Modell Langfristigkeit und Verlässlichkeit. Denn durch die Mitfinanzierung der
sozialen Infrastruktur entsteht für die Wohnungsanbieter die Sicherheit, dass wohnortnah auch die
erforderlichen Betreuungsangebote für Kinder und Grundschulplätze bereitgestellt werden.
Voraussetzungen für die Einführung eines Modells zur 'Kooperativen Baulandentwicklung'
Die Erfahrungen der Beispielstädte haben gezeigt, dass vor der Einführung eines Modells die rechtlichen Rahmenbedingungen wie die Beurteilung der Angemessenheit, eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Vorteile des Vertragspartners sowie die aus
dem Vertrag resultierenden Belastungen geklärt und transparent gemacht werden müssen. Diese
Prüfung muss unter den Leipziger Rahmenbedingungen durchgeführt werden. Denn der Vergleich
mit den Beispielstädten hat deutlich gemacht, dass einzelne Leipziger Rahmenbedingungen mit
denen der Beispielstädte vergleichbar sind, andere jedoch noch deutlich abweichen.
Für die detaillierte Beurteilung bedarf es daher weitergehender Untersuchungen, zum Beispiel hinsichtlich der Entwicklung der Leerstandsraten, der Neubautätigkeiten und der planbedingten Bodenwertsteigerungen.
Angesichts der Tatsache, dass Kita- und Grundschulplätze im Falle der Mitfinanzierung wohnortnah
vorgehalten werden müssen, erzeugen größere Wohnungsbauvorhaben einen zusätzlichen Bedarf,
sofern in diesem Gebiet kein Überangebot besteht. Daher ist die Feststellung des Bedarfs im konkreten Einzelfall durch eine juristisch tragfähige Bedarfsermittlung auf Grundlage eines Infrastrukturbedarfskonzepts erforderlich.
Ein Modell der 'Kooperativen Baulandentwicklung' zur Umsetzung wohnungspolitischer Ziele wie
beispielsweise ein Anteil geförderter Wohnungen ist in vielen Fällen an ein entsprechendes Landesförderprogramm gekoppelt. Ein soziales Wohnungsbauförderprogramm gibt es in Sachsen derzeit
noch nicht. Sobald entsprechende Fördermöglichkeiten bestehen, sollte eine Nutzung im Rahmen
städtebaulicher Verträge geprüft werden.
Unabhängig von Förderprogrammen könnten folgende wohnungspolitische Ziele im Rahmen eines
Baulandmodells gegebenenfalls Anwendung finden:
• Regelungen zu besonders nachgefragten Wohnungsgrößen
• Regelungen zur Barrierefreiheit und zum altersgerechten Wohnen über den gesetzlich
vorgeschriebenen Rahmen hinaus
• Belegungsbindungen
Auch bezüglich derartiger Regelungen und Auswirkungen bedarf es vertiefender Untersuchungen.
Verwaltungsaufwand und weitere Kosten
Um die genannten Wirkungen zu erzielen, ist in der Vorbereitungs- und Durchführungsphase eines
Modells zur 'Kooperativen Baulandentwicklung' ein deutlicher Verwaltungsaufwand notwendig. Denn
insbesondere im Rahmen der Bauleitplanverfahren bzw. des Abschlusses städtebaulichen Verträge
ist der Abstimmungsaufwand sehr hoch.
Die drei Beispielstädte beauftragten externe Beratung. Für die verwaltungsinterne Bearbeitung der
Thematik wurde eine zentrale ämterübergreifende Arbeitsgruppe für die Steuerung der 'Kooperativen Baulandentwicklung' eingeführt sowie zusätzliches Personal bereitgestellt. Die Aufgaben umfassten u.a. Begleitung, Beratung und Umsetzung des Modells sowie deren kontinuierliche Anpassung/Fortschreibung. Aus diesem Grund ist im Rahmen der weitergehenden Untersuchungen eine
Nutzen-Aufwand-Beurteilung erforderlich.
Fazit der Stadtwerkstatt
Die Stadtwerkstatt hat gezeigt, dass es für die Vorbereitung eines Modells zur 'Kooperativen Baulandentwicklung' einen umfangreichen Untersuchungsbedarf gibt. Der Vorbereitungs- und Einfühungszeitraum wurde von den Beispielstädten auf etwa 1,5 - 2 Jahre beziffert.
Im Ergebnis der Stadtwerkstatt ist deutlich geworden, dass auf Grund der relativ langen Vorbereitungsphase die notwendigen Arbeiten für ein Leipziger Modell der 'Kooperativen Baulandentwicklung' nun angegangen werden sollten. Eine endgültige Entscheidung kann erst im Ergebnis dieser
Untersuchungen getroffen werden.
III. Verfahren zur Vorbereitung einer 'Kooperativen Baulandentwicklung' in Leipzig
Auf der Grundlage der gewonnen Erkenntnisse sollen folgende Arbeitsschritte durchgeführt werden:
Arbeitsschritt 0:
Gründung einer Lenkungs- und einer Vorbereitungsgruppe.
Die Lenkungsgruppe besteht aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern folgender Dienststellen:
- Amt für Jugend, Familie und Bildung
- Amt für Geoinformation und Bodenordnung
- Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung
- Stadtplanungsamt
- Verkehrs- und Tiefbauamt
- Juristin des Dez. VI
In der Vorbereitungsgruppe werden neben den vorgenannten Dienststellen folgende Ämter
eingebunden:
- Stadtkämmerei
- Amt für Statistik und Wahlen
- Liegenschaftsamt
- Amt für Gebäudemanagement
- Amt für Stadtgrün und Gewässer
Die Lenkungsgruppe steuert die Vorbereitungs- und Einführungsprozesse. Die Federführung liegt
beim Stadtplanungsamt.
Arbeitsschritt 1: Abschätzung der Relevanz eines Modells im Verhältnis zur mittelfristigen
Wohnungsmarktentwicklung
1.1 Abschätzung der erforderlichen Wohnungen vorerst bis zum Jahr 2020
1.2 Realisierungsprognose in den baurechtlichen Kategorien § 34 BauGB und
§ 30 BauGB.
1.3 Abschätzung der Größenordnungen der erforderlichen Bebauungspläne
zur Deckung des Neubaubedarfs.
Arbeitsschritt 2: Zusätzlicher Infrastrukturbedarf
2.1 Entwicklung eines Modells zur Berechnung des Bebauungsplan
bedingten Infrastrukturmehrbedarfs
2.2 Vergleich Bestandskapazitäten mit dem bebauungsplanbedingten
Bedarf; Feststellung der bebauungsplanbedingten Fehlbedarfe
Arbeitsschritt 3: Abschätzung der planungsbedingten Wertsteigerungen für typologische Fallkonstellationen
3.1 Fallkonstellation innerstädtischer Außenbereichsstandort
3.2 Fallkonstellation innerstädtische Innenbereichsstandort mit
Nachverdichtung (zusätzliches Baurecht)
3.3 Fallkonstellation Konversionsstandort
3.4 Fallkonstellationen Außenbereichsstandort in der äußeren Stadt für
den Geschosswohnungsbau
3.5 Fallkonstellationen Außenbereichsstandorte in der äußeren Stadt für
Einfamilienhäuser
Arbeitsschritt 4: Aufwandsmodellrechnung für die vorgenannten Fallkonstellationen unter typologischer Betrachtung der zu erwartenden Planungskosten, Kosten der Übtragung
von Grundstücken, Erschließungskosten, Kosten für Ausgleichsmaßnahmen,
Kosten für die Herstellung des zusätzlichen Bedarfs an Kinderbetreuungsplätzen
und Grundschulplätzen.
Arbeitsschritt 5: Prüfung der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten zur Vereinbarung
wohnungspolitischer Ziele unabhängig von einer Wohnungsbauförderung.
Arbeitsschritt 6: Erarbeitung von Musterverträgen
Arbeitsschritt 7: Nutzen-Aufwand-Beurteilung
Arbeitsschritt 8: Zusammenfassung der Ergebnisse und gegebenenfalls Erarbeitung einer Leipziger Richtlinie der 'Kooperativen Baulandentwicklung' mit Aufbau einer endgültigen Projektstruktur
Arbeitsschritt 9: Vorstellung und Diskussion der Untersuchungsergebnisse in der Gruppe der
Wohnungsmarktakteure
Es wird angestrebt, die Arbeitsschritte 0 bis 8 bis Ende 2016 durchzuführen. Hierzu ist eine teilweise
parallele Bearbeitung der einzelnen Arbeitsschritte notwendig, sofern diese nicht aufeinander
aufbauen. Anschließend erfolgen nach Bestätigung der Untersuchungsergebnisse durch die
Dienstberatung des Oberbürgermeisters Arbeitsschritt 9 sowie die abschließende
kommunalpolitische Beratung.
Die Fachausschüsse Stadtentwicklung und Bau, Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule sowie
Finanzen werden über den Projektverlauf mündlich informiert.
Ob und in welchem Umfang für die benannten Arbeitsschritte externer Sachverstand zu Hilfe gezogen werden muss kann derzeit noch nicht beurteilt werden, sondern wird sich erst im Laufe des
Verfahrens ergeben.
Kooperative Baulandentwicklung
Stadtwerkstatt
Leipzig
Report
16
Programm
Begrüßung
Was heißt das für Leipzig?
Dorothee Dubrau, Bürgermeisterin und Beigeordnete
für Stadtentwicklung und Bau der Stadt Leipzig
Fritjof Mothes, Moderator
Diskussionsrunden zu ausgewählten Fragestellungen
1. Brauchen wir in Leipzig eine neue, über das bisher
praktizierte Maß hinausgehende Form der kooperativen Baulandentwicklung?
2. Welche Ziele sollte das Leipziger Modell verfolgen?
Welche Bestandteile sollte das Leipziger Modell beinhalten?
3. Was sind die nächsten Schritte und welche Voraussetzungen sind ggf. zu schaffen?
Wozu dient und wie geht
„kooperative Baulandentwicklung“?
Aktuelle Rahmenbedingungen in Leipzig
Einführung und Aufgaben
Jochem Lunebach, Leiter Stadtplanungsamt der
Stadt Leipzig
Lernen von Beispielen
Stadt Potsdam:
Kostenbeteiligung bei der Baulandentwicklung
Erik Wolfram, Bereichsleiter für Stadtenwicklung
Stadt München:
Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN)
Hildegard Wich, Verwaltungsdirektorin im Referat für
Stadtplanung und Bauordnung
Stadt Berlin:
Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung
Grit Schade, Wohnungsbauleitstelle in der Senats
verwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
Podiumsdiskussion
Pete Heuer, Stadtrat und Vorsitzender des Finanzaus
schusses der Stadt Potsdam
Steffen Göpel, Vorstand GRK-Holding und
BFW Mitteldeutschland e.V.
Michaela Kostov, Vertreterin der Plattform von Leipziger
Wohnungsgenossenschaften „wohnen bei uns“; Vor
stand der Vereinigten Leipziger Wohnungsgenossen
schaft eG
Dorothee Dubrau, Bürgermeisterin und Beigeordnete
für Stadtentwicklung und Bau der Stadt Leipzig
Prof. Dr. Thomas Fabian, Bürgermeister und
Beigeordneter für Jugend, Soziales, Gesundheit und
Schule der Stadt Leipzig
Wie steht Leipzig zum Ansatz der
kooperativen Baulandentwicklung,
was sind die nächsten Schritte?
Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick
Jochem Lunebach, Leiter Stadtplanungsamt der
Stadt Leipzig
1
Aufgabe
Wenn die aktuelle Dynamik der Bevölkerungsentwicklung in Leipzig anhält, wird dies weitreichende
Konsequenzen für den Leipziger Wohnungsmarkt
und auch zukünftig einen enormen Bedarf an zusätzlichen Plätzen für die Kinderbetreuung und an Grundschulplätzen zur Folge haben.
In diesem Bewusstsein hat der Stadtrat die Verwaltung beauftragt, im Rahmen einer Stadtwerkstatt zu
klären, ob ein Instrument zur sozialgerechten Bodennutzung – wie es in einigen anderen Städten Praxis
ist – in Leipzig eingeführt werden soll. Ein derartiges
Instrument erlaubt es, bei planungsbedingten und
hinlänglichen Bodenwertsteigerungen unter definierten rechtlichen Rahmenbedingungen, den Vorhabenträger einer Baulandentwicklung an der Finanzierung
sozialer Infrastrukturen und der Förderung von bezahlbarem Wohnraum zu beteiligen.
Ein erster Schritt der Vorbereitungen für die Stadtwerkstatt war eine vom Stadtplanungsamt durchgeführte Befragung in Zusammenarbeit mit dem Deut-
schen Städtetag. Das Ziel war es, einen Überblick zu
erhalten, welche Städte ein Modell zur kooperativen
Baulandentwicklung entwickelt und umgesetzt haben
bzw. was ein Modell in der Regel beinhaltet. 16 Städte haben sich an der Umfrage beteiligt. Der große
Rücklauf bildete eine gute Entscheidungsbasis, auf
der im Ergebnis die drei Städte Berlin, Potsdam und
München zur Stadtwerkstatt eingeladen wurden, um
ihre gesammelten Erfahrungen darzustellen.
Mit der Stadtwerkstatt sollte eruiert werden, in welcher
Art und Weise von „Vorreiterstädten“ gelernt werden
kann und welche Ziele ein Modell zur sozialgerechten Bodennutzung verfolgen sollte. Schließlich sollte
in der Stadtwerkstatt untersucht werden, welche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für ein Leipziger Modell der kooperativen Baulandentwicklung zu
schaffen sind, um daraus einen Verfahrensvorschlag
für den weiteren Umgang mit der Thematik für den
Stadtrat ableiten zu können. Diesem Auftrag folgend
fand am 25. Juni 2015 die 16. Leipziger Stadtwerkstatt in der Alten Handelsbörse statt.
Kurzfassung
Die 16. Leipziger Stadtwerkstatt zum Thema Kooperative Baulandentwicklung stand unter dem Motto
“Von (guten) Beispielen lernen”. Um die Übertragbarkeit eines Instrumentes zur sozialgerechten Bodennutzung auf die Stadt Leipzig bewerten zu können,
wurden zunächst die aktuellen und prognostizierten
Bevölkerungs- und Wohnungsmarktentwicklungen
sowie die Bedarfe an sozialer Infrastruktur in Leipzig
vorgestellt. Demnach ist Leipzig von einer enormen
Wachstumsdynamik geprägt, die einen erheblichen
Kapazitätsausbau an sozialer Infrastruktur (Kindertagesstätten und Grundschulen) nach sich zieht.
Aufbauend auf einem einheitlichen Begriffsverständnis und der Klärung der rechtlichen Anwendungsvoraussetzungen für ein derartiges Baulandmodell wurden die Prinzipien aus Potsdam, München und Berlin
vorgestellt. Viele Erkenntnisse und Erfahrungen aus
diesen Beispielstädten sind auf Leipzig übertragbar.
Bei einigen Aspekten bestehen jedoch teilweise erhebliche Unterschiede in den Rahmenbedingungen.
In drei Tischrunden sowie auf dem Podium wurde diskutiert, was die Erfahrungen aus den Beispielstädten
im Abgleich mit den hiesigen Rahmenbedingungen
nun für Leipzig in Bezug auf die Einführung eines derartigen Modells bedeuten. Mehrheitlich bestand die
Meinung, dass ein Leipziger Modell der kooperativen
Baulandentwicklung jetzt vorbereitet, aber noch (!)
nicht eingeführt werden soll. Die aktuellen Rahmenbedingungen – insbesondere die Leerstandsrate und
die erheblichen Flächenpotenziale nach § 34 BauGB
– lassen eine kurzfristige Einführung nicht als geeignet erscheinen. Betont wurde auch die Notwendigkeit
einer gründlichen Vorbereitung.
Die Ausgestaltung eines Modells der kooperativen
Baulandentwicklung sollte nach Einschätzung der
Teilnehmer einer klaren Prioritätensetzung folgen,
entsprechend der Reihenfolge: 1. Technische Infrastrukturen, 2. Soziale Infrastrukturen, 3. Förderung
von bezahlbarem Wohnraum. Schließlich sind für
die Modelleinführung verschiedene Voraussetzungen zu schaffen. Beginnend mit einer belastbaren
Wissensbasis, zum Beispiel über potenzielle Bebauungsplangebiete, Flächen- bzw. Nachverdichtungspotenziale nach § 34 BauGB oder Szenarien der
planungsbedingten Bodenwertsteigerungen, sollten
dann Modellrechnungen zu typischen Fallkonstellationen erfolgen. Betont wurde von den Teilnehmern
der Stadtwerkstatt die Notwendigkeit, in der Vorbereitungsphase die Wohnungsmarktakteure und sonstige
interessierte Bürgerinnen und Bürger zu informieren
und zu beteiligen.
2 | 16. Stadtwerkstatt „Kooperative Baulandentwicklung“
Rahmenbedingungen in Leipzig / Fragen an die Stadtwerkstatt
haltsbelastungen bewältigen zu können, sollten diese
auf mehrere Schultern verteilt werden.
Jochem Lunebach, Leiter Stadtplanungsamt der Stadt Leipzig
„Leipzig wächst“ war der Ausgangspunkt der Betrachtungen von Jochem Lunebach, Leiter des
Stadtplanungsamtes der Stadt Leipzig, zu Beginn
der 16. Leipziger Stadtwerkstatt. Im Jahr 2011 haben
sich die Wanderungsgewinne im Vergleich zu 2010
beispielsweise verdoppelt. Diese finden sich dabei in
fast allen Altersgruppen, wobei die größten Zuwächse in der Gruppe der 18- bis 35-jährigen zu verzeichnen sind. Es ziehen auch verstärkt Familien mit Kindern nach Leipzig. Im Dezember 2014 hatte Leipzig
laut Statistischem Landesamt 551.871 Einwohner.
Diese Dynamik in der Bevölkerungsentwicklung Leipzigs wurde in der Vergangenheit nicht prognostiziert.
Mögliche Erklärungen der positiven Entwicklung liegen in der wirtschaftlichen Stabilisierung und in der
Attraktivität der Stadt mit der Folge des sogenannten
Schwarmverhaltens einzelner Bevölkerungsschichten. Bis Ende 2014 überschreitet der reale Einwohnerzuwachs bereits um 5.000 Einwohner die positive
Variante der Prognose der Stadt Leipzig. Darüber hinaus hat Leipzig im Jahr 2014 den ersten Geburtenüberschuss seit 1965 zu verzeichnen.
Die Folgen des Wachstums sind vielschichtig. So entstehen erhebliche Zusatzbelastungen für den städtischen Haushalt. Insbesondere die Bereitstellung
neuer sozialer Infrastrukturen ist eine enorme Herausforderung für die Stadt. Zwischen 2010 und Mai
2015 wurden ca. 6.000 neue Betreuungsplätze für
Kinder geschaffen. Hierzu wurden unter anderem 74
Kindertagesstätten entweder neu gebaut oder erweitert. Bis 2025 werden aller Voraussicht nach weitere
ca. 6.800 Betreuungsplätze benötigt. Mit Blick auf die
wachsenden Schüler- und Klassenzahlen werden bis
2025 mindestens sechs Grundschulen neu gebaut
beziehungsweise vier ehemalige Schulgebäude saniert werden. Um die daraus resultierenden Haus-
Eine weitere Wirkung der dynamischen Bevölkerungsentwicklung zeigt sich auf dem Wohnungsmarkt. Zwar verfügte Leipzig Ende 2014 noch über
einen Wohnungsleerstand von ca. 22.000 Wohnungen (ca. 7 %). Hiervon sind etwa 50 % marktaktiv.
Laut Jochem Lunebach könnten diese Reserven
bis zum Jahr 2020 weitgehend aufgebraucht sein,
so dass nach vielen Jahren der Konsolidierung
nun verstärkt Wohnungsneubau notwendig ist und
auch bereits durchgeführt wird. Im Jahr 2013 entstanden ca. 1.450 neue Wohnungen, davon waren
ca. 1/3 Ein- und Zweifamilienhäuser und ca. 1/4
Wohnungen im Mehrfamilienhausneubau. Die restlichen Wohnungen wurden im Wesentlichen durch
Umnutzung, Dachgeschoss-Ausbau oder Wohnungsteilungen geschaffen. Darüber hinaus werden
ca. 1.500 Wohneinheiten pro Jahr in leerstehenden
Altbauten durch Sanierung und Modernisierung reaktiviert. Für 2014 werden ähnliche Zahlen erwartet
– die Statistik hängt hier ein wenig nach. Es zeigt
sich, dass aktuell (2013 / 2014) neuer Wohnraum
überwiegend auf der Grundlage von § 34 BauGB
genehmigt wurde. Bebauungsplanverfahren haben
derzeit zur Schaffung von Baurecht für Wohnungen
eine eher untergeordnete Rolle, was sich in Zukunft
jedoch auch mit Blick auf die aktuellen und geplanten
Wohnungsbauvorhaben ändern dürfte.
Leipzig bewegt sich im deutschlandweiten Vergleich
auf einem noch günstigen Mietpreisniveau mit unterdurchschnittlichen Anstiegen (+ 8 % bei der Kalt-Bestandsmiete zwischen 2009 – 2014). Jedoch gibt es
deutliche Unterschiede in den einzelnen Segmenten.
Für hochwertigen Neubau werden 10,50 EUR/m² und
mehr Miete erzielt. Während bei der Wiedervermietung von einfachen Altbauten im Durchschnitt nur
4,50 EUR/m² erreicht werden. Die Neubaumieten
liegen damit inzwischen auf einem Niveau, das für
Investoren zwar attraktiv, jedoch für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen zu hoch ist. Auch
das ist eine Entwicklung, die sich mit Verstetigung
des rasanten Bevölkerungswachstums noch verstärken könnte.
Die Schaffung nachfragegerechten und bezahlbaren
Wohnraums in allen Gebieten der Stadt sollte dabei weiterhin eine Prämisse der Wohnungspolitik in
Leipzig sein, um die soziale Stabilität und Vielfalt zu
erhalten.
3
Die aktuellen Rahmenbedingungen, die Perspektiven
und die zu erwartenden Konsequenzen, insbesondere hinsichtlich des erforderlichen Wohnungsneubaus
und der zusätzlichen infrastrukturellen Bedarfe, lassen den Schluss zu, dass nun auch in Leipzig über
neue und über das bisher praktizierte Maß hinausgehende Formen der kooperativen Baulandentwicklung
nachgedacht werden muss. Hier findet sich der Anlass der 16. Leipziger Stadtwerkstatt, der so auch im
Entwurf des neuen wohnungspolitischen Konzeptes
der Stadt formuliert wurde.
In der Diskussion verschwimmen häufig die Intentionen und Begrifflichkeiten einzelner Formen, Instrumente und Maßnahmen der Baulandpolitik.
Entsprechend war es im Einführungsvortrag der
Stadtwerkstatt erforderlich, zunächst die rechtlichen
Schranken und die möglichen Ziele kommunaler
Baulandmodelle zu beleuchten.
Den § 11 BauGB zitierend verwies Jochem Lunebach
darauf, dass die durch ein Modell vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen
sein müssen. Das heißt, es darf keine pauschale Mitfinanzierung von planungsbedingten Bodenwertsteigerungen eingefordert werden. Die Anwendung des
Modells ist dabei zwingend an die Aufstellung eines
Bebauungsplanes gebunden, welcher städtebaulich
erforderlich sein muss. Wenn der Vorhabenträger Anspruch auf eine Baugenehmigung hat, zum Beispiel
nach § 34 BauGB, sind Leistungsvereinbarungen unzulässig. Des Weiteren dürfen nur solche Kosten und
Leistungen vereinbart werden, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Baulandentwicklung stehen (Kausalitätsgebot).
Unter Berücksichtigung der rechtlichen Schranken
kann ein Modell zur kooperativen Baulandentwicklung unterschiedliche Ziele verfolgen. Dies können
städtebauliche Ziele sein, wie Wettbewerbsdurchführung, Bauverpflichtung, städtebauliche Standards
oder Umweltstandards. Ebenso kann ein derartiges
Modell vor allem auf ökonomische Ziele, das heißt
auf die Übernahme von Planungskosten, Kosten
für Ordnungsmaßnahmen, Erschließungskosten
einschließlich Bereitstellung der Grundstücke oder
eben auf die Übernahme von Kosten der Herstellung der sozialen Infrastruktur abstellen. Schließlich
lassen sich auch Wohnungsbauziele, wie die Festlegung einer Quote von zu errichtenden geförderten
Wohnungen oder Mietpreis- und Belegungsbindungen verfolgen.
Begrifflichkeiten rund um die kooperative Baulandentwicklung
16. Leipziger Stadtwerkstatt - Begrifflichkeiten
Wohnungspolitisches Konzept
Soziale Wohnraumversorgung
…
Sozialgerechte
Bodennutzung
kommunale
Wohnungspolitik
Konzeptvergabe
Städtische Wohnungsbaugesellschaften
Strategischer Flächenerwerb
…
kommunale
Liegenschaftspolitik
Kooperative Baulandentwicklung
Städtebauliche Verträge
…
Wahrung des
Bestandes
Erhaltungssatzungen (㼲172 BauGB:
Milieuschutz, Soziale Erhaltungsverordnung, Umwandlungsverbot,
Vorkaufsrecht …)
Städtebauliche Sanierung
Zweckentfremdungsverbot
…
Beratung
Kooperationen mit
Wohnungsmarktakteuren
Quartiersmanagement
…
Quelle: |u|m|s| STADTSTRATEGIEN
Flankierende
Maßnahmen
Wohnungs(neu-)bauförderung
Objektförderung (Belegrechtskauf, Zuschüsse …)
Subjektförderung (KdU …)
Zielgruppen (Baugemeinschaften, Genossenschaften,
kooperative Wohnformen …)
Konzeptioneller Mietwohnungsbau
…
4 | 16. Stadtwerkstatt „Kooperative Baulandentwicklung“
Entsprechend der Vielschichtigkeit von Modellansätzen wurden für die Stadtwerkstatt unterschiedliche
Beispiele ausgewählt:
rungen mit dem Modell der kooperativen Baulandentwicklung hat und damit in der Ausgestaltung
und rechtlichen Auslegung eines solchen Modells über eine umfangreiche Expertise verfügt.
•
Die Stadt Potsdam mit der Richtlinie zur Kostenbeteiligung bei der Baulandentwicklung, da der Potsdamer Immobilien- / Wohnungsmarkt am ehesten
mit dem derzeitigen Leipziger Markt vergleichbar
ist und dort bereits Erfahrungen bei der Mitfinanzierung sozialer Infrastrukturen existieren.
• Die Stadt Berlin mit ihrem im Jahr 2014 eingeführten Modell der kooperativen Baulandentwicklung,
da hier insbesondere bei der Angemessenheitsprüfung ein von anderen Modellen deutlich abweichendes Verfahren angewandt wird.
•
Die Stadt München mit der Sozialgerechten Bodennutzung, die seit mehr als 20 Jahren Erfah-
In der Annahme, dass einerseits die aktuelle Bevölkerungszunahme in Leipzig mittelfristig anhalten
Nachfragezuwachs
Bevölkerungsentwicklung der Stadt Leipzig nach Komponenten
Abb. Bevölkerungsentwicklung
3: Bevölkerungsentwicklung
derKomponenten
Stadt Leipzig nach
nach
Komponenten 2004 - 2014
14.000
12.989
12.000
10.791 10.662
10.000
9.064
Personen
8.000
5.353
6.000
4.939
4.592
5.221
3.878
4.000
2.000
4.359
1.843
353
0
-2.000
-912
2004
-1.218 -1.012
2005
2006
-664
2007
-265
2008
-482
2009
-374
2010
-177
2011
-122
2012
-73
2013 2014*
natürliche Bevölkerungsentwicklung
Wanderungssaldo
natürliche Bevölkerungsentwicklung
Quelle: Statistisches
Landesamt Sachsen, Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen
* Daten 2014 auf Basis des Einwohnerregisters, Ordnungsamt Stadt Leipzig
WandersaldoQuelle: Statistisches Landesamt Sachsen; Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen
* Daten 2014 auf Basis des Einwohnerregisters, Ordnungsamt, Stadt Leipzig
5
könnte, andererseits die eingeladenen Beispielkommunen sich in ihren Rahmenbedingungen zum Teil
nicht unerheblich von Leipzig unterscheiden dürften,
formulierte Jochem Lunebach zum Abschluss seines
Vortrages in Form folgender Fragen einen Diskussionsauftrag an die 16. Leipziger Stadtwerkstatt.
• Was können wir von den Beispielstädten lernen?
• Sind die Rahmenbedingungen der Beispielstädte mit
den Leipziger Rahmenbedingungen vergleichbar?
• Ist die Einführung eines Modells der kooperativen
Baulandentwicklung in Leipzig sinnvoll?
• Wenn ja, welche Zielrichtungen sollten verfolgt werden?
• Welche Voraussetzungen müssen für eine Modelleinführung erfüllt sein?
Antworten auf diese Fragen wurden in den Referaten
aus den Beispielkommunen und in den Diskussionen
an den Tischen sowie auf dem Podium gegeben.
Wohnungsmieten
Wohnungsmieten
Monatliche
Nettokaltmiete
bei Neu- undbei
Wiedervermietung
nach Baualter undnach
Wohnwert 2007 – 2014
Monatliche
Nettokaltmiete
Neu- und Wiedervermietung
Monatliche Nettokaltmiete bei Neu- und Wiedervermietung nach
Baualter und Wohnwert 2007-2014
Baualter und Wohnwert 2007-2014
Quelle: IVD; Wieder-/Erstvermietung nicht geförderte 3-Zimmer-Wohnung mit ca. 70m², ab 2011
Unterscheidung guter und sehr guter Wohnwert; keine Werte für Neubau (mittlerer Wohnwert) 2011 u. 2012
17.07.2015
18
17.07.2015
18
6 | 16. Stadtwerkstatt „Kooperative Baulandentwicklung“
Lernen von Beispielen
Potsdam: Kostenbeteiligung bei der Baulandentwicklung
derbetreuungsplätzen und Schulplätzen, verbunden
mit zunehmenden Belastungen für den Stadthaushalt
sowie steigenden Mieten und Bodenpreisen.
Erik Wolfram, Bereichsleiter für Stadtentwicklung in der Landeshauptstadt
Potsdam
Seit Januar 2013 ist die Potsdamer Richtlinie zur
Kostenbeteiligung bei der Baulandentwicklung in
Kraft. Erik Wolfram, Bereichsleiter für Stadtentwicklung in der Landeshauptstadt, führte aus, dass
die durch das Modell generierten Einnahmen inzwischen einen entscheidenden Beitrag zur Förderung
von Investitionen in die soziale Infrastruktur leisten.
Ca. 1,3 Mio. EUR wurden seit der Einführung des
Modells eingenommen, davon 840 TEUR für 60 zusätzliche Kindertagesplätze und 456 TEUR für 19
zusätzliche Grundschulplätze. Für 2015 geht Potsdam von ca. 1 Mio. EUR Einnahmen in Abhängigkeit von der Anzahl der abgeschlossenen Bebauungsplanverfahren aus. Neben den Einnahmen
wirkt das Modell auch flächensteuernd, da Investoren motiviert werden in Gebiete zu investieren, in
denen die nötigen Infrastrukturkapazitäten bereits
vorhanden sind.
Die Potsdamer Rahmenbedingungen sind hinsichtlich Bevölkerungsentwicklung, Wohnungsleerstand,
Bedarf an neuen Wohnungen etc. mit denen der
Stadt Leipzig in den Dimensionen zwar verschieden,
die Entwicklungstendenzen sind jedoch durchaus
vergleichbar. So vollzog auch die Stadt Potsdam
eine Trendwende bei der Bevölkerungsentwicklung.
Während in den 1990er Jahren die Einwohnerzahl
noch sank, stieg sie in den letzten Jahren aufgrund
von Gebietsreformen, Zuwanderung und einer positiven Entwicklung der Geburtenrate deutlich an. Inzwischen wächst Potsdam um über 2.000 Einwohner pro Jahr bei einer Gesamtbevölkerung 2014 von
rund 164.000. Die logischen Konsequenzen dieses
Wachstums waren rückläufiger Wohnungsleerstand,
hoher Bedarf an neuen Wohnungen sowie an Kin-
Vor diesem Hintergrund gab Potsdam 2012 eine
Studie beim Deutschen Institut für Urbanistik (difu)
in Auftrag, welche sich der „Untersuchung der Kostenbeteiligung Dritter an den Infrastrukturkosten von
Baumaßnahmen“ widmete. Begleitet von Workshops
mit Wohnungsbauinvestoren, der Politik, der Verwaltung und anderen Städten gab die Studie am Ende
die Empfehlung, ein Modell zur Kostenbeteiligung
bei der Baulandentwicklung einzuführen. Signifikante Auswirkungen auf die Wohnkosten wurden durch
die Kostenbeteiligungsregelung nicht erwartet. Die
entsprechende Richtlinie wurde von der Stadtverordnetenversammlung am 30.01.2013 beschlossen.
Die Potsdamer „Richtlinie zur Kostenbeteiligung bei
der Baulandentwicklung“ findet bei allen Bebauungsplanverfahren mit Wohnungsbau außerhalb von Sanierungs-, Entwicklungs- und Umlegungsgebieten
Anwendung, in denen über die Bestandsbaurechte
hinausgehende Baurechte durch Bebauungsplanung
geschaffen werden. Auch existieren Sonderregelungen für kleine und sehr kleine Wohnungen.
Das Modell trifft Regelungen zur Beteiligung an den
Kosten der Planung, der Erschließung, von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie von notwendiger sozialer Infrastruktur (Krippe, Kindertagesstätten,
Hort und Grundschule). Der Finanzierungsbeitrag für
einen Kindertagesplatz beträgt 14.000 EUR und für
einen Grundschulplatz 24.000 EUR. Die Finanzierungsbeiträge belaufen sich damit am unteren Rand
der tatsächlichen Kosten. Die Gesamtkosten aller
übertragenen Maßnahmen sind in Potsdam auf zwei
Drittel der Wertsteigerung, die aus der Planung resultiert, beschränkt; ein Drittel der Wertsteigerung verbleibt beim Vorhabenträger / Planungsbegünstigten.
Die Umsetzung der Richtlinie erfolgt durch städtebauliche Verträge. Die Potsdamer Richtlinie regelt
aktuell nicht die anteilige Errichtung von mietpreisund belegungsgebundenen Wohnungen, dieses
Thema wurde aufgrund der fehlenden Neubauförderung des Landes 2013 zunächst ausgeklammert. Die
Aufnahme entsprechender Verpflichtungen wird aber
derzeit diskutiert, da das Land Brandenburg eine
entsprechende Förderung (wieder) eingeführt hat.
Herr Wolfram wies auch darauf hin, dass bestimmte
Voraussetzungen zur Anwendung des Modells gegeben sein müssen: So sind kleinräumige Bevölke-
7
Wohnungsbaupotenziale in Potsdam
Platz16.000
für knapp 16.000
Platz für •
knapp
neue
neue WohnungenWohnungen
Fahrland/Krampnitz
• 77 % Geschosswohnungsbau
77% Geschosswohnungsbau
23 % Einfamilienhausbau
23% Einfamilienhausbau
Golm/Eiche
= theoretisch ist Platz für
= theoretisch ist Platz
30.000 neue Einwohner
für 30.000 neue Einwohner
ohne Änderung FNP 2013
ohne Änderung FNP 2013
Bornstedter Feld
• Baurecht für 10.000 WE
Baurecht fürin10.000
WE Verfahren
priorisierten
in prior. Verfahren
4.000
WE
4.000 WE
Umfeld Hbf
Baufertigstellungen:
• Baufertigstellungen:
knapp 1.000
Wohnungen
p.a.
knapp
1.000 Wohnungen
p.a.
Entwicklung Einwohnerzahl
Quelle: Erik 16.
Wolfram,
Landeshauptstadt Potsdam
Leipziger Stadtwerkstatt „Kooperative Baulandentwicklung“
nach Schrumpfung Wachstum seit der Jahrtausendwende
Entwicklung Einwohnerzahl
Einwohnerentwicklung der Landeshauptstadt Potsdam seit 1991
Prognose bis 2030, Basisjahr 2011
Personen
178.912
180.000
170.000
•
Schrumpfung
• 1990-1998:
1990 - 1998: Schrumpfung
um
etwa
10.000
Einwohner
etwa 10.000
Einwohner
•
Gebietsreform,
• 2003
2003 Gebietsreform,
Territorium
wuchs
+ 78%
Territorium wuchs
+ 78 %
Einwohner
+
1
2.000
Einwohner +12.000
•
2000wächst
wächst
Potsdam:
• seit
seit 2000
Potsdam:
durch
Zuwanderung,
ab
durch Zuwanderung,2003
ab 2003
auch Geburtenüberschuss
171.632
2014:
163.668
160.000
150.000
140.000
130.000
Jahr
120.000
1991 1994 1997 2000 2003 2006 2009 2012 2015 2018 2021 2024 2027 2030
Quelle: Erik Wolfram, Landeshauptstadt Potsdam
Quelle: LHP
um
auch Geburtenüberschuss
Zuwachs inzwischen
über
• • Zuwachs
inzwischen
2.000 EW/ + 1,3 % p.a.
über 2.000 EW/ +1,3% p.a.
•
• neue Prognose wird deutlich
über bisheriger Prognose liegen
neue Prognose wird deutlich
über bisheriger Prognose
liegen
16. Leipziger Stadtwerkstatt „Kooperative Baulandentwicklung“
rungsprognosen, die Abschätzung der Wohnungsbaupotenziale und Modellrechnungen („Prognose ohne
Neubau“), kleinräumige Aussagen zu Kapazitäten bei
Kindertagesstätten und Grundschulen sowie eine Prioritäten-Liste für die Bauleitplanung erforderlich.
Zum Abschluss seines Vortrages bewertete Herr
Wolfram die bisherigen Potsdamer Erfahrungen
wie folgt: Investoren und größere Eigentümer hätten sich nach anfänglicher Skepsis sehr gut mit
der Richtlinie arrangiert. Verständnis und Akzeptanz seien bei betroffenen Kleineigentümern nur in
geringem Umfang vorhanden. Gerade bei dieser
Gruppe sei der Verwaltungsaufwand ausgesprochen hoch. Die meisten Bebauungsplanverfahren
konnten bisher unter Anwendung der Richtlinie wie
geplant zum Abschluss gebracht werden. Bei einer
aktuellen Planung sei allerdings ein Scheitern nicht
ausgeschlossen, da der Investor derzeit nicht zum
Abschluss einer vertraglichen Regelung bereit sei.
8 | 16. Stadtwerkstatt „Kooperative Baulandentwicklung“
Lernen von Beispielen
München: Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN)
SoBoN oder Umfang der ursächlichen Kosten und
Lasten entscheidet, ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des Erfolges.
Hildegard Wich, Verwaltungsdirektorin im Münchner Referat für Stadtplanung und Bauordnung
Seit 1994 findet das Münchner Modell zur Sozialgerechten Bodennutzung Anwendung und ist damit das
älteste dieser Art in Deutschland. Gemäß § 11 BauGB
wird mit dem SoBoN-Modell die Übernahme ursächlicher Kosten und Lasten von städtebaulichen
Planungen durch die Planungsbegünstigten in städtebaulichen Verträgen geregelt. Mit Stand Ende 2013
konnte Hildegard Wich, Verwaltungsdirektorin im
Münchner Referat für Stadtplanung und Bauordnung, in ihrem Vortrag auf 128 rechtsverbindliche
Bebauungspläne auf Basis der SoBoN verweisen. Dies waren Planungsumgriffe von 1.176 ha mit
36.550 Wohnungen, davon 9.610 geförderte Wohnungen. Die Vorhabenträger
/ Planungsbegünstigten übernahmen Kosten in Höhe von 509 Mio. EUR,
davon 152 Mio. EUR allein für Kapazitätserweiterungen der sozialen Infrastruktur. Konkret wurden
2.040 Krippen-, 5.625 Kindergarten-, 1.450 Hort- und
1.536 Grundschulplätze geschaffen.
Hildegard Wich ging auf die Entstehungsgeschichte
und die Erfolgsfaktoren der SoBoN ein. Neben einem
parteiübergreifenden Grundkonsens, der bis heute
Bestand hat, gab es umfassende Gespräche und
Verhandlungen mit der Bau- und Wohnungswirtschaft
mit dem Ziel, eine grundsätzliche Mitwirkungsbereitschaft herbeizuführen. Mit dem SoBoN-Modell und
dessen Grundsätzen gibt es keine Einzelfall- oder
Fall-zu-Fall-Vereinbarungen. Die Rahmenbedingungen sind von Anfang an allen Beteiligten klar, was
auch zur Investitionssicherheit beiträgt. Die Einsetzung einer referatsübergreifenden Arbeitsgruppe,
die sich ca. im 3-Wochenrythmus trifft und über alle
verfahrensrelevanten Themen wie Anwendung der
Die SoBoN ist seit ihrer Einführung konsequenter Bestandteil aller städtebaulichen Planungen. Ein Bebauungsplanverfahren wird nur dann eingeleitet, wenn
der Vorhabenträger / Planungsbegünstigte seine (einseitige) Grundzustimmung über die Grundsätze der
SoBoN und den Anfangswert des Planungsgebietes
erklärt. Erst danach kommt es zum Aufstellungsbeschluss, nachfolgend wird eine Grundvereinbarung
abgeschlossen. Diese enthält konkrete, rechtlich
bindende Regelungen zu den zu erbringenden Leistungen und ist Voraussetzung für den Billigungsund Änderungsbeschluss über den Bebauungsplan.
Dem Vorhabenträger
/ Planungsbegünstigten werden dabei regelmäßig die Übernahme der ursächlichen Kosten und Lasten der Planung, die Kosten
der Erschließung, die naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen, die Sicherung einer gemischten
Wirtschaftsstruktur sowie eine Bauverpflichtung auferlegt. Letztere bewegen sich in einem überschaubarem Zeitrahmen: 5 Jahre bei ca. 100 – 200 WE,
12 – 15 Jahre bei ca. 1.000 – 1.500 WE. Darüber hinaus sieht die SoBoN Bindungen zur Förderung des
sozial gebundenen Wohnungsbaus vor. Grundsätzlich müssen 30 % des neu geschaffenen Wohnbaurechts als geförderte Wohnungen errichtet werden,
mit einer Unterteilung in 20 % geförderter Mietwohnungsbau und 10 % Eigenwohnungen mit staatlicher
Förderung. Die notwendigen Fördermittel stehen
zur Verfügung. Nach dem Satzungsbeschluss über
den Bebauungsplan werden die Ausführungsverträge mit der detaillierten Festlegung der bereits in der
Grundvereinbarung verabredeten Leistungspflichten
geschlossen, beispielsweise Erschließungsverträge
oder Herstellungsverträge für Kindertagesstätten.
Das SoBoN-Modell sieht eine Beteiligung des Vorhabenträgers / Planungsbegünstigten an den ursächlichen Kosten und Lasten von maximal zwei Drittel
der planbedingten Bodenwertsteigerung vor. Frau
Wich betonte, dass der Wertermittlungsaufwand
vergleichsweise hoch ist, da auf Grund der dynamischen Bodenwertentwicklung in München im Laufe
eines Bebauungsplanverfahrens ggf. mehrere Wertermittlungen notwendig sind.
Die SoBoN kommt nicht zur Anwendung, wenn keine
nennenswerte Bodenwertsteigerung zu erwarten ist
oder eine reine Büronutzung geplant wird, da letztere
Sozialgerechte
Bodennutzung (SoBoN)
Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN)
9
Beispiel für die Übernahme ursächlicher Kosten und Lasten in München
Quelle: Landeshauptstadt München, „Die Sozialgerechte Bodennutzung“ S. 31
Landeshauptstadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung Stadtplanung Hildegard Wich Verwaltungsdirektorin
Referatsübergreifende Arbeitsgruppe
Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN)
Landeshauptstadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung Stadtplanung Hildegard Wich Verwaltungsdirektorin
Fachreferate, deren Interessen berührt sind, insb.
Kämmerei
nicht
weisungsgebunden
Baureferat
Arbeit &
Wirtschaft
Schulreferat
nicht öffentlich
Referatsübergreifende
Arbeitsgruppe
Sozialgerechte Bodennutzung
direkt dem OB
unterstellt
keine Privaten
Leitung: Planungsreferat, Kommunalreferat
Entscheidet über alle wichtigen verfahrensrelevanten Themen
Quelle: Hildegard Wich, Landeshauptstadt München
Findet die SoBoN Anwendung?
Kann Bebauungsplanverfahren eingeleitet werden?
Umfang der ursächlichen Kosten/ Lasten
Kann BPlan dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden?
Ist der städtebauliche Vertrag vollständig abgewickelt?
meist keine ursächlichen Kosten oder Lasten auslöst. dem existiert eine Wohnungsbauförderung des
Landeshauptstadt
München Referat für Stadtplanung
und Bauordnung
Stadtplanung
Wich Verwaltungsdirektorin
Die endgültige
Entscheidung
trifft in diesen
Fällen
die Hildegard
Freistaates
Bayern, ergänzt durch ein kommunales
referatsübergreifende Arbeitsgruppe.
Förderprogramm. Jedoch lassen sich bei allen Unterschieden auch viele übertragbare Hinweise für
In ihrem Resümee stellte Hildegard Wich noch einmal ein Leipziger Modell gewinnen. Dies betrifft insbedie positiven Entwicklungen durch die SoBoN in den sondere Aspekte der Kalkulierbarkeit für alle AkteuVordergrund. Das Modell sei in München inzwischen re, der verwaltungsinternen Abwicklung sowie das
akzeptierter Bestandteil der Planungskultur.
System der vertraglichen Regelungen. Die Münchner
Vorgehensweise zeigt auch sehr deutlich, dass über
Die Rahmenbedingungen zwischen München und einen längeren Zeitraum ein erheblicher Beitrag zur
Leipzig weisen deutliche Unterschiede auf. So sind die Mitfinanzierung zusätzlich notwendiger sozialer InfraBodenwerte wenig mit Leipzig vergleichbar. Außer- strukturen generiert werden kann.
10 | 16. Stadtwerkstatt „Kooperative Baulandentwicklung“
Lernen von Beispielen
Berlin: Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung
Der Abschluss städtebaulicher Verträge ist in Berlin
geübte Praxis, jedoch handelten die Bezirke in ihren
Forderungen zur Folgekostenübernahme nicht immer nach einem einheitlichen Muster. Auch deswegen war die Einführung des Modells der kooperativen
Baulandentwicklung angebracht, um das „Handeln
Berlins berechenbar“ zu machen.
Grit Schade, Leiterin der Wohnungsbauleitstelle in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
Das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung, welches zum August 2014 eingeführt wurde,
stellte Grit Schade von der Wohnungsbauleitstelle der
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
vor. Zuvorderst verwies sie darauf, dass der grundlegende Aufbau des Berliner Modells den Modellen der
Städte Potsdam und München ähnelt. Jedoch setze jede Stadt unterschiedliche Akzentuierungen. So
weicht insbesondere bei der Angemessenheitsprüfung
das Berliner Modell deutlich von den Modellen der
Städte Potsdam und München ab. Die Erfahrungen
und Erkenntnisse mit dem Berliner Modell sind noch
nicht sehr ausgeprägt. Entsprechend legte Frau Schade in ihrem Vortrag den Schwerpunkt auf die Intention
und den Prozess der Modelleinführung.
Mit Blick auf den (durchschnittlichen) Neubaubedarf
Berlins, der aktuell mind. 10.000 Wohnungen pro
Jahr beträgt, zielt das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung u. a. darauf ab, den Wohnungsbedarf von Bevölkerungsgruppen mit Wohnraumversorgungsproblemen zu decken. Das Modell
ist dabei nur ein Instrument der Berliner Mieten- und
Wohnungsbaupolitik. Eine neue Liegenschaftspolitik,
Bündnisse mit den Bezirken und den bau- und wohnungswirtschaftlichen Verbänden oder ein Wohnungsbauförderprogramm sind neben anderen weitere Instrumente. Anlass für die Einführung eines derartigen
Baulandmodells war vor allem der Handlungsdruck
auf den Bauland- und Wohnungsmärkten. Notwendige
Voraussetzungen waren die Existenz einer Wohnungsbauförderung, um Mietpreis- und Belegungsbindung
umsetzen zu können, erhebliche planungsbedingte
Bodenwertsteigerungen und der politische Konsens
darüber, dass ein solches Modell erforderlich ist.
Im Gegensatz zur Potsdamer Richtlinie verfügt das
Berliner Modell über Mietpreis- und Belegungsbindungen, die in der Regel als öffentlich geförderter
Wohnungsbau mit einer einheitlichen Quote von 25 %
realisiert werden. Weitere Inhalte des Modells sind
die Übernahme von Erschließungs-, Planungs- und
Gutachterkosten, die Abtretung von Grün- und Freiflächen sowie die Herstellung dieser Flächen und die
Mitfinanzierung sozialer Infrastrukturen.
Berlin hat einen anderen Weg der Angemessenheitsprüfung gewählt, wodurch insbesondere der Bewertungsaufwand deutlich reduziert wird. Die Beurteilung
der Angemessenheit stellt eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung dar, die die wirtschaftlichen Vorteile
des Vorhabenträgers / Planungsbegünstigten und die
aus dem Vertrag resultierenden Belastungen berücksichtigt. Es handelt sich nicht um eine Berechnung auf
der Grundlage von im Einzelfall ermittelten Anfangsund Endwerten, sondern um einen generalisierenden
Verfahrensansatz, der als Orientierungsmaßstab für
planbedingte Bodenwertsteigerungen dient und ein
vereinfachtes, standardisiertes Schätzverfahren auf
der Basis der Bodenrichtwerte darstellt. Der Eingangswert liegt dabei in der Regel bei 50 % des Zielwertes. Der Investor hat die Möglichkeit, durch ein
von ihm vorzulegendes Gutachten die Bodenwerte
zu überprüfen und die individuelle Angemessenheit
zu hinterfragen („Umkehr der Beweislast“).
Ähnlich wie in München – hier allerdings als Stabstelle beim Staatssekretär organisiert – gibt es in Berlin
eine zentrale Arbeitsgruppe zur Steuerung des Baulandmodells, die mit einem interdisziplinären Team
für die schnelle und effiziente Durchführung des Modells sorgt. Der Wohnungsbauleitstelle obliegt dabei
die Federführung. Das Team trifft sich im 4-wöchigen
Rhythmus. Diese Strukturen sind neben der politischen Legitimation eine wesentliche Voraussetzung
für die Etablierung und Akzeptanz des Modells. Darüber hinaus soll alle drei Jahre eine Evaluierung des
Modells und der Strukturen stattfinden und es wird
großen Wert auf Transparenz durch einen stetigen
11
Informationsfluss und durch die Offenlegung der Regularien des Modells gelegt. Die Leitlinie sowie die
dazugehörigen Berechnungstools sind frei über das
Internet einsehbar und zu beziehen.
Grundsätzlich liegen laut Frau Schade die Herausforderungen für ein solches Modell in der Akzeptanz und
Implementierung einer neuen Planungskultur und in
dem Bewusstsein, dass nur ein Teil der Infrastrukturleistungen der Städte über städtebauliche Verträge
abgesichert werden können. Die komplexe Berliner
Verwaltungsstruktur, mögliche Interessenkonflikte,
Vorurteile, Personalengpässe in den Bezirksverwaltungen, der Umgang mit Sonderfällen und die
Spekulation mit Grundstücken bergen weitere Konfliktpotenziale.
Das Fazit von Grit Schade zu den bisherigen Entwicklungen fällt positiv aus. Mit Hilfe des Modells konnte
eine einheitliche Anwendungskultur geschaffen werden. Außerdem hat sich die anfängliche Skepsis bei
vielen Investoren gewandelt. Auch hofft Berlin, dass
mit Hilfe des Modells ein Beitrag zur Dämpfung der
Bodenpreisentwicklung geleistet werden kann. Bezogen auf die Leipziger Rahmenbedingungen stellen
insbesondere die Methode der Angemessenheitsprüfung und die verwaltungsinterne Verfahrensabwicklung interessante Ansätze dar.
Komponenten der Berliner Mieten- und Wohnungsbaupolitik
Quelle: Grit Schade, Stadt Berlin
Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung
>>> Bewertungsmodell zur Sicherstellung der
Berliner
Modell
Berliner
der
Modell
kooperativen
derAngemessenheit
kooperativen
Baulandentwicklung
Baulandentwicklung
Bewertungsmodell zur
Sicherstellung
der
monetären
in Berlin
monetären
Angemessenheit
>>> Bewertungsmodell
>>> Bewertungsmodell
zur Sicherstellung
zur Sicherstellung
der
der
monetären
monetären
Angemessenheit
Angemessenheitzur Sicherstellung
Systematisiertes
Bewertungsmodell
der monetären
Angemessenheit
Systematisiertes
Systematisiertes
Bewertungsmodell
Bewertungsmodell
zur Sicherstellung
zur Sicherstellung
der monetären
der monetären
Angemessenheit
Angemessenheit
Eingangswert
Eingangswert
Eingangswert
Zielwert
Zielwert
Zielwert
Grit Schade,
Senatsverwaltung
Grit Schade, Senatsverwaltung
für
Stadtentwicklung
für und
Stadtentwicklung
Umwelt,
Wohnungsbauleitstelle
und Umwelt,Wohnungsbauleitstelle
Wohnungsbauleitstelle
Grit Schade,
Senatsverwaltung
für
Stadtentwicklung
und
Umwelt,
Quelle: Grit Schade, Stadt Berlin
12 | 16. Stadtwerkstatt „Kooperative Baulandentwicklung“
Was heißt das für Leipzig?
Aufbauend auf den Ausführungen von Jochem Lunebach und den Erkenntnissen aus den
Beispielkommunen wurden alle Teilnehmer der Stadtwerkstatt gebeten, sich in drei Runden
mit zentralen Leitfragen in Kleingruppen auseinanderzusetzen. Im Wesentlichen ging es
darum, die Vorträge zu reflektieren und herauszuarbeiten „Was heißt das für Leipzig?“.
Unterstützt von Tischmoderatoren wurde in Gruppen mit ca. 8 Personen diskutiert.
1.
Brauchen wir in Leipzig eine neue, über das
bisher praktizierte Maß hinausgehende Form
der kooperativen Baulandentwicklung?
Diese erste Frage sollte ein Stimmungsbild der Teilnehmer und deren Ansichten
zur Notwendigkeit eines Leipziger Baulandmodells abfragen.
Es zeigte sich, dass die Mehrheit an den Tischen für die Initiierung eines solchen
Modells war, dies jedoch nicht ohne Vorbehalte. Vor allem sei es noch zu früh, ein
solches Modell jetzt einzuführen. Der Zeitpunkt der Diskussion darüber ist jedoch
richtig, da die Vorlaufzeiten für die Konzeption und die Einführungsprozesse zu
berücksichtigen sind sowie allgemein von einem weiteren Einwohnerzuwachs in
Leipzig ausgegangen wird.
Darüber hinaus gilt es zu klären, in welchen Quantitäten und Qualitäten ein solches
Modell zum Einsatz kommen wird. Dafür bedarf es einer Bestandsaufnahme über
die potenziellen Bebauungsplangebiete und über die Baulandpotenziale außerhalb
von Bebauungsplänen. Daran sollten sich Referenzrechnungen anschließen, um
eine Orientierung für mögliche Bodenwertsteigerungen und Mitfinanzierungsquoten zu erhalten. Die dann vorliegenden Informationen können die Basis für einen
fundierten Modellentwicklungsprozess sein. Das Vorbereiten eines Leipziger Baulandmodells scheint auch aus dem Grund notwendig, da die Leerstandsreserven
bis 2020 größtenteils aufgebraucht sein könnten. Ein vorbereitetes und kommuniziertes Konzept stünde dann zur Verfügung, wenn es wirklich gebraucht wird.
Im Rahmen der Konzeption eines Modells sollten auch Aufwand und Nutzen
betrachtet werden. Zentraler Diskussionspunkt war die Höhe der erforderlichen
Bodenwertsteigerungen, um überhaupt Mitfinanzierungspotenziale zur Verfügung zu haben. Aktuell werden die planungsbedingten Bodenwertzuwächse
in Leipzig überwiegend noch als zu gering eingeschätzt. Weiterhin wurde betont, dass ein Modell für alle Investoren und für alle Vorhabengrößen verpflichtend sein muss, um den Gleichbehandlungsgrundsätzen zu entsprechen und
ausreichend Transparenz zu schaffen. Skepsis besteht bei einem Teil der Diskutanten bezüglich der Umsetzung wohnungspolitischer Ziele. Als hemmender Faktor wurde vor allem die fehlende Wohnungsbauförderung genannt, die
überwiegend als Voraussetzung für die Vereinbarung von Mietpreis- und Belegungsbindungen gesehen wird. Diskutiert wurde auch, ob ein Baulandmodell
investorenunfreundlich wirken könnte oder seine Wirkung dadurch nicht entfalten
kann, da es noch zu viele Baulandpotenziale nach § 34 BauGB gibt. Zusammenfassend stand als Erkenntnis der ersten Tischrunde jedoch die Aussage, dass ein
Modell jetzt vorbereitet, aber noch (!) nicht eingeführt werden soll.
13
2.
Welche Ziele sollte das Leipziger Modell
verfolgen? Welche Bestandteile sollte das
Leipziger Modell beinhalten?
Mit der zweiten Fragerunde wurde ein Gedankenspiel versucht. Für den Fall, dass
es – zukünftig – ein Leipziger Baulandmodell geben sollte, wurde die Ausgestaltung dieses Modells hinterfragt. Sollte es schwerpunktmäßig Mitfinanzierungspotenziale verfolgen, Aspekte der Wohnraumversorgung in den Blick nehmen oder
sollte sich die Stadt Leipzig auf die klassischen städtebaulichen Vereinbarungen
beschränken und diese zu einem Modell weiter entwickeln?
Klare Aussage dieser Tischrunde war, dass unbedingt Prioritäten zu setzen sind.
Wie bisher sollte die Übernahme von Planungs- und Entwicklungskosten an erster Stelle stehen, gefolgt von der Übernahme der Kosten und Lasten für die technischen Infrastrukturen und an dritter Position Regelungen zur Sicherung des
Angebotes an bezahlbarem Wohnraum. In diesem Zusammenhang wurde auch
für eine größere Entscheidungsfreiheit bei der medientechnischen Erschließung
plädiert.
Eine zu entwickelnde Richtlinie für ein Leipziger Baulandmodell sollte im Sinne
eines Baukastensystems alle Komponenten umfassen, auch wenn es beispielsweise (noch) keine Wohnungsbauförderung gibt. Im Rahmen der zweiten Fragerunde wurde über die Einführung von alternativen Finanzierungsmodellen, wie
Quartierfonds oder die Kopplung von Belegungsbindungen im Bestand an die
Schaffung von Planungsrecht für Neubaumaßnahmen, diskutiert.
Entsprechend der Vorgehensweise in München und Potsdam sollte dem Vorhabenträger / Planungsbegünstigten mindestens ein Drittel der planungsbedingten
Bodenwertsteigerung verbleiben. Eine weitere Anregung bestand darin, dass
auch Aspekte der städtebaulichen Qualität und eine Nutzungsmischung betrachtet werden müssen. In diesem Zusammenhang wurde betont, dass solche Ziele
auch Bestandteile der Vergabe von kommunalen Flächen sein sollten, zum Beispiel im Wege der Konzeptvergabe.
14 | 16. Stadtwerkstatt „Kooperative Baulandentwicklung“
3.
Welche Voraussetzungen sind für ein
Leipziger Modell zu schaffen?
Diese abschließende Frage zielte auf die notwendigen Rahmenbedingungen ab,
die für den Erfolg eines derartigen Modells erforderlich sind.
Hier wurde erneut deutlich, dass zwar mit der Modelleinführung noch gewartet,
die Modellentwicklung aber bereits jetzt stufenweise vorbereitet werden sollte.
In einem ersten Schritt gilt es „Wissen über die relevanten Daten und Fakten zu
vertiefen“.
Daran sollten sich – auch im Erfahrungsaustausch mit Akteuren aus den Beispielkommunen – Modellrechnungen anschließen, die eine Orientierung darüber
geben, welche Bodenwertsteigerungen erforderlich und welche Mitfinanzierungsquoten bei unterschiedlichen Fallkonstellationen möglich sind. Die Grundlagenermittlung könnte Basis für eine anschließende Testphase sein. Betont wurde die
Notwendigkeit in einer Vorbereitungsphase größtmögliche Transparenz sicherzustellen und die Wohnungsmarktakteure umfassend zu beteiligen. Dem Vorbild der
Beispielkommunen folgend, sollte die Einsetzung einer zentralen, ämterübergreifenden Arbeitsgruppe erwogen werden.
Ad hoc-Zusammenfassung der Ergebnisse aus den Tischdiskussionen:
Ergebnisse der Diskussionsrunden an den Tischen
Ergebnisse
der Diskussionsrunden
an den Tischen
Ja, warum nicht,
aber …
Prioritätensetzung …
Ergebnisse
der
Diskussionsrunden
an
den
Tischen
Ja, warum nicht, aber …
Prioritätensetzung …
PrioritätenPrioritätensetzung
…
Ja, warumBedarf?
nicht,noch
aber …
setzung:
34er-Gebiete,
Transparenz
Aufwand und
1. PrioritätenInfrastruktur,
Bedarf?
noch
Lücken,
und GleichbeNutzen?
2.setzung:
Soziales,
34er-Gebiete,
Transparenz
geringe
Anzahl
handlung
PrioritätenAufwand
und
1.3.Infrastruktur,
BelegungsBedarf?Lücken,
noch
und GleichbeB-Pläne
setzung:
Nutzen?
2.bindung
Soziales,
34er-Gebiete,
Transparenz
geringe Anzahl Aufwand und
handlung 1. Infrastruktur,
3. BelegungsLücken,
und
GleichbeB-Pläne
Nutzen?
2. Soziales,
bindung
geringe Anzahl
handlung
3. BelegungsB-Pläne
Nebeneffekte?
Schrittfolgen:
bindung
NutzungsMitfinanzierungsBelegungsmischung
und
Preisstei1. Wissen
potenziale?
bindung nur
Nebeneffekte?
Schrittfolgen:
Nutzungsstädtebauliche
gerungen,
schaffen
MitfinanzierungsBelegungsmit
Förderung
Bodenwertmischung
Qualitätund
Preisstei1.
Wissen
investoren(Mengenpotenziale? Nebeneffekte?
Schrittfolgen:
bindung
nur
Freistaat
Nutzungssteigerung
städtebauliche
Mitfinanzierungssichern
gerungen,
schaffen
Belegungsunfreundlich
gerüste)
mit
Förderung
mischung
und
BodenwertPreisstei1. Wissen
Qualität
potenziale?
investoren(Mengenbindung
nur
Freistaat
städtebauliche
steigerung
gerungen,
schaffen
sichern
unfreundlich
gerüste)
mit
Förderung
BodenwertQualität
investoren(MengenFreistaat
steigerung
sichern
unfreundlich
gerüste)
2. Testfälle
nach Priori2.
Testfälle
sierungen
nach Priori2. Testfälle
sierungen
nach Priorisierungen
3. Beteiligung
und
3.
Beteiligung
Legitimation
und
3. Beteiligung
Legitimation
und
Legitimation
4a. Richtlinie
mit externen
4a. Richtlinie
Lerneffekten
mit externen
4a. Richtlinie
Lerneffekten
mit externen
Lerneffekten
4b.
Ressourcen4b.
aufbau
Ressourcen4b. aufbau
Ressourcenaufbau
Prozessstart jetzt, stufenweise Modellentwicklung mit …
Prozessstart jetzt, stufenweise Modellentwicklung mit 25.06.2015
…
Stadt Leipzig - 16. Leipziger Stadtwerkstatt "Kooperative Baulandentwicklung"
25.06.2015
Prozessstart jetzt, stufenweise Modellentwicklung mit …
Stadt Leipzig - 16. Leipziger Stadtwerkstatt "Kooperative Baulandentwicklung"
Stadt Leipzig - 16. Leipziger Stadtwerkstatt "Kooperative Baulandentwicklung"
Quelle: |u|m|s| STADTSTRATEGIEN
25.06.2015
1
1
1
15
Podiumsdiskussion
Das Meinungsbild aus den Tischdiskussionen aufgreifend reflektierten die Teilnehmer der Podiumsdiskussion aus ihrer jeweiligen Sichtweise, welche Potenziale
bei der Einführung eines Leipziger Baulandmodells zu
erwarten sind und welche Hemmnisse bestehen.
Pete Heuer, Stadtrat und Vorsitzender des Finanzausschusses der Stadt Potsdam, regte an, dass sich die
Stadt Leipzig jetzt die Zeit nehmen und die Chance
nutzen sollte, ein Leipziger Modell auf den Weg zu
bringen. Den Potsdamer Diskussions- und Vorbereitungsprozess reflektierend kam er zu dem Ergebnis,
dass eine frühzeitigere Befassung mit dem Thema der
Potsdamer Problemlage aus heutiger Sicht besser gerecht geworden wäre. Notwendig sei es die Flächenpotenziale zu kennen, die Aufstellungsbeschlüsse mit
Veränderungssperren gegen Spekulationen zeitnah
zu beschließen und die Prioritäten im Auge zu behalten. Eine Richtlinie sollte alle Komponenten, auch die
der Förderung des bezahlbaren Wohnraums beinhalten und Spielräume für neue Ansätze, wie zum Beispiel Quartierfonds, lassen. Man müsse aber immer
im Bewusstsein haben, dass ein Modell und die dazugehörige Richtlinie im Stadtrat eine Mehrheit benötigt.
Ein breiter politischer Konsens sei deshalb sinnvoll.
Herr Heuer betonte, dass eine beschlossene Richtlinie
auch konsequent umgesetzt werden müsse. Sofern
eine Bereitschaft einzelner Investoren zur vertraglichen Vereinbarung nicht bestehe, könne der entsprechende Bebauungsplan nicht beschlossen werden.
Auch Dorothee Dubrau, Bürgermeisterin und Beigeordnete für Stadtentwicklung und Bau der Stadt Leipzig
sieht die Chancen eines solchen Modells für Leipzig.
Es sei jedoch nur ein Baustein im Instrumentenkoffer
einer wachsenden Stadt. Im Entwurf des wohnungspolitischen Konzepts der Stadt Leipzig werden weitere
Instrumente benannt, die in Summe ein gutes Rüst-
zeug für die prognostizierten Herausforderungen des
Leipziger Wohnungsmarktes bieten. Für die Entwicklung eines Leipziger Baulandmodells sei es notwendig,
bestehende Modelle tiefer zu durchdringen und die
Diskussionen mit den Beispielkommunen weiterzuführen. Frau Dubrau vertritt wie Herr Heuer die Meinung,
dass mit den Vorbereitungen nicht zu lange gewartet
werden sollte, da mit größter Wahrscheinlichkeit von
einem weiteren Einwohnerwachstum auszugehen sei.
Als Vertreterin der (privaten) Wohnungswirtschaft signalisierte Michaela Kostov, Vorstand der Vereinigten Leipziger Wohnungsgenossenschaften eG und
Mitglied der Plattform von Leipziger Wohnungsgenossenschaften, grundsätzlich offen zu sein für ein derartiges Modell. Vor der Einführung müssten jedoch noch
einige Voraussetzungen geschaffen und Grundlagen
ermittelt werden. Angefangen von der unsicheren Bodenpreisentwicklung über die Flächenpotenziale der
§ 34 BauGB-Gebiete bis hin zu den Angemessenheitsprüfungen gibt es laut Frau Kostov noch vielfältigen
Aufklärungsbedarf. Daher wird sie den Gedankenaustausch mit anderen Genossenschaften im Bundesgebiet suchen, um die Position der Genossenschaften
zu einem solchen Modell auch überregional zu diskutieren. Dies durchaus auch in dem Bewusstsein, dass
Genossenschaften mit ihrem eindeutigen Auftrag bereits erhebliche wohnungswirtschaftliche Beiträge im
Sinne einer Sozialrendite leisten. Sie begrüße jedoch
den heute begonnenen Diskussionsprozess zu diesem Thema ausdrücklich.
In gleicher Weise hatte Steffen Göpel, Vorstand GRKHolding und BFW-Mitteldeutschland e.V., noch Bedarf
an Aufklärung. Ein Leipziger Baulandmodell könnte
aus seiner Sicht eine Win-Win-Situation darstellen, da
die Entwickler weiterhin an der Wertschöpfung partizipieren und gleichzeitig gesellschaftliche Beiträge
16 | 16. Stadtwerkstatt „Kooperative Baulandentwicklung“
leisten können. Entsprechend offen zeigt er sich einer
Modelleinführung gegenüber. Zwingend erforderlich
sei jedoch die grundsätzliche Gleichbehandlung aller
Investoren und Grundstückseigentümer. Auch Herr
Göpel betonte, dass er mit Investoren aus anderen
Städten in einen Erfahrungsaustausch treten wird, um
sowohl von deren Erkenntnissen zu lernen als auch
den juristischen und bürokratischen Aufwand besser
beurteilen zu können.
Schließlich wies Prof. Dr. Thomas Fabian, Bürgermeister und Beigeordneter für Jugend, Soziales,
Gesundheit und Schule der Stadt Leipzig darauf hin,
dass die Bedarfe an neuem und bezahlbarem Wohn-
raum sowie an zusätzlichen Kinderbetreuungs- und
Grundschulplätzen in den stadtgesellschaftlichen
Diskussionen häufig noch unterschätzt würden. Daher sei es wichtig bei Bevölkerungs- und Wohnungsmarktentwicklungen in Szenarien zu denken, langfristig und strategisch zu planen sowie entsprechende
Instrumente rechtzeitig vorzubereiten. Dies impliziert auch, dass die Debatten um zusätzliche soziale
Infrastrukturangebote nicht nur anhand von Kinderbetreuungs- und Grundschulplätzen geführt werden
darf, sondern auch die Belange von Senioren Berücksichtigung finden sollten. Der insgesamt erforderliche
Finanzbedarf für den notwendigen Kapazitätsausbau
sei gewaltig.
Ausblick
Die 16. Leipziger Stadtwerkstatt wurde mit einem klaren Arbeitsauftrag initiiert. Das Modell der kooperativen Baulandentwicklung, welches über das bisher in
Leipzig praktizierte Maß der Kosten- und Lastenübernahme durch die Vorhabenträger hinausgeht und zur
Mitfinanzierung von sozialen Infrastrukturen und zur
Förderung von bezahlbarem Wohnraum beitragen
kann, sollte auf seine Übertragbarkeit auf Leipzig
überprüft werden.
Leipzig kann von den Beispielstädten und ihren
Modellen sehr viel lernen. Die Erfahrungen und Erkenntnisse, die mit der Entwicklung, Einführung und
Anwendung eines solchen Baulandmodells einhergehen, sind wichtig für die Erarbeitung einer Leipziger
Strategie.
Auch wenn die Rahmenbedingungen der Beispielstädte mit den Leipziger Verhältnissen (noch?) nicht
in allen Ausprägungen übereinstimmen, sind einige
Tendenzen der Entwicklung durchaus schon heute
vergleichbar. Die praktizierten Modelle geben Auf-
schluss darüber, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen und wie der Prozess der Einführung zu gestalten ist, damit ein Baulandmodell mit
Erfolg angewendet werden kann.
Bei den Tischdiskussionen und der Podiumsdiskussion wurde fast einvernehmlich herausgestellt, dass
ein Leipziger Modell der ‘Kooperativen Baulandentwicklung‘ vorbereitet, aber noch (!) nicht eingeführt
werden sollte. Einigkeit bestand auch darüber, dass
im Rahmen der Vorbereitung eine große Transparenz
in Bezug auf die relevante Datenlage geschaffen werden muss und dass die Wohnungsmarktakteure und
die interessierte Öffentlichkeit umfassend informiert
und beteiligt werden sollten.
Jochem Lunebach betonte in seinem Fazit, dass
der große Konsens der Teilnehmer der Stadtwerkstatt über die nun notwendigen Arbeitsschritte von
der Verwaltung aufgenommen und dem Stadtrat ein
dementsprechender Verfahrensvorschlag unterbreitet werden soll.
Veranstalter
Stadt Leipzig,
Dezernat für Stadtentwicklung und Bau,
Stadtplanungsamt
Termin
25. Juni 2015 | 16:00 Uhr
Veranstaltungsort
Alte Handelsbörse
Naschmarkt 1, 04109 Leipzig
Moderation
Fritjof Mothes,
Stadtlabor
Teilnehmer
Sabine Anhöck,
Anhöck & Kellner Massivhaus GmbH
Christine Anlauff,
Stadt Potsdam, Kommunalpolitikerin
Steffen Bieder,
BfW Landesverband
Mitteldeutschland e.V.
Christel Biermeier,
Stadt Leipzig
Jens-Uwe Boldt,
Stadt Leipzig
Ortrud Diemer,
Stadt Leipzig
Thomas Dohrmann,
Leipziger Wohnungs- und
Baugesellschaft mbH
Marita Hasebrink,
Stadt Leipzig
Siegfried Schlegel,
Stadtrat
Ulrike Herold,
Fraktionsassistentin
Markus Schmädt,
Bündnis „Stadt für Alle“
Pete Heuer,
Stadt Potsdam
Klaus Schotte,
AG Beratung Leipzig
Dr. Sabine Heymann,
Stadträtin
Jan Schulze,
Hansa Real Estate AG
Steffen Hildebrand,
Hildebrand & Jürgens GmbH
Robert Staacke,
Stadt Leipzig
Marco Hoffmann,
Immobilienverband Deutschland IVD,
Region Mitte-Ost e.V.
Sven Stein,
Stadt Leipzig
Ingo Jahnel,
Limes Wohnbau GmbH
Hannes Koefer,
Leipziger Stadtbau AG
Claudia König,
Stadt Leipzig
Michaela Kostov,
Vereinigte Leipziger Wohnungs
genossenschaft eG, Mitglied der
Plattform von Leipziger Wohnungs
genossenschaften
Matthias Kredt,
Stadt Leipzig
Hannes Lindemann,
Haushalten e.V.
Ronald Linke,
Haus & Grund Leipzig
Michael Stellmacher,
AG Beratung Leipzig
Dr. Nicolas Tsapos,
Stadt Leipzig
Gudrun Unverferth,
Stadt Leipzig
Daniel von der Heide,
Stadtrat
Mathias Weber,
Stadtrat
Prof. Dr. Silke Weidner,
|u|m|s| STADTSTRATEGIEN
Bernd Weisenburger,
Weisenburger Bau und Grund AG
Gernot Weiß,
Stadt Leipzig
Hildegard Wich,
Stadt München
Dorothee Dubrau,
Bürgermeisterin / Beigeordnete für
Stadtentwicklung und Bau
Jochem Lunebach,
Amtsleiter Stadtplanungsamt
Stadt Leipzig
Peter Dütthorn,
Stadt Leipzig
Anke Matejka,
Mieterverein Leipzig e.V.
Axel Dyck,
Stadtrat
Tischmoderatoren
Christina Meyer-Kayser,
Stadt Leipzig
Tim Elschner,
Stadtrat
Stefan Heinig,
Stadt Leipzig
Jens Niewiadomski,
Stadt Leipzig
Prof. Dr. Thomas Fabian,
Bürgermeister / Beigeordneter für Ju
gend, Soziales, Gesundheit und Schule
Stefanie Komm,
Stadt Leipzig
Heike Oppitz,
Stadt Leipzig
Christina Neddens,
Stadt Leipzig
Sebastian Pfeiffer,
Stadt Leipzig
Heinrich Neu,
Stadt Leipzig
Ruth Rabenberg,
Stadt Leipzig
Karolin Pannike,
Stadt Leipzig
Grit Schade,
Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung und Umwelt,
Leiterin der Wohnungsbauleitstelle
des Landes Berlin
Friederike Rathke,
Stadt Leipzig
Ute Schäfer,
Leipziger Wohnungs- und
Baugesellschaft mbH
Eike Sievers,
Stadt Leipzig
Patrik Fahrenkamp,
Leipziger Stadtbau AG
Marlen Försterling,
Stadt Leipzig
Dr. Beate Ginzel,
Stadt Leipzig
Steffen Göpel,
GRK-Holding AG
Roman Grabolle,
Bündnis „Stadt für Alle“
Silvia Haas,
Stadt Leipzig
Ute Scheffen-Halbach,
Selbstnutzer Kompetenzzentrum
für Wohneigentum GmbH
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Erik Wolfram,
Stadt Potsdam
Prof. Dr. Jan Schaaf,
|u|m|s| STADTSTRATEGIEN
Reinhard Wölpert,
Stadt Leipzig
Kooperative Baulandentwicklung
Ansprechpartner
Stadt Leipzig
Dezernat Stadtentwicklung und Bau,
Stadtplanungsamt
Telefon: 0341 123-4934 | Fax: 0341 123-4930
E-Mail: stadtplanungsamt@leipzig.de
Impressum
Herausgeber
Stadt Leipzig
Der Oberbürgermeister
Dezernat Stadtentwicklung und Bau,
Stadtplanungsamt
Redaktion
Jochem Lunebach Verantwortlich i.S.d.P.
Friederike Rathke, Stadtplanungsamt
Prof. Dr. Jan Schaaf, Prof. Dr. Silke Weidner
|u|m|s| STADTSTRATEGIEN
Gestaltung und Satz
David Pfeil | Stadtplanungsamt
Prof. Dr. Jan Schaaf, Prof. Dr. Silke Weidner
Friedolin Knorn |u|m|s| STADTSTRATEGIEN
Fotos
David Pfeil, Tom Meier | Stadtplanungsamt
Druck
Hausdruckerei der Stadt Leipzig
Auflage
200 Stück
November 2015