Daten
Kommune
Leipzig
Dateiname
1013176.pdf
Größe
266 kB
Erstellt
12.12.14, 12:00
Aktualisiert
06.12.18, 12:44
Stichworte
Inhalt der Datei
Ratsversammlung
Neufassung Nr. A-00073/14-A-003
Status: öffentlich
Beratungsfolge:
Gremium
Termin
Zuständigkeit
Ratsversammlung
Beschlussfassung
Verwaltungsausschuss
Beschlussfassung
Betriebsausschuss Kulturstätten
Beschlussfassung
Betriebsausschuss Jugend, Soziales, Gesundheit
Beschlussfassung
Betriebsausschuss Stadtreinigung
Beschlussfassung
Eingereicht von
Fraktion DIE LINKE
Betreff
Freihandelsabkommen "Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft"
TTIP (eRIS: V/A 555)
Rechtliche Konsequenzen
Der gemäß Ursprungsantrag gefasste Beschluss wäre
Rechtswidrig und/oder
Nachteilig für die Stadt Leipzig.
Zustimmung
Ablehnung
Zustimmung mit Ergänzung
Ablehnung, da bereits Verwaltungshandeln
Alternativvorschlag
Sachstandsbericht
Beschluss:
1. Die Ratsversammlung beschließt folgende Resolution:
Leipziger Resolution
Die Stadt Leipzig begrüßt, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Europa und den
USA weiter ausgebaut werden soll und damit auch die wirtschaftliche Stärke Deutschlands sowie
seiner Kommunen für die Zukunft gesichert wird. Allerdings birgt das derzeit verhandelte
Freihandelsabkommen mit den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP)
sowie das bereits weitgehend ausgehandelte Abkommen mit Kanada (Comprehensive Economic
and Trade Agreement – CETA) auch Risiken für die öffentliche Daseinsvorsorge, insbesondere
im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung.
Die Ratsversammlung der Stadt Leipzig appelliert daher an
-
die Kommission der Europäischen Union,
-
das Parlament der Europäischen Union,
-
die Bundesregierung,
-
die Sächsische Staatsregierung,
sich im Zuge der Verhandlungen um das Freihandelsabkommen mit den USA
(TTIP), des multinationalen Dienstleistungsabkommens Trade in Services Agreement (TiSA)
sowie beim bereits weitgehend verhandelten Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA)
uneingeschränkt für die Sicherung der kommunalen
Selbstverwaltung, den Schutz und Fortbestand der kommunalen Daseinsvorsorge
und der kommunalen Kultur- und Bildungspolitik einzusetzen.
Die Ratsversammlung der Stadt Leipzig schließt sich vor diesem Hintergrund vollumfänglich dem
gemeinsamen Positionspapier von Deutschem Städtetag, Deutschem Landkreistag, Deutschem
Städte- und Gemeindebund sowie dem Verband der kommunalen Unternehmen e. V. vom
Oktober 2014 zu internationalen
Handelsabkommen und kommunalen Dienstleistungen an.
Insbesondere spricht sich die Ratsversammlung der Stadt Leipzig dafür aus,
- dass die öffentliche Daseinsvorsorge im Rahmen einer Positivliste aus dem
Freihandelsabkommen TTIP herausgenommen wird und zwar für den Marktzugang wie auch bei
der Inländergleichbehandlung,
- dass die nach langen Verhandlungen bei den EU-Vergaberichtlinien erreichten
Erleichterungen für Inhouse-Vergaben, die interkommunale Zusammenarbeit sowie
Bereichsausnahmen für Rettungsdienste und die Wasserwirtschaft nicht durch die Hintertür
eines Freihandelsabkommens auch nur ansatzweise in Frage gestellt werden dürfen,
- dass auf spezielle Investitionsschutzregelungen für Unternehmen verzichtet wird, da
derartige Regelungen zum Investitionsschutz in Freihandelsabkommen mit ausgeprägter
rechtsstaatlicher Tradition und ausreichendem Rechtsschutz vor nationalen Gerichten nicht
notwendig sind,
- dass die in der EU einheitlich oder national geltenden Standards, insbesondere zum Umweltund Verbraucherschutz, auf keinen Fall mit dem vorrangigen Ziel des Abbaus von nichttarifären
Handelshemmnissen reduziert werden dürfen,
- dass nicht nur das Europäische Parlament, sondern auch die Parlamente der 28 EUMitgliedsstaaten in das Ratifizierungsverfahren der Freihandelsabkommen mit einbezogen
werden müssen, da es sich bei TTIP und CETA um sog. gemischte Abkommen handelt, d. h.
Abkommen, dessen Inhalt über die Kompetenzen der EU hinausgeht und auch in den
Zuständigkeitsbereich der Mitgliedsstaaten fallen,
- dass die kommunale Ebene, die auf nationaler Ebene in dem Beirat beim
Bundeswirtschaftsminister vertreten ist, insbesondere auch an den bei der EU-Kommission
bestehenden Beratergruppen beteiligt wird und
- dass die vorbenannten Forderungen auch bei zukünftigen Verhandlungen mit anderen
Staaten über Freihandelsabkommen berücksichtigt werden.
2.
Der Oberbürgermeister ist beauftragt, über mögliche Folgen des geplanten
Freihandelsabkommen hinsichtlich der betroffenen kommunalen Bereiche in den
zuständigen Ausschüssen und im Stadtrat zu informieren. Wenn nötig, sind dazu
geeignete Partner einzuladen.
Begründung:
Derzeit wird hinter verschlossenen Türen und völlig intransparent von der EU-Kommission eine
„Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP) zwischen den USA und der EU
verhandelt. Ziel des Abkommens ist die weitere umfassende Deregulierung und Liberalisierung von
Handelsbeziehungen und Dienstleistungen. Die Bundesregierung wähnt sich auf der Zielgeraden
und übt öffentlichen Druck aus, das Abkommen zügig abzuschließen1.
Die Unterzeichnung dieses Abkommens wird erhebliche Konsequenzen auch für die Kommunen
und ihre Aktivitäten im Rahmen der Daseinsvorsorge beinhalten. Die dort bisher noch
festgeschriebenen Ausnahmeregelungen hinsichtlich des öffentlichen Versorgungsbereiches und
der Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Finanzen, Verkehr oder Leiharbeit sollen
offenbar aufgehoben werden.
Innerhalb dieser Megazone sollen die Regelungen von ausländischen Investoren aus ihrem eigenen
Heimatland im Partnerland gelten. Fallen die Standards im Heimatland niedriger aus, dann müssen
diese im Partnerland anerkannt werden. Handelsbarrieren wie z. B. Produkt- und Qualitätsstandards
werden abgebaut (Chlorhühnchen, Hormonfleisch).
Das Verhandlungsmandat scheint, wie u. a. der bayrische Städtetag betont, auch kommunalrelevante Handlungsbereiche, etwa das öffentliche Auftragswesen, Energiepolitik und Umweltschutz
und sogar die Trinkwasserversorgung zu umfassen. Ein weiterer Kritikpunkt aber ist der sogenannte
Investorenschutz, ein Sonderklagerecht für Unternehmen. Dieses soll erweitert werden, und für
öffentliche Ausschreibungen soll das Prinzip der Inländerbehandlung festgeschrieben werden. Damit
steht zu erwarten, dass sog. nichttarifäre Handelshemmnisse und Regulierungen massiv reduziert
werden. Teil beider Abkommen soll ein spezielles Investorenklagerecht gegen Staaten sein, um ggf.
Schadenersatz durchsetzen zu können. Klagegründe sind dabei nicht mehr nur
Wettbewerbsbeschränkungen oder Enteignungen, sondern entgangene Gewinne aufgrund von
Gesetzen, Vorschriften und Richtlinien.
Die Klagen von ausländischen Konzernen wegen entgangener Gewinnerwartungen aufgrund von
inländischen Hemmnissen werden vor Schiedsgerichten verhandelt, die nicht öffentlich tagen, deren
Urteile völkerrechtlich verbindlich sind und gegen die es keine Revisions- bzw.
Berufungsmöglichkeiten mehr gibt.
Mit dieser Resolution bekennt sich der Stadtrat zur kommunalen Selbstverwaltung und stärkt die
Position des Städte- und Gemeindetages. Sie wurde in ähnlicher Form bereits von den
Kommunalvertretungen in mehreren Kommunen verabschiedet.
1
„Es geht doch gar nicht darum, dass Standards gesenkt würden. Kein Freihandelsabkommen der Welt
kann deutsche oder europäische Gesetze aushebeln. Und es kann auch nicht kommende Gesetze durch die
Drohung von Entschädigungszahlungen verhindern. […] Verpassen wir diese Chance, in dem wir eine zum Teil
hysterische Debatte um diese Dinge zu führen, werden uns vermutlich unsere Kinder verfluchen, weil die sozialen,
ökologischen und ökonomischen Standards dann in Asien gesetzt werden, und das sind sicherlich andere, als
wenn wir sie setzen.“ Bundesminister für Wirtschaft und Energie im Interview mit dem Spiegel (1.12.2014)
nachzulesen: http://www.bmwi.de/DE/Presse/reden,did=672322.html .
Prüfung der Übereinstimmung mit den strategischen Zielen:
BESCHLUSSAUSFERTIGUNG
Ratsversammlung vom 25.02.2015
zu 15.4. Freihandelsabkommen "Transatlantische Handels- und
Investitionspartnerschaft" TTIP
Vorlage: A-00073/14-NF-003
Beschluss:
1. Die Ratsversammlung beschließt folgende Resolution:
Leipziger Resolution
Die Stadt Leipzig begrüßt, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Europa und
den USA weiter ausgebaut werden soll und damit auch die wirtschaftliche Stärke
Deutschlands sowie seiner Kommunen für die Zukunft gesichert wird. Allerdings birgt das
derzeit verhandelte Freihandelsabkommen mit den USA (Transatlantic Trade and Investment
Partnership - TTIP) sowie das bereits weitgehend ausgehandelte Abkommen mit Kanada
(Comprehensive Economic and Trade Agreement - CETA) auch Risiken für die öffentliche
Daseinsvorsorge, insbesondere im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung.
Die Ratsversammlung der Stadt Leipzig appelliert daher an
die Kommission der Europäischen Union,
das Parlament der Europäischen Union,
die Bundesregierung,
die Sächsische Staatsregierung,
sich im Zuge der Verhandlungen um das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP), des
multinationalen Dienstleistungsabkommens Trade in Services Agreement (TiSA) sowie beim
bereits weitgehend verhandelten Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA)
uneingeschränkt für die Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung, den Schutz und
Fortbestand der kommunalen Daseinsvorsorge und der kommunalen Kultur- und
Bildungspolitik einzusetzen.
-
Die Ratsversammlung der Stadt Leipzig schließt sich vor diesem Hintergrund vollumfänglich
dem gemeinsamen Positionspapier von Deutschem Städtetag, Deutschem Landkreistag,
Deutschem Städte- und Gemeindebund sowie dem Verband der kommunalen Unternehmen
e. V. vom Oktober 2014 zu internationalen Handelsabkommen und kommunalen
Dienstleistungen an.
Insbesondere spricht sich die Ratsversammlung der Stadt Leipzig dafür aus,
- dass die öffentliche Daseinsvorsorge im Rahmen einer Positivliste aus dem
Freihandelsabkommen TTIP herausgenommen wird und zwar für den Marktzugang wie
auch bei der Inländergleichbehandlung,
- dass die nach langen Verhandlungen bei den EU-Vergaberichtlinien erreichten
Erleichterungen für Inhouse-Vergaben, die interkommunale Zusammenarbeit sowie
Bereichsausnahmen für Rettungsdienste und die Wasserwirtschaft nicht durch die
Hintertür eines Freihandelsabkommens auch nur ansatzweise in Frage gestellt werden
dürfen,
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- dass auf spezielle Investitionsschutzregelungen für Unternehmen verzichtet wird, da
derartige Regelungen zum Investitionsschutz in Freihandelsabkommen mit ausgeprägter
rechtsstaatlicher Tradition und ausreichendem Rechtsschutz vor nationalen Gerichten nicht
notwendig sind,
- dass die in der EU einheitlich oder national geltenden Standards, insbesondere zum
Umwelt- und Verbraucherschutz, auf keinen Fall mit dem vorrangigen Ziel des Abbaus von
nichttarifären Handelshemmnissen reduziert werden dürfen,
- dass nicht nur das Europäische Parlament, sondern auch die Parlamente der 28 EUMitgliedsstaaten in das Ratifizierungsverfahren der Freihandelsabkommen mit einbezogen
werden müssen, da es sich bei TTIP und CETA um sog. gemischte Abkommen handelt, d.
h. Abkommen, dessen Inhalt über die Kompetenzen der EU hinausgeht und auch in den
Zuständigkeitsbereich der Mitgliedsstaaten fallen,
- dass die kommunale Ebene, die auf nationaler Ebene in dem Beirat beim
Bundeswirtschaftsminister vertreten ist, insbesondere auch an den bei der EU-Kommission
bestehenden Beratergruppen beteiligt wird und
- dass die vorbenannten Forderungen auch bei zukünftigen Verhandlungen mit anderen
Staaten über Freihandelsabkommen berücksichtigt werden.
2. Der Oberbürgermeister ist beauftragt, über mögliche Folgen des geplanten
Freihandelsabkommen hinsichtlich der betroffenen kommunalen Bereiche in den
zuständigen Ausschüssen und im Stadtrat zu informieren. Wenn nötig, sind dazu geeignete
Partner einzuladen.
Abstimmungsergebnis:
mehrheitlich angenommen bei 20 Gegenstimmen und 4 Stimmenthaltungen
Leipzig, den 26. Februar 2015
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