Daten
Kommune
Leipzig
Dateiname
1031487.pdf
Größe
82 kB
Erstellt
25.06.15, 12:00
Aktualisiert
06.12.18, 13:29
Stichworte
Inhalt der Datei
Ratsversammlung
Informationsvorlage Nr. VI-DS-01582
Status: öffentlich
Beratungsfolge:
Gremium
Termin
Dienstberatung des Oberbürgermeisters
Zuständigkeit
Information zur Kenntnis
Migrantenbeirat
04.09.2015
Information zur Kenntnis
Fachausschuss Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule
10.09.2015
Information zur Kenntnis
Ratsversammlung
16.09.2015
Information zur Kenntnis
Eingereicht von
Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule
Betreff
Entscheidungen des Oberbürgermeisters zu neuen Standorten für die Unterbringung
von Asylsuchenden
1. Der Stadtrat nimmt zur Kenntnis, dass Entscheidungen zu neuen Standorten für die
Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Leipzig inklusive aller mit ihrer
Inbetriebnahme notwendigen Entscheidungen der Oberbürgermeister kraft Gesetz trifft.
Beschlusspunkt 4, Satz 1 des RBV-1293/12 vom 18.07.2012 ist insofern obsolet.
2. Der Fachausschuss Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule und der Migrantenbeirat werden
fortlaufend, der Stadtrat im wichtigen Einzelfall, über die Entscheidungsfindung in Kenntnis gesetzt.
Prüfung der Übereinstimmung mit den strategischen Zielen:
nicht relevant
1.
Einleitung
Nach der bundesgesetzlichen Regelung des § 53 des Asylverfahrensgesetzes und den
hierzu ergangenen landesrechtlichen Vorschriften des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes ist die Stadt Leipzig verpflichtet, Asylbewerber/-innen aufzunehmen und ausreichende Kapazitäten für ihre Unterbringung vorzuhalten.
"Ausreichend" sind Kapazitäten dann, wenn mit ihrer Hilfe eine stetige Aufgabenerfüllung
gesichert ist, d.h., wenn jedem der Stadt Leipzig zugewiesenen Flüchtling zum Zeitpunkt
seines Eintreffens ein Unterbringungsplatz zur Verfügung gestellt werden kann. Die Anzahl
der unterzubringenden Flüchtlinge ist dabei unbeachtlich: ihre Verteilung auf die bundesdeutschen Gebietskörperschaften erfolgt anhand einer relativen Quote (Königsteiner
Schlüssel). In Abhängigkeit von der Gesamtzahl der in Deutschland aufzunehmenden
Flüchtlinge unterliegt die absolute Zahl der einer bestimmten Kommune zuzuweisenden
Menschen erheblichen Schwankungen sowohl im Jahresvergleich als auch unterjährig.
Damit korrespondierend unterliegt auch die Anzahl der erforderlichen Unterbringungsplätze diesen Schwankungen. Es verbietet sich insofern, eine konkret benannte Zahl an Unterbringungsplätzen dauerhaft als "ausreichend" zu deklarieren. Die Kommune hat im
Zuge der Aufgabenerfüllung vielmehr Sorge zu tragen, dass das Angebot an Unterbringungsplätzen dem jeweiligen Bedarf entspricht.
Die Stadt Leipzig steht somit – wie alle anderen Landkreise und Kreisfreien Städte auch –
vor der Herausforderung, auf Änderungen bei den Zuweisungszahlen zeitnah mit einer
Anpassung des Kontingents an Unterbringungsplätzen zu reagieren. Dazu ist sie als "Untere Unterbringungsbehörde" (§2 Abs. 1 Nr. 3 des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes) auch verpflichtet. Bei der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen handelt es
sich um eine Pflichtaufgabe nach Weisung gemäß § 2 Abs. 3 der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO), das Weisungsrecht der zuständigen Behörden des Freistaates
Sachsen – Landesdirektion Sachsen und Sächsisches Staatsministeriums des Innern in
ihrer Funktion als Fachaufsicht bzw. Oberste Fachaufsicht – ist uneingeschränkt.
2.
Sachstand
Seit 2009 steigen die Zuweisungszahlen – nicht kontinuierlich, sondern sprunghaft. Im Mittel haben sich die Zahlen jährlich etwa verdoppelt. In der Stadt Leipzig mussten daher die
Unterbringungskapazitäten insbesondere seit 2012 deutlich ausgebaut werden. Dies geschah neben der Ausweitung der dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen in eigenem
Wohnraum vor allem durch die Inbetriebnahme neuer Wohnhäuser. Das Handeln der Verwaltung orientiert sich hierbei an Beschlüssen der Ratsversammlung (Konzept "Wohnen
für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig", RBV-1293/12 vom
18.07.2012 sowie die Fortschreibung des Konzeptes, RBV-1826/13 vom 21.11.2013).
So wurden in den Jahren 2013 und 2014 an den Standorten Eythstraße 17, Georg-Schumann-Straße 121, Georg-Schwarz-Straße 31, Pittlerstraße 5/7 und Markranstädter Straße
16/18 Häuser für gemeinschaftliches Wohnen, die Gemeinschaftsunterkunft Riebeckstraße 63, sowie die Interimsunterkünfte Zschortauer Straße 44 und Riesaer Straße 100 eröffnet.
Obwohl in den genannten Jahren Zuwächse eingeplant wurden, nahm die Zahl der neu
zugewiesenen Flüchtlinge tatsächlich in unvorhersehbarem Maße zu: nach 658 Flüchtlingen im Jahr 2013 kamen im vergangenen Jahr 1.232 Asylsuchende nach Leipzig. Für das
Jahr 2015 geht die Prognose des Freistaates Sachsen gar von ca. 3.000 Menschen aus.
1 von 4
Bisheriges Verfahren zur Einrichtung eines neuen Standortes
Verwaltungsintern erfolgt nach der Benennung eines möglichen Standortes zunächst eine
erste Prüfung durch das Sozialamt. Entspricht im Ergebnis das Objekt hinsichtlich Größe,
Lage und Zuschnitt den kommunalen Standards, werden in der Folge weitere Fachbereiche der Verwaltung (Stadtplanungsamt, Amt für Bauordnung und Denkmalpflege, Amt für
Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung, Ordnungsamt, Liegenschaftsamt) sowie
die Polizeidirektion Leipzig beteiligt. Ziel ist dabei, einen möglichst umfassenden Blick auf
den konkreten Standort zu bekommen, der die jeweiligen fachlichen Aspekte beinhaltet
und berücksichtigt. Soweit sich daraus keine den Standort verhindernden Gesichtspunkte
ergeben, wird eine Vorlage erstellt, die nach dem vorgesehenen Mitzeichnungsverfahren
ihre Bestätigung in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters findet.
Dem schließt sich die Behandlung des Standortes in den Gremien des Stadtrates an. An
der Vorberatung beteiligen sich die Fachausschüsse für Jugend, Soziales, Gesundheit
und Schule, für Umwelt und Ordnung, für Stadtentwicklung und Bau sowie für Finanzen.
Im Anschluss daran erfolgt im Grundstücksverkehrsausschuss eine Entscheidung zum Abschluss des Mietvertrages.
Da die angebotenen Häuser in der Regel nicht in einem Zustand sind, der eine sofortige
Nutzung zuließe, müssen sie baulich hergerichtet werden. Die erforderlichen finanziellen
Mittel bringt zunächst der Eigentümer/Investor auf. Er tut dies aber erst, wenn der Standort bestätigt und der Mietvertrag abgeschlossen ist, mithin nach dem entsprechenden
Ratsbeschluss bzw. nach Bestätigung des Mietvertrages durch den Grundstücksverkehrsausschuss. In einzelnen Fällen erhielten die Eigentümer ihr Angebot nicht über diesen
Zeitraum aufrecht.
Künftiges Verfahren
Um Standorte künftig schneller binden zu können, erfolgt ihre abschließende Bestätigung
inklusive der Bestätigung abzuschließender Mietverträge in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters. Die jeweils erforderlichen Betreibungs-/Bewirtschaftungsleistungen, Leistungen der sozialen Betreuung sowie gegebenenfalls Bewachungsleistungen werden in
der Regel durch Dritte erbracht. Das Hauptamt wird ermächtigt, die erforderlichen Vergabeverfahren jeweils nach der Standortbestätigung einzuleiten. Die Basis für die Standortentscheidungen bildet das vorstehend beschriebene verwaltungsinterne Verfahren. Dieses wird insofern erweitert, als die potentiellen neuen Standorte auch im Fachausschuss
für Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule vorgestellt werden. Die Empfehlung des
Fachausschusses kann somit bereits in die der Dienstberatung des Oberbürgermeisters
vorzulegende Vorlage einfließen. Den Mitgliedern des Ausschusses wird zudem regelmäßig die Möglichkeit gegeben, die Objekte vor ihrer Bestätigung durch die Dienstberatung
des Oberbürgermeisters in Augenschein zu nehmen, Gleiches gilt für die Mitglieder des
Migrantenbeirates. Die Information der Öffentlichkeit erfolgt wie bisher nach der Standortentscheidung in den Sitzungen des jeweils zuständigen Ortschafts- oder Stadtbezirksbeirates und bei Bedarf im Rahmen von Informationsveranstaltungen des Sozialamtes.
2 von 4
3.
Rechtmäßigkeit des Verfahrens
Angesichts der enorm steigenden Zuweisungszahlen, dem parallel wachsenden Bedarf an
Unterbringungskapazitäten sowie im Hinblick auf die infolge der unterjährigen Erhöhung
der Zuweisungsprognosen kürzer werdenden Vorlaufzeiten ist eine zeitliche Reduzierung
des Verfahrens zur Standortbestätigung dringend geboten.
Ein solches Vorgehen ist auch rechtssicher. Wie bereits ausgeführt, werden die Aufgaben
der unteren Unterbringungsbehörden gemäß § 2 Absatz 3 des Gesetzes zur Aufnahme
und Unterbringung von Flüchtlingen im Freistaat Sachsen als Pflichtaufgaben nach Weisung übertragen. Es handelt sich somit um eine Weisungsaufgabe im Sinne des § 2 Absatz 3 SächsGemO, das Weisungsrecht ist unbeschränkt. Derartige Weisungsaufgaben
erledigt der Oberbürgermeister nach § 53 Absatz 3 Satz 1 SächsGemO in eigener Zuständigkeit. Soweit innerhalb der Weisungsaufgabe ein Ermessensspielraum insbesondere in
der Art und Weise der Durchführung der Aufgabe besteht, ist auch für dessen Umsetzung
allein der Oberbürgermeister zuständig (vgl. Quecke/Schmidt, § 53 RdNr. 76 ff).
Hintergrund ist, dass bei einer Weisungsaufgabe die Kommune lediglich ausführendes Organ ist, wobei die weisungsberechtigte Behörde, hier der Freistaat Sachsen, die Kommune zu einzelnen Anweisungen zwingen kann. Es besteht damit ein Über- / Unterordnungsverhältnis. Um diesem Charakter Rechnung zu tragen, besteht eine eigene Zuständigkeit
des Stadtrates nicht. Insbesondere die gesamten für die Erfüllung der Aufgaben notwendigen Entscheidungen und Vertragsabschlüsse obliegen allein dem Oberbürgermeister.
Auch die scheinbar entgegenstehenden Regelungen der Hauptsatzung der Stadt Leipzig
ändern daran nichts. Die Hauptsatzung ist niederrangiges Recht, Landesrecht und insbesondere die Vorschriften der Gemeindeordnung sind bei der Anwendung der Hauptsatzung zu beachten und dieser gegenüber vorrangig. Dies gilt etwa hinsichtlich der Zuständigkeiten der Ratsversammlung gemäß § 6 der Hauptsatzung, soweit dort auf die gesetzlichen Vorschriften des § 28 SächsGemO verwiesen wird, aber auch hinsichtlich des § 19
Abs. 1 der Hauptsatzung, der dem Oberbürgermeister die ihm nach § 53 SächsGemO
übertragenen Aufgaben zuweist.
So widerspricht etwa die in § 11 Abs. 6 der Hauptsatzung festgelegte Zuständigkeit des
Grundstücksverkehrsausschusses für sämtliche Miet- und Pachtverträge mit einem Wert
von über 50 T€ jährlich dem Vorstehenden bei gesetzeskonformer Auslegung nicht. Insofern kann der Grundstücksverkehrsausschuss nicht über Dinge entscheiden, für die der
Oberbürgermeister nach § 53 SächsGemO eine ausschließliche Zuständigkeit hat. Dies
gilt im Übrigen auch mit Blick auf den Zuständigkeitskatalog der Ratsversammlung gemäß
§ 6 der Hauptsatzung. Auch hier gehen die Regelungen des § 53 SächGemO (und des §
19 der Hauptsatzung) vor.
Gleichwohl hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass angesichts der Thematik ein möglichst breiter Konsens zwischen Verwaltung und Kommunalpolitik zielführend ist. Die Einbeziehung der Fraktionen des Stadtrates in Form der unter 3. beschriebenen Beteiligung
des Fachausschusses für Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule soll daher trotz der
eindeutigen gesetzlichen Aufgabenzuweisung an den Oberbürgermeister beibehalten werden.
Unabhängig davon wird der Stadtrat regelmäßig über Entscheidungen des Oberbürgermeisters zur Thematik informiert.
3 von 4
4.
Folgen bei Nichtbeschluss
Wird der Beschluss nicht gefasst, kann die Verwaltung die ihr per Weisung übertragene
Aufgabe nicht oder nur teilweise erfüllen, d.h. Unterbringungsplätze für Flüchtlinge können
nicht oder in nicht ausreichender Zahl bereitgestellt werden. Damit geht eine Gefahr für
die öffentliche Sicherheit und Ordnung einher, da Flüchtlinge der Stadt auch dann zugewiesen werden, wenn ihre unmittelbare Unterbringung nicht gesichert ist.
4 von 4