Daten
Kommune
Krefeld
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Erstellt
16.07.18, 14:02
Aktualisiert
25.01.19, 02:42
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Vorlage des Oberbürgermeisters der Stadt Krefeld
öffentlich
Datum 14.12.2015
Nr.
2189 /15
Anlage-Nr.
FB/Geschäftszeichen: - 61 Beratungsfolge:
Sitzungstermin:
Ausschuss für Stadtplanung und Stadtsanierung
17.02.2016
Bezirksvertretung West
24.02.2016
Haupt- und Beschwerdeausschuss
25.02.2016
Rat
25.02.2016
Betreff
Satzung der Stadt Krefeld zur Erhaltung baulicher Anlagen sowie zur Erhaltung der Eigenart des Gebietes
im Bereich Von-Steuben-Straße, Tenderingstraße, Westparkstraße und Neuer Weg (Erhaltungssatzung
„Belgisches Viertel“)
Beschlussentwurf:
Die Bezirksvertretung Krefeld-West, der Ausschuss für Stadtplanung und Stadtsanierung und der
Haupt- und Beschwerdeausschuss empfehlen, der Rat beschließt:
Aufgrund der §§ 7 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit 41 Abs. 1 Buchstabe f) der Gemeindeordnung
für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.07.1994 (GV NW
S. 666) in der derzeit gültigen Fassung sowie gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 1 des Baugesetzbuches
(BauGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.09.2004 (BGBI. 1 S. 2414) in der derzeit
gültigen Fassung beschließt der Rat der Stadt Krefeld die als Anlage beigefügte Satzung der Stadt
Krefeld zur Erhaltung baulicher Anlagen sowie zur Erhaltung der Eigenart des Gebietes im Bereich Von-Steuben-Straße, Tenderingstraße, Westparkstraße und Neuer Weg (Erhaltungssatzung
„Belgisches Viertel“).
Unmittelbare finanzielle Auswirkungen ja
Finanzielle Auswirkungen und Begründung auf den Folgeseiten
X nein
Begründung
Seite 1
Finanzielle Auswirkungen
Vorlage-Nr. 2189 /15
Die unmittelbaren finanziellen Auswirkungen des Beschlusses sind im Haushaltsplan berücksichtigt:
ja
nein X
Innenauftrag:
Kostenart:
PSP-Element:
Nach Durchführung der Maßnahme ergeben sich keine Auswirkungen auf die Haushaltswirtschaft:
Personalkosten
Sachkosten
Kapitalkosten
(Abschreibungen oder Zinsen)
Kosten insgesamt
abzüglich
0,00 EUR
- Erträge
- Einsparungen
0,00 EUR
Bemerkungen
Begründung
Seite 2
Das sogenannte „Belgische Viertel“ im Bereich Von-Steuben-Straße, Tenderingstraße, Westparkstraße und Neuer Weg entstand Mitte der 20er- Jahre des vorigen Jahrhunderts in Folge der
Auswirkungen des 1. Weltkrieges.
Das Rheinland wurde von den Alliierten besetzt, Krefeld lag dabei in der belgischen Zone. Ab
Dezember 1919 wurden belgische Truppen stationiert, wobei die Mannschaften zunächst in
Schulen untergebracht wurden, während die Offiziere „Bürgerquartiere“ in Anspruch nahmen. In
den besetzten Gebieten verschärfte sich die ohnehin schon große Wohnungsnot durch die Anforderungen, die von der Besatzung hinsichtlich der Unterbringung gestellt wurden. In Krefeld
mussten etwa 500 neue Wohnungen für die Besatzung und ihre Angehörigen zur Verfügung gestellt werden.
Die Kosten und den Bau der Wohnungen übernahm das Deutsche Reich (Reichsvermögens-amt).
Von Oktober 1919 bis Februar 1927 entstanden in Krefeld sogenannte „Reichsneubauten für die
fremdländische Besatzung“. Die Planung und Bauleitung der Wohnhäuser wurden Krefelder Architekten übertragen. Einige dieser Reichsneubauten bestimmen noch heute das Straßenbild der
Stadt, so z.B. die für belgische Offiziere ab 1921 errichteten Wohnhäuser „Am Hohen Haus“.
Die Siedlung im Bereich Von-Steuben-Straße, Tenderingstraße, Westparkstraße und Neuer Weg
entstand unter maßgeblicher Beteiligung des bekannten Architekten Franz Lorscheidt (* 1887
Bonn, † 1962 Krefeld). Vermutlich wurden die Gebäude an der Westparkstraße 1924 errichtet,
die Gebäude an der Von-Steuben- und Tenderingstraße 1926 bezogen (exakte Daten liegen nicht
vor, da das Krefelder Bauaktenarchiv im 2. Weltkrieg vollständig zerstört wurde).
Da die größte belgische Garnison schon Ende Januar 1926 geräumt wurde ist es wahrscheinlich,
dass zumindest die Gebäude an der Von-Steuben- und Tenderingstraße nicht mehr von belgischen Truppenangehörigen bezogen wurden.
Der Architekturführer Krefeld (Hans-Peter Schwanke, 1996) schreibt zu den „Wohnbauten für
Offiziersfamilien der belgischen Besatzung“ (Von-Steuben-Straße 14 bis 34, Tenderingstraße 2, 4,
7, 9, 11 und Neuer Weg 80, 82, 84, 86):
„Die am ehemaligen nordwestlichen Stadtrand gelegene Gruppe in nahezu geschlossener Straßenrandbebauung besteht aus zweistöckigen Zwei- bis Vierfamilienhäusern. In ihrer überwiegend neoklassizistischen Gestaltung stellen sie ein Außenseiterprojekt im Krefelder Siedlungsbau
dar. Verbindendes Element ist die bestechende Klarheit der traufständigen, weiß gefassten
Putzbauten mit ihrer teils engen achsialen Gliederung. Zusammen mit den vormals kleinteiligen
Sprossenunterteilungen und Klappläden ergab sich ein repräsentatives, Ordnung und Strenge
assoziierendes Bild. Hausübergreifende Trauf- und Fensterbank- sowie Stockwerksgesimse, teilweise Fugenquaderung im Erdgeschoss sowie lange, mit Läden versehene Fensterreihen unterstützten die Horizontale und verlängerten so die Reihen optisch. Besonders akzentuierte der
Architekt die spitz- und weitwinklige aufeinander stoßenden Zeilenecken. Ein hoher, einst übergiebelter Risalit und ein ovaler Vorbau mit geriffelten Fensterpfosten beherrschten die Ecke zur
Tenderingstraße. Vor allem die zylindrische Eckgestaltung im Bogen der Von-Steuben-Straße fällt
ins Auge, dessen Hauseingang von ionischen Säulen und einer Attikazone umrahmt ist. Eng stehende Konsolen von Fenstertüren, Palmettenfriese in Türumrahmungen, Fensterumrahmungen
und –verdachungen oder Fenstergiebel deuten ebenfalls an, dass die Fassaden stilistisch aus
tradierten klassizistischen Vorbildern entwickelt sind, deren Elemente allerdings nur in Form von
Zitaten losgelöst von einer Ordnung angebracht sind. Daneben sind andere Stile angedeutet:
Ovale Formen stehen für das Art Deco, kristalline Formen oder Diamantquader sowie strahlig
geteilte Fenster für den Expressionismus.“
Während die Gebäude an der Westparkstraße zwischen den Einmündungen Neuer Weg und
Von-Steuben-Straße direkt am Bürgersteig stehen, weisen die übrigen Bauten begrünte Vorgärten mit einer Tiefe von 3 bis 7 Metern auf, die oftmals von niedrigen Zierhecken eingefasst werden.
Begründung
Seite 3
Die stadtgestalterische Qualität dieser historischen Siedlung zwischen der Krefelder Innenstadt
und der um 1904-1906 im westlichen Teil der Westparkstraße errichteten Husarenkaserne mit
ihrer herausragenden Architektur aus der Zwischenphase zwischen Historismus und Moderne ist
offensichtlich.
Obwohl die Baumaßnahme vom deutschen Reich initiiert und bezahlt wurde, griff man auf die
regionale Bautradition zurück und entwarf für die Stadt Krefeld exemplarische Architektur für
besser gestellte Kreise mit großzügigen Grundrissen, die dennoch flächensparend als Reihenhäuser und Mehrfamiliendoppelhäuser ausgeführt wurden. Die Architektur zeigt bereits erste deutliche Merkmale des Übergangs vom Historismus zur Moderne. Die strenge Gliederung der Fassaden ist noch der alten Tradition verhaftet, die Bauteile sind jedoch bereits in ihrer Ausladung und
im Grad der Ausschmückung reduziert. Stuck ist nicht mehr floral sondern bereits graphisch motiviert, Schlagleisten von Fenstern nicht mehr dem antiken Pfeiler entlehnt, sondern es sind vereinfachte Formen gewählt, die die Proportion in den Vordergrund stellen und stützen, Brüstungsfelder werden zum Teil nur noch angedeutet, bleiben aber gänzlich ohne Schmuckwerk,
Brüstungsgeländer werden aufwändig dekorativ geformt, aber vorher übliche zusätzliche Verleistungen und Tiefengliederungen weggelassen.
Die heute vorhandenen Gebäude sind teilweise bereits überformt, andere hingegen bestens erhalten bzw. renoviert. Derzeit bereits in die Denkmalliste der Stadt Krefeld eingetragen sind die
Gebäude Westparkstr. 61, 63 und 65; bei den Gebäuden Tenderingstr. 2–5, Von-Steuben-Str. 9–
27 (ungerade Nummern) und 20a, 22, 24, 30, 32 und 34, Neuer Weg 80 sowie Westparkstr. 51,
53, 55, 57 und 59 könnte es sich nach einer ersten Einschätzung der Unteren Denkmalbehörde
der Stadt Krefeld um potentielle Denkmäler handeln. Als erhaltenswert werden von dort zudem
die Gebäude Tenderingstr. 7, 9, 11, Von-Steuben-Str. 14, 16, 18,20, 26,28 und 29–33 (ungerade
Nummern), Neuer Weg 82, 84, 86 und 107–111 sowie Westparkstr. 45, 47, 49, 81 und 83 angesehen.
Das sogenannte „Belgische Viertel“ weist auch in Verbindung mit den Vorgartenzonen Qualitäten auf, die es in ihrer Grundstruktur zu erhalten gilt.
Um der als Fehlentwicklung erkannten Veränderung von Fassaden, Dächern und Vorgärten entgegenzutreten, um das noch vorhandene Erscheinungsbild der Siedlung zu wahren und die historischen Bauten aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts zu erhalten, sind Satzungsbestimmungen auf der Grundlage des § 172 des Baugesetzbuches (BauGB) erforderlich.
Der derzeitige Zustand der Gebäude und der Vorgartenzone wird durch Fotos dokumentiert, die
vom Fachbereich Stadtplanung verwahrt werden.
Die Erhaltungssatzung ist wie folgt aufgebaut:
Der in § 1 der Satzung festgelegte Geltungsbereich (siehe Karte, Anlage zur Satzung) umfasst den
Bereich der historischen, in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der
belgischen Besatzung bebauten Grundstücke.
Hierbei handelt es sich um einen städtebaulich einheitlich konzipierten Bereich.
Gemäß § 2 ist es das Ziel der Satzung, die städtebauliche Eigenart des Gebietes auf Grund seiner
städtebaulichen Gestalt zu erhalten.
§ 3 der Satzung formuliert – entsprechend den Vorgaben des § 172 BauGB – welche Baumaßnahmen der Genehmigung bedürfen und die möglichen Gründe für eine Versagung der Genehmigung.
Die ersten beiden Absätze des § 4 regeln das Genehmigungsverfahren, welches aus Gründen der
Bürgerfreundlichkeit bei der Bauaufsicht angesiedelt wird. Weiter entsprechend den Vorgaben
des § 173 BauGB weist Absatz 3 auf den möglichen Übernahmeanspruch von Eigentümern hin,
Begründung
Seite 4
Absatz 4 auf die Erörterungspflicht der Stadt Krefeld vor der Entscheidung über den Genehmigungsantrag.
§ 5 der Satzung verweist auf die Bußgeldvorschriften des § 213 BauGB.
§ 6 stellt klar, dass bei einem beantragten Vorhaben andere neben der Satzung anzuwendende
Rechtsvorschriften unberührt bleiben. Hierzu zählen auch der Fluchtlinienplan Nr. 151 und der
Bebauungsplan Nr. 424/1, die bereits planungsrechtlich u.a. die Bebaubarkeit von Vorgartenflächen mit Nebenanlagen, Garagen und Stellplätzen ausschließen.
Im abschließenden § 7 der Satzung ist das Inkrafttreten der Satzung geregelt.
Das Satzungsgebiet liegt nicht innerhalb des Geltungsbereiches des Landschaftsplanes der Stadt
Krefeld. Negative Umweltauswirkungen sind durch diese Satzung ebenfalls nicht zu erwarten.
Die Satzung der Stadt Krefeld zur Erhaltung baulicher Anlagen sowie zur Erhaltung der Eigenart
des Gebietes im Bereich Von-Steuben-Straße, Tenderingstraße, Westparkstraße und Neuer Weg
(Erhaltungssatzung „Belgisches Viertel“) ist dieser Vorlage als Anlage beigefügt.
Der Geltungsbereich der Erhaltungssatzung „Belgisches Viertel“ ist in unten stehendem Kartenausschnitt dargestellt.