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Verwaltungsvorlage (positionspapier_kulturpolitik_als_stadtpolitik_sept_2015 (1).pdf)

Daten

Kommune
Krefeld
Größe
124 kB
Erstellt
16.07.18, 14:02
Aktualisiert
25.01.19, 04:58

Inhalt der Datei

Kulturpolitik als Stadtpolitik Positionspapier des Deutschen Städtetages -2- Inhaltsverzeichnis Präambel .................................................................................................................................... 3 1. Kulturpolitik ist gestaltende Entwicklung der Stadt ................................................................ 5 1.1 Baukultur und Stadtbild ................................................................................................... 5 1.2 Kultur in der Innenstadt, im Stadtteil, Quartiersentwicklung ........................................... 6 1.3 Wirtschaft und Kultur vor Ort .......................................................................................... 6 1.4 Empfehlungen und Hinweise für die Stadtpolitik und Verwaltung ................................... 7 2. Kulturelle Bildung als Teil ganzheitlicher Bildung ist ein strategisches Handlungsfeld ......... 7 2.1 Bildung und Kultur – zwei Seiten derselben Medaille ..................................................... 8 2.2 Kulturelle Bildung - integraler Bestandteil kommunaler Bildungslandschaften ............... 8 2.3. Kulturelle Bildung interkulturell ausrichten ...................................................................... 9 2.4 Empfehlungen und Hinweise für die Stadtpolitik und Verwaltung ................................... 9 3. Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik ...................................................................................... 10 3.1 Kulturelle Vielfalt in der Stadtgesellschaft ..................................................................... 11 3.2 Erweiterung des Kulturbegriffs ...................................................................................... 11 3.3 Die Künstlerschaft als Adressat und Akteurin von Kulturpolitik ..................................... 12 3.4 Partizipation der Bürgerschaft im Kulturbereich ........................................................... 12 3.5 Empfehlungen und Hinweise für die Stadtpolitik und Verwaltung ................................. 13 4. Das kulturelle Erbe ist Gedächtnis und Ressource der Stadtgesellschaft ........................... 14 4.1 Kulturelles Erbe in der interkulturellen Stadtgesellschaft.............................................. 14 4.2 Spannungsverhältnis von Besucherorientierung versus erhaltende, konservatorische Maßnahmen.................................................................................................................. 15 4.3 Geschichte immer wieder neu schreiben ...................................................................... 15 4.4 Empfehlungen und Hinweise für die Stadtpolitik und Verwaltung ................................. 15 Beschluss des Präsidiums des Deutschen Städtetages zum vorliegenden Positionspapier ... 16 -3- Präambel Gesellschaftliche Veränderungen führen zum Überdenken der traditionellen kulturpolitischen Begründungsmuster und Strategien: Migration bewirkt eine Vielfalt und Interkulturalität der Stadtgesellschaft, die sowohl nach politischen wie auch administrativen Antworten verlangt, insgesamt aber als Entwicklungschance verstanden wird. Die Digitalisierung erstreckt sich zunehmend auf alle Lebensbereiche. Sie ermöglicht neue Qualitäten der Kommunikation, in sozialen Netzwerken, in der Kunstproduktion, in professionellen Informationssystemen und im Rundfunk sowie in der Wirtschaft. Die „Digitalisierung der Gesellschaft“ muss auch von der Kulturpolitik als Fakt begriffen werden und bei der Weiterentwicklung der kommunalen Kultur - inhaltlich wie organisatorisch -Berücksichtigung finden. Die zunehmend festzustellende „Ökonomisierung“ der Gesellschaft ist für die Kultur ambivalent, weil die Frage gestellt wird, inwieweit Kultur noch als öffentliches Gut zu betrachten ist, mit dem kulturelle Angebote für alle bereitzuhalten sind oder sie stärker als bisher den neuen ökonomischen Regeln der nationalen oder internationalen Märkte überlassen bleiben soll, einschließlich direkter betriebswirtschaftlicher Verwertbarkeit. Die Frage, welche Kultur die Stadt und die Stadtgesellschaft langfristig zum Wohle aller braucht, ist politisch zu klären. Die allgemeinen Finanzierungsprobleme von öffentlichen Aufgaben bewirken eine programmatische Verunsicherung im Kulturbereich. Diese versetzt viele Städte in eine Position der strukturellen kulturellen Schwäche. Kulturpolitik droht in eine Falle zu geraten: Indem sie sich angesichts der finanziellen Restriktionen vorrangig auf den Erhalt kultureller Infrastruktur konzentriert, drohen die wichtigsten Aufgaben aus dem Blick zu geraten, nämlich die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen zu begleiten, die kulturelle Entwicklung der Stadt strategisch zu betreiben und die jeweils besondere, sich aber ständig wandelnde Identität der Stadt und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner zu stärken. Politische Entscheidungen zur kulturellen Infrastruktur sind verantwortungsvolle Aufgaben für die Städte, weil sie das Lebensumfeld aller Bürgerinnen und Bürger betreffen und im Wettbewerb der Städte um Fachkräfte und Unternehmen eine hohe Bedeutung als Standortfaktor gewinnen. Kommunale Kulturförderung gestaltet die kulturelle Infrastruktur in der Stadt. Sie ist und bleibt eine Angelegenheit der kommunalen Daseinsvorsorge, deren Gestaltungsfreiheit keinen nationalen oder internationalen Beschränkungen unterworfen werden darf. Bund und Länder können hier unterstützend wirken. Die Kulturressorts und die zuständigen kulturpolitischen Gremien in den Räten sind auf städtischer Seite nicht allein für die Kultur verantwortlich - Kultur in der Stadt als solche betrifft nahezu alle Ressorts. -4- Kultur in der Stadt und die Gestaltung der kulturellen Infrastruktur sind keine ausschließliche Aufgabe des Staates und der Städte und Gemeinden, denn sowohl zivilgesellschaftliche Strukturen als auch die Kulturwirtschaft selber leisten dazu einen wichtigen Beitrag. Kultur in der Stadt ist somit mehr als Kultur von der Stadt. Die Künstlerinnen und Künstler prägen die Kunst und Kultur in der Stadt entscheidend. Daher gilt es, deren sich verschlechternde wirtschaftliche Situation in den Blick zu nehmen und angemessenere Arbeits- und Lebensmöglichkeiten zu schaffen. Alleinstellungsmerkmale der Städte lassen sich mit topografischen Besonderheiten, vor allem aber mit Hilfe von kulturellen sowie historischen Eigenschaften und Profilen mittel- und langfristig verwirklichen. Es gilt, Qualitäten der aktuellen und überlieferten Kunst und Kultur in der Stadt zu erkennen, zu entwickeln und zu nutzen. Eine Politik für Kunst und Kultur in der Stadt darf sich insgesamt nicht nur auf die Bewahrung und Sicherung bestehender kultureller Infrastruktur beschränken. Notwendig ist vielmehr eine Neupositionierung von Räten und Verwaltungen innerhalb der städtischen Gesamtentwicklung, denn: Kulturpolitik ist Stadtpolitik. -5- Kulturpolitik als Stadtpolitik Positionspapier des Deutschen Städtetages beschlossen vom Präsidium am 22.09.2015 in Neuss 1. Kulturpolitik ist gestaltende Entwicklung der Stadt Die Entwicklung der Städte ist einem Prozess unterworfen, der einerseits gesteuert wird, andererseits aber von externen Einflüssen erheblich bestimmt ist. Das Leitbild der nachhaltigen Europäischen Stadt im Sinne der Leipzig Charta ist eine geplant im historisch(bau)kulturellen Kontext sozial- und nutzungsgemischte Stadt. Sie strebt wirtschaftliche Prosperität und qualitativ hochwertige öffentliche Frei- und Lebensräume für die gesamte Bevölkerung an. Die Stadtpolitik gestaltet die Entwicklung und hat dabei die umfassende langfristige Aufgabe, das Wohlbefinden und die Chancengerechtigkeit von unterschiedlichen Alters- und Sozialgruppen der Stadtgesellschaft zu wahren. Kommunale Kulturpolitik ist dabei ein zentrales Aufgabenfeld, indem sie einen wesentlichen Beitrag zum gesellschaftlichen Klima in der Stadt leistet. Stadt heißt auch permanenter Wandel, heißt Bewegung und Veränderung. Kunst und Kultur sind dabei mehr als ökonomische Aufwerter sich verändernder urbaner Räume. Zugleich ist Stadt kein Ort von Homogenität sondern von Diversität. Die Synergien zwischen Kultur und Stadtentwicklung können entscheidend dafür genutzt werden, den urbanen Lebensraum als pluralen Lebensraum auszuloten, das heißt Austausch, Kommunikation, Verständigung und Annäherung zwischen unterschiedlichen, auch sich widersprechenden Lebensweisen und Kulturen zu fördern. Kulturpolitik, Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik und Stadtentwicklungspolitik müssen gemeinsam Freiräume schaffen, die Platz lassen für Diskurs, für Begegnung, für Gemeinsamkeit – durchaus auch für konfrontative Auseinandersetzungen –, für freie Entwicklung und Experiment. Dies wird aufgrund steigender Nutzungsinteressen, insbesondere in wirtschaftlich prosperierenden Regionen, zunehmend schwieriger. Künstlerisch-kreative Impulse bewirken bei der Bürgerschaft, der Verwaltung und auch der Privatwirtschaft größere Sensibilität im Umgang miteinander, besonders in Konfliktfällen. 1.1 Baukultur und Stadtbild Der Architektur und der Kunst im öffentlichen Raum kommen eine besondere Bedeutung zu, weil diese die öffentlichsten aller Künste sind. Kunst im öffentlichen Raum und am Bau bedarf festzulegender Ressourcen und Kompetenz im Umgang damit. Kunstkommissionen erweisen sich für die Ratsentscheidungen als hilfreich. Auch das Erscheinungsbild der Städte ist einem ständigen Wandel unterworfen. Der ökonomische Entwicklungsdruck auf die Innenstädte darf nicht zur Bildung von „pseudo-öffentlichen Räumen“ (z.B. Shopping-Malls) führen, die zwar den Anschein von Öffentlichkeit erwecken aber bestimmte Nutzungen und Personengruppen ausschließen. Gute Architektur und innovative Neubauten bereichern die Innenstädte, entwickeln sie positiv fort und machen sie für verschiedene Nutzungen attraktiv. Sie schaffen für den Bauherrn gleichzeitig Nutzungsflächen und Anerkennung für städtebaulich gelungene nachhaltige Lösungen. Öffentliche Räume mit maßstabsprengenden, nicht angepassten Neubauten bei gegebenenfalls damit einhergehender Vernichtung von erhaltenswerten Stadtstrukturen zuzulassen, bedeuten einen Verlust an Identität der Stadt und an ihrer z. T. über Jahrhunderte gewachsener Unverwechselbarkeit. Dem ist entgegenzutreten. Ziel ist es, einen Ausgleich zwischen den konkurrierenden Nutzungsinteressen und multifunktionale, resiliente Lösungen mit hoher Aufenthaltsqualität für eine möglichst flexible Nutzung zu schaffen. Es geht darum, die Städte zukunftsfähig, attraktiv und lebenswert, sie „wohnlicher“ zu machen. Der Bürgerschaft sollte ein unverwechselbares Stadtbild und der öffentliche Raum -6dort zurückzugeben werden, wo sie durch übermäßige betriebswirtschaftliche Nutzung („Verbetriebswirtschaftlichung“) verloren gegangen sind. Im Sinne einer qualitativ anspruchsvollen Planungs- und Baukultur sowie der Stadtbildpflege kann auch durch Unterlassung und Vermeidung bestimmter visuell wirksamer baulichen Entwicklungen (z.B. Werbeanlagen) ein wichtiger Beitrag geleistet werden. Hierzu bedarf es erweiterter Steuerungs- und Handlungsoptionen für die Städte. Dazu sollten die aktuellen planungs- und bodenrechtlichen Instrumente überprüft werden. 1.2 Kultur in der Innenstadt, im Stadtteil, Quartiersentwicklung Die Kerne der heutigen Innenstädte sind die konstituierenden Elemente des Grundtypus der Europäischen Stadt. Die von ihrem Kern her bestimmte Europäische Stadt war bis heute wegen ihrer charakteristischen und gleichzeitig individuellen Struktur bestandsfähig. Partielle Fehlentwicklungen im Strukturwandel der Wirtschaft, die räumliche und soziale Segregation, Gentrifizierung und immer stärker spürbare funktionale Auflösungen bedrohen jedoch die Innenstädte wie auch die Stadtquartiere. Es ist daher notwendig, die konkurrierenden Nutzungsansprüche wahrzunehmen und in begründeten Einzelfällen zur Durchsetzung von Gesamtkonzepten steuernd einzugreifen. Wenn der öffentliche Raum kaum mehr Platz lässt für Begegnung und Kommunikation innerhalb und zwischen den Milieus, ohne das ein gastronomisches Angebot wahrgenommen werden muss, oder wenn Plätze andererseits veröden, weil nur noch die städtebauliche Bezeichnung an den Platzcharakter erinnert, ist eine aktive - auch politische - Steuerung der Stadt erforderlich. Denn die virtuelle Kommunikation in der digitalisierten Welt kann die reale nur ergänzen. Die Strukturen und Bauten im Innern der Städte wie Theater, Museen, Multiplexkinos und Orte für populäre Musik bis hin zu Stadtteilkulturzentren als Begegnungsstätten sind ein Attraktivitätskapital, von dem alle anderen zentralen Funktionen, vor allem der Einzelhandel, die Dienstleistungen und die Tourismusbranche einschließlich Gastronomie jeder Stadt profitieren, wenn sie die richtigen Standorte haben. Temporäre Kunst im öffentlichen Raum kann zudem einen wichtigen Beitrag leisten. Überplanungsareale können temporär oder dauerhaft als kulturelle Aktionsflächen für die Künste Raum schaffen und sind ein Gestaltungselement von Stadtpolitik. Sie gewinnen dann eine besondere Qualität, wenn sie in einem Mix von Bestand und Neubebauung entwickelt werden, wenn Wohnen, Arbeiten, Dienstleistungen, Nahversorgung- und Erholung, Bildung und Wissen, Kunst und Kultur einander ergänzen und bereichern. 1.3 Wirtschaft und Kultur vor Ort Eine Voraussetzung für künstlerisches Schaffen und Kreativität ist die Freiheit von Zweckbestimmung. Stellt man die Kunst ausschließlich unter Zielsetzungen und Zweckbestimmungen, entzieht man ihr die Grundlage. Kunst- und Kulturpolitik wirken, selbst wenn das nicht ursprünglich intendiert war, aber auch als Wirtschaftspolitik, weil sie zu kultureller Standortqualität führen. Ohne ein positives kulturelles Umfeld wird die Gewinnung gut ausgebildeter Arbeitskräfte und die Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen erschwert. Dieses Feld verlangt nach integrierter Stadtentwicklung unter Beteiligung vieler Akteure. Die Verbindung von Wirtschaft und Kultur vor Ort wird dann besonders deutlich, wenn es sich um Unternehmen der Kulturwirtschaft handelt. Die Kulturwirtschaft profitiert von der kommunalen Kunst- und Kulturförderung, indem sie selbst Aufträge von dort erhält, Infrastrukturhilfen für Kulturwirtschaftsunternehmen in planerischen Prozessen bewusst vorgesehen, Räumlichkeiten und Arbeitsmöglichkeiten für junge Unternehmen geschaffen werden und indem künstlerischästhetische Bildung bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen stattfindet, die die Ausprägung von Kreativität und das Erlernen einschlägiger beruflicher Qualifikation überhaupt erst ermöglichen. Aufgabe von Politik und Verwaltung ist es, Freiräume zu ermöglichen für nicht steuerbares Neues -7und bezahlbaren Arbeitsraum für Künstler vorzuhalten, ebenso für Akteure der Kreativwirtschaft und Startups. Die kulturgeleitete Verbindung von Produktion, Präsentation und Vertrieb kann die Stadt zu einem unverwechselbaren Ort profilieren. Die Boden- und Liegenschaftspolitik in Verbindung mit der Wirtschaftsförderung und zusammen mit der Kulturpolitik, stehen vor schwierigen Abwägungsprozessen, wenn konkurrierende Ansprüche an Flächen sowohl in Innenstädten als auch in den Stadtteilen gestellt werden. Der öffentliche Raum einschließlich der Denkmäler und das Stadtbild inklusive seiner Sichtachsen sind wesentliche Bestandteile der kulturellen Identität einer Stadt und zählen zu den besonders zu schützenden Merkmalen der kulturellen Infrastruktur, die Standortqualität ausmacht. 1.4 Empfehlungen und Hinweise für die Stadtpolitik und Verwaltung Es bedarf einer gesamtstädtischen Strategie zur institutionalisierten, ressortübergreifenden gegenseitigen Zusammenarbeit, insbesondere von Bauverwaltung, Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung sowie Bildung und Kultur. Auf dieser Grundlage sollte die Kulturaufgabe von den jeweils betroffenen Ressorts mitgedacht und unterstützt werden. Politik und Verwaltung müssen mehr Mut zu kulturellen Zwischen-, Um- und Nachnutzungen von öffentlichen Räumen zeigen. Die Kunstszenen und die Kultur gehören an geeignete Standorte und nicht auf Flächen mit dem geringsten Bodenwert. Der „Verbetriebswirtschaftlichung“ öffentlicher Räume ist zugunsten von Räumen der Begegnung und des Austausches sowie der Stadtbildpflege entgegenzuwirken. Nutzungs-, boden- und planungsrechtliche Instrumente in diesem Kontext sollten überprüft werden, um die Steuerungsmöglichkeiten der Stadt zu erhöhen. Produktive Wechselwirkungen zwischen öffentlicher Kulturförderung und der Kulturwirtschaft sollten identifiziert und gefördert werden. Integrierte Stadtentwicklung bedarf des engen Dialoges der Verwaltung mit der Bürgerschaft, Stakeholdern, kulturellen und kreativwirtschaftlichen Akteurinnen bzw. Akteuren und Investoren. Für Kunst am Bau sollte nach Möglichkeit ein prozentual definiertes Budget vorgesehen werden. Unter Einbeziehung der Künstlerschaft sollten Kommissionen für Kunst im öffentlichen Raum eingerichtet werden, die über ein formales Beteiligungsverfahren ein Empfehlungsrecht an die Stadträte besitzen. 2. Kulturelle Bildung als Teil ganzheitlicher Bildung ist ein strategisches Handlungsfeld Bildung ist in den vergangenen Jahren zunehmend zu einem zentralen Handlungsfeld der Städte und Gemeinden in Deutschland geworden. Auch die kulturelle Bildung in den Städten hat neben einer inhaltlichen Ausweitung erheblich an Gewicht gewonnen. Der Wandel des kommunalen Aufgabenverständnisses in der Bildung basiert nicht nur auf der Grundlage traditioneller kommunaler Daseinsvorsorge, sondern vor allem auf der Erkenntnis, dass ein modernes und funktionierendes Bildungswesen sowie entsprechend qualifizierte Bürgerinnen und Bürger von zentraler Bedeutung für die örtliche Struktur- und Wirtschaftsentwicklung sind. Im Wettbewerb der Städte, der durch die demografische Entwicklung verstärkt wird, ist die Bildung zu einem strategischen Handlungsfeld geworden. Die komplexen Problemlagen und Anforderungen an Bildungspolitik und -verwaltung, etwa die Verbesserung der Bildungsteilhabe von bildungsfernen Schichten und Migrantinnen und Migranten oder die Umsetzung der Inklusion an den Schulen können am ehesten auf der lokalen Ebene bewältigt werden. Jede Investition in die Bildung ist nicht nur eine -8Zukunftsinvestition und eine Stärkung individueller und kollektiver Zukunftsfähigkeit, sie vermindert oder vermeidet - in der Regel von den Kommunen zu tragende - soziale Folgekosten und mehr noch gesellschaftliche Segregation und Desintegration mit ihren negativen Folgen. 2.1 Bildung und Kultur – zwei Seiten derselben Medaille Kultur ist unverzichtbarer Bestandteil einer von einem ganzheitlichen Bildungsbegriff ausgehenden, auf die Gesamtpersönlichkeit gerichteten Bildung. Bildung leistet ihrerseits einen wichtigen Beitrag zum Verstehen und Vermitteln von Kunst und Kultur. Sie ist damit wesentliche Voraussetzung dafür, ein vorwiegend rezeptives Kulturverständnis zu überwinden und zu Gunsten einer aktiven kulturellen Teilhabe weiterzuentwickeln. Bildung und Kultur sind in dieser Wechselwirkung zwei Seiten derselben Medaille. Kulturelle Bildung erstreckt sich auf „traditionelle“ Künste wie auch auf aktuelle Medien. Sie ist Teil einer umfassenden Persönlichkeitsentwicklung und von daher konstitutiver Bestandteil im Kanon der Allgemeinbildung. Kulturelle Bildung verfolgt in erster Linie eigene kulturelle und künstlerische Ziele; darüber hinaus kann sie die kognitive Leistungsfähigkeit auch in anderen Bildungsbereichen fördern. Kultur- und bildungspolitisch geht es in Zukunft darum, kulturelle Bildung noch stärker inhaltlich und strukturell in der Bildungsentwicklung vor Ort zu verankern. Für die kommunale Kultur- und Bildungspolitik bedeutet dies, Bildung und Kultur, konkret ihre Institutionen, deren Angebote sowie Akteurinnen und Akteure zu vernetzen. Seit der „Aachener Erklärung“ des Deutschen Städtetages (2007) hat sich der Begriff der „kommunalen Bildungslandschaft“ etabliert. Der Begriff steht für Konzepte, die eine systematische Steuerung und Organisation der Bildung entlang der Bildungsbiografie von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen durch ein kommunales Bildungsmanagement und eine regelmäßige Bildungsberichterstattung als dessen Grundlage vorsehen. Bildung und Kultur in den Städten müssen angesichts ihrer Bedeutung für die kommunale Entwicklung auf Grundlage von spezifisch geeigneten Konzepten breit unterstützt und gefördert werden. Stadtentwicklungspolitik trägt mit ihren raumbezogenen Aufgaben maßgeblich zur Umsetzung solcher Konzepte bei. 2.2 Kulturelle Bildung - integraler Bestandteil kommunaler Bildungslandschaften Bildung ist mehr als kognitives Lernen. Kulturelle Bildung, die kognitives Lernen ergänzt, Kreativität fördert und Integration unterstützt, ist in ein Gesamtkonzept umfassender Bildung zu integrieren. Solche Gesamtkonzepte setzen eine funktionierende Infrastruktur für schulische und außerschulische Maßnahmen der kulturellen Bildung voraus; die Rahmenbedingungen dafür müssen gemeinsam mit den Ländern geschaffen werden. Gesetze der Länder zur kulturellen Bildung, in denen Ziele und Fördermodalitäten verbindlich geregelt werden, können dabei sinnvoll sein. Alle kommunalen Kultur- und Bildungseinrichtungen sollten sich in ihren Programmen darauf ausrichten, verstärkte und auf Dauer angelegte Angebote im Bereich der kulturellen Bildung zu entwickeln. Zu warnen ist allerdings vor einer „Pädagogisierung“ von Kunst und Kultur, denn die Freiräume für künstlerische Kreativität und die „Zweckfreiheit“ von Kunstproduktion müssen erhalten bleiben. Die Balance zwischen Kunst und Kulturpädagogik ist zu beobachten und ständig neu auszutarieren. Bei den Kindertageseinrichtungen haben die Kommunen es bei selbst getragenen Einrichtungen in der Hand, auch dem Bereich der kulturellen Bildung einen gebührenden Stellenwert einzuräumen. Nicht alles muss dabei über eigene Kräfte angeboten werden. So bleiben auch -9die Eltern in der Pflicht, im Rahmen ihrer Möglichkeiten die kulturelle Bildung ihrer Kinder zu fördern. Professionalität und Qualität sollten auch über die Einbeziehung von anderen Trägern kultureller Bildung in die Einrichtungen gebracht werden. Dabei kommt insbesondere kommunalen Einrichtungen wie Musikschulen, Jugendkunstschulen und kulturpädagogischen Einrichtungen, Bibliotheken und Volkshochschulen ein besonderer Stellenwert zu. In den Schulen gehört die kulturelle Bildung insbesondere Musik- und Kunstunterricht zu den klassischen Unterrichtsfächern und damit in den verbindlichen Kanon der Curricula. Auch aufgrund des Fachlehrermangels ist aber die verbindliche Einbeziehung außerschulischer Kräfte wichtig. Im Zuge des Ausbaus von Ganztagsschulen ist die Kooperation von Schulen und Kultureinrichtungen unter Beteiligung der gemeinnützigen Träger an den Ganztagsschulen zu intensivieren. Dazu bedarf es einer leistungsfähigen Organisation sowie der Unterstützung der Länder. Im Hinblick auf ein Engagement des Bundes ist die Aufhebung des sog. Kooperationsverbotes im Grundgesetz notwendig, um künftig eine stärkere Zusammenarbeit aller staatlichen Ebenen in der Bildung insgesamt und damit auch in der kulturellen Bildung zu ermöglichen. Bis zu einer Änderung des Grundgesetzes sollte der Bund zumindest dort weiter tätig sein, wo er dies bereits jetzt ist. Dies gilt insbesondere für die Programme der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, das Engagement der Bundeszentrale für politische Bildung sowie die Förderung der Weiterentwicklung kultureller Bildung durch die Kulturstiftung des Bundes. 2.3. Kulturelle Bildung interkulturell ausrichten Zentrales Ziel der Bildungspolitik ist mehr Bildungsgerechtigkeit. Dabei geht es vor allem darum, die fatale und demokratiepolitisch inakzeptable Koppelung von Herkunft und Bildungsteilhabe aufzubrechen. Kulturelle Bildung und Bildung insgesamt sind eine Schlüsselqualifikation für alle. Im Rahmen dieses Ansatzes müssen künftig Menschen aus bildungsbenachteiligten Schichten mit und ohne Migrationshintergrund verstärkt in den Blick genommen werden. Konzepte der kulturellen Bildung sind interkulturell auszurichten und sollen ohne jegliche Ausgrenzungen darauf zielen, ein möglichst breites, alle Bevölkerungsgruppen umfassendes Publikum für Kunst und Kultur zu interessieren. Ein verbindliches, von der kommunalen Kulturpolitik beschlossenes interkulturelles Handlungskonzept kann dafür eine geeignete Grundlage darstellen. 2.4 Empfehlungen und Hinweise für die Stadtpolitik und Verwaltung Stadtpolitik und Verwaltung sollten Bildung als strategisches Handlungsfeld erkennen und ein kommunales Bildungsmanagement im Sinne einer systematischen Steuerung und Vernetzung der unterschiedlichen Bildungsbereiche – unter Einschluss der kulturellen Bildungentwickeln. Bildungsförderung muss darauf gerichtet sein, die gesellschaftlich inakzeptable Koppelung von Bildungsteilhabe bzw. -erfolg und Herkunft aufzubrechen Verbindliche und kulturpolitisch abgesicherte interkulturelle Handlungskonzepte sind eine geeignete Grundlage für die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Kulturelle Bildung ist Aufgabe und Verpflichtung aller kommunalen Kulturinstitutionen. Die Balance zwischen Kunstfreiheit und Kulturpädagogik ist dabei immer wieder neu auszutarieren. Die Schulen, die Kultureinrichtungen, freie Träger und die Verwaltungen sollten Gesamtkonzepte kultureller Bildung entwickeln. Die Länder werden aufgefordert, eine Öffnung der Schulen zu den außerschulischen Kultureinrichtungen und deren Verknüpfung mit dem Unterricht zu unterstützen. Sie sollten die stärkere Anerkennung außerunterrichtlicher künstlerischer Leistungen ermöglichen, gegebenenfalls auch durch - 10 gesetzliche Regelungen. Bund und Länder sind aufgefordert, ihre kulturellen Bildungsprogramme „kompatibel“ zu gestalten und die bestehende Unübersichtlichkeit bzw. teilweise bestehende Doppelförderungen abzubauen. Hierfür ist eine regelmäßige Abstimmung aller staatlichen Ebenen mit der kommunalen Ebene erforderlich. Im Hinblick auf die Ermöglichung eines stärkeren Engagements des Bundes in der Bildung sollte das Kooperationsverbot (Art. 91a GG) abgeschafft werden. 3. Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik Das wichtigste Fundament einer demokratisch verfassten Gesellschaft sind die Bürgerinnen und Bürger, die diese verantworten und mitgestalten. Dies geschieht durch bürgerschaftliches Engagement innerhalb oder außerhalb politisch-parlamentarischer Strukturen. Die Bereitschaft zur demokratischen Verantwortung und Mitwirkung setzt die Fähigkeit voraus, sich in Auseinandersetzungen urteilsfähig einbringen zu können. Dazu bedarf es neben einer allgemeinen Bildung der Möglichkeit, sich in unterschiedlichen Medien und in informellen Kreisen der Stadtgesellschaft umfassend zu informieren. Kultureinrichtungen sind dabei wichtige Orte der physischen Begegnung, der Information, der Selbsterfahrung, der Kommunikation und des gemeinsamen Gestaltens. Die kognitive Reflexion gesellschaftlicher Zustände verlangt nach einer Ergänzung durch Wahrnehmung von künstlerischen Produktionen im darstellenden, bildenden und literarischen Bereich. Gerade vor dem Hintergrund steigender realer und virtueller Mobilität bedarf es Erfahrungs- und Lebensräume, in denen persönliches Engagement wie gesellschaftliche Einbindung möglich sind zur Orientierung und Vergewisserung. Die kulturellen Werte einer demokratischen Gesellschaft sind heterogen und offen für Veränderungen. In Deutschland legt allein das Grundgesetz verbindliche Werte fest. Die Ausdifferenzierung von Lebensstilen, vor allem in den Städten, ist in den letzten Jahren mit wachsendem Tempo vorangeschritten. Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik hat diese Entwicklung nicht nur zu beobachten, sondern aktiv Beiträge zu leisten, um das friedliche Zusammenleben in der Vielfalt unterschiedlicher sozialer, ethnischer und gesellschaftlicher Gruppen zu unterstützen. Kulturpolitik ist nicht allein verantwortlich und in der Lage, soziale und kommunikative Defizite zu beseitigen. Das Aufbrechen gewohnter und oft überholter Denkmuster ist aber ein „Kerngeschäft“ von Kunst und Kultur. Sie eröffnet den Raum der Möglichkeiten, indem das Unerwartete auftauchen kann und auch das Ungewisse Platz hat. Sie zeigt neben einer als defizitär erlebten Wirklichkeit auch experimentelle Möglichkeiten und fördert Lust und Faszination des Entdeckens. Aus der Einsicht, dass die Gesellschaft anders sein könnte, lassen sich Utopien im Vorfeld des Möglichen entwickeln. Stadtpolitik muss die kulturelle Dimension dieser ökonomischen, ökologischen, sozialen und medialen Transformationsprozesse erkennen und Kunst und Kultur als Bewusstsein bildendes Medium verstehen. Dazu gehört vor allem, Künstlerinnen und Künstler in der Stadt als Adressaten und Akteure von Kulturpolitik wahrzunehmen, denn ohne Künstlerinnen und Künstler in der Stadt kann es auf Dauer keine Künste und damit keine Kultur in der Stadt geben. - 11 - 3.1 Kulturelle Vielfalt in der Stadtgesellschaft Die Durchsetzung der Werteordnung eines demokratischen Staates und die Inklusion in eine Gesellschaft kultureller Vielfalt sind zentrale Herausforderungen für die Politik auf allen Ebenen und damit auch für die Stadtpolitik. Die hohe Mobilität aber auch die lange Tradition, die viele Menschen mit Migrationshintergrund mit ihrer aktuellen Lebensgesellschaft verbinden, machen eine strikte Trennung in ethnische und von kultureller Segregation geprägte Bevölkerungsgruppen obsolet. Aber auch die Vorstellung, dass kulturelle ethnische Vielfalt ein störungsfreies Miteinander bedeutet, ist nicht realistisch. Die Idee einer multikulturellen Gesellschaft auf der einen wie die des assimilierten Ausländers auf der anderen Seite transportieren ebenso die Fiktion eines stets harmonischen Zusammenlebens wie die des friedlichen Miteinanders von Arm und Reich, von Ober- und Unterschicht oder sozialer kultureller Milieus. In der deutschen Gesellschaft der Gegenwart sind Disharmonien deutlich spürbar: So wird z.B. der Wunsch nach Grenzsetzung im Sinne des Schließens von Grenzen nach Deutschland und Europa immer wieder formuliert. Umgekehrt ist auch zumindest bei einem Teil der Migranteninnen und Migranten, auch wenn sie vor vielen Jahren nach Deutschland einreisten, der Wunsch nach Abgrenzung von den gesellschaftlichen Lebensbezügen hier in Deutschland spürbar. Darüber hinaus gibt es zum Teil Konflikte zwischen unterschiedlichen Migrantengruppen und Teilen in der deutschen Bevölkerung. Diese Differenzen werden oft mit wirtschaftlicher oder sozialer Benachteiligung begründet. Hinzu kommen jedoch auch kulturelle Differenzen, die ein grundlegendes Gefühl der Unsicherheit, des Unbehagens und der Fremdheit ausdrücken. Diese Verschiedenheiten auszuhalten, ist ein wichtiger Beitrag in einer diversifizierten Gesellschaft. Differenz friedlich auszutragen ist legitim und politisch ernst zu nehmen. Gesellschaftliches Leben ist vom Konsens und Dissens geprägt. Die große Anforderung an die Politik in einer vielfältigen demokratisch offenen Gesellschaft besteht nicht nur darin, wie sie Koexistenz organisiert, sondern auch darin, wie sie mit Differenz umgeht. Eine kommunale Integrationspolitik muss somit auf der Grundlage beider Aspekte – Integration/Inklusion und Segregation entwickelt werden; das Leitmotto hierfür könnte lauten: Verbindendes Suchen und Verschiedenheiten zulassen. 3.2 Erweiterung des Kulturbegriffs Kulturarbeit muss der Entfaltung und Entwicklung der sozialen, kommunikativen und ästhetischen Möglichkeiten und Bedürfnisse aller Bürgerinnen und Bürger dienen. Wichtiger Bestandteil für dieses Leitmotiv kommunaler Kulturpolitik war nicht nur eine Öffnung der traditionellen Kultureinrichtungen wie Theater, Museen und Bibliotheken mit einem bewussten Blick auf Bevölkerungsschichten, die diese bisher nur unterproportional genutzt haben, sondern es wurden auch Einrichtungen der Soziokultur in den deutschen Städten gegründet und gefördert. So entstanden soziokulturelle Zentren, Jugendkunstschulen, Jugendmuseen und kulturpädagogische Einrichtungen. Sie stehen für den Anspruch der Soziokultur, Kunst und Kultur in den Alltag der Menschen zu integrieren. Neue Angebote und Formate sind entstanden, um kulturelle Bildung und kulturelle Eigentätigkeit in neuen Kontexten und Einrichtungen zu ermöglichen, die sich durch größere Offenheit und Zugänglichkeit auszeichnen. Waren diese Aktivitäten vor allem auf eine stärkere Partizipation breiter Bevölkerungsschichten ausgerichtet, so blieben sie in ihren Inhalten doch weitgehend auf die tradierten Künste beschränkt. Inzwischen hat eine thematische Ausweitung des Kulturbegriffs stattgefunden. Die große Bedeutung, die Kulturwirtschaft seit dem Enquetebericht über „Kultur in Deutschland“ gewonnen hat, zeigt nicht nur diese Erweiterung des Kulturbegriffs, sondern öffnet ihn sogar z.B. für Games, Design und Werbung sowie andere bisher weniger beachtete Kulturbereiche. Darüber hinaus werden gesellschaftliche Praktiken verschiedenster Art bis zum Alltagsverhalten unter den Kulturbegriff subsumiert. Doch auch im zivilgesellschaftlichen - 12 Bereich hat eine Ausdifferenzierung nach unterschiedlichen kulturellen Orientierungen stattgefunden. Neben die klassische Form des Kulturvereins (Chöre, Volkskunst etc.), die nach wie vor große Bedeutung haben, sind Initiativen getreten, die sich mit transkulturellen Ausdrucksformen beschäftigen (Stilmischungen in unterschiedlichen Kunstsparten), ethnisch geleitete Kunst- und Kulturrichtungen praktizieren (z. B. afrikanische Perkussion) oder auch sponsorhaft von Wirtschaftsunternehmen organisierten Events (einmalig oder auch als jährlich wiederkehrendes Ereignis, z. B. Jazzfestival), die die städtische Kulturlandschaft bereichern. Diese zivilgesellschaftlichen Aktivitäten sowie das überaus wichtige kulturelle Engagement der Religionsgemeinschaften stehen neben der Kulturwirtschaft. Die Digitalisierung hat auch für die Künste erhebliche Wirkung gehabt und zwar mit Ausprägungen als Medienkunst oder virtuelle Kunst sowie in der Games-Industrie. Kommunale Kulturpolitik, die sich als Teil der Stadtpolitik versteht, nimmt diese Entwicklungen bewusst als Handlungsfelder wahr. Im Rahmen des sogenannten DreiSektoren-Modells zur Arbeitsteilung im Kulturbereich konzentriert sich die staatlich-städtische Förderung auf den öffentlichen Sektor, der neben den privatwirtschaftlichen Aktivitäten der Kulturwirtschaft und dem zivilgesellschaftlichen Engagement eine wesentliche, weil demokratisch legitimierte Funktion im Kulturstaat wahrnimmt. Sie fördert auch im Bereich der Kulturwirtschaft insbesondere freie Künstlerinnen und Künstler sowie das zivilgesellschaftliche Engagement im Kulturbereich. Dies geschieht aber regelmäßig, ohne Ansprüche auf Dauerförderung oder Förderung jeglicher Kunst zuzulassen, denn nicht alles ist förderungswürdig oder förderungsbedürftig. 3.3 Die Künstlerschaft als Adressat und Akteurin von Kulturpolitik Das seit jeher wichtige Ziel kommunaler Kulturpolitik, die Künste zu pflegen, setzt die Anwesenheit von Künstlerinnen und Künstlern und Arbeitsmöglichkeiten für diese voraus. Die aus liberalen Wirtschaftsvorstellungen übernommenen Prinzipien der Effizienzsteigerung bei der Produktion von Waren und Dienstleistungen wurden teilweise unkritisch auch auf die Leistungen der Daseinsvorsorge und sogar von Kulturdienstleistungen der öffentlichen Hände übertragen. Doch die damit verbundenen Erwartungen konnten weder im Kultursektor wie auch anderen öffentlichen Aufgabenfeldern noch von der Künstlerschaft erfüllt werden. Kostendruck hat vielmehr in einer Reihe von Sparten und Berufsgruppen zur Auslagerung von ehemals sozialversicherungspflichtig beschäftigten Künstlern und Künstlerinnen in nichtständige Beschäftigung oder unfreiwillig in die freie Szene geführt. Kulturberufe sind deshalb in Teilen von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt worden. Dies führt zu immer mehr nichtauskömmlichen Einkommenssituationen. Weil die Einkommensdifferenzen zwischen fest beschäftigten und freien Künstlern immer größer geworden sind, haben auch die Verteilungskämpfe um die Kulturbudgets zugenommen. Kulturpolitik muss gerade deshalb für eine faire Entlohnung künstlerischer Arbeit sorgen. 3.4 Partizipation der Bürgerschaft im Kulturbereich Wenn auch die Beteiligung an allgemeinen Wahlen in den letzten Jahren gesunken ist, so ist vielen Städten feststellbar, dass Elemente der direkten Demokratie in Form von Bürgerbegehren, Bürgerentscheiden, Initiativen oder Protestaktionen deutlich zugenommen haben. Diese Proteste sind allerdings im Kulturbereich zum Teil strukturkonservativ, weil sie defensiv auf drohenden Verlust von Vertrautem reagieren und nicht auf die Schaffung von notwendig Neuem ausgerichtet sind. Dennoch können sie, bei richtiger politischer Einordnung, ein wichtiges Korrektiv für das Agieren von Kulturpolitik und Künstlerschaft sein. Für die Städte sind solche Initiativen oft ungewohnte Herausforderungen. Es existieren bei diesen Initiativen häufig keine verantwortlichen Ansprechpersonen, die Fluktuation der Beteiligten ist hoch, bisweilen fehlt auch die Fachlichkeit zu fundierter Kritik. Zudem zeigt - 13 sich immer wieder die Gefahr einer kurzsichtigen Klientelpolitik, die der notwendigen, Zusammenhänge abwägenden Gemeinwohlorientierung im Weg steht. Die Städte haben darauf reagiert, indem sie neue Formen der Partizipation bei der Weiterentwicklung ihrer kulturellen Infrastruktur eingeführt haben. Diese reichen von Beteiligung von Interessenvertretungen der Kultursparten bei der Aufstellung von Kulturentwicklungsplänen bis hin zu allgemeinen Bürgerdialogen, die als Angebot breiten Bevölkerungsschichten offen stehen. Eine neue Dimension der Teilhabe ist möglich geworden, weil die Kommunikation in Netzen für die Bevölkerung wesentlich einfacher und effizienter zu organisieren ist. Formen der eParticipation sind wichtige Beiträge zur digitalen Gewinnung von Einsichten und zur Bewertung von Alternativen. Sie können allerdings die verantwortliche Entscheidung in legitimierten Gremien und Verfahren nicht ersetzen, da sie nur einen geringen und zudem sozial selektierten Teil der Bevölkerung erreichen. Dennoch müssen Verwaltungen, die eine verstärkte Einbindung der Betroffenen als notwendig erkannt haben, auch die interaktiven Medien in ihre Überlegungen einbeziehen. Es gibt hierfür geeignete Formen, diese werden aber zu selten genutzt. Sie weiter zu entwickeln ist auch kulturelle Aufgabe im Rahmen der Stadtpolitik. 3.5 Empfehlungen und Hinweise für die Stadtpolitik und Verwaltung Politik und Verwaltung müssen Formate und Plattformen entwickeln, um die interkulturellen Elemente einer Stadtgesellschaft sichtbar zu machen. Kommunale Kulturpolitik muss die unterschiedlichen kulturellen Orientierungen aller Bevölkerungsgruppen in der Stadt wahrnehmen und mit ihrer demokratischen Legitimation Verantwortung für den öffentlich zu finanzierenden Teil der kulturellen Infrastruktur übernehmen. Verantwortung zu übernehmen heißt vor allem, ein politisches Bekenntnis für das kulturelle Profil und die kulturelle Identität der Stadt abzugeben, auch mit Blick auf die Höhe und die Verteilung des Budgets. Veranstaltungen und Ausstellungen sollen vermehrt die Kultur der Migrantinnen und Migranten in der jetzigen Lebenssituation aufgreifen. Zudem ist die Thematisierung von Konflikten ein wichtiges Element kultureller Darstellung ebenso wie die Vermittlung positiver Gesellschaftsutopien. Die Verbesserung der sozialen Situation der Künstlerschaft ist auch eine kulturpolitische Aufgabe der Kommunen. Es kann aber keinen Anspruch auf jedwede Förderung von Kunst durch die Stadt geben. Mit Künstlern und Künstlerinnen sollen faire und angemessene Verträge abgeschlossen werden, die Ausdruck der Wertschätzung der künstlerischen Leistungen sind. Möglichkeiten, Formen und Themen, zur eParticipation im Kulturbereich sollen erprobt und im interkommunalen Austausch bewertet werden. Dabei soll ein Schwergewicht auf die Behandlung innovativer Projekte gelegt werden. - 14 - 4. Das kulturelle Erbe ist Gedächtnis und Ressource der Stadtgesellschaft Das historische Erbe der Städte ist ein zentraler Bestandteil und prägend für die Identität der jeweiligen Stadt. Das bauliche Erbe, die Archäologie, die schriftliche Überlieferung, das dingliche und das immaterielle Erbe bestimmen das unverwechselbare kulturelle Erscheinungsbild einer Kommune und schaffen die Grundlage dafür, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner mit diesem Erbe identifizieren und in der Gemeinschaft engagieren. Identifikation und Engagement erzeugen für die Bürgerinnen und Bürger Heimat und schaffen Lebensqualität. Das Erleben von und die Sensibilität für authentisches materielles und immaterielles Kulturgut ist eine Voraussetzung, den kollektiven Willen zur Erhaltung und Weiterentwicklung des Erbes zu wecken. Eine solche Wahrnehmung ist mit digitalen Medien nur eingeschränkt möglich. Gleichwohl eröffnen digitale Medien neue Zugänge, die konsequent genutzt werden sollten. Indem die Städte das Verständnis für die Vergangenheit und für die Gegenwart von Stadt sowie der gesamten Bürgerschaft einschließlich der Zugewanderten durch ihre Geschichtsarbeit fördern, leisten sie eine zentrale Aufgabe zur Bildung und Integration sowie zur demokratischen Erziehung und Entwicklung in Deutschland. 4.1 Kulturelles Erbe in der interkulturellen Stadtgesellschaft Der Begriff des kulturellen Erbes hat in den letzten Jahrzehnten eine neue und weitreichendere Bedeutung erhalten. Es geht nicht mehr nur darum, das Erbe einer mehr oder weniger homogenen Bürgerschaft, einer Nation oder einer Ethnie zu überliefern, denn die Stadtgesellschaft ist bunter geworden. Das Blickfeld erweitert sich. Es geht inzwischen zunehmend auch um das sogenannte Welterbe der gesamten Menschheit, sei es materiell oder immateriell. Das bedeutet, dass eine bestimmte kulturelle Tradition nicht mehr von einer sie praktizierenden Bevölkerungsgruppe für sich allein in Anspruch genommen werden kann, sondern universell rezipiert wird. Die städtischen Kultureinrichtungen in Form von Museen/Sammlungen und Archiven sowie der Denkmalschutz und die Denkmalpflege befinden sich in einem permanenten Diskurs über den Charakter des kulturellen Erbes ihrer Stadt und darüber, was und für wen sie sammeln, bewahren, erforschen und vermitteln wollen. Dabei kommt den „Migrantenkulturen“ eine immer höhere Bedeutung zu. Der Umgang mit dem kulturellen Erbe sollte zwei Ziele verfolgen: Allgemeine (universelle) Werte und historische sowie ästhetische Entwicklungen zu verdeutlichen und gleichzeitig die örtliche Geschichte im Kleinen und Lokaltypischen präsent zu halten und zu bewahren. Dabei ist jede Klassierung störend. Das Sammlungsgut in Museen ist in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg mengenmäßig erheblich ausgeweitet worden, ebenso die Zahl der unter Denkmalschutz stehenden Gebäude, technische Denkmäler sowie Kulturlandschaften. Beispielhafte Bestandteile einer jeden Bauepoche sind Teil der Geschichte der Stadt und damit im Grundsatz überlieferungswürdig oder sogar erhaltenswert. Sie um ihrer selbst willen zu erhalten, kann jedoch nur in Ausnahmefällen tragfähig sein. Ihre Rekonstruktion nach Verlust ist nur in Ausnahmefällen eine Lösung. Das zivilgesellschaftliche Engagement in Form von Vereinen und Initiativen nimmt zu. Das Engagement von Gruppen unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft mischt sich immer intensiver in die Geschichtsarbeit der Städte ein, indem neben Aktivitäten in eigenen Veranstaltungen in Entscheidungsprozesse der einzelnen Häuser und der politischen Entscheidungsgremien eingewirkt wird. Dies ist ein positives Zeichen dafür, dass der Gesellschaft das historische Umfeld des privaten Lebensbereichs und die Stadt als historisches Gebilde besonders wichtig ist. - 15 - 4.2 Spannungsverhältnis von Besucherorientierung versus erhaltende, konservatorische Maßnahmen Die Besucherzahlen in Museen und beispielsweise bei den Tagen des offenen Denkmals oder des Archivs sind deutlich gestiegen. Ausstellungen der bildenden Kunst mit besonders bedeutenden Objekten verzeichnen nicht selten Besucherzahlen, die in vergleichbaren ständigen Sammlungen nur über Jahre hinweg zu erreichen sind. Kulturpädagogische Veranstaltungen, insbesondere für Kinder und Jugendliche, sind fester Bestandteil der Kulturarbeit der Städte. Neue Techniken der Kulturvermittlung, beispielsweise durch die Nutzung von digitalen Medien, die Präsentation von Sammlungen und das Bekanntmachen von Veranstaltungen über das Internet sind in vielen Einrichtungen Standard. Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Präsentation von Objekten des historischen kulturellen Erbes einen hohen Stand erreicht hat. Diese positive Entwicklung ging aufgrund von geringen Budgets in den Einrichtungen teilweise zu Lasten der konservatorischen Maßnahmen und der Arbeit im Bestand nämlich der Forschung. Der Zwang zur Einnahmenerzielung durch hohe Besucherzahlen führt zwar zu spektakulären Events, lässt aber finanziell weniger Spielräume für die Arbeit an den Objekten sowie in der Forschung. Für die Zukunft stehen konzeptionell aber wichtige gesellschaftspolitische Weiterentwicklungen für das historische Erbe mit Blick auf eine zunehmend interkulturelle und digitalisierte Gesellschaft an. Dies betrifft z.B. die wenig spektakuläre langfristige Sicherung von digitalisiertem -originär analogem- und erst recht digitalem Kulturgut in Form von Videos, digital gesteuerter Kunst, rein digitaler Kunst und originär digitalem Archivgut. Bei der Sicherung des kulturellen Erbes von Migranten stehen viele Einrichtungen erst am Anfang der Arbeiten. 4.3 Geschichte immer wieder neu schreiben Wenn Kulturen unterschiedlicher politischer, sozialer und individueller Provenienz in der Stadtgesellschaft aufeinandertreffen, ausgelebt werden sollen und akzeptiert bzw. respektiert werden wollen, dann müssen einerseits Beiträge zur Bewusstseinsbildung durch ästhetische Betrachtungen kulturell-gesellschaftlicher Verhältnisse geleistet werden. Andererseits ist für ein friedliches Miteinander ein aufklärender politikhistorischer Beitrag zu leisten (Geschichtsarbeit). Die zugrunde liegende Stadtgeschichtsschreibung ist nicht statisch, sondern reflektiert die Historie immer wieder neu aus dem Blickwinkel der Gegenwart. Deshalb muss das historische Erbe einer Stadt ständig neu interpretiert, um die Geschichte von neuen Bewohnerinnen und Bewohnern ergänzt und in die Stadtgesellschaft vermittelt werden. Dafür sind alle Einrichtungen, die das kulturelle Erbe der Stadt bearbeiten zuständig. 4.4 Empfehlungen und Hinweise für die Stadtpolitik und Verwaltung Das kulturelle historische Erbe einer Stadt ist als Alleinstellungsmerkmal unter wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Gesichtspunkten stärker bei der Entwicklung der Stadt von der Stadtpolitik und der Verwaltung zu berücksichtigen. Der Schutz und die Bewahrung der Objekte ist Voraussetzung dafür, dass das historische Erbe zur Identitätsstiftung für die einzelnen Menschen und die Stadt als Ganzes seinen Wert behält. Dazu gehört die Arbeit am Objekt, z. B. die Forschung in den Museen oder die digitale Langzeitarchivierung und die Vermittlung, die zugunsten der reinen Präsentation nicht vernachlässigt werden darf. Im Rahmen der Geschichtsarbeit ist ein historisches Profil der Stadt von den Museen, vom Stadtarchiv sowie der Denkmalpflege und Archäologie umfassend interdisziplinär zu beschreiben, das auch die neue Vielfalt in der Stadtgesellschaft aufgreift. Die Identitätsträger in Form von Objekten, Bauten, dem Stadtbild und immateriellem Kulturgut sind zu identifizieren und weiterzuentwickeln. - 16 - Die politikhistorische und ästhetische Betrachtung kulturell-gesellschaftlicher Verhältnisse in der Stadt führt zu einer aufgeklärteren, offeneren und damit demokratischeren Gesellschaft. Nur wer weiß, woher er kommt, weiß, wohin er geht. Eine solche Geschichtsarbeit der Städte ist Bildungs- und Gestaltungsarbeit zugleich, die mit langfristiger Perspektive geleistet wird. Sie kann von der Stadtpolitik nur begrenzt kurzfristigen Zielen untergeordnet werden. Beschluss des Präsidiums des Deutschen Städtetages zum vorliegenden Positionspapier 1. Gesellschaftliche Entwicklungen wie insbesondere Migration, Digitalisierung, Ökonomisierung der Gesellschaft und deren Auswirkungen auf Kunst und Kultur sowie veränderte finanzielle Rahmenbedingungen erfordern eine Neuausrichtung der Kulturpolitik der Städte. Diese sollte als Chance verstanden werden, Kulturpolitik stärker als Stadtpolitik zu begreifen. 2. Die Weiterentwicklung kommunaler Kulturpolitik setzt eine angemessene kulturelle Infrastruktur in den Städten voraus. Es bedarf einer gesamtstädtischen Strategie zur institutionalisierten, ressortübergreifenden Zusammenarbeit, insbesondere von Bauverwaltung, Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung sowie Bildung und Kultur. Auf dieser Grundlage sollte die Kulturaufgabe von den jeweils betroffenen Ressorts unterstützt werden. Dadurch werden Stadtpolitik und städtische Entwicklung wirksam gefördert und die gesellschaftspolitische Relevanz von Kunst und Kultur gestärkt. 3. Das Präsidium empfiehlt den Mitgliedstädten das in der Anlage beigefügte Positionspapier. - 17 - Herausgeber Deutscher Städtetag Ansprechpartner in der Hauptgeschäftsstelle Beigeordneter Klaus Hebborn Raimund Bartella, E-Mail: raimund.bartella@staedtetag.de ISBN 978-3-88082-286-3 © Deutscher Städtetag Berlin und Köln, September 2015 Hauptgeschäftsstelle Berlin, Hausvogteiplatz 1, 10117 Berlin, Tel. 030/37711-0, Fax 030/37711-139 Hauptgeschäftsstelle Köln, Gereonstraße 18 - 32, 50670 Köln, Tel. 0221/3771-0, Fax 0221/3771-128 Internet: www.staedtetag.de, E-Mail: post@staedtetag.de