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16.07.18, 14:02
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25.01.19, 05:42
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BIOLOGISCHE STATION
ÖSTLICHES RUHRGEBIET
Wildlebende Stadttauben
Möglichkeiten zur Bestandsregulierung
unter besonderer Berücksichtigung der
Wirkung von Taubenhäusern
Naturerfahrungsräume
in Bochum
im Auftrag der
Biologische Station östliches Ruhrgebiet
Vinckestraße 91
44623 Herne
Tel.: 0 23 23/ 5 55 41 Fax: 0 23 23/ 5 13 60
mail: biostation@biostation-ruhr-ost.de
www.biostation-ruhr-ost.de
Bearbeiter: Richard Köhler
Oktober 2008
Inhaltsverzeichnis
1.
Stadttaube – was ist das
1
2.
2.1
2.2
2.3
2.4
Zur Biologie der Stadttaube
Brut und Jungenaufzucht
Ernährung
Wo brüten Stadttauben?
Bestandsgrößen
3
3
4
4
6
3.
Rechtliche Fragen
8
4.
4.1
4.2
Stadttauben – einige verbreitete Fehleinschätzungen
Sind Stadttauben Haustiere?
Pflanzen sich Stadttauben auch bei Nahrungsmangel ungebremst
weiter fort?
Hängt der Taubenbestand von entflogenen Brief- und Reisetauben ab?
11
11
Taubenhäuser als Strategie zur Bestandsregulierung von Stadttauben
Taubenhäuser und Taubenschläge – die neue Standardmethode?
Misserfolg vorher angewandter Bekämpfungsstrategien
Abschuss und Fallenfang
Taubenpille
Falken
Wie wirken Taubenhäuser? Die Argumentation der Betreiber
Wie wirken Taubenhäuser? Überlegungen auf populationsbiologischer
Grundlage
Gibt es Erklärungen für Erfolgsmeldungen, die nicht ursächlich auf den
Betrieb von Taubenhäusern zurückgehen?
17
17
18
19
19
20
21
23
4.3
5.
5.1
5.2
5.2.1
5.2.2
5.2.3
5.3
5.4
5.5
6.
13
15
27
Taubenhäuser: Auswertung von Erfahrungsberichten aus deutschen
Städten
Träger
Umfang
Betreuung und Kosten
Aufstellungsorte und Bauweise
Futterplätze, Haltung und Fütterung
Dauer der Maßnahme, Erfolge
Taubentötung in Verbindung mit Taubenschlägen?
30
30
31
32
33
34
34
35
7.1
7.2
7.3
7.4
Taubenhäuser: Auswertung von Erfahrungsberichten aus anderen
europäischen Ländern
Schweiz
England
Niederlande
Frankreich
36
36
37
37
38
8.
8.1
8.2
8.3
Andere Methoden zur Verminderung von Problemen mit Stadttauben
Fütterungsverbote
Vergrämung
Beseitigung von Brutplätzen
39
39
42
43
9.
Fazit
45
10.
Literatur
48
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.7
6.8
7.
1. Stadttaube - was ist das?
Was in Deutschland als „Stadt-“ bzw. „Straßentauben“, oder in England als „feral pigeons“
bezeichnet wird, sind frei lebende Populationen von Tieren, deren Ahnen einmal Haustauben gewesen sind. Urahn der Haustaube ist die Felsentaube (wiss. Name Columba livia,
Familie Columbidae). Die Stadttaube wird heute von Biologen als eine Form oder Varietät
der Felsentaube abgetrennt (Columba livia f. domestica).
Felsentauben sind Vögel, deren lockere Brutkolonien in Höhlen und unter Überhängen von
natürlichen Felswänden liegen. Die Felsentaube ist in Europa heimisch, ihre größten Vorkommen hat sie an Felsenküsten im Mittelmeergebiet, sie brütet aber auch im Norden
Schottlands und auf vorgelagerten Felseninseln. Die wilde Felsentaube kommt in Deutschland nicht vor, weil es hier keine geeigneten Brutfelsen gab und gibt.
Tauben gehören zu den früh domestizierten Tierarten und werden vom Menschen seit
Tausenden von Jahren gehalten und genutzt. Diese Haltung war zunächst sehr extensiv.
Anfangs haben Menschen nur künstliche Brutnischen angelegt, die von den Tauben mehr
oder weniger freiwillig aufgesucht wurden. Die Vögel mussten sich ihre Nahrung selbst suchen und wurden züchterisch kaum verändert. Später boten die Menschen auch Brut-plätze in Taubenhäusern an, um die Tiere in Regionen zu halten, in denen Felswände als natürliche Brutplätze fehlen. Die Tiere wurden allenfalls im Winter gefüttert.
Nach Deutschland wurden Haustauben zuerst von den Römern eingeführt. Nach dem Untergang des Römischen Reichs verschwanden sie wieder und wurden im Mittelalter neu
eingeführt. Diese „Feldtauben“ unterschieden sich von der Wildform nur wenig. Obwohl
seit frühesten Zeiten neben den „Feldtauben“ immer auch Rassetauben gezüchtet worden
waren, begannen Menschen erst in der Neuzeit im größeren Stil mit der stärkeren züchterischen Veränderung. Heute existiert eine Vielzahl von Taubenrassen mit zahlreichen, oft
kuriosen Umbildungen der Körperform, des Gefieders und Verhaltens, die im Freiland
kaum Überlebenschancen besäßen. Parallel zur Rassetaubenzucht werden Brieftauben
gezüchtet, bei denen man sich die Treue der Tauben zu ihrem Heimatschlag und ihr ausgeprägtes Heimfindevermögen zunutze machte (die modernen Rassen seit etwa 150 Jahren). Brieftauben sind etwas größer als Wildtauben und haben im Verhältnis größere Flügel, sind aber in der Körperform und im Verhalten den Wildtauben viel ähnlicher als Rassetauben, weil sie sich ja im Freien zurechtfinden müssen. Die modernen Stadttauben gehen wohl im Wesentlichen auf „Feldtauben“ und Brieftauben zurück, wobei es wohl zu
zahlreichen Verwilderungen unabhängig voneinander und anschließender Kreuzung gekommen ist. Die nordamerikanischen Stadttauben sind z.B. aus erst dort verwilderten
Haustauben unabhängig von den europäischen entstanden.
Stadttauben haben sich als Nachkommen einst domestizierter Vorfahren in sehr vielen
Merkmalen wieder der Wildform angenähert, aber einige Merkmale ihrer Haustauben-Ahnen beibehalten (vgl. unten). Während mitteleuropäische Stadttauben den Felsen-tauben
oft so ähnlich sind, dass im Zweifelsfall manchmal eingehende Untersuchungen erforderlich sind, um ein Einzeltier sicher ansprechen zu können, kommen v. a. in Südeuropa weiß
gefärbte Populationen vor. Dies liegt daran, dass die wilden Felsen-tauben dort weiterhin
bejagt werden, die Jäger aber Tiere verschonen, die eventuell einem Taubenhalter gehören könnten, so dass nicht-wildfarbene Tiere hier einen Selektionsvorteil besitzen.
Die wild lebenden Populationen unterliegen seit ihrer Verwilderung, die ggf. hunderte Jahre zurückliegen kann wieder denselben natürlichen Auslesemechanismen wie jede andere
1
wild lebende Tierart. Die Anpassung der Art an die Anforderungen des neuen Lebensraums erfordert Zeit, weshalb viele Biologen davon ausgehen, dass Stadttauben trotz einiger erstaunlicher Fähigkeiten noch nicht perfekt an ihren neuen Lebensraum angepasst
sind. Außerdem erfolgt diese Anpassung natürlich nicht an die alten Felsenhabitate, sondern an den neuen Lebensraum Stadt, so dass sich Stadttauben nicht in allen Merkmalen
an den Wildtyp annähern.
Weder „Feldtauben“ noch Brieftauben sind züchterisch so stark verändert worden wie viele
andere Haustiere. Arten wie Hühner, Hunde, Rinder, Schweine oder Schafe werden seit
Jahrtausenden gezüchtet und leben meist in enger Obhut des Menschen. Sie besitzen ein
gegenüber ihren wilden Ahnen stark verändertes, meist weniger komplexes Verhaltens-repertoir, das sich u. a. auch durch eine geringere Gehirngröße anatomisch und physiologisch nachweisen lässt. Ein echtes Verwildern dieser Arten ist damit stark erschwert (vgl.
Benecke 1994). Vergleichbare Schranken sind bei der Haustaube nicht gegeben (vgl.
dazu u.).
Stadttauben können – und müssen - im Regelfall ohne menschliche Fürsorge auskommen. Ähnlich anderen wild lebenden Arten können sie sich aber bei reichlicher Fütterung
durch Tierfreunde leicht an diese Bedingungen anpassen. Wie Enten und Schwäne (und
erst neuerdings auch Gänse) auf Parkteichen, Eichhörnchen in Stadtparks oder Haussperlinge in Fußgängerzonen verlieren sie dann ihre Scheu dem Menschen gegenüber, werden halb zahm und können anomal hohe Dichten erreichen. Es sind diese überhöhten
Dichten, die die Tauben in vielen modernen Städten zum „Problemvogel“ machen.
Stadttauben sind die Nachkommen domestizierter Felsentauben. Es sind Wildtiere,
die sich an den Lebensraum Stadt angepasst haben.
2
2. Zur Biologie der Stadttaube
2.1 Brut und Jungenaufzucht
Stadttauben brüten an Plätzen, die den Felsüberhängen und Höhlen nahekommen, in denen ihre wilde Stammart brütet. Das sind z.B. leer stehende Dachböden und Häuser, Nischen in Fassaden, Brücken und offenen Dachkonstruktionen (z.B. in Bahnhöfen), wo sie
im Idealfall dichte Brutkolonien mit Hunderten von Tieren aufbauen können. Sind günstige
Plätze knapp und übervölkert, brüten sie aber auch einzeln, manchmal dann auch an offenen Stellen wie z.B. Balkons und Fassadensimsen. Gelegentlich werden dann sogar
Baumbruten beobachtet (aus zahlreichen Städten belegt), obwohl Stadttauben als Abkömmlinge einer felsenbewohnenden Art Bäume normalerweise meiden.
Tauben bilden feste Paare, die i. d. R. eine lebenslange „Ehe“ eingehen. Beide Elterntiere
versorgen den Nachwuchs und brüten abwechselnd. Gebrütet wird in einer abge-schlossenen, im Idealfall halbdunklen, wind- und regengeschützten Nische in einem Nest, das
relativ einfach zusammengefügt ist. Tauben nutzen bereits benutzte Nester weiter, und da
sie weder Kot noch andere Abfallstoffe aus dem Nestbereich entfernen, bestehen ältere
Nester manchmal aus hohen „Kotpyramiden“. Tauben verteidigen den Nestbereich gegen
andere Tauben. Das Nistterritorium ist aber klein, meist nicht größer als 1 bis 3 Quadratmeter (mit einer schmalen anschließenden „neutralen Zone“). Außerhalb des Nistterritoriums sind Tauben gesellig und schließen sich oft zu lockeren Nahrungs-schwärmen zusammen. Beide Geschlechter brüten abwechselnd. Die Brutzeit beträgt 17 bis 18 Tage.
Eine Besonderheit der Taubenvögel ist, dass sie ihren Nachwuchs in der ersten Lebenswoche mit sogenannter „Kropfmilch“, einem fett- und eiweißreichen Sekret der Kropfwand,
füttern. Es entspricht in seiner Funktion damit der Milch der Säugetiere. Aufgrund des begrenzten Kropfmilchvorrats legen Tauben nahezu immer genau 2 Eier, Gelege mit 3 oder
4 Eiern (ca. 0,5%) sind nur selten erfolgreich. Aufgrund der Kropfmilch brauchen Tauben
ihren Nachwuchs in den ersten Lebenstagen nicht mit Insektennahrung zu füttern, sondern
kommen ausschließlich mit Körnerfutter aus (im Gegensatz z.B. zum Haussperling). Die
Nestlinge werden zunächst im Nest und nach dem Ausfliegen noch ca. 1 Woche im Freien
gefüttert. Die Zeit von der Eiablage bis zur völligen Selbstständigkeit der Jungvögel beträgt
etwa 7 Wochen. Stadttauben-Paare brüten drei- bis viermal im Jahr, bei besonders reichhaltiger Nahrungsversorgung können sie aber bis zu sechsmal brüten. Sie können dann
die Nachwuchszahl durch „Schachtelbruten“ erhöhen, d.h. die Tiere legen bereits wieder
Eier und brüten, wenn der vorherige Nachwuchs noch nicht selbständig ist. Sie versorgen
dann eine gewisse Zeit lang zwei Bruten.
Steht genügend Nahrung zur Verfügung, brüten sie auch den Winter über weiter. Erfolgreiche Bruten sind bei -30°C Außentemperatur belegt.
Tauben füttern ihre Jungen in der ersten Lebenswoche mit Kropfmilch. Aufgrund
des begrenzten Kropfmilchvorrates werden pro Gelege nahezu immer zwei Eier gelegt. Stadttauben brüten drei bis vier Mal pro Jahr, bei guter Nahrungsversorgung
aber bis zu sechs Mal, auch im Winter.
3
2.2 Ernährung
Tauben sind Körnerfresser und ernähren sich überwiegend von Getreide. Ihren Eiweiß-bedarf decken sie vorzugsweise aus Leguminosensaaten. Stadttauben fressen meist 2mal
täglich (zumindest im Winter). Bei einem Kropfinhalt von ca. 35g (25-40g) sind also etwa
70g Samen pro Taube und Tag maximal erforderlich (Johnston & Janiga 2005). Nach den
meisten Beobachtungen reichen aber (20-) 50g bereits aus. Bei einseitiger oder Mangelernährung kompensieren sie den Mangel durch die Aufnahme von Keimlingen und grünen
Pflanzenteilen, wodurch sie in Parkanlagen manchmal an Zierpflanzen schädlich werden.
Die meisten Stadttauben-Populationen fliegen vom Stadtzentrum zur Nahrungssuche in
die umliegende Agrarlandschaft (vgl. z.B. Janiga 1987, Rose et al. 2006, Soldatini et al.
2006, weitere Angaben in Johnston & Janiga 1995), wobei sie Äcker anfliegen, wenn vorhanden aber Getreidesilos und andere Läger bevorzugen. Im Gegensatz zu einigen Ländern der Subtropen sind Stadttauben aber bei uns als Schädlinge auf Getreidefeldern bedeutungslos, sie werden als solche auch nicht bekämpft (vgl. z.B. Rösner & Isselbächer
2003). In Städten können Tauben sich auch von Abfällen, Nahrungsresten u. ä. ernähren.
Nach zahlreichen Untersuchungen und Berichten ist in den meisten Städten aber die direkte Fütterung der Tauben durch Taubenliebhaber für die Ernährung bedeutsamer. In
großen Städten und bei hohen Taubenbeständen sind viele vollkommen abhängig vom
Futterangebot für die Tiere in der Stadt selbst.
Tauben sind bei der Nahrungswahl konservativ und meiden unbekanntes Futter so lange
wie möglich. Einzelne experimentierfreudige Tiere können den Schwarm aber auf neue
Futterquellen „anlernen“. In derselben Brutkolonie finden sich Vögel, die lange Strecken zu
Futterplätzen fliegen, und solche, die in der Nähe (zu Fuß) suchen. Die „Flieger“ sind generell fitter und erfolgreicher bei der Fortpflanzung. Tauben merken sich Futterstellen auch
nach vielen Misserfolgen lange Zeit.
Normalerweise brüten Tauben in der Stadt und suchen sich ihr Futter im Umland. In
Großstädten sind Stadttauben überwiegend vom Futterangebot in der Stadt selbst
abhängig. Einzelne Tiere lernen ganze Schwärme auf neue Futterquellen an.
2.3 Wo brüten Stadttauben?
Stadttauben leben seit hunderten von Jahren in großen Städten, weil diese ihnen geeignete Gebäude als „künstliche Brutfelsen“ zur Verfügung stellen. Sie waren anfangs eher selten, machten aber in der Nachkriegszeit eine Bestandesexplosion durch (z.B. Brno/Brünn,
Tschechische Republik: 1902: ca. 1.000, 1985: 30.000 Tiere, nach Janiga). In jüngster Zeit
scheinen die Bestände wieder zu stagnieren und teilweise sogar zurückzugehen. Erst in
der Nachkriegszeit begannen Stadttauben auch damit, Kleinstädte zu besiedeln (z.B. Goslar: 1945, Wolfsburg: 1967, nach Johnston & Janiga 1995). Sie sind bis heute aber Charaktervögel der Großstadt, insbesondere der Stadtzentren geblieben, wo sie zu den häufigsten Vogelarten überhaupt zählen.
Bereits in den durchgrünten Vorstädten fehlen Stadttauben weitgehend und kommen auch
nur unregelmäßig in Dörfern vor. In der freien Landschaft sind sie nur als Nahrungsgäste
anzutreffen (eusynanthrope Art, Luniak 2004). Wie die meisten anderen charakteristischen
Arten des Zentrums sind sie als Gebäudebrüter auf diese „Kunstfelsen“ angewiesen. Obwohl ausnahmsweise und gelegentlich in Bodennähe brütend, bevorzugen Tauben höhere
4
Gebäude als Brutplätze. Sie können in Außenbezirken dann vorkommen, wenn auch hier
hohe Gebäude mit entsprechenden Brutmöglichkeiten stehen: moderne Hochhäuser (z. B.
auch Krankenhäuser, Universitätsgebäude u. ä.), Industriebauten, aber auch Brücken.
Flade (1994), der zahlreiche Untersuchungen auswertet und zusammenfasst, nennt für
den Biotoptyp der City und Altbau-Wohnblockzonen (F7) folgende charakteristische Brutvogelgemeinschaft:
Gesamtdichte (alle Arten): Median: 97,5 Brutpaare (Bp) / 10 ha (max. 285,6)
Leitarten:
Haussperling (51,4), Mauersegler (11,5), Türkentaube (8,4), Straßentaube (25,0), Turmfalke (2,7), Dohle
(3,7), Mehlschwalbe (4,6), Schleiereule (-) (Zahlen: Brutpaare pro 10 Hektar)
stete Begleiter: Amsel, Star, Grünfink
Zu dieser Gemeinschaft gibt er u. a. folgende Erläuterungen:
Lediglich Haussperling, Türken- und Straßentaube sind echte und „vollständige“ Bewohner der City, die hier
auch ihre Nahrung erwerben, alle anderen Leitarten sind mehr oder weniger als Brutgäste zu betrachten.
Die Populationen von Mauersegler und Straßentaube sind im Untersuchungsgebiet weitgehend von City/Altbauzonen und ihrem baulichen Zustand abhängig. BRAUN (1991) stellte auf seiner 55,4 ha großen Untersuchungsfläche in Berlin-Kreuzberg (Altbau-Wohnblockzone) fest, dass nach einer Sanierung von knapp der
Hälfte der Grundstücke der Haussperling um 64%, die Straßentaube um 75%, der Mauersegler um 25% und
die Dohle um 20% abnahmen. Auch das einzige Turmfalken-Bp verschwand. Die Gebäudebrüter sind vor allem auf Spalten und Löcher im Dachtraufbereich angewiesen, die bei den Bau- und Modernisierungsmaßnahmen weitgehend verschlossen wurden.
...Durch Sanierung etwa der Hälfte der Grundstücke innerhalb von 10 Jahren sank in Berlin-Kreuzberg die
Gesamtbrutvogeldichte von 239 Bp/10 ha auf 120,5 Bp/10 ha bei ungefähr gleichbleibender Artenzahl.
[BRAUN, H:G. (1991): Siedlungsbiologische Untersuchungen an der Brutvogelwelt eines Altbauwohngebietes in Berlin-Kreuzberg 1979 und 1991. Gutachten i. A. der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz Berlin.]
Von den Siedlungstypen der geschlossenen Bebauung weist die City die höchsten Artenzahlen auf, die jedoch bei weitem nicht die Werte der durchgrünten Siedlungen erreichen. Die Gesamtbrutdichte ist nicht wesentlich geringer als in den Gartenstädten und liegt vergleichsweise im Bereich der strukturreichen Laubwälder. ... Durch die starke Dominanz von Haussperling und Straßentaube, die 50-80% des gesamten Brutbestandes ausmachen, sind die Diversitäts- und Evennesswerte sehr gering und werden nur noch von den
Neubau-Wohnblockzonen unterboten.
Dass Stadttauben vor allem Altbauten in Zentrumsnähe bevorzugen, wurde in zahlreichen
Untersuchungen auch in anderen Städten bestätigt. In Mailand fanden Sacchi et al (2002)
z.B. eine deutliche Bindung der Tauben an das Zentrum, an Gründerzeit-Wohnblocks und
andere vor 1936 errichtete Gebäude. Ein moderner Bautyp mit sehr hohen Taubenbeständen sind Betonskelett-Hochhäuser mit ihren zahlreichen Nischen, Absätzen und offenen
Hohlräumen, insbesondere auch belüftete oder klimatisierte Gebäude mit zahlreichen
Ventilationsschächten. Besonders hohe Dichten werden regelmäßig aus Parkhäusern genannt.
Ein mehr oder minder großer Brutbestand von Stadttauben ist in unseren Großstädten somit der Normalfall. Ihre Dichte kann dabei die der o. g. Beispiele sogar noch weit übersteigen: Einer der höchsten publizierten Werte wird z.B. für Venedig mit >8.000 Tauben/km2
angegeben (Soldatini et al. 2006).
Stadttauben kommen fast nur in den Stadtzentren vor, wo sie als Abkömmlinge der
Felsentaube (Stammform) geeignete Gebäude als „Kunstfelsen“ annehmen. Ein
großer Brutbestand in Großstädten ist daher der Normalfall.
5
2.4 Bestandsgrößen
Die Größe der frei lebenden Brutbestände der Stadttaube ist wie bei allen nicht-territorialen Koloniebrütern generell schwierig zu erfassen. Die leichter sichtbaren Nahrungsschwärme umfassen auch nicht brütende Tiere, davon jedoch immer nur einen Teil des
Brutbestands, denn viele Tiere sitzen während der ausgedehnten Brutperiode auf den
Nestern und sind nicht sichtbar. Die einzelnen Individuen schließen sich im Laufe der Zeit
sehr häufig mehreren Schwärmen an (Lefebrve 1985), so dass es leicht zu Doppelzählungen kommt. Zugehörigkeit zu einer Brutkolonie und einem Nahrungsschwarm (oder mehreren) sind dabei voneinander unabhängig (Lefebvre & Girardien 1985).
In Deutschland wurde der Gesamtbestand für das Jahr 1999 auf 200.000 bis 330.000
Brutpaare geschätzt (Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, Bauer et al. 2002). Die Unsicherheit der Schätzungen ist hoch. Zum Vergleich: Sacchi et al. (2002) kommen mit Linientransektuntersuchungen allein für die italienische Großstadt Mailand auf einen Taubenbestand von über 100.000 Tieren.
Schätzungen des Brutbestandes im Land NRW aus den vergangenen Jahren gingen von
24.000 Tieren in Westfalen (Brutatlas Westfälische Ornithologen-Gesellschaft WOG 2002)
und 10.000 Tieren im Rheinland (Schätzung der Gesellschaft Rheinischer Ornithologen
GRO in Wink et al. 2005) aus. Andere Ornithologen (z.B. Rheinwald und Schmitz (2007))
schätzen den tatsächlichen Bestand sogar auf bis zu 100.000 Tiere. Besser abgesicherte
Daten zum Brutbestand liefern die Erhebungen des landesweiten Brutvogelmonitorings
der ökologischen Flächenstichprobe (ÖFS) des LANUV (König & Santora 2007). Hier wird
der landesweite Bestand der häufigeren Brutvögel auf 170 je 100 ha großen, zufallsverteilten Stichprobenflächen bestimmt. Die ÖFS schätzt den landesweiten Bestand an Straßentauben auf 12.100 Brutpaare. Sie ist damit unter den 100 häufigsten Brutvögeln des Landes auf Rang 65. Straßentauben sind danach landesweit weniger zahlreich als Ringeltauben (496.000 Bp.: Rang 8, häufigster Nicht-Singvogel), Türkentauben (Rang 41) und Hohltauben (Rang 54), aber häufiger als Turteltauben (Rang 77). Zu beachten ist aber, dass
die Bestandesschätzung aufgrund des großen Konfidenzintervalls von 56,2 mit hoher Unsicherheit behaftet ist, was für einen Koloniebrüter aber nicht anders zu erwarten ist (statistisch: aggregierte Verteilung).
Die Bestandsgröße der Stadttauben in der Stadt Bochum ist nicht bekannt. Es liegen aber
keine Hinweise auf überdurchschnittlich hohe Dichten vor. Systematisch durchgeführte
Zählungen nach wissenschaftlichen Standards waren angesichts des hohen Aufwandes
nicht Gegenstand dieser Expertise. Kursorische Beobachtungen im Stadtzentrum ergaben
nur kleinere Nahrungsschwärme von weniger als 50 Tieren (z.B. regelmäßig auf dem
Dach der Commerzbank am Husemannplatz). Im Zentrum von Wattenscheid waren beinahe gar keine Tauben sichtbar. Beringte Tiere (entflogene Brieftauben) waren nur in wenigen Einzelexemplaren vorhanden.
Für die strukturell vergleichbare Nachbarstadt Dortmund kommen Kretzschmar & Neugebauer 2003 auf folgende Ergebnisse (Dortmunder Brutvogelatlas. Kartierung 1997- 2002.
NABU Stadtverband Dortmund)
Straßentaube (Columba livia):
Bestand: 777 – 1912 Brutpaare, 25,2% (78) aller Gitterfelder sind besetzt. Vermutlich ist der Bestand (deutlich?) unterschätzt.
Straßentauben sind vor allem in der Innenstadt, dem Hafengebiet und in den Nebenzentren zu finden. Als
Brutplätze dienen vor allem Hochhäuser, Industriebauten und Brücken, insbesondere S-Bahn und große
Straßenbrücken. ... Eine genaue Bestandserfassung ist ausgesprochen schwierig, da die Tauben meist kolonieartig brüten und viele Brutplätze nicht einsehbar sind. Zudem ist der Nichtbrüteranteil erheblich...
6
Erz (1960) hält die Zahl der Straßentauben in Dortmund für „auffallend niedrig“. Er schätzt den Bestand der
City auf 80 Vögel, den des weiteren Stadtgebiets (ohne Vororte) auf 300 – 350 Vögel. Seither ist der Bestand offenbar deutlich angewachsen. ... Der Gesamtanteil von beringten Vögeln an der Brutpopulation dürfte nicht mehr als ein Prozent betragen. (Anmerkung: Brieftauben von Taubenzüchtern sind im-
mer beringt, so dass sich so der Anteil entflogener Brieftauben am Gesamtbestand abschätzen lässt).
Pappas (2002) schätzt nach intensiven Beobachtungen den Stadttaubenbestand in der
Stadt Düsseldorf auf 9.000 bis 13.500 Tiere, ihre Dichte auf 44 bis 66/km2. Dieser Wert ist
höher als in Dortmund, aber niedriger als z.B. in den gut untersuchten Städten Basel,
Wien und Mailand. Weniger intensive Beobachtung nur wenige Jahre früher in der gleichen Stadt kamen zu weitaus niedrigeren Zahlen (2.800 bis 3.500 Ind.).
Es existieren seit vielen Jahren Faustformeln, nach denen die Bestandsgröße eines städtischen Taubenbestands ohne Zählung größenordnungsmäßig ermittelt werden soll. Sehr
oft findet sich eine Abschätzung, nach der der Taubenbestand einer Stadt etwa 10% ihrer
Einwohnerzahl entsprechen soll (nach Rösner 1999 zuerst von Klausnitzer 1983 vorgeschlagen). Diese Abschätzungen entbehren jeder Grundlage und sollten nicht angewendet
werden.
Die Erfassung der Brutbestandsgröße ist wie bei allen nicht territorialen Koloniebrütern extrem schwierig und aufwendig. Verschiedene von Ornithologen vorgenommene Schätzungen für NRW schwanken zwischen ca. 12.000 und ca. 100.000 Tieren.
Ähnlich stark schwanken die Schätzungen in „besser“ untersuchten Städten (Düsseldorf: 9.000 - 13.500 Tiere bzw. 2.800 -3.500 Tiere).
7
3. Rechtliche Fragen
Frei lebende Stadttauben sind herrenlos im Sinne des §960 BGB. Entflogene Brieftauben
sind zunächst Eigentum des Halters (§856 Abs2 BGB), werden aber herrenlos, wenn sie
endgültig nicht zu ihrem Halter zurückkehren (§960Abs3 BGB). Schäden, die durch frei lebende Stadttauben entstehen (z.B. kotverschmutzte Fassaden) haben keinen Verursacher
im rechtlichen Sinn, deshalb muss in der Regel der Eigentümer des Hauses den Schaden
selbst zahlen.
Es ist allerdings zu prüfen, ob nicht der Betreiber eines Taubenhauses /-schlages rechtlich
zum Halter und Eigentümer der Tiere wird (§958 BGB). Verschiedene Verwaltungsjuristen
werten die regelmäßige Versorgung der Tiere mit Futter und Quartier so, dass der Betreiber eines Taubenhauses damit die tatsächliche Gewalt über die Tiere erlangt hat, auch
wenn die Aneignung nicht zur Nutzung im eigentlichen Sinn erfolgt. Für Schäden, die ein
Haustier anrichtet, haftet nach §833 BGB der Tierhalter. Weiterhin darf der Halter sich
nach §3(3.) Tierschutzgesetz der Obhut über ein solches Tier nicht ohne weiteres wieder
entledigen. Damit ist die Frage entscheidend, ob die Tauben im Taubenhaus so zu Haustieren werden (wie frei fliegende Brieftauben) oder ob der Taubenhaus am Wildtiercharakter nichts ändert, analog z.B. einem Meisenpärchen, das in einem im Garten aufgehängten
Nistkasten brütet. Die Betreiber von Taubenhäusern, die sonst den Haustiercharakter der
Tiere stark betonen, bevorzugen in diesem Fall, sie weiterhin als herrenlose Wildtiere zu
betrachten.
Tauben sind Wirbeltiere. Wer sie gewerbsmäßig bekämpfen will, benötigt dafür nach §11
Tierschutzgesetz eine Erlaubnis der zuständigen Behörde. Nach §13(1) Tierschutzgesetz
ist es außerdem verboten, zum Fangen, Fernhalten oder Verscheuchen von Wirbeltieren
Vorrichtungen oder Stoffe anzuwenden, wenn damit die Gefahr vermeidbarer Schmerzen,
Leiden oder Schäden für diese verbunden ist (es sei denn, sie wären nach anderen gesetzlichen Regelungen bereits zugelassen).
Nach §17 Tierschutzgesetz macht sich strafbar, wer ohne vernünftigen Grund ein Wirbeltier tötet. Diese Vorschrift ist für die Behandlung von Stadttauben aber nur selten relevant.
Nach Gerichtsentscheidungen wird die (abstrakte) Gefahrenabwehr von Schäden, die sich
erfahrungsgemäß oder auch nur möglicherweise durch Stadttauben ergeben können, als
„vernünftiger Grund“ im Sinne des Gesetzes normalerweise anerkannt. Zudem gilt, wenn
die Tötung indirekt durch Unterlassen erfolgt (z.B. durch Einstellen einer vorher ausgeübten Fütterung), dass eine Verantwortung im Sinne des Gesetzes nur für Personen gilt, die
verpflichtet gewesen wären, die Tiere zu füttern (sogenannte Garantenstellung).
Stadttauben unterliegen nicht dem Jagdrecht. Sie sind keine „Wildtauben“ im Sinne des §2
Bundesjagdgesetz. Grund ist wohl vor allem das mangelnde Interesse der Jägerschaft an
einer Bejagung.
Tauben können „Gesundheitsschädlinge“ im Sinne des §2 Satz 12 Infektionsschutzgesetz
sein, falls die zuständige Behörde diese Eigenschaft nach §17 Absatz 2 feststellen sollte.
Ohne besondere Anhaltspunkte ist davon nicht auszugehen. Obwohl Tauben zumindest
gelegentlich Krankheiten auf den Menschen übertragen können, wird ihre Schädlingseigenschaft heute fast einhellig verneint (z.B. Merkblatt des ehem. Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin vom 26.Februar 1998). Auch für
den generellen vorbeugenden Gesundheitsschutz nach §16 Abs.2 IfSG wären konkrete
Anhaltspunkte für eine besondere Gefährdung durch Stadttauben im Einzelfall beizubringen, die nach allgemeiner Meinung im Regelfall nicht bestehen, obwohl es hierzu einzelne
8
gegenteilige Auffassungen gibt (Vater 1999 hält die Regulierung von Stadttaubenbeständen z.B. im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes für geboten). Die Vorschriften
dieses Gesetzes sind damit nach überwiegender Auffassung nur in Sonderfällen anzuwenden.
Nach dem Naturschutzrecht ist die Situation komplex. Seit dem 1.1.2008 gilt folgendes:
Die Stadttaube ist eine heimische wild lebende Vogelart. Dies ergibt sich aus § 10 Absatz
2 Bundesnaturschutzgesetz:
Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet
5. heimische Art
eine wild lebende Tier- oder Pflanzenart, die ihr Verbreitungsgebiet oder regelmäßiges Wanderungsgebiet
ganz oder teilweise
a. im Inland hat oder in geschichtlicher Zeit hatte oder
b. auf natürliche Weise in das Inland ausdehnt;
als heimisch gilt eine wild lebende Tier- oder Pflanzenart auch, wenn sich verwilderte oder durch menschlichen Einfluss eingebürgerte Tiere oder Pflanzen der betreffenden Art im Inland in freier Natur und ohne
menschliche Hilfe über mehrere Generationen als Population erhalten
9.europäische Vogelarten
in Europa natürlich vorkommende Vogelarten im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 79/409/EWG
„Vogelart“ im Sinne des Artikels 1 der EU-Vogelschutzrichtlinie ist auch jede Form oder
Unterart. Dass die Stadttaube von den entsprechenden Vorschriften mit betroffen ist,
ergibt sich aus allen einschlägigen Auflistungen, Kommentaren und Regelwerken zu der
Richtlinie.
Daraus folgt nun, dass die Stadttaube besonders geschützte Art im Sinne des
Artenschutzrechts ist.
§ 10 Absatz 2: Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet
...
10. besonders geschützte Arten
(a. Tier- und Pflanzenarten, die in Anhang A oder B der Verordnung ...)
b. nicht unter Buchstabe a fallende
(aa. Tier- und Pflanzenarten, die in Anhang IV ...)
bb „europäische Vogelarten“
c. ...
Stadttauben unterliegen damit den Artenschutzvorschriften des § 42 Absatz 1 Bundesnaturschutzgesetz
Es ist verboten,
1. wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu
töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2. wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche
Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3. Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur
zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
Jede Bekämpfungsmaßnahme gegen Stadttauben oder ihre Nester und Niststätten bedarf
danach einer Befreiung nach §43 Absatz 8 Bundesnaturschutzgesetz und ist entsprechend zu begründen. Zuständig für die Befreiungen ist die Untere Landschaftsbehörde.
Diesen Schutz hat der Gesetzgeber mit der sog. „kleinen Novelle“ des BNatSchG am
1.1.2008 in das Gesetz aufgenommen, während vorher die verwilderte Haustaube von den
Artenschutzbestimmungen ausgenommen war.
Bundesartenschutzverordnung. Anlage 1: Alle in Deutschland heimischen Vogelarten sind besonders geschützt.
9
Erläuterungen zu den Anlagen 1 bis 3
5. Domestizierte Formen werden durch die Aufnahme einer Art in die Anlagen 1 bis 3 nicht erfasst. Als domestizierte Formen gelten insbesondere...
Columba livia f.domestica (einschließlich verwilderte Form) – Haustaube
Die - sicherlich unbeabsichtigte - Änderung ist trotzdem rechtlich wirksam. Sie wird bisher
wohl in der Praxis weitgehend ignoriert.
Freilebende Stadttauben sind herrenlos im Sinne des Gesetzes. Von Stadttauben
verursachte Schäden trägt somit der Besitzer des geschädigten Objektes. Es ist juristisch eine ungeklärte Frage, ob Betreiber eines Taubenhauses rechtlich gesehen
zu ihrem Halter werden und dann für die Schäden ihrer „Haustiere“ haftbar sind.
10
4. Stadttauben - einige verbreitete
Fehleinschätzungen
In den zahlreichen Darstellungen zur Stadttaube und ihrer Lebensweise finden sich eine
Reihe immer wiederkehrender fraglicher Argumente zur Biologie und zum Status der Tiere. Aus diesen werden oft Folgerungen gezogen, die das Management dieser Art betreffen. Die Argumentationen werden vielfach, z. T. wörtlich, in Presseberichte oder kommunale Texte übernommen und gelten dann irrtümlich als gesichertes Wissen. Auf einige wesentliche Punkte soll deshalb hier ausführlicher eingegangen werden.
4.1 Sind Stadttauben Haustiere?
„Straßentauben, die ein dramatisch anderes Leben leben (als Haustauben), werden häufig irrtümlich nur als
entlaufene Haustiere, oder als heimatlose und entwurzelte Großstädter, angesehen, so dass ihre prinzipielle
Natur als Wildtiere fast vollständig übersehen wird. Gegenüber entlaufenen Haustieren besteht nur geringe
Toleranz, sie erfüllen danach keine „nützlichen“ Funktionen im Auf und Ab des menschlichen Lebens, oder
sie gelten darüber hinaus als gefährlich.“ (aus Johnston & Janiga 1995)
Diese anthropozentrische Einstellung wirkt umso überheblicher, wenn wir bedenken, wie gut sich die Straßentaube an das Stadtleben angepasst hat und wie sie zu einer der wichtigsten Tierarten im menschlichen
Lebensraum geworden ist. (aus Haag-Wackernagel 2003)
Stadttauben sind eine wildlebende Vogel(Unter-)art, die aus verwilderten Haustieren hervorgegangen ist. Die Gleichsetzung mit entlaufenen Haustieren selbst (wie einem ausgesetzten Hund oder einem entflogenen Wellensittich) ist eine Fehlbeurteilung.
Viele verwilderte Haustierformen sind durchaus in der Lage, in der Wildnis zu überleben,
wenn sie nicht durch menschliche Züchtung so stark verändert wurden, dass sie auf permanente Hilfe angewiesen bleiben (wie z.B. Haushühner ohne natürliche Brutfürsorge,
Wollschafe ohne natürlichen Fellwechsel). Auf verwilderte Hautiere gehen z.B. nicht nur
die Dingos in Australien, sondern auch die Mufflons Korsikas und Sardiniens – und heutzutage auch des Sauerlands - zurück. Haustauben wurden früher meist als „Feldtauben“ in
Taubenhäusern im Freiland gehalten, oft sogar mit wenig direktem Füttern, so dass hier
zahlreiche Wildtiermerkmale erhalten blieben – die stärker veränderten Rassetauben
(Tümmler, Mövchen etc.) besitzen dagegen im Freiland kaum Überlebenschancen.
Wie von zahlreichen Autoren festgestellt, besitzen Stadttauben durchaus eine Reihe von
Merkmalen, die als persistente Haustiermerkmale gedeutet werden können. Die wichtigsten sind eine Tendenz zu variabler Gefiederfärbung (mit melanistischen und teilmelanistischen oder weiß gefärbten Individuen), ein gegenüber der Felsentaube stark verkleinertes
Brutrevier und eine Tendenz zum Brutbeginn bereits im ersten Lebensjahr (obwohl die
weitaus meisten Tiere wie Felsentauben im zweiten Jahr erstmals brüten, vgl. Hetmanski
& Barkovska 2007). Diese Merkmale wirken sich durchaus auf ihre Lebensweise aus. Obwohl zahlreiche Stadttauben die Färbung des Wildtyps aufweisen, ist eine Tendenz zu abweichenden Farbvarianten kennzeichnend; sie ist typisch für Populationen auch anderer
Tierarten, die aus verwilderten Haustieren hervorgegangen sind (z.B. auch auf Inseln ausgesetzte, verwilderte Ziegen und Schweine, vg. Benecke 1994). Es ist allerdings daran zu
erinnern, dass auch einige wildlebende Vogelarten ohne Haustierahnen für ihren extremen Gefiederpolymorphismus bekannt sind, ohne dass sich dies für sie nachteilig auswir11
ken würde, z.B. der Mäusebussard. Stadttauben weisen normalerweise keine Rassemerkmale von Rasse- oder Reisetauben mehr auf. Auffälligkeiten in der Gefiederfärbung, der
Befiederung des Kopfs und der Läufe oder in der Irisfarbe bei einzelnen Individuen zeigen,
dass gelegentlich Nachkommen von Rassetauben in den Wildbestand eingekreuzt sind
(vgl. die Ergebnisse von Pappas 2002 in der Stadt Düsseldorf). Im Gegensatz zu den
meisten Taubenrassen entsprechen Stadttauben in der Größe vollkommen dem Wildtyp.
Interessanterweise zeigen sowohl europäische als auch nordamerikanische Stadttaubenpopulationen einen Gradienten in der Körpergröße mit der geographischen Breite (nördliche Tiere sind größer als südliche). Dieser Zusammenhang hat sich hier offensichtlich unabhängig voneinander aus Haustauben-Vorfahren mit allen möglichen Größen herausselektiert (Johnston 1994). Er entspricht den Verhältnissen bei zahlreichen Wildtieren (sog.
Bergmannsche Regel in der Ökologie).
Die für Haustiere typische Verkleinerung des Gehirns, die auf geringere Sinnesleistungen
und/oder weniger komplexes Verhalten zurückgeführt wird, ist bei der Haustaube nach Untersuchungen von Ebinger & Löhmer 1984 ebenfalls gegeben, allerdings mit 6,86% recht
gering ausgeprägt (zum Vergleich: Hausgans: 16,1%, Truthuhn 35,2%, Haushuhn 23,8%,
Hausente 15,8%. Angaben z. T. nach Cnotka 2006). Vergleichsweise am stärksten reduziert sind dabei Hirnareale, die der Verarbeitung optischer Sinnesreize dienen. Die mituntersuchten Stadttauben waren in den meisten Merkmalen intermediär zwischen Felsentauben und echten Haustauben. Messungen von Johnston (in Johnston & Janiga 1995) zur
Schädelmorphologie zeigten für eine Rassetaube (Tümmler) eine Verkleinerung des Schädelvolumens, während sowohl Stadttauben wie auch Brieftauben nicht von der Merkmalsausprägung der Felsentaube abwichen.
Viele Merkmale, die von verschiedenen Autoren als Haustiermerkmal gedeutet werden,
sind in Wirklichkeit gemeinsames Erbe der Taubenfamilie (Columbidae). Z.B. können viele
Taubenarten bei günstiger Nahrungsversorgung zumindest ausnahmsweise im Winter brüten (nachgewiesen u. a. auch bei der Türkentaube, z.B. Lachner 1963 und der Carolinataube, z.B. Westmoreland et al. 1985). Auch die Tendenz zu sehr ausgedehnten Brutzeiten und zu Schachtelbruten ist zahlreichen Mitgliedern dieser Vogelfamilie gemeinsam,
wenn sie sich bei der wilden Felsentaube auch nicht so ausgeprägt zeigen. Ebenso gemeinsames Erbe ist die Bildung von lockeren Brutkolonien mit der Möglichkeit von Einzelbruten und der Zusammenschluss zu Nahrungsschwärmen. Dass Stadttauben vor dem
Menschen oft nicht flüchten und halb zahm wirken, ergibt sich hingegen v. a. aus der Fütterung und ist etwa bei Enten und Schwänen auf Parkteichen genauso zu beobachten.
Auch Tauben zeigen z.B. in der Innenstadt weitaus geringere Fluchtdistanzen als ihre Artgenossen auf Getreideäckern. Ein gewisser Einfluss des Haustiererbes auf dieses Merkmal ist aber nicht völlig auszuschließen.
Von Ornithologen sind Stadttauben schon lange als wildlebende Vogelart anerkannt. Die
Stadttaube ist z.B. in der Roten Liste für das Bundesland NRW aufgeführt (in der Kategorie „ungefährdet“). Der besondere Status einer Art, die ihre Einbürgerung aus der Kultur
heraus (mit mehr oder weniger starker züchterischer Beeinflussung) begonnen hat, hat sie
mit einigen (wenigen) anderen heimischen Arten gemeinsam, z.B. dem Jagdfasan, der Kanadagans oder der Mandarinente.
Die Stadttaube ist bei uns vollkommen eingebürgert und kann ihre Population ohne direkte
menschliche Mithilfe halten. Stadttauben, die nicht gefüttert werden, fliegen aufs Land und
ernähren sich auf Getreidefeldern. Die Flüge sind in Ausmaß und Muster mit denjenigen
der Ursprungsart Felsentaube vergleichbar (Soldatini et al. 2006). Diese Lebensweise ist
die ursprüngliche und wird von den meisten Stadttaubenpopulationen, z.B. in Süd- und
Osteuropa auch weiterhin erfolgreich praktiziert („Wenn wir zusammenfassen, was wir über Kropfoder Mageninhalt von Stadttauben aus aller Welt wissen, hängt die Mehrzahl der Tauben nicht von Samen,
Brot, Kuchen, oder Müll, die von Menschen angeboten werden, ab. Wir berichten kurz über die wichtigsten
12
Studien zum Anteil von Brot, Kuchen und anderen Abfällen. Bratislava: weniger als 2% pro Jahr. Brno: 10%.
Prag: 3%. Tomsk: 0. UlanUde: 2-4%. Flamborough Head (England): 0. Leeds: >50%". Johnston & Janiga
1995). Allerdings haben jahrzehntelang gefütterte Schwärme und Populationen sich dieses Verhalten wegen des reichlichen Futterangebots in unmittelbarer Umgebung teilweise
abgewöhnt. Auch die weit überhöhten Populationsdichten in den städtischen Zentren
könnten so wohl nicht aufrechterhalten werden - z.B. die 100.000 Tauben auf dem Markusplatz in Venedig, wo 8 Verkäufer allein vom Taubenfutterverkauf leben. Die Abhängigkeit von Gebäuden als „Kunstfelsen“ hat die Stadttaube mit zahlreichen Gebäudebrütern
gemeinsam (z.B. Haussperling, Mauersegler, Schleiereule, Turmfalke), die starke Förderung durch menschliches Getreideangebot z.B. mit den Sperlingsarten oder allen unseren
„echten“ Wildtauben (Ringel-, Turtel-, Hohl-, Türkentaube).
Stadttauben können auch an natürlichen Felsen Brutkolonien ausbilden, die manchmal
von denen der wilden Felsentaube nur schwer zu unterscheiden sind, oder sie kommen
gemeinsam mit diesen vor. Solche Brutkolonien von Stadttauben sind auch im rauen
Nordeuropa bekannt, z.B. an norwegischen Vogelfelsen (Michaelsen & Refrik 2003), wo
die wilde Felsentaube im 19.Jh. ausgestorben war. Manche Ornithologen befürchten auf
lange Sicht sogar ein genetisches Aussterben der echten wilden Felsentaube durch ständiges Einkreuzen von Stadttauben (Johnston et al. 1988).
Eine besondere Hilfsbedürftigkeit ist bei Stadttauben nicht gegeben; entsprechend besteht
keine herausgehobene Verantwortung des Menschen für Stadttauben, wie er sie
gegenüber in freier Wildbahn hilflosen und verlorenen Haustieren besitzt.
Stadttauben sind wildlebende Vögel und nicht gleichzusetzen etwa mit einem entflogenen Wellensittich. Sie sind nicht auf menschliche Hilfe angewiesen; es besteht
keine besondere Verantwortung des Menschen.
4.2 Pflanzen sich Stadttauben auch bei Nahrungsmangel ungebremst weiter fort?
Von verschiedenen Autoren wird die Ansicht vertreten, die Stadttaube habe es in der Gefangenschaft „verlernt“, ihre Fortpflanzungsrate an Perioden mit Nahrungsmangel anzupassen. Ihr Fortpflanzungserfolg sei demnach bei Hunger gleich groß – oder er sei sogar
größer – als derjenige von satten Tieren. Als Beleg wird vielfach auf die Dissertationsarbeit
von D. Haag (Haag 1984) verwiesen. Diese Ansicht ist in dieser Form nicht haltbar und
auch durch die zitierte Arbeit nicht belegt (vgl. dazu u.). Die bisherigen Forschungen erbrachten folgende Resultate:
1. Tauben besitzen eine feststehende Gelegegröße von 2 Eiern. Aufgrund der Fütterung
der jungen Nestlinge mit Kropfmilch besitzen sie keine biologische Möglichkeit, diese zu
vergrößern. Die sehr seltenen Gelege mit drei oder mehr Eiern sind fast niemals erfolgreich. Meist geht die Brut beim Versuch, zu früh mit Körnern zu füttern, zugrunde.
2. Wie Haag (1984) durch Experimente im Gehege bei unterschiedlicher Nahrungsversorgung festgestellt hat, brüten Tauben auch bei Nahrungsmangel. („Hunger, Vitamin- und Nährstoffmangel wirken sich nicht negativ auf die Anzahl der Gelege und die Anzahl der daraus schlüpfenden
Nestlinge aus.“ Haag 1984, p.118). Dieses Verhalten wird dadurch erleichtert, dass Tauben
für ihre Körpergröße ungewöhnlich kleine und leichte Eier besitzen (ebenfalls ein gemeinsames Erbe der Taubenfamilie Columbidae, welches vermutlich auch mit der Fütterung
von Kropfmilch zusammenhängt).
13
3. Die hauptsächliche Steuerung des Fortpflanzungserfolgs erfolgt bei Stadttauben aber
nicht durch die Gelegegröße bzw. -anzahl, sondern durch den Bruterfolg. Schlecht ernährte Tauben brüten weitaus weniger erfolgreich als besser versorgte. Die aufwendige Brutsorge, Pflege und Thermoregulation der Eier und Jungen (v. a. bei Winterbruten überlebenswichtig) wird reduziert. Bei Nahrungsmangel bleibt nicht, wie sonst üblich, immer ein
Altvogel am Nest zurück, sondern beide gehen gleichzeitig auf Nahrungssuche. Weitaus
dramatischer als der Anteil nicht erfolgreich bebrüteter Eier steigt der Anteil der Jungvögel,
die nicht flügge werden. Schlecht ernährte Jungvögel verhungern oder sterben an Krankheiten und Parasiten, gegenüber denen sie kaum Widerstandskraft besitzen. Im oben erwähnten Experiment von D. Haag: „ Gruppe I: „Hungergruppe“. Phase 1: 8 Nestlinge. Ein Nestling...
überlebte. Alle anderen Tiere starben zwischen dem 2. und 12. Tag. 3 Nestlinge starben mit vollem Kropf –
alle anderen verhungerten.“. Phase 2: 14 Nestlinge.., von denen 2 starben. ... Die Jungtiere zeigten einen
schweren Entwicklungsrückstand „Kümmerlingsformen“...“). Haag 1984, p.120-125).
4. Beobachtungen aus verschiedenen Städten lassen sich dahingehend interpretieren,
dass Tauben bei günstiger Nahrungsversorgung ihre Brutsaison ausdehnen können (z.B.
Janiga 1987 in Bratislava, Slowakei). Wird nur im Winter Futter angeboten, kommt es sogar vor, dass an bestimmten Stellen bevorzugt im Winter gebrütet wird (so in Toronto, Kanada beobachtet: Ewins & Bazely 1995). Auch Schachtelbruten werden durch günstige
Nahrungsversorgung gefördert.
Schließlich stirbt noch ein hoher Anteil der ausgeflogenen Jungtauben im ersten Lebensjahr an Nahrungsmangel, weil sie bei der Futtersuche unerfahren sind und auch nicht mit
den kräftigeren Altvögeln konkurrieren können (Sol et al. 1998). In Slupsk/Polen starben
z.B. 45% der ausgeflogenen Jungtauben im ersten Jahr (Hetmanski 2006).
Eine optimale Nahrungsversorgung der Altvögel bedeutet nur einen guten Bruterfolg,
wenn dieser nicht durch andere Faktoren begrenzt wird. Bei den meist gut gefütterten Tauben unserer Stadtzentren ist dieser Faktor meist das Angebot an Nistplätzen. Optimal ernährte Vögel können unter extrem günstigen Bedingungen 10 Junge im Jahr erfolgreich
großziehen - höchster beobachteter Durchschnittswert: 10,6 Junge pro Paar und Jahr an
Getreidesilos in den Manchester Docks, England (Murton et al. 1973), gefütterte Haustauben erreichen sogar bis ca. 20 (Levi 1974, zit. nach Johnston & Janiga 1995). Der tatsächliche durchschnittliche Bruterfolg in Mitteleuropa pro Paar und Jahr liegt aber bei 3-4 Jungvögeln - und damit in der gleichen Größenordnung wie bei den wilden Felsentauben. In
den z. T. übervölkerten Brutkolonien in Basel beobachtete Haag (1984) Werte zwischen
1,1 und 4,0 Jungen pro Paar und Jahr. Solche niedrigen Werte sind durchaus nicht ungewöhnlich (z.B. in Brno 1981: 1-6 Junge, Durchschnitt 2,08, Pikula et al. 1981. Zahlreiche
weitere Werte zusammengefasst in Johnson & Janiga 1995). Die wenigen zum Brüten geeigneten Stellen werden dann von viel zu viel Tieren aufgesucht, die aufgrund des günstigen Futterangebots nicht abwandern, vor Ort aber keine Ausweichmöglichkeit besitzen
(Haag spricht anschaulich von „Taubenslums“). Ein Teil der Tiere kommt nun gar nicht
mehr zur Brut (und verbleibt als Brutreserve bei abfallenden Populationsgrößen), stört
aber die brütenden Tiere, so dass der Bruterfolg abfällt (Marchesan 2002). Andere Tiere
versuchen an völlig ungeeigneten Orten zu brüten, z.B. offen auf abfallenden Fassadensimsen o. ä.
Der Nahrungsüberschuss führt zu dem nur scheinbar paradoxen Ergebnis von gut genährten Tauben mit extrem geringem Bruterfolg. Den gut genährten Altvögeln stehen dann die
zahlreichen schwachen und kranken Nestlinge gegenüber, die schließlich zum großen Teil
sterben.
14
Werden aber die Bedingungen soweit verbessert, dass es auch diesen Jungvögeln gut
geht, wird die Populationsgröße steil ansteigen – bis ein anderer Faktor diese wieder begrenzt. Auch dieser Faktor wird dann normalerweise bei den schwächeren und verletzlicheren Jungvögeln greifen.
Die Anzahl der Gelege wird bei Nahrungsmangel nicht reduziert, der Bruterfolg geht
jedoch deutlich zurück.
Bei guter Nahrungsversorgung wird das Angebot an Nistplätzen zum limitierenden
Faktor. Ist auch das Angebot an geeigneten Nistplätzen erschöpft, kann bei guter
Nahrungsversorgung die Populationsgröße sogar wieder abfallen, weil nicht brütende Tiere ihre brütenden Artgenossen stören.
4.3 Hängt der Taubenbestand von entflogenen Briefund Reisetauben ab?
Die Realität in den Städten sieht anders aus, zumal die Immigrationsrate von Brieftauben in unsere Straßentaubenbestände in Wirklichkeit vernachlässigbar ist. In Basel betreuen wir seit 1990 im Rahmen der Basler
Taubenaktion acht Straßentaubenschläge. Bei einem durchschnittlichen Jahresbestand von total 338 Tauben tauchten in unseren Schlägen zwischen 1990 und 1995 nur 13 Brieftauben auf. Nur drei davon, zwei
Täubinnen und ein Täuber, konnten sich etablieren und mit einem Straßentaubenpartner erfolgreich Junge
aufziehen. (Haag-Wackernagel 2003)
In den Schwärmen der Stadttauben ist immer ein gewisser Anteil entflogener oder nicht erfolgreich zurückgekehrter Brieftauben zu finden. Diese sind wegen der Beringung durch
den Züchter leicht kenntlich. In den meisten Untersuchungen wurde ein Anteil von ca. 1%
oder darunter angegeben, hohe Werte von deutlich über 10% melden einige Beobachter
aus holländischen Kleinstädten. Bei den zahlreichen Untersuchungen von Brutkolonien in
europäischen Städten (nicht nur in Basel) wurde in diesen der Anteil der Brieftauben immer als sehr gering oder völlig vernachlässigbar beobachtet. Es ist daher anzunehmen,
dass nicht zurückkehrende Brieftauben sich zwar den Nahrungsschwärmen der Stadttauben anschließen können. Meist sind sie aber (trotz gleicher oder sogar höherer Körpergröße) den Tieren der Wildpopulation bei der Fortpflanzung nicht gewachsen. Dieser Befund
ist nicht erstaunlich, da die Stadttauben ja die Nachfahren der Auslese der zähesten und
am besten für das Stadtleben geeigneten ehemaligen Haustauben-Ahnen darstellen. Auch
die individuell oder von den Eltern erlernten Fähigkeiten und Verhaltensweisen der wild
aufgewachsenen Tiere müssen die Gefangenschaftsflüchtlinge erst erlernen. In Freisetzungsexperimenten erwiesen sich wildlebende Stadttauben sogar gegenüber Felsentauben (d.h. der echten Wildform) unter Stadtbedingungen als konkurrenzüberlegen (Haag
1993). Falls in den Städten keine vitale Straßentaubenpopulation bereits vorhanden wäre
(und damit deren Konkurrenz entfiele) könnten die entflogenen Brieftauben aber sicherlich
eine neue begründen. So müssen sie sich mit der Rolle von randständigen Tieren in den
Nahrungsschwärmen begnügen. Ein hoher Anteil deutet eher auf eine (lokal) geringe Fortpflanzungsleistung der wilden Straßentauben als auf zunehmende Freisetzungen hin.
Das bedeutet: Entflogene Brieftauben haben auf die Populationsgröße der Stadttauben
also im Normalfall gar keinen Einfluss. Alle Untersuchungen zeigen einen hohen Überschuss von Jungtauben in der bereits etablierten Stadttauben-Population (wie bei Wildtieren üblich und zu erwarten). Auch wenn sich ein hoher Anteil entflogener Brieftauben in
der Stadt dauerhaft halten könnte, führt das deshalb äußerstenfalls dazu, dass sich ein
noch größerer Anteil der jungen Stadttauben nicht etablieren kann (kompensatorische
Mortalität). Eine Steigerung der Populationsgröße durch das Freisetzen erwachsener Tiere
15
ist unter solchen Bedingungen unmöglich – genau so und aus den gleichen Gründen, aus
denen umgekehrt eine Tötung erwachsener Tauben zur Bestandsverkleinerung immer erfolglos geblieben ist. Ein Einfluss wäre nur dann denkbar, wenn die Fortpflanzungsleistung
der „echten“ Stadttauben so gering wäre, dass sie ihre potentielle Bestandsgröße nicht
ausschöpfen konnten. Das ist in Kleinstädten oder Dörfern (mit niedrigen Häusern und
deshalb ungünstigen Brutmöglichkeiten) denkbar, in Großstädten aber völlig abwegig. Ein
„Taubenproblem“ gäbe es unter diesen Bedingungen nicht.
Entflogene Brieftauben sind den an das Stadtleben angepassten Stadttauben unterlegen Da normalerweise schon so viele Stadttauben in einer Stadt leben, wie sie
dort Lebensmöglichkeiten besitzen, kann der Bestand durch entflogene Brieftauben
nicht dauerhaft vergrößert werden.
16
5. Taubenhäuser als Strategie zur
Bestandsregulierung von Stadttauben
5.1 Taubenhäuser und Taubenschläge - die neue
Standardmethode?
Taubenhäuser bzw. Taubenschläge werden seit ca. 10 Jahren in zahlreichen deutschen
Städten als Methode zur Bestandsregulierung eingesetzt. In den letzten Jahren mehren
sich Darstellungen, die diese Methode als Standardmethode oder sogar als einzige erfolgversprechende Methode propagieren.
Die Wirkungsweise der Taubenschlag-Methode wird in Kurzform so beschrieben:
Das Konzept beruht auf: Bindung der Tauben an Schläge, kontrollierte Fütterung sowie Geburtenkontrolle
durch Austausch der Gelege mit Ei-Attrappen. Sobald die Tauben durch regelmäßige Fütterung an die
Schläge gebunden sind, halten sie sich dort den Großteil des Tages auf und nisten.
Das führt zu folgendem Erfolg:
- die Vermehrung der Tauben reduziert sich,
- die Verschmutzung in den Städten verringert sich, da bis zu 80 Prozent des Kotes in den Schlägen ausgeschieden werden.
Die Tauben sind satt und durch das artgerechte Futter auch gesund
(Vortrag Dr. C. Baumgartl-Simons auf der Essener Stadttauben-Tagung)
Eine ausführliche Darstellung der Taubenschlag-Methode liefert die Informationsmappe
der BAG Stadttauben 2007 (unter www.tierrechte.de/pdf/content/themen/stadttauben/konzept_a.pdf abrufbar).
Taubenschläge wurden im Zusammenhang mit der Regulierung von Stadttaubenbeständen von D. Haag-Wackernagel bei der Basler Taubenaktion erfunden und erstmals eingesetzt. Tierschützer und Taubenregulierer in aller Welt haben die Idee der Taubenschläge
aufgegriffen, wenden sie aber anders als ihr Erfinder an. In Deutschland gehören Rudolf
Reichert in Augsburg und Elli Heß in Aachen zu den ersten, die Taubenschläge als bestandsregulierende Maßnahme eingesetzt haben. In der von Ihnen entwickelten Form (als
„Augsburger Modell“ bzw. Aachener Modell“) wurden sie in zahlreiche weitere Städte übertragen. Die meisten deutschen Anwender haben sich in einer Interessengruppe, der „Bundesarbeitsgruppe Stadttauben“ zusammengeschlossen, die lose dem Tierschutzverband
„Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.“ angegliedert ist.
In Nordrhein-Westfalen hat sich die „Initiative Stadttauben NRW“ gegründet, die sich als
Zusammenschluss und Interessenvertreter der Anwender versteht. Die von diesen Akteuren entwickelte und angewendete Methode wird heute sehr einheitlich bundesweit von
zahlreichen Initiativen und Stadtverwaltungen übernommen.
Taubenschläge werden z.B. in der vom MUNLV herausgegebenen Broschüre „Tauben in
unseren Städten – Konzept einer tierschutzgerechten und ökologisch sinnvollen Bestandskontrolle der Stadttauben“ als Methode empfohlen. Diese Broschüre wurde allerdings nicht
vom Ministerium selbst, sondern vom Beirat für Tierschutz des Landes NRW verfasst. Sie
ist heute vergriffen und wird nicht wieder aufgelegt.
17
Im Land Baden-Württemberg hat der Landesbeirat für Tierschutz eine auf der Taubenschlag-Methode basierende Handlungsempfehlung im Jahr 2005 herausgegeben. Diese
wird vom Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum offiziell unterstützt.
Auch in Niedersachsen wurde die „Loseblattsammlung zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle von Stadttaubenpopulationen“ vom Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen
herausgegeben, sie empfiehlt ebenfalls den Einsatz von Taubenschlägen.
Im Land Rheinland-Pfalz soll das Umweltministerium die Taubenschlag-Methode in einem
Brief an die Städte und Landkreise zur Nachahmung empfohlen haben.
Hinweise auf entsprechende Empfehlungen oder Konzepte aus anderen Bundesländern
wurden nicht gefunden. Eine offizielle Empfehlung für den Einsatz von Taubenschlägen
zur Bestandskontrolle liegt damit (nur) für das Bundesland Baden-Württemberg und evtl.
für Rheinland-Pfalz vor. In diesen Bundesländern sowie in NRW sind auch die meisten Anwendungsbeispiele zu finden.
Als Beleg für die Anerkennung der Initiativen kann auch auf verschiedene Tierschutz-Auszeichnungen verwiesen werden. Minister Eckhart Uhlenberg hat 2007 den ersten Tierschutzpreis NRW an die Arbeitsgruppe Stadttauben Aachen verliehen. Die Arbeitsgruppe
wurde damit für die besonders artgerechte Tierhaltung ausgezeichnet. Das Ministerium für
Umwelt Rheinland-Pfalz verlieh den Tierschutzpreis 2007 an die Stadttauben-Initiative Bad
Kreuznach. Hessens Umweltminister Dietzel verlieh den Tierschutzpreis 2006 an das
Frankfurter Ehepaar Stürmer für ihr Taubenprojekt. Die Initiatorin und der hauptsächliche
Betreuer des Esslinger Stadttaubenkonzepts wurden 2005 mit dem Landestierschutzpreis
ausgezeichnet.
Verlief die Weitergabe der Methode anfangs über Mund-zu-Mund Propaganda oder Nachahmung der Beispiele aus Nachbarstädten, hat in jüngster Zeit über die „Erste Deutsche
Stadttauben-Tagung“, die am 6.November 2007 in Essen stattfand und bundesweit sehr
starke Beachtung fand, eine systematischere Werbung für die Methode eingesetzt. U a.
die Anregungen der Tagung führten auch im Rat der Stadt Bochum zu entsprechenden
Anfragen, die damit Anlass für die Erstellung dieses Gutachtens wurden.
Taubenhäuser in Verbindung mit dort regelmäßig stattfindender Fütterung binden
Tauben an diesen Standort. Wenn Eier durch Attrappen ausgetauscht werden, kann
sich die Vermehrung der an das Taubenhaus gebundenen Tiere reduzieren. Die Verschmutzung durch solche Taubenhaustauben bleibt weitgehend auf diesen Standort beschränkt.
Die Methode wird heute in zahlreichen Städten angewendet. Innerhalb Deutschlands
empfehlen die Länder Baden Württemberg, Niedersachen und Rheinland-Pfalz den
Betrieb von Taubenhäusern zur Bestandskontrolle. Die Verfasser der entsprechenden Schriften sind jeweils die Tierschutzbeiräte der Ministerien.
5.2 Misserfolg vorher angewandter Bekämpfungsstrategien
Der große Widerhall, den die Taubenschlag-Methode findet, ist auf die Erfolgsberichte in
zahlreichen Städten, die sie angewendet haben, zurückzuführen (zu den Berichten vgl. unten). Eine Rolle spielt auch, dass andere Strategien in den letzten Jahren in Misskredit geraten waren.
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5.2.1 Abschuss und Fallenfang
Bis Mitte der achtziger Jahre wurde in vielen Städten versucht, den Taubenbestand durch
Abschuss erwachsener Tauben oder durch Fallenfang zu regulieren. Obwohl einige mutmaßen, entsprechende Aktionen liefen manchmal evtl. „diskret“ und ohne große öffentliche Ankündigung weiter, ist das Abschießen von Tauben heute offensichtlich weithin aus
der Mode gekommen. Grund für den Rückgang war in erster Linie die stärkere Beachtung
des Tierschutzes in der Öffentlichkeit, die für Bekämpfungsmethoden, zumal gegen Wirbeltiere, die auf Tötung beruhen, heute kaum noch Akzeptanz erzielen lassen. Im Gegensatz etwa zu den unpopulären Wanderratten haben Tauben außerdem ein besseres
Image, sie sind seit Jahrhunderten als Symboltiere und Friedensboten geachtet. Dieses
Bild konnte durch die Diskriminierung als „Ratten der Lüfte“ nicht verdrängt werden. Weiterhin waren die Abschussaktionen in der Regel bemerkenswert erfolglos. Trotz hoher Abschußzahlen blieben die Taubenbestände gleich oder stiegen sogar noch weiter an (durch
Zählungen nachgewiesen z.B. in Barcelona: Sol & Senar 1992). Vater (2000) führt als Ergebnis seiner Umfrage bei deutschen Städten die Stadt München an: „Selbst höchste Fangquoten in den Jahren 1964 bis 1969 zwischen 14.000 und 18.000 Tauben/Jahr (28% bis 45% des Gesamtbestandes) brachten keine erkennbare Auswirkung auf die Gesamtzahl.“ Abschätzungen (z.B. von
Kautz & Malecki 1990 nach wissenschaftlich begleiteten Versuchen im Bundesstaat New
York, USA) lassen vermuten, dass zur nachhaltigen Senkung der Bestände Jahr für Jahr
etwa ein Drittel des erwachsenen Bestands geschossen werden müsste. Das ist innerhalb
der Städte vermutlich schon rein technisch unmöglich.
5.2.2 Taubenpille
Der Einsatz von Chemosterilantien und Kontrazeptiva, meist als „Taubenpille“ bezeichnet,
wurde in zahlreichen Feldversuchen in europäischen Städten getestet. Der Einsatz der
Mittel ist danach äußerst schwierig zu steuern. In hohen Dosen wirken sie gesundheitsschädlich bis tödlich giftig, in niedriger Dosierung bleiben sie wirkungslos. Die Mittel wirken
auch bei anderen Vogelarten, so dass sichergestellt werden muss, dass allein Tauben den
Wirkstoff aufnehmen können. Das ist eigentlich nur im Rahmen eigens zu diesem Zweck
durchgeführter kontrollierter Fütterungen denkbar. Diese setzen voraus, dass die Tiere
hungrig genug sind und nicht bereits an zahlreichen anderen Stellen gefüttert werden, ansonsten wird immer nur ein kleiner Teil der Population von der Maßnahme erreicht werden. Sie dürfen aber auch nicht so hungrig sein, dass die stärksten Männchen das ganze
behandelte Futter für sich beanspruchen und die schwächeren Tiere vertreiben (die Methode wirkt dann für die stärksten Tiere letal und damit geradezu als Selektion auf kleine
und schwache Tauben). Der Einsatz von „Taubenpillen“ wäre ggf. eine Daueraufgabe, die
Wirkung würde mit Beendigung der Anwendung enden.
Obwohl Feldversuche gezeigt haben, dass es gelegentlich möglich ist, mit der Methode
die Fortpflanzung von Tauben zu vermindern (z.B. Müller 2002 in Hannover, Dobeic 2003
in Ljubljana), haben die Schwierigkeiten, der Aufwand bei der Anwendung und die zahlreichen Misserfolge dazu geführt, dass heute Taubenpillen nicht mehr eingesetzt werden.
Giunchi et al. (2007) raten nach Versuchen in italienischen Städten generell vom Einsatz
ab. Auch Kostengesichtspunkte sprechen gegen die Anwendung; das in Hannover eingesetzte Mittel „Fertistopp 99“ der Fa. Xenomed sollte in einer für den Jahresbedarf von 80
Tauben ausreichenden Menge 1450.- DM kosten (die Firma existiert heute offensichtlich
nicht mehr)
Kein Wirkstoff mit entsprechender Wirkung ist zurzeit als Tierarzneimittel zugelassen, so
dass ein Einsatz ohnehin allenfalls noch versuchweise in Betracht käme. Entsprechende
Versuche sind gegenwärtig offenbar nicht mehr geplant.
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5.2.3 Falken
Bekämpfungsaktionen, die sich den Abschreckungseffekt von Falken auf Tauben zunutze
machen wollten, sind insbesondere in Großbritannien berühmt geworden, wo Falkner auf
dem Londoner Trafalgar Square und auf dem Tenniscourt von Wimbledon im Einsatz waren. Entsprechende Einsätze wurden in verschiedenen deutschen Städten ebenfalls getestet. Während die Falkner ihre abgerichteten Vögel in der Regel die Tauben schlagen
ließen, wiesen einige Kollegen darauf hin, dass das zur Abschreckung der Tauben unnötig
sei und das reine Überfliegen genüge („Die Tauben wissen sehr genau, wie ein Falke aussieht“). Da der Einsatz von gezähmten Falken problematisch und teuer ist, kam als Kuriosität in den letzten Jahren ein mechanischer Wanderfalken-Nachbau namens „Robohawk“
zum Einsatz. Einige Städte versuchten auch, Wanderfalken oder andere Greifvögel als frei
lebende Brutvögel anzusiedeln, um das Problem zu lösen.
Trotz einiger enthusiastischer Berichte aus der Anfangszeit (die vielleicht vor allem mit
dem Überraschungseffekt und dem Neuigkeitswert zusammenhingen) hat sich der Einsatz
von Falken generell nicht bewährt. Das ist weiter nicht überraschend, da Felsentauben seit
Jahrmillionen von Falken gejagt werden und auch ihre städtischen Nachkommen im Verhalten noch gut daran angepasst sind. Viele Forscher deuten z.B. den Zusammenschluss
der Tiere zu Nahrungsschwärmen als eine Anpassungsstrategie gegen Greifvögel.
Tatsächlich sind alle Versuche, Taubenpopulationen mittels einem oder mehrerer abgetragener (= abgerichtet; Anm. d. Verf.) Greifvögel zu reduzieren oder nur zu vertreiben, Scharlatanerie. ... Wenn überhaupt ist
das Vorhaben nur dann erfolgversprechend, wenn die Vergrämung über den ganzen Tag, 365 Tage im Jahr,
mit mehreren Greifvögeln und mit Begleitmaßnahmen wie Lebendfang in Fallen durchgeführt wird (wie z.B.
im Burj-al-Arab-Hotel in Dubai). Wer die Kosten von EUR 150.000 tragen kann, mag es versuchen. (aus
Falknerei.de: „Das Internetportal der deutschen Falknerei“).
Abschuss- und Fangaktionen werden heute aus Tierschutzgründen nicht mehr angewendet. Selbst in Städten mit höchsten Fangquoten führten sie zudem nicht zu einer erkennbaren Reduzierung des Gesamtbestandes.
Auch Taubenpillen werden nicht mehr eingesetzt. Der Betreuungsaufwand und die
Kosten sind ausgesprochen hoch. Fehldosierungen führen leicht zu Vergiftungen
einerseits oder Wirkungslosigkeit andererseits. Ihre Aufnahme durch andere Vogelarten ist kaum zu vermeiden; die Mittel wirken bei diesen in gleicher Weise.
Für einen erfolgreichen Einsatz von Greifvögeln zur Vergrämung von Stadttauben
gibt es kein belegtes Beispiel.
20
5.3 Wie wirken Taubenhäuser? Die Argumentation der
Betreiber
Betrachtet man nun die ausführlichen Darstellungen der Methode durch ihre Befürworter,
ist es auffallend, dass an vielen Stellen auf die zahlreichen Erfolge und Vorteile von Taubenhäusern hingewiesen wird, die Aussagen über die Wirkungsweise aber bemerkenswert
vage bleiben. Die meisten Befürworter begnügen sich dabei mit folgenden Argumenten:
a) Die Methode werde in vielen anderen Städten auch erfolgreich eingesetzt, und noch
mehr würden sich dafür interessieren.
b) Die Methode sei in der Basler Taubenaktion von D. Haag-Wackernagel erfolgreich wissenschaftlich getestet worden.
c) Seit dem Installieren des Taubenschlags/Taubenhauses wären bereits zahlreiche Eier
entnommen und gegen Attrappen ausgetauscht worden. Damit wäre der Bestand vielleicht
gesenkt, zumindest aber ein entsprechender Populationsanstieg verhütet worden.
Diese Argumente sind zur Begründung von Taubenhäusern nicht wirklich überzeugend.
Zu a) Verfolgt man die Argumentationskette der Referenzprojekte einmal im Detail, drängt
sich der Eindruck einer gewissen Zirkelhaftigkeit auf. Zahlreiche Projekte verweisen aufeinander als erfolgreiche Beispiele. Sehr wenige Projekte benennen zumindest Indizien für
an Ort und Stelle erzielte Erfolge. Häufigster genannter Erfolgsmesser ist dabei die Anzahl
der Bürgerbeschwerden und -proteste, die zurückgegangen seien. Dies kann freilich bereits daran liegen, dass die Bürger gehört haben, dass man ja gerade diese neue Methode
anwende und bald alles sowieso besser werde. Angaben zum Taubenbestand, ja selbst
Angaben zur Anzahl der in den Taubenhäusern angesiedelten Tauben, sucht man vergebens. Obwohl diese Projekte also in ihrer Selbstdarstellung keine oder nur sehr vage Erfolgsmeldungen für sich selbst in Anspruch nehmen, werden sie dennoch von anderen Initiativen als erfolgreiche Referenzen aufgeführt. Als ein Beispiel unter vielen sei das von
fast allen Befürwortern gelobte „Aachener Modell“ genannt. Frau Heß, die Initiatorin der
Aktion, sagte 2005, d.h. nach 10 Jahren Durchführung, selbst in einem Radiointerview
(WDR5): „Bis dato sind es de facto nicht weniger Tauben geworden.“ Dennoch wird Aachen fast
überall als besonders schlagender Erfolg der Methode angeführt.
Es ist naturgemäß schwierig, den Erfolg einer Methode zu beurteilen, die zur Bestandsregulierung der Taubenbestände dienen soll, wenn die zu regulierenden Bestände weder
vorher noch nachher erfasst worden sind. Zur Begründung dieses Umstands wird etwa
darauf verwiesen, dass es sehr schwierig sei, die Tauben wirklich zu zählen. Das Zählen
von brütenden Stadttauben ist tatsächlich eine anspruchsvolle Aufgabe, die etwa von Einzelpersonen kaum geleistet werden kann. Eine Gruppe von engagierten Ehrenamtlichen,
die sich mit Tauben gut auskennt- wie etwa eine Taubeninitiative- kann eine solche Zählung aber mit überschaubarem Aufwand leisten. Bei ernsthaftem Interesse ist es evtl. auch
möglich, Hilfe und Unterstützung, etwa von örtlichen Ornithologen (z.B. NABU-Ortsgruppen) zu erhalten.
Rühmliche Ausnahme bei den Taubeninitiativen ist die Augsburger Aktion von R. Reichert.
Hier wurden die Tauben wenigstens vor Beginn der Aktion auf fachlich fundierter Grundlage gezählt. Obwohl seitdem keine Wiederholungszählung erfolgt ist, ist damit doch ein
Ausgangsbestand erfasst, an dem der Erfolg messbar wäre. Auch zahlreiche lokale Stellen im Stadtgebiet, an denen sich die Verbesserungen ausgewirkt haben, werden angeführt. Ob die Wiederholungszählung hier aber wirklich an den hohen Kosten scheitert?
21
Wenn die Bestände tatsächlich stark zurückgegangen und fast alle verbleibenden den Betreuern gut bekannt sind, sollte sie doch mit geringem Aufwand zu leisten sein. Der durchführende Verein wagt aber offensichtlich nicht einmal eine Schätzung.
Zu b) Die Basler Taubenaktion ist insbesondere von ihrem Initiator D. Haag-Wackernagel
mehrfach in aller Ausführlichkeit dargestellt worden. Danach dienen die Taubenschläge in
Basel eindeutig nicht zur Bestandsregulierung! Sie wurden eingerichtet „um eine vorbildliche Tierhaltung durch die Stadt zu demonstrieren“ (Haag-Wackernagel 1995, 1998, 2003,
2006 u. a.). Während die Reduktion des Taubenbestands über die Reduktion von Fütterungen angestrebt und erreicht wurde, waren die Taubenschläge lediglich als eine Geste
des guten Willens gemeint. Hier sollte gezeigt werden, dass eine Ausrottung der Stadttauben nicht das Ziel der Aktion war.
Zu seinen deutschen und internationalen Nachahmern hat Haag-Wackernagel sich mehrfach und in aller Deutlichkeit geäußert.
Das „Basler Modell“ sorgte für Aufsehen. Auch in den Taubenhochburgen Hamburg, München, Köln, Berlin
und anderen deutschen Städten horchte man auf. Trotz vieler Absichtserklärungen wurde das Modell außer
in Luzern jedoch bis heute nirgends kopiert: Es scheiterte laut Haag immer am Geld und daran, dass das
Problem „nicht wissenschaftlich angepackt wird“. Kritik übt er damit offen an deutschen Tierschützern als
„gutmeinenden Laien, die sich in ökologische Problematiken einmischen, von denen sie keine Ahnung haben“. (Zur Erklärung: Der Tierschutz in der Schweiz orientiert sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen. In
Basel wurde im Zuge der Kampagne sogar das Töten von hungernden Tauben mitgetragen. In Deutschland
ist der Tierschutz moralischer ausgerichtet.) „Ich habe Drohbriefe bekommen, da hieß es, ich ließe Tauben
verhungern“, sagt der Wissenschaftler. Nicht ohne Verbitterung blättert er in einem der vier mit Korrespondenzen aus 15 Jahren vollgestopften Ordnern, die zusammen mit Taubendevotionalien wie ausgestopften
Exemplaren, etlichen Fachbüchern und Prototypen von tiergerechten Abwehrsystemen aus seinem Büro am
Anatomischen Institut der Universität Basel ein wahres Taubensammelsurium machen. (Artikel „Die Welt“,
5.9. 2007)
“This is the giant misunderstanding,” Haag-Wackernagel told me in his thick Swiss-German accent when I
reached him at home. I had missed the point of his paper altogether. This amused him. Apparently it happens a lot. The dovecotes were irrelevant, he said. The Basel Pigeon Action worked exclusively via “a
change of public opinions” (Artikel New York Times 15.10.2006)
Den Protagonisten der „Arbeitsgruppe Stadttauben“ sagte er dies auch offen und unmissverständlich auf der Esslinger Stadttaubentagung am 22.2.2006 – die (vielleicht deshalb)
von diesen nicht als „erste“ deutsche Stadttaubentagung mitgezählt wird. Auf der nächsten
„ersten“ Stadttaubentagung in Essen (am 6.11.2007) lud man Herrn Haag-Wackernagel
vorsichtshalber nicht mehr ein. Der Hinweis auf seine Arbeiten in den Broschüren, auf den
Homepages etc. als Referenz des eigenen Standpunktes blieb und bleibt aber vielfach
stehen, ein Punkt, der damit nicht mehr als reines Missverständnis entschuldigt werden
kann.
Zu c: Die Entnahme von Eiern in den Taubenschlägen führt evidenterweise zu einer Minderung der Fortpflanzung. Allerdings ist die Frage zu klären, ob diese Minderung relevant
ist. Unzweifelhaft ist die Zahl der entnommenen Eier nicht 1:1 in eine Bestandesminderung
ausgewachsener Tauben umzurechnen, da, wie oben bereits ausgeführt, der Bruterfolg
der wild lebenden Tauben meist deutlich geringer ist als die Eierzahl und selten 3-4 flügge
Jungtiere pro Paar und Jahr übersteigt, manchmal aber auch weit darunter liegt. Nach den
Untersuchungen von Haag-Wackernagel (1984, 1998) überlebten z.B. in Basel insgesamt
über 95% der Nestlinge und Jungtauben nicht das erste Lebensjahr, ohne dass der Bestand abgesunken wäre. Ob die Reduktion der Fortpflanzung auf den gesamten Taubenbestand Auswirkungen hat, hängt logischerweise von der Größe des gesamten Taubenbestandes und dem Bruterfolg der Tiere außerhalb der Taubenschläge ab. Ein reines „Eierzählen“ dokumentiert also nur die Tätigkeit, nicht den Erfolg, zumal wenn die Betreiber,
22
wie leider üblich, zwar genauestens die Zahl der entnommenen Eier angeben, aber keine
Angaben zur Zahl der Brutpaare machen. Es ist also danach völlig unklar, wie viel Eier ein
einzelnes Paar eigentlich pro Jahr gelegt hat. Nach den Literaturangaben könnten es
durchaus 10-12 sein, bei erfolgloser Brut - durch die Eientnahme - eventuell sogar noch
mehr.
Wenn, wie in Augsburg, offensichtlich bereits mehr als die Hälfte der Population in Taubenhäusern (mit Fortpflanzung nahe Null) lebt, aber trotzdem noch eine Stadttaubenpopulation vorhanden ist, die zu groß ist, um sie einfach abzählen zu können, deutet das auf
eine ganz enorme Anpassungsleistung der verbleibenden Wildpopulation hin. Da außerdem bei sinkender Bestandsgröße der Bruterfolg ansteigt, werden die Tiere der Wildpopulation geradezu auf maximale Fortpflanzungsleistung hin (mit Winterbruten etc.) „gezüchtet“.
Viele Initiativen vermeiden die Aussage, der Taubenbestand wäre reguliert worden oder
gesunken. Sie verweisen aber darauf, durch die Eientnahme wäre ein entsprechender,
weiterer Populationsanstieg verhindert worden – eine Aussage, die extrem schwierig zu
überprüfen, aber aus den o. g. Gründen nicht wahrscheinlich ist. Meist wird hier irrtümlicherweise die maximal mögliche Fortpflanzungsrate der Stadttauben mit der tatsächlich
beobachteten durchschnittlichen Rate verwechselt, d.h. die ganz erhebliche Ei-, Nestlingsund Jugendmortalität nicht berücksichtigt.
Wenn die Darstellung der meisten Tierschutzinitiativen zuträfe, die die Stadttaube als
hilfloses, von menschlicher Fütterung abhängiges Haustier beschreiben, welches die Möglichkeit zur natürlichen Fortpflanzungskontrolle verloren hat und bei weniger Nahrung nur
umso mehr Nachkommen bekommt, wären sowieso alle Maßnahmen vergebens, solange
noch irgendwelche Tauben außerhalb der Schläge leben.
Die Aussagen der Betreiber zur Wirkungsweise von Taubenhäusern sind nicht überzeugend. Es gibt nur ein Projekt, bei dem vor Beginn des Betriebes eine Taubenzählung erfolgte; Zählungen nach Betriebsstart wurden bislang in keiner Stadt durchgeführt.
Die Erfolgsmeldungen beruhen am häufigsten auf dem Rückgang von Bürgerbeschwerden. Dennoch werden Projekte von neueren Initiativen als Vorbild benutzt,
obwohl den Aussagen der Betreiber zufolge bislang eine Bestandreduzierung nicht
festgestellt werden kann.
Die Reduktion des gesamtstädtischen Taubenbestandes hängt vom Bruterfolg der
Tiere außerhalb der Taubenschläge ab.
5.4 Wie wirken Taubenhäuser? Überlegungen auf
populationsbiologischer Grundlage
Können Taubenhäuser also erfolgreich sein? Zur Klärung dieser Frage sollen einige Überlegungen im Folgenden dienen. Nach Darstellung der Befürworter handelt es sich bei der
Methode um eine Form der „tierschutzgerechten Geburtenkontrolle“. Der Erfolg soll also
auf der verminderten Fortpflanzungsleistung der Stadttauben beruhen.
1. Die bisherigen Untersuchungen zur Populationsbiologie der Stadttaube deuten darauf
hin, dass für den Taubenbestand vor allem zwei Faktoren – als Schlüsselfaktoren – wesentlich zu sein scheinen: a) das Nahrungsangebot, b) das Angebot an geeigneten Nistplätzen. Fast alle weiteren denkbaren Faktoren können beinahe mit Sicherheit ausgeschlossen werden:
23
Eine Prädation durch Beutegreifer wie Habicht, Sperber oder Wanderfalke kommt vor, spielt aber nach übereinstimmender Einschätzung für die Regulation keine Rolle, weil Prädatoren in der Stadt viel zu selten sind.
Prädation an Nestlingen, dokumentiert z.B. durch Elstern, Marder oder Hausmäuse, sind ebenfalls nur selten
und dann meist bei ungeeigneten Nistplätzen bedeutsam. Dezimierung erwachsener Tauben durch Seuchen
und Krankheiten wurde, im Gegensatz zu anderen Vogelarten, selten beobachtet, berichtet wird nur gelegentlich über erhöhte Sterblichkeit durch die von Viren übertragene Newcastle-Krankheit (oder einen nahe
verwandten Virus). Zu- und Abwanderung von Tauben (etwa in andere Landschaften und Städte) scheint nur
selten und in geringer Anzahl zu erfolgen (zum Einfluss entflogener Brieftauben vgl. o.), die Vögel gelten als
extrem standorttreu. Eine Reduktion der Fortpflanzung in hohem Lebensalter wurde erst ab dem siebten Lebensjahr festgestellt – das entspricht dem maximalen (dokumentierten) Lebensalter, welches Tauben in freier Wildbahn erreichen können. Stadttauben werden nicht bejagt und (aufgrund erwiesener Erfolglosigkeit)
heute auch nur noch selten von Schädlingsbekämpfern getötet. Klimatische Einflüsse, z.B. winterliche Kälte,
können die Tiere nach zahlreichen Untersuchungen zumindest bei ausreichender Nahrungsversorgung kompensieren.
Taubenhäuser wirken sich auf das Nahrungsangebot zunächst nicht aus. Nahezu alle Betreiber füttern „ihre“ Tauben sogar und erhöhen damit das Nahrungsangebot, viele bieten
außerdem sogar zusätzliche Futterplätze (ohne Taubenschläge) an. Dies wird von der
Bundesarbeitsgruppe Stadttauben auch so empfohlen. Da die Methode aber an dem anderen Schlüsselfaktor, dem Bruterfolg, ansetzt, ist eine erfolgreiche Anwendung vom Prinzip her zunächst nicht völlig ausgeschlossen.
2. Wie jede Bekämpfungsmethode kann auch diese nur erfolgreich sein, wenn bestimmte
Faktoren zumindest prinzipiell imstande sind, den Bestand zu regulieren. Sind z.B. gute
Nistplätze und Nahrung im Überfluss vorhanden, kann sich jeder freilebende Taubenbestand (ab einem Paar) beliebig vermehren, der Anstieg wird nur durch die biologisch maximal mögliche Fortpflanzungsrate der Art begrenzt. Der Erfolg jeder lokalen Maßnahme
wird damit in kurzer Zeit zunichte gemacht, wenn sich diese nicht auf den Gesamtbestand
auswirkt. Das Angebot zusätzlicher Nistplätze (nichts anderes stellt ein Taubenschlag dar)
ist unter diesen Bedingungen notwendigerweise wirkungslos, sofern nicht alle Tauben in
den Taubenschlägen nisten (d.h. eine wild lebende Population im eigentlichen Sinne gar
nicht mehr existiert). Bei zahlreichen Untersuchungen hat sich allerdings ergeben, dass
gute Nistplätze in unseren Städten (bezogen auf die tatsächliche Populationsgröße) offenbar knapp sind. Sind Taubenschläge als Nistplatz dann noch attraktiver als die natürlichen
Nistplätze, könnten sie also eine Wirkung besitzen. Dies sollte aber nur für Taubenschläge
in Dachböden etc. gelten, nicht für eigentliche Taubenhäuser, da Tauben eindeutig hoch
gelegene Nistplätze gegenüber niedrigeren bevorzugen. Viele Initiativen melden auch bemerkenswerte Schwierigkeiten, vorhandene Bestände in Taubenschläge umzusiedeln
(trotz Anfüttern und Locktauben).
3. Siedelt man einen bisher freilebenden Taubenschwarm in einen Taubenschlag um und
füttert ihn zusätzlich im Schlag, vermindert sich der Anteil der wirklich noch frei lebenden
Tauben um diese Anzahl. Die nun im Schlag lebenden Tauben müssen kein Futter mehr
suchen und sind überhaupt seltener außerhalb anzutreffen.
Ändert sich aber sonst nichts, wird dieser anfängliche „Erfolg“ in wenigen Jahren wieder
zunichte sein. Ist das Futter, von dem sich diese Tauben bisher ernährten, und die Nistplätze, an denen sie vorher brüteten, noch vorhanden, werden sie durch andere Tauben
genutzt werden – am wahrscheinlichsten durch irgendwo in der Stadt ausgebrütete Jungtauben, die sonst verhungert oder sonst wie zugrunde gegangen wären. Der schöne „Erfolg“ im ersten Jahr wird sich dann jedes Jahr vermindern, bis nach einigen Jahren der alte
Zustand wieder hergestellt ist – plus die Tauben, die nun im Schlag leben.
Recht betrachtet, unterscheidet sich die Situation für die Population in diesem Fall nicht
von den früher praktizierten (und bemerkenswert erfolglosen) Tötungen. Ob die Tauben
des Schwarms nun alle vergiftet und tot sind oder ein versorgtes Dasein im Taubenhaus
führen, ist für die Population zunächst einmal irrelevant (für die einzelne betroffene Taube
24
selbstverständlich nicht!). Anders betrachtet: Der nun betreute Taubenschwarm wäre einem Brieftaubenschwarm eines Taubenzüchters vergleichbar.
Tauben sind, von einigen Quadratmetern rund um das Nest abgesehen, nicht territorial, so
dass bereits vorhandene Tauben neu hinzukommende nicht stören oder gar abschrecken.
Im Gegenteil sind die Tiere gesellig und dulden neu hinzukommende Tiere in ihren Nahrungsschwärmen ohne weiteres.
Natürlich ist es möglich, parallel zur Einrichtung des Taubenschlags andere Nistmöglichkeiten zu vernichten und/oder das Futterangebot zu reduzieren. Diese Maßnahmen wirken
dann aber unabhängig von der zusätzlichen Existenz des Taubenhauses – d.h. ohne dieses genauso gut. Die Notwendigkeit solcher Maßnahmen wird von der BAG Stadttauben
ausdrücklich eingeräumt: Da Tauben sehr ortstreu sind, und ältere Tauben ihren angestammten Brutplatz freiwillig nicht verlassen, müssen wilde Nistplätze im Umkreis des Taubenschlags geschlossen werden.
(BAG Stadttauben 2007).
4. Es könnte aber bedeutsam werden, dass die Tauben im Taubenhaus ja nicht ewig leben. Stirbt in einem voll besetzten Taubenhaus eine Taube, macht sie Platz für eine wild
lebende (zur Erinnerung: Stadttauben werden in freier Wildbahn im Durchschnitt ca. 3 Jahre alt, die ältesten jemals im Freiland beobachteten Tiere waren 8 Jahre alt. Gefütterte, gut
betreute Tiere in einem Taubenschlag werden deutlich älter als 3 Jahre). Sind Taubenhäuser dann attraktiver als Nistplätze außerhalb, können so ständig Tauben in das Taubenhaus gelockt werden, wodurch sich der Überschuss der Population insgesamt vermindert.
Unter diesen Bedingungen kann die Existenz von Taubenhäusern den Bestand tatsächlich
begrenzen oder vermindern (Populationssenke).
Voraussetzung dafür ist freilich, dass mehr Tauben in den Taubenhäusern neu Platz finden, als der noch frei lebende Wildbestand in der Stadt Nachkommen produzieren kann.
Der Anteil der Tauben, die in den Taubenhäusern leben, muss dann also gegenüber der
Gesamtpopulation ziemlich hoch sein – und umso höher, je höher die Vermehrungsrate
liegt. Auf dieser Basis haben bisher lediglich Kleuven et al. (2005) für die Stadt Groningen
versucht, den möglichen Erfolg von Taubenhäusern zu berechnen. Unter ihren Modellannahmen wäre ein Angebot von Taubenhäusern erforderlich, das etwa 10% der gesamten
Population aufnehmen kann.
Gegenüber den Groninger Modellrechnungen wird die Situation aber noch zusätzlich dadurch ungünstiger, als die Autoren hier von einer konstanten Fortpflanzungsrate ausgehen. Die bisherigen Untersuchungen legen es aber nahe, dass günstige Nistplätze in der
Stadt normalerweise massiv übervölkert sind, wodurch die Fortpflanzungsrate der Tauben
stark absinkt. Nach Untersuchungen von Haag (1984) stieg z.B. in einer von ihm untersuchten Brutkolonie die Nestlingsmortalität von 16,1% bei 3 m2 Nistterritorium auf 55,1%,
als infolge Übervölkerung das Nistterritorium auf 1-2 m2 absank. Auch Hetmanski & Barkowska (2007) beobachteten denselben Effekt in Brutkolonien in Slupsk/Polen. Begänne
nun eine Reduktion aufgrund der Taubenhäuser tatsächlich zu greifen, würde auch die
Dichte in den natürlichen Brutkolonien irgendwann absinken. Die Tauben hätten dann wieder mehr Platz und könnten erfolgreicher brüten. Wären gute Brutplätze aber ausreichend
vorhanden, so dass Übervölkerungseffekte auszuschließen wären, könnten Taubenhäuser
aufgrund des geschilderten möglichen Zusammenhangs erst gar nicht wirksam sein (vgl.
o.).
Nach den Ergebnissen von Kautz & Malecki (1990) im Staat New York müsste der Adultbestand einer Taubenpopulation jährlich um über 30% reduziert werden, bis überhaupt ein
Effekt auf die Bestandsgröße sichtbar wird (ob durch Tötung oder durch Übernahme/Zurückführung in den Haustierstand ist für die Population gleich, vgl.o.). Ansonsten wird die
Reduktion durch mehr erfolgreich aufwachsende Jungvögel der Wildpopulation („kompensatorische Natalität“) zunichte gemacht.
25
Um hier keine falschen Hoffnungen zu wecken: Egal ob sich Effekte nun bereits bei der
Umsiedlung von 10% oder von 30% des Taubenbestandes in Taubenhäuser einstellen:
der notwendige Prozentsatz des Bestandes müsste Jahr für Jahr angesiedelt werden. Das
heißt, es müssten jedes Jahr weitere funktionierende Taubenhäuser eingerichtet werden,
mindestens solange, bis die „Erstumsiedler“ den natürlichen Alterstod sterben. Geht man
davon aus, dass die gut versorgten Tauben der Taubenhäuser ein Lebensalter von deutlich über drei Jahren erreichen, müssten die Taubenhäuser insgesamt eine Nistplatzkapazität für einen Taubenbestand in der Größenordnung der frei lebenden Population aufweisen und gleichzeitig müsste die Fortpflanzung der Taubenhaustauben komplett unterbunden sein.
Vergleicht man nun die gemeldeten Zahlen der Nistplätze in Taubenhäusern in den Städten, in denen die Methode bisher durchgeführt wurde, mit der geschätzten Anzahl der dort
lebenden Tauben, stellt man beinahe regelmäßig fest, dass ihre Zahl für eine Populationsverminderung nach diesem Modell nicht ausreichen kann. Ausreichende Zahlen können in
einigen wenigen Städten, vorwiegend süddeutschen Kleinstädten, erreicht worden sein, in
denen die Gesamtpopulation der Stadttauben auf wenige hundert geschätzt wird.
In den vorliegenden Darstellungen lässt sich in einigen Fällen der notwendige Aufwand erschließen. Im „Paradebeispiel“ Augsburg wurde die Zahl der Stadttauben vor Beginn des
Projektes auf 2.000 geschätzt. Inzwischen soll mehr als die Hälfte des Bestands in den
acht Taubenschlägen leben. Dennoch existieren im Stadtgebiet noch heute einige „Brennpunkte“ mit ungelöstem Taubenproblem (R. Reichert: „Das Augsburger Modell“, 2007). Da
die frei lebenden Tauben auf insgesamt 6 zusätzlichen Futterplätzen „offiziell“ gefüttert
werden, ist das natürlich nicht wirklich erstaunlich.
Für die ebenfalls oft genannte Stadt Aachen (mit sechs, neuerdings acht Taubenschlägen)
sei hier beispielhaft auf einen Artikel in der Aachener Zeitung vom 1.10.2007 (d.h. 12 Jahre nach Beginn der Maßnahmen) verwiesen:
...Die Liste der Beschwerden über Taubenkot wird damit länger und länger. Der Bushof mit dem Parkhauszugang, an dem sich auch beschriebenes Geländer befindet, reiht sich nahtlos in die bestehenden Problemzonen ein. Die Stadt bemüht sich weiterhin, dem Problem mit Taubenhäusern - etwa am Kaiserplatz - und
kontrollierten Futterstellen zu begegnen. Offenbar mit Erfolg: «Wir haben keine Erkenntnisse, dass es
schlimmer ist als sonst», sagt Rita Klösges.
Diese Beispiele lassen im Extremfall den Schluss zu, dass das Problem wirklich erst dann
mit der Methode „gelöst“ wäre, wenn alle Tauben im Schlag leben. Oder, anders ausgedrückt: Die Existenz der Taubenschläge wirkt sich auf die verbleibende Population außerhalb der Schläge möglicherweise überhaupt nicht aus.
Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass sich ein Taubenschlag auch dann füllt, also „angenommen“ wird, wenn er einfach neue und zusätzliche Brutplätze für Jungtauben bereitstellt. Die bereits etablierten Alttauben bleiben dann einfach bei ihren Nistplätzen, die dort
überzähligen Jungtauben auf der Suche nach Nistmöglichkeiten, die sonst gar nicht zur
Brut gekommen wären, ziehen ins Taubenhaus. Der gesamte Taubenbestand wird sich
unter diesen Bedingungen geringfügig vergrößern, und zwar um die Tauben, die nun im
Taubenhaus leben können. Mit „Bestandesregulierung“ hat dies dann gar nichts mehr zu
tun (obwohl man auch hier fleißig Eier absammeln kann).
Bestandsregulierende Faktoren sind das Nahrungsangebot und das Angebot an geeigneten Nistplätzen. Von Wissenschaftlern angestellte Berechnungen gehen davon
aus, dass erst dann, wenn jedes Jahr 10 bis 30% der Gesamtpopulation in Taubenhäusern angesiedelt wird, Bestandsrückgänge möglich sind. Empirische Untersuchungen zu dieser Fragestellung gibt es nicht. Die parallele Reduzierung anderer
26
Nistplätze oder des Futterangebotes kann den Bestand reduzieren. Diese Maßnahmen wirken jedoch auch unabhängig vom Betrieb der Taubenhäuser.
5.5 Gibt es Erklärungen für Erfolgsmeldungen, die
nicht ursächlich auf den Betrieb von
Taubenhäusern zurückgehen?
Ein Erfolg der Taubenschlag-Methode über Geburtenkontrolle des Taubenbestands ist im
Lichte des anerkannten populationsbiologischen und ökologischen Fachwissens damit so
gut wie ausgeschlossen.
Wie sind bei dieser eher ernüchternden Ausgangslage ernstzunehmende Berichte über
Erfolge mit Taubenschlägen erklärbar? Auch wenn man einmal davon absieht, dass noch
für keine Anwendung in einer Stadt ein Erfolg tatsächlich, mit Bestandszahlen belegt,
nachgewiesen worden ist, deuten einige qualitative Erfahrungsberichte ja durchaus auf gewisse Erfolge zumindest an einigen Orten hin. Im Folgenden werden einige mögliche Faktoren diskutiert, die diese Meldungen erklären könnten. Da keine Daten vorliegen, sind alle
Aussagen spekulativ; abgesicherte Aussagen sind zurzeit nicht möglich.
1. Der Betrieb von Taubenhäusern in Kombination mit der Verminderung von geeigneten
Nistplätzen kann in einer Übergangszeit hilfreich sein
Wenn in einer Stadt das Angebot an Nistplätzen massiv vermindert wird, ohne dass das
Nahrungsangebot zurückgeht, können für eine begrenzte Übergangszeit die Problemmeldungen sogar zunehmen. Wenn günstige Nistmöglichkeiten wegfallen, indem z.B. Dachböden verschlossen werden, die hier früher nistenden Tauben aber noch leben, versuchen
sie verständlicherweise anderswo zu brüten, auch an völlig ungeeigneten Stellen gänzlich
ohne Bruterfolg. Eventuell treten nun verstärkt Tauben an Fassaden oder auf Häusern auf,
wo sie vorher unauffälliger waren. Die Situation würde sich hier von selbst regeln, sobald
die betroffenen Tauben aufgrund natürlicher Faktoren nach und nach sterben und so der
Bestand abnimmt, also nach ca. 3 Jahren. Werden diese Tauben vorher in ein Taubenhaus umgesiedelt, ist dagegen sofort ein Erfolg sichtbar.
2. Der Bestand an Tauben nimmt ohnehin gerade ab, so dass auch unwirksame Maßnahmen scheinbar Erfolg haben können.
Dieser Ansatz ist nicht so unrealistisch, wie er sich vielleicht zunächst anhört. Tatsächlich
liegen aus ornithologischen Untersuchungen in verschiedenen Städten für die letzten Jahre Hinweise auf stagnierende oder sinkende Taubenzahlen vor. Die Phase des stürmischen Bestandeswachstums von den fünfziger bis Anfang der achtziger Jahre scheint ihr
Ende erreicht zu haben. Bestandseinbrüche in Ostdeutschland, z.B. in Berlin oder Dresden, sind am besten dokumentiert. Entsprechende Abschätzungen liegen aber auch z.B.
für die Stadt Dortmund vor. Für den Einbruch der Taubenzahlen sind verschiedene Gründe möglich, wobei Wetter und Klima wohl keine Rolle spielen. In Ostdeutschland wird die
zunehmende Sanierung von Altbauten und der Abriss leer stehender Häuser als wichtigster Grund genannt, der in ähnlicher Form sicher auch hier eine Rolle spielen kann.
3. Taubenfütterer werden zu Taubenhausbetreuern
Nach allen veröffentlichten Untersuchungen, aber auch nach den Ergebnissen von Gerichtsverhandlungen etc. zeichnen sich viele Taubenfreunde durch hohen Einsatz, Selbstlosigkeit und Entschlossenheit aus. Viele opfern ein Großteil ihrer Freizeit und ihres Ein27
kommens, um den Tauben (vermeintlich) zu helfen. Solche Personen davon zu überzeugen, nun untätig zu bleiben, ist schwierig. Es erscheint aber durchaus denkbar, dass zumindest einigen Taubenfreunden die Mitarbeit in einer Taubenhaus-Initiative eine interessante Alternative bietet. Solche Initiativen sind in der Regel in der Tierschutzszene verwurzelt und damit für die Betroffenen attraktiv und glaubwürdig. Von zahlreichen Initiativen
liegen in der Tat Berichte über eine erfolgreiche und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit
den örtlichen Taubenfütterern vor. Auch wenn sich die Initiativen zum Nutzen oder Schaden von Fütterungen unklar und zweideutig äußern, würde eine Umstellung einiger passionierter Taubenfütterer zu Taubenhaus-Betreuern sicher hinreichen, das Futterangebot außerhalb der Taubenhäuser und damit den Taubenbestand zu verkleinern. Ein einziger
passionierter Fütterer kann leicht einige hundert Tauben ausreichend mit Futter versorgen.
4. Der „Erfolg“ besteht nur darin, dass überhaupt etwas getan wird
Dieser Faktor erscheint von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Mit der Erfolglosigkeit
der klassischen Schädlingsbekämpfung und dem neuen Tierschutzrecht war die bisherige
Strategie der Kommunen nicht fortzuführen. Fütterungsverbote auszusprechen war leicht,
sie auf administrativem Wege auch durchzusetzen erwies sich meist als unmöglich. Die
Übernahme des „Basler Modells“ scheiterte nicht nur an den Kosten, sondern auch an der
mangelnden Akzeptanz der deutschen Tierschützer, die nicht wie ihre Schweizer Kollegen
bereit waren, diesen Weg mitzutragen. Gleichzeitig werden weiterhin die alten Probleme
gemeldet und energisches Handeln von der Verwaltung gefordert. Die Versuchung ist
dann groß, eine Methode anzuwenden, deren ungewisse Erfolgsaussichten auch den
Protagonisten in der Regel klar sein dürfte. Die Verwaltung kann darauf verweisen, dass
„etwas getan“ wird und hat zumindest etwas Luft gewonnen – schließlich müssen ein paar
Jahre abgewartet und der Methode eine Chance geben werden. Vielfach wird als Erfolgsnachweis bereits gewertet, dass es nicht noch schlimmer geworden sei. Außerdem bleiben der Stadt zumindest bizarre Alternativen wie die „Taubenpille“ oder der mechanische
Wanderfalken-Nachbau „Robohawk“ erspart, die noch mehr kosten würden.
5. Außerhalb der Großstadtzentren kann es tatsächlich gelingen, den gesamten Bestand
umzusiedeln.
Die besten Erfolge mit der Taubenschlag-Methode werden nicht aus den Stadtzentren gemeldet. Glaubwürdige Erfolgsberichte liegen vor allem von isolierten Großbauten vor, z.B.
Krankenhäusern, Werkshallen, historischen Türmen u. ä. In diesen Fällen ist es gelegentlich wohl tatsächlich möglich, den gesamten Brutbestand in einen Taubenschlag umzusiedeln. Dies wird dadurch erleichtert, dass die Tauben ohnehin dazu neigen, sich zur Nahrungssuche zu Schwärmen zusammenzufinden. Kann man einen solchen Schwarm mit
Futter in einen Taubenschlag locken und hier ansiedeln, ist das lokale Problem aufgrund
der Ortstreue der Tauben deutlich entschärft. Bilden die Tauben eines solchen Gebäudes
eine weitgehend abgeschlossene, nicht zu große Lokalpopulation, sollte eine dauerhafte
Bestandskontrolle möglich sein, weil die (aufgrund der Ortstreue der Tauben nur wenigen)
von außen neu hinzukommenden Tiere dann evtl. auch in den Schlag gelockt werden können. Ein solcher Erfolg hängt aber entscheidend davon ab, dass der Taubenschlag für die
Tiere deutlich attraktiver ist als die natürlichen Brutplätze und diese vollständig aufgegeben werden. Andernfalls ist kein Erfolg möglich.
6. Ablenkungsfütterungen verschleiern das Problem eine Zeitlang
Begleitend zu den Nistmöglichkeiten stellt der Taubenschlag in der Regel auch ein Futterangebot bereit. Dieses soll die Tiere in den Schlag locken und sie an ihn binden. In der
Regel werden hier zahlreiche nicht oder andernorts brütende Tauben mit gefüttert. Zusätzlich zu der Fütterung im Taubenschlag sind in zahlreichen Städten (z.B. auch in den Paradebeispielen Aachen und Augsburg) weitere Futterplätze eingerichtet. Manche Initiativen
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(z.B. in Würzburg oder in Witten) verzichten beinahe ganz auf Taubenschläge und setzen
vor allem auf Futterstellen.
Dieses reichhaltige Futterangebot soll verschiedene Ziele erreichen. Für die Tierschutzinitiativen ist vor allem wesentlich, dass auch schwächere Tauben, Jungtiere und Nestlinge
genügend gesunde, artgerechte Nahrung erhalten. Die Städte erhoffen sich von den Futterstellen vor allem, dass die Tiere aus den Zentren und Fußgängerzonen weggelockt werden.
Dieses Ziel kann mit solchen Futterstellen durchaus erreicht werden – allerdings nur für
kurze Zeit. Danach verschlimmern sie das Problem. Durch die Fütterungen wird der
Brutbestand und Bruterfolg der noch wild lebenden Stadttauben notwendigerweise stark
gefördert. Wenn keine Nestlinge mehr sterben müssen, nimmt logischerweise bald die
Zahl der erwachsenen Tauben zu. Diese verursachen eine Zeitlang keine besonderen
Probleme – sie sind ja meist an den Futterstellen und verhalten sich unauffällig. Der
Bestand nimmt aber weiter zu und das Futter reicht irgendwann nicht mehr aus. Man kann
nun entweder die Futtermenge erhöhen, oder bekommt wieder die ursprünglichen
Taubenbestände in der Innenstadt.
7. Das Füttern von Tauben lässt nach.
Die soziale Akzeptanz des Taubenfütterns scheint insgesamt nachgelassen zu haben.
Auch wenn sich davon langjährig aktive Taubenfreunde kaum beeindrucken lassen, ist es
durchaus möglich, dass sich mit dem altersbedingten Ausscheiden so mancher
„Taubenmütter“ oder „-väter“ das Futterangebot insgesamt zurückgeht.
8. Prinzip Hoffnung
Bei der Einführung neuer Taubenschläge an bisher sehr problematischer Stelle gelingen
zahlreichen Berichten nach manchmal verblüffende Anfangserfolge schon im ersten oder
zweiten Jahr. Diese sind logischerweise nicht anders zu erklären, als dass durch die Umsiedlung bereits vorher in der Nähe dieser Standorte brütende Tauben nun nicht mehr auffallen. Einen Einfluss auf die Fortpflanzungsrate bzw. die Bestandsgröße hat dies nicht.
Wenn andernorts in derselben Stadt noch Tauben erfolgreich wild brüten, können diese
Erfolge nicht von Dauer sein. Sie wecken aber die Hoffnung, mit ein bisschen zusätzlicher
Anstrengung habe man das Problem vollständig im Griff. Ist der oben beschriebene Mechanismus aber der wesentliche Grund für diese Erfolge, wäre tatsächlich die Umsiedlung
aller wild lebenden Tauben erforderlich. Jedes einzelne noch wild brütende Paar kann den
Erfolg dann in wenigen Jahren zunichte machen.
Der Erfolgt der Taubenschlagmethode ist angesichts des anerkannten, populationsbiologischen Fachwissens so gut wie ausgeschlossen, solange es nicht gelingt,
einen ausreichend großen Teil der Gesamtpopulation in das Taubenhaus umzusiedeln.
Die zurzeit verbreiteten Erfolgsmeldungen lassen sich auch durch andere Effekte erklären, z.B.:
- Die Kriterien, an denen scheinbare Bestandsminderungen festgemacht werden,
sind vielfach unwissenschaftlich.
- In kleinen, lokal begrenzten Bereichen kann Bestandregulierung durchaus gelin
gen, wie es jedoch für die Gesamtpopulation einer Großstadt nicht möglich ist.
- Zum Teil scheint bei einigen Betreibern von Taubenhäusern schlicht der Mut zu
fehlen, ausbleibende Erfolge zu zugeben; stattdessen werden die Aktionen
„schöngeredet“.
29
6. Taubenhäuser: Auswertung von
Erfahrungsberichten aus deutschen
Städten
Zur Abschätzung der Durchführungsweise der bisherigen deutschen Projekte wurden im
Folgenden Erfahrungen aus 38 deutschen Städten, die Taubenschläge betreiben oder
dies versucht haben, ausgewertet. Der Auswertung liegen Presseberichte, städtische
Pressemitteilungen, Selbstdarstellungen von Tierschutzvereinen und ähnliche Quellen zugrunde, die überwiegend aus dem Internet gesammelt wurden. In einigen Fällen konnten
Ratsvorlagen oder Ausschußprotokolle ausgewertet werden. Zur Erstellung der Liste wurde die Städtebefragung der BAG Stadttauben herangezogen (Elsner 2007, BAG Stadttauben 2007). Die Listen sind aber nicht deckungsgleich. Dies liegt daran, dass in einigen
Städten durchgeführte Aktionen von der BAG Stadttauben nicht berücksichtigt worden
sind. Andererseits sind in der Liste der BAG auch Städte aufgeführt, in denen es nicht gelungen ist, irgendwelche Anhaltspunkte für tatsächliche Initiativen vor Ort ausfindig zu machen.
Da die meisten lokalen Aktionen sehr schlecht dokumentiert sind, ist die Liste notwendigerweise unvollständig. In vielen Fällen musste auf Berichte aus zurückliegenden Jahren
(bis 2005) Bezug genommen werden, auch war nur in wenigen Fällen eine Prüfung der
Darstellungen durch unabhängige Quellen möglich. Da die Darstellung in den meisten Fällen auf Selbstdarstellungen oder Pressemitteilungen derjenigen Stelle zurückgeht, die die
Maßnahme initiiert und durchgeführt hat, sollte die Darstellung eher zur optimistischen
Seite hin voreingenommen sein.
Bei einer erschöpfenden Suche wären sicherlich noch eine Reihe weiterer Beispiele auffindbar. Insbesondere Initiativen, die von privater Seite initiiert und ohne öffentliche Mittel
durchgeführt wurden, sind sehr häufig undokumentiert und schwer auffindbar. Von der
Aufnahme auch solcher Beispiele, über die ausschließlich indirekt berichtet wird, wurde
hier abgesehen. Es erscheint höchst unwahrscheinlich, dass umfangreichere Beispiele
aus einer deutschen Stadt übersehen worden wären. Insbesondere die Großstädte wurden sorgfältig geprüft, meist ohne Resultate.
Berücksichtigt wurden Berichte aus folgenden Städten:
Aachen, Aichach, Augsburg, Bad Kreuznach, Bielefeld, Bonn, Coburg, Dortmund, Düsseldorf, Erlangen,
Essen, Esslingen am Neckar, Ettlingen, Frankfurt a.M., Freiburg im Breisgau, Gelsenkirchen, Göttingen,
Hagen, Hamburg, Homburg/Saar, Kaiserslautern, Karlsruhe, Kassel, Köln, Lüdinghausen, Ludwigshafen,
Mannheim, Metzingen, Moers, Neunkirchen/Saar, Reutlingen, Rottenburg, Saarbrücken, Siegen, Tübingen,
Wiesbaden, Witten, Würzburg.
Trotz offensichtlich bestehender Aktivitäten wurden nicht berücksichtigt: Aalen, Kempten (Allgäu), Pforzheim
und Wülfrath. Hier gelang es nicht, direkte Berichte über die lokalen Aktivitäten ausfindig zu machen. In
Wülfrath existiert aber offensichtlich nur ein Taubenhaus in einer städtischen Grünanlage ohne weitere
Aktivitäten. Auch die sehr zahlreichen Städte, in denen außer Plänen und Diskussionen zum Thema keine
erkennbaren Aktivitäten auf lokaler Ebene bestehen, blieben unberücksichtigt. Aktuelle Initiativen, die
möglicherweise zu weiteren Taubenschlägen führen werden, liegen z.B. aus Wuppertal (2007) vor.
6.1 Träger
Die meisten Maßnahmen (16) werden getragen von Vereinen, ausnahmslos Tierschutzvereinen. Einige wenige Maßnahmen werden initiiert und betreut von nicht vereinsgebun30
denen privaten Akteuren - der Übergang zu den Vereinen ist dabei fließend, da sehr viele
Vereine und Initiativen offensichtlich wesentlich vom Engagement einer Einzelperson leben, bzw. sich diese irgendwann einem Verein anschließen oder einen gründen. (Mit dem
Tode des Betreuers endet die Aktion häufig, wie im Falle des ehrenamtlichen Osnabrücker „Taubenvaters“
F. Wilken im Jahr 2002)
13 Maßnahmen werden von Kommunen selbst getragen, in 12 Fällen in Kooperation mit
einem örtlichen Tierschutzverein, gelegentlich zusätzlich von einem Brieftaubenverein. Es
konnte nur ein Beispiel ausfindig gemacht werden, in dem eine Kommune ohne erkennbare Tierschutzbeteiligung Taubenschläge errichtet hat und betreut (die Stadt Coburg mit einem zunächst ehrenamtlich arbeitenden „Taubenvater“, seit 2007 ist dieser angestellt mit
25 Wochenstunden). In zwei Fällen ging die Aktivität der Kommune auf das (m.o.w. private) Engagement eines städtischen Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin zurück.
Die verbleibenden Maßnahmen werden von Dritten getragen, meist Gebäudeeigentümern
mit Taubenproblemen, z.B. Kliniken, Hochschulen, Museen, Fabrikhallen (z.B. Blohm &
Voss Werft Hamburg), in zwei Fällen von einer Wohnungsgenossenschaft (z.B. Allbau in
der Stadt Essen).
Typischerweise sind die lokalen Akteure vernetzt und arbeiten der Selbsteinschätzung
nach gut zusammen. In vielen Fällen sind lokale Bündnisse, Runde Tische o. ä. mit amtlicher und ehrenamtlicher Beteiligung gegründet worden, die z. T. gemeinsam um Spenden
werben. Es gibt aber auch Initiativen, die mehr oder weniger aus Einzelkämpfern bestehen
und nicht mit öffentlichen Stellen zusammenarbeiten (z.B. Frankfurt, Hamburg).
Für die vorliegende Recherche wurden Erfahrungen aus 38 deutschen Städten ausgewertet. In 16 Fällen sind die Träger der Maßnahme Tierschutzvereine, 13 mal
Kommunen, 12 mal Kooperationen der Vorgenannten. In einzelnen Fällen handelt es
sich um Gebäudeeigentümer.
6.2 Umfang
Von den „Ausreißern“ Augsburg (mit 8 bzw. 10 Schlägen) und Aachen (mit 6 bzw. 8 Schlägen) abgesehen, fallen die Maßnahmen im Wesentlichen in zwei Kategorien: a) kommunal
getragene Maßnahmen mit 2, seltener 3 oder 4 Schlägen (ganz selten nur einem, dann
sind i. d. R. weitere geplant), b) rein ehrenamtlich getragenen Maßnahmen mit 1 oder (seltener) 2 Schlägen. Nicht einzuordnen ist die Stadt Moers: (Die dortigen mindestens 6
Schläge werden von einem Bildungsträger zur Schulung der Mitwirkenden zum „Taubenwart“, ohne deutlichen Bezug auf ein lokales Taubenproblem gebaut.) Einige Taubenschläge gingen erkennbar aus Auffangstationen für kranke und verletzte Fundtauben hervor und sind dann meist dem Tierheim angegliedert. Es existieren Beispiele (z.B. Bielefeld), die auch heute kaum darüber hinausgehen.
Es ist kein Zusammenhang zwischen der Größe der Stadt oder der Größe der Taubenpopulation zur Zahl der Schläge erkennbar. Diese hängt offensichtlich mehr von der Stärke
und dem Engagement der lokalen Initiative bzw. von den Finanzmitteln ab.
Angaben zur Zahl der Nistmöglichkeiten, Brutplätze o. ä. in den Schlägen liegen nur für
eine Minderheit der Maßnahmen vor. Die Zahlen schwanken dabei von ca. 20 bis ca. 70
Brutplätzen pro Schlag oder Turm. Nur vereinzelt kommen größere Schläge mit 100-200
Brutplätzen vor (z.B. in Kassel und Saarbrücken). Der höchste angegebene Wert ist 230
für einen Taubenturm in Tübingen bzw. „mehrere hundert“ für den städtischen Taubenschlag in Hagen.
31
Abgesehen von den Städten Augsburg und Aachen wurden in den meisten Städten
mit Taubenhäusern zwei entsprechende Objekte betrieben. Ein Bezug der Anzahl
zur Stadtgröße oder zur Größe der Taubenpopulation ist nicht erkennbar.
6.3 Betreuung und Kosten
In beinahe allen bekannten Fällen liegt, und zwar unabhängig vom Träger, der Maßnahme
folgende Arbeitsteilung zugrunde: Die Kommune übernimmt die Kosten für den Bau der
Taubenschläge. Der Tierschutzverein stellt die Betreuer, die die Reinigung, die Fütterung
und den Austausch der Eier durchführen. In einigen Fällen wurden auch die Baukosten
vom Tierschutzverein getragen, manchmal durch spezielle Spenden oder Stiftungen ermöglicht. Die Betreuung von Taubenschlägen durch städtische Bedienstete erfolgt nur
sehr selten. Auch hier ist dann meist der Tierschutzverein der eigentliche Betreuer und Organisator und wird nur von städtischen Hilfskräften unterstützt. Betreuung durch städtische
Bedienstete bedeutet in fast allen Fällen Ein-Euro-Kräfte oder andere Hilfskräfte. In Ausnahmefällen übernahm ein städtischer Angestellter die Betreuung (oder ein Angestellter
eines privaten Trägers), in diesen Fällen ging es um einen einzelnen Taubenschlag und
besondere Begleitumstände (z.B. ein Angestellter, der privat auch Tauben hält). Ausschließlich städtische Betreuer werden nur für Coburg (ehrenamtlich!) und Homburg/Saar
angegeben. In einigen Fällen wird aber nichts dazu ausgesagt, wer die Schläge konkret
betreut.
In manchen Fällen zahlt die Kommune den ehrenamtlichen Betreuern eine Aufwandsentschädigung. In anderen Fällen ist das zwar den Umständen nach anzunehmen, aber nicht
ausdrücklich so ausgesprochen. Die Futterkosten werden uneinheitlich gehandhabt. Während in zahlreichen Fällen auch hier die Stadt die Kosten trägt, wird manchmal dieser Teil
der Kosten von den Vereinen beigesteuert, die dafür offensichtlich leichter Spenden einwerben können. Zahlreiche ehrenamtliche Initiativen und Vereine klagen darüber, dass
Betreuer zu knapp wären und die Arbeit den wenigen Aktiven über den Kopf wächst.
Genaue Aufstellungen zu den Baukosten liegen nur ausnahmsweise vor. In Einzelfällen
werden Provisorien wie z.B. ausrangierte Bauwagen eingesetzt, meist mit geringem dauerhaften Erfolg. Der Einbau eines Taubenschlags in einen Dachboden o. ä. kostet den vorliegenden Angaben nach meist etwa 8.000 bis 10.000 €, davon ca. 1.500 € Materialkosten. Allerdings sind in nicht wenigen Fällen deutlich höhere Kosten entstanden, insbesondere für frei stehende Taubentürme: Die Stadt Erlangen (mit langjähriger Erfahrung mit einem Taubenkonzept) kalkulierte 2007 die Kosten für einen Taubenschlag, der einen entfallenden ersetzen soll, mit 25.000 € Investitionskosten. Das neue Taubenhaus in BonnKessenich kostete 20.000 €. Für den Taubenturm im Botanischen Garten genehmigte der
Rat der Stadt Tübingen 2006 den Betrag von 22.500 €.
Die Stadt Augsburg zahlt den Betreuern 100 € (Ehrenamtliche) bzw. 250 € (nicht Ehrenamtliche) jährliche Aufwandsentschädigung. Die laufenden Betreuungskosten insgesamt
werden in Aachen, der Stadt mit dem (neben Augsburg) umfangreichsten umgesetzten
Konzept, mit jährlich 18.000 € angesetzt. In den meisten Fällen liegen sie aber weit darunter. Die Stadt Kassel (2 Schläge) kalkuliert 2.500 €, die Stadt Tübingen (3 Schläge) 1.500
€ jährliche Kosten im Haushalt ein. Die Stadt Siegen unterstützt (nach Beschluss des Umweltausschusses) den Tierschutzverein für die Betreuung eines Schlages mit 1.000 € bei
geschätzten Gesamtkosten von 2.640 € jährlich (ohne Personalkosten). Bereits diese Zahlen machen deutlich, dass das Modell so nur durch umfangreiche ehrenamtliche Beteiligung funktionieren kann. Gerade in NRW sind aufgrund der angespannten Haushaltslage
in jüngster Zeit v. a. Projekte ganz ohne kommunale Kostenbeteiligung zunehmend. Die
Stadt Wuppertal hat 2007 dem Bau eines Taubenschlags durch den Tierschutzverein nur
zugestimmt, wenn der Stadt weder durch den Bau noch durch den Betrieb Kosten entste32
hen. Auch die Stadt Moers ist am dortigen „Stadttaubenprojekt NRW“ des Bildungsträgers
IMBSE des Herrn Bovermann finanziell nicht beteiligt
Die Befürworter der Taubenschläge führen als Argument an, dass ihre Methode viel preisgünstiger sei als z.B. die Kosten für Reinigung von Fassaden, Spikes oder Taubenvergrämung.
In NRW wird zurzeit in der Stadt Moers die Schulung von Arbeitslosen zu hauptamtlichen
„Taubenwarten“ durch einen öffentlich geförderten Bildungsträger durchgeführt. Die bisher
vorliegenden Erfahrungsberichte lassen für diese Taubenwarte eine eher pessimistische
Einschätzung der Beschäftigungsaussichten ratsam erscheinen. Richtig ist allerdings,
dass eine rein ehrenamtliche Betreuung meist schon bei 1-2 Schlägen pro Stadt erkennbar an ihre Grenzen stößt, da sich nicht mehr genügend Aktive finden.
In der Regel übernehmen die Kommunen die Kosten für den Bau der Taubenhäuser,
während ein Tierschutzverein die Betreuung gewährleistet. Teils werden von den
Kommunen Aufwandsentschädigungen bezahlt.
Der Bau eines Taubenschlages auf einem Dachboden (Regelfall) kostet 8.000 bis
10.000 Euro. Taubentürme wurden für 20.000 bis 25.000 Euro in Betrieb genommen.
Zur Betreuung werden in den meisten Fällen 1.500 bis 3.000 Euro bezuschusst (Ausnahme Aachen: 18.000 Euro).
6.4 Aufstellungsorte und Bauweise
Weit überwiegend handelt es sich bei den Maßnahmen um klassische Taubenschläge in
Dachböden, fast immer von historischen Gebäuden mit Spitzböden. Frei stehende Taubenhäuser kommen seltener zum Einsatz, am verbreitetsten sind dabei Holzhäuschen auf
Flachdächern und Parkhäusern. Die BAG Stadttauben rät von ebenerdigen Schlägen ab,
u. a. wegen der Vandalismusgefahr. Eigentliche „klassische“ Taubentürme kommen seltener zum Einsatz, meist nur als zweite Wahl an Stellen, an denen kein Standort für einen
anderen Taubenschlag gefunden wurde. Einzelne Taubenhäuser/Taubentürme als einzige
Maßnahme werden in NRW z.B. aus Gelsenkirchen, Dortmund, Witten und Wülfrath gemeldet, in anderen Fällen (z.B. Mannheim) wurden bereits vorher vorhandene Türme restauriert.
Standort der Taubenschläge sind weit überwiegend städtische Gebäude. Am häufigsten
genannt werden dabei Rathäuser und Verwaltungsgebäude. Seltener existieren Taubenschläge in anderen städtischen Gebäuden wie z.B. Schulen, Büchereien o. ä. Auch Türme, Stadttore oder vergleichbare historische Bauten werden gelegentlich angeführt. Auffallend unterrepräsentiert sind Kirchtürme, obwohl Stadttauben hier bekanntermaßen oft
wild brüten. Schläge auf nicht-städtischen Gebäuden kommen in relevanter Anzahl nur in
Gebäuden vor, die selbst ein lokales Taubenproblem aufweisen. Oft genannt werden
Parkhäuser, auch Bahnhöfe kommen mehrfach vor. Taubenschläge in Dachböden privater
Eigentümer existieren offensichtlich nur wenige und ausnahmsweise. Von diesen wenigen
wurde in einigen bekannt gewordenen Fällen zudem die Erlaubnis nach Besitzerwechsel
bzw. Renovierung widerrufen. Viele Stadtverwaltungen berichten, dass es ihnen trotz
mehrjähriger Suche nicht gelungen sei, auch nur ein einziges geeignetes Gebäude zu finden (z.B. Stadt München). Auch in städtischen Gebäuden sind Taubenschläge bei den
dort beschäftigten Mitarbeitern nicht immer populär. In Göggingen verhinderten Bürgerproteste Anfang 2008 sogar den Bau eines frei stehenden Taubenturms in einer Grünanlage.
Schläge mit rein privatem Hintergrund ohne jede kommunale Unterstützung bestehen
überwiegend aus einem einzelnen frei stehenden Taubenturm, oder sie sind dem Tierheim
angegliedert.
33
Überwiegend kommen klassische Taubenschläge auf Dachböden, in der Regel in
städtischen Gebäuden, zum Einsatz. Taubentürme werden meist nur da eingesetzt,
wo kein Standort für einen Taubenschlag gefunden werden konnte.
6.5 Futterplätze, Haltung zu Fütterungen
Inzwischen bestehen in fast allen deutschen Städten Fütterungsverbote für Tauben, meist
auf der Grundlage von Polizeiverordnungen oder Ortssatzungen. Die wenigen Städte, die
auf dieses Instrument verzichten, raten dennoch von Fütterungen ab. Diese Situation unterscheidet sich prinzipiell nicht in Städten mit Taubenschlägen und solchen ohne Taubenschläge.
Auffallend ist, dass einige Städte mit lokalem Taubenkonzept Futterplätze ihres lokalen
Tierschutzpartners mittragen, auch wenn diese abseits von Taubenschlägen liegen. Beispiele sind etwa Aachen (5 Futterstellen), Augsburg (8 Futterstellen), Karlsruhe (3 Futterstellen, sollen nur übergangsweise bestehen), Witten (2 Futterstellen), Würzburg (10 Futterstellen). Der Sinn dieser Futterstellen bei gleichzeitigem Verbot „wilder“ Fütterungen ist
nicht ersichtlich (zur Argumentation der BAG Stadttauben vgl. unten). Auffallend ist, dass
Städte mit Schlägen in kommunaler Trägerschaft sich meist klar und unmissverständlich
gegen Fütterungen aussprechen. Von der BAG Stadttauben werden Fütterungsverbote als
untaugliches Mittel verworfen, sie werden sogar als Verstoß gegen das Tierschutzgesetz
und damit als illegal angesehen. Nur wenige Tierschutzvereine sprechen sich unmissverständlich gegen das Füttern aus. In den Taubenschlägen selbst wird in Deutschland (im
Gegensatz zur Schweiz) grundsätzlich immer gefüttert.
In den meisten deutschen Städten bestehen Fütterungsverbote. In einigen Städten
mit Taubenkonzepten billigen die Städte Fütterungen ihres Tiersschutzpartners,
selbst dann, wenn diese weit vom Taubenhaus entfernt liegen.
Die Bundesarbeitsgruppe Stadttauben hält Fütterungsverbote für untauglich zur Reduzierung des Bestandes und für einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.
6.6 Dauer der Maßnahmen, Erfolge
Der Einsatz von Taubenschlägen als bestandsregulierende Maßnahme begann in
Deutschland (in Nachfolge der 1988 gestarteten Basler Taubenaktion) 1995 in Augsburg,
Aachen und Tübingen – noch früher und damit frühestes gefundenes Beispiel war allerdings die rein kommunale „Coburger Taubenaktion“ ab 1993. Erste Folgeprojekte begannen ab 2000 (z.B. Esslingen, Witten), zahlreicher dann in den Folgejahren bis 2003. Erst
kurze Zeit begonnen worden sind die Projekte in Bad Kreuznach, Bonn; Ettlingen, Kassel
und Wiesbaden (2006), in Essen(2007) und schließlich in Lüdinghausen und Kaiserslautern (2008), wobei ein Vorlauf von einigen Jahren sicherlich jeweils noch einzukalkulieren
wäre. Auffallend ist, dass die frühesten Maßnahmen gleichzeitig die aufwendigsten mit
den meisten realisierten Schlägen waren, während später meist weniger aufwendige folgten. Bei den jüngsten Beispielen zeichnet sich ein Trend zu wenigen, aber sehr großen
Schlägen ab. Dies ist aber auch nach der Darstellung der BAG Stadttauben aufgrund der
Ortstreue der Tiere nicht unbedingt zielführend.
Nachweisbare Bestandsminderungen mit einer Methode, die auf Geburtenkontrolle beruhen soll, sind bei einer Tierart, die im Freiland 3 bis 7 Jahre alt wird, frühestens nach ca. 35 Jahren zu erwarten. Dennoch melden nicht wenige Projekte Erfolge bereits im ersten
oder zweiten Jahr, zu den möglichen Gründen vgl. Kapitel 5.5. Nur wenige Projekte werden weithin und auch von Außenstehenden anerkannt als erfolgreich gewürdigt. In Tübingen kann das Bürgermeisteramt 2003, d.h. nach 8 Jahren, noch keine spürbaren Erfolge
34
erkennen, zu Aachen und Augsburg vgl. oben. Als wichtigster Hinderungsgrund wird von
den Betreibern selbst in der Regel angeführt, das Konzept wäre bisher unvollständig umgesetzt worden und die Anzahl der Schläge wäre noch zu gering.
Eine Bestandsreduktion wird angegeben für die Stadt Esslingen (seit 2000 von 900 auf
700 Tiere, angestrebt werden 400). „Deutlich gesunkene“ Zahlen (nicht näher belegt) melden z.B. Coburg, Freiburg, Göttingen (am Klinikum). Die meisten Städte melden entweder
nichts zu Ergebnissen oder verweisen darauf, dass doch immerhin ein weiterer Anstieg
verhütet worden wäre (dazu vgl. oben). In Saarbrücken sollen die Bestände nach Einführung der Methode binnen eines Jahres von 1000 auf 700 Tiere zurückgegangen sein – ein
unplausibles und mit der Behandlungsmethode auch nicht erklärbares Resultat.
Eine besondere Situation liegt vor in Frechen (bei Köln). Hier wurde von einer lokalen Tierschutzinitiative von 2002 bis 2004 ein Taubenschlag in einem kommunalen Parkhaus betrieben, der danach von der Stadt wieder geschlossen wurde (nach Angaben der Stadt
wegen einer Zunahme von Bürgerbeschwerden und Erfolglosigkeit). Der Verein stellte danach bei der Staatsanwaltschaft erfolglos Strafanzeige. Die Stadt wäre u. a. durch ihren
Futterkostenzuschuss von 2.300 € juristisch zum Halter der Tiere geworden und habe diese durch die Schließung nun ausgesetzt.
Nur von wenigen Städten werden Bestandverminderungen angegeben, zum Teil in
kürzesten Zeiträumen, in denen populationsbiologische Auswirkungen jedoch noch
gar nicht nachweisbar sein können.
6.7 Taubentötungen in Verbindung mit Taubenschlägen?
Während deutsche Tierschützer und Tierschutzinitiativen Taubentötungen immer und in
jedem Fall aus ethischen Gründen ablehnen, gibt es aus einigen Städten Berichte, dass
Taubenschläge in Fällen, wo die Bekämpfung eines Taubenproblems bei der Einrichtung
im Vordergrund stand, für Tötungsaktionen benutzt werden. Dies wird in der Schweiz offen
angegeben (z.B. Basel und Zürich), in Deutschland selten angesprochen, aber von manchen eine Dunkelziffer vermutet. In einigen Städten (z.B. von einer Wohnungsbaugesellschaft in Hamburg) eingesetzte sog. „Lebendfallen“ sind ein Euphemismus für Tötungen
(zur Erinnerung: Tauben leben nur in Städten. Ihr Heimfindevermögen bei Verbringung an
weit entfernte Orte ist legendär. Aussetzungen lebender Tauben außerhalb der Städte wären also vollkommen sinnlos). Am Kölner Dom wurde der Betreiber eines Taubenschlags
von Tierschützern angezeigt, nachdem diese ihn mit toten Tieren angetroffen hatten. Auch
der Betreiber eines Taubenschlags an einer Hamburger Werft gibt an, gelegentlich Tauben zu „entnehmen“, um Schlimmeres, nämlich die Wiederaufnahme der Bejagung, zu
verhindern. Taubentötungen bei kommunal betriebenen Taubenschlägen sind nach der
Struktur der Maßnahmen (mit starker Tierschutzbeteiligung) kaum zu erwarten. Es wurde
nur ein Beispiel gefunden (in Melle bei Osnabrück), in dem eine deutsche Kommune einen
Taubenschlag als Lebendfalle betreibt.
Taubentötungen finden in Deutschland offiziell nicht statt, über eine Dunkelziffer
wird spekuliert. Lebendfallen und anschließende Verbringungen an entfernte Orte
sind sinnlos angesichts des Heimfindervermögens von Tauben (Brieftauben!).
35
7. Taubenhäuser: Auswertung von
Erfahrungsberichten aus anderen
europäischen Ländern
In Ergänzung der deutschen Erfahrungen soll auf einige ausgewählte Erfahrungen aus anderen Ländern kurz eingegangen werden. In den meisten Fällen ist die Situation gegenüber den deutschen Verhältnissen vollkommen vergleichbar, so dass auch diese Erfahrungen für die deutsche Situation nutzbar sind.
7.1 Schweiz
Die Erfahrungen in der Schweiz sind in den Referatsberichten der Stadttauben-Tagung am
24.3.2006 in Basel zusammengefasst. Dieser enthält auch die Position des Schweizer
Tierschutzbundes STS zu den Maßnahmen. Wichtige Unterschiede zu Deutschland betreffen vor allem die strikte Ablehnung von Fütterungen und die in den Schlägen durchgeführte Tötung einiger adulter Tauben. Beide Maßnahmen werden ausdrücklich vom Tierschutz mitgetragen. Auffallend in Vergleich zu den deutschen Aktionen ist auch, dass die
Schweizer sehr auf begleitende Bestandszählungen oder -schätzungen achten. Träger der
Maßnahmen ist fast immer die jeweilige Stadt:
Lausanne besitzt sehr umfangreiche Datengrundlagen, die auf einer wöchentlichen (!)
Zählung des Taubenbestandes beruhen (nur relative Werte, um Zu- bzw. Abnahmen abschätzen zu können). Zu beobachten ist eine langsame Bestandsabnahme. Diese wird vor
allem auf verminderte Fütterung zurückgeführt. Die Stadt betreibt 2 Taubenschläge und 1
Taubenhaus, 1 davon von ehrenamtlichen Tierfreunden betreut.
Zürich betreibt 5 Taubenschläge, die durch eine professionelle Taubenwartin betreut werden. Die Stadt praktiziert auch nach wie vor Fallenfang und gezielte Abschüsse. Auch in 4
der Taubenschläge werden Tauben gefangen, wobei die Tiere nur in 2 davon brüten, die
anderen werden nur wegen des Futters aufgesucht. Die Stadt lässt ihre Tauben alle 4 Jahre zählen. (14 ZählerInnen im Einsatz). Die Taubenzahlen sind danach 1990 bis 1999
etwa gleich geblieben und haben 2003 um etwa 1/3 abgenommen.
In der Stadt Luzern ist der Taubenschlag im Rathaus durch eine Glasscheibe abgetrennt
und kann von der Öffentlichkeit besichtigt werden. Dies ist das einzige Beispiel für einen
öffentlich einsehbaren Taubenschlag, das bisher realisiert worden ist. Innovativ ist auch
eine Broschüre mit Rezeptideen für altes Brot, um damit eine Alternative zum Verfüttern
an Tauben (oder Enten) zu bieten.
Die Stadt Solothurn betreibt 4 Taubenschläge, die von einem städtischen Betreuer versorgt werden. Der Taubenbestand wird auf 1.000 Tiere geschätzt. Neben den Taubenschlägen erfolgen in geringerem Umfang Tötungen an besonders problematischen Orten.
Voraussetzung sei hier, dass sich die Besitzer von Gebäuden anschließend zu Vergrämungsmaßnahmen verpflichten.
Weitere Schläge existieren in anderen Städten (Olten, Winterthur, Zofingen, Brugg u. a.)
Im Gegensatz zur in Deutschland verbreiteten Praxis wird in der Schweiz die Fütterung im Zusammenhang mit dem Betrieb von Taubenhäusern strikt abgelehnt. Tötungen sind erlaubt und werden vom Tierschutz mitgetragen. Trotz hohen Aufwandes werden Zählungen durchgeführt, mit denen ein Rückgang von bis zu einem Drittel des Bestandes nachgewiesen wurde.
36
7.2 England
In England ist eine Organisation namens PiCAS („Pigeon Control Advisory Service“) aktiv,
die in ihren Veröffentlichungen angibt, die Methode der Bestandsregulierung mittels Taubenschlägen selbst entwickelt und erfunden zu haben – wobei sie die Untersuchungen
von Haag-Wackernagel als Grundlage angibt. PiCAS bietet Taubenprogramme „aus einem Guss“ an, die von Taubenschlägen über Pressekampagnen, Beratung zu Vergrämungen, Broschüren etc. viele Elemente kombiniert. Auffallend ist, dass PiCAS, ähnlich wie
die Schweizer, Reduktionen der Fütterung als ganz zentralen Bestandteil der Problemlösung angibt und sich damit von den deutschen Tierschützern stark unterscheidet, die
meist die Fütterungen verteidigen und keinen Zusammenhang mit den Taubenzahlen anerkennen. Allerdings rät PiCAS, in jeder Stadt einen legitimen Taubenfutterplatz einzurichten, weil die entschlossenen Taubenfütterer ohnehin nicht von ihrem Tun abgebracht werden könnten. PiCAS tritt in England als kommerzieller Anbieter auf, bietet aber Interessenten in anderen Ländern kostenlose Unterstützung an.
PiCAS bietet einige Fallbeispiele, die die erfolgreiche Anwendung „ihrer“ Methode belegen
sollen. Im Paradebeispiel, dem Nottingham City Hospital, nehmen sie eine Reduktion der
Taubenbestände um 95% und eine vollständige Lösung des Taubenproblems für sich in
Anspruch (1999: 1.200 Tauben, 2005: 63 Tauben). Zum Einsatz kam hier eine unkonventionelle Methode, die ausgediente Personalspinde des Hospitals als Taubennistplätze
nutzte, d.h. auf regelrechte Taubenschläge oder gar -häuser ganz verzichtete.
In den meisten anderen Fällen ist es allerdings nicht gelungen, ähnliche Erfolge zu wiederholen. Einige Beispiele waren sogar ausgesprochene Misserfolge und endeten im heftigen
Streit zwischen PiCAS und ihrem lokalen Partner. PiCAS selbst schiebt die Gründe für
Misserfolge in der Regel diesen Partnern zu, die ihren Rat nicht oder nur unvollkommen
umgesetzt haben.
PiCAS verweist in recht allgemeiner Form auf die kontinentalen „Erfolge“ mit Taubenschlägen und wird selbst von den anderen europäischen Anwendern nicht erwähnt. Von den
Anwendern in den Niederlanden distanzieren sie sich in aller Form und werfen diesen vor,
ihre Methode kopiert und gestohlen zu haben.
Die in England aktive Organisation Pigeon Control Advisory Service (PiCAS) sieht in
der Reduktion des Futterangebotes den Hauptansatz zur Problemlösung.
7.3 Niederlande
In Holland aktiv ist eine Vereinigung, die sich „Landelijke Werkgroep Duivenoverlast“
nennt. Ihre Aktivitäten haben 2003 in Amsterdam begonnen, als Inspirationsquelle nennen
sie die deutschen Taubeninitiativen. Die Vereinigung setzt auf Taubenhäuser, die mit aufwendigem Design futuristisch gestaltet sind. Die Gruppe hat im Wesentlichen das deutsche Modell (Einrichtung von Taubenhäusern, Füttern der Tiere vor Ort, Betreuung durch
ehrenamtlich tätige Tierschutzorganisationen) 1:1 übernommen. Wie hier, werden die Taubenschläge von der jeweiligen Stadt erstellt und von Ehrenamtlichen betreut.
Die Initiative beruft sich als Grundlage ihrer Arbeit u. A. auf eine Literaturstudie (van Veen
2001). Schlägt man in dieser Arbeit nach, wird dort allerdings die zentrale Bedeutung der
Fütterungsmenge für die Taubenbestände herausgestellt. Taubenhäuser kommen vor allem als kontrollierte Futterplätze vor.
„Landelijke Werkgroep Duivenoverlast“ betreibt Taubenschläge
in Amsterdam: 1 Taubenschlag auf einem Parkhaus, 2004 - der Standort musste im Januar 2008 aufgegeben werden, ein Nachfolgeplatz wird noch gesucht (nach Pressemitteilung der Stadt),
in Rotterdam: 1 Taubenschlag auf dem Flachdach eines Appartmentkomplexes, 2003
37
in Zutphen (1 Taubenschlag, ab 2004)
in Soest (NL) (1 Taubenschlag, ab 2006)
in Den Haag sind 3 Taubenschläge konkret geplant, aber noch nicht gebaut worden (nach
städt. Pressemitteilung).
Zur Anwendung ist im Prinzip dasselbe zu sagen wie bei den deutschen Beispielen. Der
Amsterdamer Schlag bietet (bzw. bot) z.B. Platz für 150 Tauben. In Amsterdam sollen
nach Zählungen mindestens 10.000 bis 12.000 Tauben leben (Buijs & van Wijnen 2004).
Gleichzeitig wirbt die Stadt Amsterdam um Touristen z.B. mit folgender Meldung:
„Der Damplatz ist seiner Tauben wegen berühmt. Zwischen dem Palast und dem Nationaldenkmal fliegen
Hunderte von Tauben hin und her. Wenn du sie füttern willst, landen sie gern sanft auf deiner Schulter oder
deiner Hand. Du fühlst dann, dass die Vögel ganz leicht sind. Ein bisschen unheimlich, macht aber auch
Spaß!“ (Quelle: Amsterdam Toerisme & Congres Bureau ATCB). Ein Erfolg unter diesen
Rahmenbedingungen erscheint schlechterdings undenkbar.
In den Niederlanden sind die Verhältnisse vergleichbar mit Deutschland. D. h. in der
Regel: Betrieb von Taubenhäusern, zusätzliche Fütterungen und Betreuung durch
Ehrenamtliche.
7.4 Frankreich
Presseberichten zufolge hat die Stadt Paris im Januar 2008 damit begonnen, den ersten
Taubenschlag von insgesamt 20 geplanten zu installieren. Alle Taubenschläge sollen als
freistehende Taubenhäuser in kommunalen Parks aufgestellt werden. Die Schläge werden
von der Stadt errichtet und von einer Schädlingsbekämpfungsfirma in deren Auftrag betreut. Jeder Schlag koste 20.000 € (Baukosten) und soll bis zu 200 Tauben Platz bieten.
Im Optimalfall werden die Taubenhäuser damit Platz für 4.000 Tauben bieten. Die Taubenpopulation von Paris wird auf 80.000 Tiere geschätzt.
Taubenschläge werden auch in einigen anderen Städten betrieben. Interessant ist die Begleitung durch eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe unter Beteiligung von A.C. PrevotJuillard und P.L.Colon. Diese konzentrieren sich auf die sozialen Auswirkungen von Taubenschlägen in Fontenay-sous-Bois nahe Paris. Obwohl diese als populationsbiologische
Methode zur Bestandsverminderung eigentlich unwirksam seien, hätten sie eine Bedeutung als „symbolischer Ort“, damit die Städter sich mit dieser ungeliebten Tierart versöhnen können. Dieser Ansatz zur Begründung von Taubenschlägen unterscheidet sich deutlich von denen in den anderen europäischen Ländern. Es erscheint fraglich, ob auf dieser
Basis eine größere Akzeptanz wirklich erreichbar wäre.
In Paris sind in den nächsten Jahren 20 Taubenschläge für je 200 Tauben geplant.
Kostenpunkt je Taubenschlag 20.000 Euro. Die Gesamtpopulation wird in Paris auf
80.000 Tauben geschätzt.
38
8. Andere Methoden zur Verminderung
von Problemen mit Stadttauben
8.1 Fütterungsverbote
Verbote des Taubenfütterns sind in vielen deutschen Großstädten in Kraft, wobei deren
Zahl in den letzten Jahren noch deutlich zugenommen hat. Grundlage sind Polizeiverordnungen oder Ortssatzungen auf Grundlage des Ordnungs- und Polizeirechts. In Nordrhein-Westfalen ist das Ordnungsbehördengesetz (OBG) Rechtsgrundlage. Das Verbot
der Fütterung ist damit generell begründet mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Fütterungsverbote werden von den deutschen Tierschutzvereinen
weit überwiegend abgelehnt. Viele, unter ihnen die BAG Stadttauben, gehen so weit, dass
sie das Verbot als rechtswidrig ansehen (auf Grundlage der Handlungs- und Gewissenfreiheit nach Art 2 bzw. 4 Grundgesetz, des Staatsziels Tierschutz nach Artikel 20a Grundgesetz und nach §1 Satz2 Tierschutzgesetz). Diese Bedenken sind unbegründet und werden
von deutschen Gerichten überwiegend nicht geteilt. Fütterungsverbote wurden vom VGH
Mannheim 2005 und danach in zahlreichen Verfahren, zuletzt noch einmal vom OLG
Hamm 2007 und VGH Kassel 2008 (vgl. dazu unten), für Rechtens erklärt.
Auch in der Stadt Bochum ist das Füttern verboten:
Ordnungsbehördliche Verordnung über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Stadt Bochum (Bochumer Sicherheitsverordnung - BOSVO) vom 3. Juli 1986, zuletzt geändert am 18.September 2007
§9 Tierhaltung
(5) Verwilderte Haustiere (z. B. Tauben, Enten, Gänse, Katzen), Wildtauben, Wild und Wassergeflügel (z.B.
Schwäne, Blesshühner) dürfen im Gebiet der Stadt Bochum nicht gefüttert werden. Des Weiteren ist das
Füttern von Fischen an, in bzw. auf öffentlich zugänglichen stehenden Gewässern, wie z.B. an Weihern, Teichen oder Seen, verboten. Das Verbot aus den beiden vorherigen Sätzen erfasst auch das Auslegen von
Futter- und Lebensmitteln, die erfahrungsgemäß von diesen Tieren aufgenommen werden. Futter für andere
Vögel ist so auszulegen, dass es von verwilderten Haustauben nicht erreicht werden kann. Vom Fütterungsverbot ausgenommen sind von der Stadt Bochum veranlasste Maßnahmen (z. B. Auslegen von Ködern)
oder von ihr vorher genehmigte Ausnahmen. Das Fütterungsverbot gilt nicht in langen Frost- und Schneeperioden.
Nach §17 der Verordnung können Zuwiderhandlungen mit einem Bußgeld von 1.000 € geahndet werden. Zu beachten ist, dass die Stadt Bochum damit das Füttern nicht nur auf öffentlichen Wegen und Plätzen, sondern auch auf Privatgrundstücken verbietet. Die Stadt
Bochum hat zum Problem Taubenfüttern ein Faltblatt herausgegeben („Beschissen...“), in
dem sie für illegales Taubenfüttern ein Ordnungsgeld von 35 € androht.
Obwohl Taubenfütterungsverbote unzweifelhaft rechtmäßig sind, wird die Wirksamkeit
überwiegend skeptisch beurteilt. Bestritten wird dabei nicht, dass die Reduktion der Futtermenge die Taubenbestände begrenzen könnte. Das ist, neben kontrollierten Freilandversuchen, z.B. bereits durch die zeitweilige Futterknappheit in europäischen Städten in Folge des Zweiten Weltkriegs nachgewiesen, die zu deutlich geringeren Taubenbeständen
führten - in der lange von den Deutschen belagerten Stadt Leningrad soll die Stadttaube
sogar zeitweilig ausgestorben sein (nach Johnston & Janiga 1995). Bezweifelt wird vielmehr, dass das Verbot durchsetzbar ist. Beispielhaft sei auf eine Untersuchung von Vater
(1999) verwiesen, die auf einer Befragung von 52 Stadtverwaltungen beruhte. Er konsta39
tiert: „Die Erfüllungskontrolle liegt in den allermeisten Fällen so im argen, dass von Vollzugsnotstand gesprochen werden muss.“ Grund dafür ist nicht nur die angespannte Haushaltslage der Städte,
die eine effektive Kontrolle aufgrund von Personalmangel erschwert. Vielmehr sehen die
Fütterer die Rechtmäßigkeit des Verbots überwiegend nicht ein und haben kein subjektives Unrechtsbewusstsein. Das Verbot empfinden sie als Schikane, der sie soweit wie
möglich durch heimliches Füttern ausweichen. Wird doch einmal ein Taubenfütterer verurteilt, fühlt er sich als Märtyrer und wird darin in der Regel vom örtlichen Tierschutzverein
bestärkt werden, wie sich aus zahlreichen Mitteilungen der Vereine und Presseberichten
ergibt. Oft handelt es sich bei intensiven Taubenfütterern um randständige und isolierte
Personen, häufig vereinsamte Rentner, die teilweise in der Fütterung eine Lebensaufgabe
sehen und kaum durch Verbote davon abgebracht werden können (Haag-Wackernagel
1997). Die Freude, von „ihren“ Tauben offensichtlich gebraucht und wiedererkannt zu werden, ist für sie jedes Opfer wert. Auch „gewöhnliche“ Taubenfütterer haben normalerweise
kein Unrechtsbewusstsein. In den meisten Städten, so auch in der Stadt Bochum, ist an
den ähnlich gelagerten Fall der Fütterung von Enten an Parkteichen, aber auch in Naturschutzgebieten zu erinnern, was bisher weder mit Verboten noch mit Appellen und Argumenten nennenswert zu vermindern war.
Der Schweizer Ansatz, entwickelt aus der Baseler Taubenaktion, versucht einen anderen
Zugang zum Problem zu finden. Hier wurde versucht, nicht durch Verbote (Basel hatte
z.B. kein Fütterungsverbot ausgesprochen), sondern durch Appelle an die Einsicht die Fütterer von ihrem Tun abzubringen. In Faltblättern und Presseberichten wird anschaulich
vom Leid der in den Brutkolonien zusammengepferchten Tauben berichtet – anschaulich
als „Taubenslums“ bezeichnet. Die Fütterer sollen so einsehen, dass ihre gut gemeinte Tat
das Leid der Tiere nicht vermindert, sondern vergrößert. Der Erfolg der Baseler Taubenaktion wird ausschließlich auf den Erfolg dieser Kampagne, die auf das öffentliche Bewusstsein zielt, zurückgeführt.
Leider ist die Ausgangslage für entsprechende Erfolge in Deutschland kaum noch gegeben. Dies liegt daran, dass im Gegensatz zu ihren Schweizer Kollegen die deutschen Tierschützer Fütterungsverbote vehement ablehnen. Der große Erfolg der Taubenschläge in
Deutschland ist ja gerade darauf zurückzuführen, dass die Tierschützer mit der Einrichtung der Schläge einen Weg aus dem Dilemma sehen, wie die Anzahl der Tauben vermindert werden kann, ohne dass man aufhören müsste sie zu füttern.
Zum Thema Fütterungsverbot beispielhaft einige Stimmen von Tierschützern:
Taubenfütterung: Der grundgesetzlich gebotene Mentalitätswechsel zugunsten der Tiere wird von den Gerichten kaum vollzogen, solange konkrete Vorschriften unterhalb des Grundgesetzes unverändert bleiben.
Das zeigt auch das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim zum kommunalen Taubenfütterungsverbot. Hiernach soll es mit dem durch die Grundgesetzänderung geforderten ethischen Mindestmaß im Umgang mit Tieren vereinbar sein, Tauben dem qualvollen Hungertod auszusetzen und humane Hilfe für Tiere
in Not mit Zwangsgeldern zu verfolgen. Darin spiegelt sich eine unwürdige Haltung, ganz nach der Denkweise, es seien doch nur Tiere, um die es geht.
(Loeper in „tierrechte“ 42, 2007)
BEHAUPTUNG: Das Füttern schadet den Tauben und verhindert eine natürliche Lebensweise der Tiere.
Der Mensch macht sie dadurch abhängig.
CONTRA: Bei solcher Argumentation arbeiten Kommunen mit Pseudo-Tierschutzargumenten, um tierliebende Menschen davon abzuhalten, sich für Tiere einzusetzen. Durch die jahrhundertelange Bindung der Tauben an den Menschen sind sie in ihrem Nahrungserwerb vollkommen vom Menschen abhängig. Tauben
wurden durch die Domestikation (Züchtung/Haustierwerdung) und nicht durch die Fütterung in den Städten
vom Menschen abhängig gemacht.
Das Argument, Stadttauben könnten durch »Nicht-Füttern« zu einer natürlichen Lebensweise zurückfinden,
ist aus biologischer Sicht unsinnig. Ein einmal domestiziertes Tier, das als Haustier vom Menschen abhän-
40
gig gemacht wurde, lässt sich nicht in den genetischen Ursprungszustand zurückversetzen. »Stadttauben«
entsprechen nicht mehr in vollem Umfang den Anforderungen der freien Wildbahn. Als gezüchtete Nachkommen der Felsentaube sind sie auf die Stadt als Lebensraum bzw. auf Gebäude als Felsenersatz angewiesen. Sie sind extrem standorttreu und haben nur einen eingeschränkten Bewegungsradius. ...
FAZIT: Fütterungsverbote lösen keine Probleme, sondern führen zu Hetzjagden auf Mensch und Tier. Sie
schaden den Tieren und den Menschen. Fütterungsverbote sind ein verordneter Hungertod und verstoßen
gegen das Tierschutzgesetz.
Elli Heß (Bundesarbeitsgruppe Stadttauben): Thema Fütterungsverbote. Hintergründe und
Fakten zum Thema »Füttern der Stadttauben« [http://tierrechte.de/p20003000x1007.html]
Das Fütterungsverbot für Tauben, Enten oder Schwäne muss nach Meinung der Tierrechtsorganisation
PETA-Deutschland e.V. von der Stadt Stuttgart zumindest über die Wintermonate aufgehoben werden. Die
Tiere sind ansonsten während der kalten Jahreszeit dem Hungertod ausgesetzt. Bereits letztes Jahr appellierten die Tierschützer an Oberbürgermeister Dr. Schuster, allerdings vergeblich. Während Nachbarstädte
auf Taubentürme setzen (dieser Tage wird in Tübingen erneut ein Taubenturm eingeweiht) verfolgt Stuttgart
mit erschreckender Härte Menschen, die sich um die notleidenden tierischen Stadtbewohner kümmern und
schreckt nicht davor zurück, selbst ältere Tierschützerinnen ins Gefängnis stecken zu lassen.
Pressemitteilung PETA 2007
[http://www.peta.de/sonstiges/tauben_mssen_im_winter_gefttert.1305.html]
Manche Tierschutzinitiativen sind bereit „wildes“ oder „unkontrolliertes“ Füttern zu verurteilen, zumal wenn es in der Nähe ihrer Futterplätze oder Taubenschläge passiert. Andere
Initiativen sind auch noch nicht einmal zu diesem Zugeständnis bereit. Das ist aus ihrer
Sicht nachvollziehbar, da sie ja jeden Zusammenhang zwischen dem Futterangebot und
dem Taubenproblem bestreiten. Die Ablehnung von Fütterungsverboten ist offizielle Haltung der „Bundesarbeitsgruppe Stadttauben“ (vgl. etwa das Zitat von E. Hess oben).
Es gibt auch Initiativen, darunter z.B. PiCAS in England, die den Zusammenhang zwischen Füttern und dem Taubenproblem nicht generell bestreiten. Aber auch aus ihrer
Sicht sind Fütterungsverbote der falsche Weg, weil sie ohnehin die entschlossenen Fütterer nicht abhalten würden. Sie plädieren für einige öffentliche Fütterungsplätze an ausgewählten Stellen, um die Fütterung, die man nicht verhindern könne, zu steuern. Einen ähnlichen Standpunkt vertritt auch der Deutsche Tierschutzbund (in seinen „Leitlinien zur tierschutzgerechten Bestandsregulierung bei Stadttauben“).
Wenn die Tauben einer Stadt tatsächlich überhaupt nicht mehr gefüttert würden, würde
der Bestand sicherlich deutlich zurückgehen. Dies wäre ja das Ziel der Maßnahme und die
Voraussetzung für eine Verringerung der Taubenprobleme. Zur rechtlichen Einschätzung
dieses Sachverhalts sei hier aus der Urteilsbegründung einer Entscheidung des VGH Kassel vom 30.4.2008 zitiert (8 UZ 3006/06):
Zwar ist ein Fütterungsverbot, solange sich die Größe der Taubenpopulation (noch) nicht der (verringerten)
Menge des Nahrungsangebots angepasst hat, mit Leiden für diejenigen Tauben verbunden, die sich in der
Konkurrenz um das vorhandene Futter nicht durchsetzen können und deswegen in Ermangelung ausreichender Nahrung geschwächt werden und letztlich verenden. Doch stellt dies keinen Verstoß gegen die von
Art. 20a GG im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gebotene Sicherstellung der Mindestanforderungen eines ethischen Tierschutzes dar. Danach sollen Tiere in ihrer Mitgeschöpflichkeit geachtet und ihnen
vermeidbare Leiden erspart werden. So dürfen insbesondere - wie § 1 Satz 2 TierSchG dementsprechend
bestimmt - einem Tier nicht "ohne vernünftigen Grund" Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden.
In Anlehnung daran ist daher darauf abzustellen, ob die durch das Fütterungsverbot entstehenden Leiden
nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch einen "vernünftigen Grund" zu rechtfertigen sind
(vgl. VGH Bad.-Württ., a.a.O., S. 400; auch BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 1997 - 3 BN 1.97 -, Buchholz 418.9 TierSchG Nr. 10; BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 1978 - 1 BvL 14/77 -, BVerfGE 48, 376 [389]).
Das ist im Hinblick auf die vorstehend angeführten Zwecke der Verminderung der durch Stadttauben ausgelösten Beeinträchtigungen und des daran bestehenden überwiegenden Interesses der Allgemeinheit zu bejahen.
Zur moralischen Verantwortung ist zu bemerken, dass die Stadttaubenbestände zwar
durch die Fütterung stark ansteigen können (wofür die Fütterer selbst die Verantwortung
41
tragen müssen), die Stadttaube aber keinesfalls vollkommen davon abhängig ist. Bekanntermaßen finden in zahlreichen Städten, wo kaum gefüttert wird, die Tauben ihr Futter im
Umland, d.h. sie brüten weiter im Stadtzentrum, fliegen aber jeden Tag zur Nahrungssuche ins Umland hinaus (vgl. o.). Es ist daran zu erinnern, dass Tauben hervorragende
Langstreckenflieger sind, tägliche Flüge von 20 oder 30 km zur Nahrungssuche sind für
sie bekanntermaßen kein Problem. Weiterhin existieren Futterquellen an Lagerplätzen, Silos, Häfen, Umladestationen für Getreide u. ä, an Tierhaltungen, Geflügelzuchten und
Tierparks. Schließlich können die Vögel auch noch weiterhin die in Städten reichlich angebotenen Abfälle und Essensreste ausnutzen. Der Anteil der Tauben, die tatsächlich vom
Füttern direkt abhängig ist, wird kontrovers diskutiert und ist sicherlich von Stadt zu Stadt
unterschiedlich. Da inzwischen überwiegend heimlich gefüttert wird, ist der Punkt kaum
noch aufzuklären. Nach intensiven Beobachtungen in der Stadt Düsseldorf kommt Pappas
(2002) zu dem Ergebnis, dass der Taubenbestand in dieser Stadt sich im wesentlichen
aus direkten Fütterungen und wenigen großen Futterquellen, z.B. zwei Betrieben im Hafen, die Tierfutter umfüllen, ernährt. Diese Ergebnisse gelten vermutlich für die meisten
nordrhein-westfälischen Städte.
In den meisten deutschen Großstädten existieren Fütterungsverbote. Sie verstoßen
nicht gegen das Tierschutzgesetz. Deutsche Tierschützer lehnen Fütterungsverbote
ab. Insofern begrüßen sie die Einrichtung von Taubenhäusern, weil mit den damit
einhergehenden genehmigten Futterstellen weiter legal gefüttert werden kann.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Fütterungsverbote rechtlich erlaubt
und als zielführende Methode sachlich gerechtfertigt sind. Aufgrund der bekannten
großen Schwierigkeiten mit dem Vollzug erscheint es aber unrealistisch anzunehmen, mit den Verboten allein das Problem lösen zu können. Das Anbieten größerer
zusätzlicher Futtermengen im Rahmen einer Bekämpfungsstrategie muss aber als
äußerst fragwürdig gelten. Ein solches Vorgehen wirft nicht nur in sich selbst
Schwierigkeiten auf, sondern untergräbt auch die moralische Legitimation der Verbote.
8.2 Vergrämungen
Als „Vergrämungen“ werden im Fachjargon bauliche Maßnahmen an Gebäuden bezeichnet, die diese als Rast- oder Brutplatz für Tauben ungeeignet oder unattraktiv machen sollen. Typische Maßnahmen sind Metalldornen oder Klebepasten auf Vorsprüngen und Gesimsen oder Netze, die Öffnungen oder strukturreiche Fassadenpartien verschließen sollen. Vergrämungen richten sich normalerweise in erster Linie gegen rastende Taubenschwärme und die durch sie hinterlassenen Kotspuren. Umfangreiche Vergrämungsmaßnahmen sind z.B. an beinahe jedem deutschen Bahnhofsgebäude im Einsatz.
Auch der Erfolg von Vergrämungsmaßnahmen wird kontrovers beurteilt. Umfangreiche
technische Erprobungen zeigen, dass vor allem gut gebaute Sperren aus Metalldornen lokal äußerst wirksam sein können. Das Anbringen der Dorne ist technisch unaufwendig und
auch Laien möglich. Spitze Dornen, die die Tiere verletzen können, haben dabei keine
bessere Wirkung als stumpfe. Andere Methoden, z.B. elektrisch geladene Drähte oder
Klebepasten, sind nicht erfolgreicher als Metalldornen, sie schädigen aber manchmal Tauben und andere Vögel und sind dann nicht tierschutzgerecht. Netze sind häufig unwirksam, wenn sie nicht fachgerecht angebracht sind; eine lückenlose Abdichtung ist technisch äußerst schwierig. Weiterhin bleiben Tauben oft mit den Beinen in den Netzen hän42
gen. Gitter können Löcher und Öffnungen in Fassaden verschließen. Simse können oft abgeschrägt werden, so dass die Tauben keinen Halt mehr finden.
Übereinstimmend wird festgestellt, dass die Vergrämungsmaßnahmen Tauben kaum jemals von ihren bereits bestehenden Nistplätzen abhalten können, da die Vögel dann äußerst entschlossen beinahe jedes Hindernis überwinden können. Gegen rastende Taubenschwärme sind bessere Erfolge verbürgt. Oft bleiben die Tiere aber in der Nähe ihres bisherigen Rastplatzes, da dieser meist mit einer wichtigen Futterquelle verbunden ist.
Als Argument gegen Vergrämungsmaßnahmen wird angeführt, dass sie das Problem nicht
lösen, sondern nur verlagern würden. Dazu ist zu bemerken, dass eine lokale Lösung vielfach völlig ausreichend ist. Sitzen Tauben z.B. nicht mehr auf den tragenden Metallverstrebungen von Bahnhofsdächern, wo sie auf Passanten koten und umfangreiche Kotablagerungen in der Konstruktion hinterlassen, sondern auf einem Dach, gehen in der Regel viel
weniger Probleme von ihnen aus. Andere Kritiker wenden ein, die Vergrämungen wären
hässlicher als die Kotspuren, ihre Anbringung könnte Fassaden stärker beschädigen als
der Taubenkot. Ein weiteres bekanntes Problem ist, dass Maßnahmen gegen (v. a. brütende) Stadttauben auch anderen, erwünschten Gebäudebrütern wie Spatzen, Turmfalken
und Schleiereulen oder Fledermäusen die Nistplätze entziehen können. Vogelschutz-Organisationen haben aber Verfahren entwickelt, mit denen gezielt nur Tauben vergrämt
werden können.
Vergrämungen wirken insbesondere gegen rastende Taubenschwärme. Sie können
zwar den Bestand nicht reduzieren, sehr wohl aber lokale Problemlösungen darstellen.
8.3 Beseitigung von Brutplätzen
Von den eigentlichen Vergrämungsmaßnahmen abzugrenzen sind Maßnahmen gegen
Brutkolonien der Stadttauben. Es ist bekannt, dass ein Großteil der städtischen Taubenpopulation in manchmal nur wenigen großen Brutkolonien lebt. Tauben bevorzugen Brutplätze in Kolonien gegenüber einzeln liegenden Brutplätzen, die sie häufig nur dann annehmen, wenn der Platz in den Kolonien nicht mehr ausreicht. Brutkolonien liegen typischerweise in nach außen offenen Hohlräumen in größerer Höhe. Die meisten untersuchten Kolonien lagen in Dachböden, Türmen oder leer stehenden Häusern. Gern angenommen
werden auch die Hohlräume, die sich konstruktiv bedingt in aus Betonelementen errichteten Häusern und Hallen, Brücken mit ihren Widerlagern oder Stahlstreben- bzw. Stahlfachwerkkonstruktionen ergeben. Maßnahmen gegen Brutkolonien können äußerst erfolgreich
sein. Es ist zum Beispiel bekannt, dass die sehr umfangreichen Taubenbestände in den
ostdeutschen Großstädten mit ihrer lange vernachlässigten Bausubstanz als Folge von
Sanierungsmaßnahmen deutlich abgenommen haben. Gezielte Maßnahmen gegen Brutkolonien werden dadurch erschwert, dass sie nicht ganz einfach zu finden sind und häufig
in schwer zugänglichen Privathäusern liegen (z.B. leer stehende Häuser oder ungenutzte
Dachböden). Dagegen lassen sich viele konstruktiv bedingte Hohlräume in Brücken,
Fassaden oder Gewerbebauten lassen sich auch nachträglich nur sehr schwierig oder gar
nicht schließen.
Lange belegte Brutkolonien führen zur Anhäufung großer Mengen von Kot, da Tauben ihren Nistplatz nicht säubern oder rein halten. Auch Parasiten wie die Taubenzecke haben
bis weilen Probleme verursacht, wenn sie z.B. aus dem leer stehenden Dachboden in angrenzende Wohnungen eingedrungen sind (insbesondere nach einer Sanierung). Die Gesundheitsgefährdung durch Taubenkotansammlungen wird in einer Untersuchung der Tief43
bau-Berufsgenossenschaft (Albrecht et al. 2003) abgeschätzt und für nicht unerheblich befunden. Taubenkot sollte demnach nur mit Atemschutz gereinigt werden.
Maßnahmen gegen Brutkolonien als alleinige Bekämpfungsstrategie sind bisher aufgrund
der technischen Schwierigkeiten kaum erprobt worden. Haag-Wackernagel hält deshalb
die Erfolgsausichten allein einer solchen Strategie für zweifelhaft, im Rahmen einer Gesamtstrategie aber für durchaus sinnvoll.
Deutliche Abnahmen von Stadttaubenbeständen in den neuen Bundesländern parallel zu den dort im großen Stil erfolgten Gebäudesanierungen zeigen deutlich, dass
die Beseitigung von Brutplätzen erfolgreich sein kann. Gezielte, punktuelle Maßnahmen anderenorts sind aber angesichts der technischen Schwierigkeiten kaum erprobt.
44
9. Fazit
Die Anwendung der Taubenschlag-Methode zur Bestandsverminderung der Stadttauben
in Bochum kann nicht empfohlen werden. Die Methode ist trotz langjähriger Anwendung in
zahlreichen Städten bisher den Nachweis schuldig geblieben, dass sie zur Problemlösung
beitragen kann. Erfolgsberichte sind meist anekdotisch und kaum nachprüfbar. Überhaupt
nur in einem einzigen Fall (in der Stadt Esslingen am Neckar) nimmt der Betreiber der
Taubenhäuser in seiner Selbstdarstellung für sich in Anspruch, den Taubenbestand gesenkt zu haben. Ein Erfolg der Methode aufgrund des von den Betreibern angegebenen
Wirkungsmechanismus ist – trotz intuitiv einleuchtender und zunächst überzeugend klingender Argumentation – aufgrund gesicherten ökologischen und populationsbiologischen
Fachwissens nahezu ausgeschlossen.
Für eine Ausweitung der Anwendung – oder gar eine Deklaration zur Standardmethode –
besteht zurzeit keinerlei Anlass. Die weite Verbreitung, die die Taubenschlag-Methode in
den vergangenen Jahren gefunden hat, beruht nicht auf einer Erfolgsbilanz. Es erscheint
eher so, dass mit den Taubenhausaktionen die primären Interessen der Projektpartner
„Tierschutz“ und „Stadtverwaltung“ vordergründig befriedigt werden:
a) Die Tierschützer, die die Methode in erster Linie propagieren und verbreiten, wollen vor
allem das Leiden von aus ihrer Sicht missachteten und schlecht behandelten Tieren vermindern. Eine Reduktion der Bestände ist nicht ihr Hauptziel und wird nur zur Verminderung von Leiden akzeptiert. Probleme mit Stadttauben führen sie vor allem auf Panikmache und zu geringem Verständnis für die Tiere zurück. Stadttauben sind für sie entflogenen Haustieren vergleichbar, für die der Mensch unmittelbar Verantwortung hat, keine
Wildtiere, bei denen der Tod von Individuen und das Auf und Ab der Bestände natürlich ist
und in sich kein moralisches Problem darstellt.
b) Stadtverwaltungen und Gebäudeeigner sahen sich mit einem Scheitern ihrer bisherigen
Bekämpfungsstrategien konfrontiert, die nicht nur wirkungslos blieben, sondern auch in
der Öffentlichkeit keine Akzeptanz mehr besitzen. Eine neue Methode, die nicht nur verspricht, das Problem zu lösen, sondern darüber hinaus vergleichsweise geringe Kosten
verursacht und in der Öffentlichkeit sehr wohlwollend aufgenommen wird, war für sie daher sehr attraktiv.
Das Hauptproblem bei der Anwendung der Taubenschlag-Methode liegt dabei nicht so
sehr in den Taubenschlägen selbst – diese sind gut gemeint, aber ohne große Wirkung –
sondern in der damit zusammenhängenden zusätzlichen Fütterung. Nach Ansicht aller
Fachleute ist eine Reduktion der überhöhten Taubenbestände nur durch eine Reduktion
der Futtermenge erreichbar. Dieser Zusammenhang ist unmittelbar logisch einsichtig und
wird im Grunde von den meisten Gegnern von Fütterungsverboten sogar geteilt (z.B. weist
die sehr aktive Londoner Bürgerinitiative „Save the Trafalgar Square Pigeons“ sehr wohl auf die stark zurückgegangenen Taubenzahlen am Trafalgar Square hin, nachdem dort die Fütterung verboten wurde. Nur
handelt es sich aus ihrer Sicht nicht um einen Erfolg, sondern um Mord an Mitgeschöpfen durch Verhungern
lassen). Gefüttert wird, um Tauben zu „retten. Dass damit die überhöhten, anfälligen Be-
stände erst produziert werden, die anschließend gerettet werden wollen, ist vielen Tierschützern freilich nicht bewusst. Akzeptiert man nun als Teil des „Taubenmanagements“
weitere Fütterungen, werden sich zudem Viele fragen, worin denn eigentlich der Unterschied zwischen dem „öffentlichen“ und dem „privaten“ Füttern genau bestehen soll. Mit
zusätzlichen Fütterungen ist die Basis für eine wirkliche Lösung des Problems auf Dauer
verbaut.
45
Bezogen auf die Bochumer Verhältnisse ist weiterhin darauf hinzuweisen, dass in der
Stadt Bochum soweit bekannt kein Tierschutzverein existiert, der bereit wäre, die Betreuung von einem- oder gar vielen – Taubenschlägen entweder ehrenamtlich oder gegen
eine geringe (und im Grunde eher symbolische) Aufwandsentschädigung zu übernehmen.
Auf diesem Modell beruht aber die Verbreitung der Methode in nahezu allen Städten, in
denen sie bisher angewendet wird. Muss die zeitlich recht aufwendige und unangenehme
Tätigkeit (man denke an die Reinigung von mit Taubenkot verschmutzten Schlägen mit
Atemschutz) tatsächlich angemessen bezahlt werden, fallen erhebliche, dauerhafte Personalkosten an. Die Beschäftigung ausschließlich von 1€-Kräften oder vergleichbaren Aushilfen ist hier keine Lösung, weil die Tätigkeit einen gewissen Einsatz und entsprechende
Motivation voraussetzt und die hohe Fluktuation ein dauerhaftes Anlernen verhindert. Solche Kräfte könnten nur unter Anleitung eines dauerhaften und fachkundigen Betreuers arbeiten.
Betreuer von Taubenschlägen sollten deshalb zwei- bis dreimal wöchentlich den Schlag zu den üblichen
Routinearbeiten (Austauschen der Eier, Ergänzen von Futter, Grit und Wasser, Reinigen der Tröge und Nistzellen) aufsuchen und von Zeit zu Zeit, je nach Gutdünken, eine Grundreinigung durchführen. Wird Einstreu
verwendet, können Grundreinigungen in etwas längeren Zeitabständen vorgenommen werden. Die wöchentlichen, mehrmals durchzuführenden Routinearbeiten nehmen jeweils ein bis zwei Stunden in Anspruch, die
gründliche Säuberung drei bis vier Stunden. ... In Städten bis zu 300 000 Einwohnern, wo eine flächendeckende Realisierung des Konzepts mit etwa 12 bis 15 Taubenschlägen durchaus möglich ist, lassen sich ehrenamtlich tätige Taubenfreunde in ausreichender Zahl kaum finden. Hier wäre für die Zukunft anzustreben,
dass ein ausgebildeter Tierpfleger, der von der Kommune angemessen bezahlt und im städtischen Tierheim
angestellt ist, gemeinsam oder im Wechsel mit einem Kollegen als städtischer Taubenwart die Taubenschläge betreut. (BAG Stadttauben 2007).
Zu den Kosten:
Würde man in Bochum drei frei stehende Taubenhäuser errichten – Standorte z.B. Rathausvorplatz bzw. am BVZ, Husemannplatz, Dr.Ruer-Platz – beliefen sich die Investitionskosten auf 60.000 € bis 75.000 €. Die Kosten könnten gemindert werden, wenn es gelänge, geeignete Standorte in Dachböden zu finden. Für die Betreuung dieser Schläge wäre
im Grundsatz eine neue Stelle mit den entsprechenden Personalkosten einzurichten.
Nach den Augsburger Erfahrungen erschiene es dabei noch am ehesten aussichtsreich,
die lokalen Probleme an einem abgegrenzten Problemschwerpunkt deutlich zu entschärfen (ohne direkte Auswirkungen auf das übrige Stadtgebiet und mit unsicherer dauerhafter
Erfolgsprognose). Dies setzt aber zwingend die Errichtung des Schlags genau an diesem
Punkt voraus. Nistplätze sollten nur dort angeboten werden, wo sich bereits (seit längerer Zeit) Tauben in
größerer Zahl aufhalten. Es ist nicht möglich, Taubenschwärme nach Belieben zu verlagern. (BAG Stadttauben 2007). Weiterhin müssen die Tiere von ihren bisherigen Brutplätzen erst weggelockt bzw. sie dort vertrieben werden.
Wenn nun die Taubenhäuser oder -schläge nicht die Lösung sind, welche Möglichkeiten
bleiben?
Leider erscheint hier nur eine komplexe Strategie mit folgenden Bausteinen aussichtsreich:
1. Es ist von allen Beteiligten zu akzeptieren, dass Stadttauben zum Leben in einer Großstadt dazu gehören und auch in Zukunft dazu gehören werden – ganz gleich ob man sie
mag oder nicht. Die Tierschutzinitiativen haben vollkommen Recht, wenn sie auf häufig
übertriebene Panikmache vor den Schäden und Problemen mit Stadttauben hinweisen.
Stadttauben sind sehr erfolgreiche „Großstädter“ und (nur entgegen der Meinung vieler
Tierschützer) nicht auf menschliche Hilfe angewiesen. Man kann sie nicht einfach wieder
loswerden, sondern muss lernen, mit ihnen zusammen zu leben und sie als Wildtierart zu
46
akzeptieren. Das bedeutet, dass man lokale Probleme nur lokal lösen kann – der „große
Wurf“, der alle Probleme löst, ist eine Illusion.
2. Um es unmissverständlich auszusprechen: „Bestandsverminderung“ bedeutet, dass
Tauben ums Leben kommen oder ums Leben kommen sollen – so human und leidensfrei
wie möglich. Will man dies vermeiden, bleibt nur, den jetzigen Zustand zu akzeptieren. Die
in Mode gekommenen Taubenhäuser können ebenso wenig wie die vor 10 Jahren gefeierte „Taubenpille“ das Problem ausschließlich über die Fortpflanzungsrate lösen.
3. Entscheidender Baustein jeder Strategie ist ein so konsequent wie möglich durchgesetztes Fütterungsverbot für Stadttauben. Das kann nicht die ganze Lösung sein, aber
ohne dieses Instrument erscheint keine Lösung erreichbar. Die in der Basler Taubenaktion
überzeugend dargestellten Gründe gegen die Fütterung von Tauben bestehen nach wie
vor fort. Für eine Einstellung des Fütterns sollte so offensiv wie möglich geworben werden.
Das eigentliche Problem ist dabei nicht der Großvater, der gelegentlich mit seinem Enkel
ein paar Krümel ausstreut, sondern (meist nur wenige) Extremfütterer, die z. T. hunderte
von Kilos Taubenfutter im Jahr ausstreuen. Entsprechende Fütterer sind leider in nahezu
jeder Stadt anzutreffen. Auch das Liegenlassen von Abfällen und Essensresten stellt eine
Fütterung (noch dazu mit meist minderwertigem Futter) dar.
4. Eine Verminderung der Brutplätze kann durchaus dazu beitragen, den Taubenbestand
auf ein verträgliches Maß zu senken. Ein erster Schritt könnte sein, dass die Stadt Bochum ihren eigenen Gebäudebestand auf „Taubensicherheit“ nochmals kontrolliert. Hierfür
aufgewendetes Geld scheint besser angelegt als in Taubenhäuser. Viele Brutkolonien in
Dachböden etc. ließen sich mit minimalem technischen Aufwand beseitigen, wenn der
nicht unerhebliche organisatorische Aufwand gelöst wäre. Um es auch hier unmissverständlich auszusprechen: Das bedeutet auch hier, dass Tauben ums Leben kommen werden.
5. Sogenannte Vergrämungsmaßnahmen, also i. d. R. Metalldorne (Spikes) auf Vorsprüngen und Simsen, werden dauerhaft erforderlich bleiben. Im Extremfall sind selbst Kotbretter, die Passanten schützen, besser als gar keine Lösung. Zwar stimmt es, dass Vergrämungen das Problem eigentlich nur verlagern. Allerdings kann eine Verlagerung aus einer
hoch problematischen Zone in einen weniger sensiblen Bereich als Lösung bereits völlig
ausreichend sein.
47
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