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16.07.18, 14:02
Aktualisiert
25.01.19, 05:58
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10. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung
für Migration, Flüchtlinge und Integration über die
Lage der Ausländerinnen und Ausländer in
Deutschland (Oktober 2014)
– Kurzfassung für die Presse –
2
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung ....................................................................................................................................... 3
I.
Strukturdaten und soziale Lage .................................................................................................. 4
Soziale Lage der Bevölkerung mit Migrationshintergrund ...................................................... 5
II.
Sprache .......................................................................................................................................... 6
Sprachförderung und sprachliche Bildung in Kita und Schule ............................................... 6
Integrationskurse........................................................................................................................... 6
III. Integration durch Bildung ........................................................................................................... 10
Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung.................................................................. 10
Schulische Bildung ..................................................................................................................... 12
Elternbeteiligung ......................................................................................................................... 14
Berufliche Bildung ....................................................................................................................... 15
Hochschule .................................................................................................................................. 18
IV. Integration in den Arbeitsmarkt ................................................................................................. 19
Erwerbsbeteiligung ..................................................................................................................... 19
Interkulturelle Öffnung der Bundesbehörden.......................................................................... 20
V. Gesellschaftliche Integration ..................................................................................................... 21
Gesundheitliche Situation und Versorgung von Migrantinnen und Migranten .................. 21
Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ................................................................. 22
Dialog mit dem Islam .................................................................................................................. 23
Einstellungen zu Religion - „Religionsmonitor“ der Bertelsmann Stiftung.......................... 23
Sport.............................................................................................................................................. 24
VI. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ...................................................................................... 27
VII. Staatsangehörigkeitsrecht ......................................................................................................... 30
Einbürgerungen ........................................................................................................................... 30
Geburtserwerb – ius soli ............................................................................................................ 31
VIII. Rechtsstellung der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie anderer europarechtlich
privilegierter Personen ............................................................................................................... 33
Unionsbürger ............................................................................................................................... 33
Assoziationsrecht ........................................................................................................................ 34
IX. Aufenthalt aus humanitären Gründen, Asylsuchende und Flüchtlinge, Menschen ohne
legalen Aufenthalt ....................................................................................................................... 35
3
Vorbemerkung
Diese Zusammenfassung enthält eine Auswahl der wichtigsten Ergebnisse des 10.
Berichts über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland. Der
Lagebericht ist von der Beauftragten gemäß § 94 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes
alle zwei Jahre dem Deutschen Bundestag vorzulegen.
Den Schwerpunkt des Berichts bildet die Darstellung der integrationspolitischen
sowie rechtlichen Entwicklungen von Juni 2012 bis Mai 2014. Nur in Ausnahmefällen
konnten aktuellere Entwicklungen berücksichtigt werden.
Entgegen des anderslautenden Titels wird, wie bereits im 8. und 9. Lagebericht nicht
nur nach Staatsangehörigkeit differenziert, sondern es werden umfassend Daten zu
Personen mit Migrationshintergrund betrachtet. Die vielfältigen Lebenslagen der
Menschen mit Migrationshintergrund, von denen mehr als die Hälfte deutsche
Staatsbürger sind, kommen zum Ausdruck. Für den 11. Bericht strebt die Beauftragte
deshalb eine dementsprechende Titeländerung an. Hierfür bedarf es einer Änderung
des Aufenthaltsgesetzes.
4
I. Strukturdaten und soziale Lage
Im Jahr 2012 lebten in Deutschland 81,9 Mio. Personen, darunter knapp 7,4 Mio.
ausländische Staatsangehörige und insgesamt 16,3 Mio. Personen mit
Migrationshintergrund. Damit hat jede fünfte Person in Deutschland einen
Migrationshintergrund.
Zwei Drittel der Personen mit Migrationshintergrund sind zugewandert und ein Drittel
ist in Deutschland geboren.
•
In den letzten drei Jahren ist ein deutlicher Wanderungsgewinn festzustellen. Im
Jahr 2012 lag der Wanderungsgewinn bei +368.945 Personen – der höchste
Wert seit 1995. Nach den vorläufigen Ergebnissen für das Jahr 2013 wird diese
Zahl mit +437.303 noch einmal übertroffen.
•
Die Zahl der im Inland Geborenen wächst seit Beginn der statistischen Erhebung
des Merkmals Migrationshintergrundes kontinuierlich. Im Jahr 2005 waren noch
knapp 4,7 Mio. Personen im Inland geboren, sieben Jahre später, im Jahr 2012
waren es schon 5,4 Mio.
Bevölkerung nach Migrationsstatus1)
Status
2005
in 1.000
Bevölkerung insgesamt
82.465
Personen ohne
Migrationshintergrund
67.132
Personen mit
Migrationshintergrund
im engeren Sinne
2010
%
in 1.000
2011
%
in 1.000
2012
%
in 1.000
%
81.715
81.754
81,4
65.970 80,7
65.792
80,5
65.570
80,0
15.057
18,3
15.746 19,3
15.962
19,5
16.343
20,0
mit eigener
Migrationserfahrung
10.399
12,6
10.590 13,0
10.690
13,1
10.918
13,3
ohne eigene
Migrationserfahrung
4.658
5,6
5.273
6,4
5.425
6,6
5.155
6,3
81.913
1) Abweichungen entstehen durch Rundungen.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus
Personen türkischer Herkunft bilden mit 18,3 % die größte Gruppe unter der
Bevölkerung mit Migrationshintergrund, gefolgt von Personen mit polnischer Herkunft
(9,4 %).
Nach wie vor leben die meisten Menschen mit Migrationshintergrund in den alten
Bundesländern. In der Aufenthaltsdauer zeigt sich, dass Personen mit eigener
5
Migrationserfahrung zu einer überwiegenden Mehrheit (81,3 %) länger als neun
Jahre in Deutschland leben. 50,1 % der Personen mit Migrationshintergrund leben
über 20 Jahre und 14 % sogar mehr als 40 Jahre in Deutschland.
Die in Deutschland lebende Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist deutlich jünger
als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Personen mit Migrationshintergrund
sind im Durchschnitt 35,5 Jahre alt (46,4 Jahre bei Bevölkerung ohne
Migrationshintergrund)
Soziale Lage der Bevölkerung mit Migrationshintergrund
Nach dem Mikrozensus 2012 liegt mit 26,8 % die Armutsgefährdungsquote bei
Personen mit Migrationshintergrund mehr als doppelt so hoch wie bei Personen ohne
Migrationshintergrund (12,3 %). Als armutsgefährdet gelten in Deutschland jene
Menschen, deren verfügbares Einkommen weniger als 60 % des mittleren
Einkommens beträgt.
Der Bildungsstand hat kaum Auswirkung auf die Armutsgefährdungsquote. Die
Quote bleibt bei Personen mit Migrationshintergrund auch dann hoch, wenn sie
Abitur haben. Sie liegt mit 20,1 % mehr als doppelt so hoch wie bei Personen ohne
Migrationshintergrund und Abitur (8,9 %). Auffallend ist, dass über alle Alterskohorten
hinweg die Armutsgefährdungsquote bei Personen mit Migrationshintergrund und
Abitur (20,1 %) deutlich höher ist als bei Personen ohne Migrationshintergrund und
Hauptschulabschluss (14,9 %).
Die Beauftragte spricht sich für eine genaue Analyse der Diskrepanzen in der
Armutsgefährdung aus, um die Faktoren für das Ungleichgewicht benennen und
diesen entgegenwirken zu können.
6
II. Sprache
Sprachförderung und sprachliche Bildung in Kita und Schule
Deutsch in Wort und Schrift zu beherrschen, ist eine Voraussetzung für
gesellschaftliche Teilhabe sowie für bessere Bildungs- und Arbeitsmarktchancen.
Integrationsverläufe von Menschen mit Migrationshintergrund sind daher untrennbar
mit dem Erwerb deutscher Sprachkenntnisse verbunden.
Die Förderung der deutschen Sprache in den Bereichen Kita und Schule hat seit
Jahren einen herausgehobenen Stellenwert. Die Rahmenbedingungen in Kita und
Schule gewährleisten jedoch noch nicht flächendeckend einen qualitativ guten
sprachlichen Bildungsprozess mehrsprachig aufwachsender Kinder.
Weiterhin besteht Handlungsbedarf hinsichtlich der Qualifizierung der pädagogischen
Fachkräfte bzw. Lehrkräfte sowie der Sprachstandfeststellung und effektiven
Fördermaßnahmen. Die Beauftragte befürwortet die in den letzten Jahren
intensivierten Anstrengungen, um in diesen Bereichen Fortschritte zu erzielen. Hier
ist insbesondere das im Jahr 2013 von Bund und Ländern gestartete fünfjährige
Forschungs- und Entwicklungsprogramm „Bildung durch Sprache und Schrift – BiSS“
zu nennen, mit dem Verfahren und Instrumente zur Sprachförderung und -diagnostik
sowie zur Leseförderung in ihrer Wirkung überprüft und weiterentwickelt sowie die
erforderliche Fort- und Weiterqualifizierung der Erzieherinnen und Erzieher sowie der
Lehrkräfte verbessert werden sollen.
Darüber hinaus konnte mit dem Programm „Frühe Chancen“ des BMFSFJ das
Angebot an alltagsintegrierter sprachlicher Bildung im Kita-Bereich ausgebaut
werden. Die Beauftragte begrüßt die Fortsetzung dieses Programm bis 2017.
Angesichts des seit Jahren hohen und stetig wachsenden Anteils der mehrsprachig
aufwachsenden Kinder ist es bedauerlich, dass die bestehende Praxis der
Sprachstandfeststellung und die darauf aufbauende sprachliche Bildung und
Sprachförderung der Mehrsprachigkeit junger Menschen i.d.R. noch nicht gerecht
wird. Die Potenziale gesellschaftlicher und individueller Mehrsprachigkeit werden in
Kitas und Schulen zu wenig gefördert. Hier besteht weiterhin Handlungsbedarf.
Integrationskurse
Seit dem 01.01.2005 finanziert die Bundesregierung Integrationskurse, die in
Zusammenarbeit mit Bildungsträgern durch das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge administrativ durchgeführt werden. Der Integrationskurs besteht aus
7
einem Sprachkurs und einem Orientierungskurs. Der allgemeine Integrationskurs
dauert 660 Stunden, je nach Ausrichtung des Kurses kann die Gesamtdauer auch
bis zu 960 Stunden betragen.
Für das Jahr 2013 wurde mit 167.516 ausgestellten Teilnahmeberechtigungen der
höchste Stand seit 2005 erreicht (Abbildung) gegenüber dem Vorjahr, in dem
128.171 neue Teilnahmeberechtigungen erteilt wurden, bedeutete dies einen Anstieg
um 30,7 %. Dieser Anstieg beruht auf einer verstärkten Neuzuwanderung
insbesondere aus den EU-Mitgliedstaaten und – zu einem geringeren Teil – von
Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien.
Ausgestellte Teilnahmeberechtigungen in den Jahren von 2005-2013
250.000
215.655
200.000
143.392
141.591
155.504
150.000
167.516
145.934
115.427
119.829
2010
2011
128.171
100.000
50.000
0
2005
2006
2007
2008
2009
2012
2013
Teilnahmeberechtigungen
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2013
Aufgrund der verstärkten Neuzuwanderung insbesondere aus den EUMitgliedstaaten und den (Bürger-)Kriegsregionen des Nahen und Mittleren Ostens
haben in den vergangenen zwei Jahren deutlich mehr Neuzugewanderte als bereits
länger in Deutschland lebende Ausländerinnen und Ausländer an den
Integrationskursen teilgenommen.
8
Neue Kursteilnehmende in den Jahren 2012 und 2013 nach den häufigsten
Staatsangehörigkeiten
Rang
1 Polen
2 Türkei
3 Rumänien
4 Bulgarien
5 Syrien
6 Griechenland
7 Spanien
8 Italien
9 Deutschland
10 Russische Föderation
sonstige Staatsangehörige
Summe
zuzüglich Spätaussiedler*
Insgesamt
2012
absolut
Rang
7.686
2
11.064
1
4.283
4
3.292
6
2.335
12
3.034
7
2.547
9
2.345
11
5.031
3
3.568
5
47.858
93.043
977
94.020
2013
absolut
12.531
9.312
7.641
5.705
5.251
5.083
4.970
4.565
4.496
3.336
53.547
116.437
917
117.354
* Spätaussiedler, in deren Aufnahmebescheid einbezogene Ehegatten und Abkömmlinge sowie
weitere gemeinsam mit dem Spätaussiedler in Deutschland eingetroffene und mit diesem verteilte
Familienangehörige nach § 8 Abs. 2 BVFG.
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2013
Vor diesem Hintergrund und dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel ist im
Berichtszeitraum über eine Ausweitung der Teilnahmemöglichkeiten an den
Integrationskursen diskutiert worden. Die Beauftragte fordert seit langem,
Unionsbürgerinnen und -bürgern und Personen mit humanitären Aufenthaltstiteln
nach § 23a, § 25 Abs. 3, § 25 Abs. 4 S. 2 und Abs. 5 sowie § 25a Abs. 2 AufenthG
einen Rechtsanspruch auf Teilnahme am Integrationskurs einzuräumen.1
Ein Rechtsanspruch auf Kursteilnahme für Unionsbürgerinnen und -bürger ist ihrer
Meinung nach geboten, um die europarechtlich verbotene Diskriminierung von
Unionsbürgerinnen und -bürgern gegenüber eigenen Staatsangehörigen, hier
Spätaussiedlerinnen und -siedlern, zu beenden.
Bei Asylbewerbern und Geduldeten ist die Teilnahme an Integrationskursen im
Rahmen verfügbarer Plätze aus Sicht der Beauftragten integrationspolitisch sehr
sinnvoll.
1
Vgl. 8. Lagebericht, Kapitel II.5.2.1.1; 9. Lagebericht, Kapitel III.3.3.
9
Seit ihrer Einführung im Jahr 2005 haben sich die Kurse zu einer der zentralen
Integrationsmaßnahmen des Bundes entwickelt. Um auch zukünftig bei sich
ändernden Rahmenbedingungen und Zielgruppenerfordernissen ein
flächendeckendes und qualitativ hochwertiges Grundangebot der
Deutschsprachförderung bereit stellen zu können, muss nach Einschätzung der
Beauftragten das Integrationskurssystem weiterentwickelt werden. Dazu gehört die
im Koalitionsvertrag angestrebte weitere Differenzierung nach Zielgruppen,
Kursgrößen und der angemessenen Honorierung der Lehrkräfte sowie die
Gewährleistung eines bedarfsgerechten Angebots auch im ländlichen Raum.
Schließlich bedarf es aus Sicht der Beauftragten im Zusammenhang mit der
verstärkten Anwerbung von ausländischen Fachkräften und der insgesamt
steigenden Zuwanderung nach Deutschland einer besseren Koordinierung der
unterschiedlichen Deutschsprachförderangebote des Bundes, der Länder und der
Kommunen.
10
III. Integration durch Bildung
Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung
Im Bundesdurchschnitt weisen heute 36 von 100 Kindern im Alter zwischen drei und
unter fünf Jahren einen Migrationshintergrund auf. Ein früher Zugang zu Bildung für
Kinder mit Migrationshintergrund führt zu besseren Entwicklungschancen und hat
nachweislich positive Effekte für ihre Bildungswege. Insofern ist es erfreulich, dass
die Betreuungsquoten in den zurückliegenden Jahren sowohl für Kinder unter drei
Jahren als auch bei Kindern zwischen drei und sechs Jahren im Bundesdurchschnitt
insgesamt gestiegen sind. Dennoch lagen 2013 die Quoten von Kindern mit
Migrationshintergrund unter drei Jahren mit 17,1 % noch deutlich unter denen von
Kindern ohne Migrationshintergrund. (34,6 %.)
Dabei zeigt der 10. Lagebericht große regionale Unterschiede bezogen auf die
Betreuungsquoten und die damit zusammenhängende Angebotsstruktur. Weiterhin
gibt es strukturelle Gründe die Eltern mit Migrationshintergrund davon abhalten, für
ihre Kinder Angebote an frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung in
Anspruch zu nehmen. Die wichtigsten Gründe hierfür sind mangelnde Plätze in der
frühkindlichen Betreuung, institutionelle Barrieren, die Kosten für die Betreuung, eine
als nicht ausreichend empfundene Betreuungsqualität und eine mangelnde
interkulturelle Öffnung.
Vor diesem Hintergrund begrüßt die Beauftragte Maßnahmen von Bund, Ländern
und Kommunen, um Betreuungsplätze in ausreichender Zahl zu schaffen und
zukünftig verstärkt auch die Qualität öffentlich geförderter Kindertagesbetreuung zu
verbessern.
11
Betreuungsquoten von Kindern unter 3 Jahren mit und ohne Migrationshintergrund in
öffentlich geförderter Kindertagespflege und Kindertageseinrichtungen nach Ländern
am 01.03.2013
Betreuungsquote von Kindern in %
Bundesland2)
mit
ohne
Migrationshintergrund Migrationshintergrund
unter 3 Jahre1)
unter 3 Jahre1)
Baden-Württemberg
17
30
Bayern
16
29
Hamburg
26
47
Hessen
17
31
Niedersachsen
13
29
Nordrhein-Westfalen
14
23
Rheinland-Pfalz
20
32
Schleswig-Holstein
16
29
Deutschland insgesamt
17
35
früheres Bundesgebiet ohne
Berlin
16
28
neue Länder mit Berlin
25
55
1) Die Anzahl der Kinder mit und ohne Migrationshintergrund in der Bevölkerung wurde durch die
Auswertung von Mikrozensus und Bevölkerungsstatistik ermittelt. Der Mikrozensus erhebt detailliert
Angaben, aus denen der Migrationshintergrund einer Person abgeleitet werden kann. Für die
Auswertung des Mikrozensus wurde eine Variable gebildet, die der Definition von
Migrationshintergrund in den Statistiken der Kindertagesbetreuung ("mindestens ein Elternteil ist
ausländischer Herkunft") entspricht. Ein Vergleich mit anderen Ergebnissen zum
Migrationshintergrund ist daher nicht möglich.
2) Die Ergebnisse werden nur auf Ebene des Bundes sowie für die Bundesländer im früheren
Bundesgebiet (ohne Saarland und Bremen) sowie für die Neuen Länder (mit Berlin) insgesamt
dargestellt. Aufgrund zu schwacher Besetzungszahlen der interessierenden Altersgruppen in den
übrigen Bundesländern werden migrationsspezifische Betreuungsquoten dort nicht nachgewiesen, da
die hochgerechneten Werte unter 10.000 liegen und damit in ihrer Aussagekraft eingeschränkt sind.
Grund hierfür ist, dass die Stichprobenbasis beim Mikrozensus Zufallsfehler bedingt und damit einen
einfachen relativen Standardfehler, der umso größer wird, je schwächer ein Merkmal besetzt ist.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Kinder- und Jugendhilfestatistik
12
Schulische Bildung
Laut Mikrozensus 2012 weist jedes dritte Kind unter 15 Jahren einen
Migrationshintergrund auf. Von 2010 auf 2012 ist ihr Anteil von 31,9 % auf 33,1 %
angestiegen. Obgleich Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund über die
Jahre ihre Leistungen in der Schule verbessern konnten, sind immer noch deutliche
Unterschiede zu ihren Klassenkameraden ohne Migrationshintergrund erkennbar.
Die Schulstatistik des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass Chancengleichheit und
-gerechtigkeit – trotz Verbesserungen in den letzten Jahren in unserem
Bildungssystem weiter nicht gewährleistet sind.
An den Hauptschulen sind ausländische Schülerinnen und Schüler überrepräsentiert
(27,5 % zu 10,6 % Deutsche) und an den Gymnasien unterrepräsentiert (24,5 % zu
48,9 % Deutsche). 11,6 % aller ausländischen Schülerinnen und Schüler verließen
2012 die Schule ohne Hauptschulabschluss, unter den deutschen Schülerinnen und
Schülern betrug der Anteil nur 5,4 %.
Immerhin haben sich diese Diskrepanzen zwischen den Schulabschlüssen deutscher
und ausländischer Jugendlicher über die Jahre leicht verringert: Bei den
ausländischen Jugendlichen ist der Anteil ohne Hauptschulabschluss von 15,2 % im
Jahr 2008 auf 11,6 % im Jahr 2012 sogar deutlicher gesunken als bei deutschen
Jugendlichen. Während 44,3 % aller deutschen Schülerinnen und Schüler die
allgemeine Hochschulreife erlangt, ist der Anteil unter den ausländischen
Schulabsolventinnen und -absolventen mit 16,2 % deutlich geringer. Dieser Anteil ist
allerdings seit 2008 von 11,2 % auf 16,2 % gestiegen.
Seit der ersten PISA-Studie 2001 ist in Deutschland offenkundig, dass es unser
Bildungssystem zu wenig schafft, allen Kindern unabhängig von ihrer sozialen
Herkunft einen ihrem Potential entsprechenden Bildungserfolg zu ermöglichen. Nach
wie vor wirken sich der Einfluss sozialer Herkunft bei der Notenvergabe, die
Schulübergangsempfehlungen, mangelnde Wertschätzung und Akzeptanz
gegenüber bestimmten Herkunftsgruppen, die geringere Leistungserwartung,
fehlende ethnische Diversität der Lehrerschaft und im Lehrmaterial sowie
verinnerlichte negative Stereotype auf Seiten der Lehrkräfte wie auch der
Schülerinnen und Schüler auf den Bildungserfolg aus.
Internationale Vergleichsstudien weisen zwar eine verringerte aber dennoch
deutliche Differenz im Kompetenzerwerb im Umfang von mehr als einem Schuljahr
aus. Es besteht deshalb nach wie vor ein erheblicher Handlungsbedarf,
13
insbesondere mit Blick auf das Erreichen der Ausbildungsreife junger Menschen mit
Migrationshintergrund.
Für die von Armut bedrohten und in bildungsarmen Familien aufwachsenden Kinder
und Jugendlichen, unter denen diejenigen mit einem Migrationshintergrund
überrepräsentiert sind, ist ein gerechteres Bildungssystem eine wesentliche
Voraussetzung für den sozialen Aufstieg, die ökonomische Absicherung und ein
weitreichend selbstbestimmtes Leben.
14
Deutsche und ausländische Absolventen/Abgänger allgemeinbildender und
beruflicher Schulen für die Jahre 2004, 2008 und 2012 nach Abschlussarten und
Geschlecht (in % der Wohnbevölkerung im jeweils typischen Abschlussalter)1)
2004
2008
212
in %
Frauen
insg.
Männer
Frauen
insg.
Männer
Frauen
8,5
10,5
6,3
7,5
9,0
6,0
6,0
7,0
4,9
7,6
9,5
5,6
6,7
8,1
5,3
5,4
6,4
4,4
Ausländer
16,4
19,7
12,9
15,2
18,0
12,4
11,6
13,3
9,7
insgesamt
29,6
33,6
25,5
28,5
32,2
24,5
23,8
27,2
20,2
Deutsche
28,2
32,3
23,8
26,6
30,4
22,5
22,0
25,4
18,4
Ausländer
43,3
45,3
41,2
45,8
48,4
43,0
40,4
44,0
36,5
insgesamt
52,2
49,1
55,5
50,8
49,4
52,2
54,7
53,9
55,5
Deutsche
53,9
50,9
57,1
51,7
50,6
52,9
55,2
54,8
55,7
Ausländer
36,2
32,2
40,4
41,8
38,2
45,6
49,6
46,1
53,4
insgesamt
13,2
14,0
12,4
13,5
13,4
13,5
16,7
17,2
16,1
Deutsche
14,0
14,8
13,1
14,1
14,1
14,2
17,4
18,0
16,7
Ausländer
7,1
7,5
6,7
7,2
7,1
7,3
10,7
10,2
11,2
insgesamt
28,3
24,4
32,3
31,7
27,7
35,9
41,2
36,7
46,0
Deutsche
30,5
26,3
34,9
33,9
29,6
38,5
44,3
39,5
49,2
Ausländer
9,2
8,1
10,4
11,2
9,8
12,8
16,2
13,6
18,9
insgesamt
Ohne HauptschulDeutsche
abschluss
Hauptschulabschluss
Mittlerer
Abschluss
Fachhochschulreife2)
Allgemeiner
Hochschulreife
Männer
insg.
Abschlussart
1) Bezogen auf den Durchschnitt der Wohnbevölkerung (am 31.12. des Vorjahres) im jeweils
typischen Abschlussalter (ohne/ mit Hauptschulabschluss: 15 bis unter 17 Jahre; Mittlerer Abschluss:
16 bis unter 18 Jahre; Fachhochschulreife und allgemeine Hochschulreife: 18 bis unter 21 Jahre).
2) Abweichungen zur KMK-Statistik erklären sich dadurch, dass auch Personen erfasst sind, die nur
den schulischen, nicht aber den beruflichen Teil der Fachhochschulreife erlangt haben.
Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.): Bildung in Deutschland 2014, Tab. D7-6web.
Bielefeld 2014
Elternbeteiligung
Viele Untersuchungen belegen, dass Eltern mit Migrationshintergrund hohe
Erwartungen, Wünsche und Ziele in Bezug auf den Bildungserfolg ihrer Kinder
haben. Gleichzeitig können sich allerdings ein mangelndes Wissen über das
deutsche Bildungssystem, sprachliche Defizite oder die Überforderung der Eltern bei
der Begleitung des schulischen Lernens auf den Bildungsweg mancher Kinder
negativ auswirken.
15
Die Beauftragte begrüßt deshalb Programme und Initiativen von Bund, Ländern und
Kommunen sowie weiterer Akteure, die darauf abzielen, Eltern besser zu informieren
und als Partner im Erziehungs- und Bildungssystem zu gewinnen, ihre
Erziehungskompetenz zu stärken und sie im Bildungsprozess zu beteiligen. Aus
Sicht der Beauftragten ist eine stärkere regelhafte Zusammenarbeit von Eltern und
Kita bzw. Eltern und Schule unerlässlich.
Berufliche Bildung
Trotz der Verbesserungen bei den schulischen Abschlüssen der Jugendlichen mit
Migrationshintergrund, ist eine bessere Beteiligung am Ausbildungsmarkt bislang
nicht erkennbar. Zwar ist in den letzten Jahren der Anteil bei den Personen mit
Migrationshintergrund ohne Berufsabschluss leicht rückläufig. Aber der Anteil der
jungen Erwachsenen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die keinen
Berufsabschluss (30,5 %) haben, ist laut Berufsbildungsbericht 2014 fast dreimal so
hoch wie der von jungen Erwachsenen mit deutscher Staatsangehörigkeit (10,9 %).
Hier liegt aus Sicht der Beauftragten eine der großen Herausforderungen der
kommenden Jahre: Es muss - mit Blick auf bessere individuelle Perspektiven, die
Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und die Sicherung der künftigen
Fachkräftebedarfes – deutlich stärker gelingen, Jugendliche mit
Migrationshintergrund zur Ausbildungsreife, in ein Ausbildungsverhältnis und zu
einem Ausbildungsabschluss zu führen.
Wesentlich dafür sind ebenso eine Erweiterung des Ausbildungsangebotes als auch
die interkulturelle Öffnung und Beseitigung von evidenten Diskriminierungen in der
Beruflichen Bildung:
•
Laut BA/BIBB-Bewerberbefragung sind bis Anfang 2013 von den Jugendlichen
ohne Migrationshintergrund 44 % erfolgreich in eine betriebliche Ausbildung
eingemündet. Bei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund waren es dagegen
nur 29 %. Gründe dafür liegen jedoch nicht in einer unzureichenden
Bildungsorientierung oder einer weniger intensiven Ausbildungsplatzsuche.
Jugendliche mit Migrationshintergrund werden bei Einstellungsentscheidungen
nach wie vor mit Vorbehalten konfrontiert, die ihre Chancen auf einen
Ausbildungsplatz erheblich verringern. Die Folgen: Bewerberinnen und Bewerber
mit Migrationshintergrund finden sich im Vergleich zu jenen ohne
Migrationshintergrund anstelle der gewünschten Ausbildung häufiger in
alternativen – oftmals nicht abschlussbezogenen – Bildungsgängen wieder (32 %
16
gegenüber 21 %) oder befinden sich außerhalb des Bildungssystems (23 %
gegenüber 18 %).
•
Eine aktuelle Studie des Forschungsbereichs beim Sachverständigenrat
deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) zu Diskriminierung am
Ausbildungsmarkt stellt fest, dass die Chancen beim Zugang zur Ausbildung von
Anfang an ungleich verteilt sind. Jugendliche mit türkisch / arabisch klingenden
Namen würden bereits in der ersten Bewerbungsphase diskriminiert, d.h. bei
gleich guten schulischen und anderen Voraussetzungen hätten sie deutlich
schlechtere Aussichten, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden,
als Schüler mit einem deutschen Namen.
•
Der Berufsbildungsbericht 2014 weist darauf hin, dass inzwischen weniger
Betriebe ausbilden. Während die Gesamtzahl der Betriebe in den letzten Jahren
weiter gewachsen ist, ging die Zahl der Ausbildungsbetriebe zurück (2012:
21,3 %). Angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels sollten künftig
deutlich mehr Betriebe für eine hochwertige betriebliche Ausbildung gewonnen
werden, um ihren Fachkräftebedarf auch künftig decken zu können.
Angesichts dieser Herausforderungen hat die Beauftragte im Jahr 2014 das Thema
Ausbildung in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt und wird sich darüber hinaus in der
künftigen Allianz für Aus- und Weiterbildung engagieren. Vier Ziele stehen dabei im
Mittelpunkt:
1. Die Ausbildungsbeteiligung von Jugendlichen insgesamt und im Besonderen von
denen mit Migrationshintergrund deutlich zu erhöhen:
2. Mehr Unternehmen für die duale Ausbildung zu gewinnen,
3. Interkulturelle Sensibilität bei der Bewerberauswahl zu stärken und
4. Diskriminierung zu bekämpfen.
Erwerbstätige (15-64 Jahre) nach Migrationshintergrund und Berufsabschluss im Jahr 2012
Migrationsstatus
in 1.000
Bevölkerung insgesamt
Personen ohne
Migrationshintergrund
Personen mit
Migrationshintergrund
im engeren Sinn
darunter
Deutsche
darunter
Ausländer/innen
mit eigener
Migrationserfahrung
darunter
Deutsche
darunter
Ausländer/innen
ohne eigene
Migrationserfahrung
darunter
Deutsche
darunter
Ausländer/innen
mit beruflicher
Ausbildung oder
Berufsfachschule2)
ohne beruflichen
Abschluss1)
in %
in 1.000
in %
Meister/Technikerausbildung oder
gleichwertig
in 1.000
Fachhochschuloder
Hochschulstudium
in %
in 1.000
in %
gesamt3)
in 1.000
4.525
12,2
21.135
57,1
4.146
11,2
7.202
19,5
37.010
2.434
8,0
18.154
59,8
3.699
12,2
6.061
20,0
30.348
2.091
31,4
2.982
44,8
448
6,7
1.141
17,1
6.662
749
23,4
1.686
52,6
255
8,0
516
16,1
3.204
1.343
38,8
1.296
37,5
193
5,6
626
18,1
3.457
1.868
32,2
2.485
42,9
387
6,7
1.054
18,2
5.795
666
23,4
1.488
52,2
227
8,0
470
16,5
2.851
1.203
40,9
997
33,9
161
5,5
584
19,8
2.944
223
25,7
497
57,3
60
6,9
87
10,0
867
83
23,4
197
55,6
28
7,9
45
12,7
354
140
27,3
299
58,3
32
6,2
42
8,2
513
1) Einschließlich Berufspraktikum und Berufsvorbereitungsjahr.
2) Einschließlich Anlernausbildung.
3) Gesamtzahl der Erwerbstätigen ohne Erwerbstätige, die sich noch in schulischer oder berufsqualifizierender Ausbildung befinden sowie Erwerbstätige ohne Angabe zum Berufsabschluss oder zur Art des Abschlusses.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Sonderauswertung des Mikrozensus 2012 für die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration
Hochschule
Die Zahl der Studierenden mit ausländischer Staatsangehörigkeit wächst seit dem
Wintersemester des Jahres 2008 stetig an. Im Jahr 2012 erreichten sie einen Anteil
von 11,5 % an allen Studierenden. In der Gruppe der Studierenden mit ausländischer
Staatsangehörigkeit überwiegt mit 8,2 % der Anteil der Studierenden aus dem
Ausland gegenüber den Studierenden mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die ihr
Abitur im Inland erworben haben (3,1 %).
Mit 41 % brechen ausländische Studierende weitaus öfter das Bachelorstudium ab
als ihre Mitstudierenden mit deutscher Staatsangehörigkeit (28 %).
Erkenntnisse über die Situation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit
Migrationshintergrund sind kaum vorhanden. Vor allem fehlt es an einer
Operationalisierung des Merkmals Migrationshintergrund, um diese Gruppe in ihrer
Heterogenität beschreiben und erfassen zu können.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Migrationshintergrund und deutsche
Staatsangehörige, die einen überwiegenden Teil ihrer Bildung in Deutschland
abgeschlossen haben, werden nur ungenügend in Gewinnungs- und
Internationalisierungsstrategien deutscher Universitäten berücksichtigt. Dadurch geht
wertvolles Potenzial verloren.
Die Beauftragte weist auf die Notwendigkeit der Unterstützung der
Internationalisierung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen hin und begrüßt
die Übernahme des BAföG durch den Bund sowie die aktuelle BAföG-Novelle.
19
IV. Integration in den Arbeitsmarkt
Erwerbsbeteiligung
Die Arbeitsmarktentwicklung der letzten Jahre zeichnet sich dadurch aus, dass die
Zunahmen bei der Erwerbsbeteiligung und die Zuwanderung zu
Beschäftigungszuwächsen geführt haben und der Rückgang der Bevölkerung im
Erwerbsalter überkompensiert wurde.
Die Nettomigration stieg in den Jahren 2008 bis 2012 kontinuierlich und erreichte im
Jahr 2013 einen Spitzenwert von rund 437.000. Mittel- bis langfristig, insbesondere
ab 2020, ist jedoch mit einem schnellen und massiven Rückgang der
Erwerbsbevölkerung zu rechnen. Die demografischen Eckdaten lassen erhebliche
Auswirkungen auf die Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials erwarten, die
sowohl eine stärkere Erschließung des inländischen Arbeitskräftepotenzials als auch
eine ausgeprägte Zuwanderung von Fachkräften erforderlich machen werden.
Die Erwerbstätigenquote ist in den vergangenen Jahren insgesamt und auch für den
Personenkreis der Menschen mit Migrationshintergrund weiter angestiegen. Sie lag
im Jahr 2013 bei 77,1 %. Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten ist gestiegen.
Trotz dieser positiven Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt ist die Arbeitslosenquote
bei Ausländern weiterhin mehr als doppelt so hoch als bei Deutschen (14,4 %
gegenüber 6,2 % im Jahresdurchschnitt 2013).
Zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund bestehen in der
Einkommensstruktur, der Verteilung der Arbeitszeit, der Beschäftigungsart wie beim
beruflichen Status weiterhin wesentliche Unterschiede: Menschen mit
Migrationshintergrund erreichen hier nach wie vor nicht das Beteiligungsniveau von
Menschen ohne Migrationshintergrund.
An einer Verbesserung der Situation für diesen Personenkreis wird und muss weiter
aktiv gearbeitet werden. Gute schulische und berufliche Qualifikationen sind der
beste Schutz gegen Arbeitslosigkeit. Die Befunde des Lageberichts zeigen, dass
gerade Menschen mit Migrationshintergrund diese Qualifikationen häufiger fehlen,
oder dass zu lange gewartet wird, bis sie Gelegenheit erhalten, schulische und
berufliche Qualifikationen nachzuholen. Vor allem Jugendliche und junge
Erwachsene mit Migrationshintergrund müssen noch besser befähigt werden, sich
auf Grundlage einer formellen Qualifikation dem Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt
stellen zu können.
20
Erforderlich sind aus Sicht der Beauftragten strukturelle Veränderungen, die über
nachhaltige, regelhafte Förderstrukturen mehr erfolgreiche Schul- und
Berufsabschlüsse ermöglichen. Insbesondere sind mehr zeitnahe
Nachqualifizierungsangebote - insbesondere bei fehlenden Schul- und
Berufsqualifikationen erforderlich - ebenso wie die weitere Professionalisierung der
Qualifizierungs- und Berufsberatung.
Diskriminierung bei Einstellungen, in der Ausbildung und am Arbeitsplatz müssen
konsequent bekämpft und Vielfalt in Wirtschaft und in öffentlicher Verwaltung als
Normalität und Chance entwickelt werden.
Interkulturelle Öffnung der Bundesbehörden
Es ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, den Anteil von Menschen mit
Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst des Bundes zu erhöhen. Darüber, wie
hoch dieser Anteil ist, gibt es allerdings gegenwärtig keine umfassende und valide
statistische Datenbasis oder empirische Untersuchungen.
Daher werden seit 2014 erste Piloterhebungen anhand einheitlicher Standards und
auf freiwilliger Basis in Bundesbehörden durchgeführt. Als erstes Bundesministerium
wird das Bundesministerium des Innern – einschließlich seiner
Geschäftsbereichsbehörden Bundeskriminalamt, Bundeszentrale für politische
Bildung, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Statistisches Bundesamt,
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung und das Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik – eine Erhebung Ende des Jahres 2014 durchführen. Ebenfalls
teilnehmen wird die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Die Ergebnisse und die Erfahrungen aus der Befragung sollen im Ressortkreis
bekannt gemacht werden mit dem Ziel, dass weitere Bundesbehörden den Anteil der
Beschäftigten mit Migrationshintergrund erheben und verstärkt Maßnahmen der
interkulturellen Öffnung in ihren Behörden ergreifen.
21
V. Gesellschaftliche Integration
Gesundheitliche Situation und Versorgung von Migrantinnen und Migranten
Migrantinnen und Migranten profitieren oft zu wenig von den Möglichkeiten der
gesundheitlichen Prävention und Versorgung. Dies liegt zum Teil an sprachlichen
und kulturellen Hürden. Es wird von einem Anteil von rund 20 % der Migrantinnen
und Migranten ausgegangen, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, um
Informationsmaterialien zu verstehen, sich selbst aktiv zu informieren, ihre
Beschwerden verständlich mitzuteilen und einem Arzt-Patienten-Gespräch
vollständig zu folgen. Auf der Angebotsseite fehlen in der Aus- und Weiterbildung
interkulturelle Kenntnisse und kultursensible Angebote.
Besonders vulnerable Gruppen sind Zuwanderer ohne ausreichenden
Krankenversicherungsschutz sowie Flüchtlinge und Asylsuchende, deren
Gesundheitsversorgung auf eine Akutbehandlung beschränkt ist.
Vorsorgeuntersuchungen und die Behandlung chronischer Erkrankungen sind nicht
vorgesehen, auch wenn die Betroffenen über mehrere Jahre in Deutschland leben.
Die interkulturelle Öffnung im Gesundheits- und Pflegebereich hat in der
18. Legislaturperiode erstmals Eingang in einen Koalitionsvertrag gefunden. Das
Gesundheitswesen steht vor der Herausforderung, zeitgemäße Antworten auf die
gesellschaftliche, religiöse, kulturelle und sprachliche Vielfalt zu finden. Menschen
mit Migrationshintergrund sind sowohl als Patientinnen und Patienten wie auch als
Beschäftigte im Gesundheitswesen und in der Versorgung von Pflegebedürftigen
präsent. Die Bundesregierung wird ihre Bemühungen um eine interkulturelle Öffnung
im Gesundheits- und Pflegebereich verstärken.
Im Berichtszeitraum sind viele Projekte und Maßnahmen der interkulturellen Öffnung
in Krankenhäusern, Gesundheitsämtern, Fortbildungsstätten, Pflegeheimen, oder
Arztpraxen fortgeführt und initiiert worden. Initiativen und Projekte von spezialisierten
Migrantenorganisationen haben ihre Wirkung bei der gesundheitlichen Aufklärung
weiter entfaltet.
Allerdings werden die Initiativen für eine interkulturelle Öffnung nur begrenzte
Wirkung entfalten können, solange die interkulturelle Öffnung nicht fester Bestandteil
der Organisationsstrukturen, der Datenerhebung, der Öffentlichkeitsarbeit, der Ausund Fortbildung sowie der medizinischen und pflegerischen Betreuung ist.
Die Beauftragte empfiehlt die Maßnahmen der interkulturellen und kultursensiblen
Ausrichtung weiter zu führen und bedarfsorientiert auszubauen. Um diesen Prozess
22
zu unterstützen, wird die Beauftragte 2015 einen Schwerpunkt auf die Themen
Gesundheit und Pflege legen. Die Berücksichtigung einer interkulturellen Ausrichtung
ist sowohl im gesetzgeberischen Bereich als auch in der Forschung, in den
stationären und ambulanten Einrichtungen und in der Aus- und Fortbildung sowie der
Beratung und Selbsthilfe erforderlich.
Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften
Infolge der Zuwanderung ist das religiöse Leben in Deutschland vielfältiger
geworden. Insgesamt ist mittlerweile von über 140 Religions- und
Weltanschauungsgemeinschaften im ganzen Bundesgebiet auszugehen.
Religion und Glaube sind für viele Menschen in hohem Maße sinn- und
identitätsstiftend. Durch die in Kirchen, Synagogen, Moscheen oder
Moscheevereinen in der Gemeinschaft praktizierte Pflege von Gebräuchen und
Feiertagen wird überdies ein Gefühl der Solidarität und Zusammengehörigkeit
gepflegt und gestärkt. Dies ist oft für Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer wichtig,
da diese in Deutschland als neuem Lebensumfeld zumindest in der Anfangszeit
häufig auf Unterstützung und Hilfestellungen angewiesen sind.
Der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung beträgt 61,5 %. Damit stellen sie
mit Abstand die größte religiöse Gruppe in Deutschland. Davon gehören 30 % der
römisch katholischen Weltkirche an. Weitere 30 % sind Mitglied der Evangelischen
Kirche in Deutschland. 1,5 % der Bevölkerung sind orthodoxe Christen, hierbei
handelt es sich v.a. um Zuwanderer griechischer, russischer, serbischer,
rumänischer, bulgarischer, georgischer und ukrainischer Herkunft und deren
Nachkommen.
Mit ca. 102.000 (in jüdischen Gemeinden eingetragenen) Mitgliedern ist die jüdische
Gemeinschaft in Deutschland mittlerweile die drittgrößte in Europa sind laut
Migrationsbericht 2012 allein zwischen 1993 und 2012 insgesamt 205.674 jüdische
Personen einschließlich ihrer Familienangehörigen aus der ehemaligen Sowjetunion
nach Deutschland zugewandert.
Im Berichtszeitraum lag die Zahl der in Deutschland lebenden Muslime bei 3,8 bis
4,3 Mio. Gläubigen. Den größten Anteil bilden Sunniten mit einem Anteil von gut
74 %, gefolgt von Aleviten mit einem Anteil von 12,7 % und Schiiten mit einem Anteil
7,1 %.
23
Dialog mit dem Islam
Der Staat muss allen Religionsgemeinschaften neutral gegenüberstehen. Eine
staatliche Förderung ist unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erlaubt
und z.T. grundrechtlich geboten. Insgesamt gesehen sind bzgl. der
Gleichbehandlung der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften im Hinblick
auf den Islam in Deutschland wichtige Fortschritte erzielt worden:
Ein Beispiel hierfür ist die Einführung eines flächendeckenden islamischen
Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen. Im Berichtszeitraum wurden solche
Unterrichtseinheiten in Nordrhein-Westfalen (Schuljahr 2012/2013), in Niedersachsen
(Schuljahr 2013/2014) und in Hessen (Schuljahr 2013/2014) in den Lehrplan
aufgenommen. Insgesamt gesehen befindet sich die Entwicklung noch im
Anfangsstadium: So zeigt sich, dass vielerorts noch die entsprechend ausgebildeten
Lehrkräfte fehlen, um den erheblichen Bedarf decken zu können.
Von besonderer Bedeutung ist die Anerkennung muslimischer Verbände als
Religionsgemeinschaften gem. Art. 7 Abs. 3 GG. Als erstes Bundesland hat die Freie
und Hansestadt Hamburg am 13.11.2012 einen entsprechenden Vertrag mit
Muslimen und Aleviten geschlossen, der zudem wichtige Alltagsfragen regelt. Ein
Vertrag mit ähnlichen Regelungen trat im Januar 2013 in Bremen in Kraft. In
Niedersachsen und Schleswig-Holstein wurde im Berichtszeitraum begonnen,
entsprechende Verträge vorzubereiten.
Die von Bundesminister Dr. de Maizière angestoßenen Überlegungen zur
Neuausrichtung der Deutschen Islam Konferenz (DIK) als gesamtstaatliches Forum
für den Dialog zwischen Staat und Muslimen in der 18. Legislaturperiode werden von
der Beauftragten ausdrücklich mitgetragen. Dies gilt im Hinblick auf eine klare
Trennlinie zwischen der DIK und sicherheitspolitischen Erwägungen zur
Islamismusprävention und -bekämpfung. Dies gilt aber ebenso für den Ansatz, sich
gemeinsam mit den muslimischen Verbänden in einem Dialog auf Augenhöhe über
Format und Inhalte der Fortführung der DIK zu verständigen.
Einstellungen zu Religion - „Religionsmonitor“ der Bertelsmann Stiftung
Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen in Ost und West spricht sich 2013
grundsätzlich für ein aufgeschlossenes Verhältnis zu den Religionen aus: 87 % der
Probanden in Westdeutschland und 78 % in Ostdeutschland stimmen der Aussage
zu „Man sollte gegenüber allen Religionen offen sein.“
Die religiöse Vielfalt in Deutschland wird jedoch nicht nur positiv wahrgenommen
wird: Für 65 % im Westen und 59 % im Osten ist die zunehmende Vielfalt von
religiösen Gruppen in unserer Gesellschaft eine Ursache für Konflikte. Während etwa
24
das Christentum, das Judentum und der Buddhismus von der Mehrzahl der
Befragten als Bereicherung wahrgenommen werden, trifft dies im Hinblick auf den
Islam in Westdeutschland nur für 31 % der Befragten, in Ostdeutschland sogar nur
für 21 % zu. Mehr noch: Hier wie dort wird der Islam von 49 % bzw. 57 % als
Bedrohung wahrgenommen.
Die Ergebnisse des Religionsmonitors belegen die Notwendigkeit der Ausweitung
des interreligiösen und interkulturellen Dialogs. Nicht zuletzt die aufgezeigten
Unterschiede in der Wahrnehmung der einzelnen Religionen lassen aufhorchen. Die
Beauftragte nimmt dies zum Anlass, Religions- und
Weltanschauungsgemeinschaften darin zu bestärken, ihr dahingehendes
Engagement auszuweiten und sich ihrer Integrationsverantwortung auch und gerade
im Dialog mit anderen Religionen und Konfessionen zu stellen. Nur so lassen sich
Berührungsängste vermeiden, Vorurteile abbauen und notwendiges Vertrauen
schaffen.
Sport
Sport fördert die Begegnung von Menschen ganz unterschiedlicher sozialer,
kultureller und ethnischer Herkunft und ist somit ein wichtiger Bestandteil im
Integrationsprozess. Der Sport erreicht weite Teile der Bevölkerung. Die über
91.000 Sportvereine in Deutschland haben rund 27,5 Mio. Mitgliedschaften.
Menschen mit Migrationshintergrund sind nach wie vor deutlich seltener Mitglieder in
einem Sportverein als Menschen ohne Migrationshintergrund. So haben laut dem
Sportentwicklungsbericht von 2009/2010 insgesamt 2,6 Mio. Mitglieder in
Sportvereinen einen Migrationshintergrund.2 Dies entspricht einem Anteil von 9,0 %
an allen Sportvereinsmitgliedern.
Der Anteil der Ehrenamtlichen mit Migrationshintergrund in Sportvereinen liegt bei
4,7 %. Dies bedeutet zwar eine deutliche Steigerung gegenüber 2007, als der Anteil
noch bei lediglich 2,6 % lag (+ 77,4 %). Dennoch sind Menschen aus
Zuwandererfamilien verglichen mit ihrem Bevölkerungsanteil von 20,0 % in
Sportvereinen nach wie vor deutlich unterrepräsentiert, insbesondere unter den
ehrenamtlichen Funktionsträgern.
Besonders gering ist der Anteil der Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund in
Sportvereinen. Zwei Drittel der Sportvereinsmitglieder mit Migrationshintergrund sind
2
Vgl. Breuer, Christoph (Hrsg.): Sportentwicklungsbericht 2009/2010. Analyse zur Situation der Sportvereine in
Deutschland. Köln 2010. S. 11.
25
Männer, ein Drittel sind Frauen. Dabei zeigt eine Studie des DOSB, dass das
Interesse, Sport zu treiben, unter Migrantinnen mit 45 % genauso ausgeprägt ist, wie
bei Mädchen und Frauen ohne Zuwanderungsgeschichte. Doch sind nur 51 % der 2bis 12-jährigen (gegenüber 71 % ohne Migrationshintergrund) sowie 44 % der 13- bis
17-jährigen Mädchen mit Migrationshintergrund (gegenüber 63 % ohne
Migrationshintergrund) Mitglied in einem Sportverein.
Die gleiche Studie des DOSB zeigt zudem einen starken Zusammenhang zwischen
Sportvereinsmitgliedschaft und sozialer Schichtzugehörigkeit: Während nur 12 % der
Migrantinnen aus der unteren Sozialschicht Mitglied in einem Sportverein sind,
beträgt die Partizipationsquote bei Frauen mit Migrationshintergrund aus der oberen
Sozialschicht 31 %. Daher kommt die Expertise zu dem Schluss: „Weibliches
Geschlecht, Migrationshintergrund und niedriger Sozialstatus führen zur mehrfachen
und deshalb besonders starken Benachteiligung.“
Große Unterscheide bestehen auch zwischen den verschiedenen
Zuwanderergenerationen: Während bei den jugendlichen Migrantinnen der ersten
Generation nur 28 % Mitglied in einem Sportverein sind, liegt der Organisationsgrad
bei der dritten Generation bereits bei 68 % und somit fünf Prozentpunkte höher als
bei den jugendlichen Mädchen ohne Migrationshintergrund (63 %). Daher stellt die
Expertise des DOSB fest: „Mit fortschreitender Akkulturation gleicht sich die
Beteiligung im Sportverein an die für Deutsche typischen Muster an. Vor allem
Mädchen mit Migrationshintergrund, die anfangs stark unterrepräsentiert sind, holen
im Zuge dieser Prozesse auf.“
Um die Zielgruppe Mädchen mit Migrationshintergrund noch besser zu erreichen,
führt das Institut „Integration durch Sport und Bildung“ der Universität Oldenburg im
Auftrag der Beauftragten in jedem Bundesland einen Aktionstag "Schule, Sport,
Integration" durch. Ziel der Aktionstage ist es, zum einen Mädchen und ihre Familien
über Angebote des organisierten Sports zu informieren und sie dafür zu motivieren,
Sport zu treiben und in einen Sportverein einzutreten.
Zur Weiterentwicklung der integrationspolitischen Aktivitäten im Bereich Sport setzt
sich die Beauftragte zudem für die Weiterführung des Dialogforums „Sport“ aus dem
Nationalen Aktionsplan Integration ein. Folgende Themen sollten dabei in den Blick
gefasst werden:
• die Verbesserung der Kooperation mit Migrantenorganisationen,
• die Weiterentwicklung zielgruppenspezifischer Angebote – insbesondere für
Frauen und Mädchen,
26
•
die Gewinnung von ehrenamtlichen Übungsleitern, Trainern und
Funktionsträgern sowie
•
Maßnahmen gegen Diskriminierung und Rassismus. Hierzu könnten gemeinsam
mit den Sportverbänden und Migrantenorganisationen bundesweite Aktionen und
Maßnahmen entwickelt werden.
27
VI. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
Die Bundesregierung betrachtet die Bekämpfung von Rassismus,
Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sowie aller damit zusammenhängenden
Formen von Diskriminierung als eine der grundlegendsten und vordringlichsten
Aufgaben von Staat und Gesellschaft. Aus diesem Grunde wird zivilgesellschaftliches
Engagement in diesem Bereich von der Bundesregierung nachhaltig gefördert und
unterstützt.
Im Berichtszeitraum haben insbesondere die Erkenntnisse um die sogenannte NSUMordserie erneut vor Augen geführt, dass die Bekämpfung von Rassismus eine
dauerhafte Herausforderung ist. Die Gefahr aus diesem Bereich wurde in den letzten
Jahren offensichtlich unterschätzt. Derzeit müssen sich mutmaßliche Mittäter und
Unterstützer der Terrorgruppe vor dem Oberlandesgericht München verantworten.
Am 26.01.2012 wurde vom Deutschen Bundestag der NSUUntersuchungsausschuss eingesetzt. Am 22.08.2013 hat der Ausschuss seinen
Abschlussbericht veröffentlicht. Der Bericht bietet mit seinen
47 Handlungsempfehlungen in den Schlussfolgerungen wirksame Grundlage für
Änderungen und Reformen in den Bereichen Polizei, Justiz,
Verfassungsschutzbehörden und Vertrauensleute der Sicherheitsbehörden und
wurde Gegenstand des Koalitionsvertrages nach der Bundestagswahl 2013.
Aus Sicht der Beauftragten sind insbesondere die folgenden der im Abschlussbericht
formulierten Empfehlungen hervorzuheben:
•
Wie die Beauftragte bereits in ihrem letzten Lagebericht angeregt hatte, ist auch
nach Einschätzung des Untersuchungsausschusses die grundlegende
Überarbeitung des „Themenfeldkatalogs Politisch motivierte Kriminalität (PMK)“ –
unter Hinzuziehung von Expertenwissen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft
notwendig. Ferner rät der Ausschuss dazu, einen verbindlichen gegenseitigen
Informationsaustausch zwischen Polizei und Justiz einzuführen (ggf. eine
„Verlaufsstatistik PMK“) – zumindest bei PMK-Gewaltdelikten.
•
In allen Fällen von Gewaltkriminalität, die wegen der Person des Opfers einen
rassistisch oder anderweitig politisch motivierten Hintergrund haben könnten,
muss dieser eingehend geprüft und diese Prüfung an geeigneter Stelle
nachvollziehbar dokumentiert werden. Ein vom Opfer oder Zeugen angegebenes
Motiv dieser Art für die Tat muss von der Polizei beziehungsweise der
Staatsanwaltschaft verpflichtend aufgenommen und angemessen berücksichtigt
werden.
28
•
Deutschlands vielfältige Gesellschaft müssen auch die Polizeibehörden
widerspiegeln. Die Bemühungen, junge Menschen unterschiedlicher Herkunft für
den Polizeiberuf zu gewinnen, müssen weiter intensiviert werden.
•
„Interkulturelle Kompetenz“ muss ein fester und verpflichtender Bestandteil der
Polizeiausbildung sein und zum professionellen Umgang mit gesellschaftlicher
Vielfalt befähigen. Vordringlich die unmittelbaren Vorgesetzten der Kriminal- und
Schutzpolizeibeamten sollen durch Aus- und Fortbildung sensibilisiert werden.
Darüber hinaus hat man sich fraktionsübergreifend auf eine kontinuierliche
Unterstützung für Demokratieförderung verständigt. Konkret sei die Bundesförderung
zu erweitern, die Unterstützung durch den Bund zu verstetigen und
zivilgesellschaftliche Erfahrungen und Kompetenzen einzubeziehen.
Nachdem fremdenfeindliche Straftaten im Jahr 2010 den bislang niedrigsten Stand
seit Einführung des geltenden Erfassungssystems im Jahre 2001 erreicht hatten,
sind sie nach Anstiegen in 2011 und 2012 (um 16,7 % und um 15,6 %), in 2013
erneut um 11,2 % angestiegen (2010: 2.166; 2011: 2.528; 2012: 2.922; 2013: 3.248).
Nahezu alle diese Delikte wurden von rechten Straftätern begangen (97,0 %).
Der Bundesregierung ist bekannt, dass es insbesondere bei den Angaben zur Anzahl
von Opfern rechter Gewalt immer wieder zu Diskrepanzen zwischen polizeilichen
Statistiken politisch motivierter Kriminalität und Auflistungen nicht-staatlicher Stellen
(zivilgesellschaftliche Organisationen, Medien) kommt, die etwa eine wesentlich
höhere Anzahl von Todesopfern rechter Gewalt führen. Die unterschiedlichen
Zählweisen resultieren daraus, dass Tatmotivation und Tatgeschehen nach
unterschiedlichen Ansatzpunkten und aus unterschiedlicher Perspektive zugeordnet
bzw. bewertet werden. Deshalb fordert die Beauftragte neben der grundlegenden
Überarbeitung des „Themenfeldkatalogs PMK“ auch die Einführung einer
„Verlaufsstatistik PMK“, um die Verfolgbarkeit von rassistisch motivierten Taten von
der Anzeigenerstattung bis zum Abschluss eines Strafverfahrens nachvollziehen zu
können.
Außerdem ist aus Sicht der Beauftragten eine weitere Verbesserung im Umgang mit
Opfern rassistischer oder politisch motivierter Gewalttaten notwendig. Opfer sollen
etwa in der Beratung auf spezialisierte Beratungsangebote und
Entschädigungsmöglichkeiten hingewiesen werden.
Nach Auffassung der Beauftragten ist die Einrichtung einer unabhängigen
Beschwerdestelle für bundes- und landespolizeiliches Fehlverhalten notwendig.
29
Darüber hinaus bedarf es aus ihrer Sicht einer unabhängigen wissenschaftlich
fundierten Analyse und Untersuchung zu vorurteilsbehafteten Einstellungsmustern in
der Polizei.
Neben der besseren finanziellen Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen sind
auch institutionalisierte staatliche Programme notwendig, die in Zusammenarbeit mit
der Zivilgesellschaft entwickelt werden müssen, um die Bekämpfung von
Rechtsextremismus und Rassismus als gesamtgesellschaftliches Problem angehen
zu können. Eine positive Entwicklung stellte die Abschaffung der im Jahr 2011
eingeführten sog. Demokratieerklärung dar, auch „Extremismusklausel“ genannt.
Darauf einigten sich Anfang 2014 Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und
Bundesinnenminister Thomas de Maizière.
30
VII. Staatsangehörigkeitsrecht
Einbürgerungen
Die Zahl der Einbürgerungen ist im Berichtszeitraum erneut leicht gestiegen.
Nachdem sie im Jahr 2010 bereits 101.570 Einbürgerungen betrug, wuchs die Zahl
im Jahr 2011 weiter auf 106.897 und im Jahr 2012 auf 112.348 Einbürgerungen.
Allerdings stagnierte sie 2013 mit 112.353 Einbürgerungen und befand sich somit auf
dem Vorjahresniveau. Mit knapp 30 % machen Personen mit türkischer
Staatsangehörigkeit die größte Gruppe der Eingebürgerten aus.
Eingebürgerte Personen im Jahr 2013 nach bisheriger Staatsangehörigkeit
Gesamtzahl: 112.348
Türkei 33.246 (29,6%)
Sonstige 45.118 (40,2%)
Serbien, Kosovo,
Montenegro sowie ehem.
Serbien und Montenegro
6.085 (5,4%)
Polen 4.496 (4,0%)
Afghanistan 2.717 (2,4%)
Marokko 2.852 (2,5%)
Griechenland 4.167
(3,7%)
Russische Föderation
3.167 (2,8%)
Ukraine 3.691 (3,3%)
Irak 3.510 (3,1%)
Vietnam 3.299 (2,9%)
Quelle: Statistisches Bundesamt, Einbürgerungsstatistik
Nach wie vor ist die Einbürgerungsquote in den einzelnen Bundesländern sehr
unterschiedlich. Die Bandbreite reicht dabei in den neuen Bundesländern von 1,16 %
(Brandenburg) bis 1,42 % (Mecklenburg- Vorpommern). In den alten Bundesländern
(einschließlich Berlin) liegt die niedrigste Quote bei 1,1
2 % in Bayern, während die Quote mit 3,13 % in Hamburg noch immer die höchste
ist.
Der Anteil der Einbürgerungen am Einbürgerungspotenzial betrug 2010 2,2 % und
stieg dann in den Folgejahren 2011 auf 2,28 % und 2012 auf 2,42 %. 2013 betrug
31
dieser Wert 2,37 %. Dies verdeutlicht, dass insgesamt noch zu wenige Menschen,
die grundsätzlich die Voraussetzungen erfüllen, tatsächlich von den
Einbürgerungsmöglichkeiten Gebrauch machen.
Die konkrete Einbürgerungspraxis ist nach wie vor nicht nur von Bundesland zu
Bundesland, sondern auch in den Behörden vor Ort unterschiedlich. Die Beauftragte
hatte in diesem Zusammenhang in ihren letzten Lageberichten eine Reihe von
praktischen Problemen angesprochen. Ihr sind auch im Berichtszeitraum wieder
zahlreiche Einzeleingaben und Problemschilderungen vorgelegt worden.
Geburtserwerb – ius soli
Seit dem Jahr 2000 erwerben in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern
bereits mit Geburt neben der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern auch die deutsche
Staatsangehörigkeit, wenn mindestens ein Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt seit
acht Jahren seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und über
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht verfügt (ius soli, § 4 Abs. 3 StAG). Nach einer
Übergangsregelung konnten Kinder der Jahrgänge 1990 bis 1999 unter den gleichen
Voraussetzungen auf Antrag eingebürgert werden, wenn der Antrag im Jahr 2000
gestellt wurde (§ 40b StAG).
Bis Ende des Jahres 2012 erhielten insgesamt rund 460.000 Kinder, die seit
Inkrafttreten der ius soli-Regelung zum 01.01.2000 von ausländischen Eltern
geboren wurden, die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 3 StAG. Hinzu
kommen knapp 50.000 in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern, die die
deutsche Staatsangehörigkeit über die Übergangsregelung des § 40b StAG
erworben haben.
Nach bisheriger Regelung mussten diese sich grds. spätestens bis zu ihrem 23.
Geburtstag für ihre deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit ihrer Eltern
entscheiden. Von den insgesamt 3.316 Optionspflichtigen, die 2013 von der
Altersgrenze betroffen waren, haben 248 ihre deutsche Staatsangehörigkeit
verloren, weil sie sich für die ausländische Staatsangehörigkeit entschieden haben
oder trotz mehrfacher Anschreiben ihrer Optionspflicht nicht nachgekommen sind.
Um jungen Optionspflichtigen künftig die nicht einfache Entscheidung und die damit
verbundenen schwerwiegenden Folgen zu ersparen, haben die Regierungsparteien
im Koalitionsvertrag zur 18. Legislaturperiode vereinbart, die sog. Optionspflicht für in
Deutschland aufgewachsene ius soli-Deutsche und Eingebürgerte nach § 40 b StAG
abzuschaffen. Als „in Deutschland aufgewachsen“ gilt dabei, wer entweder acht
32
Jahre lang seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, hier sechs Jahre
zur Schule gegangen ist oder einen Schul- oder Ausbildungsabschluss in
Deutschland erworben hat. Davon soll in Härtefällen abgewichen werden können.
Die Beauftragte sieht die bevorstehende Gesetzesänderung grundsätzlich positiv.
Nach ihrer Schätzung wird durch die Neuregelung die Entscheidungspflicht
voraussichtlich für mindestens 95% der Betroffenen entfallen. Aus
Gerechtigkeitsgründen hält die Beauftragte es schließlich für geboten, denjenigen,
die sich in der Vergangenheit bereits optionsbedingt entscheiden mussten, den
Wiedererwerb der jeweils aufgegeben Staatsangehörigkeit zu ermöglichen.
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VIII. Rechtsstellung der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger
sowie anderer europarechtlich privilegierter Personen
Unionsbürger
Seit Frühjahr 2013 stand die Zuwanderung insbesondere von rumänischen und
bulgarischen Staatsangehörigen, die als Unionsbürgerinnen und -bürger von ihrem
Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen im Fokus der politischen und medialen
Aufmerksamkeit. Um die teilweise stark überzogene Debatte zu versachlichen setzte
die Bundesregierung im Januar 2014 einen Staatssekretärsausschuss ein, dem auch
die Beauftragte angehörte. Der Ausschuss legte im August 2014 einen
Abschlussbericht vor, in dem er über die Daten-, Fakten- und der Freizügigkeit in
Europa und der Zuwanderung aus anderen EU-Mitgliedstaaten informierte.
Der Bericht stellt u.a. fest, dass es keine massenhafte Zuwanderung von
Unionsbürgern, auch nicht aus Mitgliedstaaten wie Rumänien und Bulgarien gibt
sowie die Arbeitslosenquote der bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen
deutlich unter dem Durchschnitt der Arbeitslosenquote der ausländischen
Erwerbspersonen in Deutschland insgesamt (Mai 2014: 8,8% gegenüber 15 %) und
nur geringfügig über derjenigen des Gesamtbevölkerungsdurchschnitts (7,9 %) liegt.
Zur Entlastung derjenigen Kommunen, die in besonderer Weise durch einen
verstärkten Zuzug aus anderen Mitgliedstaaten betroffen sind, stellte der Bund
konkrete Unterstützungsmaßnahmen in Aussicht. So werden bspw. das Programm
"Soziale Stadt" und die Programme aus den europäischen Fonds ESF und EHAP
stärker auf die kommunalen Probleme zugeschnitten und mit 200 Mio. entsprechend
finanziell ausgestattet. Die Beauftragte begrüßt diese Maßnahmen.
Darüber hinaus wurden in dem Abschlussbericht auch Regelungen zur Verhinderung
von Missbrauch in Zusammenhang mit dem Freizügigkeitsrecht vorgeschlagen, um
sicherzustellen, dass Zuwanderer nicht in ausbeuterischen
Beschäftigungsverhältnissen arbeiten müssen und entschieden gegen
Scheinselbständigkeit vorgegangen wird. Auch im Bereich der Familienleistungen
soll durch gesetzliche Anpassungen (verpflichtende Angabe der steuerlichen
Identifikationsnummer) Missbrauch beim Kindergeldbezug erschwert werden.
Im Freizügigkeitsgesetz/EU sollen die Beschaffung von Aufenthaltskarten oder
anderen Aufenthaltsbescheinigungen durch unrichtige oder unvollständige Angaben
unter Strafe gestellt und befristete Wiedereinreiseverbote im Fall von
Rechtsmissbrauch oder Betrug ermöglicht werden. Da der Anwendungsbereich
insbesondere der letztgenannten Änderung nicht ganz eindeutig ist, empfiehlt die
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Beauftragte an dieser Stelle einen vorsichtigen Umgang mit der Neuregelung und
eine klare Unterscheidung zwischen Missbrauch und Gebrauch des
Freizügigkeitsrechts.
Wie auch im Rahmen der Anhörung zum Gesetzesentwurf am 13.10.2014 durch
zahlreiche Experten betont wurde, ist Rechtsmissbrauch im Zusammenhang mit der
Freizügigkeit nicht als primärer Problemschwerpunkt zu betrachten. Wichtiger wäre
es auch aus Sicht der Beauftragten, in innereuropäischer Solidarität sozialpolitische
Hilfsmaßnahmen zu ergreifen und möglichst bald eine effektive Umsetzung der
„Richtlinie zur Erleichterung der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit“ in Angriff
zu nehmen, welche auf die Beseitigung von Informationsdefiziten und die bessere
Durchsetzbarkeit bestehender Diskriminierungsverbote abzielt.
Assoziationsrecht
Von besonderer Bedeutung im Berichtzeitraum war die Weiterentwicklung der
Rechtsprechung des EuGH nach der Entscheidung „Soysal“ zur Visumpflicht für
türkische Staatsangehörige. Nach der Entscheidung, dass die Visumpflicht für
Dienstleistungserbringer gegen das assoziationsrechtliche Verschlechterungsverbot
aus Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei
(ZP) verstößt, hat der EuGH mit der Entscheidung „Demirkan“ die Frage verneint, ob
dies auch für Dienstleistungsempfänger gelte, was eine faktisch visafreie Einreise für
türkische Touristen zur Folge gehabt hätte. Mit Blick auf die Visumpolitik in der
Europäischen Union hat der EuGH damit eine richtungsweisende Entscheidung
getroffen.
Eine weitere weitreichende Entscheidung hat der EuGH in der Rechtssache „Dogan“
gefällt: Die Voraussetzung der einfachen Deutschsprachkenntnisse für den
Ehegattennachzug (§ 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufenthG) verstößt gegen das
Verschlechterungsverbot aus Art. 41 Abs. 1 ZP. Nach Auffassung der Beauftragten
darf die nationale Regelung nach der Entscheidung des EuGH damit keine
Anwendung mehr auf Ausländerinnen und Ausländer finden, die zu einem
assoziationsberechtigten türkischen Familienangehörigen nach Deutschland
nachziehen. Vorläufig wurde die Entscheidung des EuGH im Wege zweier Erlasse
durch das Bundesministerium des Inneren und das Auswärtige Amt umgesetzt, die in
allen Fälle des Ehegattennachzugs an einem Sprachnachweis festhalten, aber
zukünftig zusätzlich eine Härtefallprüfung vorsehen.
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IX. Aufenthalt aus humanitären Gründen, Asylsuchende und
Flüchtlinge, Menschen ohne legalen Aufenthalt
Im Berichtszeitraum stiegen die Zahlen der Asylanträge in Deutschland (2012:
77.651, 2013: 127.023, 1-5/2014: 62.602) wie auch in der gesamten Europäischen
Union kontinuierlich an. Dabei bewegten sich auch die Gesamtschutzquoten
durchgehend auf einem relativ hohen Niveau: 2012 lag diese bei 27,7 %, im Jahr
2013 bzw. in den ersten fünf Monaten des Jahres 2014 – jeweils kaum niedriger –
bei 24,9 % bzw. 25,3 %. Die bereinigte Gesamtschutzquote, für deren Berechnung
nur materielle Entscheidungen berücksichtigt werden (also bspw. keine DublinÜberstellungen und Rücknahmen der Asylanträge), lag in diesem Zeitraum bei
35,8 %, 39,3 % und 44,1 %.
Angesichts der ansteigenden Differenz zwischen den jährlich gestellten Asylanträgen
und den jährlich getroffenen Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und
Flüchtling befürwortet die Beauftragte die im Koalitionsvertrag angekündigten
besonderen Bemühungen zur Verkürzung der durchschnittlichen Verfahrensdauer
auf drei Monate und die zwischenzeitlich bereits in Angriff genommene personelle
Aufstockung des Bundesamtes. Auf diese Weise wird ggf. auch der Zeitraum des
nach wie vor nicht auf Integration ausgerichteten Leistungsbezugs nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz für die Antragsteller minimiert.
Zu den vernünftigen und effektiven Möglichkeiten der Entlastung des Bundesamtes,
wie auch auf dem Sondertreffen der Innenminister am 16.10.2014 befürwortet,
sollten Personen aus Bürgerkriegsländern wie bspw. Syrien regelmäßig verkürzten
Verfahren unterzogen werden, da diese ohnehin in aller Regel in eine
Schutzzuerkennung münden.
Die Beauftragte spricht sich darüber hinaus dafür aus die zeitintensive Prüfung des
Widerrufs der Schutzzuerkennung (vgl. § 73 Abs. 2a AsylVfG) als rechtlich zwingend
vorgesehenen Verfahrensschritt kritisch zu überdenken, da diese nur in den
seltensten Fällen tatsächlich zu einer Änderung des Aufenthaltstitels oder gar zu
einer Aufenthaltsbeendigung führt.
Der 10. Lagebericht enthält zudem eine kritische Bilanz des „Dublin-Systems“. Die
Beauftragte plädiert hinsichtlich des Dublin-Systems für eine ehrliche und zugleich
solidarische Diskussion um das bestehende europäische Asylsystem.
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Asylantragszahlen, Schutzentscheidungen des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge in absoluten Zahlen und in Prozent sowie Gesamtschutzquoten in
Deutschland 2011 bis Mai 2014
2011
2012
2013
1-5/2014
127.023 62.602
Zahl der Asylanträge
53.347
77.651
Zahl der Asyl- bzw.
43.362
61.826
80.978
52.054
Entscheidungen
33.392
47.840
(77,0 %) (77,4 %)
51.273
(63,3 %)
29.932
(57,5 %)
davon: formelle
Entscheidungen
9.970
13.986
(23,0 %) (22,6 %)
29.705
(36,7 %)
22.122
(42,5 %)
Schutzentscheidungen
davon: materielle
Gesamtschutzquote
22,3 %
27,7 %
24,9 %
25,3 %
bereinigte Gesamtschutzquote
29,0 %
35,8 %
39,3 %
44,1 %
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Asylgeschäftsstatistik, Pressemitteilung des
Bundesministeriums des Innern vom 12.06.2014 und eigene Berechnungen